Lost but never given up by Pheobe
Summary: Was könnte nach "Lost City 2" geschehen sein? Was wird aus SG1? Bleibt das Tor für immer verschlossen? Und was haben die Hak’tyl, die Tok’ra und Daniels Kollegin Sarah mit dem Ganzen zu tun? Alte Probleme, bewährte Freundschaften, neue Missionen und ein neuer Feind erwarten unsere Helden.
Eine Alternative zur 8. Staffel.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Multi-Chara
Genre: Action, Friendship, General, post-Epi
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 2 Completed: Nein Word count: 22315 Read: 6372 Published: 11.04.12 Updated: 11.04.12
Story Notes:
Das ist meine Version, wie es nach LC2 weitergehen können, also erwartet keine Spoiler. Mein erster Mehrteiler, seid gnädig. Mein besonderer Dank geht an meine Beta Sajaon! Feedback würde mich sehr freuen – ich muss schließlich wissen, ob sich ein Weiterschreiben lohnt.

Spoiler: SG allgemein, besonders die Pairings + 7. Staffel komplett

1. Kapitel 1 by Pheobe

2. Kapitel 2 by Pheobe

Kapitel 1 by Pheobe
Lost but never given up


Teil 1


~~~*~~~
Wir spinnen unser eigenes Schicksal,
gut oder schlecht,
und können es nie wieder
rückgängig machen.
Selbst die kleinste Tugend
oder Missetat
hinterlässt winzige Narben.
(William James)


~~~*~~~



Das Licht flackert über uns. Jack beugt sich über die Kristalle, die die Schnelligkeit des Raumschiffes, in dem wir uns befinden, kontrollieren und tauscht einige aus.
„Geben Sie mir Ihre Zat.“, befiehlt er geistesabwesend.
Ich sehe ihn verwundert an, hole jedoch die Waffe und händige sie ihm aus. Er wirft einen kurzen Blick darauf und feuert schließlich einmal auf die Kristalle. Sofort geht ein Ruck durch das Schiff und an den lauter gewordenen Geräuschen und den verstärkten Vibrationen erkennen wir, dass das Tel’tak schneller geworden ist.
Mit den Worten „Hier bitte“, gibt er mir die Zat zurück.
„Sir…“ Ich zögere, zwinge mich dann aber, es ihm doch zu sagen. „Sie sollten wissen, dass General Hammond mich autorisiert hat, das Kommando über das Team zu übernehmen, falls –“
„Tun Sie’s gleich.“, unterbricht er mich.
Das kann nicht sein Ernst sein!
„Das ist doch nicht nötig!“, wehre ich erschrocken ab.
„Ich vertraue Ihnen. Ich mache es Ihnen leicht. Ich trete zurück. Sie sind der Boss.“, erklärt er und wirft mir einen langen Blick zu.
„Okay…“, erwidere ich nach einem kurzen Zögern gedehnt.
Ich weiß, dass meine Stimme unsicher klingt, dennoch muss ich es ihm sagen. Ich habe schon einmal eine Chance dazu verpasst…Gott, ich habe so viele Chancen dazu ausgeschlagen!
„Sir, in Ihrem Haus, bevor Daniel und Teal’c auftauchten…wollte ich Ihnen sagen, dass –“
„Ich weiß.“, unterbricht Jack mich ruhig.
Wir sehen uns lange an. Das flackernde Licht lässt das alles unwirklich erscheinen. Ich frage mich, ob es das wirklich ist. Unwirklich. Vielleicht waren die letzten sieben Jahre nur ein langer, verrückter Traum. Doch sein Blick belehrt mich eines Besseren. Stolz sehe ich darin. Und Verschlossenheit. Ein schlichtes Akzeptieren der Tatsachen, das mich mehr schmerzt, als sein Zorn und seine Abweisung es je könnten.


Unruhig wälzte Samantha Carter sich in ihrem Bett umher. Alpträume quälten sie. Doch es waren nicht nur Träume. Das Schlimme, ja, das Grauenvollste an diesen nächtlichen Besuchern war, dass sie der Realität entsprachen. All das, was nach dem Einschlafen aus ihrem Unterbewusstsein hervorkroch und sie peinigte, war wirklich geschehen. Und sie hatte es nicht zu verhindern vermocht. Sie hatte nicht verhindern können, dass sie ihn verlor…

„Sir!“ Ich beuge mich über den in einer Art Thron sitzenden Jack. Seine Haut fühlt sich kalt an. Sein blasses Gesicht ist schweißüberströmt. Er scheint nahe daran das Bewusstsein zu verlieren.
„Nicht, dass Sie uns jetzt verlassen! Wir haben gewonnen.“
Er reagiert nicht.
„Colonel!“, rufe ich verzweifelt, packe sein Kinn und drehe seinen Kopf zu mir. Langsam kriecht die Angst meinen Nacken hoch.
Mühsam öffnet er die Augen. Blinzelt erschöpft. Kraftlos bewegt er seine Lippen, als wolle er uns etwas mitteilen, doch kein Laut ist zu vernehmen.
„Bitte!“, flüstere ich. Bitte, du darfst uns jetzt nicht verlassen! Die namenlose Angst ihn zu verlieren und die langsam empor kriechende Erkenntnis dessen, was unvermeidbar ist, drohen mich zu überwältigen. Rauben mir den Atem, die Kraft.
„Jack…!“ Meine Stimme überschlägt sich und nur mühsam kann ich meine Tränen zurückhalten. Seine dunklen Augen sehen mich müde und traurig an. Verloren. Niemand kann ermessen, was er durchgemacht hat, um den Planeten zu retten. Niemand.
Seine Lippen formen ein Wort.
„Domata…“, haucht er erschöpft.
Gehetzt wandert mein Blick zu Daniel.
„Das Ding.“, übersetzt er.
Welches Ding? Was hat das zu bedeuten? Was will er uns damit sagen?
Nur widerwillig weiche ich zurück, als Teal’c seinen Freund packt und zu dieser seltsamen Kammer trägt. Vorsichtig stellt er ihn hinein und tritt zurück. Sofort gehen die Lichter an und ein Summen ertönt. Ich schlucke.
„Was jetzt?“
„Aveo…amacuse“, flüstert Jack und starrt blicklos ins Leere.
„Lebt wohl.“, antwortet Daniel auf die unausgesprochene Frage.
Plötzlich erfüllt die Schlafkammer ihre Funktion. In Sekundenschnelle wird Jack eingefroren. Die Augen offen, starrt er traurig ins Nichts.
Verloren.
Ich schlucke schwer. Das…war’s? Das soll es gewesen sein? Wir haben die Welt gerettet und wofür? Soll das der Preis sein?
Meine Gefühle überschlagen sich, die Tränen in meinen Augen bemerke ich nicht einmal.
„Wir können ihn nicht einfach zurücklassen!“, rufe ich außer mir. Das darf nicht wahr sein, es kann einfach nicht wahr sein! „Es muss doch einen Weg geben, diesen Prozess umzukehren! Die Antwort muss irgendwo hier sein!“
Daniel schüttelt bekümmert und resigniert den Kopf. „Das glaube ich nicht, Sam.“, erklärt er leise.
Das kann nicht wahr sein. Ich weigere mich, das zu akzeptieren! Soll das das Ende sein? Wozu haben wir Allianzen geknüpft, die Erde gerettet und den mächtigsten aller Goa’uld besiegt, wenn das der Preis dafür ist!? Wozu?
Verloren.
Ich habe ihn verloren. Er wusste was ich ihm sagen wollte und er ist dennoch gegangen. Ich bin wütend, traurig, entsetzt, verzweifelt und…ja, verletzt. Warum hat er das getan? Warum hat er uns einfach allein gelassen?
Vorsichtig lege ich meine Hand auf das Eis. Es ist kalt. Ein Schauer geht durch meinen Körper. Es hat den Anschein, als würde Jack mich aus seinen dunklen, traurigen Augen ansehen, doch sein leerer Blick starrt durch mich hindurch, als würde er nie wieder lebendig werden können…


Mit einem entsetzten Schrei fuhr Sam hoch. Sie war schweißgebadet und ihr Hemd klebte an ihrem Körper. Sie atmete schwer und keuchend. Mit einer verzweifelten Geste fuhr sie sich durch ihr verschwitztes Haar und ließ sich langsam wieder in die Kissen sinken.
Das Ganze war nun schon fast einen Monat her und dennoch verfolgten sie seit diesem furchtbaren Geschehnis die gleichen Alpträume. Jede Nacht träumte sie von ihm und nicht selten wachte sie völlig verschwitzt und am Boden zerstört auf. An ein Wiedereinschlafen war nicht mehr zu denken.
Unruhig massierte sie sich die pochenden Schläfen. Sie hatte es nicht verhindern können. Sie hatte zugelassen, dass er ging und…
Neben ihr bewegte sich etwas. Sam spürte einen warmen Körper neben ihrem. Pete.
Ruckartig setzte sie sich auf. Sie fühlte sich schuldig, doch konnte sie seine Gegenwart in diesen Augenblicken einfach nicht ertragen, wenn jeder Gedanke allein Jack galt. Sie empfand sich selbst als abstoßend in diesen Momenten. Sie lag mit ihrem Freund im Bett, während sie nur an einen anderen Mann denken konnte.
Leise stand sie auf und schlich aus dem Zimmer.
Nach diesen Träumen nagte an Sam immer das Gefühl, versagt und ihn verloren zu haben. Jack O’Neill hatte die Erde und das gesamte Universum gerettet, doch er hatte einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Sie alle hatten das. Und dennoch. Warum hatte sie es zugelassen? Zugelassen, dass er sich selbst opferte. Sie hätte es verhindern müssen. Sie hätte eine Möglichkeit gefunden. Sie hätte…

~~~*~~~

„Alles in Ordnung?“, fragte Daniel leise und reichte Sam einen Becher mit Kaffee. Er wusste natürlich, dass dem nicht so war, dennoch musste er fragen. Seit fast einem Monat musste er nun schon mitansehen, wie Sam sich quälte. Er wusste, dass sie sich die Schuld an dem Ereignis gab. Doch sie hatten es nicht verhindern können. Niemand hätte das gekonnt.
Mit einem müden Lächeln nahm Carter den Kaffee entgegen. Ihr war klar, dass Daniel nicht wirklich eine Antwort auf seine Frage erwartete. Wie es ihr wirklich ging, konnte man ihr ansehen. Selbst das Wissen, dass die Tok’ra alles in ihrer Macht stehende taten, um den Prozess mit dem O’Neill eingefroren worden war, umzukehren, konnte ihre Stimmung nicht aufhellen. Sie quälte sich mit Selbstvorwürfen und ihre schlaflosen Nächte machten die Lage nicht unbedingt besser.
„Es ist jetzt vier Wochen her.“, murmelte Sam und starrte in die dunkle, heiße Flüssigkeit vor ihr.
„Ich weiß.“, erwiderte der junge Archäologe bedrückt. Auch er zählte jeden einzelnen Tag.
Die Antikerwaffe, die Jack aktiviert hatte, hatte Anubis’ komplette Streitmacht und auch den Goa’uld selbst vernichtet. Die Prometheus wurde derzeit repariert, ebenso wie die vielen F302s, die bei dem Angriff vor einem Monat zum Einsatz gekommen waren. Master Bra’tac war mit dem Späherschiff, das sie zurück zur Erde gebracht hatte, heimgeflogen, um die freudige Nachricht überall zu verkünden. Der mächtigste aller Goa’uld war tot.
Doch der Preis dafür war verdammt hoch gewesen. Zu hoch.
Am Nebentisch unterhielten sich zwei Krankenschwestern über die heutigen Nachrichten und wieder einmal war Daniel unglaublich erleichtert, dass die Zivilbevölkerung ihre Erklärung mit dem Meteoritenschauer akzeptiert hatte. Es war schwer gewesen diesen mächtigen Angriff und die Beinahe-Apokalypse zu vertuschen und noch Wochen danach waren immer wieder mysteriöse Theorien über einen Alienangriff aufgetaucht. Doch auch das hatte sich gelegt und mittlerweile sah das Volk den Meteoritenschauer als Wahrheit an, besonders, da sich nicht nur die Regierung Amerikas mit dieser Erklärung rechtfertigte, sondern ebenso die Regierungen Kanadas, Chinas, Großbritanniens, Russlands und Frankreichs.
Daniel seufzte. Eigentlich hätten sie glücklich sein müssen. Die Erde war gerettet, Anubis vernichtet und ihre alten Allianzen, wie zum Beispiel die mit den Tok’ra, wurden wieder aufgefrischt.
Doch die Opfer, die sie dafür hatten bringen müssen, waren zu hoch gewesen. Jack O’Neill hatte bisher nicht aus seiner seltsamen Schlafkammer geholt und wiederbelebt werden können. Allerdings hatten sie, mit Hilfe der Tok’ra, die Kammer aus dem unterirdischen Außenposten der Antiker in der Antarktis befreien können. Nun war sie auf einem streng geheimen Stützpunkt ihrer Verbündeten. Da eine von ihnen sie damals in Hators Gefangenschaft aus dem Tiefschlaf des Eises hatte erwecken können, hofften die Tau’ri nun, dass den Tok’ra dies auch bei Colonel O’Neill gelingen würde. Doch die Erfolgsaussichten waren minimal.
Ein erneuter Seufzer entglitt dem Archäologen. Das Leben ging wieder seinen gewohnten Gang. Das Stargate war wie geplant zwecks einer neuzubildenden Regierungseinheit für einige Zeit geschlossen worden. Nur noch wenig Personal tummelte sich in den Gängen des Cheyenne Mountain Komplexes, dennoch waren Dr. Weir, Sam, Teal’c und er auf dem Stützpunkt geblieben, falls es Neuigkeiten von ihren Verbündeten geben sollte. Doch bisher hatten sie nichts Neues erfahren und mit jedem weiteren Tag, der verging, schwand ihre Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Colonel Jack O’Neill.
Vielleicht war es sowieso zu spät. Vielleicht klammerten sie sich an diese letzte Hoffnung, weil niemand loslassen wollte. Er selbst hätte es eigentlich besser wissen müssen. Noch immer schmerzte ihn die Erinnerung an seine verstorbene Frau. Doch er hatte gelernt es zu akzeptieren und sie loszulassen. Andererseits hatte Daniel bis zum bitteren Ende an ein Wunder geglaubt und sich an jedes noch so kleine Fünkchen Hoffnung geklammert. Was blieb einem Menschen denn letztendlich, wenn nicht Hoffnung?
„SG-1 bitte sofort in den Besprechungsraum!“, krächzte es plötzlich aus den hässlichen, grauen Lautsprechern. „SG-1 bitte sofort in den Besprechungsraum!“
Mit einem Seufzen trank Sam den letzten Schluck ihres inzwischen schon erkalteten Kaffees, dann verließ sie gemeinsam mit Daniel die Kantine.

