Wäre ich doch nur im Bett geblieben by Destiny
Summary: "Also irgendwie habe ich mir meine Ausheulwoche bei Sam ganz anders vorgestellt. An *das* hier habe ich nun wirklich nicht gedacht. "
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Own Character, Samantha Carter (SG-1), Teal’c (SG-1)
Genre: Friendship, General, post-Epi, PoV, Romance, Vignette
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 4 Completed: Ja Word count: 125798 Read: 25491 Published: 28.03.12 Updated: 28.03.12
Story Notes:


Spoiler: Setzt nach "Entity/Eine Falsche Wahl" an.

Anmerkung: Das hier ist eine etwas andere Geschichte. Sie ist vollkommen aus der 1. Person geschrieben, aus der Sicht eines von mir erfundenen Charakters - Liz. Falls euch die Umgangsprache nicht stört, werdet ihr bestimmt euren Spaß haben.

1. Kapitel 1 by Destiny

2. Kapitel 2 by Destiny

3. Kapitel 3 by Destiny

4. Kapitel 4 by Destiny

Kapitel 1 by Destiny
Wäre ich doch nur im Bett geblieben


Prolog

Es ist einer dieser Tage, an denen man sich ernsthaft fragt, warum man bloß aufgestanden ist. Weil man es muss, versucht mir mein Verstand zu erklären, aber wie hätte ich denn auch ahnen können, dass sich die Welt ausgerechnet an diesem Morgen dazu entschlossen hat sich gegen mich zu verschwören?

Aber jetzt mal von ganz Anfang an. Es hatte alles so traumhaft schön begonnen. Ich war im siebten Himmel, verknallt bis über beide Ohren in meinen absoluten Traummann (groß, schlank, muskulös, schwarze Haare und braune Augen) und das Highlight in meinem Leben ereignete sich vor genau drei Monaten. Dieser Traum von einem Mann hatte mir einen Heiratsantrag gemacht. Mir (etwas kleiner, schlank, dunkle lange Haare – mal glatt mal gelockt, was der Fön gerade so anstellt) meiner Meinung nach nicht gerade ein Hingucker, aber mit einer Plastiktüte überm Kopf brauche ich auch nicht rumlaufen. Vielleicht habe ich auch nur Komplexe, aber welche Frau hat die nicht? Jedenfalls bin ich aus allen Wolken gefallen, als er mitten in einem gefüllten Restaurant auf seine Knie gefallen ist und um meine Hand angehalten hatte. Wie in einer Schnulze hat er die gesamte mit Klischee belastete Bandbreite ausgenutzt. Obwohl ich mich jedes Mal über diese Filme aufrege, weil sie dermaßen unrealistisch sind und die Damen präsentiert werden wie Heulbojen, die bei jedem kleinen Bisschen in ein Meer von Tränen ausbrechen und dann Trost in den Armen eines starken Mannes suchen, haben sich in diesem Moment sämtliche Vorurteile verabschiedet und mich in die Rolle der heulenden Heulboje gedrängt. Aber mal ehrlich, welche Frau würde das kalt lassen? Also habe ich wiederum das ganze Programm des klischeehaften Verhaltens durchgezogen. Mit total verschmiertem Maskara (wenn ich das gewusst hätte, hätte ich den wasserfesten genommen, aber nö...) habe ich nur wie ein Wackeldackel mit dem Kopf genickt und ein „Ja, ja, ja, ich will“, geschluchzt. Anschließend bin ich dann zu ihm auf den Boden gerutscht, wo ich ihm um den Hals gefallen bin. Unser Publikum war vollendest entzückt, Geklatsche und teilweises Standing Ovation. Ein Traum wurde in diesem Moment für mich wahr. Habe mich schon gesehen, weißes Kleid, Blumen, große Kirche, weiße Tauben, die in den strahlend blauen Himmel flattern…

Hätte diesen Vorspann lieber als Idee einer Seifenoper verkaufen sollen. Denn da ist das wenigstens noch Realität. Ganz schön bescheuert von mir in dieser Seifenblase zu leben. Im Grunde hätte es mir gleich komisch vorkommen sollen. Lief doch alles am Schnürchen… wenn das der Fall ist, dann ist immer der Wurm drin. Und bei mir war es bestimmt die Raupe Nimmersatt. Frage mich nur, ob am Ende noch ein Schmetterling daraus wird.

Denn leider hat alles einen Haken und ich schien die Reinkarnation eines Blindfisches gewesen zu sein. Das ist alles nur Toms Schuld – so heißt dieser Mistkerl übrigens. Pah! Das ich nicht lache! Von wegen „Der schönste Tag in deinem Leben“. Da würde „Der schlimmste Alptraum in deinem Leben“ schon eher passen. Sitzengelassen hat mich der Mistkerl! Was hat sich der Muskelprotz eigentlich dabei gedacht? Und wie er auch noch damit um die Ecke kam. Das war wirklich die Höhe! Ich, ahnungslos, komme nach Hause, vollgepackt mit den schönsten Utensilien für die Hochzeit, welche in meinem Kopf schon perfekt dekoriert im gemieteten Saal hängen, sah nur, wie die Lampe des ABs leuchtete. Mit dem kleinen Finger schaffte ich es den Knopf zu drücken, ohne dass sich der Inhalt der Tüten auf dem Boden verteilte und mein Gesicht verzog sich noch in eine grinsende Grimasse, als ich seine Stimme hörte. „Hey, Liz, hier ist Tom.“ Mein eigentlicher Name ist Elizabeth, aber ich werde von jedem nur noch Liz genannt, was mir persönlich sehr lieb ist, denn mal ehrlich, wer will schon mit so'n altmodischen Namen angesprochen werden? Nur meine Ma darf mich so nennen, obwohl ich es ihr auch schon versucht habe auszureden. Aber wo war ich? Ja, ruft dieser Mistkerl von seiner Geschäftsreise aus Europa an und sülzt mich erst noch voll. „Du glaubst gar nicht, was ich heute erlebt habe. Ich habe dir doch von diesem wirklich hohen Tier, Mr. Read, erzählt.“ Natürlich hatte er das, es verging keine Sekunde, in der dieser Name mal nicht gefallen war. Ich kenne diesen guten Mann vom Hörensagen her bereits besser als meinen eigenen Vater. „Tja, wie es aussieht, hat er mir hier eine Stelle plus Beförderung angeboten. Allerdings würde das für sofort gelten.“

~~~~~~~~~


Und in diesem Moment begann ein ganzes Orchester von Alarmglocken in meinem Kopf zu schrillen. Moment Mal, was soll denn das heißen? Jetzt mal langsam zum Mitschreiben. Beförderung, Arbeitsplatzwechsel… und wo bleibe ich? Keine zwei Sekunden später hatte ich auch schon den Hörer an meinem Ohr kleben.

„Tom Baker“, meldete sich eine ziemlich teilnahmslose Stimme. Wahrscheinlich hatte er meine Nummer auf dem Display gesehen und wusste genau, dass ihn gleich meine ziemlich fordernde Stimme begrüßen würde.

„Was soll denn das heißen 'Stelle im Ausland'?“, schmetterte ich geradewegs drauflos und ließ die Floskel „Herzlichen Glückwunsch, Schatz, dass du die Karriereleiter rauf fällst“ erst einmal außen vor.

„Ah, Liz, Mr. Read hat mir hier eine Stelle angeboten.“

Was du nicht sagst! „Und?“

„Und na ja, ich musste mich bis gestern entschieden haben.“

Gestern? Und da ruft er erst heute an? Sag mal, geht’s noch? „Und?“, versuchte meine Stimme relativ ruhig die Frage zu wiederholen.

„Und was?“, echote er ziemlich verdattert.

In meiner Kehle formte sich bereits ein Knurren. „Und was ist jetzt?“ Man gebe mir eine Schraubzange! Einen Defri! Mensch, da ist es ja leichter etwas aus einer Parkuhr herauszuquetschen! Muss ich dem Kerl eigentlich immer alles einzeln aus der Nase ziehen?

„Und na ja, was soll ich sagen? Ich habe angenommen.“

Angenommen… Hatte er den Schuss nicht mehr gehört? Wie konnte er denn einfach eine Stelle im Ausland annehmen ohne vorher mit mir darüber zu reden? Kommt er denn dann überhaupt noch mal nach Hause? Er schwirrte doch jetzt schon seit gut vier Monaten im Ausland herum. Jetzt soll er auch noch dorthin versetzt werden? Die Sparflamme meiner Geduld war in den letzten fünf Minute auf das Zehnfache angestiegen. Innerlich brannte ich lichterloh. Könnte glatt als Laterne durchgehen. „Das is’ nen Scherz!“

Am anderen Ende der Leitung erklangen gedruckste Laute. „Ähm… nein, also… ich wollte, weist du, Liz, ich wollte das eigentlich schon längst mir dir durchgesprochen haben…“

Ach, ist nicht wahr... Und warum hast du es nicht getan?! „Wirklich? Also, gestern habe ich keinen Anruf von dir bekommen, obwohl ich hier war.“

„Na ja, du musst das verstehen… ich war dann anschließend noch feiern…“

„Sag mal Tom, haste jetzt vollkommen den Verstand verloren?“

„Aber ich… Liz, ich dachte du freust dich.“

Natürlich freue ich mich! Wahnsinnig! Ich hüpfe gerade jubelnd durchs Wohnzimmer. „Freuen? Wie haste dir das denn vorgestellt?“

„Ich dachte, du könntest dann vielleicht hier her…“

Also so viel dämliche, männliche Ignoranz habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Gar kein Thema, ich lass hier einfach alles stehen und liegen, schmeiße meinen Job, verlasse meine Familie, blase die Hochzeit ab und laufe ihm wie ein treudoofer Hund hinterher. Aber sonst hatte der Herr keine Probleme. Ich glaub, es hackt! „Tom, wir heiraten in zwei Wochen! Ich habe hier einen Job, wir haben eine gemeinsame Wohnung, unsere Familien sind hier und habe ich schon erwähnt, dass wir in zwei Wochen heiraten wollen?!“

„Was keifste denn jetzt so rum? Heiraten können wir auch hier, ein Haus wird uns von der Firma gestellt und was deine Arbeit angeht, du bist doch sowieso immer unterwegs.“

„Sag mal, verstehst du es nicht? Das ist mir egal! Die können uns von mir aus 'ne ganze Villa zur Verfügung stellen, du kannst doch nicht einfach so etwas Wichtiges über meinen Kopf hinweg entscheiden!“

„Das war die Chance, auf die ich all die Jahre gewartet habe, für die ich all die Jahre so hart gearbeitet habe. Wieso willst du mir denn jetzt Steine in den Weg legen? Außerdem wussten wir sehr wohl, dass dies eine mögliche Option sein würde.“

Der hat ja wohl dicke Nerven! Mir jetzt die ganze Schuld in die Schuhe schieben. Na, warte Freundchen, nicht mit mir. Das wollen wir ja mal sehen. „Hey, jetzt mach aber mal halblang. Es hieß nie, dass du von heute auf morgen auswanderst.“

„Ich kann doch nicht planen, wann solche Chancen eintreffen. Mensch, Liz!“

Mensch, Liz! Ja, Mensch, Liz! „Entschuldige bitte, dass ich hier keine Purzelbäume schlage, aber du hast nicht nur gerade unsere Hochzeit vermasselt, nein, auch mein Leben!“

„Übertreibst du da nicht etwas? Ich sagte doch, wir könnten auch hier…“

„Hier? Wo ist eigentlich *hier*?“ Ha, hätte ich doch glatt vergessen die wichtigste Frage zu stellen. Wo genau hin wurde der Kerl denn versetzt? In meinem Kopf fährt gerade alles Achterbahn. Im Grunde kam so ziemlich jedes Land in Frage.

„Was?“

„In welchem Land oder auf welchen Kontinent arbeitest du jetzt?“, formulierte ich die Frage noch einmal für ganz Doofe.

„Madrid.“

„Madrid?“ Jesus Christus! Heilige Scheiße Mann! Das ist am Arsch der Welt! Wie hat er sich das denn vorgestellt? „Und wie lange?“

„Was meinste damit: 'Wie lange'?“ Was sollte ich damit schon meinen? Genau das, was die Worte auch sagen. „Auf jeden Fall für das nächste halbe Jahr.“

Mir blieb die Spucke weg. Wenn ich gewusst hätte, dass der Tag solch eine Wendung nehmen würde, dann hätte ich mich unter meiner Bettdecke verbarrikadiert. Ein halbes Jahr! Mich beschlich so langsam das Gefühl, dass ihm unsere Hochzeit so ziemlich schnurz piep egal war!

Das war’s! Ohne ihn zu Ende reden zu lassen, knallte ich den Hörer zurück auf die Gabel. Nachdem ich dann die Tüten als Sandsackersatz durch das halbe Apartment getreten, mir die Seele aus dem Leib geschrieen hatte, fiel ich schluchzend wie ein Häufchen Elend auf die Couch. Das war einfach nicht fair! Wenn der Typ glaubte, dass ich jetzt meine Sachen packte und ihm nachlief, hatte er sich geschnitten! Ich werde doch nicht mein ganzes Leben wegen ihm über den Haufen werfen! Vielleicht war es auch nur eine Trotzreaktion, aber was bitte schön erwartet er denn? Niemand, der bei klarem Verstand ist, würde anders reagieren. Soll er doch da hinten versauern. Ist mir doch egal! Ich werde ihm nicht nachlaufen!


~~~~~~~~~~~

Diese Trotz – Wutphase hatte ungefähr eine Woche angehalten, bevor dann auch selbst der Hund des Nachbarn einen großen Bogen um mich gemacht hat. Ich frage mich heute noch, wie meine Mutter diese schlechte Nachricht ohne einen Herzinfarkt überleben konnte. Ich habe in der Zwischenzeit sämtliche Dinge, die auch nur im Entferntesten etwas mit meinem Ex-Verlobten zu tun hatten, in Kartons gestopft und erst einmal in der hintersten Ecke des Kellers verstaut. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Ich habe ihn nicht einmal angerufen – er soll ruhig merken, was er da angerichtet hat! – aber genauso wenig hat auch er sich gemeldet. Und was sagt mir das? Entweder alles oder gar nichts. Doch ich werde nicht wie eine verzweifelte Sitzengelassene vor dem Telefon hängen und darauf warten, dass der damals potentielle Göttergatte sich dazu bequemt anzurufen. Nein, ich muss hier raus! Einfach nur weg, raus aus dieser Wohnung, raus aus dieser Gegend, raus aus dieser Stadt! Alles trägt seinen Namen und das ist im Moment so ziemlich das Letzte, an was ich erinnert werden will!

Den Kopf auslüften. Ja, genau das werde ich jetzt machen. Und ich weiß auch schon genau wo es hingehen wird.


++++


Teil 1

Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mir das hier genauso vorgestellt. Idyllisch, frei von jeglichen Großstadtkeimen, würde sich bestimmt gut in einem Urlaubskatalog machen. Und die Luft, ich schwöre euch, man kann die Sauberkeit förmlich riechen. Hmmm, traumhaft. Wenn ich da nur an Washington denke… ein Wunder, dass man in diesem ganzen Smog nicht untergeht. Wir dagegen wohnen in einer wirklich schönen Wohnung, aber das einzige Grün, welches ich dort sehe, ist mein halb ausgetrockneter Kaktus (und das bei einem Kaktus!) und dem einsam verkümmerten Baum auf der gepflasterten Straße vor dem Wohngebäude, aber das hier… hach, hier kann man wirklich Berge sehen… und Wälder… Mit einem Wort: Colorado Springs. Ja, genau der richtige Ort, um all den frustrierten Beziehungsmüll zu vergessen.

Bepackt mit zwei Koffern, steige ich aus dem Taxi und lasse die Taschen erst einmal mit einem erleichterten Seufzen fallen. Endlich an meinem Ziel. Und sieh sich einer mal dieses Haus an! Mensch, Mensch, davon träumt doch unsereins nur von.

Vermutlich wurde das laute Aufprallen meines reichlich gefüllten Gepäcks (Hey, ich bin eine Frau und da braucht man schon ein bisschen mehr als lediglich eine Zahnbürste und nur eine Hose zum Wechseln) gehört, denn keine zehn Sekunden später öffnet sich die Tür. Nur steht dort zu meiner großen Überraschung nicht Sam, wie ich eigentlich erwartet habe, sondern ein Mann. Nicht, dass ich mich beschwere, aber Sam hat mir nie von einem Mann erzählt. Ich weiß nicht, ob ich mich für sie freuen oder als Freundin über diese äußerst wichtige Tatsache zutiefst beleidigt sein soll. Keine Ahnung, wie ich ihn angesehen haben muss, wahrscheinlich wie ein Auto – aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass er nicht minder überrascht ausschaut – als er schließlich lächelt.

„Ah… hi…“, sagt er etwas irritiert und wirft einen suchenden Blick über meine Schulter. Ich folge seinem Augenpaar, um zu sehen, ob sich noch ein ungebetener Gast hinter mir befindet, aber das einzige, was dort vorzufinden ist, ist leere Luft.

„Hi“, begrüße ich ihn mit einem Lächeln. Wenn ich eines hasse, dann ist es dieses überaus peinliche und äußerst unangenehme Schweigen, welches sich zwischen zwei fremden Personen ausbreitet, weil einem nach einem simplen „Hi“ - ein Wort mit lediglich zwei Buchstaben - nichts Konstruktives mehr einfällt und man das Gefühl hat, nackt in einem Einkaufszentrum zu stehen. „Ist Sam da?“

„Sam?“

Oookay…. „Ja, Samantha Carter? Blond, groß, sollte eigentlich hier wohnen…“

Mein Gegenüber reißt plötzlich seine Augen ganz weit auf, so, dass sie aussehen, wie irgendwelche Untertassen aus den 50er Jahren Filmen. „Oh, natürlich… ja, klar, Sam… nein, die ist im Moment nicht hier. Aber… wer sind Sie?“

Ja, das war mal wieder klar, dass mir das passiert. Immer gleich mit der Tür ins Haus fallen. Elefanten im Porzellanladen sind nix dagegen. Wie war das noch mal: Der erste Eindruck ist immer der wichtigste? Sollte ich mir mal merken. Mit meinem Sonnenscheinlächeln, versuche ich meine aufsteigende Röte zu kaschieren und strecke ihm meine Hand entgegen. „Entschuldigen Sie, hi, ich bin Elizabeth Sullivan, aber Sie können mich ruhig Liz nennen, das tut jeder. Ist mir persönlich auch lieber“, plappere ich drauf los. Der arme Mann muss denken, ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Freundin von Sam“, füge ich dann noch knapp hinzu. Im Grunde alle Informationen, die er gebraucht hätte.

Aber zu meiner Überraschung lächelt er nur und lässt mir noch ein paar Sekunden, um die Verlegenheit verstreichen zu lassen, bevor er zum Sprechen ansetzt.

„Hi, freut mich, Liz. Ich bin Daniel. Daniel Jackson, ein Freund von Sam.“

Ein Freund? Also, nicht der Freund? „Ein Freund?“ Ob meine Stimme vielleicht ein klein wenig zu skeptisch klingt?

„Ja, ja“, bestätigt er mit mehrmaligem Nicken und geht einen Schritt zurück. „Eigentlich arbeiten wir zusammen. Sam hat mir gesagt, dass Sie kommen. Aber…“ Er schaut hinunter auf seine Uhr. „Sie sind früh dran. Sam meinte, Sie wären erst in spätestens zwei Stunden hier.“

„Ja… ich hätte vielleicht anrufen sollen.“

„Ist ja nicht so schlimm. Dann ist es eben eine Überraschung für Sam. Kaffee?“

Das ist das Zauberwort. Ich folge ihm bis in die Küche, wo er sich wie selbstverständlich der Utensilien bedient. „Wo ist Sam eigentlich?“

„Oh, sie ist noch was einkaufen gegangen. Ich hatte ihr angeboten, dass ich das für sie übernehme, aber na ja… Sie kennen ja Sam…“ Er seufzt mit einem Kopfschütteln und gerade als er fortfahren will, klingelt das Telefon. Mit runzelnder Stirn wartet er ab, bis der AB den Anruf entgegen nimmt.

„Sam, hier ist Janet. Ich hoffe wirklich für Sie, dass Sie jetzt zu Hause sind!“

„Oh oh“, kommt es von neben mir und dieser plötzliche panische Gesichtsausdruck ist alles andere als beruhigend. Ich muss schon zugeben, dass, wer auch immer diese Janet ist, sie nicht gerade sehr erfreut klingt. Schnell nimmt Daniel den Hörer ab.

„Ah, hi, Janet….“, antwortet er sichtlich nervös. „Ja, hier ist Daniel… nein, nein, ich habe sie nach Hause gebracht… ja, genau wie Sie es wollten… Mm hm, ja… also, nein, natürlich nicht, nein… Sie wollen sie sprechen? Wen?... Sam?“

Sollte ich vielleicht lieber einen Stuhl holen, damit mir dieser arme Mann nicht gleich zusammenklappt? Wie kann man nur so weiß werden?

„Sam…“, sagt er mit einem kleinen Hustenanfall, „also, Janet, das ist jetzt wirklich kein guter Zeitpunkt…warum nicht? Nun, weil sie im Moment nicht hier ist…“

Selbst ich habe den lauten Aufschrei durch die Telefonmuschel gehört und so langsam formt sich ein Bild in meinem Kopf von dieser Janet. Gewaltige Stimme (obwohl sie ziemlich feminin klingt), mit sehr viel Druck und Durchsetzungsvermögen, wahrscheinlich eine Respektperson… also, vermute ich mal, ziemlich groß für eine Frau, vielleicht blaue strenge Augen, blonde Haare, die in einem strengen Zopf nach hinten gebunden sind und ich schätze mal, ohne dass es in irgendeiner Form beleidigend klingt, aber, dass sie vermutlich etwas mehr auf den Rippen hat. So was, was man immer im Fernsehen sieht, wo man freiwillig die Straßenseite wechselt.

„Nein, nein, Janet, ‚nicht hier’ im Sinne von ‚nicht in diesem Raum’. Sie ist hier, ja, sie wollte sich gerade eben hinlegen und ausruhen, so wie Sie es ihr verschrieben haben.“ Er lächelt nervös zu mir rüber, als ihm so glattweg die Lüge über die Lippen gehuscht kommt. Wenn Märchen wahr wären, müsste ihm jetzt eine drei Meter lange Nase wachsen. Immerhin hat er den Anstand rot zu werden, schade nur, dass Janet es nicht sehen kann.

