Ein Akt des Vertrauens by Pheobe
Summary: Ein Kampf ums Ãœberleben und ein Vertrauensbeweis.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Jack O’Neill (SG-1), Samantha Carter (SG-1)
Genre: Action, General, UST
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 4122 Read: 2237 Published: 11.04.12 Updated: 11.04.12
Story Notes:
Ich war in so einer Stimmung … und das ist dabei herausgekommen. Es ist eine reine S/J-Story, Daniel und Teal’c kommen diesmal leider nicht vor.
Würde mich über Feedback sehr freuen. Ein besonderer Dank geht an meine Beta Sajaon!

Spoiler: “Grace”, “Daniels Träume”
Staffel: 7

1. Kapitel 1 by Pheobe

Kapitel 1 by Pheobe
Ein Akt des Vertrauens


~~~*~~~

Wir streben mehr danach,
Schmerz zu vermeiden,
als Freude zu gewinnen.
(Sigmund Freud)

~~~*~~~


„Lass los!“, verlangte sie und zerrte an seiner Umklammerung. Sie würden beide den Tod finden, wenn er sich nicht selbst rettete. Für sie war jede Hilfe zu spät, jedes Hoffen vergebens. Der Abgrund unter ihr drohte sie zu verschlingen, doch er wollte sie um nichts in der Welt gehen lassen.
Er verlagerte sein Gewicht, versuchte, sie zu ihm hochzuziehen, doch das Resultat dabei war lediglich, dass er selbst hinuntergezogen wurde.
Verdammt! Es musste doch eine Lösung geben, einen Weg, irgendetwas. Das hier konnte nicht ihr Ende sein! Sie hatten soviel erreicht, gegen so viele Feinde gekämpft und stets gesiegt, sie konnten doch nicht so einen jämmerlichen Tod an einer Felsenklippe, mehrere hundert Meter über einem reißenden Strom, finden! Und erst recht nicht auf diesem gottverlassenen Planeten! Das konnte und durfte einfach nicht sein. Lieber würde er auf dem Schlachtfeld sterben als hier. Nein, er würde sie nicht loslassen, niemals.
„Lass los, bitte!“ Sie flehte ihn an. Flehte, sie sterben zu lassen und sich selbst zu retten. Wusste sie überhaupt, was sie da von ihm verlangte? Standen die Dinge inzwischen so schlecht zwischen ihnen?
Er hätte es nicht für möglich gehalten. Hatten sie beide denn alles vergessen was einmal zwischen ihnen gewesen war? War es so unbedeutend, dass einpaar Fehler es einfach zunichte machen konnten?
Ihre weitaufgerissenen Augen baten ihn, sich selbst zu retten.
„Nein!“, keuchte er und bemühte sich verzweifelt, sie zu ihm hochzuziehen. Vergebens.
„Bitte“ Sie versuchte, ihre Hand aus seiner herauszuwinden. Wenn sie schon selbst sterben musste, würde sie es nicht zulassen, dass er ihr folgte. Er musste leben.
Ihre Hand wand sich aus seinem Griff.
„Nein!!!“ Sein Schrei hallte in ihren Ohren, erinnerte sie an eine Situation, in der er sie ebenfalls nicht zurück und sterben lassen wollte.
Der Blick, den sie ihm zuwarf, war von Wärme erfüllt. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr so angesehen, vielleicht zu lange.
Das Gestein brach unter ihren Füßen. Sie rutschte ab.
„Jack!!!“, schrie sie angsterfüllt.

~~~

Eiskalter Regen peitschte über die kahlen Berge. Grau vermischte sich mit Braun zu einer undurchsichtigen, undurchdringlichen Masse, in dem kaum ein grünes Fleckchen Erde zu vernehmen war. Die Bäume, die sich jetzt ächzend im pfeifenden Windgetöse bogen, hatten ihre einst saftigen und fruchtbaren Blätter schon vor langer Zeit verloren.
