Der Brief (1) by Athor, emdol
Summary: Beim Aufräumen findet Jack einen alten Brief an Sara und nach reiflicher Überlegung entschließt er sich, ihn endlich abzuschicken.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Jack O’Neill (SG-1), Other Character
Genre: General, Hurt/Comfort
Challenges: Keine
Series: Vergangenheitsbewältigung und neue Wege
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 2187 Read: 1934 Published: 10.04.12 Updated: 10.04.12
Story Notes:

1) Tja, dies sind so die Auswirkungen vom DACH. Damals lief die Diskussion, ob Jack und Sam sich wohl am Ende bekommen. Was soll ich sagen? Emdol und ich haben dazu eine ganz eigene Betrachtungsweise. *grins* Wir bringen eine weitere Variante mit ins Spiel. Feedback ist uns herzlich willkommen.

2) Vielen Dank an Antares fürs betaen.


Spoiler: Brief Candle, Meridian
Staffel: Anfang 6. Staffel

1. Kapitel 1 by Athor

Kapitel 1 by Athor
Der Brief (1)


Er hatte es getan! Er hatte tatsächlich den Brief eingeworfen. Nun gab es kein Zurück mehr. Jack schauderte und sein Magen zog sich leicht zusammen, als ihm die Endgültigkeit seines Handelns bewusst wurde.

Doch jetzt war es zu spät für ein Bedauern. Der Stein war bereits im Rollen und er war nicht mehr in der Lage, ihn zu stoppen. Wenn er ehrlich war, wollte er dies auch gar nicht mehr. Vielleicht war es an der Zeit, sich Sara zu stellen – wenn eine Stellungnahme das sein sollte, was sie verlangte.

**********
4 Stunden vorher:

Für einen Moment war Jack irritiert, als er den bereits leicht vergilbten Umschlag an Sara zwischen seinen Papieren fand. Eigentlich hatte er lediglich die freie Zeit nutzen wollen, um mal wieder zu Hause aufzuräumen und seine Unterlagen zu ordnen. Doch am Boden der Schublade stieß er auf das längst vergessene Kuvert, das seine Handschrift und Saras Namen trug. Zögerlich nahm Jack den Umschlag heraus und langsam öffnete er ihn. Mit zusammengekniffenen Augen flog sein Blick über die Zeilen.

Es war der Brief, den er auf der Mission geschrieben hatte, als diese verdammten, kleinen mechanischen Dinger in seinem Blut ihn, innerhalb weniger Wochen, um Jahre hatten altern lassen. - Naniten, ja, er glaubte sich daran zu erinnern, dass diese Teile so geheißen hatten. - Nachdem Kynthia, diese junge und zugegebener Maßen gutaussehende Argonierin, ihn mit ihrem Hochzeitskuchen unter Drogen gesetzt und verführt hatte und er diese Liebesnacht fast mit seinem Leben bezahlt hatte. Damals hatte Jack gedacht, er müsse sterben. Doch es hatte noch eine Sache in seinem Leben gegeben, die es zu klären galt ... und so war es zu diesem Brief an Sara gekommen. Endlich wollte er ihr die Erklärung für sein Verhalten nach Charlies Tod zukommen lassen, die er ihr schon so lange schuldig war.

Nachdem die Mission vorbei und er gerettet war, hatte er den Umschlag erleichtert weggepackt. Normalerweise erledigte er Sachen die ihm unangenehm waren lieber sofort, doch nicht in diesem Fall. Auch konnte man ihm sonst kaum nachsagen, ein Feigling zu sein. Doch den Brief abzuschicken, hatte er trotzdem nicht zustande gebracht.

Dabei war es nicht der Inhalt gewesen, der ihm Sorge bereitete, zu dem stand er nach wie vor. Es war viel mehr die Reaktion, die er bei der Empfängerin auslösen könnte, die ihn beunruhigte. Hatte er überhaupt noch das Recht, sie mit seinen Gefühlen zu behelligen? Vielleicht hatte sie ja längst einen Schlussstrich gezogen und einen neuen Anfang gefunden? Nun kam er daher und wühlte alles wieder auf!