„Ich kümmere mich um sie, ja, das weiß sie doch… Janet, die letzten Tage waren für uns alle nicht einfach… und, ja, natürlich, ich richte es ihr aus… Heute? Nun, ich denke mal…“ Er schielt kurz zu mir rüber. Hm, was die beiden da jetzt wohl besprechen, denn wie es aussieht hat sich Daniel wieder etwas beruhigt und ist erst einmal aus der Gefahrenzone eines Herzinfarkts ausgestiegen, aber was es auch ist, beide scheinen sich diesmal einig zu sein. „Vielleicht sollten Sie das mit Sam besprechen…“ Er nickt ein paar Mal mit dem Kopf. „Ja, und wie geht’s Jack?“ Und dann kommt ein schweres Seufzen aus den Tiefen seiner Kehle. Es hört sich so an, als ob eine ganze Lastwagenkolonne durch seinen Hals rasen würde. „Ja, ich kenne Jack. Ich werde nachher mal mit ihm reden. Nein, sie gibt ihm keine Schuld, nein, nein… Okay, wir sehen uns… ja, ganz genau, Tschüss.“

Mit einem sehr schweren Seufzen und einem „Oh Mann“, legt er schließlich auf. Ich will ja wirklich nicht neugierig sein, aber erstens bin ich eine Frau, zweitens ist es wissenschaftlich bewiesen, dass diese Eigenschaft einem weiblichen Wesen schon praktisch mit in die Wiege gelegt wird und dass ich vielleicht etwas zu viel davon abbekommen habe, ist ein vollkommen anderes Thema. Aber davon mal abgesehen, haben mich seine Worte: „Die Tage waren für uns alle nicht einfach“ und „Sie gibt ihm keine Schuld“ schon sehr beunruhigt. Und wie sollte es auch anders sein, ein Mann ist im Spiel. Ist doch immer das Gleiche! Kaum hat man Probleme, ist Mann der Grund.

„Sam liegt also oben im Bett, hm?“

„Ah… ja, das war ne kleine Notlüge… Janet ist sehr, sehr… sie ist eine gute Freundin… aber damit langweile ich Sie wahrscheinlich nur.“ Nein, nein, ganz und gar nicht. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich jetzt wirklich neugierig. Aber schon bald merke ich, dass er sich bei diesem Thema nicht wohl fühlt. „Also, Liz, woher kennen Sie Sam?“, wechselt er wenig elegant, aber dafür effektiv das Thema.

„Oh, ja, das ist schon Ewigkeiten her.“ Er stellt eine Tasse Kaffee vor mir auf den Tresen. „Danke. High School. Wir waren zusammen auf der High School.“ Oh ja, und was für Zeiten das war. Da kommen Erinnerungen hoch. Mann oh Mann.

„Dann haben Sie mit Sam bestimmt die verrücktesten Berechnungen angestellt…“

„Oh nein!“ Ich breche in schallendes Gelächter aus! Ich kann wirklich nicht anders, aber das ist zu komisch, um wahr zu sein. Tut mir wirklich Leid, aber schon alleine der Gedanke, dass ich jemals mit Zahlen umgehen soll, ist schon an und für sich lächerlich, aber dann auch noch mit irgendwelchen Quadratwurzeln, Logarithmen und weiß Gott noch was für Dingern! Nein, danke! Zum Glück habe ich mich nicht an meinem Kaffee verschluckt, aber dennoch muss ich aussehen wie eine Tomate. „Es tut mir Leid“, lache ich, als ich noch eine Träne wegwische. „Aber nein, ich kann mit Zahlen absolut nicht umgehen. Ich kann sie mir vielleicht merken, aber ansonsten bin ich ein hoffnungsloser Fall. Was das anbelangt sind Sam und ich wie Tag und Nacht.“

„Wirklich?“

„Oh ja, na ja, verstehen Sie, damals gab es da die Gruppe von Leute, die wie Sam waren – alle überbegabt, verpönt von dem Rest der Schule, aber heimlich bewundert – doch glauben Sie mir, niemand hätte es je zugegeben und auf der anderen Seite eben die Coolen.“

„Glaub ich Ihnen gerne, aber Sie haben es offensichtlich doch zugegeben?“

„Was? Damals, um Gottes Willen, nein! Damals dachte ich noch, dass es wie ein Stigma sein würde, wenn man sich auch nur in der Nähe dieser Leute aufhält. Sie müssen wissen, ich war neu an der Schule und na ja, Sie wissen sicherlich wie es ist, wenn man versucht ‚dazu zu gehören’. Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich Sam anfangs nicht wirklich nett behandelt und glauben Sie mir, das ist etwas, auf was ich wirklich nicht stolz bin.“

„Ja, der Fluch der Wissenschaftler“, murmelte Daniel, als er einen Schluck von seinem Kaffee nimmt.

„So was in der Art…“, stimme ich ihm reumütig zu. Ehrlich, Leute, wenn ich mich damals kennen gelernt hätte, ich hätte einen Sicherheitsabstand von mindestens hundert Meilen eingenommen. Kein Wunder, dass Sam und ich am Anfang wie Feuer und Wasser waren. Und vor allem wundert es mich, dass sie trotz meiner Bemühung sie nicht zu mögen (und ich kann euch sagen, sie war mir von Anfang an sympathisch, nur erzähl das mal der High Society, zu der man gehören will – No Chance!) sie trotzdem immer freundlich zu mir war. Manche Fragen sollten vielleicht unbeantwortet bleiben.

Daniel nickt und scheint irgendwie zu erahnen, was ich denken muss. „So was ändert sich nie“, sagt er mit einem Schmunzeln. „Als Sam mir von ihrem ersten Treffen mit Jack – unserem Teamführer – erzählt hat… na ja, es war genauso. Wissenschaftlerin eben.“

Aha, da ist dieser Name schon wieder. Teamführer, also….

„Aber sie und ich, wir haben uns sofort verstanden.“

„Dann sind Sie auch Wissenschaftler? So wie Sam?“

„Wissenschaftler ja, aber Astrophysik? Nein, auch wenn ich mir wirklich Mühe gebe all das zu verstehen, was Sam mir erklärt, liegt mein Spezialgebiet doch eher in der Vergangenheit.“

„Nein…Sie meinen, Sie…?“ Na, wenn das mal kein Zufall ist! Wer hätte das gedacht?

„Was? Warum lachen Sie so? Ja, ich bin Archäologe… Was ist daran so komisch?“

„Oh… eigentlich gar nichts“, grinse ich ihn an. „Nur, dass ich…“ Ich glaube, mein dämliches Grinsen und die unmissverständliche Geste meiner Hände Richtung meines Körpers ersetzen jegliche Worte.

„Wow…“ Daniel richtet seine Brille und lehnt sich auf der Anrichte abgestützt nach vorne. „Welches Gebiet?“

Da reist man nichts ahnend zu einer Freundin, um sich hemmungslos die Augen auszuheulen und wen trifft man hier? Einen weiteren Archäologen, der auch noch ein Arbeitskollege von Sam ist, die im Grunde ein ganz anderes Fachgebiet hat… Moment, entweder sind gerade sämtliche logischen Schlussfolgerungen auf Urlaub oder etwas passt hier nicht zusammen. „Ähm, alte Kultur und Geschichte. Ich habe mich hauptsächlich auf die Maya spezialisiert“, beantworte ich ihm etwas gedankenverloren die Frage.

„Dr. Elizabeth Sullivan…“, murmelte er und scheint sich meinen Gedanken vollkommen unbewusst zu sein. „Ja, ich glaube, ich habe mal von Ihnen gelesen. Na, das ist doch mal ein Zufall… Sam hat nie erwähnt, dass Sie ebenfalls… ich meine, wirklich, das ist… unglaublich!“

„Merkwürdig, nicht wahr? Und Sie?“

„Oh, ich, ich ja, ich habe mich anfangs auf die ägyptische Kultur spezialisiert, aber mittlerweile hat sich das Feld etwas ausgebreitet.“

„Dr. Jackson, der Mann, der es gewagt hat sämtliche Thesen der Erstehungsgeschichte der Pyramiden über den Haufen zu werfen.“

„Ja… das bin ich…“ Seine Hände spielen mit der Kaffeetasse herum. „Hat mir irgendwo das Genick gebrochen.“

„Hm, Sie waren auf einmal spurlos verschwunden. Und trotz Ihrer verrückten Theorien, die von den meisten nur verpönt werden, sind Sie doch eine Berühmtheit, Dr. Jackson.“

„Ja, wie verliert man in innerhalb von zehn Minuten seinen ganzen Respekt oder wie schafft man es innerhalb von kürzester Zeit einen Vorlesungssaal zu leeren.“

„Och, ich weiß nicht. Nur weil es diese alten Theorien gab, heißt es doch noch lange nicht, dass sie auch wahr sind. Sie haben einen neuen Ansatz gesucht – okay, wenn ich ehrlich bin, ist Ihr Ansatz etwas…“

„Exzentrisch?“

„… exzentrisch, ja, aber heißt es nicht auch immer ‚Im Zweifel für den Angeklagten’?“

„Uhm…“

„Sie sind berühmt, Dr. Jackson“, grinse ich ihn mit einer Singsang-Stimme an.

„Wirklich, Liz…“

Ich finde es unbeschreiblich süß, wenn Männer rot anlaufen. Und unser lieber Dr. Jackson ist im Moment so ein Kandidat. „Nein, ernsthaft, dafür brauchen Sie sich nicht zu schämen.“ Und jetzt auch noch dieses verlegende Lächeln. Wenn ich im Augenblick nicht so einen gigantischen Hass auf die Spezies Mann hätte, hätte ich wie ein blöder Teenie angefangen zu grinsen. „Was ich allerdings nicht wirklich verstehe, was hat die Erforschung des Weltraums mit Archäologie zu tun? Ich meine, Sams Aufgabe ist es doch, das Weltall nach neuen Sternen und alles abzusuchen, oder? Wie passt das zusammen?“

Und das war’s mit dem Lächeln. Unbehagen und erste Ratlosigkeit ist so ziemlich alles, was sein Gesicht ziert. „Ahm, also, ja… das ist im Grunde… verstehen Sie…“, beginnt er herum zu drucksen.

Erwartungsvoll werden meine Augen immer größer. Kennt ihr ‚Findet Nemo?’ Wie Dori, als sie erwartungsvoll zusammen mit den vielen kleinen Babyschildkröten der Geschichte von dem Clownfisch Marlin lauscht. Ja, in so etwa müsste ich jetzt aussehen.

„Nein, Janet, mir geht es gut!“, ertönt plötzlich eine mir nur überaus bekannte Stimme, gefolgt von einem verzweifelten Stöhnen. Oh ja, diesen Ton kenne ich doch irgend woher. Wenn ich es mir recht überlege, dann habe ich diese Mischung aus Stöhnen und Seufzen ziemlich oft von ihr gehört. Meistens dann im Zusammenhang damit, dass ich nie die perfekte Nachhilfeschülerin war. „Janet! Nein, ich habe Daniel natürlich nicht zum Lügen angestiftet!“ Ein noch verzweifeltes Augenverdrehen kommt gleich… Jup, da ist es. Und als sich dann mein Blick auf meinen Sitznachbarn richten will, sehe ich nur, dass sein Platz leer ist. Seiner einer steht schon fast Fingernägel kauend und von dem einen Bein aufs andere hüpfend neben Sam. „Warte, Janet, hier ist er und er kann es Ihnen ja selbst sagen.“ Energisch drückt sie Daniel das Handy in die Hand. „Daniel, Janet.“

Mit einem schweren Schlucken nimmt er das Mobiltelefon an sich. „Ja, hi, Janet… ich bin’s wieder…“ Eine ganze Weile folgt monotones Schweigen, durch mehrmaliges Nicken oder Kopfschütteln gekennzeichnet. Mein Respekt vor dieser Frau namens Janet steigt ins Unermessliche. „Ich habe doch gesagt, dass sie… Was? Autos? Natürlich, das Fenster war auf und so ist es doch normal, wenn man… Nein, Janet, beruhigen Sie sich. Sam ist doch vernünftig. Ja, genau…“

Sam scheint mich noch nicht wirklich wahrgenommen zu haben. Sie knallt nur die Einkaufstüte, die sie in der Hand hält, auf den Tisch, verschränkt ihre Arme vor der Brust und wartet relativ geduldig auf Daniel das Gespräch zu beenden. Ich für meinen Teil halte es für ratsamer, mich erst einmal im Hintergrund zu halten. Sam ist geladen. Ich habe zwar keine Ahnung warum, aber irgendwas in mir schreit förmlich danach, dass ich lieber die Notbremse ziehe. Das kann ich auch später noch herausfinden, aber Mensch, da kommen Erinnerungen hoch.

Damals auf der High School. Die Fronten waren an und für sich geklärt. Und es war ein ungeschriebenes Gesetz, an welches sich jeder hielt. Leider wussten nur die Neulinge nichts davon. Zum Glück hatte ich diese Lektion bereits gelernt gehabt und wenn ich es früher hätte kommen sehen, hätte ich etwas unternommen, aber damals war ich geblendet davon ‚dazu zu gehören’ und so blieben die anderen, kleineren Dinge des Lebens eben auf der Strecke. Jedenfalls war da dieser Neuling. Ich bewege mich auf der sicheren Seite, wenn ich ihn als Neutrum bezeichne, denn man wusste da noch nicht, in welche Schublade man ihn stecken sollte. Wie genau alles eskaliert war, weiß ich gar nicht mehr. Ich weiß nur, dass meine *Freunde* diesem armen Jungen so richtig zugesetzt hatten. Damit noch nicht genug, kam es sogar soweit, dass sie zu mehreren auf ihn losgegangen waren. Ich persönlich habe nicht mit gemischt, aber etwas unternommen habe ich auch nicht. Und dann kam Sam. Junge, was für’n Auftritt. Okay, ihr solltet euch Sam folgendermaßen vorstellen: Groß und sehr schlank (im Grunde jemand, von dem man gedacht hatte, dass sie jeden Moment umkippen würde, wenn man sie anpustet). Meine Freunde auf der anderen Seite: Groß, muskulös und männlich, ach, ja, sie waren übrigens noch im Footballteam. Sam lief also auf die Schränke zu und hatte es erst mit Worten versucht. Leider hatte es kein Stück geholfen, was auch abzusehen war. Und wo Worte nicht mehr viel helfen, müssen eben Taten folgen und genau das hatten sie dann auch zu spüren bekommen. Was die Herren der Schöpfung allerdings nicht mit einkalkuliert hatten, war, dass Sam einen Dickkopf hat, und nicht nur einen harmlosen Dickkopf, an diesem Kopf sind schon ganze Mauern zerschellt. Ich werde es nie vergessen, wie Sam schnurstracks auf meinen damaligen Freund zu marschiert war, ihm auf die Schulter getippt und ihm einen Filmreifen Kinnhaken verpasst hatte! Wow, sage ich nur. Mir hätte eigentlich mein Freund Leid tun und ich auf Sam sauer sein sollen, aber irgendwas in mir schien da ganz anders zu denken. Von diesem Augenblick an hatte sie meinen Respekt. Hat mir zumindest gezeigt, dass die Bücherwürmer mehr auf den Kasten hatten, als bloß eifrig in der ersten Reihe zu sitzen und förmlich an den Lehrern zu kleben. Dass sie aus einer Militär-Familie kam, hatte ich da noch nicht gewusst. Aber es erklärte einiges.

Und genauso geladen scheint Sam jetzt auch zu sein. Man sollte doch wirklich denken, dass man hier in Colorado Springs Ruhe bekommt und jetzt sitze ich mitten im High Life!

Endlich! Daniel hat aufgelegt und er gibt Sam mit einem Seufzen den Hörer zurück. „Daniel, was haben Sie Janet erzählt?“

„Uhm, ich habe ihr gesagt, dass Sie sich ausruhen.“

„Daniel! Sie kennen doch Janet. Sie wissen doch, dass sie mich anruft.“

Schade, dass ich jetzt keine Chips oder Popcorn dabei habe. Ist besser als jedes Kinoprogramm.

„Was hätte ich ihr denn sagen sollen? Dass Sie unterwegs einkaufen sind, obwohl ich ihr versprochen habe, dass ich mich um Sie kümmere? Was glauben Sie, wie sie dann reagiert hätte?“

Eins zu null für Daniel.

Sam schließt für einen kurzen Moment ihre Augen und beginnt damit ihre Stirn zu massieren. „Ich glaub das einfach nicht. Ich habe die ganze letzte Woche-“

„Ah, Sam…“, unterbricht er meine Herz allerliebste Freundin und beginnt irgendwelche undefinierbaren Gestiken mit seinen Armen zu fabrizieren und eine Mimik, die mich stark an irgendwelche Gesichtsverkrümmungen erinnert.

„… auf dieser Krankenstation verbracht und bereits nach einem Tag habe ich mich schon zu Tode gelangweilt“, fährt sie unbeirrt fort und ich sehe nur, wie Daniel bei ihrer Wortwahl leicht das Gesicht verzieht.

„Sam…“

„Was denn, Daniel?“

Er deutet nur mit seinem Finger über ihre Schulter und tadaa! Ich bin wieder im Spiel! Sie dreht sich erstaunt um und jede Silbe, die vielleicht noch über ihre Lippen gekommen wäre, verreckt irgendwo auf den Weg von ihrem Gehirn zu ihren Kehlkopf durch den Mund heraus. Ich meine, welche Worte sind hier schon angebracht? Also hebe ich nur meine Hand und winke ihr mit meinen Sonnenscheinlächeln und einem Schulterzucken zu.

Na dann, Liz. Herzlich Willkommen in Colorado Springs!


+++++


„Oh, Liz…“, kommt ein herzzerreißendes Seufzen von Sam, als sie mir einen weiteren Keks in die Hand drückt. Nachdem sich Sam von dem anfänglichen Schock mich so früh zu sehen, erholt hatte, hatte sich Daniel außergewöhnlich schnell verabschiedet. Er hatte was von „Dann lasse ich die Damen mal alleine…“, geredet, dann noch eine herzhafte Umarmung für Sam und für mich ein freundliches Händeschütteln und schwups war er durch die Tür verschwunden. Und nennt es weiblichen Instinkt oder so, aber Sam wusste trotz allem, was los war. Ohne große Worte, hatte sie mich auf die Couch verfrachtet und kam dann mit einer ganzen Schüssel voll mit Keksen zurück. Ob sie einen ganzen Vorrat davon hat? Und so sitze ich nun hier, knabbere an meinem Keks, während ich ein Kissen an meiner Brust zerdrücke und warum meine Tränendrüsen auf einmal undicht sind, weiß ich auch nicht.
Dabei hatte ich mir doch so fest vorgenommen wegen diesem Mistkerl nicht zu heulen und jetzt sitze ich hier wie ein flennender Schlosshund.
„Per Telefon?“ Ja, ich kann’s auch noch nicht wirklich glauben. Deswegen nicke ich nur mit dem Kopf.

„Ist das zu fassen? Na ja, im Grunde per Anrufbeantworter. Ich glaube, wenn ich ihn nicht angerufen hätte, dann weiß ich nicht, ob er sich überhaupt noch gemeldet hätte.“

Als ich mit meinem vollkommen verschmierten Maskaragesicht zu Sam aufschaue, sehe ich so viel Mitgefühl in ihren Augen, dass ich unter normalen Umständen schreiend davongelaufen wäre. Aber hey, das ist doch nun wirklich keine normale Situation. Ich heule mich gerade bei meiner Freundin aus und auch wenn ich es sonst immer vehement abgestritten habe, so will ich jetzt die ganze Ladung Mitleid. Nicht nur ein bisschen, nein das ganze Paket.

„Und da denkt man, so etwas passiert nur in irgendwelchen schlechten Schnulzen.“

Aber Sam schüttelt nur mit dem Kopf. „Nein, dort wird man erst vorm Altar sitzen gelassen.“

Na toll. „Ändert aber auch nichts, oder?“

„Entschuldige“, murmelt sie mit einem Zähneknirschen und nimmt einen Schluck von ihrem Tee.

Schwer seufzend, kuschle ich mich noch weiter in die Kissen. „Es ist nur so unfair!“, platzt es plötzlich aus mir heraus und mit meiner jetzt freien Hand haue ich auf das arme Kissen ein. Sam starrt mich ziemlich geschockt an, aber sagt nichts. Sie kennt mich einfach zu gut. Am liebsten hätte ich dieses Kissen jetzt einmal quer durch das ganze Wohnzimmer geworfen, aber hier steht mir zu viel zerbrechliches Zeugs herum und ja, mit Gewalt löst man keine Probleme. Aber seid doch mal ehrlich, ist es denn so schwer vorstellbar, dass ich diesem Mistkerl am liebsten einfach nur an die Gurgel springen würde? Er hat mich quasi sitzen gelassen! Ha, und ich kann mich noch wirklich glücklich schätzen.

„Na ja, er hat mir immerhin zwei Wochen vor unserer Hochzeit gesagt, dass er alles über den Haufen wirft. Also, kann ich mich im Grunde doch richtig glücklich schätzen, nicht wahr? Ich meine, stell dir mal vor… oh Gott, daran will ich lieber gar nicht denken. Stell dir mal vor, er hätte mich wirklich vor versammelter Mannschaft sitzen gelassen!“ Alptraum Nummer eins auf meiner Liste der Dinge, die auf gar keinen Fall passieren dürfen. Ja, so hat er mir mindestens etwas Zeit gelassen das alles wieder abzusagen und die Gäste wieder auszuladen und.... Oh Gott, da fällt mir ein… „Sam, sag mir nicht, du hast schon das Kleid gekauft!“ Bitte, bitte, bitte nicht.

„Uhm…“, beginnt sie und lächelt etwas unsicher. „Also, na ja…“, druckst sie herum. Oh nein. Es tut mir so Leid! Herausgeschmissenes Geld.

„Das tut mir Leid. Ehrlich.“

„Ist doch nicht deine Schuld“, versichert sie mir und winkt mit einer Hand ab. „Und wer weiß, vielleicht gibt’s ja noch einen Grund es anzuziehen.“

Ich weiß nicht, wie ich sie angesehen haben muss, aber glaubt mir, wenn ich gerade denke, dass ihr ein zweiter Kopf gewachsen ist. Jesus Christ, gib mir Kraft und mal was von ihrer Portion Optimismus ab. Im Moment steht mir der Sinn überhaupt nicht nach diesen Scherzen.

„Was? Sam, das glaubst du doch nicht wirklich, oder? Der Kerl ist Geschichte.“

„Liz, ich will doch nur sagen, dass ihr euch noch gar nicht darüber ausgesprochen habt.“

„Wie denn auch? Er ist in Europa! E-U-R-O-P-A, Sam“, buchstabiere ich ihr es und betone jeden Buchstaben als wäre es ein eigenständiges Wort. Die Frau muss im Fieber reden! Ich bin drauf und dran aufzuspringen und ein Thermometer herauszusuchen, damit ich es ihr in den Mund stopfen kann. Mein Bauch sagt mir mindestens vierzig Grad im Schatten. Auch wenn sie es nur gut meint, aber ich bitte euch, zwischen uns beiden liegt ein ganzer Ozean!