Fröstelnd versuchte Colonel Jack O’Neill ein Feuer zu entzünden. Als es nach dem sechsten Versuch noch immer nicht klappen wollte, da das spärliche Feuerholz, das sie gefunden hatten, viel zu nass zum Brennen war, gab er mit einem lauten, frustrierten Fluchen auf. Er lehnte sich zitternd vor Kälte an die kahle graue Höhlenwand und schloss die Augen in der Hoffnung, diesen Alptraum wenigstens für wenige Momente aussperren zu können. Er dachte an eine heiße Dusche daheim, an seine Freunde, sogar das Essen in der Kantine kam ihm unter diesen Umständen wie ein Fünf-Sterne-Menü vor. Er erinnerte sich genüsslich an den Duft von frischgebackenen Brötchen und Kaffee, ja, das vor allem. Das langweilige Fernsehprogramm und die sinnlosen Diskussionen mit Daniel, das Boxtraining mit Teal’c und die freundschaftlichen Zänkereien im Stargatecenter. All das versuchte er sich in dieser dunklen und feindseligen Nacht wieder in Erinnerung zu rufen. Es würde ihm Kraft geben. Kraft, für einen weiteren Tag in dieser Hölle. Kraft, sein Team nach Hause zurückzubringen, das heißt, falls sie den Weg nicht schon alleine gefunden hatten und durch das Tor gegangen waren, um Verstärkung zu holen – oder einen Kompass, was auch immer.
Neben ihm wurde geniest und Jack riss die Augen auf. Das Erschrecken, das seinem ausgepumpten Körper einen Adrenalinschub vermittelte und das Aufstellen der feinen Härchen in seinem Nacken, die äußerste Gefahr signalisierten, brachten ihn abrupt wieder in die Gegenwart zurück.
Er sah Carter neben sich frösteln und tippte ihr vorsichtig auf die Schulter.
„Hey“, meinte er sanft. Sie sah wirklich erledigt aus. Ihr Gesicht war von einer unnatürlichen Blässe gezeichnet, die sich nur durch äußerste Anstrengung erklären ließ, ihre Lippen waren zu einer dünnen Linie der Erschöpfung zusammengepresst und sie zitterte merklich.
Allerdings war das auch kein Wunder. Sie waren stundenlang durch den kalten Regen gewandert, ohne einen Weg zurück zu finden. Es war ein Fehler gewesen, sich zu trennen, um die Gegend zu erkunden, denn der harmlos wirkende Planet hatte als ein merkwürdiges Labyrinth entpuppt, in dem jede Stelle, jeder Baum und jeder Strauch wie der andere aussahen.
Der Regen war überall eingedrungen. In ihre Kleidung, in ihre eigentlich wasserfesten Rucksäcke – Jack würde eine Beschwerde deswegen einreichen, sobald sie es zurück geschafft hatten – und in die Funkgeräte, die ebenfalls wasserfest hätten sein sollen. Carter war zu spät aufgefallen, dass es sich hierbei um keinen normalen Regen handelte. Anscheinend gab es elektromagnetische Wellen in der Luft, die mit dem Wasser und einigen chemischen Elementen, eine seltsame Reaktion eingingen. Um ehrlich zu sein, Jack hatte ihrer Theorie nicht wirklich zugehört, er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, über die verdammte Technik, die nie dann funktionierte, wenn man sie am meisten brauchte, zu fluchen.
Zu allem Überfluss kam das Schlimmste erst noch, als sie einen kleinen Fluss zu überqueren versucht hatten, da sie ihre Teamkollegen auf der anderen Seite gesehen hatten. Doch auf diesem Planeten war nichts so, wie es schien, denn der sanfte Fluss entpuppte sich als ein reißender Strom, der sie in die Tiefe zog und immer weiter von Daniel und Teal’c fortspülte, sofern die beiden nicht sowieso ein Produkt ihrer Fantasie gewesen waren. Nur mit Mühe und Not hatten sie sich gemeinsam retten können, doch hatten sie dabei ihre gesamte Ausrüstung, die sie nur noch weiter unter die Oberfläche gezogen hätte, opfern müssen. Ein geringer Preis für ihr Leben, wie Jack fand.