**********

Doch je älter Jack wurde, umso mehr gewann er den Eindruck, unerledigte Dinge klären zu müssen. Plötzlich wurden Vorfälle und Ereignisse, die er jahrelang erfolgreich verdrängt hatte, wieder wichtig und erlangten eine neue Bedeutsamkeit, die er kaum noch für möglich gehalten hätte. Und eine erst kürzlich geführte Unterhaltung mit Hammond hatte ihm gezeigt, dass es ihm wohl nicht nur alleine so erging. Es schien ein fürs Älterwerden recht natürlicher Prozess zu sein. O’Neill seufzte. Er fühlte sich nicht alt, aber der tägliche Blick in den Spiegel zeigte, dass die Jahre nicht spurlos an ihm vorüber gegangen waren.

**********

Und dann war da noch die Sache mit Daniel ....

Drei Wochen war es nun her, dass Daniel gegangen war. – Aufgestiegen, ha! Wie man es auch immer nennen wollte. Doch Tatsache war, Daniel war fort. Er hatte seinen Freund, seinen besten Freund verloren. Gerade dieser Vorfall auf Kelowna hatte ihm wieder vor Augen geführt, unter welchen Bedingungen sie arbeiteten und wie schnell es aus sein konnte.

**********

Und genau dies war Jack in den Sinn gekommen, als er heute morgen den Brief wiedergefunden hatte. Es lieferte ihm den letzten Anstoß, den er brauchte. Es war an der Zeit, endlich diese Zeilen auf ihren Weg zu bringen. Warum sonst hatte er sie die ganzen Jahre über aufbewahrt?

Danach hatte Jack sich entschlossen seinen Schreibblock gepackt und eine kurze Mitteilung für Sara verfasst. Vorsichtig hatte er den alten Umschlag wieder verschlossen und beides in ein großes Kuvert gesteckt. Die Adresse war schnell notiert und eilig hatte Jack das Haus verlassen. Er wollte es hinter sich bringen, solange diese Phase der Überzeugung anhielt. Mit dem Brief auf dem Beifahrersitz liegend war er zur Post gefahren. Auch wenn das Schreiben neben ihm schon einige Jahre alt war, der Inhalt passte damals so gut wie heute:

**********

Liebe Sara,

wie soll ich dir diesen Brief erklären?

Sagen wir es mal so: ich bin in eine Situation geraten, in der ich sehr viel Zeit zum Nachdenken habe. Zeit, über mein Leben und über die Dinge, die mir wichtig sind und waren, nachzugrübeln.

‚Ein bisschen spät!’, wirst du jetzt denken. Doch du kennst mich, Sara! Ich schiebe unangenehme Sachen gerne vor mir her. Verdränge sie und stelle mich ihnen erst, wenn es gar nicht mehr anders geht. Doch die Zeit wird knapp und es gibt da ein paar Dinge, die du wissen solltest. Die mir so wichtig sind, dass du sie erfährst, dass ich dafür sogar Papier und Stift zur Hand nehme!

Klingt nicht gerade nach dem Jack O’Neill den du kennst, oder? Schreiben war noch nie meine Stärke! – ebenso wenig wie das Reden. Aber das brauche ich ja gerade dir nicht zu erklären. Das weißt du besser, als jeder andere Mensch, mit dem ich es zu tun habe. Du solltest mal meine Missionsberichte sehen. Hammond – mein derzeitiger Kommandeur - erklärt mir immer wieder, dass „platt machen“ und „Ärsche retten“ nicht gerade der Sprachgebrauch ist, den das Pentagon zu lesen wünscht. Was kümmern mich diese Sesselpfurzer? Wenn sie das nicht lesen wollen, sollen sie doch selbst mal ... Ups, ich schweife ab. Ich sollte mich besser auf das konzentrieren, was ich dir eigentlich sagen wollte.

Du kannst es mir glauben, Sara. Ich kann dich ganz genau vor mir sehen. Wie du diese Zeilen in der Hand hältst, den Kopf schüttelst und dich fragst, was das soll. Ich bin dabei, es dir zu erklären. Habe bitte noch einen Moment Geduld.

Geduld. Ha, ganz schön frech, findest du nicht?, - dass ausgerechnet ich dich um Geduld bitte. Davon hast du mir wirklich mehr als genug geschenkt. – Damals, nach Charlies Tod.