~~~*~~~

Wenige Stunden zuvor

Unruhig wanderte er von einer Seite des Raumschiffes zur anderen. Der Pilot warf ihm einen missmutigen Blick zu, wandte sich dann jedoch ohne ein Wort zu sagen wieder dem Manövrieren ihres Gefährtes zu.
Er war sich darüber im Klaren, dass er eine Menge Umstände verursachte, doch das konnte ihn nicht davon abhalten, wie ein eingesperrter Tiger in seinem Käfig auf und ab zu laufen. Seit drei Tagen weilte er nun schon wieder unter den Lebenden, doch viel mitbekommen hatte er davon nicht. Wie die Tok’ra ihm erklärt hatten, allen voran Anise, hatte der Auftauprozess aus der Schlafkammer der Antiker ihn anscheinend beinahe umgebracht. Es war schwierig gewesen, den richtigen Mechanismus zu finden, hatten sie ihm erläutert. Besonders da ihre Alliierten nicht über das mächtige Wissen der Antiker, der Baumeister der Stargates, verfügten. Also hatten sie sich selbst etwas einfallen lassen müssen – und hätten ihn um ein Haar getötet. Dafür, dass er dieses unermessliche Glück, wieder am Leben, frei von jeglichem Antikerwissen, und in einem Tok’ra-Späherschiff auf der Heimreise zu sein, hatte, war er unendlich dankbar.
Dennoch konnte er seine Ungeduld nicht bezähmen. Mit einem leisen Murren und einem resignierten Seufzer ließ er sich an einer Wand hinabgleiten, umschlang die angezogenen Beine und legte den müden, schmerzenden Kopf darauf.
Noch über eine Woche, dachte er frustriert. Noch acht Tage und ein paar Stunden, bevor er wieder seine geliebte Heimat, das SGC und seine Freunde wiedersehen konnte.
Unbewusst massierte O’Neill sich die schmerzenden Schläfen und unterdrückte nur mit Mühe ein lautes Gähnen.
Wie es ihnen wohl ergangen war? Ob sie schon von seiner Rückkehr wussten? Oder hatten die Tok’ra mal wieder ein großes Geheimnis um ihre Arbeit gemacht? Andererseits, er war auf einem weit entlegenen Planeten gewesen, auf dem es kein Stargate gab. Bis die Informationen erst an den Tok’ra-Stützpunkt und von dort aus an die Ohren von Dr. Weir und den Leuten im Stargatecenter drangen, konnte es durchaus einige Tage dauern.
Wie war das Leben auf der Erde ohne ihn weitergegangen? Hatten sie ihn bereits für tot erklärt? Nein, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Auch wenn er nur wenige Erinnerungen an seine letzten Augenblicke unter dem Eis der Antarktis hatte, konnte er nicht glauben, dass sein Team ihn für tot hielt.
Schnell und vor allem effizient versuchte er, ein plötzlich auftauchendes Bild einer Frau, die sich im Eis über ihn beugte und verzweifelt seinen Namen rief, zu unterdrücken. Samantha Carter. War das Realität gewesen? Dieser furchtsame Blick, die Leidenschaft und Angst in ihrer Stimme, als sie ihn bei seinem Vornamen nannte, wie in seltenen, intimen Momenten zuvor? Waren ihre Augen, die in diesen wenigen Sekunden Bände hätten sprechen können und ihn ansahen, als gäbe es für sie nichts schlimmeres und schmerzvolleres auf der Welt, als ihn zu verlieren, Wirklichkeit gewesen? Oder war all das nur ein Traum gewesen? Ein Produkt seiner Fantasie, geschaffen in den letzten Momenten seines armseligen Lebens, gespeist durch ein Begehren, das nie zu stillen, ein Ziel, das nie zu erreichen war? Sollte er sich all das nur eingebildet haben?
Mühsam verscheuchte er diese quälenden Gedanken und Fragen. Traum oder Realität, letzten Endes war es gleich. Sie hatte sich entschieden. Für einen Anderen.
Gott, er hatte nicht einmal um sie gekämpft, sondern alles stillschweigend hingenommen. Hatte ihr nicht gezeigt, wie sehr ihn dieser Verlust schmerzte, selbst dann nicht, als sie mit ihm über ihre komplizierte Freundschaft und über die Gefühle die sie füreinander hegten, sprechen wollte. Er war zu stolz dazu gewesen. Dabei wollte er sie doch. Er wollte sie so sehr und sie ahnte nicht einmal etwas davon. Aber was hätte er denn tun sollen? Ihr Glück zerstören?
Kaum war er wieder am Leben, hatte ihn sein eigenes Gefühlschaos wieder eingeholt. Er seufzte. Er musste sich ablenken.
Was hatten Daniel und Teal’c wohl in den letzten Wochen in denen er, im wahrsten Sinne des Wortes, auf Eis gelegt war, getan?
Daniel hatte bestimmt über irgendwelchen Übersetzungen gebrütet, vielleicht auf der Suche nach der Verlorenen Stadt, da der Stützpunkt in der Antarktis nur ein Außenposten der Antiker gewesen war. Vielleicht hatten sie das Stargate wirklich wie geplant für drei Monate geschlossen, jetzt nachdem der größte Feind der Menschheit besiegt war.
Unwillkürlich musste O’Neill grinsen. Er konnte sich Daniel nur schwer ohne verstaubte Bücher und in Freizeitkleidung irgendwo im Urlaub vorstellen. Die alten Bücher und Artefakte, das gehörte einfach zu ihm, wie Schnee zum Winter.
Allerdings konnte er sich etwas anderes sehr gut vorstellen und sein Grinsen wurde breiter. Daniel und Sarah. Ob die beiden wohl jetzt zusammen waren? Nachdem die Tok’ra sie von dem Goa’uld Osiris befreit hatten, hatte der junge Archäologe nichts mehr von ihr erwähnt. Doch dass er eine Schwäche für sie hatte, konnte selbst ein Blinder sehen – genau wie bei Teal’c und Ishta, der Anführerin der Hak’tyl. Seitdem der Jaffa die Hak’tyl kannte, sah er viel gelassener aus. Und er konnte seit Drey’aucs Tod zum ersten Mal wieder richtig lächeln. Anscheinend tat die Frau ihm gut und ihre Beziehung festigte das Bündnis mit den Hak’tyl. Aus der anfangs misstrauischen Allianz hatte sich eine ehrliche Freundschaft zwischen ihren Völkern entwickelt. Auch war O’Neill nicht abgeneigt ihnen zu helfen wo es ging…
Schon fast durch harmonische, erbauliche Fantasien und Gedanken versponnen, in Morpheus’ Armen entglitten, richtete Jack sich ruckartig auf, als plötzlich ein ungewöhnliches Rucken, gefolgt von einem lauten Knirschen und einem leichten Schaukeln, durch das Schiff ging. Hellwach sprang er sofort auf die Beine und machte sich auf den Weg zu seinem Piloten. Ein plötzlicher Knall, einem Donnergrollen gleich, erschütterte heftig das Tel’tak und die Wucht riss ihn zu Boden.
„Was zur Hölle…!?“, fluchte O’Neill laut und rappelte sich mit Mühe auf, da er von dem Auftauvorgang noch etwas geschwächt war. Zum Glück hatte er wenigstens das Antikerwissen nicht mehr in seinem Kopf, welches wahrscheinlich durch den komplizierten Prozess ausgelöscht worden war.
Langsam kämpfte er sich an den Wänden entlang nach vorne.
Inzwischen schaukelte das Raumschiff gefährlich heftig und das in immer kleineren Abständen auftauchende laute Knirschen trug wenig zu Jacks Beruhigung bei.
„Nu’uf!“, rief er den steuernden Tok’ra. „Was geht hier vor?“
„Ein Meteoritenschauer.“, erklärte der Pilot knapp. „Es hat uns voll erwischt. Ich konnte gerade noch ein Notsignal aussenden, bevor wir…“
O’Neills Augen verengten sich. „Bevor wir was!?“, fragte er betont ruhig.
Nu’uf konnte sich nur mit Mühe auf das Gespräch konzentrieren. Seine Augen wanderten äußerst beunruhigt über den Bildschirm. Sie waren an mehreren Stellen der Außenhülle des Schiffes durch riesige Gesteinsbrocken schwer getroffen worden. Er fluchte leise, als ein weiterer Meteorit sie streifte. Ohne auf Jack, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, zu achten, versuchte der Tok’ra den größten Brocken auszuweichen – mit wenig Erfolg wie er feststellen musste. Der Meteoritenschauer war verdammt dicht und das Späherschiff wurde immer und immer wieder hart getroffen.
„Abstürzen.“, antwortete Nu’uf auf O’Neills Frage.

~~~*~~~

Eine hübsche, junge Frau mit blonden Haaren und einem freundlichen, wenn auch strengen Gesicht, betrat rasch den Kontrollraum. Ihr mittlerweile geübter Blick registrierte sofort die geschlossene Iris, das aufgebaute Wurmloch und den Code, der gerade übermittelt wurde.
„Wir empfangen den Tok’ra-Identifikationscode, Ma’am.“, sagte der Seargent, der den Computer bediente.
Die Frau fuhr sich müde durch das etwas verstrubbelte Haar. Hoffentlich waren es gute Nachrichten, betete sie innerlich.
„Öffnen Sie die Iris, bitte.“, befahl Dr. Weir freundlich.
Daniel und Sam kamen hereingestürzt. Beide völlig außer Atem und dicht gefolgt von Teal'c.
„Wer…?“, schnaufte der Archäologe erschöpft.
Der Weg von der Kantine, in der er und Sam bei einem Kaffee gesessen waren, bis zum Kontrollraum, war doch länger, als er es in Erinnerung hatte. Allerdings kam es auch nicht jeden Tag vor, dass die Mitglieder von SG1 bei jeder Stargateaktivierung von außen wie von der Tarantel gestochen in den Kontrollraum hetzten. Na ja, fast alle Mitglieder von SG1, dachte Daniel bitter.
„Es sind die Tok’ra.“, erklärte Dr. Weir, während sie gemeinsam in den Torraum gingen, um die Besucher in Empfang zu nehmen.
In Sam regte sich etwas. Die Tok’ra? Konnte das vielleicht bedeuten, dass es ihnen gelungen war, den Colonel aufzutauen? Oder deutete ihr plötzliches Erscheinen nicht viel eher auf eine Katastrophe hin? Vielleicht war ihnen der Auftauvorgang doch nicht gelungen? Vielleicht war er sogar komplett schief gegangen und O’Neill war… Nein! Daran durfte sie nicht einmal denken. Es musste eine Chance geben. Er hatte es verdient zu leben. Er musste leben! Sie brauchten ihn hier im SGC. Sie brauchte ihn. Sam schluckte hart. Sie wappnete sich für das Schlimmste und betrat mit bewegungslosem Gesicht den Torraum. Jetzt endlich, würden sie erfahren, was mit Jack O’Neill geschehen war.
Wenige Sekunden nachdem die Iris geöffnet wurde, betraten zwei Tok’ra die Rampe. Ihre Gesichter waren emotions- und ausdruckslos wie immer.
„Willkommen auf der Erde.“, begrüßte die neue Leiterin des SGCs sie in einem neutralen und dennoch freundlichen Ton, während ihre Gäste würdevoll die Rampe hinabschritten.
„Es tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen.“, erklärte Malek ruhig.
Daniel und Sam rissen beunruhigt die Augen auf. Welche Umstände? Was hatte das zu bedeuten?
Allein Teal’c ließ keine Reaktion erkennen. Doch seine Freunde wussten, dass er ebenso betroffen und besorgt um Jack war, wie alle anderen auch.

Im Besprechungsraum erläuterte der Tok’ra, was mit Colonel O’Neill geschehen war. Offenbar war es ihnen trotz aller Zweifel gelungen, ihn aufzutauen und aus der Antikerkammer herauszuholen. Da sie sich schon früher mit Einfrierungs- und Auftauprozesse beschäftigt hatten, unter anderem im Dienste Hathors vor einigen Jahren, hatte dieser Vorgang nicht sehr lange gedauert. Der Colonel war noch sehr schwach gewesen, hatte jedoch seine komplette Erinnerung behalten. Nur das Wissen der Antiker, welches er in sich getragen hatte, war durch den Auftauprozess ausgelöscht worden. Vielleicht war dies von den Erbauern der Maschine so gewollt oder nur ein Fehler oder Nebeneffekt beim Auftauen gewesen, die Tok’ra wollten sich da nicht festlegen. Was das anbelangte, so stellten sie noch Nachforschungen an – allen voran Anise, die SG-1 recht freundlich grüßen ließ und es zutiefst bedauerte, nicht mitgekommen zu sein.
Ein zynisches Lächeln umspielte Daniels Mund, als Malek das erwähnte. Er wusste, dass die Tok’ra sich vor etwa vier Jahren an Jack herangemacht hatte. Und er erinnerte sich noch genau daran, wie unangenehm es dem Colonel gewesen war. Daniel wunderte sich kein bisschen, dass Anise oder Freya lieber bei O’Neill geblieben war, statt dem SGC einen Besuch abzustatten.
Die Tau’ri wussten, dass sich die Tok’ra mittlerweile einen zweiten, geheimen Stützpunkt auf einem Planeten ohne Stargate aufgebaut hatten. Einerseits bot ihnen das Schutz vor den Goa’uld, da dieser Planet ohne ein Sternentor nicht so leicht als Tok’ra-Stützpunkt auszumachen war. Andererseits konnten sie eben aus diesem Grund auch in der Falle sitzen, falls doch einmal ein Goa’uld sie dort angreifen würde, da sie außer einigen wenigen Raumschiffen, keine Fluchtmöglichkeit hatten. Doch die Tok’ra hüteten dieses Geheimnis wie einen Schatz. Nicht einmal das SGC wusste, wo in der Galaxie sich dieser geheimnisvolle Stützpunkt befand – wenn überhaupt in einer ihnen bekannten Galaxie.
Colonel O’Neill war mit einem Frachtschiff zu diesem Planteten befördert worden, denn dort betrieben die Tok’ra ihre meisten und geheimsten Forschungen. Es hatte knapp drei Wochen gedauert, bis sie herausgefunden hatten, wie man Jack wieder auftauen konnte. Der Vorgang an sich hatte nur wenige Stunden gedauert. Da O’Neill so geschwächt war und die Nachricht ihres Gelingens nur durch ein Raumschiff zu den restlichen Tok’ra drang, meldeten sie sich auch erst so spät, entschuldigte sich Malek ernst. Allerdings, so beteuerte er, waren er und sein Gehilfe sofort aufgebrochen, als sie die Mitteilung bekommen hatten.
„Welche Mitteilung meinst du?“, fragte Daniel alarmiert.
Was war geschehen? Hatte O’Neill den Auftauvorgang doch nicht überlebt? War er im Kampf um sein Leben erlegen? Daniel ermahnte sich im Stillen, nicht den Teufel an die Wand zu malen und atmete ein paar Mal tief durch.
Malek sah jeden der Reihe nach mitleidig an. Sam versteifte sich merklich unter seinem seriösen und bekümmerten Blick.
„Vor wenigen Stunden erhielten wir eine Nachricht von einem Tok’ra, der… nun, der auf einer Geheimmission in einem Transportschiff unterwegs war.“, explizierte der Tok’ra. „Er erklärte, er habe ein Notsignal, das von einem anderen Schiff, welches im Begriff war, abzustürzen, aufgefangen.“
Er wandte sich jetzt Dr. Weir direkt zu. „Dr. Weir, wir haben O’Neill, sobald es ihm etwas besser ging, umgehend mit einem Tel’tak auf die Heimreise geschickt.“
Sie nickte und bedeutete ihm, weiter zu reden.
„Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass dieses Notsignal von Colonel O’Neill und einem Tok’ra namens Nu’uf, dem Piloten des Raumschiffes, stammte.“
Er hielt inne und ließ die Tau’ri diese Nachricht verdauen. Er hatte den Colonel persönlich gekannt. Dieser hatte ihm einst auch das Leben gerettet, doch bisher hatte Malek keine Gelegenheit gehabt, sich dafür zu revanchieren. Er war sich darüber im Klaren, wie wichtig O’Neill seinem Team war. Es war ein schmerzlicher Verlust, den auch die Tok’ra zutiefst bedauerten.
Stille und Entsetzen breiteten sich am Tisch aus. Sie alle, besonders aber SG-1, fühlten sich, als hätte man ihnen einen harten Schlag in die Magengrube versetzt. Oder, als hätte man sie in einen tiefen, grauenvollen Alptraum hineingestoßen, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien.
Daniel war der Erste, der die Sprache wiederfand. Er räusperte sich. „Willst du damit sagen, Malek, dass Jack und… Nu’uf mit dem Tel’tak abgestürzt sind?“, fragte er leise.
Der Tok’ra nickte betrübt.
In Sam überschlugen sich die unterschiedlichsten Gefühle. Es konnte nicht wahr sein, was Malek ihnen soeben erzählt hatte. Es konnte einfach nicht wahr sein! Es durfte nicht sein!
„Aber jemand hat den Notruf bekommen oder nicht? Warum haben sie ihnen nicht geholfen!?“ Sie sprang wütend auf und ihre Stimme wurde lauter, ohne dass sie es zu bemerken schien.
„Das Schiff, das das Notsignal empfangen hat, war zu weit entfernt, als dass es noch etwas hätte ausrichten können.“, sagte der Tok’ra leise.
Sam starrte ihn wütend an. Sie war außer sich. „Aber sie hätten es versuchen müssen!“, rief sie und ihre Stimme überschlug sich. „Sie hätten es wenigstens versuchen müssen! Auch einer von euren Leuten war auf dem Raumschiff, verdammt!“
Maleks Gesicht zeigte tiefes Bedauern und auch Trauer, doch er blieb weiterhin sachlich und ruhig. „Wie bereits erwähnt, war der Tok’ra, der die Botschaft empfangen hatte, auf einer geheimen Mission, die nicht gefährdet werden durfte. Außerdem war die Distanz –“
„Das ist doch nicht dein Ernst!?“, unterbrach Carter ihn.
„Major Carter.“ Dr. Weir sah von einem zum anderen. Sie konnte zwar nicht nachfühlen, wie ihre Kollegin empfand, da sie O’Neill nicht so lange gekannt und mit ihm zusammengearbeitet hatte, doch auch sie schmerzte dieser Verlust. „Setzen Sie sich wieder.“
Sam starrte die Frau ihr gegenüber an, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Es war, als würde sie durch sie hindurchsehen.
„Sam…“ Daniel legte seine Hand auf ihren Arm und bedeutete ihr, sich hinzusetzen und zu beruhigen.

„Ich… ich glaube nicht, dass er… tot ist.“, sagte Carter später zu Daniel. „Ich kann und will es nicht glauben!“
Daniel sah sie mitleidig an. „Ich auch nicht, Sam.“
Sie saßen alle in seinem Labor. Alle, das waren er, Sam und Teal’c, und unterhielten sich noch einmal über die Geschehnisse des vergangenen Monats und besonders über das, was die Tok’ra ihnen vor wenigen Stunden mitgeteilt hatten.
O’Neill hatte aus der Schlafkammer, die einstmals von den Antikern gebaut worden war, befreit werden können. Er hatte überlebt, zwar sehr geschwächt, aber er war am Leben. Doch dann stürzte er mit einem Tok’ra-Späherschiff irgendwo im Weltraum ab. Welche Ironie…
Ihre Verbündeten waren der festen Überzeugung, dass Jack und Nu’uf tot waren. Sie wollten nicht einmal den Versuch einer Rettungsaktion starten, dachte Daniel bitter. Sie hatten die beiden einfach so aufgegeben. Ein weiteres Opfer im Kampf gegen die Goa’uld.
Doch diese verhielten sich seit Anubis’ Vernichtung seltsam ruhig. Beunruhigend ruhig, um genau zu sein. Doch daran konnten sie im Moment keinen Gedanken verschwenden. Fieberhaft überlegte der junge Archäologe, wie er die neue Leiterin des SGC, Dr. Weir, davon überzeugen könnte, eine Rettungsmission zu genehmigen.
„Vielleicht haben es O’Neill und der Tok’ra geschafft, auf einem Planeten Bruch zu landen.“, schlug Teal’c vor und riss Daniel damit aus seinen deprimierenden Gedanken.
„Aber dann hätten sie sich gemeldet.“, widersprach Sam und fuhr sich mit einer müden Geste über das Gesicht. „Oder nicht?“
„Na ja…“, sinnierte Daniel. „Vielleicht konnten sie es nicht? Oder der Planet hat kein Stargate? Oder er ist unbewohnbar?“
„Du kannst einem wirklich Mut machen.“, erwiderte seine Kollegin sarkastisch, doch er zuckte nur mit den Schultern.
„Also gut.“, begann Sam. „Wir wissen, dass sie ein Notsignal ausgesandt haben, welches nicht widerrufen wurde. Also müssen wir annehmen, dass sie tatsächlich abgestürzt sind. Die Tok’ra wissen die ungefähre Position, an der das Schiff aus unerklärlichen Gründen seinen Geist aufgegeben und abgestürzt ist. In der Nähe sind einige Planeten, doch ob sie es noch bis dorthin geschafft haben, ist fraglich und wir können es nur vermuten.“
Daniel und Teal’c nickten zustimmend und forderten sie damit auf, weiter zu sprechen.
„Wenn wir also davon ausgehen, dass sie es vielleicht doch bis auf einen bewohnbaren Planeten“ - fügte sie mit einem Seitenblick auf Daniel hinzu - „geschafft haben, dann muss es einen plausiblen Grund dafür geben, dass weder die Tok’ra, noch wir etwas von den beiden gehört haben. Wie Daniel bereits erwähnt hat, gibt es mehrere Optionen, was geschehen sein könnte. Tatsache allerdings ist: Wir wissen es nicht. Wir gehen hier von Vermutungen aus.“
„Solche Vermutungen haben sich in der Vergangenheit aber schon oft als wahr erwiesen.“, warf Teal’c ruhig ein.
„Du hast Recht. Wenn wir also all diese Vermutungen nehmen, ergibt das doch mehrere plausible Gründe, warum eine Rettungsmission gestattet werden müsste.“
„Außerdem“, fügte Daniel hinzu, „können wir Jack nicht einfach aufgeben. Ich meine, er hat den gesamten Planeten vor Anubis gerettet und sich selbst, ohne auf die Gefahr zu achten, geopfert. Er hat sich geopfert, damit wir leben können. Wir sind es ihm schuldig, nach ihm zu suchen!“, ereiferte er sich.
„Das sehe ich genau so.“, erklang plötzlich eine Stimme von der Tür her und drei verblüffte Gesichter wandten sich der Frau zu.
„Major Carter, Sie werden sich mit der Prometheus auf die Suche nach Jack O’Neill machen.“, befahl Dr. Weir und Sam sprang auf. „Das Sternentor dürfen wir nach dem Befehl des Präsidenten im Moment nicht nutzen, die Prometheus allerdings schon. Finden Sie ihn und bringen Sie ihn zurück nach Hause.“
An die anderen, die bereits Einspruch erheben wollten, gewandt, sagte sie: „Sie, Dr. Jackson und Sie, Teal’c, brauche ich hier im SGC. Wir haben Probleme.“
„Was für Probleme?“, fragte Daniel. Hatten sie denn nicht schon genug?
„Wir haben eine Nachricht erhalten. Es geht um einen neuen und gefährlichen Goa’uld, dessen wir uns annehmen müssen.“, erklärte sie ernst.
„Von wem stammt die Botschaft?“, fragte Teal’c und stand langsam auf.
Dr. Weir musterte ihn lange, bevor sie antwortete. „Von den Hak’tyl. Sie werden in einer Stunde hier eintreffen.“