Sie wussten nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis sie endlich an Land gespült wurden. Ihre Rettung war ein dahintreibender Baumstamm gewesen, an den sie sich wie an einen Strohhalm geklammert hatten.
Danach waren sie ziellos umhergewandert. Ihrer Ausrüstung und ihres Proviants beraubt und alle Naturgewalten gegen sich. Zu dem auf ihre Köpfe hernieder prasselnden eiskalten Regen, hatte sich ein schneidender, starker Wind gesellt.
Es mussten Stunden gewesen sein, die sie damit verbracht hatten, nach einem Unterschlupf zu suchen, denn inzwischen war es Nacht geworden.
Und nun waren sie hier, dich nebeneinander kauernd, hungrig und vor Kälte zitternd, in einer kleinen Höhle, die wenigstens Schutz gegen den Regen bot. Ein Feuer hatten sie nicht machen können, zum einen, weil das Feuerholz soviel Wasser aufgesogen hatte, dass es mehr daraus, als aus Brennmaterial bestand, und zum anderen, weil der Wind jede noch so kleine Flamme in Sekundenschnelle wieder ausblies.
„Alles in Ordnung, Carter?“, fragte Jack besorgt und warf seinem Major einen fragenden Seitenblick zu. Sie nickte langsam und zittrig.
„Sie sollten das ausziehen.“, meinte er langsam und deutete auf ihre völlig durchnässte Jacke. „Sonst werden Sie mir noch krank.“
„Ja, Sir.“ Sam zog langsam ihre khakifarbene Armyjacke aus und der Colonel tat es ihr nach. Doch auch das half im Grunde nicht viel, da sie beide bis auf die Knochen durchnässt waren. Sie müssten sich schon ganz ausziehen und ihre Kleidung zum Trocknen aufhängen, wenn …
Unwillig schüttelte Sam den Kopf, so dass Tropfen aus ihren nassen Haarspitzen flogen. Was dachte sie hier eigentlich?
Unbewusst rutschte sie näher an ihn heran. Nur, weil es so kalt ist, sagte sie sich und merkte das kurze Aufblitzen von Verwirrung in seinen Augen nicht, weil ihr eigener Blick auf die entgegengesetzte Richtung konzentriert war.
Jack legte langsam einen Arm um sie und zog sie noch näher zu sich heran. Körperwärme, dachte er. Sie würden Körperwärme brauchen, wenn sie die Nacht überleben und morgen nicht mit einer Lungenentzündung oder schlimmerem aufwachen wollten. Überleben war das Wichtigste, es war egal, was er dabei empfand, sie so im Arm zu halten und ihren warmen Atem an seinem Hals zu spüren, als ihr Körper sich automatisch zu seinem umwandte.
Ein behaglicher Seufzer entschlüpfte ungewollt Sams Kehle, während sie sich zögernd in seiner Umarmung zu entspannen begann.
Seitdem sie mit Pete zusammen war, hatte sich etwas zwischen ihr und Jack verändert. Er behauptete zwar, dass er sich für sie freute, doch es war anders zwischen ihnen als früher. Sie war dumm gewesen, zu glauben, nein, zu hoffen, dass zwischen ihr und Jack alles so bleiben würde wie bisher, denn auch wenn sie sich nach außen hin gleich benahmen, so wussten sie doch beide, welche Auswirkungen diese Veränderung auf sie hatte. Etwas war zwischen ihnen zerbrochen, eine Art unbewusstes, geheimes und kostbares Abkommen, dessen Entstehen Sam sich nicht mehr entsinnen konnte. Sie konnten es beide spüren und waren doch machtlos etwas dagegen zu unternehmen. Sie konnten nicht mehr unbeschwert scherzend miteinander umgehen, es hatte sich eine gewisse Distanz, die keiner von ihnen gewollt hatte, eingestellt. Damit verbunden, war es auch zu einem Mangel an Vertrauen gekommen, denn in gewisser Weise hatten sie sich gegenseitig verraten. Sie, weil sie mit einem anderen zusammen war und nicht auf ihn gewartet hatte, wie es ihrem einstmaligen Abkommen zu entnehmen gewesen war. Er, weil er diese Tatsache einfach akzeptierte und nicht einmal einen Versuch unternahm, um sie zu kämpfen.