„Ist das wirklich ein Hindernis?“

„Na ja“, lache ich auf. „Es ist nicht so, dass ich mal eben ins Auto steigen könnte und…“

„Liz“, unterbricht sie mich mit einem ihrem ‚Hör auf mit dem Scheiß und komm endlich wieder zur Vernunft’ - Blick. „Du reist regelmäßig um die ganze Welt, um deine Artefakte auszubuddeln und dann sagst du mir, dass dies wirklich ein Hindernis ist?“

Ausbuddeln? Hat sie gerade ernsthaft *ausbuddeln* gesagt? Oh nein, wir Archäologen, wir buddeln nicht, wir legen wertvolle Überreste der Vergangenheit frei, wir reisen in die Geschichte und wir entdecken, aber wir buddeln nicht! Da kann ich mich ja gleich als Straßenarbeiter verkleiden und eine Straße ausheben… also, wirklich Sam, ich dachte wir Wissenschaftler wir halten zusammen. Ausbuddeln… ich glaub’s echt nicht…

„Oder ist es das?“, unterbricht sie meine abschweifenden Gedanken und innere Triade.

„Hm?“

„Ist es ein Hindernis? Dass er in Europa ist, wo es doch Verkehrsmittel wie das Flugzeug gibt?“

Ich seufze erneut. Mensch, sie hat ja Recht. Dass er in Europa ist, ist wirklich nicht das richtige Problem. Aber es ist viel einfacher alles auf ihn und dorthin zu schieben. Schön weit von mir weg, so dass ich mich genüsslich in meinem Selbstmitleid suhlen kann. Trotzig schnappte ich mir einen neuen Keks. „Nein“, mampfe ich reumütig mit vollem Mund. Das ist schon wirklich merkwürdig, aber jedes Mal, wenn ich mit Sam rede, dann habe ich jedes Mal das Gefühl auf der Couch zu liegen. Es ist nicht so, dass sie mich ausquetscht, es sind die kleinen Dinge, die Nebenbemerkungen und diese Blicke, die einen immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Aber das ist Sam. Sie ist schon immer die Vernünftigere von uns beiden gewesen. Keine Ahnung, wo ich ohne sie gelandet wäre, aber ganz sicher nicht da, wo ich jetzt bin. Und jetzt sieht sie mich wieder mit diesem ‚Habe ich es nicht gleich gesagt?’ – Blick an. Argh, manchmal kann das echt frustrierend sein.

„Also?“, fordert sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen auf ihr zu sagen, was wirklich in meinem chaotischen Kopf vor sich geht.

„Nein, nein, das ist nicht der wirkliche Grund“, murmle ich schließlich geschlagen und schaue hinunter auf meine Hände. „Obwohl es schon eine große Rolle spielt. Aber was mich so verletzt hat, war einfach, dass er mir nichts davon gesagt hat. Ich meine, das ist doch nicht mal eben eine Entscheidung, die man jeden Tag trifft. Dadurch wird auch mein Leben verändert. Und er, er hat noch nicht mal dran gedacht mir Bescheid zu geben. Wo war er? Er war groß feiern. Was denkt er sich denn eigentlich?“, lege ich jetzt richtig los. Sam will es wissen und hat es aus mir herausgekitzelt und wenn ich einmal loslege, dann kann mich nichts mehr so einfach stoppen. „Hat er gedacht, dass wir erst nach unserer Hochzeit solche Entscheidungen gemeinsam treffen? Gut, wir wussten, dass es diese Möglichkeit immer gab und ich habe ihm immer gesagt, dass ich ihn dabei unterstützen werde, aber normalerweise geht man doch davon aus, dass dann darüber auch gesprochen wird, oder etwa nicht? Ich kann auch nicht mal eben einfach alles stehen und liegen lassen. Ich habe gerade erst meine neuen Spenden bekommen und ich kann jetzt nicht einfach zu den Sponsoren laufen und sagen: ‚Hey, danke für Ihre Geduld und dass Sie mir nach dem ganzen Schlammesel doch noch das Geld geben, aber wissen Sie, ich ziehe jetzt um und so brauche ich Ihr Geld nicht mehr’. Ich meine, Sam, er hat es noch nicht mal verstanden. Als ich ihm gesagt habe, dass ich hier nicht einfach alles hinschmeißen kann, meinte er doch glattweg und todernst, dass ich doch auch in Europa eine Anstellung finden würde!“ Schon fast apathisch starre ich Sam an und Suche dort in ihrem Gesicht nach so etwas wie Verständnis und sie hat nur ihre Stirn in Falten gelegt und atmet einmal tief aus. „Ich meine, der Kerl hat mich einfach übergangen!“ Ihr denkt ich übertreibe? Natürlich tue ich das, ich bin ne Frau. Wir übertreiben am laufenden Band. Aber er hat mir mit dieser kleinen Geste bewiesen, dass ihm meine Meinung dazu offensichtlich vollkommen egal ist.

„Liz, das tut mir wirklich Leid. Vermutlich ist es besser, wenn ihr erst einmal Gras über die Sache wachsen lässt und dann könntet ihr ja noch mal miteinander reden. So wie ich Tom einschätze, geht es ihm schon ziemlich dreckig, auch wenn sein Stolz das nie zugeben würde.“

„Es hat mich einfach nur verletzt, bei so einer Entscheidung übergangen zu werden. Wir leben zusammen, wir wollten heiraten und dann macht er so was?“

„Er hat nicht nachgedacht. Du weißt doch, wie enthusiastisch er sein kann. Dann schaltet sich bei ihm alles aus und wie du bereits schon gesagt hat, das war die Chance, auf die er gewartet hat.“

„Aber man vergisst doch nicht, dass man verlobt und bald verheiratet ist?!“

Ich weiß, dass dies hier zu nichts führen wird und das soll es auch gar nicht. Glaubt es oder glaubt es nicht, aber nachdem ich diese Wut erst einmal abgeladen habe (leider musste mal wieder Sam dafür erhalten), fühle ich mich gleich um hundert Kilo leichter.

„Hey, jetzt bist du hier und wir werden schon dafür sorgen, dass Tom in den nächsten Tagen kein Thema sein wird. Lüfte deinen Kopf aus, schalte oder lenk dich ab.“

Ist schon eine Ironie des Schicksals das aus ihrem Munde zu hören. Sam Carter redet von Kopf auslüften und abschalten, aber sie selbst scheint diesen klitzekleinen An und Aus Knopf nicht zu besitzen. Sie läuft immer auf hundert Prozent – ehrlich gesagt würde es mich auch nicht wundern, wenn es inzwischen zweihundert sind. Irgendwann gibt’s einen Kurzschluss.

Na ja, aber deswegen bin ich ja auch mit Sack und Pack hergekommen, nicht wahr? Um meinen Kopf auszulüften. Alle Zellen von Tom zu befreien. Aber wenn ich es mir recht überlege, dann ist das ja alles Sams Schuld. Wenn sie damals nicht gewesen wäre….

„Du weißt schon, dass das im Grunde alles deine Schuld ist“, werfe ich mal ganz galant in den Raum und nehme einen Schluck von meinem Rotwein. Oh, wirklich, dieses Gesicht ist herrlich! Wie sie ihre Augen weit aufreißt, mich ansieht, als ob ich den Verstand verloren hätte und Atemübungen veranstaltet, die mich irgendwie an einem Fisch auf den Trockenen erinnern.

„Was? Meine… meine Schuld? Liz!“

Ich zucke nur mit den Schultern. „Na ja, wer war’s denn, der Tom vor fünf Jahren mitgeschleift hat?“

„Ha, und wer war’s denn, der mir *mein* Date ausgespannt hat?“

Okay, da ist schon was dran, aber trotzdem… „Wenn du Tom nie zu unserem Treffen mitgebracht hättest, dann hätte ich ihn nie kennen gelernt und mir wäre das ganze Schlamassel erspart geblieben“, rechtfertige ich mich ziemlich hilflos und ungeschickt und sehe schon das Lachen in ihren Augen.

„Na ja, ich weiß nicht, den Morgen nach der Nacht, da hast du mir noch dankend die Füße geküsst, dass ich dir diesen ‚Traum von einem Mann’ – so hattest du ihn doch genannt, oder? - vorgestellt habe.“

Das Lachen in ihren Augen wird immer größer und obwohl wir uns mit todernster Miene anstarren, merke ich, wie meine Mundwinkel zu zucken beginnen. Und wenn ich diesem Drang nicht bald nachgebe, bekomme ich einen Krampf in meinen Lippen. Aber ich bin nicht allein. In meiner Gesellschaft befindet sich Sam, die wirklich mit sich kämpfen muss und dann geht gar nichts mehr. Die Dämme brechen und wir brechen in schallendes Gelächter aus.

„Gott“, schluchzt sie durch ein Lachen hindurch und wischt sich eine Träne aus dem Gesicht. „Ich hätte dich damals am liebsten umgebracht. Ernsthaft! Besonders als Tom mich dann angerufen hat, um deine Telefonnummer zu bekommen. Mein Date verguckt sich in meine Freundin. Da hätte ich euch beide am liebsten zur Hölle gewünscht.“

„Ja, ich hatte auch ein wirklich, wirklich schlechtes Gewissen.“ Und was für eines! Es ist ein ungeschriebenes Gesetzt: Man trifft sich nie mit dem Freund oder ‚Bald-Freund’ einer Freundin! Diese Männer sind immer tabu! Und was habe ich dumme Nuss gemacht? Mich an diesem Abend betrunken (hatte gerade einen beruflichen Erfolg zu feiern) und habe dann hemmungslos mit dem Date von Sam geflirtet. Aber was kann ich denn auch dafür, wenn er sich *so* darauf einlässt? Könnte mich aber heute noch dafür ohrfeigen. Ehrlich, dass ist so ziemlich das Dümmste, was ich je in meinem Leben gemacht habe.

„Na ja, mit mir und Tom hätte es eh nie geklappt“, lächelt sie schließlich mit einem Schulterzucken.

„Ist schon merkwürdig, wie alles gelaufen ist, hm?“

„Ja, wem sagst du das? Du hast Tom kennen und lieben gelernt.“ Das Word ‚lieben’ betont sie extra übertrieben und sieht mich mit großen Augen an. Am liebsten hätte ich ihr das Kissen ins Gesicht geworfen. „Und ich habe einen neuen Job angenommen.“

Ja, ein Job, der so geheim ist, dass dagegen selbst die geheimsten Geheimnisse offen liegen. Ich persönlich habe Sam immer gesehen, wie sie eines Tages den Nobel- oder Wissenschaftspreis entgegennimmt und mit den ganz großen Jungs spielt, aber, dass sie mal hier landen würde – in einer kleinen Stadt, die noch den Anschein von heiler Welt bewahrt zu haben scheint - steht nicht auf der Liste. Und doch werde ich irgendwie das Gefühl nicht los, dass hier im Moment alles andere als heile Welt ist. Ich hatte es bereits heute Mittag gespürt, aber verdrängt und trotz ihres Lachens auf den Lippen, spiegelt es sich nicht vollkommen in ihren Augen wider. Sie leuchten nicht mehr so wie früher und auch ihre Körpersprache ist reservierter. Ich weiß noch nicht, was genau es ist, aber ich vermisse diesen Glanz, dieses Leuchten, welches ich früher an ihr für so selbstverständlich gehalten habe. Und so wappne ich mich für die ultimative Frage.

„Also, Sam, da ich dir jetzt mein ganzes Seelenleid auf den Tisch gelegt habe“, beginne ich und sehe schon an dem plötzlichen Schock in ihren Augen, dass sie weiß, worauf ich hinaus will. Ja, wie sie kurz auf ihre Unterlippe beißt und die Arme um sich schlingt, sie weiß in welche Richtung das geht und schwups steht die Mauer wieder. Schon merkwürdig, dass sie auf alle Lebenslagen eine Antwort zu haben scheint, solange es nicht sie selbst betrifft. „Wie geht’s dir denn so?“, frage ich sie mit übertrieben fröhlicher Stimme, fröhlicher als mir im Moment zumute ist.

Dreimal darf ich raten wie die Antwort wohl lauten wird. „Alles in Ordnung“ oder „Bestens“ oder…

„Gut. Mir geht’s gut.“ Oder das. Wieso überrascht es mich kein bisschen? Komisch nur, dass ich es ihr nicht glaube. Sie sieht aus, als ob sie gerade durch den Fleischwolf gedreht wurde und ich soll ihr glauben, dass es ihr gut geht? Ja, und ich habe so eben eine Million im Lotto gewonnen. Natürlich. Mein Blick fällt auf ihre Hand, die in einem Verband eingewickelt ist. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sehe ich zu ihr auf.

„Oh das“, lacht sie kurz auf. Ja, oh das. Sie räuspert sich kurz. „Stromschlag. Unser Zentralcomputer hatte einen Kurzschluss und ich hatte das Glück gerade dort zu arbeiten.“

Kurzschluss? Na, ich weiß nicht. Ich meine okay, ich habe die Wunde nicht gesehen und könnte selbst dann noch nicht mal sagen, ob sie die Wahrheit sagt, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass mir die Sache irgendwie nicht ganz geheuer ist. Ich habe einen sechsten Sinn, was solche Sachen angeht und Sam… Mann oh Mann, man kann diese schwermütigen Wellen von ihr schon praktisch greifen. Da ist nichts mit Heiterkeit und Leichtigkeit.

„Kurzschluss?“, frage ich skeptisch nach. Aber sie nickt nur hartnäckig mit dem Kopf.

„Ja, Kurzschluss.“ Ach komm schon, Sam. Du kannst vielleicht deinen Arbeitskollegen was vormachen, aber mir nicht. Ich sehe doch, dass hier etwas nicht stimmt.

„Und deswegen wurdest du krankgeschrieben?“

„Liz, ich würde jetzt wirklich lieber…“ Natürlich, ich weiß schon. Du würdet jetzt wirklich lieber das Thema wechseln und so tun, als ob es die letzten paar Sekunden nie gegeben hätte. Komm schon, Sam, ich war dabei, als Daniel für dich gelogen hat. Und was ich da gehört habe, war nicht gerade Balsam für meine Seele.

„Schon klar“, lenke ich mit einem Lächeln ein, von dem ich hoffe, dass es nicht allzu gezwungen aussieht. Aber offensichtlich doch.

„Nein, Liz, es ist nicht so, dass ich dir nichts erzählen will, aber da gibt es nicht, was ich dir erzählen könnte. Es war ein Kurzschluss. Verbrennung 1. oder 2. Grades. Nicht so wild.“

„Mir geht’s nicht um die Hand, Sam.“

Sie nickte seufzend den Kopf. „Das ist kompliziert, Liz.“

„Geheim. Du darfst darüber nicht sprechen. Schon klar.“

„So was in der Art… ja.“

Und da stellt sich mir doch gleich die Frage, wie man vom Sternegucken krankgeschrieben werden kann? War sie so aufgeregt einen neuen Stern entdeckt zu haben, dass sie einen Herzkasper hatte? Man kann mir zwar viele Märchen erzählen, aber glauben muss ich sie noch lange nicht.

„Hör zu, Sam, ist schon in Ordnung. Du kannst mit mir nicht darüber reden, das ist schon okay. Aber bitte hör auf mich anzulügen. Dir geht es nicht gut, verlange nicht von mir dir das abzukaufen. Nur weil ich vielleicht nicht wissen darf, was genau mit dir ist, heißt das noch lange nicht, dass ich blind bin.“

„Es tut mir Leid, Liz, ehrlich. Du hast Recht, ich bin ein wenig angeschlagen und müde, aber es ist nichts Ernsthaftes. Ich habe mich eben etwas überarbeitet. Es ist halb so wild, wirklich.“

„Okay, wenn du's sagst.“ Und sie glaubt mir nicht. Ist ja auch kein Wunder, ich glaube ihr nämlich auch nicht.

Langsam stehe ich mit meinem Glas in der Hand auf. „Sei mir nicht böse, Sam, aber ich werde jetzt ins Bett gehen.“

Ich weiß, nicht gerade eine perfekte Vorstellung, wie man einen Abend harmonisch ausklingen lässt, aber ich bin wirklich geschafft. Das alles hat schon ziemlich an den Nerven gezerrt.

„Oh… okay.“ Sie steht ebenfalls auf und gemeinsam räumen wir die Überreste unserer Bauchschmerzenorgie in die Küche. Ich merke wie sie mich von der Seite ansieht und ihr noch irgendwas auf dem Herzen liegt. Bedrückt fährt sie mit einem Lappen über die Anrichte, aber ich schweige. Nicht, weil ich gehässig oder gemein bin. Ganz und gar nicht. Aber ist schon lustig, dass man einen Menschen am besten durch Schweigen zum Reden bringen kann. Was für eine Ironie doch dahinter steckt. Und auch hier verfehlt meine Taktik nicht ihre Wirkung. „Liz, du weißt, dass ich dir immer alles erzähle, aber das hier… ich kann dir davon nicht erzählen. Ich bin nicht befugt…“

„Hey, ist schon in Ordnung. Habe ich doch bereits gesagt.“ Ich drehe mich zu ihr um. „Ich will nicht, dass du dich mir gegenüber irgendwie verpflichtet fühlst. Du darfst nicht darüber reden, okay, fein, kann ich mit leben. Das einzige, was ich von dir will, ist, dass du ehrlich bist, wenn ich dich frage, wie es dir geht. Sag mir nicht, dass es dir gut geht, wenn es nicht der Fall ist.“

Sam seufzt und fährt mit einer Hand durch ihre kurzen Haare. „Es ist leichter gesagt als getan.“

„Das denke ich nicht. Wenn man sich schlecht fühlt, dann fühlt man sich schlecht.“

„Ja, aber in der Air Force ist das was anderes.“

Jetzt bin ich es, die die Augen verdreht und die Hände hilflos in die Luft schmeißt. „Sam, wir sind hier aber nicht in der Air Force. Wir sind hier bei dir zu Hause. Du bist nicht auf der Arbeit. Mir gegenüber musst du nicht beweisen, wie stark du bist.“ Sie sieht mich mit einem schiefen Lächeln an, das noch Lichtjahre davon entfernt ist überzeugend zu wirken. „Ich würde sagen, wir machen Schluss für heute. Wir schlafen eine Nacht drüber und morgen sieht der Tag schon wieder ganz anders aus.“

Sie nickt nur halbherzig und einlenkend. Ich kann es ihr nicht verübeln. Ich persönlich glaube auch nicht dran. Eine Nacht kann auch nicht alle Sorgen vertreiben und ich weiß das und Sam weiß das, wir alle wissen es. Aber manchmal, so habe ich es erlebt, ist eine Nacht des Vergessens ein gutes Heilmittel, um wieder eine Perspektive zu bekommen. Wer weiß, vielleicht ist ja doch was dran und morgen sieht die Welt wirklich schon wieder ganz anders aus.


+++++


Nein, tut sie nicht. Es ist immer noch die gleiche, chaotische Welt. Bin immer noch dieselbe Person mit denselben Problemen, aber ich bin nicht mehr so wütend, was nicht heißt, dass alles vergeben und vergessen ist. Oh nein, das nicht, aber ich wurde nicht durch eine riesige Enttäuschung in meinen Inneren geweckt, sondern – man höre und staune – Vogelgezwitscher! Und als ich dann auch noch schlaftrunken meine Augen öffne, scheint sogar die Sonne durch das Fenster. So will ich mal in DC aufwachen. Das ist doch gleich ein ganz anderes Gefühl.

Mit einem herzhaften Gähnen strample ich die Decke zur Seite und schlurfe erst einmal quer über den Flur Richtung Badezimmer. Kaum habe ich die Tür geöffnet, schwebt mir auch schon der frische Duft von Kaffee entgegen. Hmmm… Sam scheint schon auf den Beinen zu sein. Ein flüchtiger Blick zurück über meine Schulter auf die Uhr verrät mir, dass es gerade mal neun Uhr morgens ist. Ich war schon immer ein Langschläfer gewesen, deswegen ist es für mich unvorstellbar, wie man einen schönen Samstag Morgen schon vor neun Uhr starten kann. Und wie ich Sam kenne, turnt sie bereits seit sieben Uhr in der Früh schon wieder hier herum. Air Force… unmenschliche Zeiten sind das.

Ein Blick in den Spiegel verrät mir das, wovon ich nachts Alpträume bekomme. Oh Gott, ich sehe ja scheußlich aus! Mein kastanienbraunes Haar steht dermaßen unkontrolliert wie ein Haufen verknoteter Wollbüschel ab, dass ich aussehe, wie ein ausgefranster Wischmopp, während sich ganze Gebirgsschluchten unter meinen Augen abzeichnen. So masochistisch, wie ich veranlagt bin, betrachte ich mein zerknittertes Gesicht natürlich nicht in dem großen Wandspiegel über dem Waschbecken, sondern in dem kleineren Vergrößerungsspiegel neben mir und werde dadurch nur mit den Mondkratern auf meiner Haut konfrontiert, die eigentlich ganz normale Hautporen sein sollten. Frankensteins Braut. Offensichtlich gehöre ich nicht zu der Sorte Frau, die nach dem Aufstehen so aussieht, als wären sie direkt dem Chanel-Labor entsprungen. Und was ist das?! Da schimmert doch etwas. Eifrig und verzweifelt wühle ich mich durch meine Haare, bis ich es gefunden habe! Es ist ein graues Haar! Oh mein Gott!

Mein Frustrationspegel steigt gerade auf sein Maximum!

Ich werde alt – nein, ich bin schon alt. Ich bekomme graue Haare! Das darf doch wohl nicht wahr sein! Das war’s, ich gehe unweigerlich und mit gigantischen Schritten auf mein Ende zu. Das Leben ist gezählt, aus und vorbei… ich habe ein graues Haar!

Ich starre noch wie vom Donner erschlagen auf dieses schon fast durchsichtige Haar in meiner Hand und höre schon die krächzenden Laute, die aus meiner Kehle endlich raus wollen. „Sa….Sa…am!“, krächze ich gerade mal laut genug, dass ich es hören kann. Ich räuspere mich kurz und versuche dann erneut meine Stimmbänder zu belasten. „Sam?“ Diesmal etwas lauter und als ich noch warte, dass sie angelaufen kommt, um mir in meiner Not zu helfen, suche ich meinen Kopf nach weiteren Haaren ab, und glaubt mir, jetzt erscheint mir plötzlich jedes Haar einen Ton heller zu sein. Doch da ist nix, keine Freundin, die mir zur Rettung eilt.
„SAM?!“

Ich stürme wie von einer Tarantel gestochen durch den Flur, hinunter in ihr Wohnzimmer. „SAM!“, Schreie ich noch und schaffe es gerade eben so mich nicht auf die Nase zu legen. „Sam, ich habe hier…“, beginne ich wieder, aber bleibe dann wie vor die Wand gelaufen stehen.

Oh. Mein. Gott.

Jegliche Worte, die auch jetzt noch über meine Lippen wollen, sind wie vergessen. Das kann doch nicht wahr sein! Zusammen mit Sam sitzen dort Daniel, ein anderer großer Mann und eine Frau. Oh nein, nein, nein, nein! Fettnäpfchen, wo bist du? Ich komme! Möge sich jetzt bitte der Boden unter mir auftun mich für immer verschlingen.