~~~*~~~

„Sam, was…?“, rief Pete bestürzt, als er das Schlafzimmer seiner Freundin betrat. Ihre Sachen lagen wild verstreut auf dem Boden und mitten auf ihrem schönen Bett thronte eine kleine schwarze Reisetasche.
„Du packst?“, fragte der junge Mann verwirrt.
Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, lief Sam weiter im Raum auf und ab, stopfte die verschiedensten Sachen in die Tasche, nur um sie einen wütenden Moment später wieder hinaus und auf den Fußboden zu werfen.
„Ja“, antwortete sie knapp und blieb mitten in dem Durcheinander stehen. Was noch?, überlegte sie. Es würde eine lange Reise werden und Dr. Weir hatte ihr geraten, vielleicht ein paar persönliche Sachen mitzunehmen, wenn sie wollte.
Sie war so mit ihrem Vorhaben beschäftigt und in Gedanken versunken, dass sie Petes Erscheinen kaum bemerkt hatte. Erst als er sie zu sich umdrehte und ihr fest in die Augen sah, wurde Sam seiner gewahr.
„Was machst du hier?“, wollte sie wissen.
Der Flug würde über eine Woche dauern. Das machte eine Woche für den Hinflug, eine Woche für die Heimreise und dazwischen noch die Zeit, die sie benötigen würden, um ihn zu finden.
„Was ich hier mache?“ Pete war ernsthaft verblüfft. „Sam, wir waren doch zum Essen verabredet. Hast du das etwa vergessen?“
Siedendheiß fiel ihr das mit ihm vereinbarte Treffen ein. Doch seit sie die Nachricht von den Tok’ra erfahren hatten, hatte es für Carter nichts außer ihre bevorstehende Mission gegeben. Seltsam, aber seit dieser grauenvollen Mitteilung war Pete für sie nicht mehr existent gewesen. Es gab nur noch einen Namen in ihrem Kopf. Nur noch einen Gedanken. Jack O’Neill - und wie sie ihn retten konnte.
„Sam?“, vorsichtig hob Pete ihr Kinn an und blickte ihr tief in die Augen. „Alles in Ordnung, Liebling? Ist irgendetwas passiert?“
Ob etwas passiert war? Fragte er das allen Ernstes? Das Schicksal war passiert. Das Leben. Sie hatte ihn ein zweites Mal verloren. Er war irgendwo im Weltall verschollen. Und wieder hatte Sam nichts dagegen unternehmen können.
Verzweiflung breitete sich in ihrem Inneren aus und drohte sie, einer gewaltigen Flutwelle gleich, zu überwältigen. Sie schluckte hart und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Sie trug dafür die Verantwortung. Nur sie ein allein.
Sie hätte ihren Kopf in dieses Ding stecken sollen. Sie hätte durch Asgardtechnologie in einer Kältekammer in Tiefschlaf versetzt werden sollen. Sie hätte mit einem Tok’ra-Raumschiff abstürzen und verloren gehen sollen. Aber nicht er! Warum, warum nur traf es immer ihn? Sie hätte es verhindern müssen. Es wäre bestimmt ein Weg da gewesen. Warum hatte sie nichts unternommen?
Mit weit aufgerissenen Augen wandte sie sich von ihrem Freund ab, bevor er den Schmerz, die Verzweiflung, Wut und Trauer in ihren Augen sehen konnte.
Sie atmete ein paar mal tief durch und verdrängte alle unerwünschten Emotionen. Das Einzige, was jetzt noch zählte, war ihre bevorstehende Mission. Das Einzige, was jetzt noch wichtig war, war seine Rettung.
„Ich werde einige Wochen verreisen.“, erklärte sie schlicht.
„Verreisen? Wohin? Warum?“ Zerknirscht fuhr Pete sich durch die Haare. Das war’s dann wohl mit dem gemütlichen Candlelight-Dinner zu zweit. Warum konnte sie ihm nicht einfach sagen, was los war? Warum musste sie ständig Geheimnisse, die ihren Beruf betrafen, vor ihm haben. Er wusste doch Bescheid! Er wusste doch vom Stargateprojekt, verdammt! Warum musste sie noch immer alles vor ihm verheimlichen?
„Jemand wird vermisst. Ich werde in zwei Stunden zu einer Rettungsmission aufbrechen.“, antwortete Sam knapp und wandte sich wieder der halbleeren Tasche auf ihrem Bett zu. Einige Bücher über Astrophysik würden ihr die lange Reise bestimmt angenehmer gestalten und die Zeit schneller vergehen lassen, überlegte sie.
Pete entging nicht, dass sie den Namen des Vermissten und den Ort, zu dem sie wollte, bewusst außen vor gelassen hatte.
„Wer ist es?“, versuchte er es noch einmal.
Abrupt drehte sie sich zu ihm um. „Was?“
„Du hast mich schon richtig verstanden, Sam.“, erwiderte Pete gelassen und blickte ihr forsch in die Augen. Da war mehr an der Sache, als sie zugeben wollte. Er war ein Cop und solche Dinge konnte er meilenweit riechen. „Wer wird vermisst und wohin soll die Reise gehen?“
„Das ist geheim.“ Ihre lakonische Antwort machte ihn wütend. Verdammt, wie lange sollte dieses Versteckspiel zwischen ihnen denn noch andauern?
„Sam.“, sagte er betont ruhig und zwang sie mit seinem Blick zu einer Antwort.
Sie seufzte und sah ihn zweifelnd an. Ahnte er etwas? Nein, bestimmt nicht. Es war sein Polizisteninstinkt, der ihn misstrauisch sein ließ.
„Jack O’Neill.“ Sie war erstaunt, dass ihr sein Name so einfach über die Lippen ging. Ohne jegliche Gefühlsregung.
Jack O’Neill. Der Mann, der ihr seit fast einem Monat den Schlaf raubte und das Gott weiß nicht zum ersten Mal. Der Mann, der ihr unzählige Male das Leben gerettet hatte. Der Mann, den sie zwei Mal hatte gehen lassen ohne es zu verhindern. Sie schuldete ihm das. Wenigstens den Versuch einer Rettung, auch wenn die Tok’ra überzeugt waren, dass bereits alles zu spät war. Sie wollte, nein, sie konnte ihn nicht einfach so aufgeben. Niemals.
„Kann das nicht jemand anderes übernehmen?“, fragte Pete nachdenklich. „Also, den Auftrag meine ich. Das musst doch nicht unbedingt du machen, oder?“
Sam erstarrte. Hatte er das gerade wirklich gesagt?
„Doch. Ich muss.“, knirschte sie mit zusammengebissenen Zähnen und wandte ihren Blick von seiner Gestalt ab.
Pete schien ihr gefährlicher Unterton entgangen zu sein, denn er sprach bedenkenlos weiter.
„Ich verstehe ja, dass jemand nach ihm suchen muss. Aber warum ausgerechnet du? Er war zwar dein kommandierender Offizier, aber es kann doch niemand von dir verlangen, dass - “
„Halt den Mund!“
Verblüfft blickte er in ihre sich vor unterdrücktem Zorn wie Gewitterwolken verdunkelnden, tiefblauen Augen. „Wie bitte?“
Wütend blitzte Sam ihn an. „Sei still. Du hast keine überhaupt Ahnung wovon du da eigentlich redest, Pete.“
Jetzt war er wirklich verwirrt. Was hatte das alles zu bedeuten? Warum war sie so wütend?
„Colonel Jack O’Neill ist nicht irgendein x-beliebiger Offizier, der gerade verschollen ist!“, warf sie ihm an den Kopf. „Er ist mein kommandierender Offizier, mein Vorgesetzter! Und er hat schon mehr als ein Dutzend Mal mein Leben gerettet. Ohne ihn würdest du mich heute nicht so vor dir sehen, Pete Shanahan! Ich bin es ihm schuldig, die Rettungsmission zu leiten. Es ist das Mindeste…“ Die letzten Worte hatte sie nur noch geflüstert, denn wieder drohte die schreckliche Erinnerung sie zu überwältigen. Er war fort. Verschwunden. Und sie hatte es zugelassen. Verdammt, warum hatte sie ihn nicht aufgehalten? In ihre Verzweiflung mischten sich tiefe Schuldgefühle. Es war ihre Schuld. Sie musste ihn einfach retten. Sie musste ihn wiedersehen. Koste es, was es wolle.
Pete hob abwehrend die Hände. „Schon gut, schon gut.“, murmelte er scheinbar resigniert. Doch in Wirklichkeit sah er seine Freundin jetzt in einem anderen Licht. Sam Carter war zwar ein sehr pflichtbewusster Mensch, der alles für seinen Job tat, aber diese Sache ließ ihn dennoch stutzen. Was war mit ihr geschehen? Wo war ihre Coolness, unter der sie die meisten ihrer Gefühle verbarg, besonders die unangenehmen? Wo ihre Ehrlichkeit? Wo ihre Fröhlichkeit und Lieblichkeit? Pete erkannte eine völlig neue und bisher unbekannte Seite an ihr. Sie bebte vor unterdrücktem Zorn und etwas schien ihr schwer auf der Seele zu lasten, schien sie innerlich fast zu zerreißen.
Mit Sicherheit musste es etwas mit ihrem kommandierenden Offizier zu tun haben, denn seit fast einem Monat benahm Sam sich nun schon merkwürdig. Doch sie hatte es bisher relativ gut zu verschleiern gewusst – bis zu diesem Augenblick. Konnte es sein, dass sie und O’Neill…?
„Sam?“, fragte Pete vorsichtig und berührte sie am Arm. „Kann ich dich etwas fragen?“
Sie warf ihm einen irritierten, misstrauischen Blick zu. „Was willst du wissen?“
„Naja, ähm…“ Er räusperte sich und druckste einbisschen herum. „Warst du und…kann es sein, dass…also…was ich meine, ist…du und Colonel O’Neill, hattet ihr beide einmal etwas miteinander?“
Wie von der Tarantel gestochen fuhr Sam hoch. „Was!?“
Also doch, dachte er interessiert. Etwas musste zwischen den beiden gewesen sein, sonst würde sie nicht so heftig reagieren. Ihre Augen waren geweitet und ihr ganzer Körper versteift. Ohne es zu merken schlug ein ihm nicht unbekanntes Gefühl in seinem Inneren Funken, drohte ein vernichtendes Feuer zu entzünden. Eifersucht.
In seiner Ausbildung zum Polizisten, hatte Pete gelernt, Zeugen und Verdächtige zu verhören und dabei konnten Gesten und Blicke oft mehr sagen, als bloße Worte. Mit der Zeit hatte er seine Verhörmethoden perfektioniert. Und bei Sam konnte er eindeutig sehen, dass sie etwas verbarg. Daran gab es keinen Zweifel.
„Ich wollte wissen, ob du und… Jack ein Paar wart.“, erklärte er freundlich, jegliche aufflammenden Gefühle bezwingend.
Heiße Röte kroch in ihr hoch und Sam tat alles um dieses ungewollte und dennoch unleugbare Geständnis auf seine Frage zu unterdrücken. Sie und Jack waren nicht zusammen gewesen, niemals. Die Regeln verboten es ihnen.
„Nein.“, versuchte sie händeringend zu erklären. „Wir…Jack und ich…wir waren…wir hatten nie….wir sind nur gute Freunde.“
Petes Lächeln gefror. Er hatte das Gefühl, als hätte man ihm eine glühend heiße, steinharte Faust in den Magen gerammt.
„Du empfindest etwas für ihn.“, stellte er fest und seine Augen wurden kalt und hart wie Stahl.
Sam wurde mit einem Schlag leichenblass. Was redete er da? Er wusste nichts über sie und Jack. Überhaupt nichts! Wie konnte er sich das Recht herausnehmen ein Urteil über sie zu fällen?
Sie und der Colonel waren nur Arbeitskollegen. Gute Freunde. Sehr gute Freunde. Und weil sie sich seinetwegen schuldig fühlte, wollte sie die Mission zu seiner Rettung leiten. Ein Freundschaftsdienst. Sie hätte das auch jederzeit für Daniel oder Teal’c getan. Und der Colonel auch.
„Ich…“, begann sie.
Pete sah sie abwartend an.
„Ich… nein.“, sagte sie schlicht und ohne mit der Wimper zu zucken. Doch in ihrem Inneren spürte sie einen rasiermesserscharfen, tiefen und kalten Schmerz, als hätte ihr jemand ein Schwert in die Brust gerammt.
„Warum musst du das dann machen?“, brauste Pete auf und sah sie enttäuscht an. Er hatte sich nur ihretwegen Urlaub genommen, damit sie sich eine schöne Zeit gemeinsam machen konnten und jetzt war all das umsonst?
In Sam flammte erneut Zorn auf. Er war ihr Freund! Und er war mit einem Tok’ra-Späherschiff im Weltraum abgestürzt! Warum konnte Pete nicht verstehen, dass sie einfach versuchen musste, ihn zu retten? Sie hatte ihn zwei Mal verloren, doch dieses Mal würde sie ihn retten. Sie würde alles dafür tun, um Jack gesund nach Hause zu bringen. Alles.
Sie brauchte ihn. Sie konnte ihn nicht so einfach gehen lassen! Warum konnte Pete das nicht begreifen?
„Ich gehe.“, sagte Sam kalt. „Das ist beschlossene Sache und nichts auf der Welt wird mich davon abhalten.“
Mit einer wütenden Geste packte sie die schwarze Tasche und verließ den Raum.
„Sam!“, rief Pete ihr zornig hinterher, doch die Haustür war bereits ins Schloss gefallen und als er aus dem Fenster ihres Schlafzimmers blickte, sah er sie in ihrem silbernen Auto wegfahren.

~~~*~~~

Der Alarm, der von einem eintreffenden Wurmloch kündete, hallte durch den gesamten Stützpunkt. Der Ereignishorizont warf bläuliche Muster an die Wände des Torraumes, welche sich zu verzerren und zersplittern schienen, als eine einzelne Gestalt durch das Tor trat.
Die Stabwaffe in der rechten Hand, blieb sie kurz stehen und überblickte das Geschehen. Hoheitsvoll schritt sie dann die Rampe hinunter.
Nacheinander begrüßte sie den Archäologen Dr. Jackson und die neue Leiterin des Stargatecenters, bevor sie vor Teal’c stehen blieb.
„Ishta.“ Seine Stimme klang leise und ehrfurchtsvoll.
Ein feines Lächeln bildete sich auf ihrem ernsten Gesicht, was ihren harten Zügen eine unerwartete Weichheit verlieh. „Es sind einige Monde vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal gegenüber standen.“, erwiderte sie.
Der Jaffa nickte und auch seine Lippen kräuselten sich in einem Lächeln.
„Leider bin ich der Überbringer schlechter Botschaft.“, wandte sich die Anführerin der Hak’tyl an Dr. Elizabeth Weir.

„Was meinst du mit ‚schlechter Botschaft’?“, wollte Daniel wissen, während er sich im Besprechungsraum an den Tisch setzte.
„Warten wir nicht auf Colonel O’Neill und Major Carter?“, fragte Ishta, erntete aber nur betrübte Blicke und das Unbehagen ihrer Gastgeber.
„Ich verstehe.“, sagte sie leise, nachdem Daniel die Geschehnisse der letzten Wochen kurz zusammengefasst hatte. „Ich hoffe, ihr findet einen Weg, eure momentanen Probleme zu lösen.“
„Das werden wir.“, erklärte Dr. Weir fest. Major Carter war auf dem Weg zu den Koordinaten, wo O’Neill und der Tok’ra abgestürzt waren. Sie würde ihn finden, da war sich Elizabeth Weir sicher. „Was haben Sie uns zu sagen?“
Ishta seufzte. Das hier fiel ihr nicht leicht. Aber auch wenn einige ihrer Gefolgsleute gegen das Miteinbeziehen der Tau’ri protestiert hatten, so hielt sie es dennoch für das einzig Richtige. Diese Menschen hatten zahlreiche Goa’uld getötet und mehr Erfahrung mit den Systemlords und dem Mächtegleichgewicht in den Galaxien, als sonst irgendjemand, den sie kannten. Himmel, sie hatten es sogar geschafft, Anubis zu vernichten! Nur sie konnten dem Universum jetzt noch helfen.
„Vor wenigen Tagen bekamen drei meiner Kriegerinnen, die weiterhin verdeckt unter Moloc arbeiteten, ein Gespräch zwischen Molocs Primus und einigen seiner Jaffa mit. Sie unterhielten sich über einen neuen unbekannten Goa’uld, der anscheinend die Macht an sich zu reißen versucht.“
„Etwas Ähnliches haben auch die Tok’ra durchblicken lassen.“, schaltete sich Teal’c in Ishtas Bericht ein.
Daniel blickte auf und runzelte nachdenklich die Stirn. „Ja, du hast Recht.“, sinnierte er. „Angeblich soll dieser neue Goa’uld Anubis’ Waffen und seinem Wissen nachspüren. Wenn ihm das wirklich gelingt“ - Daniel machte eine ausholende Geste mit beiden Händen - „könnte das durch Anubis Tod geschwächte Machtgleichgewicht unter den Systemlords empfindlich beeinträchtigt werden.“
Ishta nickte zustimmend.
„Ist dieser neue Feind denn wirklich so gefährlich?“, fragte Dr. Weir.
„Nun, das hängt davon ab, ob es ihm wirklich gelingt, irgendwie an das Wissen, das Anubis besaß und an seine Antikerwaffen zu gelangen. Wenn er es schafft, dann könnte es sein, dass wir uns einem neuen und vielleicht um einiges mächtigeren Feind gegenüber sehen, als es Anubis war.“, erklärte der Archäologe und seine Stimme nahm einen dramatischen Ton an.
„Er hat es bereits.“, sagte die Hak’tyl ruhig, bevor Daniel mit seinen Überlegungen fortfahren konnte.
„Was!?“
Entsetzt starrten die drei Ishta an. Konnte das möglich sein? Konnte es einem einzigen, unbekannten Goa’uld in knapp einem Monat wirklich gelingen, einige von den mächtigsten Antikerwaffen aller Zeiten aufzuspüren?
Nimmt dieser Alptraum denn nie ein Ende?, dachte Daniel bitter.
Ihr erster größter Feind war Apophis gewesen. Sie mussten ihn mehrere Male vernichten, bis er schließlich doch eines Tages seinen endgültig letzten Atemzug getan hatten – das hofften sie zumindest, denn ein neu auferstandener Apophis würde ihnen gerade noch fehlen.
Der nächste und bisher schlimmste Goa’uld war Anubis gewesen. An seiner Vernichtung hatten sie wirklich hart arbeiten müssen. Und die Opfer waren unermesslich.
Diese beiden größten Feinde der Menschheit hatten sie binnen sieben Jahre besiegt. Und jetzt sollte es einen neuen, unbesiegbaren Goa’uld geben, der die Herrschaft über die Galaxis an sich reißen wollte? Kaum vier Wochen nachdem Anubis vernichtet worden war? Irgendwie konnte Daniel das nicht glauben. Die Zeit, die ein solches Unterfangen erforderte, war länger als diese paar Wochen. Wenn er also wirklich schon eine oder mehrere der Antikerwaffen ihres Erzfeindes besaß, musste dieser neue Goa’uld schon früher mit der Suche angefangen haben, das stand außer Frage.
„Wir wissen nicht sehr viel über ihn.“, erklärte Ishta. „Er muss auf einen uns unbekannten Weg zu dem geheimnisvollen Wissen Anubis’ und mindestens einer seiner Waffen gelangt sein. Er besiegt die Systemlords und zig andere seiner Artgenossen einen nach dem anderen. Unter seinen Opfern zählen inzwischen auch Moloc, Bastet, Morrigan und Lord Yu.“
Ungläubig riss Daniel die Augen auf. Er konnte nicht fassen, dass sie all das nicht mitbekommen hatten. Allerdings, das musste er sich eingestehen, war Anubis seit einiger Zeit ihr Hauptziel gewesen. Das SGC hatte den anderen Systemlords seither nicht viel Beachtung geschenkt. Wenn dieser geheimnisvolle Goa’uld tatsächlich vier der Systemlords in dermaßen kurzer Zeit besiegt hatte, dann musste er wahrlich ungewöhnlich mächtig sein.
Daniel fluchte leise. Ein neuer unbesiegbarer Feind war aufgetaucht – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Erde leicht angreifbar war. SG-1 war nicht komplett, tatsächlich befanden sich nur zwei Personen des Teams auf der Erde. O’Neill war verschollen, vermutlich sogar tot und Carter war mit der Prometheus, ihrer einzigen Verteidigungsmöglichkeit gegen einen Angriff der Goa’uld, auf der Suche nach ihm.
Im SGC sah es ebenfalls nicht viel besser aus. Seit vier Wochen waren alle Missionen, zwecks der neu zu bildenden Regierungseinheit, für drei Monate eingestellt. Das Tor war zwar für eintreffende Besucher offen, allerdings waren keine Teams und nur noch wenige Soldaten im Cheyenne Mountain.
Sollte dieser unbekannte Feind jetzt einen Angriff auf die Erde wagen, würden sie ihm vollkommen schutzlos ausgeliefert sein.
Wieder musste Daniel an diese bittere Ironie denken. Kaum hatten die Tau’ri den wohl mächtigsten Goa’uld aller Zeiten vernichtet, tauchte ein neuer auf, der sie mit einer Leichtigkeit, von der sein Vorgänger nur träumen hatte können, einfach auszuradieren vermochte.
„Des Weiteren haben wir mithilfe einiger Tok’ra, auf die wir bei unseren Nachforschungen getroffen sind, herausgefunden, dass der Goa’uld ein Verwandter Anubis’ sein muss und dass es sich außerdem um einen weiblichen Wirt handelt.“, fuhr Ishta fort.
Unwillkürlich zuckte Daniel zusammen. Er konnte nicht verhindern, dass er an Osiris, der sich in Sarah, einer guten Freundin und ehemaligen Arbeitskollegin von ihm, eingenistet hatte, denken musste. Aber die Tok’ra hatten den Symbionten doch aus ihr entfernt, oder etwa nicht?
An Teal’cs Blick konnte der junge Archäologe erkennen, dass dieser den gleichen Gedanken hegte.
Wer war dieser neue, unbekannte Goa’uld, dessen Beschreibung so perfekt auf Osiris zu passen schien?
Wie Daniel wusste, war auch Osiris mit Anubis in der ägyptischen Mythologie verwandt gewesen.
Wer also war dieser neue, geheimnisvolle Feind? Was hatte er vor? Und, was das Wichtigste war, würde er ihre Verwundbarkeit ausnützen, falls er davon erfahren sollte? Wenn ja, wie sollten sie sich verteidigen?

weiter: Kapitel 2
Kapitel 2 by Pheobe
Author's Notes:


Inhalt: Wer ist der neue Feind gegen den die Tau’ri ankämpfen müssen? Was ist mit O’Neill nach dem Absturz geschehen?

Teil 2

~~~*~~~

Hoffnung ist ein geflügelt’ Ding,
Es sitzt in deiner Seele
Und singt ohn’ Unterlass ein Lied,
Das Lied, dem Worte fehlen.
(Emily Dickinson)

~~~*~~~



Was bisher geschah:

Colonel O’Neill konnte von den Tok’ra aus seinem Kälteschlaf erweckt werden, auf dem Heimflug wurde das Tel’tak jedoch von einem Meteoritenschauer überrascht und stürzte auf einem unbekannten Planeten ab.
Im SGC wurde eine Rettungsmission mit der Prometheus beschlossen, deren Kommando Major Carter übernehmen sollte. Nach einem heftigen Streit mit ihrem Freund Pete machte diese sich trotz allem auf den Weg zu ihrer Mission.
Währenddessen traf im SGC die Nachricht von einem neuen, unbekannten Goa’uld ein, der das Mächtegleichgewicht der Systemlords mit einer unbekannten Waffe der Antiker empfindlich gestört hatte und nun auch eine Bedrohung für die Erde geworden war.

Und hier die Fortsetzung...