Und jetzt saßen sie hier, eng aneinander geschmiegt, die Körperwärme des anderen auskostend, während sie mit ihren sich nicht vereinbarenden, unterschiedlichen Gefühlen kämpften.
Jack lehnte erschöpft den Kopf an die Höhlenwand und schloss resigniert die Augen. In seinen Armen atmete Carter ruhiger und zitterte auch nicht mehr, vielleicht war sie sogar eingeschlafen. Zumindest war es das, was er hoffte.
Worte, egal welcher Art, waren hier fehl am Platz. Es gab nichts mehr zwischen ihnen zu sagen. Die Fronten waren geklärt, der jahrelange Krieg, gegen sich selber, gegen die verdammten Regeln, gegen einfach alles und jeden, war beendet. Jetzt gab es nichts mehr, um oder gegen das es sich zu kämpfen lohnte.
Wie hatte es soweit zwischen ihnen kommen können? Hatten sie sich in all den Jahren wirklich soweit von einander entfernt?
Der Geruch von Regen auf seiner Haut strömte ihr in die Nase. Sie konnte nicht schlafen. Ihr zittriger Körper hatte sich zwar beruhigt und ihr war angenehm warm, doch in ihrem Inneren tobte ein verheerender Sturm. Es war nicht richtig sich so zu fühlen, so … wohl und geborgen und gleichzeitig doch aufgeregt.
Was war nur mit ihnen geschehen? Wann hatten sie die Tatsache ihrer unleugbaren Empfindungen, die sie füreinander hegten, einfach so hingenommen? Und warum?
Sie hatten nie einen Versuch gewagt. Es hätte schief gehen können, wie alles im Leben. Es gab für nichts eine Garantie, doch war ihnen das, was zwischen ihnen war, nicht kostbar genug für einen simplen Versuch gewesen?
Doch jetzt war es zu spät. Selbst wenn es Pete nicht geben sollte, woran Sam nicht einmal denken mochte, denn sie konnte ihr sehr gut leiden, und selbst wenn die Regeln nicht mehr zwischen ihnen stünden, es wäre dennoch zu spät für sie gewesen.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der ihnen die Welt offen zu stehen schien, in der ihnen alle Möglichkeiten gegeben waren – bei dieser Erinnerung huschte ein Lächeln über Jacks Lippen. Eine Zeit, in der ihre Gefühle mehr wogen, als irgendwelche Regeln. Doch sie hatten ihre Chancen nicht genutzt. Ein ums andere Mal hatten entweder sie oder er einen Rückzieher gemacht. Die Angst vor Schmerz war größer gewesen, als die Neugier und der Mut, Glück und Freude zu suchen und im anderen zu finden.
Sie hatten ihre Möglichkeiten nicht ausgeschöpft – und jetzt war es zu spät.

Am nächsten Morgen hatte das Unwetter sich noch immer nicht verzogen und tobte weiterhin über ihren Köpfen. Zumindest war es nach Jacks innerer Uhr früher Morgen, obwohl es nicht viel heller als noch vor wenigen Stunden war.
Im Schlaf waren sie aus ihrer sitzenden Position geglitten und ruhten jetzt nebeneinander auf dem kalten, harten Höhlenboden. Sein Arm war um ihre Hüfte geschlungen und ihre Hände klammerten sich an sein noch immer feuchtes T-Shirt. Wenn man sie dort so eng umschlungen liegen sah, könnte man sie fast für ein Pärchen halten, das eine leidenschaftliche Nacht hinter sich hatte.