„Ach du…“, murmle ich noch und realisiere dann erst, wie ich hier stehe. Unweigerlich fährt mein Blick an mir herunter und was sehe ich da? Ein Spaghettishirt und eine ausgewaschene Sporthose. Oh mein Gott! Vollkommen rot wie ein Feuermelder sehe ich von Sam, die ihren Mund gerade mit einer Hand verdeckt, zu Daniel, der mich mit großen Augen, aber einem amüsierten Grinsen anstarrt. Die Frau schaut ebenso belustigt aus, nur hat sie ihren Mund zu einer Linie verzogen, um nicht gleich drauf los zu lachen und dieser andere Mann mit dem Hut hat nur eine Augenbraue hochgezogen und sieht mich schief an. Ich möchte am liebsten auswandern!

„Morgen“, kommt es amüsiert von Sam.

„Liz“, nickt Daniel.

„Sam… Daniel…Morgen…“ Oh Gott, kann es noch peinlicher werden? „Hehe…“ Ich schaue schnell zu den anderen beiden und knülle dabei mein Shirt zusammen, so als ob ich dadurch noch irgendwas verstecken könnte, was nicht eh schon alle gesehen haben. „Hi…“, winke ich den anderen beiden zu.

Als ob das ihr Stichwort ist, steht Sam mit vollem Mund auf und kommt zu mir. Sie nimmt mich am Arm und zieht mich zum Tisch hinüber. „Liz, Daniel kennst du ja bereits. Also, das ist Teal’c.“ Er beugt leicht seinen Kopf und lächelt etwas. „Und das ist Janet.“

Ich lächle noch… Janet? Dieser Name sagt mir irgendwas. Janet… Janet! Ach du meine Güte! *Das* ist Janet? Nicht nur, dass ich jetzt graue Haare bekomme, nein, mein Einschätzungsvermögen hat sich auch noch verabschiedet! Sie ist so gar nicht, wie ich sie mir vorgestellt habe. Das ist der Beweis, ich werde alt.

„Und, Leute, das ist eine Freundin von mir, Dr. Elizabeth Sullivan, auch Liz genannt.“

„Hi…“ Oh Gott, oh Gott, oh Gott! Ist das peinlich! Man gebe mir eine Wand, vor die ich jetzt bitte laufen darf!

Janet steht auf und streckt mir mit einem breiten Grinsen die Hand entgegen. „Hi, freut mich Sie kennen zu lernen. Sam hat schon erwähnt, dass Sie für eine Woche oder so hier bleiben wollen.“ Ich schüttle ebenfalls mit einem aufgesetzten Lächeln ihre Hand. So wirklich kann ich noch gar nicht realisieren, was hier eben passiert ist.

„Ist mir ein Vergnügen, Dr. Sullivan“, kommt es von dem großen Mann.

Hilfe suchend schaue ich zu Sam hinüber und bettle sie mit meinen Blick an, ob sie die letzten Sekunden nicht irgendwie wieder ungeschehen machen könnte. Ich hole einmal tief Luft. „Es tut mir Leid. Normalerweise lege ich nicht so einen Auftritt hin. Wirklich nicht…“

„Kaffee?“, bietet mir Daniel an. Oh ja, genau das, was ich jetzt brauche.

„Extra stark?“

„Extra stark“, bestätigt er mir mit einem Grinsen.

„Gott sei Dank“, seufze ich. Schnell vergrabe ich mein Gesicht hinter der Tasse, um erst einmal Zeit zu gewinnen und hoffe, dass bis dahin meine Hautfarbe wieder einigermaßen normal aussieht. So was passiert auch wirklich immer nur mir!

„Also, Liz, was ist so schlimmes passiert?“, fragt mich Sam und als ich zu ihr schiele, sieht sie vollkommen ernst und neugierig aus. Ich werfe einen unsicheren Blick in die Runde. Ja, sicher… hier vor allen soll ich jetzt mit meinem grauen Haar auspacken. Natürlich. Auf gar keinen Fall! Kommt nicht in die Tüte! Ich habe mich für einen Tag schon genug blamiert.

„Uhm… nicht so wichtig…ich, ich habe mich nur… erschreckt…“, druckse ich herum, während mein Gesicht wieder hinter der Tasse Kaffee verschwindet. Oh Gott, ich bin erledigt. „Sam, warum hast du mir nicht gesagt, dass noch Besuch zum Frühstück kommt?“, Wechsle ich schnell das Thema und begebe mich wieder auf weniger peinliches Terrain.

„Hätte ich, wenn ich es gewusst hätte. Aber Janet tauchte überraschend vor einer guten halben Stunde auf, um mich zu kontrollieren -“

„Besuchen...“, geht sie augenblicklich dazwischen.

„...Um nach mir zu sehen“, beendet Sam gutmütig den Satz mit einem Lächeln. „Und dann kamen noch Daniel und Teal’c vorbei. Zufälle gibt's“, sagt sie mit einem unmissverständlichen Blick in ihre Richtung.

„Aber warum hast du mich denn nicht geweckt? Jetzt sieh dir doch mal an, wie ich aussehe!“

„Du siehst doch ganz normal aus.“

Ich starre sie mit offen stehendem Mund an. Hallo? So hat mich höchstens der Hund des Nachbarn gesehen, aber doch nicht irgendwelche wildfremden Freunde meiner Freundin.

„Liz, machen Sie sich keine Sorgen, falls es Ihnen hilft, wir haben Sam schon in ganz anderen Situationen gesehen, nicht wahr, Sam? Oder wie war das noch mal mit dem Zeug, wo Sie angefangen haben sich…“ Ich habe Sam noch nie so nach Luft schnappen gesehen und wie sie ihn alleine durch ihren Blick in den Boden trampelt ist bemerkenswert. Ob ihr es glaubt oder nicht, aber ja, es hilft. Dieses vernichtende Funkeln, ist auf verdrehte Art und Weise irgendwo beruhigend. Es hilft wirklich, zu wissen, dass unsere Sam, die immer alles unter Kontrolle hat, auch mal in ähnlich peinlichen Situationen gewesen ist. Die würden mich zwar brennend interessieren, aber ich glaube, ich werde sie in diesem Leben nicht mehr zu hören bekommen.

„Keine Angst, Sweety, ich werde schon nicht nachfragen.“

„Sweety?“, echot Daniel zutiefst amüsiert und fängt sich nur einen weiteren Blick ein.

„Ah!“ Sam hebt drohend ihren Finger. „Kein Wort. Denken Sie nicht mal im Traum daran.“

Daniel hebt abwehrend seine Hände. „Solange Jack nichts davon erfährt…“

„Daniel! Wagen Sie es auch nur…“ Ihr gehen die Worte der Drohung aus, also zeigt sie nur mit ihrem Finger auf ihn. „Verstanden?“ Sie sieht ihn durchdringend an. „Ich hasse diesen Namen“, sagt sie mit einem Blick in meine Richtung. Ich werfe ihr ein stummes ‚Entschuldigung’ zu und beiße in das nächstliegende Croissant.

Janet lacht neben mir leicht auf. „Nichts für ungut, Daniel, aber ich nehme jede Wette an, dass Sie es spätestens bis Montag dem Colonel irgendwie zugeflüstert haben.“

„Das ist doch gar nicht wahr! Ich kann meinen Mund halten. Wirklich!“ Er sieht sich in der Runde um, aber scheint nicht viel Zustimmung zu bekommen. „Kommt schon, Leute! Teal’c!“

„Ich muss Dr. Fraiser Recht geben.“

Verzweifelt schmeißt er seine Arme in die Luft.

Janet wirft ihm nur einen bedeutungsschwangeren Blick zu. „Daniel“, sagt sie, als sie ebenfalls einen Bissen von ihrem Croissant nimmt, „Sie können genauso wenig etwas für sich behalten, wie Sie lügen können.“

Er öffnet schon im Protest seinen Mund, aber überlegt es sich dann doch anders und verschränkt stattdessen nur die Arme vor der Brust. „Meine letzte Lüge hat uns den Hals gerettet“, wirft er trotzig in den Raum und schaut dabei zu Sam, die ihn nur zweifelnd ansieht.

„Der Zauberer von Oz, Daniel?“

„Na, wäre Ihnen was Besseres eingefallen?“ Okay, ich verstehe zwar nicht wirklich den Zusammenhang zwischen den Worten, aber als ich mich in meinen Stuhl zurücklehne und zu Sam hinüber schiele, sehe ich, wie sich trotz ihres Lächelns ein gewisser Schatten über ihre Augen legt. Es fällt im Grunde gar nicht auf, aber als *sein* Name mal wieder gefallen war, da konnte man sehen, wie ihr Lächeln Gefahr lief zu brechen. Es war nur ein Augenblick und die anderen beiden haben gar nicht drauf geachtet, aber es hat was in Sam ausgelöst, etwas, dass sie belastet und wie ich sie kenne, nicht drüber sprechen will. Sei es aus irgendwelchen ach so geheimen Gründen oder schlicht und einfach, weil sie sich mal wieder verschließt. Ich seufze leise. Auf Dauer ist das wirklich ungesund.

Mein Blick schweift hinüber zu Janet, die Sam ebenfalls mit einem prüfenden Blick bedacht. Vielleicht war ich ja doch nicht die einzige, die es bemerkt hat. Sie sieht besorgt aus. Ich denke wirklich, dass es mich nichts angeht und ich will nur, dass es Sam gut geht, aber etwas scheint sie definitiv zu belasten. Noch bevor ich meinen Blick von ihr abwenden kann, bemerkt sie es und ich lächle ihr nur kurz zu. Aber Gott weiß wie es ist, hier hat gerade ein Einverständnis stattgefunden. Wir beide wissen, dass etwas nicht stimmt, wobei sie vermutlich den Grund kennt, wenn man bedenkt, dass die beiden zusammenarbeiten. Ich hoffe wirklich, dass du weißt, was du tust, Sam.


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„Janet, es ist alles in Ordnung“, höre ich Sam leise zischen. Ich habe mich gerade erst einmal umgezogen, so dass ich mich auch sehen lassen kann und auf meinen Weg zurück in die Küche, höre ich Sams leise Stimme.

„Ich weiß nicht, Sam“, antwortet Janet ebenso leise.

„Was wollen Sie damit sagen?“

„Sie wissen, wovon ich rede.“

Ich runzle leicht meine Stirn. Ich bin vollkommen hin und her gerissen. Einfach hineinspazieren und so tun, als ob ich nichts mitbekommen habe oder die beiden einfach weiterreden lassen? Am besten wäre wahrscheinlich Nummer zwei und ich sollte normalerweise hier auch noch nicht mal stehen, aber ich habe hier ein kleines Problem. Ich habe mir Arbeitsunterlagen mitgenommen und diese liegen im angrenzenden Wohnzimmer. Ich könnte es natürlich verschieben und mich erst einmal wieder in mein Zimmer zurück verkriechen, aber…

„Ich mache mir ernsthafte Sorgen, wie er damit umgeht. Mit dem, was Ihnen passiert ist.“ Ich höre, wie Sam etwas auf die Anrichte abstellt.

„Zugegeben, er schien in den letzten paar Tagen etwas… nun, reizbar zu sein. Von dem, was ich von ihm gesehen habe. Besucht hat er mich nicht gerade oft.“

„Reizbar?“ echot Janet ungläubig. „Oh, Sam, das ist die Untertreibung des Jahres.“

„Janet…“, seufzt sie und ich sollte hier wirklich nicht mehr stehen.

„Sam, haben Sie sich schon mal gefragt, warum er Sie nicht besucht hat?“

„Keine Ahnung. Hellsehen kann ich noch nicht. Aber er führt sich immer so auf, wenn er wütend ist.“

„Sam, bitte…“

„Ist er es denn nicht?“ Ich höre die unterschwellige Wut in ihrer Stimme und so langsam verhärtet sich mein Verdacht, dass Mann mal wieder der Grund ist, aber das hier hört sich wirklich ernst an.

„Er hat auf Sie geschossen, Sam. Sie waren tot. Was glauben Sie, wie er sich da fühlt?“ Moment Mal! Stopp! Auszeit! Wie war das? Tot? Also, für mich sieht sie noch ziemlich lebendig aus! Okay, Liz, du solltest wieder anfangen zu atmen… *Geschossen*, tot? Was soll denn das heißen?

„Aber mir geht es wieder gut. Ich lebe doch wieder.“ Ich höre ein leises Gläserklirren und sie setzt ihre Arbeit fort. „Und ich habe ihm bereits gesagt, dass es die richtige Entscheidung war. Es wäre ein Fehler gewesen, wenn er es nicht getan hätte.“

„Möglich.“

„Nein, Janet, nicht möglich. Er hat das getan, was er tun musste.“ Sie macht eine kurze Pause und als sie weiter redet, ist ihre Stimme noch eine Oktave leiser. „Mich zu töten, war richtig. Ich gebe ihm keine Schuld. Er ist Soldat und als Soldat hat er die richtige Entscheidung getroffen und er weiß das.“

Es folgt ein schweres Seufzen von Janet und obwohl ich die Worte registriere, kapiere ich sie noch immer nicht. Sam… war tot? Meine Sam… Oh mein Gott!

„Hören Sie, ich will ja gar nicht abstreiten, dass diese Entscheidung falsch war. Ich weiß, dass sie richtig war. Aber sie war schwer, Sam. Die Sicherheit des Stützpunktes über Ihr Leben zu wählen, diese Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen.“

„Solch eine Entscheidung ist nie einfach, Janet. Und Colonel O’Neill hat schon einige schwierige Entscheidungen in seinem Leben getroffen. Es war richtig.“

„Ja, aber er hat *Sie* getötet.“

„Ich bin nicht wichtiger als der Rest. Er hätte es auch getan, wenn es Daniel oder Sie gewesen wären.“

„Für ihn macht es aber einen Unterschied. Einen gewaltigen.“

„Das ist nicht wahr“, leugnet sie weiterhin.

„Ich bin auch da gewesen“, flüstert Janet bestimmt. „Ich habe ebenfalls gehört, was er bei dem Test gesagt hat.“

„Das“, zischt Sam äußerst angespannt, während sie das Geschirrtuch auf den Tisch wirft, „hat nichts mit seiner Entscheidung zu tun.“

Welcher Test und was ist hier überhaupt los? Ich krieg' das alles nicht mehr auf die Reihe. „Nun“, unterbricht Janet meine Gedanken. „das denke ich nicht.“

Sam atmet einmal tief durch. Ein heikles Thema. „Ich will nicht darüber reden.“

„Das ist mir schon klar, aber dennoch, Sam“, seufzt Janet schwer, „es steht zwischen euch.“

Grimmig lächelnd schaut meine Freundin zu der kleinen Ärztin. „Wir haben alles geklärt.“ Doch Janet schüttelt nur mit dem Kopf „Außerdem beweist das nur, dass es nie funktionieren würde.“

„Sam.“ Mitfühlend legt Janet eine Hand auf ihre. „Ich habe nie behauptet, dass es funktionieren soll oder, dass Sie alles hinschmeißen sollen… ich sage nur, dass Sie mit ihm reden müssen. Ich sehe doch, wie es Sie belastet.“

Schnaubend schüttelt Sam nur mit dem Kopf. „Sie haben ja keine Ahnung.“

„Es war wirklich schlimm.“

Als ich einen flüchtigen Blick um die Ecke wage, sehe ich, wie Sam mit ihren Blick an die Decke schaut. Das macht sie immer, wenn sie um Fassung ringt und versucht nicht die Kontrolle zu verlieren. „Glauben Sie, das weiß ich nicht? Ich war dabei. Ich habe alles mitbekommen, trotz dieses… diesem Ding… ich habe es alles mitbekommen. Ich war dabei, Janet.“

„Oh… das, das wusste ich nicht… wir hatten gedacht, dass es alles in Ihnen... es war…“

„Nein, ich war die ganze Zeit da. Und, Janet, ich hätte nicht anders entschieden.“

„Ich weiß, ich weiß. Aber wenn Sie mal drüber nachdenken, dann dürften Sie im Grunde gar nicht mehr hier stehen. Wir hatten alle gedacht, dass wir Sie schon verloren hätten.“

Oh Sam… was… ich meine, ich verstehe gar nichts mehr. Ich glaube, ich kippe gleich um.

„Aber ich tue es doch. Ich bin wieder da.“ Das Schluchzen in ihrer Stimme tut so weh, wie mein Herz schmerzt. Ich habe keine Ahnung, wie ich das jetzt alles verkraften soll. Oh Gott, und da komme ich Trampeltier mit meinen kleinen Beziehungsproblemen an. Und sie hört sich auch noch an, wie ich ihr alles über Tom an den Kopf schmeiße und oh mein Gott, wie ich sie beschuldigte mich angelogen zu haben. Oh nein, ich fühle mich mehr als elend. Ich fühle mich wie der letzte Abschaum, nein, noch schlimmer, wie der letzte Abschaum unter dem letzten Abschaum.

„Aber für eine Weile waren Sie tot, Sam“, flüstert Janet ruhig. „Und das ist der springende Punkt. Er hat vielleicht als Soldat die richtige Entscheidung getroffen, aber als Mensch…“ Sie seufzt schwer und verstummt kurzzeitig. „Denken Sie mal drüber nach.“

Meine Knie sind Pudding. Wenn die Wand nicht hinter mir stehen würde, dann läge ich jetzt schon auf dem Boden. Was ist denn hier nur bitte schön los? Ich habe mich bestimmt nur verhört.

„Okay, Janet, okay, ich werde noch mal mit ihm reden. Aber könnten wir jetzt vielleicht das Thema wechseln?“

„Natürlich.“

Okay, Liz, tief durchatmen. Jesus Christus, mir ist total flau. Aber zusammenreißen. Reiß dich zusammen! Das war dein Stichwort. Jetzt setze deine Hintern in Bewegung und geh zu ihnen. Mit noch zitternden Armen und Beinen stoße ich mich von der Wand ab und räuspere mich extra etwas lauter. Wenn sie das nicht gehört haben, dann weiß ich auch nicht. Mit einem aufgelegten Grinsen, gehe ich in die Küche und schnappe mir ein frisch gespültes Glas.

„Hey“, lächle ich die beiden an. „Störe ich etwa?“

„Nein, nein, tust du nicht, Liz. Wir sind fertig, nicht wahr?“, schielt Sam zu Janet hinüber. Diese zuckt nur mit den Schultern und nickt schließlich.

„Klar.“

Ja, nach dieser Unterhaltung bin ich auch fertig. „Ja, okay, wo, wo sind Daniel und Teal’c?“

„Einkaufen.“ Sam hängt das Trockentuch zurück an dem Haken. „Janet hatte die Idee, dass wir nachher noch eine Art Barbecue machen sollten und da mein Kühlschrank dafür so leer ist, wie die Wüste, sind die beiden nochmal los.“

„Oh, das hört sich doch… toll an.“ Ich kann es einfach nicht verhindern, aber irgendwie landet mein Blick immer auf Sam, um dort in ihrem Gesicht nach irgendwas zu suchen. Wenn das wahr ist, über was die beiden sich unterhalten haben… dann will ich gar nicht mehr in die Hölle. Gott weiß, dass im Himmel für mich keinen Platz mehr ist, aber was Sam da beschrieben hat, das muss die Hölle gewesen sein.

„Fein, wenn ihr mich dann jetzt entschuldigen würdet“, seufzt Sam und bahnt sich ihren Weg zwischen uns hindurch. Gott, der Ballast, der da auf ihren Schultern klebt, lässt sie schon fast am Boden schleifen. Das kann man sich ja nicht mit ansehen. Besorgt schiele ich zu Janet hinüber.

Unsere beiden Blicke heften auf ihrem Rücken, bis sie verschwunden ist. „Alles in Ordnung mit Sam?“, Frage ich schließlich, obwohl ich die Antwort bereits kenne.

Janet seufzt nur. „Ja, natürlich… alles bestens.“

Natürlich, alles bestens. „Okay“, murmle ich und nehme ein Schluck von meinem Wasser.

Doch dann legt Janet ein Lächeln auf und lehnt sich mit verschränkten Armen vor der Brust gegen die Anrichte. „So, dann ist es also ein Mann“, wechselt sie das Thema.

Hä? Was für ein Mann? Irgendwie scheine ich den Übergang jetzt nicht so wirklich verstanden zu haben, obwohl ich ja mal gelesen habe, dass Frauen zu so was in der Lage sind. Diese subtilen Themenwechsel mitzubekommen. Wo Männer auf dem Schlauch stehen und für sie alles nur ein Chaos ist, scheint uns Frauen dieser Durchblick angeboren zu sein. Schande nur, dass ich im Moment nichts davon merke. „Ein Mann?“ Ich sehe sie fragend mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Sie lächelt nur. „Ja, man besucht nicht umsonst eine Freundin, wenn Mann nicht der Grund ist.“

Oh… das. Ja, genau, Mann. „Ja, Volltreffer. Aber woher wissen Sie das?“

„Auch ich habe mal so eine Woche bei einer Freundin verbracht.“

„Verheiratet?“

„Geschieden.“

„Oh.“ Na das sind ja wundervolle Zukunftsaussichten.

„Keine Angst. Nur nicht den Kopf hängen lassen.“ Sie tätschelt mir kurz die Schulter und folgt dann Sam hinaus durch die Hintertür auf die Veranda und lässt mich in meinem emotionalen Sumpf alleine untergehen.

Ja, natürlich. Leichter gesagt als getan. Mir ist jetzt schon ganz mulmig und dabei hat der Tag noch nicht mal richtig angefangen.


+++++


Eigentlich sollte ich mir jetzt den Kopf über meine Arbeit zermatern und herausfinden, welche Bedeutung die Symbole meines letzten Fundes haben, aber wie soll man sich auf irgendwelche Zeichen konzentrieren, wenn meine Gedanken gerade auf Wanderschaft sind? Früher waren sie über alle Berge, weil Tom sie geklaut hatte, aber jetzt, jetzt sind sie nur bei Sam und dem, was ihr passiert ist – von dem ich offiziell überhaupt nichts wissen darf. Eine Stimme in meinen Kopf sagt mir, dass ich das alles nur falsch verstanden habe, aber was kann man an den Worten „Er hat auf Sie geschossen“ denn falsch verstehen? Tot ist tot, da gibt es nicht mal einen Zwischenraum, in dem man sich verstecken könnte. Und na ja, was ich von dieser ganzen Zwischenebene, Licht am Ende des Tunnels Sache halten soll, bin ich mir noch nicht sicher. Hört sich alles wahnsinnig interessant an, aber mal ehrlich, ich kann mir nicht vorstellen, dass es das wirklich gibt.