~~~*~~~

„Ich hoffe, Sie haben sich etwas zum Lesen mitgenommen?“, scherzte Major Pierce, als er zusammen mit Major Carter die Brücke betrat. „Das wird eine lange Reise werden.“
Major Pierce hatte erst nach dem großen Kampf gegen Anubis das Kommando über die Prometheus übernommen und er konnte sein Glück immer noch kaum fassen. Er freute sich über die Mission, die ihm zugeteilt worden war, obwohl auch er sich natürlich Sorgen um das Ziel ihrer Reise machte, die Rettung des berühmt-berüchtigten Colonel O’Neill.
„Das habe ich, ja“, erklärte Sam lächelnd, doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Seit ihrem Streit mit Pete und ihrem überstürzten Aufbruch fühlte sie sich irgendwie leer. Und schuldbewusst. Wer verdiente ihre Treue mehr? Ihr Freund, der sich extra Urlaub genommen hatte, um bei ihr zu sein und die freie Zeit mit ihr verbringen zu können? Oder der Mann, der ihr schon unzählige Male das Leben gerettet hatte, der wie kein anderer Freund für sie da gewesen war, und der ihr dennoch fast jede Nacht den Schlaf raubte? Die Antwort war für Sam immer noch klar. Es tat ihr leid um Pete und dass sie ihn so angefahren hatte, aber ihre Entscheidung stand fest. Sie musste O’Neill retten. Sie musste es wenigstens versuchen. Sie war ihm diese Rettungsmission schuldig.
„Wie laufen die Reparaturen an der Prometheus?“, informierte sie sich, und nahm auf dem mittleren der drei Sitze in der Mitte der Brücke Platz. Pierce warf ihr einen etwas gekränkten Blick zu, fügte sich jedoch. Carter hatte das Kommando, so hatten es Dr. Weir und der Präsident angeordnet. Niemand verstand das Raumschiff und deren Technik so gut wie Sam Carter.
„Leider nicht so gut, wie wir es uns vor dem Start erhofft hatten. Allerdings wird im Luftraum selbstverständlich, so gut es irgend möglich ist, weiter repariert.“, fügte er eilig hinzu.
Sam nickte. Sie erinnerte sich an den Bericht über die entstandenen Schäden an der Prometheus nach dem letzten, vernichtenden Kampf gegen Anubis’ Streitmacht. Die Außenhülle war an mehreren Stellen beschädigt, die Schilde außer Funktion, die Sublichttriebwerke fast völlig ruiniert gewesen, ebenfalls die Kommunikation und der Hyperantrieb.
„Die Außenhülle wurde wieder vollständig instand gesetzt. Ebenso die Sublichttriebwerke, sodass wir die normale Geschwindigkeit von 176.000 Kilometer pro Stunde halten können“, erklärte Pierce und verteilte ein paar Anweisungen an einen Leutnant.
„Hyperantrieb?“
„Ja, … ähm“, er räusperte sich. „Das sind die kleinen Reparaturen die noch nicht vollständig durchgeführt worden sind. Der Hyperantrieb ist zwar funktionsfähig, jedoch nur für wenige Sekunden. Das Kühlsystem mit dem das Naquadria-Reaktormodul verbunden ist, wurde stark beschädigt und...“
„Und der Reaktor würde überhitzen, wenn man ihn überlastet“, beendete Carter seinen Satz.
Großartig. Das bedeutete, dass sie den Hyperantrieb nicht einsetzen konnten, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten, wie ein Hühnchen gegrillt zu werden – oder im schlimmsten Fall zu explodieren. Sam seufzte. Sie würde sich gleich den zuständigen Technikern anschließen, vielleicht ließ sich doch etwas machen und sie könnte noch ein paar Sekunden mehr rausholen. Selbst diese kurze Zeit würde ihnen einige Stunden Flug ersparen, Stunden, die O’Neill vielleicht nicht mehr hatte.
„Wie steht es um die Kommunikation?“
„Nicht so gut.“, seufzte Pierce. „Im Prinzip funktioniert es. Auf der Erde. Aber solange wir uns nicht in der Nähe der Erde aufhalten, können wir keinen Kontakt herstellen.“
Sam dachte angestrengt nach. Dass die Kommunikation sich nicht zum laufen hatte bringen lassen, könnte ein ernstes Problem werden, falls etwas auf der Reise schief ging. Ein sehr ernstes sogar.
Zwar hatte Major Carter das Kommando über diese Mission erhalten, doch Pierce war sich sicher, dass sie sich bald zu den Technikern gesellen um das Schiff weiter in Schuss bringen, oder sich in eins der Labore verbarrikadieren würde.
Er fuhr sich grübelnd durch seine kurzen schwarzen Haare. Andererseits fand er es auf gewisse Weise beruhigend, dass auf seinem ersten Flug mit der Prometheus jemand dabei war, der mit praktischer Erfahrung glänzen und sie notfalls aus der Klemme holen konnte.

Nachdem Sam sich alle Informationen, die sie benötigte, geholt hatte, machte sie sich auf den Weg in den Maschinenraum und überließ Major Pierce das Kommando. Sie war noch immer hin- und hergerissen zwischen ihren Schuldgefühlen Pete gegenüber und der Verpflichtung, nach Jack zu suchen. Doch die Entscheidung war bereits gefällt. Die Prometheus hielt ihren Kurs auf das von den Tok’ra angegebene Ziel. Nur das Ende des Weges würde zeigen, was sie erwartete.

~~~*~~~

Das Licht der Flammen erzeugte dunkle Schatten an den Wänden. Dennoch herrschte in dem kleinen Raum keine gespenstische oder unheimliche Atmosphäre. Ganz im Gegenteil. Es schien, als würden Licht und Schatten eine Art faszinierenden Tanz auf den grau gehaltenen Wänden, der Decke und dem kahlen Boden vollführen. Spielerisch wechselten hell und dunkel sich ab, wenn ein Luftzug die Flammen erzittern ließ.
Überall standen Kerzen, die ein sanftes Licht und eine angenehme Wärme verbreiteten. Ein Zufluchtsort. Geschaffen aus einem leeren Raum, der als Quartier diente, und unzähligen Kerzen in den verschiedensten Formen, die ringsum verteilt waren.
Der kräftige Jaffa saß im Schneidersitz auf dem kalten Boden und versuchte sich gleichzeitig zu entspannen und zu konzentrieren. Das Kel’no’reem fiel ihm schwer seit er die Medizin der Panganer, das Tretonin, nahm. Es erhielt ihn am Leben, ohne dass er einen Symbionten benötigte. Durch diese Entdeckung, die er und sein alter Freund und Mentor Bra’tak als erste getestet hatten, waren sie ihrem Ziel, der endgültigen Befreiung der Jaffa von den Goa’uld, endlich einen großen Schritt näher gekommen.
Andererseits hatte das auch viel verändert. Sie waren nun vom Tretonin abhängig, doch das war mit Sicherheit besser, als ihren Feinden weiterhin als Brutkästen zu dienen.
Auch die Hak’tyl waren dieser neuen Medizin mit Misstrauen begegnet, doch die Tau’ri hatten sie eines Besseren belehren können und nun nahmen auch die starken Kriegerinnen das Tretonin und töteten nicht mehr Jaffa, um an Goa’uld-Larven zu kommen. So schließt sich der Kreis, dachte Teal’c.
Er konnte sich heute nicht richtig entspannen. Zu viele Gedanken und Sorgen umwölkten seine Stirn. Die letzten Wochen waren alles andere als erholsam gewesen.
Sie hatten Anubis vernichtet, doch dafür Jack O’Neill, für den Teal’c wie für einen Bruder empfand, opfern müssen. Und als es den Hauch einer Chance gegeben hatte, waren er und ein Tok’ra namens Nu’uf mit ihrem Tel’tak abgestürzt. Nun war Major Carter mit der Prometheus-Crew auf dem Weg zu der Unglücksstelle um nach Überlebenden zu suchen.
Doch hier auf der Erde hatten sie ganz andere Probleme. Ein neuer, namenloser Goa’uld war aufgetaucht, der es in wenigen Wochen fertig gebracht hatte, Anubis’ Vermächtnissen nachzuspüren und mehrere mächtige Systemlords zu vernichten. Es würde nicht allzu lange dauern, bis er die Tau’ri ins Visier nahm und dann würden sie ihm hilflos ausgeliefert sein.
Daniel Jackson stellte bereits Nachforschungen an, um mehr über ihren neuen Feind zu erfahren, über den die Hak’tyl nur wenig zu berichten wussten.
Plötzlich ertönte ein leises Klopfen an der Tür. Verärgert über die Unterbrechung riss Teal’c die Augen auf.
„Herein!“, rief er missmutig. Sein Blick veränderte sich jedoch sofort, wurde mild und freundlich, als er die Anführerin der Hak’tyl sein Quartier betreten sah.
Wortlos schloss sie die Tür hinter sich und setzte sich ihm gegenüber auf den Boden.
„Hier wohnst du also.“, stellte sie fest.
„Es ist mein Zuhause solange ich den Tau’ri und ihrem Ziel, die Goa’uld zu besiegen, diene“, erwiderte er gelassen.
Sie durchbohrte ihn mit ihrem festen Blick, doch dann nickte sie und schloss die Augen. Er tat es ihr nach und für eine Weile kehrte Stille ein.
„Das Kel’no’reem fällt schwer, seit wir das Tretonin nehmen.“, sagte sie nach einer Weile.
Teal’c lächelte milde. „Ich hatte auch Schwierigkeiten mich daran zu gewöhnen und an… das Schlafen und die Träume.“
Sie nickte. „Noch immer gibt es einige wenige unter uns, die eure Hilfe ablehnen.“
„Dennoch bist du hergekommen um die Hilfe der Tau’ri zu erbitten.“
„Ich hatte keine Wahl.“, betonte Ishta und öffnete die Augen. „Die Umstände erforderten es. Wir haben es hier mit einem Feind zu tun, der weit mächtiger werden könnte, als Anubis es jemals war.“
„Ich weiß“, erwiderte Teal’c ruhig.
„Aber du bist mit deinen Gedanken nicht dort wo du sein solltest.“, warf sie ihm vor.
Er hob seine Augenbraue. Das war also der Grund für ihren unerwarteten Besuch in seinem Quartier.
„In der Tat. Ich mache mir Sorgen um O’Neill und Major Carter. Aber mehr noch um O’Neill.“, erklärte er schlicht.
Sie nickte mitfühlend und legte ihm eine Hand auf den Arm.
„Du bedauerst den Verlust.“, stellte sie überraschend einfühlsam fest. „Er schmerzt dich.“
Teal’c warf ihr einen undefinierbaren Blick zu. „Er war wie ein Bruder für mich.“, erwiderte er fest. „Und er hat mir oft das Leben gerettet.“
Ishta überlegte ihre Worte wohl, bevor sie sprach. „Colonel O’Neill ist ein starker Mann“, begann sie. „Und Major Carter ist eine starke Frau. Sie wird ihn mit Sicherheit finden und zurückbringen.“
„Denkst du das wirklich?“, fragte Teal’c bekümmert und voll Sorge.
„Ja.“ Ishta nickte fest. „Die beiden werden es schaffen. Aber wir brauchen dich hier, Teal’c. Du musst mit deinen Gedanken und Gefühlen hier bei uns sein. Nur so haben wir eine Chance gegen diesen fremden Goa’uld.“
Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.
„Du hast Recht.“, sagte er, schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen.
Ishta tat es ihm nach und gemeinsam bemühten sie sich, auch ohne einen Symbionten, das Stadium des Kel’no’reem zu erreichen.
Sie würden die Kraft brauchen.

~~~*~~~

Zur gleichen Zeit saß Daniel, einen unangetasteten Becher Kaffee neben sich, in seinem Labor und versuchte mehr über diesen geheimnisvollen Goa’uld, der das Mächtegleichgewicht unter den Systemlords bedrohte, herauszufinden.
Sein geübter Blick flog über die vielen Zeilen, nach dem Wichtigsten suchend, Unwichtiges sofort herausfilternd.
So saß er nun schon seit drei Stunden in gebeugter Haltung und hämmerte verzweifelt auf die Tastatur seines Computers ein, ohne wirklich voranzukommen.
Wer war dieser Goa’uld?
Daniel kannte sich zwar wie kein Zweiter mit der ägyptischen Mythologie aus, doch die Beschreibungen der Hak’tyl waren sehr vage gewesen und die gesamte Göttergeschichte des alten Ägyptens zu durchforsten würde Wochen, nein, Monate dauern. Doch soviel Zeit hatten sie einfach nicht.
Frustriert nahm er einen Schluck seines inzwischen schon erkalteten Kaffees und rief sich noch einmal die wenigen Informationen, die sie über ihren Feind hatten, ins Gedächtnis.
Er musste irgendwie - wie, das wusste Daniel noch nicht - an das Wissen über die Technologie der Antiker und zudem noch an mindestens eine dieser mächtigen Waffen gekommen sein. Andernfalls war es unerklärlich, wie dieser Goa’uld einen Teil der Systemlords besiegen konnte, ohne besondere Waffen oder Schutzschilde zu besitzen. Aber wenn man genauer darüber nachdachte, Anubis hatte sehr lange dazu gebraucht, zu einer handvoll Waffen der Antiker zu kommen und das hatte er auch nur vollbracht, weil er selbst zur Hälfte ein Antiker war. Traf das etwa auch auf ihren neuen Feind zu?
Unwillig schüttelte Daniel den Kopf. So kam er nicht weiter, seine Gedanken drehten sich nur im Kreis.
‚Okay’, dachte er ‚Versuchen wir es mit einem anderen Anhaltspunkt.’
Es handelte sich um einen Verwandten Anubis’, der sich in einen weiblichen Wirt eingenistet hatte. Da er Osiris ausschloss – die Tok’ra hatten versichert, ihn entfernt und vernichtet zu haben – musste es sich um jemand anderen handeln. Allerdings waren in der ägyptischen, so wie auch in vielen anderen Mythologien, jeder mit jedem irgendwie verwandt.
Das dufte doch wohl nicht wahr sein! Daniel fluchte leise. Er drehte sich ständig im Kreis. Egal wie er die wenigen Fakten, die sie hatten, drehte und wendete, er kam zu keinem Ziel. Es war wie verhext.
Müde und frustriert lehnte er sich in seinem Schreibtischstuhl nach hinten und streckte sich. Wie gut, dass Sam nichts von den Problemen auf der Erde wusste, dachte er. Andererseits hatte sie ihre ganz eigenen Sorgen. Jack zu finden und ihn zurück zu bringen, war keine einfache Mission. ‚Eigentlich’, dachte Daniel mit einem freudlosen Grinsen. ‚Hat sie genau so wenig Anhaltspunkte über Jack, wie wir über den neuen Goa’uld.’
Allerdings hatten die Tau’ri eine reelle Chance den Feind zu besiegen, jetzt, da er seine Machtposition noch nicht etabliert hatte. Die Möglichkeit, dass O’Neill den Absturz überlebt hatte und Sam ihn finden konnte, war dagegen verschwindend gering.
Hoffnung. Es war schon immer die Hoffnung gewesen, die sie während ihrer Zeit im SGC am Leben erhalten hatte. Der einfache und dennoch unheimlich starke Glaube daran, dass alles gut gehen würde. Wie oft schon waren sie durch Mut, Erfindungsgeist und Hoffnung wieder aus den kniffligsten Situationen herausgekommen, hatten gefangene oder verschwundene Teammitglieder befreit und gerettet. Ohne Hoffnung war man schon so gut wie tot.
Und so hoffte Daniel, und glaubte daran, dass Carter und O’Neill wieder gesund zurückkommen würden und zwar, solange es die Erde noch gab...
Unwillig wandte er sich wieder seine Aufgabe zu. Er liebte Nachforschungen, nur wenn dabei nichts herauskam, ließen sie ihn nicht selten verzweifeln. Wie auch jetzt.
Alles, was sie wussten ergab irgendwie keinen Sinn.
Wer war dieser Feind?
Wie hatte er es geschafft in knapp vier Wochen an eine Waffe der Antiker zu kommen?
Anubis war tot, da war Daniel sich absolut sicher, genauso wie er mit Sicherheit wusste, dass es sich hier auch nicht um Osiris handeln konnte. Aber wer, zum Teufel, war dieser Goa’uld, der alle in Angst und Schrecken versetzte und dessen Namen noch nicht einmal jemand kannte!?
Die Tok’ra waren ebenso ratlos wie er selbst, allerdings hatten sie versucht, einen von ihnen bei dem unbekannten Feind einzuschleusen. So lautete zumindest die letzte Botschaft, die sie überbracht hatten und das war vor etwa vier Stunden gewesen. Bis sie etwas neues von ihren Verbündeten hören würden, konnte es noch eine ganze Weile dauern und solange waren sie auf sich allein gestellt. Selbst die Asgard würden ihnen nicht helfen, denn sie steckten noch immer mitten im Kampf gegen die Replikatoren und seitdem sie Thor das letzte Mal gesehen hatten, hatten sie nichts mehr von ihren kleinen, grauen Freunden gehört.
Gleichmütig wandte Daniel sich wieder seinem vor sich hin summenden Computer zu und scrollte durch die verschiedenen Texte über die ägyptische Göttergeschichte. Er wusste nicht, was er nicht schon alles versucht hatte, um wenigstens einen Schritt in dieser Sache weiter zu kommen. Vergeblich. Nichts tat sich.
Er hatte alle Suchmaschinen befragt, die ihm einfielen, doch er hatte auch nicht viele Suchbegriffe gehabt. Anubis, Verwandter, Antiker, Waffe, das waren in etwa seine Stichworte, ein paar mehr oder weniger.
„Oh, verdammt!“, rief er aus. Verzweiflung kroch in ihm hoch. Er hasste es, nichts tun zu können, aber ihm fiel nichts mehr ein. Was konnte er denn noch tun, wen noch fragen, nur um an ein paar Infos über die Bedrohung in Gestalt eines Gottes, der die Macht über das Universum an sich reißen wollte, zu gelangen? Was?
Frustriert schaltete er den Computer aus, schnappte sich seine Jacke und verließ sein dunkles Labor. Er brauchte erst einmal einen klaren Kopf, bevor er sich wieder in diese aussichtslose Aufgabe verbeißen konnte.
Seltsamerweise kam es ihm so vor, als läge die Antwort direkt vor seinen Augen. Er müsste nur danach greifen, dann würde er alles wissen, was er benötigte. Doch die Tatsache, dass es ihm nicht gelang, trieb ihn fast in den Wahnsinn.
Er musste einfach herausfinden, wer ihr Feind war, welche Waffen er besaß und wie, um alles in der Welt, sie ihn besiegen konnten. Er musste erfolgreich sein, alles andere würde den in nicht allzu ferner Zukunft stattfindenden Untergang unweigerlich herbeiführen und nichts würde sie mehr retten können, denn die Zeiten, in denen die Tau’ri kein Ziel und keine Bedrohung mehr für die Goa’uld darstellten, waren längst vergangen.

~~~*~~~

Schmerz durchfraß seinen Körper wie das ätzende Gift einer Schlange. Es kostete ihn unheimliche Kraft, die Augen zu öffnen, doch als er es geschafft und die grauenvolle Pein etwas in ihrer Intensität nachgelassen hatte, konnte er in einen strahlend blauen, mit grünlichen Streifen durchzogenen Himmel blicken. Verwundert musterten seine dunklen Augen die Umgebung, während er sich langsam und stöhnend aufrichtete.
Wenn man ihn so auf der weiten Wiese, kaum hundert Meter von einem blühenden Laubwald entfernt, sitzen sah, könnte man in Versuchung geraten, ihn für verloren zu halten. Doch sein wachsamer, geschulter Blick belehrten eines Besseren.
Den Schmerz, der aus jeder einzelnen Faser seines Körpers zu dringen schien, ignorierend, setzte er sich mühsam auf. Das verletzte Bein hatte er ausgestreckt, das gesunde angezogen und sein rechter Arm lag locker darauf. In dieser Position sah er sich verwirrt um. Über ihm thronten zwei Sonnen in majestätischer Haltung und verbreiteten eine angenehme Wärme. Sobald er sich wieder bewegen konnte, würde er seine Jacke ausziehen, beschloss er. Zu seiner Linken schoss ein dichter Wald voller Sträucher und undurchquerbar wild verwachsenem Unterholz in die Höhe. Leise Tierlaute waren zu hören, jedoch kein einziger Vogel. Rechts neben ihm erstreckten sich weite Felder voll saftig grünem Gras soweit das Auge reichte. Hügel um Hügel engten sein Blickfeld ein, alles schien verwildert. Natur pur.
Vorsichtig zog er die khakifarbene Jacke aus, da es ihm langsam doch etwas zu heiß wurde. Mit den Zähnen und beiden Händen trennte er ein Stück Stoff ab und versuchte behutsam einen Druckverband für sein verletztes Bein herzustellen. Allerdings erwies sich dieses Unterfangen als relativ schwierig, da ihn die Schmerzen, die seinen Atem raubten und es ihm schwarz vor Augen werden ließen, immer wieder inne halten ließen.
Blut. Überall war Blut. Er musste dessen Fluss stoppen, sonst würde er hier nicht lange überleben können. Mit zusammengebissenen Zähnen band er den Stofffetzen eng um die Wunde. Sein eigenes Röcheln und Stöhnen begleiteten seine Arbeit. Jeder Atemzug, jede Bewegung war eine Qual. Dennoch machte er verbissen weiter. Überleben, war sein einziger Gedanke.
Als er seinen Oberschenkel, soweit das mit den unzureichenden Mitteln möglich war, versorgt hatte, wischte er sich das Blut im feuchten Gras von den Händen.
Er lehnte sich zurück, schloss für einen kurzen Moment die Augen und betete, dass dieser Alptraum ein Ende hatte, sobald er wieder die Augen öffnete.
Doch nichts geschah. Er saß immer noch hier – wo auch immer das war. Vorsichtig erhob er sich und versuchte, dabei sein malträtiertes Bein so wenig wie möglich zu belasten. Ein Stock. Er würde einen Stock brauchen, auf den er sich stützen konnte, sonst würde er in diesem Zustand nicht allzu weit kommen.
Er drehte sich um, um zu sehen was hinter ihm war, ob ein Wald, eine Wiese oder vielleicht sogar die Spur einer Zivilisation – und erstarrte.
Wenige Meter, höchstens fünfzig, von ihm entfernt, lagen die Überreste eines komplett zerstörten Raumschiffes.
Er musste beim Aufprall herausgeschleudert worden sein, was ihm das Leben gerettet hatte.
Seine Kameraden hatten nicht soviel Glück gehabt, wie er betrübt annahm, denn schließlich konnte er ja nicht allein in diesem… Ding geflogen sein, oder?
Entsetzt stellte er fest, dass er sich nicht mehr erinnerte. Das Raumschiff, dieser Planet, er selbst. In seinem Inneren herrschte eine tiefe und undurchdringbare Dunkelheit.
Wo war er?
Wer war er?
Und was zur Hölle machte er hier?
Nach den Trümmern zu urteilen, die er jetzt langsam humpelnd umkreiste, mussten sie eine heftige Bruchlandung hingelegt haben. Er warf einen Blick zum Himmel. Ob es wohl in seiner Heimat genauso aussah? Oder… war das hier vielleicht sogar seine Heimat?
Verzweiflung schlug den Wellen eines stürmischen Ozeans gleich in ihm hoch. Zwang ihn in die Knie. Vielleicht war diese Bruchlandung ja gar kein Unfall gewesen? Vielleicht war es so geplant gewesen. Gott, war er etwa ein Mörder?
Er wusste es nicht. In seinen Gedanken, seinen Erinnerungen war nichts. Wie konnte das sein!? War das die Strafe für irgendein Verbrechen, das er begangen hatte? Ein Leben ohne jede Erinnerung?
Vielleicht hatte er Freunde gehabt. Eine Familie. Kinder. Er wusste es nicht. Warum konnte er sich nicht erinnern!?
Weg. Er musste hier weg. Die Fragen auf die er keine Antworten finden konnte, die Verzweiflung, das würde ihn umbringen. Er konnte so nicht leben. Ohne Erinnerung. Ohne zu wissen wer er war und was er getan hatte. Lieber würde er sterben.
Er musste weg.
Verzweifelt humpelte er zum Wald. Er wollte nur noch fort. Fort von diesem grausamen Ort, der nichts in ihm weckte. Keine Empfindungen, keine Gefühle. Als wäre er eine Maschine. Oder schon so gut wie tot.
Wie gehetzt schlurfte er in den Wald. Stolperte. Rappelte sich unter fast unerträglichen Schmerzen wieder auf.
Er konnte nicht. Er konnte diese grausame Leere in seinem Inneren nicht ertragen. Er konnte es nicht ertragen neben den Trümmern eines ehemaligen Raumschiffes zu stehen und nichts zu fühlen. Nichts! Das war schlimmer als seine physischen Schmerzen. Das war Folter.