Vorsichtig löste Jack sich von ihr und setzte sich auf. Ein leiser Laut, fast einem Jaulen gleich, entschlüpfte ihr, als der wärmespendende Körper neben ihr verschwand. Müde öffnete sie die Augen.
„Aufstehen, Sam.“ Ohne es zu wollen, benutzte er ihren Vornamen, als er sie sanft weckte.
Auch ihre Kleidung war in den kurzen Stunden der Nacht nicht richtig getrocknet, wie auch ohne ein wärmendes Feuer. Nur die Jacken, die sie abgelegt hatten und nun wieder anzogen, schienen nicht mehr ganz so nass wie noch vor wenigen Stunden zu sein. Doch vielleicht war auch das nur Einbildung.
Ein unbeschreiblicher Hunger befiehl die beiden, doch sie konnten nichts dagegen machen. Ihr Proviant war verloren, die letzten Energieriegel in ihren Taschen restlos aufgegessen und auch der Planet bot in seiner Öde nichts Essbares.
Sie überlegten, ob sie auf ein Nachlassen des Unwetters warten sollten, bevor sie weiterwanderten, entschieden sich jedoch dagegen. Es war nicht abzusehen, wann es wieder aufklaren sollte und lange könnten sie diesen Zustand, den Hunger, die Nässe und Kälte und den Durst, nicht mehr aushalten. Sie mussten einen Weg zurück zum Stargate finden, dann würden sie mit einem Verstärkungstrupp nach Daniel und Teal’c suchen – falls die beiden es nicht schon aus eigener Kraft zurück geschafft hatten, immerhin waren sie dem Sternentor wesentlich näher gewesen als sie, besonders jetzt, da sie nicht unbedingt wenige Kilometer vom Fluss abwärts gespült worden waren.
Sie mussten es einfach zurück schaffen, koste es, was es wolle.

Sie wanderten drei Stunden durch die Finsternis und markierten die Bäume, an denen sie bereits vorbeigelaufen waren. Zwecklos. Hier nützte Jack nicht einmal sein vor langer Zeit absolviertes Überlebenstraining. Dieser Planet war ein einziges Labyrinth aus kahlen Bäumen, vertrockneten Sträuchern und kalten grau-braunen Bergen und Steinen, so weit das Auge reichte. Es war, als würden sie ständig im Kreis laufen, doch wo war der Mittelpunkt? Ohne Kompass half ihnen auch ihr gut ausgeprägter Orientierungssinn nichts, denn woran sollten sie sich orientieren?
Nach einer Weile suchten sie den kümmerlichen Schutz eines großen, breiten Baumes, der jedoch bereits vor langer Zeit seine Blätter verloren zu haben schien. Wind und Regen tobten weiterhin und weit und breit war nichts außer das schauderhafte Heulen und Pfeifen der Luftgeister, die über sie hinwegtobten, zu hören.
Sie lehnten sich Seite an Seite an den morschen Baumstamm. Keiner sagte ein Wort. Wozu die Kraft an simple Worte verschwenden, die doch nichts ändern konnten?
Irgendwie hatte sich alles in die falsche Richtung entwickelt und sie hatten es beide nicht aufgehalten. Vielleicht hatten sie einfach zu große Angst vor der Veränderung, die diesem Aufhalten der Dinge unwiderruflich nachfolgte, vielleicht waren sie inzwischen auch nur zu bequem geworden, als dass sie noch etwas an ihren widersprüchlichen Gefühlen hätten ändern wollen. Doch es spielte keine Rolle mehr, es war Vergangenheit. Sie alle mussten mit ihren Fehlern leben und Sam und Jack würden nie herausfinden, was gewesen wäre, wenn nur einer von ihnen den nötigen Mut aufgebracht hätte. Sie mussten sich damit abfinden, es nie zu erfahren. Es zählte nur das hier und jetzt und in diesem Moment war das Überleben das Wichtigste.
Hunger, Durst und Kälte hatte sowohl an ihren Kräften, als auch an ihren Nerven gezehrt. Sie mussten einen Weg hier raus finden, denn keiner von ihnen hatte vor, an diesem elenden Ort zu sterben.