Mein Blick schweift zur Hintertür und ich sehe Sam mit Janet zusammen. Sie unterhalten sich, na ja, eigentlich redet Janet und Sam hat nur ihre Arme verschränkt und lehnt an der Veranda. Ihr Blick ist nach unten gerichtet und sie scharrt mit den Füßen auf den Boden herum. Oh, Janet scheint wohl einen wunden Punkt getroffen zu haben. Die Festung, die Sam um sich herum aufgebaut hat, ist schon praktisch sichtbar und es bricht mir das Herz hier einfach nur herumzusitzen und absolut nichts tun zu können. Denn ich darf nicht vergessen, ich weiß von dieser ganzen Sache nichts. Und das ist etwas, was so gar nicht zu mir passt.

Mit einem schweren Seufzen schaue ich hinunter auf meinen Berg von Notizen. Und was soll das hier eigentlich? Warum kann nicht einmal etwas ganz normal sein? Nein, da mache ich den Fund meines Lebens und dann ergeben diese Übersetzungen noch nicht mal einen Sinn! Ich zweifle schon an meinem Verstand! Wieso habe ich mir diese ganzen Jahre des Studiums um die Ohren geschlagen, wenn man im Endeffekt doch nichts damit anfangen kann? Das ist hier wirklich zum Mäuse melken! Aber okay, vielleicht sehe ich ja jetzt etwas, was ich vor fünf Minuten nicht gesehen habe.

Noch während meine Finger mit meinen Haaren spielen, schnappe ich mir eine Fotografie und versuche irgendwo einen Sinn darin zu erkennen. Ich hätte noch nicht abreisen dürfen. Am besten, ich fliege noch mal zurück und sehe es mir aus der Nähe an. Vermutlich haben wir auch nur etwas übersehen.

„Hey“, ertönt plötzlich eine Stimme und erschreckt mich fast zu Tode. Als ich überrascht aufblicke, sehe ich Sam hinter meinem Stuhl stehen. Sie sieht nicht sehr motiviert aus. Schnell schiele ich hinaus zu Janet, die uns jetzt den Rücken zugewandt hat und sich mit beiden Händen auf dem Geländer abstützt. Oh ha… das ging dann wohl nach hinten los.

„Hey“, lächle ich sie an und lasse meine Haare los.

„Arbeit?“ Sie deutet mit ihrem Kopf auf das Wirrwarr von Bildern auf dem Tisch. Erst jetzt wird mir das ganze Ausmaß bewusst. Ich habe nicht nur ihren ganzen Tisch in Anspruch genommen, nein, selbst auf dem Fußboden haben einige Abzüge ihren Platz gefunden.

„Oh, tut mir Leid, Sam. Ich wollte mich hier nicht so ausbreiten. Ich kann das auch alles wieder…“ Ich mache schon Anstalten wenigstens die Sachen vom Boden aufzuheben, aber Sam legt nur ihre Hand auf meinen Arm.

„Nein, nein, lass nur. Von mir aus, kannst du auch die Wände damit tapezieren.“ Was?! Bist es auch wirklich du, Sam? Das ist mir ja ganz neu! Meine Verwirrung muss mir förmlich aus dem Gesicht springen, denn Sam lächelt leicht und setzt sich neben mir auf den Stuhl. „Ich war wohl bisher nicht die perfekte Gastgeberin, oder?“

„Oh, oh, mach dir keine Sorgen. Ich habe hier noch genug zu tun. Nur weil ich im Moment etwas Liebeskummer habe, heißt das nicht, dass meine Arbeit darunter leiden darf.“ Sie lächelt nur. „Wirklich, ist schon in Ordnung.“ Ich hole einmal tief Luft. „Außerdem lenke ich mich somit ab. Arbeit war schon immer die beste Medizin.“

„Ja, das ist wohl wahr“, stimmt sie mir zu und ich habe unweigerlich das Gefühl, dass Sam sehr wohl weiß, wovon ich hier rede. Männer! Schnaube ich stumm auf.

„Alles in Ordnung? Mit Janet und dir?“

„Ja, ja, alles in Ordnung. Wir hatten nur gerade eine kleine… Meinungsverschiedenheit.“

Ja, das ist nicht zu übersehen. Und ich kann mir auch schon denken, was oder *wer* das Thema war. Oh, Sam, ich wünschte du würdest mit mir reden. Aber das wird wohl erst dann passieren, wenn die Hölle gefriert. „Okay“, nicke ich und richte meinen Blick wieder zurück auf die Aufnahmen. „Du weißt, dass ich da bin, wenn du reden willst, nicht wahr?“

„Ja, ich weiß. Und danke.“ Sie drückt einmal kurz meine eine Hand und nimmt sich dann ebenfalls eine meiner Aufnahmen. Okay, damit wäre das Thema dann wohl offensichtlich abgehakt. Wie immer, aber bitte, ich werde sie nicht dazu drängen. Aus meinem Augenwinkel heraus, schiele ich zu ihr hinüber und sehe, wie sich eine kleine Falte auf ihrer Stirn abzeichnet. Jetzt sag nicht, dass sie ebenfalls diesen Wirrwarr erkennt. Langsam wird’s mir echt unheimlich. Und dann schaut sie zu mir auf. „Woher hast du die?“

„Uhm…“ Ich schaue auf das Problembild in ihrer Hand. „Das sind meine. Ich habe sie auf meiner letzten Expedition aufgenommen.“ Sie zieht eine Augenbraue hoch. „Ja“, seufze ich, „allerdings habe ich ein paar Probleme. Die Übersetzung ergibt einfach keinen Sinn. Jedenfalls nicht nach dem, was ich über die Maya weiß, wie es in all den Büchern geschrieben steht.“

„Wieso, was steht denn dort?“

„Das willst du gar nicht wissen“, lache ich leicht und winke mit meiner Hand ab.

Sie lächelt mich nur schief an. „Oh, Liz, sonst hätte ich nicht gefragt. Ich würde es wirklich gerne wissen.“

„Oh, wenn das so ist.“ Sie scheint ja wirklich interessiert zu sein. Wenn ich ehrlich bin, dann überrascht mich das schon. Nicht, dass sie früher meiner Arbeit gegenüber abgeneigt war, aber sagen wir es mal so, sie war genauso viel daran interessiert, wie ich an ihrer und ich weiß, wenn Sam einmal anfängt, dann ist‚ ohne ’Punkt und Komma’ noch untertrieben und das nur bei der Geschwindigkeit ihres Redeflusses. Der Inhalt ist da schon wieder ein ganz anderes Thema. Da höre ich Wörter, von denen ich noch nicht mal wusste, dass sie überhaupt eine Existenz in unserem Wortschatz haben.

„Okay, also, siehst du diesen Schlangenkopf hier?“, Beginne ich ihr langsam mein Problem zu erklären. „Das ist das Symbol für den Gott Quetzalcoatl – bei den Maya auch bekannt als Kulkulcan – er ist einer der Schöpfergottheiten. Normalerweise wird er immer als gefiederte Schlange dargestellt und war sehr bedeutend. Er ist zum Beispiel Symbol für den Wind, für das Lernen, das Handwerks und auch Erfinder des Kalenders. Ihm wird außerdem nachgesagt, dass er die Gabe besäße Kranke, Blinde oder Gelähmte zu heilen und sogar Menschen vom Tode auferstehen zu lassen. Die genauen Hintergründe sind noch nicht einmal so wichtig und hier, das stammt aus demselben Abschnitt.“ Ich ziehe eine andere Fotografie heraus. „Und das hier ist eine andere Stelle desselben Schriftzuges. Aber hier ist nicht mehr die Sprache von Kulkulcan, sondern von Tezcatlipoca.“ Sam legt ihre Stirn in Falten und ich sehe, wie sie versucht mir zu folgen. Natürlich kann sie nicht sehen, was ich sehe, aber schließlich nickt sie mit dem Kopf.

„Okay, und was genau ist daran jetzt so ungewöhnlich?“

„Dazu komme ich gleich. Also Tezcatlipoca heißt übersetzt ‚Herr des rauchenden Spiegels’ und er ist der Gott der Götter, also, im Grunde der Chef aller Götter, auch von unserem Kulkulcan. Laut den Legenden ist er der Widersacher von unserem Freund hier und wogegen Kulkulcan noch die Opferdarbietungen abgelehnt hatte, war er hier anderer Meinung und wurde häufig mit dem Tod, dem Krieg und dem Reich der Finsternis in Verbindung gebracht. Er hatte sehr viel Macht.“

„Und?“

Ich tippe mit meinem Kugelschreiber auf die beiden Bilder. „Diese beiden Kollegen hier fingen einen gigantischen Krieg an. Tezcatlipoca herrschte in der ersten Sonne, aber Kulkulcan besiegte ihn und begann seine Herrschaft im Zeichen der zweiten Sonne ‚vier-Wind’. Dann rächte sich Tezcatlipoca in Form eines Wirbelsturmes und dadurch wurden die Menschen zu Affen degeneriert.“ Sam lächelt mich schief an und ich weiß genau, was sie denkt, aber dadurch lasse ich mich nun wirklich nicht beirren. „Dann kam noch ein anderer Gott ins Spiel, Tlaloc der Regengott, der aber nicht so eine wirklich wichtige Rolle hier spielt, jedenfalls besiegte dieser Tezcatlipoca und regierte in der dritten Sonne ‚vier-Regen’. Das Spielchen hört da aber noch nicht auf. Unser Freund Kulkulcan rächte sich erneut mit einem Feuerregen und verwandelte dadurch die Menschen in Vögel. Die vierte Welt ‚vier-Wasser’ wurde dann durch die Göttin des Wassers zerstört und die Menschen verwandelten sich in Fische. Und nach den Legenden zufolge leben wir jetzt in der fünften Welt ‚vier-Bewegung’ und laut irgendwelchen Voraussagen werden wir durch ein Erdbeben zerstört.“

„Erdbeben?“

„Ja, ich weiß, ziemlich spektakulär.“

„Und was genau ist jetzt so merkwürdig?“

„Merkwürdig ist folgendes. Also, das, was ich dir hier gerade eben gezeigt habe, ist so zu sagen die Entstehungsgeschichte unserer Menschheit. Was mir Sorgen macht ist das hier.“ Ich schiebe ihr eine weitere Fotografie unter die Nase, aber die Ratlosigkeit steht Sam förmlich ins Gesicht geschrieben.

„Was sehe ich mir hier an?“

„Wenn das, was hier steht stimmt, dann leben wir nicht in der fünften Welt.“

„Wie bitte? Ich dachte, du hättest gerade gesagt…“

„Ich weiß!“ Ich höre schon das Blut durch meine Ohren rauschen. Hätte nie gedacht, dass Adrenalin einen so high machen kann und meine Stimme… ich quietsche? Aber, Leute, das ist doch wohl die Entdeckung des Tages! Es müsste alles umgeschrieben werden, die ganzen Theorien sind für die Katz! Mir wird ganz schwindelig, wenn ich an das Ausmaß von dem denke, was ich hier gerade in den Händen halte. „Es gab noch einen Krieg. Hier, sieh dir das mal an.“ Ich deute mit meinen Finger auf Symbole, die in einem Kreis angeordnet sind. Ich hole einmal tief Luft. Das jetzt zu erklären, wird nicht einfach werden. „Also, in Verbindung mit der Mayageschichte, ist das was, hier abgebildet ist gar nicht ungewöhnlich. Normalerweise wird gezeigt wie Quetzalcoatl als Sinnbild für die Sonne dargestellt wird und auf der anderen Seite Tezcatlipoca als Sinnbild für die Nacht. Jeden Tag aufs Neue haben sie gekämpft um Tag und Nacht. Nichts Besonderes. Was allerdings gar nicht passt, ist, dass das hier weder Quetzalcoatl noch Tezcatlipoca ist.“

„Ich verstehe nicht, du hast doch gerade gesagt, dass sie um Tag und Nacht gekämpft haben.“

„Ja, es sind Götter von Tag und Nacht, aber keine, die bisher bei den Maya entdeckt wurden. Außerdem unterscheiden sie sich auch von ihrer Abbildung von den anderen Göttern. Siehst du, der eine ist als einfache Schlange dargestellt und der andere als ein Vogel, ein Falken. Nebenbei mit einem berühmten Auge vermerkt. Aber nicht irgendein Auge, nein, es ist das ägyptische Auge des Ra.“

„Ra?“

„Ja, und das bereitet mir Kopfschmerzen.“

Ich schüttle nur mit dem Kopf. Mir gehen die Ideen aus. Wirklich. Ich liebe Herausforderungen, aber das hier… da hätte vor mir auch ne Matheaufgabe liegen können. Ich hätte genauso viel verstanden.

„Und was wäre, wenn es eine… nun, sagen wir mal kulturelle Überschneidung gab?“

„Sag mal, machst du Witze?!“ Das ist vollkommen unmöglich! So was ist noch nie vorgekommen! Und, und, nein, das geht einfach nicht. Ich muss sie vollkommen apathisch angestarrt haben, denn sie sieht mich mit einem Schulterzucken und ‚Ich sag ja nur’ - Blick an. Ich kann nur mit den Kopf schütteln. „Nein, nein, das ist… das ist, als wenn du herausfinden würdest, dass die Erde wieder eine Scheibe ist. Verstehst du? So was gibt es nicht. Es gab nie eine kulturelle Überschneidung zwischen den Ägyptern und den Maya, das ist schon aus zeitlichen Epochenabständen vollkommen unmöglich. Außerdem bin ich mir noch nicht mal sicher, ob das auch wirklich zutrifft. Okay, das hier hat Ähnlichkeit mit der ägyptischen Hieroglyphensprache, aber es ist kein ägyptisch. Bisher konnte ich nicht ausmachen, woher es stammt, aber wenn ich ehrlich bin, dann bin ich mir noch nicht mal sicher, was ich hiervon eigentlich halten soll.“

„Ich weiß nicht.“

„Sam, wirklich, deinen IQ in allen Ehren, aber das ist vollkommener Humbug. Das hier“ Ich wedle mit dem Foto in der Luft herum und halte es ihr unter die Nase, „kann genauso gut nur ein Fake sein.“

Sie nimmt mir das Foto ab und schaut es sich eingehender an, dann einen Blick hoch zu mir und wieder zurück. Was hat denn dieser Blick schon wieder zu bedeuten? „Ich weiß nicht, Liz, vielleicht ist es doch kein Fake.“

„Was willste denn damit sagen?“ Ich nehme ihr das Foto wieder ab, aber auch nach dem tausendsten Male draufschauen habe ich keine Erleuchtung. Und was macht Sam, sie steht einfach auf. „Hey! Wie haste das denn gemeint?“ Wo geht sie denn jetzt hin? Sie kann mich doch nicht hier einfach so unwissend sitzen lassen! „Sam!“

Doch sie geht nur zur Veranda und ruft Janet. Was hat Janet denn damit zu tun. Könnte mir mal bitte schön jemand sagen, was hier eigentlich los ist?! Hallo? Ich bin schon auf meinen Füßen und will sie an Ort und Stelle zur Rede stellen, als sie mit Janet im Schlepptau zurückkommt. Ich kriege noch gerade eben mit, wie Sam ihr in Kurzform erklärt, an was ich arbeite. Seit wann interessieren sich denn Sternengucker für meine Arbeit? Würde mal bitte jemand mit mir reden?

„Hier.“ Sam nimmt die Fotografie und zeigt sie Janet. Diese schaut genauso wie Sam zuvor von der Abbildung hoch zu Sam, dann wieder zurück auf das Foto und dann schließlich zu mir.

„Wo haben Sie das aufgenommen?“

Also *das* ist mir jetzt wirklich unheimlich! „Ich, ich… was ist hier eigentlich los? Könnte mir mal jemand sagen, was daran jetzt so besonderes ist? Was?“ Ich sehe Sam dabei zu, wie sie sich ihre Jacke schnappt. Hey, was wird das denn jetzt?

„Janet, Sie rufen Daniel an. Sagen Sie ihm, er soll sofort zum Stützpunkt kommen. Liz, du kommst mit mir.“

Hallo? Geht’s noch? „Sam, was ist hier los? Wohin willst du?“

„Sam“, unterbricht Janet sie. „Ich weiß, das hier ist…“ Sie holt einmal tief Luft, „aber denken Sie, dass es klug wäre Liz mitzunehmen?“

Sam schaut zwischen mir und Janet hin und her und ich verstehe nur Bahnhof. Wieso will denn niemand mit mir reden? „Okay“, sage ich schließlich und hebe meine Hände in die Luft. „Hier nimmt niemand irgendwelche Sachen von mir mit und ich werde nirgends hingehen, bevor ich nicht weiß, was hier eigentlich los ist. Sam!“

„Das kann ich dir jetzt nicht erklären.“ Oh, du kannst es mir nicht erklären? Na, das ist doch mal was ganz Neues! Ich schüttle nur mit dem Kopf.

„Tut mir Leid, Sam, aber ich verstehe die Welt nicht mehr. Du, du… was ist los? Weißt du, was das hier bedeutet? Weißt du es?“ Sie und Janet tauschen einen unsicheren Blick aus. Okay, da hätte sie es auch genauso gut laut hinausschreien können, dass sie es kennt. „Sam, was ist das?“

„Liz, ich erkläre dir alles nachher.“

„Kennst du dieses Zeichen und diesen Schriftzug?“, Frage ich hartnäckig nach. Sie ist nicht die einzige mit dem Dickkopf hier. Ich rühre mich keinen Zentimeter von der Stelle, bevor ich nicht eine eindeutige Antwort bekommen habe.

Schließlich seufzt sie nur und wirft Janet noch einen Blick zu. Erwartungsvoll verschränke ich die Arme vor meiner Brust. Und um das Klischeebild noch zu vervollständigen, beginne ich mit meinem rechten Fuß ungeduldig auf und ab zu wippen. „Möglich. Ja, es ist möglich, dass ich es schon mal gesehen habe.“

Also das ist jetzt ganz und gar nicht die Antwort, die ich erwartet habe! Baff, ich bin absolut baff. Der Wind ist aus den Segeln, ich liege wie tot im Wasser. Wie ist denn das möglich? Ob sie die tausend Fragezeichen über meinem Kopf sehen können? Wie… was…hä?!

„Oh“, ist alles, was mir dazu noch einfällt.


weiter: Kapitel 2
Kapitel 2 by Destiny
Teil 2

Ich bin nervös. Oh Gott, das ist glattweg gelogen. Wenn ich ehrlich bin, dann beschreibt ‚nervös’ nicht einmal annähernd meinen momentanen Gemütszustand. Das hier ist schlimmer als die Wartezeit vor meiner Doktorarbeit. Ich habe das Gefühl mir gleich in die Hosen zu machen. Ich versuche wirklich ruhig zu bleiben, aber mir wird gerade so richtig schlecht. Warum kann sich nicht einfach der Boden unter mir auftun und mich einfach ganz Mucksmäuschenstill verschlingen? Wieso geht das nur im Fernsehen und nie im richtigen Leben?

Wie ein zitterndes Nervenbündel sitze ich jetzt hier, meine Füße wollen einfach nicht still stehen und in meinen Händen befinden sich schon tiefe Abdrücke von meinen frisch geschnittenen und gefeilten Fingernägeln. Das triste grau der Wände baut mich auch nicht wirklich auf und obwohl ich Sam ja immer mit ihrem Arbeitsplatz aufgezogen habe (von wegen geheim und alles), hatte ich ehrlich gesagt nie die Absicht gehegt hier auch mal aufzukreuzen. Lag mir immer ganz fern. Ich kenne solche Einrichtungen nur aus dem Fernsehen und diese hier scheint sich noch gewaltiger von denen auf dem Bildschirm zu unterscheiden. Ich meine, sieht man irgend so einen Militärstützpunkt auf der Mattscheibe, denkt man nur ‚Cool’ und findet die Sachen mit den Ausweisen und Sicherheitscodes ganz aufregend, befindet man sich aber im echten Leben mal auf so einer Basis (so wie es meiner einer gerade tut), sieht die Sache gleich doch wieder ganz anders aus.

Und besser macht es diese aufgebrachte Stimme auch nicht. Die Wände mögen hier vielleicht aus Stahl bestehen, aber die Tür direkt vor meiner Nase scheint aus Papier zu sein. Oder wie soll ich es mir sonst erklären, dass da drinnen gleich jemand kurz vorm Platzen steht? Oh lieber Gott, bitte lass mich einfach nur von hier verschwinden. Aber das wirklich lustige an dieser ganzen Sache ist und hört gut zu, denn es ist wirklich, wirklich lustig, ich habe noch nicht mal den leisesten Schimmer, warum ich jetzt eigentlich hier gelandet bin. Es hat irgendwas mit meiner Arbeit zu tun, aber das wusste ich auch schon vor einer halben Stunde. Aber hier will ja niemand mit mir reden!

Obwohl es mir laut irgendwelchen Paragraphen nicht mal gestattet ist in einem Umkreis von hundert Meilen auch nur einen Fuß in die Nähe dieser Einrichtung zu setzen, befinde ich mich jetzt mitten in der Höhle des Löwen. So viel dann also zu meinem geplanten Ausheulurlaub bei Sam, den ich mir persönlich so ganz anders vorgestellt habe. Wir sollten uns eigentlich mit dem ganzen ungesunden Zeugs voll stopfen, lästern über die Männerwelt ab, lassen alle Fünfe mal grade sein und hauen auf den Putz. Aber an *das* hier habe ich nun wirklich nicht gedacht.

Mit einem schweren Seufzen, sehe ich mich um. Nichts, was auch nur den kleinsten Hinweis geben könnte, was ich hier zu suchen habe. Ein großer Schutzwall hängt schützend vor einer Glasscheibe und lässt diesen Raum viel kleiner erscheinen, als er vermutlich ist. Ein großer, massiver Tisch steht in der Mitte des Raumes und das einzige, was ich hier als angenehm empfinde, sind die bequemen Stühle. Und die postierte Wache ein paar Meter hinter mir, die mich die ganze Zeit ganz unbewusst anstarrt, ist auch nicht mehr als Dekoration. Die Tür, hinter der Sam und Daniel verschwunden sind, ist noch immer geschlossen und meine Fantasie veranstaltet schon die tollsten Szenarien, was sich dahinter alles abspielen könnte. Laut dem Geschrei verhärtet sich meine Vermutung Richtung Mord und Totschlag immer mehr.