~~~*~~~

Unruhig tigerte Daniel vor dem Fahrstuhl, der ihn schnellstens nach oben auf die Oberfläche befördern sollte, hin und her. Seine Gedanken kreisten immer wieder um die eine Frage: Wer war dieser neue Goa’uld? Und wie konnten sie ihn ausschalten, bevor er sie vernichtete?
Die Aufzugtüren öffneten sich und mit einem erleichterten Seufzer stieg Daniel in die enge Kabine. Nachdem er seine Karte durch den Schlitz gezogen und die entsprechende Ziffer gedrückt hatte, lehnte er sich erschöpft gegen die Wand hinter ihm, als der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte. Müde schloss er die Augen.
Die Ereignisse der letzten Zeit hatten ihn wohl doch mehr mitgenommen, als er zu Anfang geglaubt hatte. Hammonds Versetzung ins Pentagon, die neue Führung im SGC, die Suche nach einer Waffe, die mächtig genug sein würde, ihren ärgsten Feind zu besiegen, der Verlust Jack O’Neills - einer seiner besten Freunde -, der Kampf und Sieg gegen Anubis, die quälenden Tage danach und jetzt diese neue Gefahr, gegen die sie anzukämpfen hatten und von denen Sam und Jack noch nicht einmal etwas ahnten.
All das hatte seine Spuren hinterlassen. Dunkle Augenringe hatten sich einen Platz unter seine früher so lebendigen und leuchtenden Augen erkämpft, die jetzt nur noch vor Müdigkeit gerötet und stumpf und matt waren. Daniel fühlte sich wie gerädert und die Tatsache, dass sie den Kampf gegen einen ungewissen Feind aufnehmen mussten, über den er kaum Informationen hatte finden können, frustrierte ihn unendlich.
Mit einem scharrenden Geräusch öffneten sich die Aufzugtüren wieder. Zum Glück hatte er die Eingebung besessen, sich noch umzuziehen, da ihn die Wachen am Eingang kaum in Uniform hätten gehen lassen. Sie grüßten ihn mit einem Kopfnicken und wandten sich wieder ihrer Arbeit zu.
Daniel ging schnurstracks auf seinen Wagen zu, als er plötzlich jemand seinen Namen rufen hörte.
Er verdrehte die Augen und drehte sich unwirsch um. Im Moment war er in keiner Laune für Gesellschaft, er wollte sich einfach daheim vergraben und weiterforschen.
„Dr. Jackson!“, rief der junge Mann und rannte auf ihn zu.
Er musste kurz warten und ein vorbeifahrendes Auto vorbeilassen, so hatte Daniel die Zeit, darüber nachzudenken, woher er diesen Mann kannte.
Irgendwo hatte er ihn schon einmal gesehen, da war er sich sicher. Aber wo? Er glaubte, sich erinnern zu können, ihn einmal mit Sam reden gesehen zu haben…
„Dr. Jackson, entschuldigen Sie, dass ich Sie aufhalte.“, sagte der Fremde etwas außer Atem und reichte ihm die Hand. „Pete Shannahan“, stellte er sich vor und auf Daniels verwirrten Blick hin fügte er hinzu: „Sams Freund.“
Jetzt endlich erinnerte der Anthropologe sich. Natürlich, Sams Freund! Er wusste über das SGC Bescheid, da er sich in eine Mission, bei der sie Osiris überwältigen wollten, eingemischt hatte und dabei verletzt worden war. Daraufhin war Carter erlaubt worden, ihn aufzuklären. Wie hatte er das vergessen können? Und was machte Pete eigentlich hier, Sam war doch mit der Prometheus unterwegs…?
„Was kann ich für Sie tun?“ Daniel musterte Pete genau. Er wirkte müde und gestresst, zudem ließen Augenringe ihn älter aussehen, als er eigentlich sein müsste. Daniel schätzte ihn vorsichtig auf Mitte Dreißig. Vielleicht ein bisschen mehr, vielleicht ein bisschen weniger.
„Es geht um Sam.“, erklärte Pete betroffen und mit einem wütenden Blitzen in den Augen. „Die Wachen wollten mich nicht hineinlassen.“
„Das ist normal. Zivilisten dürfen das SGC nicht ohne Genehmigung betreten.“
„Ich bin aber nicht irgendein Zivilist!“, knurrte er. „Ich bin Sams Freund!“
Es zuckte um Daniels Mundwinkel. „Das ändert nichts.“
„Hören Sie“ Pete fuhr sich frustriert durch das Haar. Er wandte sich ab und sah sich kurz um, bevor er weitersprach. Es hatte zu regnen angefangen und Daniel wurde langsam unruhig.
„Sam hat diese verrückte Mission angenommen, ihren kommandierenden Offizier, der mit ziemlicher Sicherheit tot sein soll, aufzuspüren.“
Der Archäologe zog unwillig die Augenbrauen zusammen. „Es handelt sich hierbei um keine verrückte Mission, da sie auf einigen Erfolgschancen beruht“, erläuterte er verärgert und hob die Hand, als sein Gegenüber ihn unterbrechen wollte. „Und bei diesem Offizier handelt es sich zufällig um Colonel Jack O’Neill, einen unersetzlichen Mann für das Stargate-Center.“
Pete verdrehte genervt die Augen, den kalten Regen, der in seinen Jackenkragen prasselte, schien er nicht wahrzunehmen. Schon wieder jemand, der diesen O’Neill so vehement verteidigte. War das ein Wunderkerl, oder was? Zuerst hatte er gedacht, dass Sam vielleicht etwas für diesen O’Neill empfinden könnte, aber da Dr. Jackson ebenso pikiert reagierte, wie seine Freundin noch vor wenigen Stunden, war er sich in seiner Theorie nicht mehr so sicher…
„Das ist mir durchaus klar.“ Pete wiegte den Kopf hin und her, als würde er ernsthaft über jedes einzelne Wort, das er sprach, nachdenken. „Trotzdem halte ich diese Mission für aussichtslos, so leid es mir um ihren Freund und Kollegen tut.“
Daniel zuckte die Schultern. Es war nicht sein Problem, was Mr. Shanahan dachte oder nicht. Er hatte wichtigeres zu tun. Diese Nachforschungen würden sich länger hinziehen, als er ursprünglich angenommen hatte. Seltsam, dass die Beschreibungen denen von Osiris glichen… Moment mal! Sarah! Sie war immerhin einige Zeit der Wirt für den Goa’uld gewesen, vielleicht wusste sie mehr über Anubis’ Verwandtschaftsverhältnisse als er. Das könnte die Rettung sein – allerdings hatte sie sich, nachdem man ihr den Symbionten entfernt hatte, sehr von ihm und dem Stargate-Center zurückgezogen…
„Dr. Jackson?“, riss Pete ihn aus seinen Gedanken.
„Was?“ Daniel schüttelte verwirrt den Kopf. Was machte er denn noch hier? Er musste schnellstens nach Hause fahren und mehr über ihren neuen Feind herausfinden, doch stattdessen stand er hier mit Sams Freund und wusste immer noch nicht, was dieser eigentlich von ihm wollte.
„Ist Sam da drinnen?“ Pete deutete auf den Eingang des Cheyenne Mountain Complex. „Ich muss zu ihr.“
Daniel blinzelte verwirrt. „Nein, Sam ist nicht da.“
„Wo ist sie? Ich muss sie sprechen… Wissen Sie, wir hatten einen heftigen Streit und ich wollte noch einmal versuchen, sie dazu zu überreden, diese irrsinnige Mission von jemand anderem durchführen zu lassen.“ Er sah wirklich verzweifelt aus.
Nun war Daniel vollkommen verwirrt. Wusste es Pete denn nicht?
„Sam ist bereits auf der Mission. Sie ist vor ein paar Stunden aufgebrochen und wird wohl nicht früher, als in zwei bis drei Wochen wieder zurück sein.“
„Was!?“ Petes Kinnlade klappte nach unten und er schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft. Sam war schon fort? Ohne sich von ihm zu verabschieden?? Wie konnte sie das tun, besonders nach diesem grässlichen Streit, den sie ausgefochten hatten!?
Wut und Frustration ließen ihn beben und in einen Taumel der Gefühle stürzen. Sein Magen rebellierte, doch Pete ignorierte es, genauso wie den unverständlichen Blick von Dr. Jackson. Was musste er von ihm halten? Armer Pete, Sam sagt ihm nicht einmal Auf Wiedersehen, bevor sie zu einer lebensgefährlichen Mission aufbricht!?
Zorn durchflutete ihn. Wie hatte sie das tun können? Er war immerhin ihr Freund und nicht irgendein dahergelaufener Fremder von der Straße!
Blind vor Wut machte er, ohne ein einziges weiteres Wort zu verschwenden, auf dem Absatz kehrt und stürmte davon.
Daniel sah ihm verwundert und kopfschüttelnd nach. Was war nur in Pete gefahren?
Hilflos zuckte er die Schultern. Sei es wie es sei, er hatte keine Zeit für seine Probleme, er musste das Rätsel um einen geheimnisumwitterten Goa’uld lösen, der mehr, als nur ein paar verletzte Gefühle bedrohte.
Die Erde war nach dem Sieg gegen Anubis verwundbarer als jemals zuvor. Auch konnte die Prometheus nicht zu ihrer Verteidigung zurückgerufen werden, da sie nach dem Kampf gegen Anubis’ Schiffe noch nicht vollständig repariert war, und die Kommunikation eines der noch nicht wiederhergestellten Dinge in dem Raumschiff war.
Daniel seufzte. Zeit, sich wieder über seine Nachforschungen herzumachen. Wenn er nichts finden konnte, was die Tau’ri gegen ihren neuen Feind einsetzen konnten, waren sie alle in vermutlich nicht allzu weiter Ferne, dem Tode geweiht.

~~~*~~~

Regen trommelte auf die Windschutzscheibe des Wagens. Der Scheibenwischer blieb untätig, der Motor war ausgeschaltet. Nervös und voller Zweifel knetete sie ihre Finger, warf alle paar Sekunden einen schnellen Blick zu dem Hochhaus neben dem sie geparkt hatte.
War es das wirklich wert? War es wert, alle quälenden und verdrängten Erinnerungen wieder auszugraben nur für… ja, wofür eigentlich? Daniel war am Telefon, was den Grund ihres Besuches anging, ziemlich kurz angebunden gewesen. Und jetzt war sie doch hier.
Langsam stieg sie aus ihrem dunkelblauen Auto aus, schlug die Tür zu, schloss ab.
Regen prasselte sofort auf sie hernieder und ein kräftiger Wind bauschte ihren hellen Mantel auf.
Noch ein verstohlener Blick zu den Fenstern seiner Wohnung, ein tiefes Luftholen, dann betrat sie entschlossen das Gebäude.
Er und seine Freunde hatten ihr das Leben gerettet. Mehr als das. Sie hatten sie aus der Sklaverei des Goa’uld-Symbionten, den sie in sich getragen und der sie beherrscht hatte, befreit und dafür war sie Daniel etwas schuldig.
Sie betrat den Aufzug und fuhr nachdenklich nach oben.
Seit dieser Sache hatte sie sich sehr zurückgezogen. Auch von ihrer Arbeit. Durch die Larve hatte sie viel Wissen erworben, auch sehr vieles, das sich um die Erde und die Tau’ri rankte, dennoch hätte sie auf einiges davon liebend gern verzichtet, besonders auf die Erfahrungen mit der Goa’uld-Handspange.
Die Anzeige blinkte und die Aufzugtüren öffneten sich. Schnell verdrängte sie die düsteren Gedanken.
Vor seiner Tür blieb sie erneut stehen, bereit, wenn nötig den Rückzug anzutreten. Doch sie tat es nicht. Entschlossen drückte sie den Klingelknopf. Sie konnte hören, wie er auf die Tür zuging, sie öffnete und –
„Sarah“, begrüßte Daniel sie lächelnd, wenn auch mit einem sorgenvollen Blick.
„Ich weiß, ich bin spät dran, ich – “ Sie knetete erneut ihre Finger, eine lästige Angewohnheit.
„Kein Problem.“, unterbrach er seine ehemalige Arbeitskollegin und Freundin und bat sie herein. „Möchtest du einen Tee?“, fragte er, ganz der Gastgeber, nachdem sie auf dem Sofa Platz genommen hatte.
„Ja, bitte.“ Das würde ihr Zeit geben. Zeit sich zu sammeln.
Wenige Minuten später kam Daniel zurück und reichte ihr eine dampfende Tasse heißen Tee.
„Danke.“, murmelte Sarah.
So saßen sie eine Weile, jeder seinen eigenen Gedanken und Problemen nachhängend und tranken ihren Tee in Stillschweigen.
„Also…“, begann er.
„Also?“ Ihr Blick war undurchdringlich und er wusste nicht, wie er ihn einzuordnen hatte.
Er räusperte sich. „Also, um die Wahrheit zu sagen, der Grund, warum ich dich hergebeten habe, ist, dass ich deine Hilfe brauche.“
„Meine Hilfe?“ Sarah war vollkommen verblüfft. Ihre Hilfe? Er war doch der Spezialist auf jedem Gebiet. Wie konnte sie ihm da helfen?
„Ja.“, nickte er. „Das, was du jetzt von mir erfahren wirst, ist hochgeheim und laut Airforce dürfte ich es dir noch nicht einmal sagen.“ Ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Nur gut, dass ich kein Militär bin und somit nicht zur Airforce gehöre.“
Sarah nickte langsam und Daniel begann zu erzählen. Sie erfuhr, wie sie Anubis besiegt hatten, welche Opfer dieser Sieg gefordert hatte, wie sie versucht hatten, Jack O’Neill zurück zu bringen und dabei gescheitert waren und sie erfuhr auch von dem mysteriösen neuen Feind, der alles Leben auf der Erde und weit darüber hinaus zu bedrohen schien.
„Und genau deshalb brauchen wir deine Hilfe, Sarah“, beendete der Archäologe seinen Monolog. „Du bist die Einzige, die Anubis’ Geheimnisse kannte und seine Pläne.“
Sie zögerte sichtlich. „Ich habe… ich meine, Osiris. Osiris hat zwar unter Anubis gedient, aber der war nicht so dumm, uns all seine Geheimnisse anzuvertrauen.“
Daniel nickte langsam. „Das ist mir klar. Aber hast du irgend etwas bemerkt? Andere Goa’uld, die zu seinen Verbündeten wurden, Waffen, die er vielleicht verkauft hat?“
„Anubis hat fast keine Allianzen geschlossen. Er wollte die ganze Macht für sich allein. Und mit dem Wissen der Antiker glaubte er sich dessen sicher.“
„Ja. Aber Anubis hatte nicht das ganze Wissen der Antiker, eben so wenig wie Jack. Beide wussten nicht, wo sie die Verlorene Stadt, oder, besser gesagt, die Stadt der Verlorenen, finden konnten.“, widersprach Daniel.
Schweigen stellte sich ein. Irgendwie wollten die Puzzlestücke nicht zusammen passen.