„Kommen Sie.“ Jack rappelte sich mühsam auf und reichte ihr seine Hand. „Wir müssen weiter.“
Sie nickte und ließ sich vom ihm aufhelfen. Ihrer beider Hände waren eiskalt, wie das Blut in ihren Adern und die Kleidung, die noch immer an ihren geschundenen Körpern klebte.
Der Regen trommelte weiterhin auf ihre Köpfe und keiner der beiden konnte sich mehr entsinnen, wie es war, sich trocken, warm und geborgen zu fühlen. Sie waren zwar erst seit etwa zwei Tagen auf diesem Planeten, doch es kam ihnen fast wie ein halbes Leben lang vor.
Schweigend kämpfen sie sich weiter, immer nach einem Ausweg, einem Schlupfloch aus dieser Hölle suchend. Plötzlich hielt Sam ihn am Arm fest. Er blickte sie fragend an, die Augenbrauen hochgezogen, doch sie sah nicht ihn an, sondern starrte in Richtung eines kahlen Waldes, grau und braun, ohne jegliches Grün.
„Was?“
Sie schüttelte den Kopf und ihr Blick versuchte weiterhin die Bäume zu durchbohren, um der Ursache ihres Zögerns auf den Grund zu gehen. Da! Da war es schon wieder.
„Der Fluss.“, murmelte sie und erst nach und nach wurde ihr die Bedeutung ihrer eigenen Worte bewusst. Sie lächelte ihn an, das erste Lächeln seit sie in dieser Einöde gelandet waren.
Sie hatten den Fluss, der sie mitgerissen hatte, wiedergefunden. Jetzt bräuchten sie ihm nur noch zu folgen, dann würden sie die Stelle, an der sie Daniel und Teal’c verloren hatten, wiederfinden.
Sie liefen durch das Wäldchen, schnell und bemüht, den scharfen Ästen, die nach ihnen griffen, auszuweichen. In ihrer Freude merkten sie nicht, dass sie noch nie hier gewesen waren. Sie bemerkten auch die Klippe nicht, die sich plötzlich auftat und nur Sams Schrei hielt Jack davon ab, selbst abzustürzen.
Panik durchflutete ihn. Er legte sich auf den Bauch und robbte an den Rand der Klippe. Dort war sie. Gott, er hatte noch nie eine solche Erleichterung wie in diesem Augenblick gespürt. Er hatte auch nicht mehr gewusst, wie sich das anfühlte – die grauenvolle Angst, sie zu verlieren.
Sam klammerte sich an die Felsen. Der reißende Strom tobte unter ihr und rauschte in ihren Ohren.
„Nehmen Sie meine Hand!“
Erschrocken blickte sie nach oben. Dort war er und bot ihr seine Hilfe an, wie er es immer getan hatte. Diese Erkenntnis traf sie wie der Blitz. Er war immer da gewesen, hatte sich immer um sie gesorgt, sich um sie gekümmert. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass er sie je im Stich gelassen hatte. Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie wandte das Gesicht ab. Ihr wurde erst jetzt bewusst, was sie verloren hatte. Nicht verloren, sondern aufgegeben. Er war immer für sie da gewesen und er war auch jetzt da, ganz wie er es ihr auf der Prometheus versprochen hatte.
„Sam!“ Seine Stimme klang verzweifelt. „Nimm meine Hand, verdammt noch mal!“
Sie schüttelte den Kopf, unterdrückte die Tränen. „Ich kann nicht.“ Ihre eigene Stimme klang in ihren Ohren schwach und krächzend.