Ich kriege hier gleich wirkliche Zustände. Nicht nur, dass ich hier in einem Bunker zu sitzen scheine, nein, muss er sich auch noch ausgerechnet irgendwo unter der Erde befinden! Stellt euch das mal vor! Unter der ERDE! Schon alleine der Gedanke, dass ich unter der Erde herumwandle, lässt das alles ziemlich morbide und beängstigend erscheinen. Ich meine, kein vernünftiger Mensch läuft unter der Erde herum. Wir Menschen sind Lebewesen, die nach der Sonne schmachten, wer würde sich dann schon freiwillig hier runter begeben? Nicht, dass ich hier jetzt irgendwelche klaustrophobischen Anfälle oder dergleichen entwickle (Gott weiß, wo ich schon alles rumgekrochen bin) aber mal ehrlich, sollte ich mir anfangen ernsthafte Gedanken um Sams Geisteszustand zu machen? Ich meine, wer verbringt denn bitte schön schon freiwillig mindestens acht Stunden am Tag unter der Erde? Und die Betonung liegt hier auf *freiwillig*. Da greifst du im wahrsten Sinne des Wortes nach den Sternen und kannst das nur von einem Ort unter der Erde aus tun? Sam, langsam machst du mir echt Sorgen. Nicht, dass diese auch unbegründet wären. Seht euch nur an, was in letzter Zeit passiert ist, vor zwei Tagen hatte ich lediglich das Problem vor einer zerrüttenden Hochzeit zu stehen und jetzt? Jetzt komme ich mir vor wie der Staatsfeind Nummer 1.

Deshalb ist es auch nicht besonders verwunderlich, dass ich mit einem leichten Schrei aus meiner Haut fahre, als sich plötzlich die Tür des Generals öffnet. Keine Ahnung warum, aber wie Sam, Daniel, offensichtlich der General und Teal’c dort durch die Tür kommen, sehe ich sie plötzlich mit Henkermützen über den Kopf gezogen auf mich zukommen. Ich weiß, dass ich nichts falsch gemacht habe, aber diese Ungewissheit macht mich total verrückt. Ich schlucke einmal schwer den Klumpen in meinem Hals herunter, als der General höchst persönlich vor mir stehen bleibt. „Dr. Sullivan?“

Mein Lächeln muss bestimmt so unsicher aussehen, wie ich mich im Moment fühle. Ich stand noch nie einem hochrangigen General gegenüber. Okay, Sams Dad, aber das war privat, nie im Dienst. Ich sage euch, so eine Uniform kann ganz schön einschüchternd wirken. Ich versuche irgendwo in seinem Blick etwas Verständnis und Erbarmen zu finden und ich bin mir sicher, dass sich diese Eigenschaften dort auch befinden mögen, aber im Moment sehe ich nur Ernst und… Sorge? Gott, Liz, was hast du nur wieder angestellt?

„Ja, Sir, Doktor Elizabeth Sullivan.“

„Ich will Sie darauf hinweisen, dass alles, was Sie hier in diesem Raum hören und sehen der strengsten Geheimhaltung unterliegen. Niemand – und damit meine ich absolut niemand, weder Familie noch Freunde – dürfen je erfahren, was hier besprochen wurde. Sollten Sie diesem Befehl nicht folge leisten, wird das Konsequenzen für Sie haben. Und vergessen Sie nicht, Sie sind nur hier, weil Sie ein Teil des Problems sind. Verstanden?“

Problem? Was denn für ein Problem? Ich bin ein Problem? Hilfe suchend und schon fast panisch schaue ich zu Sam hinüber, aber diese lächelt mir nur beruhigend zu. Ja, sie kann gut lächeln, sie ist ja auch kein Problem.

„Ja, Sir“, antworte ich mit ziemlich schwacher Stimme und schon zum zweiten Mal an nur einem Tag scheinen meine Beine aus Wackelpudding zu bestehen.

„Setzen wir uns“, sagt Hammond schließlich und alle gehen zu ihren Stühlen und setzten sich. Sam nimmt gegenüber von mir Platz und neben mir schiebt Daniel seinen Stuhl nach hinten. Ein wenig erleichtert lächle ich ihm zu. Aber, meine Güte, bin ich nervös. „Wo ist Colonel O’Neill?“, fragt Hammond schließlich mit einem Blick von Sam zu Daniel.

„Der Colonel ist auf dem Weg. Er müsste jeden Augenblick hier sein, Sir“, antwortet Sam ganz sachlich. Mein Blick wandert in ihre Richtung und ich sehe, wie sie vollkommen ernst dasitzt, ihre Hände hat sie auf der Tischplatte gefaltet. Als Hammond ihr einmal knapp zunickt, erwidert sie es mit einem eigenen Nicken. Huh, Major Carter höchst persönlich. Ich habe mich ja schon immer gefragt, ob sie im Dienst auch wie die anderen mit einem Stock im Rücken herumläuft.

„Dr. Jackson, warum fangen Sie nicht schon mal an uns zu erklären, was an dieser Ausgrabung so besonderes ist.“

„Ja, General“, antwortet er und noch während er seine Brille richtet, steht er auf. Er geht nach vorne um den Tisch herum und mit einer Fernbedienung schaltet er das Licht aus und eine weiße Wand fährt herunter, so dass die Bilder des Beamers auf die Wand projiziert werden können. Ich staune nicht schlecht, als ich plötzlich einen Teil von meinen Bildern dort sehe. „Das ist ein Fundort der Mayakultur in der Nähe der Stadt Yucatán“, beginnt Daniel zu erklären. „Obwohl diese Stätte eine der Berühmtesten auf der Welt ist und man bisher dachte, dass sie ausreichend und grundlegend erforscht wurde, beweisen diese Bilder jedoch etwas anderes.“ Er lächelt kurz zu mir herüber und ich kann nicht anders, aber wenn es möglich gewesen wäre, würde ich jetzt vor Stolz glühen. „Hier wird deutlich dass angrenzend an der Stadt noch etwas verborgen liegt…“

„General, entschuldigen Sie die Verspätung“, kommt es plötzlich von der Tür. Ich werfe einen Blick in die Richtung und dort steht er. Der Mann, der meine Sam umgebracht hat. Ich sehe nur durch das Licht des Beamers, wie der General knapp nickt, aber nichts sagt und Colonel Jack O’Neill sich neben Sam in den Stuhl fallen lässt. Er trägt genau wie die anderen seine Zivilkleidung, was, wie ich zugeben muss, soweit ich das sehen kann, ziemlich attraktiv ausschaut. Aber das ist gar nicht der springende Punkt, im Moment sehe ich nur den Mann, der… wow, ich will noch nicht mal dran denken. Er scheint überhaupt nicht mitbekommen zu haben, dass sich noch eine weitere Person im Raum befindet. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaut er zu Daniel. „Was habe ich verpasst?“

„Oh, ich habe nur gerade erklärt, was das hier ist.“ Er zeigt mit der Fernbedienung auf die Wand.

Können diese Augenbrauen noch weiter Richtung Himmel wandern? „Und was ist das?“

„Eine neu entdeckte Mayastätte.“

„Ah, dann habe ich ja nichts verpasst.“

Daniel sieht ihn mit einem beleidigten und verletzten, aber auch irgendwo gleichgültigen Blick an und ignoriert den Kommentar gewissenhaft. Ich rate mal. Er erlebt solch ein Verhalten nicht zum ersten Mal. „Wenn es keine Besonderheit hätte, dann würden wir hier jetzt nicht sitzen. Wir sind deswegen hier.“

Er klickt einmal auf die Fernbedienung und die beiden merkwürdigen Abbildungen erscheinen, die ich Sam gezeigt hatte. Mein Problemfall, aber als ich in die Runde blicke, sehe ich keine besondere Ratlosigkeit, sondern höre eher ein Seufzen und erkenne so etwas wie Wiedererkennung. Und ich frage noch einmal: Was ist hier eigentlich los?

„Das kommt mir bekannt vor“, murmelt der Colonel. Ja, ist ja auch etwas vollkommen normales, wenn irgendwelche ägyptischen Zeichen bei den Maya gefunden werden. Natürlich. Verstehe ich vollkommen. „Ra und…“ Daniel setzt bereits zum Sprechen an, aber O’Neill hebt nur seine Hand. „Nein, nein, warten Sie, ich hab’s gleich. Ra und…“

„Apophis“, stimmt ihm Daniel zu.

„Apophis, ganz genau. Wer auch sonst?“

„Ähm, ja, jedenfalls haben laut den Eingravierungen Apophis und Ra um die Vorherrschaft der Erde gekämpft. Den Gewinner kennen wir ja bereits.“ Ach wirklich? Es gab einen Gewinner? Ich kenne ihn ehrlich gesagt nicht. „Und na ja, wenn erst einmal das dort gefunden wurde, kann man davon ausgehen, dass es sich noch weiter erstreckt, nicht wahr?“

Er sieht fragend zu mir hinüber und ich räuspere mich. „Ja, ja, das ist wahr. Was wir dort bisher gefunden haben, war nur der Anfang. Wir haben vielleicht gerade mal an der Oberfläche gekratzt. Man kann davon ausgehen, dass es in einem weiteren Umkreis noch weitere Bauten geben wird. Der Teil, in dem wir diesen Fund entdeckt haben, liegt nicht direkt in Yucatán, sondern ungefähr zwanzig Meilen davon entfernt. Es muss schon sehr alt sein, denn als wir es entdeckt hatten, da war es praktisch von der Vegetation überwachsen gewesen. Was ich bisher sagen kann, ist, dass es sogar älter als die Maya selbst sein kann..“

Daniel nickt nur zustimmend, aber bevor ich fortfahren kann, fällt mir jedoch jemand ins Wort. „Und Sie sind…?“ Colonel O’Neill. Habe mich ehrlich gesagt schon gewundert, dass ich erst so spät bemerkt werde.

„Das ist Dr. Elizabeth Sullivan“, stellt mich der General vor. „Sie hat diese Stätte gefunden.“

Der Colonel sieht von mir zum General. „Und was macht sie hier?“

Ich öffne schon meinen Mund, obwohl mein Kopf so leer wie ein Vakuum ist, aber es ist Sam, die diesmal das Wort ergreift. „Sir, Dr. Sullivan ist auf meinen Wunsch hier. Ich habe sie mitgebracht.“

„Carter?“

„Liz ist Expertin auf dem Gebiet der Maya.“ Expertin? Ich? Wow… ich nehme das jetzt mal kommentarlos hin, obwohl mir ein passender Spruch bereits auf meinen Lippen liegt. Aber Sam bemüht sich gerade zu erklären, warum ich eigentlich hier bin und wenn ich ehrlich bin, dann interessiert es mich auch. Expertin…

„Und?“

„Und sie könnte uns sehr behilflich sein, Sir.“

„Inwiefern? Daniel ist doch bereits unser wandelndes Lexikon.“

„Also, Jack, wirklich, ich würde nicht sagen, dass…“, geht Daniel dazwischen und zieht damit nur den Blick des Colonels auf sich. Die Augenbrauen sind bis zum Anschlag hochgezogen. „Ich meine, ich kenne mich nicht halb so gut aus in diesem Bereich, wie sie es tut.“ Wenn er so weitermacht sind seine Augenbrauen bald in seinen Haaren verschwunden.

„Sie können doch im Schlaf alle Kulturen und ihre Zusammenhänge runterleiern.“

„Jack, sie wäre mir wirklich eine Hilfe.“

Ist der eigentlich immer so? So skeptisch und distanziert? Macht ihn in meinen Augen nicht unbedingt sympathischer.

„Sie ist ne Zivilistin. Wir lassen nicht jeden x-beliebigen Zivilist hier herumrennen, nur weil es eine große Entdeckung gab. Zivilisten haben hier nichts verloren.“

„Ah, Jack, ich bin auch Zivilist“, wirft Daniel dazwischen und schiebt seine Brille die Nase hinauf, während er über das Brillengestell hinwegschielt.

„Ihr wisst, was ich meine. Nur weil Doktor Sullivan Expertin ist, qualifiziert sie das noch nicht.“

„Jack“, seufzt Daniel. „Die Sprache der Maya ist äußerst komplex. Doktor Sullivan ist auf dieses Gebiet spezialisiert.“

Ein leichtes Lächeln kriecht über meine Lippen, aber der Colonel scheint offensichtlich wenig beeindruckt zu sein. „Daniel, hier laufen nur die besten Köpfe Amerikas herum. Wir sind umgeben von irgendwelchen Strebern. Und wenn ich mich recht entsinne, können Sie dreiundzwanzig Sprachen. Wie schwer wird es da wohl sein, die Bilder zu übersetzen?“

Daniel schweigt, sieht den Colonel einfach nur herausfordernd an. „Sie haben keine Ahnung, wovon Sie da reden.“ Er zeigt mit dem Finger auf seinem Teamführer. „Wenn Sie denken, dass--“

„Meine Herren“, geht der General schließlich dazwischen und irgendwie bin ich erleichtert. Ich puste leise meine angehaltene Luft aus. Jetzt weiß ich, was Daniel meinte. Der Colonel und Wissenschaftler… na da kommt doch Stimmung auf. „Dr. Sullivians Anwesenheit steht hier nicht zur Debatte.“ Ein bestimmter Blick heftet sich auf dem Colonel, bevor er zu Daniel wandert. „Dr. Jackson, was schlagen Sie vor, was wir tun sollten?“

„Am einfachsten wäre es, wenn wir es uns aus der Nähe ansehen.“

Der General nickt leicht und sieht zu dem Colonel hinüber. Dieser fühlt sich erst gar nicht angesprochen und erst als sich das Schweigen in unvorstellbare Länge zieht, reißt er seine Augen auf und ja, nach seiner Aufmerksamkeit ist gefragt. „General? Also, gibt es denn wirklich einen Anlass für uns dort hinzufahren?“ Er schielt kurz zu mir hinüber. Habe das schon verstanden. Er kann nicht offen sprechen.

Aber anstatt einer verbalen Antwort, klickt Daniel nur noch einmal auf die Fernbedienung und zum Vorschein kommt mein Lieblingsbild. Ihr hättet mal meine Augen sehen sollen, als ich es entdeckt habe! Es sieht aus, wie ein in den Boden gepflasterter Ring. Bei den Maya habe ich so etwas noch nie gesehen. „Ja, ich denke schon“, sagt Daniel schließlich. Er wirft einen Blick von der Wand hinüber zu uns.

„Ich liebe diese Kerle“, murmelt der Colonel nur. Ich frag mich erst gar nicht, was er damit meinen könnte.

„Colonel, es ist Ihre Entscheidung. Wenn Sie einverstanden sind, dann hat SG-1 grünes Licht.“

Er sieht in die Runde, sein Blick schweift von Sam, die nur ihren Kopf leicht zur Seite legt, zu Daniel, der ihn erwartungsvoll ansieht, hinüber zu Teal’c, der irgendwie… so gar keine Regung zeigt. Und dann bleibt sein Augenpaar auf mir liegen. Irgendwie komme ich mir gerade vor wie so eine Laborratte. Ich weiß zwar nicht, was in seinem Kopf vorgeht, aber könnte er bitte aufhören mich so anzustarren? Was? Habe ich einen Pickel im Gesicht? Oder ist mir ein zweiter Kopf gewachsen? Schließlich sieht er zurück zum General. „Dann lasst uns mal Steinchen umdrehen“, seufzt er ziemlich halbherzig. „Das heißt, wenn Doc Fraiser damit einverstanden ist.“ Unmissverständlich bleibt sein Blick bei Sam hängen.

„Ich werde noch einmal mit Janet reden, Sir“, erwidert Sam relativ kühl. Tja, so einfach würde ich es auch nicht vergessen von meinem eigenen Vorgesetzten erschossen zu werden.

Wieso haben diese Militärtypen keinen Respekt vor der Archäologie? Steinchen? Artefakte, Bauwerke, Kunstwerke, aber Steinchen? Das grenzt wirklich nahezu an der Verzweiflung.

„Also gut. SG-1, wegtreten.“ Und ich sollte mir wirklich mal die Militärregeln verinnerlichen. Fast wäre ich aufgesprungen, bevor der General auf den Füßen war. Ich kann mich gerade noch stoppen und sehe, wie die anderen respektvoll warten, bis der Boss aufgestanden ist. Doch bevor er den Raum verlässt, dreht er sich noch zu dem Colonel um. „Und, Jack, Dr. Sullivan wird Sie begleiten.“

Puh… also, das nenn ich doch mal ne Überraschung. Gut, ich weiß, dass ich vermutlich einen Zwergenaufstand veranstaltet hätte, wenn die Antwort anders ausgefallen wäre, aber in dieser Befehlsform ist es mir doch etwas unangenehm. Versteht mich nicht falsch, das ist meine Ausgrabung und keine tausend Pferde oder sonstige zehn Zentner Viecher könnten mich davon abhalten, nicht dahin mitzukommen, aber ich meine doch nur, seht euch mal an, wie der Colonel den Mund verzieht, diese dünne Linie, die lediglich nur durch reine Willenskraft geschlossen bleibt, gibt mir ein total flaues Magengefühl. Sam versucht mich mit einem Lächeln zu beruhigen, aber mal ehrlich, in ein Team hineingestoßen zu werden, in dem der Chef etwas gegen einen hat, ist nun wirklich kein Zuckerschlecken.


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Ich frage mich, wozu man für eine Expedition so viel Gepäck braucht. Nicht, dass ich mich beschweren will, das sieht alles sehr hochmodern aus, aber mal ehrlich, meine bescheidene Ausrüstung (Isomatte, Rucksack gefüllt mit dem Nötigsten, ein paar Wasserflaschen und vielleicht noch ein Zelt, welches man zusammenfalten kann) hat bisher auch immer gereicht. Der Rest wird bekanntlich immer nachgeliefert. Und wenn ich mir das hier so ansehe, dann wird es mir etwas flau im Magen. Die Kisten mit der Aufschrift „FOOD“ sind ziemlich spärlich gesät. Das ist mir ehrlich gesagt ein wenig unheimlich. Ich meine, das reicht vielleicht gerade mal für zwei Wochen und das beschreibt nicht einmal ansatzweise den Zeitraum, den ich gedacht hatte hier zu verbringen. Nicht im Geringsten. Außerdem, wir sind fünf Leute... die Air Force lässt einen doch nicht verhungern, oder? Ich wage erst gar nicht daran zu denken, was sich alles in den anderen Boxen befinden mag. Doch nicht nur archäologische Ausrüstung. Waffen vielleicht? Ich will es lieber gar nicht wissen. Aber die Herrschaften sind sich schon im Klaren darüber, dass wir nicht die ganze Strecke mit dem Jeep fahren können, ja? Ich will es nur mal so angedacht haben. Denn da, wo wir hin wollen, gibt es so was wie Trampelpfade, ganz zu Schweigen von so etwas Luxuriöses wie Straßen noch gar nicht. Nur die volle Vegetation, wie sie kreucht und fleucht. Das ist nämlich noch keine Touristenattraktion. Noch ziemlich weit davon entfernt. Wenn die sich so etwas vorstellen, wie die großen Anlagen in Cancun oder Belize, dann haben sie sich aber gewaltig geirrt. Ich wollte es nur einmal gesagt haben.

Also stehe ich jetzt hier, an den Jeep gelehnt (und Leute, was für ein Jeep das ist! Von der Air Force gestellt! Wow… das ist so… einfach nur wow… davon träumt eine kleine Archäologin wie ich nur von) und wische mir schon zum x-ten Male den Schweiß von der Stirn. Das ist aber auch eine Affenhitze hier. Man sollte glauben, dass ich mich bereits daran gewöhnt habe, aber das ist nichts Alltägliches wie jeden Morgen die Socken zu wechseln. Dass mein Kreislauf noch nicht schlapp gemacht hat, ist alles. Jedenfalls ist es immer wieder ein Schock aufs Neue, wenn man in die tropische Vegetation stolpert. Aber Mensch, ist das ein tolles Gefühl! Da beginnt mein Herzchen richtig zu flattern.

„Meine Güte“, stöhnt Daniel plötzlich auf und lehnt sich neben mir an den Jeep. „Ich hatte ganz vergessen, wie heiß und feucht es hier ist.“ Ich lächle ihn voller Mitgefühl an und sehe dann, wie er sich seine Jacke auszieht. (Habe mich ehrlich schon gewundert, warum er sie überhaupt angezogen hat) Erleichtert seufzt er einmal, als er die Jacke in den Jeep schmeißt und dann nur noch ein schwarzes T-Shirt trägt… ohne Ärmel. Selbst der Colonel und Teal’c haben sich des überflüssigen Stoffes entledigt und so langsam beschleicht mich der Gedanke, dass dieses feuchtfröhliche Klima vielleicht doch gar nicht mal so übel ist. Da kann man richtig neidisch auf Sam werden. Und wenn ich das mal so sagen darf, neben den drei Herrschaften verblasst Tom. Ich weiß, Schande über mein Haupt. Liz, ab in die Ecke… aber hey, ein bisschen Gucken darf doch wohl noch erlaubt sein. Sammy, Sammy, du bist echt ein Glückspilz. Hat man dir das eigentlich jemals gesagt?
„Ah, so, jetzt sind wir startbereit für den Dschungel“, wirft Daniel mit einer Extraladung Enthusiasmus in die Runde, nachdem er die hundertste Hitzewelle an diesem Tag hinter sich gebracht hat.

„Oh ja“, kommt es vom Colonel, der zusammen mit Sam hinten auf der Laderampe herumhantiert. „Ich habe sogar mein Insektenspray eingepackt“, verkündet er und tätschelt einmal sehr liebevoll seinen Rucksack.

Ich sehe nur, wie Sam den Kopf schüttelt und höre Daniel neben seufzen. „Ja, Jack“, sagt er und schließt kurz seine Augen. „Das ist auch das Wichtigste.“

„Aber sicher doch, Daniel. Wenn Sie nach zwei Tagen eine wandelnde Windpocke sind, können wir gerne noch mal drüber reden“, grinst er seinen Teamkameraden an.

„Ja, ja…“, murmelt Daniel nur und verdreht einmal die Augen.

„Okay, Sir“, kommt es jetzt von Sam, als sie die Laderampe herunter springt. „Jetzt dürfte alles an seinem Platz sein.“ Sie wischt sich einmal schnell über ihre schweißnasse Stirn und sie scheinen selbst die kurzen Haare zu stören. Da hat sie es ja noch richtig gut, was soll ich denn mit meiner langen Mähne sagen? Sie klebt wie nasser Luftballon an mir. Nicht gerade sehr angenehm.

„Danke, Major“. Er nickt ihr kurz zu. „Das war’s dann. Auf geht’s.“

Hat er nicht eine Klitzekleinigkeit vergessen? Nur ganz minimal. Kaum von Bedeutung, nein, nein… „Äh, Colonel… Sir?“, Rufe ich ihn. Wie soll ich ihn eigentlich ansprechen? Tja, darüber werde ich mir wohl später Gedanken machen müssen, denn im Moment sieht mich ein ziemlich genervtes und ungeduldiges Augenpaar an. „Brauchen wir nicht noch ein paar Helfer?“ Er zieht nur seine Augenbrauen hoch.

„Nicht bei dieser Expedition.“

Huh? Wie war das? „Ich meine, Ihnen ist schon klar, dass wir den ganzen Weg nicht mit dem Jeep zurücklegen können, ja?“ Ich will ja nur mal drauf hingewiesen haben. Denn dieses ganze Zeug, was sich dort auf dem Wagen befindet, können wir nicht alleine schleppen.

„Ja“, sagt er, als er seine Kappe zurecht rückt und noch schnell seine Sonnenbrille aufsetzt.