~~~*~~~

Die nächsten Tage verbrachten Daniel und Teal’c zusammen mit Sarah und Ishta, die ihre Hilfe angeboten hatte, damit, nach Hinweisen über den fremdartigen Goa’uld zu suchen.
Keiner von ihnen hatte wirklich Hoffnung auf Erfolg, dennoch recherchierten sie im Internet, allen voran Teal’c, der darin ein wahrer Meister geworden war, durchstöberten alte, abgewetzte Bücher und übersetzten Schrifttafeln, die auch nur im entferntesten mit den Antikern zu tun hatten.
Der Kaffee floss in Strömen und als keiner von ihnen sich noch auf den Beinen halten konnte, gönnten sie sich endlich eine kurze Pause. Da dies eine Ausnahmesituation war und die beiden verbliebenen Mitglieder von SG-1 Dr. Weir von der Wichtigkeit ihrer Gehilfinnen hatten überzeugen können, wurden diesen die Gästequartiere zugewiesen, wo sie sich ein paar Stunden Schlaf gönnen konnten.
Sarah kam es vor, als wäre sie erst vor knapp fünf Minuten eingeschlafen, als es auch schon an der Tür klopfte.
„Herein.“, rief sie und fuhr sich übermüdet durch die lockigen Haare. Sie hatte einen merkwürdigen Traum gehabt. Anubis hatte darin eine Rolle gespielt, doch alles war so verzerrt und wirr gewesen, dass sie sich einfach nicht mehr erinnern konnte. Nur ein Gefühl von Wichtigkeit und ein Drängen, sich an diesen Traum zu erinnern, waren in ihr zurückgeblieben.
Ishta betrat leise den Raum und lächelte sie an. „Ich bin gekommen um dich zu wecken. Dr. Jackson und Teal’c arbeiten schon seit einer Stunde wieder an ihren Recherchen.“
Abrupt setzte Sarah sich auf. „Seit einer Stunde?“, fragte sie ungläubig. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“
Ishta lächelte milde. Sie wusste, dass die Menschen für gewöhnlich lange Erholungsphasen brauchten, in denen sie schliefen und träumten. Auch sie selbst brauchte diese Erholungsphasen. Seit sie das Tretonin nahm reichte das Kel’no’reem nicht mehr aus. Einerseits vielleicht eine Schwäche. Andererseits ein Schritt in die Unabhängigkeit von den Goa’uld.
„Etwa drei Stunden.“, erklärte sie und wollte sich bereits umwenden und gehen, als Sarah sie aufhielt.
„Ich hatte einen merkwürdigen Traum.“, brach es plötzlich aus der jungen Archäologin heraus.
„Einen Traum?“ Ishta merkte, dass dieses Gespräch etwas länger dauern könnte, nahm sich einen der Stühle und setzte sich.
„Ja.“, nickte Sarah, fuhr sich noch einmal durch das Haar und stand auf. „Es ging um Anubis.“, murmelte sie und lief unruhig im Quartier auf und ab.
„Ich denke, es ist für einen Menschen schwer mit der ganzen Erinnerung eines Goa’uld leben zu müssen, wenn dieser den Wirt verlassen hat.“, sagte die blonde Kriegerin langsam.
„Sie meinen, mein Unterbewusstsein versucht nur, alles was ich erlebt habe als ich Osiris war, zu verarbeiten?“, zweifelte Sarah. „Aber warum lässt mich dann das Gefühl nicht los, dass es wichtig war?“
„Ich weiß es nicht.“, sagte Ishta und stand auf.
„Sie haben Recht.“ Sarah schüttelte den Kopf. „Ich mache mir vermutlich viel zu viele Gedanken. Wir sollten uns wieder der Arbeit zuwenden.“
Mit diesen Worten verließ sie, dicht gefolgt von der Hak’tyl, ihr Gästequartier und machte sich auf den Weg zu Daniel und Teal’c.
„Hallo.“, sagte sie, nippte an ihrem Kaffee, den sie sich in der Kantine geholt hatte, und betrat Daniels Labor.
Dieser sah nur kurz auf, registrierte dann jedoch den Kaffeebecher in ihrer Hand und sprang auf.
„Kaffee!“, rief er erfreut aus, eilte auf seine Kollegin zu und schnappte sich deren Kaffeebecher.
Sarah durchfuhr ein plötzliches Zucken und ohne Daniel oder den anderen auch nur einen Blick zuzuwenden, schritt sie langsam auf eines der aufgeschlagenen Bücher zu, die zu hunderten auf dem Tisch lagen. Die Seite zeigte das Bild einer altägyptischen Pyramide – oder auch eines Goa’uld-Mutterschiffes die nach diesen Pyramiden nachempfunden worden waren.
Mit zittrigen Finger strich sie über das Bild. „Das ist es. Natürlich.“, flüsterte sie.
Daniel, den der Kaffee inzwischen wiederbelebt hatte, und Teal’c tauschten einen Blick aus. Langsam stellte der Archäologe den Becher auf ein freies Fleckchen in dem Chaos von Büchern, Notizen und Schrifttafeln, die sein Büro inzwischen ausmachten.
„Sarah?“, fragte er leise und tippte ihr auf die Schulter. Sie schien wie in Trance zu sein.
Mit einem Ruck fuhr sie plötzlich zurück, als hätten die Buchseiten ihr einen elektrischen Schlag verpasst. „Ich weiß jetzt, wer es ist!“, sagte sie erschöpft.
Für Sekunden war sie in ihre Vergangenheit, in Osiris’ Erinnerung geschlüpft, ungewollt und dennoch war es, als wären es nicht die Erinnerungen des Goa’uld sondern ihre eigenen gewesen. Sie schauderte.
Daniel starrte sie an. „Wie bitte? Du weißt, wer dieser neue Goa’uld ist?“
„Ich habe davon geträumt.“, erklärte Sarah und drehte sich um, sah jeden von ihnen der Reihe nach an. „Aber ich hatte es vergessen. Die Pyramide“ – sie tippte auf das Bild in dem Buch – „hat mich daran erinnert und an die Waffe, die sie hat.“
„Sie?“, mischte Teal’c sich ein.
„Ja, ich habe doch gesagt, dass es sich um einen weiblichen Wirt handelt.“, erklärte Ishta und nickte Sarah zu, dass diese fortfahren solle.
„Die Waffe sieht aus wie eine kleine Pyramide und sendet irgendeine merkwürdige Strahlung aus.“
„Hm, das erinnert mich an Telchaks Gerät“, murmelte Daniel und rückte seine Brille zurecht.
„Telchaks Gerät?“, fragte Sarah und auch Ishta spitzte die Ohren.
„Das Gerät sendet auch eine Strahlung aus, die sowohl heilen als auch töten kann. Es hat die Form eines Würfels und Dr. Lee und ich haben sie vor wenigen Monaten in einem alten, versteckten Maya-Tempel im zentralamerikanischen Honduras gefunden. Zusammen mit den Tok’ra konnten wir damit eine Waffe gegen Anubis’ Superkrieger entwickeln.“
„Woher weißt du von dieser pyramidenförmigen Waffe?“, fragte Teal’c die Archäologin.
„Anubis hat Osiris den Auftrag erteilt nach einer ganz bestimmten Waffe zu suchen auf… ach, ich weiß die Koordinaten des Tempels nicht mehr. Es ist alles so verwirrend.“ Frustriert stützte Sarah ihre Ellbogen auf den Tisch und versuchte sich zu erinnern.
„Ruhig. Lass dir Zeit.“, versuchte Daniel seine Kollegin zu beruhigen und strich ihr sanft über den Rücken.
„Scutum… Sculptor… Equuleus… Taurus… Sextans… Canis Minor...“, flüsterte sie nach einer Weile, die Augen fest geschlossen, Schweißperlen auf der Stirn.
Daniel warf Teal’c einen fragenden Blick zu. „Das sind die Namen der Symbole auf dem Chappa’ai-Stein, dem DHD.“, erklärte dieser langsam, schnappte sich ein leeres Blatt Papier und begann die Symbole aufzuzeichnen.
„Ich kenne diesen Planeten.“ Ishta warf einen Blick auf die sechs Stargate-Symbole.
„Du… kennst ihn?“, fragte Daniel verblüfft.
Die Anführerin der Hak’tyl nickte. „Dort herrscht eine nur sehr wenig bekannte Goa’uld, gegen die Moloc einmal einen Kampf verloren hatte, daher wissen wir von dem Planeten.“
„Nephthys.“
Aller Augen wandten sich zu Sarah um, die sich inzwischen wieder etwas gefasst hatte.
„Nephthys? Du meinst, die Göttin der Frau, die Schwester der Isis, die „Herrin des Schlosses“, wie sie auch genannt wird?“
„Genau. Sie hat laut der altägyptischen Mythologie zusammen mit dem Osiris den Anubis gezeugt.“
„Und was genau haben wir jetzt herausgefunden?“, fragte Daniel teils verwirrt, teils ungläubig.
„Osiris sollte eine Waffe der Antiker finden, die auf Nephthys Planeten verborgen war und sie ihr stehlen, was auch gelungen ist. Anubis hat diese Waffe unter Beschlag gehalten um etwas gegen Nephthys, die damit die Herrschaft über die Systemlords an sich ziehen wollte, zu haben, denn Anubis wollte keinen Nebenbuhler in seinem Machtbestreben.“, erklärte Sarah. „Nach Anubis’ Vernichtung ist es ihr offenbar nicht schwer gefallen, sich ihr Eigentum zurück zu beschaffen.“
„Bedeutet das, wir haben den neuen Goa’uld? Wir wissen wer sie ist, was sie in der Hand hat und auf welchem Planeten sie herrscht?“, wollte Ishta nach einigen Momenten des Schweigens wissen.
Daniel schüttelte ungläubig den Kopf. Nephthys. Die ganze Zeit über war ihnen das was sie gesucht hatten, direkt vor Augen gewesen und keiner von ihnen hatte es erkannt. Wer weiß, wenn Sarah nicht diesen Traum gehabt hätte, durch den sie sich wieder an Osiris’ Erinnerungen und Taten erinnert hatte…
„Sieht ganz danach aus.“, sagte er langsam.
Anubis’ „Mutter“, wenn das nicht eine Ironie war…
„Wir müssen Dr. Weir informieren.“, sprach Teal’c die Gedanken aller aus.

~~~*~~~

Die beiden Sonnen am Himmel leuchteten in voller Pracht und spendeten eine angenehme Wärme. Trotz der offenen Fenster war es auch in dem kleinen Holzhäuschen warm und Delyjah beeilte sich, die Erfrischungen fertig zu stellen. Während dieser hochsommerlichen Temperaturen, die auf ihrem Planeten fast das ganze Jahr über herrschten, war ein Getränk aus feiner Rhadochsinwurzel die beste Kühlung. Sie selbst pflanzte diese Wurzel in ihrem kleinen Gärtchen an und hatte so immer eine Erfrischung parat, falls sich Freunde zu Besuch anmeldeten oder die hart arbeitenden Bauern nach einem langen Tag auf den Feldern auf die Schnelle bei ihr vorbeischauten.
Vorsichtig füllte sie die grob behauenen Holzkrüge und trug sie nach draußen. Sie blinzelte wegen der plötzlichen Helligkeit, wo es doch in ihrer winzigen Hütte angenehm dunkel gewesen war. Als sie wieder einigermaßen klar sehen konnte, ging sie auf die einfache Holzbank zu, auf der er saß.
Er blickte wie immer gedankenverloren in die Ferne. Seine Haut war kaum merklich brauner geworden seit der Woche die er nun schon bei ihr zu Gast war.
Sie setzte sich neben ihn und hielt ihm einen der beiden Krüge hin.
„Danke.“ Er nahm den Krug, starrte eine Weile grübelnd darauf, dann nahm er einen tiefen Schluck. Und schwieg weiter.
Delyjah seufzte innerlich. Sie konnte ihm seine Frustration nicht verdenken. Er wusste nicht wer er war, was er vor seinem Gedächtnisverlust getan hatte, ja, er kannte noch nicht einmal seinen eigenen Namen.
Sie betrachtete ihn von der Seite. Er hatte gräuliches Haar, eine gerade Nase, ein eigenwilliges Kinn. Sein Gesicht war vom Leben geprägt, das ließ sich nicht leugnen. Wer immer er war, was immer er getan hatte, bevor sie ihn gefunden hatte, er hatte mit Sicherheit kein einfaches Leben gehabt. Sorgenfalten hatten sich auf seinem Gesicht eingebrannt, ebenso wie Zeichen von Anspannung.
Sie seufzte erneut, diesmal leise, doch er schien es nicht zu bemerken. Es war kaum mehr als eine Woche her, als sie ihn bei einem ihrer täglichen Abendspaziergänge im Wald gefunden hatte. Er war ohne Bewusstsein gewesen, sein Bein verbunden und dennoch hatte es nicht aufgehört zu bluten. Delyjah hatte rasch Hilfe bei ihrem nächsten Nachbarn geholt und zusammen hatten sie den bewusstlosen Mann in ihr Haus getragen. Hätte sie ihn nicht an jenem Abend gefunden, wäre er vermutlich kurze Zeit später gestorben. Verblutet.
In dieser Nacht hatte sie ihn auf ihre Pritsche gebettet, ihn neu verbunden mit kräftigenden Säften und Suppen gefüttert bis der Morgen gegraut war. Erst dann war er aus seinem fiebrigen Zustand erwacht und wieder bei klarem Verstand, doch er konnte sich an nichts mehr erinnern. Sein früheres Leben war aus seinem Gedächtnis wie ausgelöscht. Sie hatte ihn, der Einfachheit halber, nach ihrem verstorbenen Bruder Demian genannt und er hatte diesen neuen Namen vorbehaltlos akzeptiert.
Demian und sie hatten sich in der kurzen Zeit, die sie sich nun kannten, langsam angefreundet. Er war misstrauisch gewesen, sie freundlich und voller Herzenswärme. Und langsam, Stück für Stück, war aus seinem Misstrauen Dankbarkeit geworden. Und aus Dankbarkeit Respekt.
Sie selbst hegte tiefere Gefühle für ihn, doch wusste sie nicht, ob er sich dessen bewusst war oder nicht. Es musste schwer sein auf einmal ohne jegliche Erinnerung an einem fremden Ort aufzuwachen und nicht zu wissen wohin man gehörte. Doch es musste auch weitergehen. Er konnte nicht sein restliches Leben mit Grübeln verbringen und dem Versuch, sich an ein verlorenes Leben zu erinnern.
Es musste einen Grund haben, warum er dieses früheren Lebens beraubt und zu ihr gebracht worden war, dessen war sie sich sicher.
Die schlichte Dankbarkeit und der kühle Respekt mit dem er ihr ihre Hilfe dankte, reichten ihr nicht mehr. Natürlich hatte er sich, sobald sein Bein wieder in Ordnung und die Wunde am Verheilen war, sofort daran gemacht ihr im Haus und im Garten zu helfen. Nicht jeder Mann hätte so gehandelt. Die meisten hätten sich vermutlich von ihr bedienen und verhätscheln lassen, doch ihr fremder Freund war nicht so.
„Demian?“, fragte sie leise, um ihn nicht zu erschrecken, während er langsam aus seinen Grübeleien wieder in die Gegenwart, wieder in die Realität fand und berührte ihn sanft an der Schulter.
Er wandte sich ihr zu. Der schwere Holzkrug war noch fast voll mit Delyjahs Erfrischungsgetränk.
„Konntest du dich inzwischen wieder an etwas aus deiner Vergangenheit erinnern?“ Die Frage war überflüssig, sie sah die traurige Antwort bereits in seinen leeren, dunklen Augen. Schweigend schüttelte er den Kopf.
Er würde einen guten Ehemann abgeben, dachte Delyjah bei sich. Ihr eigener Mann war bei einem Steinschlag ums Leben gekommen, als er sich auf dem Weg in das neu errichtete Bergwerk befunden hatte. Das war jetzt fast zwei Jahre her. Sie hatte nach seinem Tod geschworen, nie wieder einen Mann an sich heran zu lassen um nicht noch einmal die Qualen ertragen zu müssen, ihn begraben zu müssen.
Doch dann war Demian in ihrem Leben aufgetaucht. Trotz seiner Verletzung, die ihn leicht hinken ließ, wirkte er so stark und wie ein Fels in der Brandung. Er würde für sie da sein, dessen war sie sich sicher. Doch die Frage war, ob er das auch wollte. Dieses einfache Leben mit ihr teilen.
„Da sind…“ Er räusperte sich. Er hatte in den letzten Tagen nur sehr wenig gesprochen und seine Stimme klang rau und ein bisschen heiser. „Bruchstücke…“, erklärte er.
„Bruchstücke? Du erinnerst dich an etwas?“, fragte Delyjah. Obwohl sie sich von Herzen für ihn freute, dass er einen, wenn auch minimalen, Teil seines Gedächtnisses zurückerlangt hatte, so war sie auch unglaublich traurig deswegen, denn jede weitere Erinnerung an sein früheres Leben entfernte ihn von ihr und seinem jetzigen Leben.
„Vage Bilder. Farben. Geräusche“, erklärte er langsam. „Und Gefühle.“
„Gefühle?“ Langsam setzte Delyjah sich auf, strich sich die langen braunen Haare aus dem Gesicht. „Was für Gefühle?“, fragte sie alarmiert.
Er wandte sich wieder von ihr ab, starrte auf die weite Grünfläche, die an den Wald grenzte, in dem sie ihn gefunden und ihm das Leben gerettet hatte.
„Ich…“, begann er langsam, schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. „Ich glaube, ich hatte Freunde.“
Ihre hellen Augen schwammen in Tränen. Mitfühlend strich sie ihm über das Haar. „Aber natürlich hattest du welche.“ Wie konnte ein Mann wie er keine Freunde gehabt haben?
„Und… aber da sind noch andere… Gefühle“, ergriff er nach einigen Minuten des Schweigens wieder das Wort.
Ihre Hand erstarrt mitten in der Bewegung. Sie zog sie langsam zurück. Schluckte.
„Für eine Frau?“ Sie wagte die Frage kaum zu stellen.
Er öffnete langsam die Augen. Er hatte seine Retterin nicht belogen. Er konnte sich nur an vage Geräusche erinnern. Eine Sirene oder ein Alarm und wie fast jedes Mal bei diesem Geräusch das Adrenalin in seine Adern geschossen war. Er sah Farben vor seinem inneren Auge. Graue Wände und irgendetwas in grün und blau.
„Du erinnerst dich daran, Gefühle für eine Frau zu haben?“, wiederholte Delyjah ihre Frage als er noch immer nicht geantwortet hatte.
Sein Blick schweifte in die Ferne. Seine bisher leeren, dunklen Augen veränderten sich, wurden heller, lebendiger.
„Ich glaube, ja...“, sagte er leise.