Er streckte seine Hand noch weiter nach ihr aus, noch wenige Zentimeter und er könnte sie berühren. „Na klar kannst du, los doch!“
Sie warf ihm einen hoffnungslosen Blick zu, doch seine Augen zwangen sie zum Handeln. Er würde sie nicht so ohne weiteres gehen lassen. Mit einer plötzlichen Entschlossenheit griff ihre rechte Hand nach seiner. Sie rutschte ab, unterdrückte einen Todesschrei, doch er hielt sie fest. Überrascht sah sie nach oben. Mit einer Hand hielt er sie fest, die andere suchte einen festen Halt, und wenn es nur ein Grasbüschel war. Doch er fand nichts. Langsam und unaufhaltsam zog sie ihn mit in die Tiefe. Er konnte sie nicht beide retten und jetzt war auch sein Leben in Gefahr.
„Lass los!“, verlangte sie und zerrte an seiner Umklammerung. Sie würden beide den Tod finden, wenn er sich nicht selbst rettete. Für sie war jede Hilfe zu spät, jedes Hoffen vergebens. Der Abgrund unter ihr drohte sie zu verschlingen, doch er wollte sie um nichts in der Welt gehen lassen.
Er verlagerte sein Gewicht, versuchte, sie zu ihm hochzuziehen, doch das Resultat dabei war lediglich, dass er selbst hinuntergezogen wurde.
Verdammt! Es musste doch eine Lösung geben, einen Weg, irgendetwas. Das hier konnte nicht ihr Ende sein! Sie hatten soviel erreicht, gegen so viele Feinde gekämpft und stets gesiegt, sie konnten doch nicht so einen jämmerlichen Tod an einer Felsenklippe, mehrere hundert Meter über einem reißenden Strom, finden! Und erst recht nicht auf diesem gottverlassenen Planeten! Das konnte und durfte einfach nicht sein. Lieber würde er auf dem Schlachtfeld sterben als hier. Nein, er würde sie nicht loslassen, niemals.
„Lass los, bitte!“ Sie flehte ihn an. Flehte, sie sterben zu lassen und sich selbst zu retten. Wusste sie überhaupt, was sie da von ihm verlangte? Standen die Dinge inzwischen so schlecht zwischen ihnen?
Er hätte es nicht für möglich gehalten. Hatten sie beide denn alles vergessen was einmal zwischen ihnen gewesen war? War es so unbedeutend, dass ein paar Fehler es einfach zunichte machen konnten?
Ihre weitaufgerissenen Augen baten ihn, sich selbst zu retten.
„Nein!“, keuchte er und bemühte sich verzweifelt, sie zu ihm hochzuziehen. Vergebens.
„Bitte“ Sie versuchte, ihre Hand aus seiner herauszuwinden. Wenn sie schon selbst sterben musste, würde sie es nicht zulassen, dass er ihr folgte. Er musste leben.
Ihre Hand wand sich aus seinem Griff.
„Nein!!!“ Sein Schrei hallte in ihren Ohren, erinnerte sie an eine Situation, in der er sie ebenfalls nicht zurück und sterben lassen wollte.
Der Blick, den sie ihm zuwarf, war von Wärme erfüllt. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr so angesehen, vielleicht zu lange.
Das Gestein brach unter ihren Füßen. Sie rutschte ab.
„Jack!!!“, schrie sie angsterfüllt.
Ihre Blicke trafen sich mit einer Heftigkeit, die sie beide überraschte und gleichzeitig erschauern ließ. Es steckte soviel darin, soviel Ungesagtes, Vergessenes. Und trotz des Gerölls, dem peitschenden Regen und dem schneidenden Wind, allen Naturgewalten, die sich gegen sie gestellt hatten zum Trotz – er hielt sie weiterhin fest. Sie baumelte frei in der Luft, unter sich den reißenden Fluss, der sie durch den harten Aufprall sofort töten würde und falls nicht, würde sie unweigerlich in Sekundenschnelle in den Fluten ertrinken.
Sein harter, verzweifelter Blick machte jede selbstlose Aktion ihrerseits zunichte. Er würde sie nicht loslassen und wenn er selber dabei sterben müsste.
Keiner der beiden hatte das langsame Aufklaren, den nachlassenden Regen und Wind bemerkt. Aus den prasselnden Wasserfluten waren wenige Tropfen geworden, aus dem peitschenden, schneidenden Wind, eine angenehme Brise.