Als ich einfach nicht in der Lage war, meinen Schmerz und meine Trauer mit dir zu teilen. Mein Unvermögen, dich an meinem Leben weiter teilhaben zu lassen. Wobei, für mich gab es damals kein Leben mehr. Irgendwie war ich mit Charlie gestorben. Blind und taub vor Schuldgefühlen, fühlte ich mich nur noch kalt und leer. Einfach tot. Mit Charlie war auch der Jack O’Neill, den du bis dahin kanntest und liebtest, gegangen.

Doch Tote empfinden wenigstens keine Schmerzen. Mein Körper, vor allem aber mein Geist, schrie in dieser Zeit jedoch ununterbrochen vor Schmerz. Erinnerte mich mit jeder Faser daran, dass ich noch am Leben war und konfrontierte mich jeden Gott-verdammten-Tag mit den Bildern unseres sterbenden Kindes. Und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als diesem Ganzen ein Ende zu bereiten und allem zu entfliehen.

Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich aufgegeben! Nicht einmal der Gedanke an dich, der mich sonst immer in aussichtslos erscheinenden Situationen am Leben erhielt, konnte mir die Kraft geben weiterzumachen. Als es in meinem Privatleben darauf ankam, habe ich versagt.

Du kennst das oberste Credo des Soldaten Jack O’Neill. Frank Cromwells Verhalten hat es mich bitterlich gelehrt: ‚Keiner bleibt zurück!’
Ich weiß, um die Auswirkungen, wenn man von seinen Leuten im Stich gelassen wird. Leute auf die man vertraut! Und ausgerechnet bei dir, habe ich mit diesem Motto gebrochen!

Du hast dich auf mich verlassen, auf mich gezählt und in dieser dunklen Phase unseres Lebens, hast du dich als die Stärkere von uns beiden erwiesen. Nicht, dass mich das überrascht hätte. Als Frau an der Seite eines Soldaten muss man eine gewisse Härte mitbringen, sonst zerbricht man. Doch während du bereit warst den Kampf aufzunehmen, habe ich dich verraten! Ja Sara, du hast schon richtig gelesen. Du wirst es gleich verstehen!

Als mich das Militär zu diesem Zeitpunkt zurückrief, gab man mir die Gelegenheit, na ja, wie soll ich es sagen? (Das zuzugeben ist nicht einfach) Sie gaben mir einen Kamikazeauftrag. Ich erhielt die Möglichkeit, in Ehre für mein Vaterland zu sterben und ich nahm diese Mission dankbar an. Keinen Gedanken an dich oder mich verschwendend, einfach nur glücklich, dass es bald zu Ende wäre.

Doch manchmal entwickeln sich die Dinge anders, als man denkt. Das hättest du nicht gedacht, oder? Denn immerhin stehe ich heute immer noch hier. Es muss also etwas dort mit mir passiert sein. Meine Brillanz ist hin und wieder erschreckend, oder nicht? Doch nun weiter:

Ein Mann, den ich heute meinen Freund nennen darf, rückte mir, als es dringend nötig war, den Kopf zurecht. Er half mir, ein paar Sachen in Frage zu stellen und meine Bereitschaft mein Leben einfach so wegzuwerfen, neu zu überdenken. Keine einfache Aufgabe und er ging auch nicht besonders feinfühlig vor, wie du dir bestimmt gut vorstellen kannst. Aber in dieser Phase half nur noch der buchstäbliche Tritt-in-den-Hintern und Daniel hat zugetreten!

Bei meiner Rückkehr war ich beileibe nicht wieder der Alte! Ein Teil von mir, Sara, wird für immer mit unserem Sohn begraben liegen. Aber ich war zumindest bereit, dem Leben und damit auch uns, wieder eine Chance zu geben. Ironisch nicht, dass dies genau zu dem Zeitpunkt geschah, als du uns gerade aufgegeben hattest. Ich scheine einfach kein Gefühl für gutes Timing zu haben.

Ich kam zurück und das Haus war leer. Gott, ich hatte es verdient! Du hattest es lange genug mit dem Wrack, das ich damals war, ausgehalten. Ich war auf dem besten Weg gewesen, nicht nur mich, sondern auch dich zu zerstören. Und du hattest beschlossen, die Notbremse zu ziehen und auszusteigen. Und ich kann es dir nicht verübeln.