~~~*~~~

„Dr. Weir!“, rief Daniel und eilte den Gang entlang um seine neue Chefin einzuholen. Keuchend blieb er vor ihr stehen.
„Dr. Jackson? Alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.
„Ja, alles bestens.“, ereiferte Daniel sich. „Wissen Sie, wir…“ Abrupt hielt er inne. „Oh, Sie haben eine neue Haarfarbe?“
Dr. Weir errötete leicht und fuhr sich durch die dunkel gefärbten Haare. „Ich hatte eine Veränderung nötig.“, erklärte sie ausweichend.
„Kann ich verstehen. Steht Ihnen gut“, fügte Daniel lächelnd hinzu.
„Danke. Nun“, sie räusperte sich. „Warum wollten Sie mich sprechen?“
„Oh. Oh ja, natürlich. Wir wissen wer der neue Goa’uld ist.“
Die Augen der Frau wurden deutlich größer. „Wie bitte? Wollen Sie damit sagen, Sie haben herausgefunden welcher neue Feind die Erde bedroht?“
„Ja.“, nickte Daniel und geleitete seinen verblüfften Boss in den Besprechungsraum, in dem schon Teal’c, Sarah und Ishta wartend Platz genommen hatten.
Die vier erklärten Dr. Weir, was geschehen war und wie sie an das Wissen über Nephthys und deren Pläne gelangt waren.
„Wenn das so ist“, begann Elizabeth Weir langsam. „Dann schulden wir Ihnen den größten Dank.“, sagte sie an Sarah gewandt.
Diese jedoch schüttelte den Kopf. „Es war Teamwork.“, stellte sie ruhig fest und bedachte die anderen mit einem Lächeln. Irgendwie waren sie, obwohl sie so verschieden waren, in den letzten Tagen der Suche und Recherche so etwas wie Freunde geworden.
Auch hatte Sarah keine Angst mehr vor den Erinnerungen und dem Wissen Osiris’, der sie zur Sklavin in ihrem eigenen Körper gemacht hatte. Sie hatte erkannt, wie sehr sie mit ihrem Wissen den Menschen, die hier arbeiteten und gegen einen übermächtigen Feind zu kämpfen hatten, helfen konnte. Sie zog sogar in Erwägung, sich eine längerfristige Stelle im SGC als Archäologin zu suchen. An Erfahrung mangelte es ihr bei weitem nicht und sie war sicher, dass Daniel ein gutes Wort für sie einlegen würde.
„Was haben wir jetzt vor?“, fragte Dr. Weir und faltete die Hände auf dem rot-schwarzen Tisch.
„Nun ja, wir haben die Koordinaten des Heimatplaneten von Nephthys. Wir müssen wohl ein oder zwei SG-Teams hinschicken um die Waffe, die sie in ihrem Besitz hat, zu holen oder außer Funktion zu setzen.“, überlegte Daniel, den allgegenwärtigen Stift in der Hand, sich Notizen machend.
„Um sie unschädlich machen zu können, müssten wir allerdings wissen, wie diese Pyramiden-Waffe funktioniert.“, hielt Teal’c dagegen.
„Und das wissen wir nicht.“, beendete Sarah nachdenklich den Satz des Jaffa.
„Also werden wir Nephthys die Waffe stehlen. Das sehe ich ein. Aber was dann? Ist solch eine mächtige Waffe nicht auch hier auf der Erde zu gefährlich?“, wandte Dr. Weir ein.
„Wir könnten sie einer neutralen Partei übergeben, die die Waffe vernichtet oder zumindest, falls das nicht möglich sein sollte, sie so gut versteckt, dass niemand sie noch einmal finden kann.“, grübelte Daniel. „Die Nox zum Beispiel.“
„Wäre das möglich?“ Dr. Weir runzelte die Stirn. „Ich meine, könnten Sie das organisieren?“
„Natürlich.“ Daniel machte sich eine schnelle Notiz.
„Gut, dann bliebe noch die Frage, wer auf den Planeten geht. Major Carter und Colonel O’Neill stehen uns ja leider im Moment nicht zur Verfügung.“ Dr. Weir machte ein bekümmerndes Gesicht, denn auch sie machte sich Sorgen um die beiden.
„Ahm, das bedeutet doch nicht, dass Teal’c und ich nicht gehen können.“, wandte der Archäologe ein und zeigte zwischen dem Jaffa und sich hin und her. „Wir könnten SG-7 und 9 mitnehmen. Natürlich müssen Sie sie dafür aus ihrem wohlverdienten Urlaub zurückholen, aber immerhin geht es um die Rettung der Galaxis.“
Dr. Weir schmunzelte. Sie hatte sich mit Dr. Daniel Jackson von Anfang an sehr gut verstanden. Und er hatte Recht. Mal wieder. Sie würde sofort die nötigen Maßnahmen einleiten um die beiden SG-Teams aus dem Urlaub zurückzuholen. Dass das SGC offiziell für insgesamt drei Monate geschlossen war und fast alle Mitarbeiter nicht anwesend waren, erschwerte natürlich ihr Vorhaben. Doch der Archäologe hatte Recht. Immerhin ging es um die Rettung der Galaxis.
„Gut, dann hätten wir das ja geklärt und...“
„Ich werde ebenfalls mitgehen.“, unterbrach Ishta die dunkelhaarige Frau.
Teal’c warf ihr einen argwöhnischen Blick von der Seite zu.
„Glaub nicht, dass du mich davon abhalten kannst. Diese Goa’uld bedroht mein Volk ebenso wie das der Tau’ri.“ Ihre Worte waren scharf und ihr Blick hätte töten können.
Teal’c wandte sich kommentarlos wieder der Allgemeinheit zu.
„Ähm, ja, also, okay.“, stotterte Daniel und hatte das Gefühl, beinahe in so etwas wie einen Ehekrieg geschlittert zu sein, wenn er das Gegenargument, das ihm auf der Zunge gelegen hatte, als Ishta das Wort erhoben hatte, ausgesprochen hätte.
„Meine Kriegerinnen können einen Lageplan von Nephthys Festung erstellen.“, ergriff Ishta erneut das Wort. „Einige von ihnen waren auf dem Planeten, als der Kampf zwischen Moloc und Nephthys vor wenigen Jahren gewütet hat.“
„Gut, dann wäre das ja auch geklärt. Sobald wir den Plan haben, haben Sie die Erlaubnis, zu gehen. Sie, Dr. Jackson, nehmen inzwischen Kontakt zu den Nox auf. Ich werde derweil SG-7 und 9 zurückbeordern. Können Sie vielleicht versuchen, an weitere Informationen über diese Waffe und die Goa’uld im Speziellen, zu kommen?“, fragte sie und blickte Sarah an.
„Ja, natürlich.“, erwiderte diese.
„Ich werde auf meinen Planeten zurückkehren und meine Kriegerinnen mit der Erstellung eines Lageplans beauftragen.“, erklärte Ishta und stand gemeinsam mit den anderen auf.
„Ähm, Dr. Weir?“, rief Daniel, als diese sich schon entfernen wollte.
„Ja?“
„Brauchen wir nicht die Erlaubnis des Präsidenten?“
„Lassen Sie das nur meine Sorge sein, Dr. Jackson.“, lächelte die neue Leiterin des SGC und ging in ihr Büro um mit den Vorbereitungen zu beginnen.

~~~*~~~

Sam wurde von einer nervtötenden Stimme geweckt. Völlig übermüdet drehte sie sich noch einmal auf die andere Seite ihres provisorischen Bettes auf der Prometheus.
Sie waren inzwischen fast eine Woche unterwegs. Bisher war alles glatt gegangen. Sie hatte am Hyperantrieb herumgebastelt und es wirklich geschafft, die Nutzung auf 7 Sekunden zu erhöhen.
Aber bei den anderen Schäden war Major Pierce eindeutig zu euphemistisch gewesen. Die Kommunikation lag bis auf ein ärgerliches Rauschen völlig brach und auch die Außenhülle war nur zu 82 Prozent wieder voll funktionsfähig.
Dass sie keinen Kontakt zur Erde hatten herstellen können, wie Pierce schon befürchtet hatte, beunruhigte sie etwas. Ihre Mission war sehr überstürzt gewesen, sie hatte nach dem Streit mit Pete nur noch schnell Daniel und Teal’c auf Wiedersehen sagen können, dann war sie schon nach Nevada gefahren und in das Raumschiff gestiegen. Sie konnte nur hoffen, dass daheim alles problemlos verlief.
Langsam glitt Sam erneut in den ihr in letzter Zeit so mangelnden Schlummer.
„Major Carter umgehend auf die Brücke!“, quäkte es aus einem der Lautsprecher. „Major Carter umgehend auf die Brücke!“
Sam setzte sich ruckartig auf. Moment mal! Sie war damit gemeint! Schnell sprang sie auf, zog sich um und verließ ihr Quartier. Auf dem Weg zur Brücke fiel ihr ein, dass sie ihre Jacke vergessen hatte, aber umdrehen wollte sie nicht. Die Stimme hatte dringend geklungen. Dann musste sie die Kühle, die in der Prometheus herrschte eben im T-Shirt ertragen.
„Major Carter“, rief Pierce und stand vom Kommandosessel auf um ihr Platz zu machen.
Sam registrierte die Geste kaum. Matt und frustriert fuhr sie sich durch das Haar.
„Major Pierce. Was ist los? Ist irgendetwas passiert?”
Sie sieht müde aus, dachte Pierce. Kein Wunder, diese Woche hatte sie alle geschafft und soweit er mitbekommen hatte, hatte Carter kaum geschlafen, sondern ständig an etwas im Raumschiff herumrepariert oder sich in das für sie eingerichtete Labor zurückgezogen.
„Es ist nichts passiert, Major.“, erklärte Pierce. „Wir sind fast an der Stelle, an der Colonel O’Neill mit dem Tok’ra Nu’uf abgestürzt ist.“
Sam versuchte auf dem Radar etwas zu erkennen. „So schnell schon?“, murmelte sie. Dabei kam es ihr in Wirklichkeit wie eine Ewigkeit vor, seit sie das letzte Mal auf der Erde gewesen war. Und noch länger, seit sie Jack O’Neill das letzte Mal gesehen hatte.
„Die Sekunden im Hyperraum haben ihren Zweck erfüllt.“, grinste Pierce zufrieden. „Es gibt mehrere Planeten im Umkreis von fünfzig Meilen auf denen die beiden bruchgelandet sein können. Wir haben bereits damit begonnen, sie zu scannen.“
Carter sah ihn abwartend an. Das Scannen von Planeten um über deren Leben, ihre Artenvielfalt, ihre Bodenstoffe und weiteres informiert zu werden, war ein Geschenk der Asgard. Sie hatten das in die Prometheus eingebaut, ebenso wie die starken Schilde. Doch der negative Aspekt an den Alien-Schilden war, dass sie umso schwerer wieder zu hundert Prozent funktionsfähig zu machen waren, als ihre eigenen.
„Wir haben bisher zwei größere Planeten gefunden, die von Menschen bewohnt werden“, begann der Kommandant der Prometheus. „Im Moment werden sie auf Spuren des abgestürzten Tel’taks untersucht und – “
Ein plötzlicher, ohrenbetäubender Knall brachte Pierce zum Schweigen. Ein Grollen ging durch das Schiff und das Beben, das dem folgte, riss sie alle beinahe von den Füßen.
„Was ist los? Was war das?“ Alarmiert wandte Pierce sich dem jungen Captain neben ihm zu.
Carter eilte zu einem der in das Schiffssystem eingebauten Computer und gab einige Befehle ein.
„Die Außenhülle wurde beschädigt!“, rief sie.
Ein erneutes Krachen ertönte, das Schiff bebte. Sam wurde von den Füßen gerissen und schlug, bei dem Versuch sich irgendwo festzuhalten, hart mit dem Arm gegen den Kontrollpult.
Mühsam rappelte sie sich auf, unterdrückte den heftigen Schmerz in ihrem rechten Arm. Sie kämpfte sich erneut zum Kontrollpult, gab ungeschickt mit der unverletzten Hand weitere Befehle ein.
„Pierce!“, schrie sie gegen das sich ausbreitende Chaos an.
Das Schiff bebte noch immer, das Krachen wurde lauter, unmittelbarer. Aus dem Inneren der Prometheus drang ein gefährliches Rumoren.
„Das ist ein Meteoritenschauer! Halten Sie sofort die Prometheus an!“
Major Pierce nickte ihr dankbar zu, erteilte die nötigen Befehle an die umstehenden Soldaten. Er war merklich blässer geworden. Sein erster Einsatz mit der Prometheus und schon stand ihnen ein Unglück ins Haus.
Mit einem abrupten Ruck kam die Prometheus schließlich zum Stehen und wieder lag Sam am Boden. Sie würde sich für mehr Sitze einsetzen, wenn sie wieder auf der Erde waren und für Sicherheitsgurte an jedem davon.
„Sir!“, rief eine Frau rechts von Pierce, der inzwischen wieder, der Sicherheit halber, auf dem mittleren der drei Kommandosessel Platz genommen hatte.
„Captain Jones?“
„Die Außenhülle ist nur noch zu 34 Prozent funktionsfähig. Wenn uns noch so ein großer Brocken erwischt, dann sind -“
Ein erneutes Grollen ließ ihre Worte verstummen. Das dumpfe Rumoren des Schiffes wurde zu einem Ächzen, als würde jeden Moment alles auseinander brechen.
„Jetzt wissen wir, warum das Tel’tak so plötzlich abgestürzt ist!“, fluchte Pierce.
„Was?“ Sams Augen weiteten sich. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht.
„Suchen Sie sich einen Planeten aus, Major. Aber beeilen Sie sich!“ Mit diesen Worten übergab Pierce seiner Kollegin die Befehlsgewalt über das Schiff.
Carter hielt sich am Kontrollpult fest. Die Augen in einer verzweifelten Geste geschlossen. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig, dass sie ihre Bruchlandung auf dem richtigen Planeten absolvierten und O’Neill und den Tok’ra fanden. Was sollte sie nur tun?
„Alle Energie auf die Schilde!“, befahl sie schließlich. Ihre Stimme war fest, ihr Blick hart. „Wir nehmen den uns am nächsten liegenden Planeten. Volle Kraft voraus!“
Und betet, dass wir diese Bruchlandung unbeschadet überleben, fügte sie in Gedanken hinzu.

~~~*~~~

Warme, rauchverhangene Luft stieß ihm entgegen, als er die überfüllte Kneipe betrat. Niemand schien ihm oder der Tatsache, dass er förmlich in den Raum gewankt kam, Bedeutung zuzumessen. Langsam, Schritt für Schritt, ging er auf den von seinen trüben Augen fokussierten, leeren kleinen Tisch in einer Ecke der Bar, gleich neben den Toiletten, zu. Mit einem zufriedenen Grunzen ließ er sich auf den harten Holzstuhl fallen.
Eine hübsche junge Serviererin kam an seinen einsamen Tisch.
„Was kann ich für dich tun, mein Hübscher?“, fragte sie mit einer angenehmen Stimme und strahlte ihn an.
Pete stützte sich mit einem schiefen Grinsen auf die Ellbogen und betrachtete sie von oben bis unten.
„Und? Zufrieden mit dem was du siehst?“ Ihre kesse Antwort verstärkte sein Grinsen.
„Oh ja. Und wie!“, lallte er und strich ihr über den nackten Arm.
„Nicht so schnell, Süßer!“, lachte sie und entzog sich ihm geschmeidig. „Sag mir erst, was ich dir bringen kann.“
„Ich nehme...“ Pete schnappte sich die Getränkekarte, blinzelte einige Male verdutzt, weil er sie nicht lesen konnte da er sie falsch herum hielt, legte sie dann jedoch mit einem resignierten Seufzen weg. „Whiskey.“, verlangte er und tätschelte die junge Frau andächtig.
„Kommt sofort.“ Mit einer eleganten Drehung machte die Bedienung sich von ihm los und kämpfte sich durch das Gedränge an die überfüllte Bar.
„Einen Whiskey für meinen Hübschen da hinten, Paul!“, rief sie dem Barkeeper zu und brachte einige der Männerherzen in ihrem Umfeld mit ihrem strahlenden Lächeln zum Schmelzen.
„Kate, Süße!“ Ein alter Stammkunde, der, wie fast jeden Abend, schon ziemlich angetrunken war, klatschte ihr freundschaftlich auf den Hintern. „Wann gibst du dieses beschissenen Job endlich auf und heiratest mich!?“
Kates perlendes Lachen erhellte den Raum. Sie brachte ihren rot geschminkten Schmollmund nah an sein Ohr und flüstere ihm etwas, das ihn losbrüllen ließ.
„Oh, der war gut! Der war richtig gut!“, lachte er schallend und tätschelte ihr die Schulter.
„Meinst du den Neuen dort neben den Klotüren?“ Paul, der Barkeeper, hatte die Aufmerksamkeit seiner Serviererin wieder.
Kate nickte, zwinkerte ihm zu, drehte sich zu Pete um und warf ihm eine Kusshand zu.
„Scheint, als hättest du ein neues Opfer gefunden...“, murmelte Paul und stellte das bis zum Rand gefüllte Whiskeyglas auf die Theke.
„Ach was!“, kicherte Kate und warf ihm einen verführerischen Blick zu. Er spielte ihr Spiel mit, fasste sich ans Herz und verdrehte theatralisch die Augen.
„Ich würde das nicht ’Opfer’ nennen, Paul.“, tadelte sie ihren Chef milde und wickelte sich spielerisch eine ihrer langen braunen Locken um den Finger.
„Wie denn sonst?“, rief er ihr nach, als sie sich, das Whiskeyglas in der Hand, auf den Weg zu dem Unbekannten machte.
Sie warf ihm ein vielsagendes Lächeln über die Schulter zu. „Ein Gentleman, Paul! Ein Gentleman – was man von dir nicht gerade behaupten kann.“
Er starrte sie für eine Sekunde sprachlos an, dann brach er in brüllendes Gelächter aus. Kate war einfach unverbesserlich! Armer Kerl, dachte Paul und wischte die Theke ab. Wenn Kate sich einmal etwas oder jemanden in den Kopf gesetzt hatte, bekam sie es meistens auch...
„Hier, bitte. Dein Whiskey.“ Sie stellte seine Bestellung vor ihm auf den Tisch und setzte sich ihm gegenüber.
Pete krallte sich das Glas und spülte es mit einem Zug runter.
„Wow, ich bin beeindruckt“, schnurrte sie und strich ihm über den Arm. „Nicht wenige Neuankömmlinge kippen nach einem Glas von diesem Zeug um und wir müssen sie rauswerfen.“
Er lächelte geschmeichelt. „Ich bin nicht wie die anderen.“, lallte er.
„Ja, dessen bin ich mir sicher.“, lächelte sie und beugte sich ein wenig über den Tisch.
Petes Blick fiel nicht gerade unauffällig in ihren tiefen Ausschnitt und sie grinste zufrieden. Er war genau der Mann den sie sich für diesen Abend vorstellen konnte. Er war gut gebaut, attraktiv und hatte so etwas Wildes, Zorniges in seinen Augen. Er musste ein göttlicher Liebhaber sein.
„Was sagt denn deine Freundin dazu, dass du hier bei mir bist und nicht daheim bei ihr?“, fragte sie vorsichtshalber.
Sofort verfinsterte sich sein Blick. „Meine ’Freundin’, wenn man sie noch so nennen kann... sie heißt Sam, weißt du? Also... meine Freundin jagt gerade einem anderen hinterher.“
„Oh. Das ist tragisch.“ Sie setzte eine mitfühlende Miene auf.
„Das kannst du laut sagen!“, rief Pete, auf einmal wütend geworden. „Laut!“, schrie er und hob sein leeres Glas.
„Ist ja schon gut, mein Liebling.“, beruhigte Kate ihn und nahm ihm das Glas ab. „Ich bringe dir sofort Nachschub.“
Sie setzte sich soweit auf, dass er ihre schlanken, langen Beine die aus dem schwarzen Minirock den sie trug, hervorblitzten, bewundern konnte.
„Jenny!“, rief sie quer durch das Lokal nach der neuen Bedienung. „Bring uns einen Whiskey und lass die Flasche gleich da!“
Jenny zuckte zusammen, nickte aber ergeben. Sie war erst seit ein paar Tagen hier angestellt, konnte jedoch nicht so gut mit den Gästen umgehen, wie Kate. Sie schob ihren langen blonden Zopf über die Schulter zurück und ging verschüchtert zur Bar um die Bestellung ihrer Kollegin aufzugeben.
Als Pete wieder Whiskey vor sich hatte und Kate ihm das leere Glas erneut bis zum Rand füllte, streichelte er dankbar ihren Arm.
„Du bist mein Engel!“, nuschelte er und kippte auch das zweite Glas runter.
„Nun, erzähl mir doch von deiner Freundin.“, säuselte sie. „Geht sie fremd? Hat sie dich verlassen?“
„Sie sucht so einen anderen Kerl, Jack O’Neill...“, grummelte er. „Sie empfindet was für ihn... ja... wir hatten einen grässlichen Streit.“
„Wie furchtbar.“ Kate streichelte seine Wange. Er legte seine Hand darauf und plötzlich war sein Blick erstaunlich klar.
„Sie ist nicht so zugänglich wie du, weißt du?“, murmelte er und küsste ihre Handinnenfläche. „Wie... wie war doch gleich der Name?“
Wieder erklang ihr perlendes Lachen. „Kate. Mein Name ist Kate. Und wie heißt du, mein Süßer?“
„Pete. Pete Shannahan.“, grinste er sie an und küsste noch einmal die Innenfläche ihrer Hand.
„Sie...“ Pete beugte sich über den Tisch, brachte seinen Mund nahe an ihre roten Lippen. „Dieser Kerl...“, flüsterte er dicht an ihrem Mund. „Er ist ihr wichtiger als ich.“
„Sie hat so jemanden wie dich gar nicht verdient.“, raunte Kate.
Ein feines Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Stimmt.“, sagte er und presste seinen Mund auf ihren.
Sein Mund war hart und schmeckte nach dem Whiskey, den er getrunken hatte. Er vergrub seine Hand in ihrem dichten, lockigen Haar.
„Komm.“ Kate machte sich schweratmend von ihm los. Sie nahm seine Hand, zog ihn hoch. Aus seiner Brieftasche holte sie ein paar Dollar-Scheine und warf sie auf den Tisch, dann bugsierte sie ihn Richtung Ausgang.
„Paul!“, rief sie dem Barkeeper zu. „Ich nehme mir für den Rest des Abends frei!“

~~~*~~~

„Die Waffe, die Nephthys in ihrer Gewalt hat ist etwa fünfzehn Zentimeter hoch und die Grundfläche beträgt ebenfalls fünfzehn mal fünfzehn Zentimeter.“, dozierte Sarah.
„Ihr habt sie erforscht?“, fragte Daniel und stopfte ein Buch über das alte Ägypten in seinen Rucksack. Die Mission sollte in einer knappen halben Stunde losgehen und seine Kollegin versorgte ihn mit den letzten Informationen, die sie zum Teil erarbeitet, an die sie sich zum anderen Teil erinnert hatte.
„Sagen wir es mal so.“, sagte sie nachdenklich und tippte sich mit dem Stift an die Lippen. „Osiris war nicht so uneigennützig, wie es für euch vielleicht den Anschein gehabt hat. Er war neugierig.“
„Mhm“, brummte Daniel, starrte auf die vielen Bücher auf seinem Schreibtisch und überlegte, was eventuell auf der Mission noch von Nutzen sein konnte.
„Die Erbauer dieser Waffe sind die Antiker, allerdings ist es unbekannt welchem Zweck diese... Pyramide dienen sollte. Sie besteht zu einem Großteil aus Naquadah und – “ Sarah unterbrach sich, als sie merkte, dass Daniel mehr an dem Inhalt seines Rucksacks als an ihren Informationen interessiert zu sein schien.
„Daniel? Hörst du mir überhaupt zu?“
Der Angesprochene hob ruckartig den Kopf. „Was? Oh ja, ja, natürlich höre ich dir zu.“
„Das hatte aber gerade nicht den Anschein.“, kommentierte sie trocken.
Seufzend stellte er den Rucksack auf den Boden und trat einen Schritt auf sie zu.
„Tut mir leid, Sarah. Ich bin mit meinen Gedanken nicht ganz da. Ich mache mir Sorgen um Sam und Jack, weil wir von der Prometheus nichts mehr gehört haben. Und diese Mission jetzt...“ Er brach ab, fuhr sich durch das Haar. „Ich schätze, ich bin einfach etwas übermüdet“, gab er schließlich zu.
„Das verstehe ich.“ Sie trat auf ihn zu, legte ihm teilnahmsvoll die Hand auf den Arm. „Daniel, vielleicht wäre es besser, wenn du nicht an dieser Mission teilnimmst...“, begann sie.
„Was? Nein, kommt nicht in Frage. Wir haben schon so gut wie alles vorbereitet“, widersprach er.
„Ja, aber wenn du müde bist und konzentrationslos. Bist du dann nicht eher eine Gefahr für die anderen Mitglieder deines Teams?“, versuchte sie es mit einem anderen Argument.
„Ich komme schon klar.“, sagte er brüsk und machte sich daran, den vollgepackten Rucksack wieder aufzuheben.
„Daniel.“ Sie trat erneut zu ihm, ihre Augen waren geweitet. „Ich mache mir doch nur Sorgen um dich.“, murmelte sie.
„Ja.“ Daniel schloss sie in die Arme. „Das weiß ich doch.“
„Ich weiß, wozu die Goa’uld fähig sind.“, murmelte sie und bettete ihren Kopf vorsichtig an seine Schulter.
„Wir sind vorsichtig, Sarah.“ Er schob sie langsam von sich weg, sah ihr in die Augen. „Okay?“, flüsterte er.
Langsam nickte sie.
Er machte sich von ihr los, schulterte den Rucksack und begab sich zur Tür.
„Daniel?“, rief sie ihm nach.
Er drehte sich um, hob fragend die Augenbrauen.
„Nephthys ist für ihre Intrigen bekannt.“, erläuterte Sarah. „Seid vorsichtig!“