Ja? Das ist alles? „Und?“, Bleibe ich hartnäckig.

„Und was, Sullivan?“

„Na ja, sollten wir nicht vielleicht welche dabei haben? Ich meine, ich habe ganz gute Kontakte…“

„Ich sagte doch, nicht auf dieser Expedition“, wiederholt er die Worte extrem ruhig. Das ist meistens nie ein gutes Zeichen, richtig? Richtig. Ein Blick in Sams Richtung gibt mir die Quittung. Jep, kein gutes Zeichen. „Haben Sie ein Problem damit?“

Ob ich ein Problem damit habe? Mal überlegen… Ähm… ja! Erstens wurde es mir untersagt mein Team mitzunehmen, meine Vertrauten, mit denen ich schon seit Jahren zusammenarbeite, zweitens musste ich einen Haufen von Papiere unterschreiben, damit ich überhaupt zurück zu meiner Ausgrabungsstelle darf und drittens ist das immer noch *meine* Ausgrabung. Ich atme einmal tief durch, um meine Ungeduld zu zügeln. Der kann doch nicht einfach machen, was er will, nur weil er bei der Air Force ist. So weit kommt’s noch! Ich habe ein Jahr – ein ganzes verfluchtes Jahr – darum gekämpft die Gelder für diese Expedition zusammenzukratzen und ich lasse mir das jetzt nicht durch irgendein machoartiges Verhaltensmuster eines Colonels versauen! Tut mir Leid, ist aber so! Es ist mir egal, wer er ist. Er kann von mir aus auch der Kaiser von China sein, das hier ist mir zu wichtig, um es mir jetzt zu verbauen. Helfer mögen ihm vielleicht als unnötig erscheinen, aber dennoch sind sie ein wichtiger Teil einer Expedition. Und es ist mir egal, dass er beim Militär ist! Also wirklich! Es ist doch nun wirklich nicht zu viel verlangt, oder? Ich meine, wenn schon keine Zivilisten, dann doch wenigstens ein paar Soldaten oder irgendeinen anderen fahrbaren Untersatz! So etwas müssen die doch haben! Wofür geben die denn bitteschön ihr ganzes Geld aus? Oder, oder ein Hubschrauber oder Flugzeug! Ich meine, wir sind hier bei der Air Force! Gerade die müssen diese Dinge doch haben! Wo bitte schön liegt denn da das Problem? Es tut mir Leid, aber ich sehe es nicht.

„Liz…“, sagt Sam ruhig und legt eine Hand auf meinen Arm.

„Jack…“, kommt es von Daniel.

Ich halte seinem kontrollierten Blick stand. Ich weiß, dass ich nicht so einfach nachgeben werde, da hilft auch nicht Sams stummer Blick, der mich anfleht es einfach darauf beruhen zu lassen. Nur weil der Colonel Stress mit Sam hat, braucht er seine schlechte Laune nicht an mir auszulassen. Aber schließlich ist er es, der einmal schwer schluckt und schließlich zu Sam hinüber schaut.

„Carter“, sagt er mit kontrollierter Stimme, so als ob nichts vorgefallen wäre. „Sie kommen mit mir nach vorne.“

Und das war’s. Damit dreht er sich um und steigt in den Jeep. Sam drückt mir noch einmal den Arm, bevor sie ihm folgt. Daniel seufzt nur leise und begibt sich dann ebenfalls ins Innere des Fahrzeuges.

Ja, das lief doch hervorragend. Die Expedition hat noch nicht mal angefangen und es sieht jetzt schon danach aus, als ob der Colonel und ich auf dieser Reise bestimmt nicht die besten Freunde werden.

Mit einem ebenso schweren Seufzen steige ich hinter Teal’c ein. Na das kann ja dann heiter werden.


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Wir fahren jetzt bereits seit drei Stunden diesen Trampelpfad entlang und haben noch gute vier Stunden vor uns, bevor wir durch den Urwald marschieren dürfen. Ist schon merkwürdig hier hinten eingequetscht zu sitzen, wenn man sonst immer vorne sitzt und alles unter Kontrolle hat. Aber bisher scheinen Sam und der Colonel das ganz gut zu machen. Es ist wohl wahr, was man so hört, egal wie angespannt das Verhältnis zwischen zwei Offizieren auch sein mag, sie haben jedes einzelne Gefühl unter Kontrolle. Ich habe natürlich keine Ahnung, wie hier ansonsten so die Teamdynamik ist, aber bestimmt nicht so reduziert auf ein paar Befehle und ein „Ja, Sir.“

Ob ihr es glaubt oder nicht, aber dieser Jeep hat sogar ein eingebautes Navigationssystem, das die Bilder frisch vom Satelliten empfängt. Da glaub ich doch, mein Schwein pfeift. Aber eines hat mich die jahrelangen Reisen in die Urwälder dieser Erde gelehrt. Die Technik kann noch so fortschrittlich sein, gegen die Natur zieht sie grundsätzlich den Kürzeren. Würde mich auch überraschen, wenn nicht. Immerhin hat sie sich schon seit Millionen von Jahren behauptet.

Mit dem Colonel habe ich kein Wort mehr gewechselt. Ich habe mich nicht auf ein schmollendes und trotziges Etwas reduziert, aber ich glaube, wenn wir jetzt noch eine Auseinandersetzung haben, explodiere ich. Ihm scheint es ganz offensichtlich nicht anders zu gehen, denn selbst ich kann sehen, wie angespannt seine Gesichtszüge sind. Deswegen habe ich mich mehr oder weniger darauf konzentriert mit Daniel meine Arbeit durchzugehen. Dieser Mann ist im wahrsten Sinne des Wortes ein wandelndes Sprachlexikon. Auf den ersten Blick macht er gar nicht den Anschein, aber er kann doch tatsächlich lesen, was dort steht. Ich ziehe hier ehrfürchtig meinen Hut. Respekt. Er und Teal’c scheinen, was das angeht, ein eingespieltes Team zu sein. Wenn er mal was nicht weiß, hat Teal’c die Antwort parat. Dabei weiß ich noch nicht mal, was Teal’c eigentlich ist… Und ich komme mir mal wieder mehr wie nur das fünfte Rad am Wagen vor. Man hat mir noch nicht mal Einzelheiten verraten. Ich weiß lediglich, dass ich nicht über diese Expedition reden darf, so geheim scheint sie zu sein. Frage mich zwar ernsthaft, was an einer Mayastätte dermaßen geheim sein soll, aber bitte, wenn die Herrschaften meinen.

„Ich denke, dass wir nicht nur nicht in der fünften Welt leben, sondern, dass diese Rechnung schon viel früher begonnen hat“, sagt Daniel und sieht mich ernst an.

„Noch früher?“

„Ja, ich meine, hier ist die Rede von Ra und Apophis, aber laut der Geschichte muss es davor noch was gegeben haben. Vor Ra und Apophis waren noch andere hier, aber die Inschriften sind zu undeutlich.“

„Diese Zeichnungen hier unterscheiden sich schon von den anderen Mayazeichnungen“, gebe ich zu. Sie haben im Grunde nicht mal Ähnlichkeit mit den bekannten Entdeckungen. „Aber was ich bisher sagen kann, ist, dass, wenn wir davon ausgehen, dass das hier noch vor der bekannten Mayazeit erstellt wurde, dann ist es doch vollkommen nachvollziehbar. Ich meine, wir sprechen hier bestimmt von einem Zeitraum von guten tausend bis zweitausend Jahren- vor der Epoche der Maya.“

„Richtig, richtig, aber sehen Sie mal hier.“ Er zeigt mir eine Fotografie, die nur so mit diesen merkwürdigen Zeichen übersät ist. „Hier steht: ‚Nach der Katastrophe kamen die Götter der Sonne und Dunkelheit.’ Damit sind Ra und Apophis gemeint. Aber vorher muss noch irgendwas passiert sein.“

„Wissen Sie auch was?“, Frage ich jetzt wirklich neugierig. Mensch, ich wünschte, ich könnte das lesen!

Aber Daniel schüttelt nur mit einem Seufzen den Kopf. „Nein, leider nicht. Hier steht nur alles über den Kampf zwischen Ra und Apophis geschrieben… Sklaverei, Tod und so weiter, das Übliche halt. Ich denke, wenn wir dort sind, werden wir mehr Glück haben.“

Ist auch unsere einzige Chance. Aber es wurmt mich dennoch. Der Gedanke, dass es dort eine kulturelle Überschneidung gab, ist irgendwie störend. Es ist total aufregend, aber es wirft alles über den Haufen, was ich mir all die Jahre aufgebaut habe. Okay, gerade das macht es ja so herausfordernd. Man stellt eine Theorie auf und erkennt dann, dass sie nicht stimmt. Man hat im Grunde nie verloren, denn entweder konnte man das, was man angenommen hatte, beweisen, oder man hat etwas ganz Neues entdeckt. So oder so, man hat immer gewonnen. Aber jetzt nicht zu wissen, was der Auslöser war, nagt schon an mir. Und diese vier Menschen hier scheinen mehr darüber zu wissen, als sonst jemand.

„Daniel, kann ich Sie was fragen?“ Okay, Liz, einfach die Katze aus dem Sack lassen. War noch nie der Mensch gewesen, der immer um den heißen Brei redet. Lieber gleich zur Sache kommen und dann wissen, wo man steht.

„Sicher.“

„Das ist doch nicht wirklich ägyptisch oder irgendeine andere Sprache, die man bisher hier gefunden hat. Woher können Sie es dann lesen?“

Was? Habe ich mit dieser Frage jetzt in ein Wespennest gestochen? Sam wirft einen flüchtigen Blick über die Schulter und der Colonel betrachtet uns durch den Rückspiegel. Oh ja, sie sind alle gespannt auf seine Antwort. Daniel räuspert sich kurz. „Also, so ganz richtig ist das nicht. Im Grunde ist es nichts anderes als die Sprache der Ägypter, nur eben eine sehr, sehr alte Variante… mit Dialekten und kleineren Abwandlungen.“

Ah ja… schon klar. Selbst ich merke, dass noch mehr dahinter steckt. Ich meine, man sollte mal die Blicke sehen, die hier ausgetauscht werden. Sam und der Colonel, Sam mit Daniel, der Colonel mit Daniel und dann noch einmal die ganze Runde mit Teal’c. Wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen. Jup, das bin ich. Das fünfte Rad am Wagen.

„Liz“, beginnt Sam zögernd und wirft dem Colonel noch einen schnellen Seitenblick zu, bevor sie mit ihrer Zunge einmal über ihre Lippen fährt. Egal, was sie mir gleich sagen wird, es ist etwas, was offensichtlich nicht so einfach zu erklären ist. Ich bin schon ganz Ohr. „Was du heute unterzeichnet hast, untersagt es dir mit egal wem über das, was wir hier finden werden zu sprechen. Verstehst du? Du darfst mit niemanden – und ich meine niemanden, weder deine Familie, noch Tom, noch deine Kollegen…“

Moment Mal! Ich lache kurz auf. Das ist doch wohl ein Scherz, oder? Nicht wahr? Ein dummer Scherz der Regierung. Nichts weiter. „Sam!“ Ich sehe sie mit weit aufgerissenen Augen an. „Du kennst doch John, David und Marcie. Die würden nie jemanden etwas erzählen. In unserem Team herrscht so etwas wie eine vertraute Schweigepflicht! Nenn es von mir aus einen Ehrenkodex, aber ich dachte, dass ich zumindest ihnen sage könnte... und du, du, hast sie doch selbst kennen gelernt…“

„Ich weiß, Liz. Ich weiß“, unterbricht mich Sam. „Aber niemand“, sagt sie mit einem Kopfschütteln.

„Niemand?“

„Niemand.“

Es herrscht eine kurzes Schweigen.

„Niemand, wie niemand niemand?“ Ich will nur ganz sicher gehen. Es könnte ja sein, dass meine Ohren ein paar missverständliche Schallwellen aufgenommen haben, die dann falsch in meinem Gehirn übersetzt wurden. Ist bestimmt schon mal vorkommen.

„Liz“, mahnt sie mich leicht ungeduldig.

„Okay, okay, ich habe schon verstanden“, lenke ich ein. Ich kneife kurz meine Augen zusammen. „Wirklich niemand?“

Mit einem Stöhnen verdreht sie die Augen und ich sehe aus meinem Augenwinkel heraus, wie Daniel versucht sich ein Lachen zu verkneifen.

„Liz, das ist wirklich ernst“, ermahnt sie mich leicht ungeduldig.

„Ich weiß, entschuldige. Es ist nur, weißt du, ich arbeite mit diesen Menschen jetzt seit über sechs Jahren zusammen und, und wir sind ein Team. Wir vertrauen uns. Wir haben uns geschworen, dass niemand jemals irgendwelche Alleingänge macht. Wir sind ein Team, Sam. Im Grunde missbrauche ich ihr Vertrauen, verstehst du? Ein Team.“

„Ja“, sagt sie mit einem Nicken. „Ich verstehe was du meinst. Ich verstehe sogar sehr gut, was du meinst. Glaub mir.“ Und als ich mich in diesem Jeep umsehe, merke ich, dass sie mir die Wahrheit sagt. Hier sitzen die Leute, die ihr Team sind, vermutlich ihre kleine Familie, wie mein Team zu meiner Familie geworden ist. Ja, ich glaube ihr. „Ich wünschte wirklich, dass es anders wäre, aber das ist es nicht. Ich weiß genau wie das ist.“ Ja, das habe ich bereits gemerkt. Bis dato konnte ich es nie wirklich nachvollziehen, aber jetzt befinde ich mich im Grunde in genau derselben Position und Mann, ist das beschissen. Alles zu wissen und nichts darf man davon erzählen!

„Okay, ich bin ganz Ohr“, öffne ich mich schließlich. Was soll’s? Zurück kann ich eh nicht mehr. Ob ich jetzt unwissend sterbe oder wenigstens mit etwas Gewissheit. Und wer weiß, vielleicht erfahren es meine Kollegen doch noch irgendwann. Es macht mich nicht stolz, ganz und gar nicht, aber ich befinde mich im Moment mitten in der Einöde und wir sind auf den Weg zu einer Ausgrabungsstelle, die der Regierung so wichtig ist, dass niemand davon wissen darf, also habe ich ja zumindest das gute Recht zu erfahren, was hier los ist.

„1928 wurde in Gizeh ein Apparat entdeckt, den wir Stargate nennen. Dieses Stargate, das aussieht, wie ein großer runder Kreis, ist mit Hilfe von massig Energie dazu in der Lage ein Ereignishorizont zu etablieren…“ Und so weiter und so weiter… Ob ich bereits diesen nichts sagenden Ausdruck auf meinem Gesicht habe? Also, irgendwo zwischen Ereignishorizont, Wurmloch und anderen Planeten, hat mein Film einen Riss bekommen. Versteht mich nicht falsch, Sam hat es so einfach erklärt, dass es selbst ein Grundschüler verstehen kann, aber kapieren tu ich es trotzdem nicht. Meine Lippen sind zusammengepresst und ich nicke ein paar Mal. Ob es auffällt, dass ich im Grunde keine Ahnung von dem habe, was sie mir da gerade erzählt hat? „Und was sagst du?“ Sie beißt sich zögernd auf ihre Unterlippe und sieht mich erwartungsvoll an. Genau wie drei weitere Augenpaare.

„Seid ihr verrückt?“, stelle ich schließlich die Frage, die mir schon die ganze Zeit durch den Kopf schwirrt. Ich sehe so etwas wie Enttäuschung in Sams Blick. Gut, Liz, jetzt atme einmal tief durch und dann gehst du das ganz logisch an. „Okay, nur dass ich das richtig verstanden habe. Bei euch im Berg, unter der Erde, steht ein außerirdisches Gerät, welches einem ermöglicht auf andere Planeten zu reisen? Planeten, die auch außerhalb unseres Sonnensystems liegen. Und auf dieser Reise durch dieses ‚Wurmloch’“ Ich wackle mit meinen beiden Mittel- und Zeigefinger, „wird unser Körper in winzige Teilchen aufgelöst und am Ende, wenn wir auf dem anderen Planeten rauskommen, ist er wieder vollständig zusammengesetzt, ja?“

„Ja, genau“, stimmt mir Sam zu.

„Und das ist auch sicher? Ich meine, die Vorstellung in seine Urbestandteile zerlegt zu werden ist nicht wirklich angenehm. Nicht, dass hinterher irgendwas fehlt. Ein Atom oder so. Das kann doch nicht verschwinden, oder?“

Erst werde ich nur angestarrt, aber dann beginnt Sam zu lachen. „Liz“, schmunzelt sie, „wo soll es denn hin?“

„Na, keine Ahnung! Vielleicht auf einen anderen Planeten? Es gibt doch Millionen dort draußen.“

„Das passiert bestimmt nicht“, versichert sie mir. „Ein Wurmloch kann nur zwischen zwei Toren aufgebaut werden.“

„Gut, ich wollte nur ganz sicher gehen.“ Das ist verrückt. Absolut und vollkommen verrückt. „Und auf diesen Planeten befinden sich böse Außerirdische?“

„Nicht überall. Aber es kommt vor.“

„Keine kleine, grüne Männchen?“ Meine Sorge, dass Sams tägliche Flucht unter die Erde vielleicht doch irgendwelche Auswirkungen haben könnte, macht sich urplötzlich wieder in meinem Bauch breit.

„Grau“, kommt es von Colonel.

„Wie bitte?“

„Sie sind grau, nicht grün.“ Er dreht sich halb zu mir um und mir bleibt sprichwörtlich das Herz im Halse stecken! Herr Gott noch mal, schau auf die Straße! Das Gelände ist alles andere als sicher. Und wenn ich ehrlich bin, dann verspüre ich nicht gerade das besonders große Verlangen auf ein Kreuz am Straßenrand reduziert zu werden, welches so großzügig daraufhin weist, wie viele Menschen hier schon ihr Leben gelassen haben. Oh nein, nein, nein, ich gehöre auf keinen Fall dazu und die anderen werden es auch nicht! Also, Kopf nach vorne, Augen geradeaus! Die Worte liegen bereits auf meinen Lippen, bevor er betont langsam wieder nach vorne schaut. Atmen, Liz, du kannst wieder anfangen zu atmen...dieser verdammte... Mann!

„Oh… natürlich, hatte ich vergessen“, murmle ich noch leicht benommen. Verdammt, sollte er das auch nur noch einmal machen, steige ich aus und gehe zu Fuß. Und es ist mir egal, wie weit es noch ist. Auf meine Füße kann ich mich wenigstens verlassen.

Er und Sam tauschen einen kurzen Blick aus, der aber aussagekräftiger nicht hätte sein können. „Liz, ich weiß, dass ist schwer für dich zu verstehen, aber glaube mir, ich sage dir die Wahrheit.“

Ich schiele von ihr zu Daniel, der nur leicht zustimmend die Schultern zuckt. Oh kommt schon, Leute! Daniel! Dass glauben Sie doch nicht wirklich?!

„Ich habe herausgefunden, welche Adresse nötig war, um es zu einem Planeten zu öffnen und dank Sam ist es seit fast fünf Jahren in Betrieb.“ Ich muss ihn vollkommen apathisch angestarrt haben. Wie bitte?

„Ich hatte schon erwähnt, dass ihr verrückt seid, nicht wahr?“

„Teal’c“, kommt es vom Colonel und es klingt mehr wie eine Aufforderung, als eine Frage. Jedenfalls scheint dieser genau zu wissen, was von ihm verlangt wird und er zieht sein T-Shirt hoch. Und… oh mein Gott… was ist *das*?

Ich habe mich ja schon ehrlich gesagt über sein goldenes Emblem auf der Stirn gewundert, aber wenn man bedenkt, dass ich bereits in einem Dorf war, wo sich die Leute ganze Teller in die Lippe geschoben haben, ist ein goldenes Tattoo eine kleine Nebensache. Manche Menschen lassen sich ganz andere Sachen auf ganz andere Körperteile tätowieren… aber einen aufgeschlitzten Bauch ist da schon was ganz anderes. Aber das ist ja noch nicht alles… nein, aus seinem Bauch kommt ein quietschendes, fiependes Etwas gekrochen… „Gott… ist das ekelig“, würge ich hervor.

„Endlich sind wir mal einer Meinung“, höre ich dem Colonel murmeln. Und dann verschwindet diese merkwürdige Kreatur glücklicherweise wieder in dem Mann.

Glaubt mir, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, ich wäre ohne Umschweife auf Daniels Schoß geklettert. Das ist ja widerlich! Das, das ist… so ein Viech, welches angeblich der größte Feind der Menschheit ist, sitzt direkt neben mir! Das ist doch ein vernünftiger Grund leicht in Panik zu geraten, ja? Das ist weder unprofessionell noch total hysterisch, nicht wahr? Es ist jetzt vollkommen normal, dass ich gleich DURCHDREHE, ja?

„Du brauchst vor Teal’c keine Angst zu haben“, versucht Sam mich zu beruhigen.

„Ha!“, lache ich auf und beuge mich zu ihr nach vorne. „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, aber der hat ne Schlange in seinem Bauch.“

„Ich weiß. Aber dennoch ist Teal’c einer von uns.“

Rede ich eigentlich chinesisch oder sind die alle blind? „Sam, du verstehst nicht, der hat ne Schlange in seinem Bauch!“, wiederhole ich meine Worte langsam mit einer schwankenden Hysterie in meiner Stimme.

„Teal’c wird nicht von dem Symbionten beherrscht. Er ist ein Jaffa.“

„Jaffa?“ Oh das erklärt natürlich alles! Na wenn das so ist... warum machst du dir eigentlich Sorgen, Liz? Mensch, er ist ein Jaffa! Entschuldigt, hatte ich ganz vergessen. Leute, bitte nehmt das jetzt nicht persönlich, aber ihr habt einen Knall. Alle durch die Bank.

„Liz?“, holt mich Sam wieder zurück zum Thema… und Mensch, was für’n Thema. Mir ist jetzt noch ganz schummrig. „Alles in Ordnung?“, Fragt sie mich vorsichtig.

Und, meine Lieben, glaubt mir, wenn ich sage, dass ich das erste Mal in meinem Leben sprachlos bin. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Mir fällt nicht mal ansatzweise ein, wie ich darauf antworten soll. Mein Mund steht offen, aber kein Ton kommt heraus. Im Grunde ist es eine Schande, dass mir kein passender Spruch einfällt, sonst kann die Situation noch so verrückt sein, aber ich kann mich immer drauf verlassen, dass mir etwas Passendes – oder auch mal gelegentlich etwas Unpassendes – einfällt. Aber hier? Alles wie weggeblasen. Nada, nichts, einfach nur leer. Selbst ein Vakuum könnte dieses Vakuum ausfüllen.

Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als meinen Mund wieder zu schließen. Nicht, dass mein Herz noch kalt wird und ich an Unterkühlung sterbe.