Wie hättest du ahnen sollen, dass sich die Umstände geändert hatten. Das ich mich geändert hatte! Ich mich immer noch verändere! Dass der Mann, der zurückkehren würde, nicht mehr der gleiche wäre, wie der, der ohne sich zu verabschieden, das Haus verlassen hatte. Du hattest wahrlich lange genug auf mich - auf ein Zeichen von mir - gewartet.

Die Monate unserer Scheidung erlebte ich wie einen Traum. Einen bösen Traum! Und abermals scheiterte ich. Vielleicht hätte ich es noch stoppen können, wenn ich mit dir gesprochen hätte. Doch wie immer war ich dazu nicht in der Lage und so verlor ich auch diese Schlacht. Verlor dich!

Weißt du, es ist schon witzig! Aber oftmals sind es die kleinen Dinge, die mich an dich erinnern. Wenn ich z.B. auf meinem Sofa liege und ganz automatisch erwarte, dich in der Küche hantieren zu hören. Kannst du dir vorstellen, wie beruhigend diese vertrauten Geräusche sein können? Verrückt, nicht?

Es war einfach schön, nach Hause zu kommen. – Zu dir zu kommen! Mit dir zu reden, zu lachen – und haben wir nicht eine Menge gelacht? – oder auch nur gemütlich zu sitzen und gemeinsam fernzusehen. Ich will damit sagen, ich vermisse dich. - Immer noch! Albern, nicht?

Keine Angst, der alte Jack wird jetzt bestimmt nicht gefühlsduselig. Ich will auch kein Mitleid. Das wäre das Letzte, was ich mit diesem Brief erreichen will. Ich möchte einfach nur, dass du es verstehst. Wenigstens jetzt sollst du die Antwort erhalten, die ich dir seit Jahren schulde. Du hast ein Recht darauf. Du bist schließlich meine Frau. Oh, entschuldige. – Du warst meine Frau!

Doch wofür entschuldige ich mich eigentlich? Ich habe nichts mehr zu verlieren, denn ich habe bereits alles verloren, was mir in meinem Leben jemals wichtig war! Und es ist genau das, was ich fühle. Ich kann es nun einmal nicht ändern. Gefühle kann man nicht einfach durch eine Scheidung abschalten. Ich wette, du hättest nicht gedacht, dass ich es schaffe, dir dies noch irgendwann einmal zu sagen. Na ja, im Grunde genommen hast du Recht behalten. Denn ich habe es dir nicht gesagt, sondern es leider nur geschrieben. Aber es ist für mich wichtig, dass du die Wahrheit erfährst.

Wir waren ein ziemlich gutes Gespann, wir beide!

Wow, wer hätte geahnt, dass ich soviel schreiben könnte? Gib es wenigstens zu, Sara, auch du hättest das nicht geglaubt. Manchmal bin ich wirklich unschlagbar! Ts, nicht zu fassen. Vielleicht hätte ich doch einmal versuchen sollen, dieses Taktikbuch zu schreiben, was diese Zementköpfe vom Militär von mir haben wollten. Huch, ich fange schon wieder an, vom Thema abzuweichen.

Aber es ist auch nicht mehr viel übrig, was ich dir noch schreiben könnte. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, es dir persönlich zu sagen. Nun wird es wohl Daniel sein, der dir diesen Brief übergibt. Er ist der Freund, den ich oben bereits erwähnt habe.

Mir bleibt nur noch, dir alles Gute für die Zukunft zu wünschen. Pass gut auf dich auf und versuche, wieder glücklich zu werden. Denn das Leben ist zu kurz, um es mit Dingen zu vergeuden, die keinen Spaß machen. - Witzig, dass gerade ich das sage, oder? Aber es ist etwas, was ich gerade in den letzten Tagen überdeutlich gelernt habe.

Habe ich mich eigentlich jemals bei dir für deine Liebe und unsere gemeinsamen Jahre bedankt? Ich glaube nicht. Deshalb mache ich es jetzt, als Letztes: Danke!

In Liebe,

Jack



ENDE

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