~~~*~~~

Die beiden SG-Teams 7 und 9 saßen zusammen mit Teal’c und Ishta über den von den Hak’tyl erstellten Plan von Nephthys’ Tempel als Daniel vollbepackt und startklar den Besprechungsraum betrat.
„Können wir los?“, fragte er.
Irgendwie hatte ihn ein ungutes Gefühl bezüglich dieser Mission beschlichen und er war heilfroh, wenn sie hinter ihm lag. Ungeduldig schüttelte er diesen zweifelnden Gedanken ab. Sarah hatte ihn vermutlich mit ihrer Sorge angesteckt.
„Einen Moment noch, Dr. Jackson.“, sagte Colonel Jones in Gedanken versunken. Er hatte einen Stift in der Hand und fuchtelte damit über die Skizze herum. „Also, wir gehen wie folgt vor...“, begann er.
Daniel näherte sich dem Tisch und warf einen Blick auf den Plan, der mehr einer alten Schatzkarte glich. Die Hak’tyl hatten das zum Schreiben benutzt, was schon viele alte Völker auch genutzt hatten, wenn sie kein Pergament oder Steintafeln zu Verfügung gehabt hatten. Leder. Das gefiel ihm irgendwie.
„Wir dringen über diesen Seiteneingang ein, den nur die Wachen benutzen.“, erklärte Jones und zeigte auf die entsprechende Stelle auf der Skizze.
„Der Seiteneingang wird von den meisten Jaffa recht häufig benutzt.“, widersprach Ishta und deutete auf einen Punkt auf der anderen Seite von Nephthys tempelartigen Gebäude. „Dieser Botengang wird nur selten benutzt. Das ist der sicherere Weg.“
Der Anführer von SG-7 warf ihr einen zweifelnden Blick zu. „Das bedeutet aber, dass wir um dieses ganze verdammte Gebäude herum schleichen müssen. Das ist ein enormer Zeitaufwand.“
„Auf diesem Weg gelangen wir sicher und unentdeckt hinein.“, hielt Ishta dagegen.
„Es ist ein Risiko mit so einer großen Gruppe durch Feindesland zu wandern.“, widersprach Jones, nicht ohne innerlich zu grinsen. Die Frau war wirklich taff, das musste er ihr zugestehen. Schade, dass sie schon vergeben war, dachte er und warf Teal’c einen Seitenblick zu.
„Ich halte das Risiko für tragbar, Colonel Jones.“, mischte Daniel sich jetzt ein. „Immerhin ist es das Ziel unserer Mission, diese Waffe zu stehlen und um das zu erreichen, müssen wir erst einmal unentdeckt in Nephthys Gemächer kommen.“
„Dem stimme ich zu.“, fügte Teal’c hinzu.
Jones seufzte. Dr. Weir hatte ihm die Befehlsgewalt übertragen, aber er wusste, dass die beiden Mitglieder von SG-1 und die Anführerin der Hak’tyl mindestens ebenso viel zu sagen hatten.
„Also gut, meinetwegen.“, gab er nach. „Aber wenn wir in Feindeshand geraten, weiß ich, wem ich die Schuld daran gebe.“, scherzte er und setzte seine dunkelgrüne Kappe auf.

Die Sonne war gerade am Untergehen als sie den Planeten betraten. Wie sie von den Tok’ra kurz vor ihrem Aufbruch erfahren hatten, befand sich ein Spion unter Nephthys’ Leuten, der ihnen unter Umständen helfen konnte. Von ihm wusste sie auch, dass Nephthys sich wegen ihrer Hintergrundaktionen in Sicherheit wiegte und nur jede Stunde eine Jaffapatrouille am Tor vorbeikam.
Das Gras ging ihnen bis zu den Oberschenkeln oder sogar noch höher, war gelb und trocken. Es schien, als hätte es eine ganze Weile schon nicht mehr geregnet. Der Himmel war leuchtend hellblau, nur wenige Wolken bedeckten ihn und die untergehende Sonne tauchte die elf Eindringlinge in goldenes Licht.
Gebückt bahnten sie sich ihren Weg durch die wilden Gräser, die ihnen einen hervorragenden Schutz versprachen. Aus Sicherheitsgründen hatten sie vorher keine Sonde durch das Sternentor schicken können und mussten sich jetzt ganz auf die Informationen der Hak’tyl und der Tok’ra verlassen.
Hin und wieder hörten sie ein Knacken, hielten erschrocken und auf alles gefasst inne, doch stellte sich auch dies nur als Nebengeräusch heraus.
Es waren keine Vögel zu hören auf dem Planeten und auch sonst keine Tierlaute. Die Bäume waren kahl oder es hingen nur noch wenige einsame gelbbraune Blätter an ihren Ästen. Es war, als ob der Planet dabei wäre zu sterben. Hier irgendwo eine Wasserquelle zu finden erschien ihnen unvorstellbar. Und dennoch musste es das geben. Wasser und Nahrungsmittel, die irgendwo angebaut wurden, wie sonst konnte man sich erklären, dass Nephthys hier ihr kleines Reich errichtet hatte, das sie durch die pyramidenförmige Waffe, die sie zurückerlangt hatte, zu erweitern gedachte.
Der Boden war trocken und die Äste, Gräser und Blätter auf die sie bei ihrem Weg zur Rückseite von Nephthys Tempel traten, verursachten Geräusche, die ihnen wie ein Donnerhall vorkamen.
Sie mussten, nachdem sie das Tor passiert hatten, erst ein ganzes Stück weit westwärts gehen, so schlugen sie einen Bogen um die Patrouillen, dann erst würden sie den Weg zum Tempel nach Süden nehmen, sich von hinten anschleichen und durch den, laut Ishta selten benutzten, Botengang in das Gebäude eindringen können.
Sie hielten ihr schnelles Tempo und schon bald lief ihnen der Schweiß am Körper hinab. Es war ungewöhnlich warm auf dem Planeten, vermutlich war es Hochsommer.
Keiner sprach ein Wort, sie wollten nicht Gefahr laufen, das Heranrücken der Jaffawachen zu überhören.
Langsam näherten sie sich dem Tempel. Er war nicht so gewaltig wie Daniel erwartet hatte, doch dafür hatte das Gebäude seine ganz eigene Eigenart. Hohe Säulen kündeten vom Haupteingang, den sie umgehen mussten. Die eine Seite des Tempel war völlig in den Fels eingebaut, vermutlich ging es unterirdisch weiter. Oberirdisch wurde das Gebäude vor Wind und Wetter und auch vor unerwünschten Blicken durch den Berg, an dem es angebaut war, geschützt. Daniel musste zugeben, dass die Lage gut durchdacht war.
Sie umrundeten das weite Gebäude bis sie an die ungeschützte Seite kamen. Der Boteneingang, von dem Ishta gesprochen hatte, war ein unscheinbarer Eingang direkt an der Felsmauer.
Wenige Meter trennten sie von dem Eingang, doch diese kurze Strecke war auf flacher, freier Ebene. Wenn eine der Wachen gerade in dem Moment, in dem sie den Weg überbrückten, vorbeikam, hätten sie keinen Schutz, keine Fluchtmöglichkeit. Es war ein Risiko, doch es war ihre einzige Chance. Sie konnten nur hoffen und beten, dass nicht ausgerechnet jetzt einer von Nephthys’ Dienern hier seine Patrouille machen würde.
SG-9 blieb als Rückendeckung im hohen Gras verborgen. Teal’c ging als erster, die Stabwaffe fest in der Hand, alle Sinne bis aufs Äußerste geschärft. Dicht hinter ihm Ishta, ebenfalls mit der Stabwaffe in der Hand. Sie blickte sich misstrauisch um. Dann folgten Colonel Jones und Daniel, der unruhig die Umgebung musterte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurden. Als die vier den kleinen Durchgang unbeschadet erreicht hatten, folgte der Rest von SG-7. Sie gaben dem zurückgeblieben Team ein Zeichen und verschwanden im dunklen Inneren des Gebäudes.
Colonel Jones zog eine kleine Taschenlampe aus seiner Jackentasche und übernahm die Führung. Es dauerte nicht lang, bis der enge Gang etwas breiter und heller wurde. Da dieser Weg ursprünglich nur für ein bis zwei Personen gedacht war, dauerte es entsprechend, bis die sieben Eindringlinge sich zum Ende durchgekämpft hatten.
Sie standen vor einer Tür die in einen weiten Gang hineinführte. Vorsichtig öffnete Jones sie wenige Zentimeter und lugte heraus.
„Niemand zu sehen.“, murmelte er.
„In jedem Gang steht mindestens eine Wache.“, erinnerte Teal’c ihn an die warnenden Worte des Tok’ra-Spions.
„Sie haben Recht.“, erwiderte der Colonel, zog die Tür wieder zu und drehte sich um. „Was schlagen Sie vor?“
„Ich werde zuerst gehen.“ Mit diesen Worten drückte der Jaffa sich an dem Airforceman vorbei, öffnete vorsichtig die unscheinbare Tür einen Spalt breit.
„Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?“, fragte Daniel sichtlich unwohl.
„Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.“, antwortete Ishta und nickte Teal’c zu.
Dieser öffnete die Tür so weit, dass er hindurchtreten konnte, dann schloss er sie wieder bis auf einen kleinen Spalt.
Die Stabwaffe fest umklammert ging er nach links, wie sie es vor der Mission besprochen und festgelegt hatten. Er schlich lautlos durch den reich geschmückten Gang. Die letzten Strahlen der Sonne erstrahlten durch die mannshohen, vergitterten Fenster. Sie waren nicht verglast und eine warme Brise streifte seinen Oberarm.
An den Wänden hingen bunte, handgeknüpfte Teppiche und Gobelins, reich verzierte Stühle und kleine Tischchen standen an den Wänden. Die Ecken wurden von kostbaren Vasen verdeckt.
Langsam lugte er um die Ecke, als plötzlich eine der Wachen aus einer versteckten Nische heraussprang. Teal’c schlug ihn mit einem kraftvollen Schlag seiner Stabwaffe nieder. Er ging noch ein bisschen weiter und sicherte auch die andere Richtung ab. Als er sicher war, dass sich keine weiteren Wachen in diesem Gang aufhalten würden, winkte er seinen Freunden zu und bedeutete ihnen, aus ihrem Versteck zu kommen.
Jones und Teal’c schleppten den bewusstlosen Jaffa in den Botengang und verriegelten die Tür.
„Es ist so ruhig hier.“, flüsterte Daniel ehrfürchtig und bedachte die Handarbeiten an den Wänden mit einem bewundernden Blick. Nephthys hatte offenbar eine Schwäche für alte Kunstgegenstände und hübsch anzusehende Wandbehänge.
„Fast schon zu ruhig.“, stimmte die Anführerin der Hak’tyl ihm zu und sah sich um. Sie hatte das sichere Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Der ganze Weg bis hierher war zu leicht gewesen und auch sie hatte, wie Daniel vorhin, das unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden – und ihre geschärften Sinne täuschten sie nur selten.
Auch Teal’c ließ Zeichen von Anspannung und höchster Konzentration erkennen als er die Gruppe um die Ecke in den nächsten Gang führte.
Dieser Gang war ein krasser Gegensatz zum vorherigen. Offenbar befanden sie sich jetzt im Berg, denn es gab keine Fenster und die Luft war zwar kühl, jedoch stickig. Fackeln erhellten ihren Weg und warfen schemenhafte Schatten auf den Boden. Auch waren hier die Wände nicht so auffällig geschmückt wie in der Nähe des Botenganges. Offenbar legte Nephthys nur Wert auf Schönheit dort, wo sie auch von jedermann gesehen werden konnte. Die Gänge innerhalb des Berges waren dunkler und durch das Knacken und Zischen der Fackeln und deren tanzender Schatten unheimlich, und wirkten dadurch auch umso bedrohlicher.
Die nächsten Sekunden kamen Daniel wie im Zeitlupentempo vor. Ohne dass er etwas gehört hätte, stieß Ishta ihn zur Seite, drehte sich zeitgleich mit Teal’c um und beide schossen ihre Stabwaffen auf wie aus dem Nichts hinter ihnen auftauchenden Jaffa. Die beiden Krieger fielen schmerzstöhnend um, doch sofort standen neuen Wachen mit erhobenen Waffen dort und visierten ihr Ziel an.
„In Deckung!“, schrie Colonel Jones und feuerte seine P-90 auf die Angreifer ab.
Die anderen Mitglieder von SG-7 hatten sich in dem engen Gang ebenfalls auf den Boden geworfen oder knieten und schossen auf die Angreifer.
Doch die Jaffa schienen kein Ende zu nehmen, wieder und wieder tauchten weitere in dem engen Gang auf um den Eindringlingen den Garaus zu machen. Zwei Mitglieder von SG-7 waren bereits getroffen worden und lagen blutend und verstört am Boden und inzwischen waren die Tau’ri eindeutig in der Unterzahl.

~~~*~~~

Der Alarm ging los. Er fuhr hoch, rannte durch die grauen Gänge an gesichtslosen Menschen vorbei. Eine Treppe hinunter, durch eine Tür und stand plötzlich vor einem großen Ring, einem Kreis aus Wasser. Er wollte die Rampe hochgehen und sich dieses Gebilde von nahem ansehen, doch etwas hielt ihn davon ab. Eine Kraft, die er nicht benennen konnte, zog ihn wie mit unsichtbaren Fäden von dem Ring fort. Angst überfiel ihn. Panik. Er konnte sich nicht bewegen, war ihnen völlig ausgeliefert. Schweiß trat auf seine Stirn, er versuchte sich frei zu strampeln, doch es war unmöglich! Er hing an einer Wand und hatte unsägliche Schmerzen. Ein Mann stand vor ihm und seine Augen... seine Augen leuchteten mit einem Mal bedrohlich auf. Und plötzlich, plötzlich war da ein Geräusch. Er wusste nicht was es war, doch wusste er, dass es nicht so zu klingen hatte, ja, dass es so nicht klingen durfte.
Keuchend erwachte er aus seinem Alptraum, setzte sich auf. In seinem Kopf schwirrten noch immer die wildesten Bilder durcheinander, er wusste nicht, was davon Traum und was Erinnerung war. Erschöpft und frustriert fuhr er sich durch das feuchte Haar. Er war völlig verschwitzt und atmete so heftig, als ob er um sein Leben gerannt wäre. Angst und Panik hielten noch immer sein Herz umklammert.
Mit einem Ruck warf er die dünne Decke zur Seite und stand auf. Er warf einen Blick in Richtung des anderen Endes des Raumes. Delyjah schlief auf ihrem provisorischem Lager friedlich vor sich hin. Sie hatte darauf bestanden, dass er weiterhin die Pritsche benutzte, auch wenn sein Bein inzwischen beinahe wieder verheilt war.
Vorsichtig und darauf bedacht, keine Geräusche zu machen, öffnete er die stabile Holztür und trat in die kühle Nachtluft.
Ein kurzer Spaziergang zu der nahegelegenen Wasserquelle würde seinen rasenden Gedanken gut tun und seine aufgewühlten Emotionen beruhigen.
Die sprudelnde kleine Quelle war das einzige Trinkwasser, dass Delyjah und ihre nächsten Nachbarn vorzuweisen hatten. Er nahm einen der bereitstehenden Holzbecher und trank einen Schluck des kristallklaren, kalten Wassers und spürte, wie es durch seinen Körper rann, ihn von innen wiederbelebte. Delyjah behauptete, dass die Quelle Heilwirkung besitzen würde und vielleicht hatte sie ja Recht. Er lächelte bei diesem Gedanken.
Nachdem er seinen Durst gelöscht und wieder einen einigermaßen klaren Kopf hatte, wollte er sich auf den Rückweg zur Hütte machen – und erstarrte.
Hoch oben erhellte etwas den Nachthimmel. Es sah aus, als würde etwas abstürzen, ein Raumschiff. Moment mal, ein Raumschiff? Wie kam er auf solch einen Gedanken? Das grelle Blitzen wurde schwächer, doch die Geräusche umso stärker. Jetzt wusste er also, wo das seltsame Geräusch in seinem Traum seinen Ursprung hatte. Es hörte sich an wie ein langgezogenes Ächzen, ein Zischen und Donnern. Und auf einmal war es verschwunden und Stille kehrte ein.
Er blinzelte ein paar Mal irritiert, schüttelte dann jedoch unwillig den Kopf. Hatte seine Fantasie ihm wieder einmal einen Streich gespielt. Ohne einen weiteren Gedanken an das seltsame Schauspiel zu verschwenden, machte er sich auf den Weg zurück.

Am nächsten Morgen verließ er früh die Hütte. Er hatte Delyhah versprochen im Wald auf die Jagd zu gehen, das war aber nur die halbe Wahrheit. Er wollte die Stelle wieder finden, an der er das erste Mal ohne Erinnerung aufgewacht war. Er wollte dieses Gerät, dieses Raumschiff das offensichtlich mit ihm abgestürzt war, wiederfinden. Seiner netten Gastgeberin hatte er aus unerfindlichen Gründen nichts davon oder von dem Raumschiff erzählt.
Wieso hatte er eigentlich nicht schon früher daran gedacht den Ort des Schreckens wieder aufzusuchen? Er erinnerte sich an sein Hirngespinst der letzten Nacht während er draußen bei der Quelle gestanden hatte. Vielleicht wollte sein Unterbewusstsein ihn auf diese Weise dazu bringen nach seiner Vergangenheit zu suchen.
Mühsam kämpfte er sich durch das dichte Unterholz des Waldes in dem Delyjah ihn gefunden hatte. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Da war nur dieses Raumschiff und dann lag er auf einmal in ihrer Hütte auf der Pritsche. Mehr wusste er nicht.
Er entdeckte Spuren auf dem Waldboden. Äste, die abgebrochen worden waren, Gras und Blätter, die zertreten worden waren. Offenbar waren hier mehrere Menschen unterwegs gewesen und es konnte nur Stunden her sein, länger nicht. Vielleicht einige der Landwirte, die sich auf die Jagd begeben hatten, überlegte er.
Er fand eine Stelle, an der getrocknetes Blut zu erkennen war. Das musste die Stelle sein, an der Delyjah ihn bei ihrem Abendspaziergang gefunden hatte. Er kniete sich nieder, betastete die Flecken vorsichtig.
Plötzlich schoss ihm ein Bild durch den Kopf. Jemand beugte sich über ihn. Eine Frau. Es war kalt, so schrecklich kalt. Sie sagte etwas, doch er konnte es nicht verstehen, ihm war so entsetzlich kalt und er fühlte sich so kraftlos. Er hörte sich selbst etwas sagen... aveo... amacuse...
So heftig wie das Bild vor seinem inneren Auge aufgetaucht war, so schnell verschwand es auch wieder. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Konnte das sein? Konnte das eine Erinnerung gewesen sein? Ein kleiner Fetzen seines früheren Lebens, seines früheren Ichs? Er wollte es so gerne glauben, sich an diesen Strohhalm festklammern.
Auf einmal hörte er Geräusche um sich, Schritte. Er erhob sich, doch es war bereits zu spät. Einige Männer hatten ihn umzingelt und zielten mit ihren Waffen auf ihn.
„So und jetzt langsam umdrehen.“, befahl der Anführer.
Als er tat wie geheißen, blickten ihn die Soldaten sprachlos und verblüfft an, ließen ihre Waffen unsicher sinken.
„Colonel O’Neill?“, wagte der Anführer kaum zu fragen.


Fortsetzung folgt...

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