Ein einzelner Sonnenstrahl durchbrach die dunkle Wolkendecke und hellte die Umgebung auf.
„Ich lasse dich nicht los, Sam. Niemals.“, versprach er und unternahm einen weiteren verzweifelten Versuch, sie hochzuziehen. „Vertrau mir.“
Ihre Augen weiteten sich. Vertrau mir, hatte er gesagt. Wann hatte sie ihm das letzte Mal vertraut und wann er ihr? Es schien, als hätte ihrer beider Zögern, ihre Zurückhaltung und das kampflose Aufgeben, all das was einmal zwischen ihnen gewesen war, zerstört.
Ihre Gefühle füreinander hatten einen schalen Beigeschmack bekommen, seit Sam mit Pete liiert war. Ihre einst so starke Freundschaft hatte ebenfalls sehr darunter zu leiden gehabt. Ihr Vertrauen … ja, ihr Vertrauen ineinander hatte einige Kratzer abbekommen. Respekt. Nur der Respekt füreinander schien geblieben zu sein.
Respekt. Sie spie das Wort in Gedanken förmlich aus. Sie wollte keinen Respekt. Sie wollte das, was früher zwischen ihnen gewesen war, vermisste es, vermisste ihn.
Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie ihm noch immer vertraute und daran klammerte sie sich.
Durch das plötzliche Aufhellen und das schwache Sonnenlicht, hatte Jack einen Felsvorsprung entdeckt, an dem er sich festhalten und sie hochziehen konnte. Ja, so könnte es funktionieren.

Es ging nur langsam voran und es war mühselig, doch mit jedem Zentimeter, den sie schafften, wuchs ihre Kraft und damit verbunden auch das gegenseitige Vertrauen.
Als er sie schließlich ganz zu sich hochgezogen hatte und sie erschöpft neben ihm saß, nahm er sie spontan in den Arm. Er drückte sie fest an sich und sie schmiegte sich ohne zu zögern in seine Umarmung.
„Tu das nie wieder.“, murmelte er in ihr nasses Haar und vergrub sein Gesicht darin.
Sie hatten es geschafft.
In diesen Tagen hatten sie nicht nur um ihr Überleben gekämpft, sondern um etwas, das mindestens genauso kostbar war. Ihre Freundschaft, ihr Vertrauen und vielleicht sogar noch etwas mehr.
Es konnte nie wieder so wie früher, wie am Anfang, zwischen ihnen sein, dessen waren sich beide bewusst. Sie hatten zuviel durchgemacht, zuviel erlebt und sich zu sehr verändert, um noch immer die Gleichen sein zu können. Das Leben ging weiter, ob man seine Chancen nützte oder nicht, ob man versuchte Schmerz zu vermeiden, oder das Wagnis, Glück zu finden einging oder nicht.
Sie konnten nicht mehr wie früher sein und es war Zeitverschwendung sich das zu wünschen. Doch während sie eng umschlungen dasaßen, keimte eine neue Hoffnung in ihnen auf. Die Vergangenheit gehörte nicht mehr in ihren Einflussbereich, jedoch die Gegenwart und die Zukunft. Und auch wenn es kein Zurück gab – vielleicht konnte es einen Neuanfang für sie geben.

Dem einzelnen Sonnenstrahl folgten viele weitere, erhellten die Umgebung und erwärmten die Luft. Die Zeit der Finsternis war vorbei, es würde wieder Leben auf dem Planeten geben. Bäume, Sträucher und Gräser würden wachsen und gedeihen, Tiere sich vermehren und dieser trostlosen Welt neues Leben schenken. Eine reine Zukunft erwartete sie. Und während der tosende Sturm die beiden Tau’ri durch das Labyrinth ihrer eigenen Gefühle gehetzt und gepeinigt hatte, so zeigten ihnen die klaren, wärmenden Sonnenstrahlen den Weg zurück nach Hause.


Ende
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