+++++


Wir brauchen also keine Helfer, ja? Vor knapp zwei Stunden waren wir am Grenzscheit unserer Wege angelangt und erwartet wurden wir von nur einem Offizier, der den Jeep wieder heile zurückfahren würde – ohne die Ausrüstung versteht sich. Und keine weiteren Soldaten, die uns etwas Last abnehmen. Was war noch gleich der Grund? Ach ja, angeblich seien die Soldaten, die befugt wären auf dieser Mission dabei zu sein, im Moment unabkömmlich. Sie haben selbst Mission, die Vorrang haben! Mensch, wenn ich gewusst hätte, dass ich hier Packesel spielen darf... na ja, nur nicht aufregen, bringt eh nichts. Also wurde alles herunter geladen und zum Teil die Boxen geöffnet. Mit meiner anfänglichen Vermutung bezüglich der Waffen habe ich gar nicht mal so falsch gelegen. Die vier haben sich dieser metallischen Geschosse wie selbstverständlich bedient. Selbst Daniel hat sich ausgerüstet, zwar nicht mit so einem MP - Dingsbums… wie auch immer dieses Gerät heißen mag, aber zwei Handfeuerwaffen verschwanden in seiner Halterung.

Obwohl es hier unerträglich heiß ist, dass selbst die kleinste Handbewegung einen das Gefühl gibt den ganzen Tag durchgeschuftet zu haben, läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich hasse Waffen. Ich hasse sie wirklich. Sie sind gefährlich und machen mir Angst. Ich habe mich immer von Waffen fern gehalten. Selbst in der heutigen Zeit hatte ich noch nie das unbeschreibliche Verlangen gespürt mal eine richtige Waffe, mit richtiger, scharfer Munition in der Hand zu halten. Denn eines habe ich gelernt, egal wo es Waffen gibt, werden die auch eingesetzt und dann gibt es Verletzte, wenn nicht sogar noch schlimmer – Tote. Und, und Sam jetzt bis unter beide Arme bewaffnet vor mir stehen zu sehen, das ist etwas… diese Sam kenne ich nicht. Das ist nicht meine Sam. Das ist Major Carter – Sam. Ich frage mich, wozu man sich so bewaffnen muss, wenn man sich lediglich eine Ausgrabungsstelle ansieht. Gut, es ist keine absolut sichere Gegend, hier und da tauchen schon mal ungebetene Gäste auf, aber das hier… ich habe das Gefühl in einem Krieg zu ziehen. Oder glauben die etwa irgendwelche Außerirdischen werden uns einen Besuch abstatten?

Die anderen drei Boxen waren dann wohl doch tatsächlich mit Ausrüstung ausgestattet. Eine für Sam und eine Box für Daniel, was sich in der anderen befindet weiß ich nicht. Vielleicht ja so etwas Nützliches wie auch lebenswichtige wie Nahrung? Bin mal gespannt, was Daniel darin alles versteckt hat… aber noch mehr interessiert es mich, was Sam da mit sich schleppt. Immerhin ist sie nicht die Archäologin unter uns und genau dieser Gedanke lässt mich unweigerlich zu der Schlussfolgerung kommen, dass es dort etwas geben muss, dass nicht nur interessant für uns Vergangenheitserkundler ist.

Zu meiner Schmach muss ich gestehen, dass ich hier die einzige im Team bin, die nicht wirklich durchtrainiert ist. Ich habe keine Probleme damit lange Strecken zurückzulegen, das gehört alles zu meinem Job dazu, aber ich habe noch nie so eine Strecke, in so kurzer Zeit, so voll gepackt zurückgelegt. Ich übertreibe keineswegs, wenn ich sage, dass ich jeden einzelnen Knochen – Mensch, sogar jede Zelle – meines Körpers spüren kann. Selbst an Stellen, wo ich dachte, dass sich dort die Muskeln schon längst verabschiedet hätten. Ich weiß jetzt schon mit hundertprozentiger Sicherheit, dass ich mich morgen keinen Zentimeter bewegen kann und dann auch nur unter schweren Protest meines gesamten Körpers.

Kurz bevor der Colonel endlich das Zeichen gibt Rast zu machen und das Lager für die Nacht aufzuschlagen – in diesem Moment hätte ich ihm am liebsten die Füße geküsst, wenn meine Knie nicht so rebelliert hätten – bin ich gewillt nicht auch noch einen einzigen Schritt zu machen. Wenn es nötig gewesen wäre, ich wäre an Ort und Stelle zusammengeklappt. Ich bin fix und fertig, K.O., fertig mit der Welt und so ist es kein Wunder, dass ich die Box, die ich mit Sam getragen habe, mit einem erleichterten und schweren Seufzen auf den Boden fallen lasse. Über *diesen* Inhalt werde ich noch mal ein Wörtchen mit ihr reden müssen. Was schleppt sie da mit? Zementblöcke? Ich plädiere stark dafür, dass wir uns einen praktischen, fahrbaren Untersatz für die Kisten anschaffen.

Aber das kann definitiv noch warten. Jetzt bin ich erst einmal zufrieden, hier im Zelt zu liegen und mich nicht rühren zu müssen. Sam und ich dürfen dieses schmucke Zelt unser mobiles Schlafzimmer nennen. Nur leider kann ich nicht die Ruhe finden, von der ich vor einer halben Stunde noch gedacht hatte, dass sie mich jede Sekunde überrennen würde. Zu viel schwirrt mir noch durch den Kopf. Während der gesamten Reise hierher, habe ich mir Gedanken über das gemacht, was Sam mir erzählt hat. Es klingt einfach zu unglaublich, als dass es wahr sein könnte! Gib einem Produzent und einem Drehbuchautor diese Story und kein Jahr später ist es der Blockbuster in allen Kinos, aber so was soll wirklich passieren? Oder besser noch, ist schon seit knapp fünf Jahren in Hochbetrieb? Mensch, wenn nicht Sam diejenige gewesen wäre, die es mir erzählt hätte, ich hätte keine Sekunde gezögert und die Jungs mit den weißen, schicken Jacken angerufen. Aber da liegt das Problem. Sam hat es mir erzählt. Und sie ist der bodenständigste Mensch, den ich kenne. Warum sollte sie sich so was ausdenken? Und auch der Colonel… nur weil wir beide bisher nicht besten Freunde waren, traue ich ihm nicht zu, dass er sich so etwas aus dem Hut zaubern würde. Nie und nimmer. Dazu ist er mir viel zu... Militär.

Gott, es wäre ein total ignoranter und primitiver Gedanke überhaupt anzunehmen, dass wir die einzigen Lebewesen im Weltall wären. Nicht einmal der verborteste Wissenschaftler der Welt kann das behaupten. Ich hätte ehrlich gesagt nur nie damit gerechnet dem Ganzen *so* nahe zu kommen. Für meinen Geschmack ein klein wenig zu nah. Ha, und nur wenige Meter von mir entfernt befindet sich der lebende Beweis und laut dem, was ich heute erfahren habe, muss er sich schon seit gut fünf Jahren auf diesem Planeten befinden und Sam arbeitet mit ihm zusammen. Sie sind zusammen in einem Team. Wie verrückt ist das?

Ziemlich verrückt, nicht wahr? Aber niemand hier scheint damit ein Problem zu haben und ich werde ganz bestimmt nicht diejenige sein, die deshalb ausflippt. Denn im Grunde sieht Teal’c aus wie ein ganz normaler Mensch. Solange er nicht wieder sein T-Shirt anhebt, ist er ein ganz normaler Mensch. An ihm ist nichts besonderes… ein ganz normaler Mensch. Vielleicht ein bisschen wortkarg, aber ein Mensch. Wie du und ich… Siehst du, Liz, klappt doch prima.

Und… ouch! Was ist das? Aber ich brauche mich gar nicht umzudrehen, um zu wissen was oder besser *wer* das ist. Sam scheint einen sehr lebhaften Schlaf zu haben. Denn unweigerlich folgt ein Tritt direkt in meine Kniekehlen. Au! Herr Gott noch mal! Das tut weh! Ich bin drauf und dran mich zu ihr umzudrehen und sie zu fragen, was sie sich denn bitte schön dabei denkt, als es plötzlich still neben mir wird. Dann nach einer kurzen Pause folgt ein Rascheln und ich höre, wie sie sich neben mir aufsetzt und das Zelt öffnet. Ich verharre in meiner Position und beobachte aus dem Augenwinkel heraus, wie sie vorsichtig aus dem Zelt krabbelt.

Mensch, das muss ja ein Traum gewesen sein. Bestimmt nicht schön. Wenn man so um sich schlägt. Ich hatte es mich einmal gewagt Sam nach einem Alptraum anzusprechen und seit diesem Tag habe ich mir geschworen es nie wieder zu tun. Es war nicht so, dass Sam unbedingt böse auf mich gewesen war, es war etwas anderes, ich kann es heute noch nicht genau beschreiben. Aber eines ist gewiss, für Sam gibt es nichts schlimmeres, wenn man sie schwach sieht. Sie war schon immer die Starke, egal worum es ging. Sei es einfach nur, dass sie sich verletzt hatte und um nichts in der Welt in Tränen ausbrechen wollte, sondern sich solange auf die Zunge biss, bis der Schmerz einigermaßen erträglich war. Sie war schon immer ein Soldat gewesen, selbst als die Air Force noch Jahre entfernt war.

„Hey, Carter“, höre ich den Colonel leise sagen, als sich Sam neben ihm an das Feuer setzt. Sie hat das Zelt nicht wieder geschlossen, so dass ich durch den Schlitz hinaussehen kann. Sie sitzen nicht gerade Hüfte an Hüfte, aber nahe genug, um sich zu unterhalten, ohne die Stimme besonders laut zu erheben.

„Sir“, antwortet sie.

„Sie sollten schlafen. Morgen wird noch ein anstrengender Tag.“

„Genau wie Sie“, antwortet Sam leise und ich sehe, wie sie auf die glühende Asche hinunterschaut.

„Ja“, seufzt er. „Ist nur ungewohnt auf einer Mission keine Wache zu schieben.“

Und jetzt, wo ich ihn so betrachte und reden höre, dann ist er nicht mehr der Colonel, dem ich noch vor wenigen Stunden gegenüberstand. Gott, er und Sam sind sich in dieser Sache so ähnlich. Man könnte hier sogar den Vergleich mit Jackle und Hyde wagen. Zwei vollkommen unterschiedliche Menschen in einer Person. Tagsüber die Soldaten und wenn niemand hinsieht, sickert die andere Seite durch. Und wenn ich mir das hier so betrachte, dann auch nur in Maßen. Mir persönlich wäre diese ständige Maskerade viel zu anstrengend. Selbst jetzt kann sich Sam nicht entspannen. Ich sehe, wie sie hinunter auf ihre Uhr schaut.

„Dann wäre in zwanzig Minuten meine Schicht, Sir.“

Er lacht leise. „Ja.“ Schließlich schaut er zu ihr auf und ich sehe ein merkwürdiges Glitzern in seinen Augen. Aber ich kann mich auch irren. Das Feuer ist auch nicht mehr das, was es noch vor einer Stunde mal war. „Wissen Sie, ich habe gar nicht das Gefühl auf der Erde zu sein.“

Sam lächelt ebenfalls. „Wir waren aber noch nie in so einem Regenwald, Sir.“

„Nein“, sagt er kopfschüttelnd. „Wir hatten normale… Kansas-Wälder.“

„Wüste.“

„Wasser.“

„Oh ja… und Eis…“, flüstert sie leise, aber diesmal wendet er schnell seinen Blick ab. Woah, was war das? Habe ich hier etwas verpasst?

„Eis…“, murmelt er. Sam, für ihren Teil, findet ebenfalls das Feuer viel interessanter. Ich habe hier definitiv etwas verpasst. Wie kann die Stimmung denn plötzlich nur so umschlagen? Sam, ich glaube, wir müssen uns noch mal ernsthaft unterhalten. Aber diesmal richtig. Wow... die Befangenheit der beiden schwappt förmlich zu mir rüber. Die beiden schaffen es doch tatsächlich sich bestimmt ganze fünf Minuten einfach nur anzuschweigen! Ist das zu fassen? Meiner einer wäre schon längst verrückt geworden. Nicht, dass ich ständig jemand am quasseln haben muss, aber dieses Schweigen ist so bedrückend, dass es schon praktisch wie eine schwere Gewitterwolke über den beiden hängt.
„Also“, sagt er schließlich mit einem Räuspern und etwas heiterer, aufgesetzten Stimme. Man muss ihm zumindest anrechnen, dass er es versucht. Junge, und ich habe Probleme? „Denken Sie, der Doc wird es schaffen?“ Meint er damit etwa mich? Was soll ich schaffen?

Sam, offensichtlich mehr als erleichtert, dass er das Thema gewechselt hat, schaut zu ihm auf. „Es mag für sie im Moment zwar alles etwas überwältigend sein, aber ich denke, Sie können sich auf Liz verlassen.“ Oh, vielen Dank. Ich wusste doch, dass er mich nicht dabeihaben will und jetzt muss Sam dafür gerade stehen? Ich will gar nicht wissen, was sie dem General alles erzählt hat, damit ich hier jetzt liegen kann und das Vergnügen habe sämtliche Muskeln zu spüren. Sam legt ihren Kopf leicht schief und beobachtet ihn durch leicht zusammengekniffene Augen. „Sie vertrauen ihr nicht?“ Was für eine Überraschung! Hätte ich jetzt nicht gedacht.

Und er zuckt nur mit den Schultern. „Ich vertraue *Ihnen*, Carter. Wenn Sie der Meinung sind, dass Dr. Sullivan es schafft, dann reicht mir das.“ Mensch, ich will nur ein klitzekleines Stückchen von diesem Vertrauen abhaben. Kein Wunder, dass Sam ihn anlächelt als habe man ihr gerade das größte Geschenk auf Erden gemacht und vermutlich in ihrer Welt, hat man das auch. Denn, wenn ich genau drüber nachdenke, ist so ein Kompliment von einem höherrangigen Offizier das wohl dickste Lob, welches man bekommen kann. Und sie strahlt wirklich. Sie strahlt. Meine Sam strahlt wieder. Oh, Süße, das solltest du viel öfters tragen. Steht dir um einiges besser.

„Danke, Sir“, sagt sie leise. „Das bedeutet mir viel.“

„Nur die Wahrheit, Carter. Nur die Wahrheit.“

„Ich weiß ja, was Sie von Wissenschaftler halten…“

Bei dieser Bemerkung fliegt sein Kopf nach oben. „Oh, ich liebe Wissenschaftler, Carter.“ Oh ja, ich habe gemerkt, wie sehr er mich *geliebt* hat. Wahnsinnig. Konnte mich kaum vor seinem Charme retten.

„Wirklich?“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme ist nicht zu überhören, auch wenn ich mir sicher bin so etwas wie einen Funken von Sicherheit heraus zu hören.

Er räuspert sich kurz. „Na ja, ein paar sind mir ganz… sympathisch.“ Er zuckt kurz mit den Schultern.

„Genau...“, stimmt ihm Sam keinesfalls überzeugt zu. „Wenn ich mich recht erinnere, dann standen Daniel und ich anfangs auch nicht gerade auf Ihrer Liste ganz oben.“

„Hey“, unterbricht er sie, aber verstummt dann wieder, weil er absolut keine Ahnung hat, wie er seinen Satz weiterführen soll.

„Ist es denn nicht so?“, fragt sie weder beleidigt noch verletzt, sondern einfach nur neugierig.

„Nein.“

Sam schweigt.

„Okay... aber Daniel war oder ist... eben Daniel und Sie, na ja... Sie...“ Unbeholfen fuchtelt er mit seiner Hand herum. „Carter, Sie sind Major...“

„... und Wissenschaftlerin“, beendet sie großzügig für ihn den Satz. Und dann, zu meiner und Colonel O'Neills großer Überraschung fängt sie leicht an zu lachen. „Aber Sie hatten allen Grund mich nicht zu mögen. Gott, wenn ich heute daran denke, wie ich mich damals benommen habe. Kein Wunder, dass Sie mich gehasst haben.“

„Ich habe Sie nicht gehasst.“

Sam bedenkt ihn mit einem skeptischen Blick. „Ich bitte Sie, nachdem, was ich zu Ihnen gesagt habe? Das hätte als Beleidigung eines Höherrangigen Offiziers durchgehen können.“

Huh? Wie? Sam hat ihn beleidigt? Oh weiha... was hatte er gemacht, damit Sam dermaßen ihre Fassung verliert?

„Dann können Sie ja von Glück reden, dass es mich eher amüsiert hat.“

„Sir?“ Joah, das interessiert mich jetzt aber auch.

Mit einem rätselhaften Lächeln, lehnt er sich leicht zurück. Für einen ganzen Moment antwortet er ihr nicht, sondern sieht sie einfach nur an. „Wissen Sie, Carter, irgendwann werde ich noch mal auf Ihr Angebot zurückkommen.“ Wowowowow, Moment Mal. Jetzt noch mal ganz langsam. WAS? Das hier geht aber weit darüber hinaus, was man als eine leicht zweideutige Unterhaltung betiteln könnte. Was in Gottes Namen ist hier los? Und, Sam? Was für ein Angebot??? Könnte mich hier bitte mal jemand aufklären? Während ich hier mit dimensionalen Wissenslücken kämpfe, scheine ich förmlich das Klimpern von Sams Wimpern zu hören.

„Sir?“

„Na ja, denken Sie nicht, dass ich Ihr Angebot mit mir Armdrücken zu wollen, vergessen habe.“ Häh? Armdrücken? Wie jetzt?

Doch dann wird sein Blick irgendwie verträumt, so als wenn er sich auf einer ganz anderen Ebene bewegen würde. „Können Sie sich noch an das erste Mal durch das Tor erinnern?“

„Oh ja“, lacht Sam auf. „ Ich hatte Angst, dass Sie mich wieder aus dem Team schmeißen würden.“

„Ehrlich?“

Diesmal ist sie, die mit den Schultern zuckt. „Na ja, wirklich professionell habe ich mich nicht benommen.“

„Ich habe Sie durch das Tor geschubst.“

„Ja, aber nur weil ich zu aufgekratzt war.“

Er schüttelt nur den Kopf. „Das war ganz normal. Bei meinen aller ersten Einsätzen war ich genauso. Es hat mich nur an das erinnert, was ich einmal war.“

„Sir...“

„Nein, ehrlich, Carter. Halb so wild. Alte Sentimentalität und Bewunderung.“

„Bewunderung?“ Verblüfft zieht Sam ihre Augenbrauen hoch.

So, als ob es im leicht peinlich wäre, nickt er leicht mit Kopf. „Ich habe Sie bewundert für Ihren Enthusiasmus.“

Wow, ein paar simple Worte und Sam hat es die Sprache verschlagen. Sie starrt ihn förmlich mit offen stehenden Mund an. Ja, mir geht es ähnlich. Der Colonel ist ungewöhnlich offen und irgendwie ist das... merkwürdig. Sam rutscht schließlich etwas nervös auf ihrem Platz herum. Und dann kommt es. Also, ich bin mir nicht sicher, ob mir meine Ohren einen schlechten Streich gespielt haben, aber wenn mich nicht alles täuscht, dann höre ich noch ein „Tue ich immer noch“, von ihm gemurmelt. Definitiv mehr als zweideutig. Aber ich kann mich natürlich auch nur geirrt haben. Die Geräuschkulisse im Dschungel ist enorm. Mann oh Mann, was man nicht so alles erfährt. Und solche wichtigen Informationen hält mir Sam vor? Mensch, ich scheine hier nicht der einzige Blindfisch zu sein! Aber ich werde mich hüten auch nur irgendwas in diese Richtung zu erwähnen, nicht wenn es unbedingt notwendig ist, oder Sam von selbst mal einen Schlenker in diese Richtung macht. Der Colonel und Sam also... wer hätte das gedacht... Auch wenn es nicht sonderlich verwunderlich ist. Sam hatte schon immer einen gewissen Hang zu der „gefährlichen“ Sorte Mann. Wenn ich da nur an den Lackaffen von Jonas denke. Bei dem Kerl hatten Sam wahrhaftig alle guten Sinne verlassen. Ich hoffe nur, dass der Colonel nicht eine Imitation dieser Variante von Mann ist. „Sehen Sie, Carter, ich kann Sie gar nicht gehasst haben. Außerdem gibt es nicht viele Wissenschaftler, die mir schon den Hintern gerettet haben.“

Okay, dazu zähle ich nun bestimmt nicht, aber so wie Sam leicht nickt, gehört sie wohl zu diesen Personen. „Das ist mein Job.“

„Was? Meinen Hintern zu retten?“

Er lacht sie schief an und ich merke, wie sich meine Mundwinkel langsam nach oben ziehen, aber ein Blick in Sams ernstes und ganz und gar nicht belustigtes Gesicht, lässt jeglichen Witz schwinden.

„Nein, Sir. Aber es ist mein Job dafür zu sorgen, dass alles läuft… das Stargate…“

„Siler ist auch gut in solchen Dingen oder Walter....“

„Ich weiß.“

„Aber?“

Sam schüttelt nur den Kopf. „Nichts, es ist nichts.“ Oh, *das* kenne ich nur allzu gut. Jetzt macht sie wieder einen Rückzieher. In ihrem Kopf überschlagen sich die Gedanken und bevor es zu kompliziert wird, schlägt sie lieber den einfachen Weg ein und tut so, als ob nichts gewesen wäre. Sam ist zwar kein Mensch, der sich vor Konfrontationen scheut, aber auch nur, wenn sie sich da auf sicherem Terrain befindet. Sobald es persönlich wird, sind die Schotten dicht. Das wird ja langsam zur Gewohnheit.

Der Colonel scheint aufgeweckter zu sein, als ich anfangs angenommen habe. Denn alle Zeichen sprechen dafür, dass er ihr nicht glaubt. Um das zu erkennen, muss man zwar kein Genie sein, aber wenn Sam nicht will, dann will sie nicht und verstecken kann sie das ziemlich gut. Habe ihr sogar mal aus dem Eifer eines Gefechts vorgeschlagen sich als Schauspielerin zu versuchen, denn da hätte sie echte Chancen einen Oskar zu gewinnen. „Also, Carter, was ist los?“

Das Feuer birgt noch so viel Licht, dass ich den inneren Kampf von Sam in ihren Augen sehen kann. Würde sie ihn anlügen oder vielleicht mit der Sprache rausrücken? Ich hoffe inständig auf das Letztere. Und schließlich seufzte sie nur. „Es ist, ähm…“, beginnt sie zögernd und spielt nervös mit einem Stock herum, mit dem sie immer wieder in die Asche sticht. „Ich hätte etwas merken müssen. Schon als wir das MALP durch das Tor geschickt haben. Die Daten waren merkwürdig gewesen und…“

„Carter, niemand konnte zu dem Zeitpunkt wissen, was sich dort auf dem Planeten befindet.“

Sie seufzt leise. „Ich hätte auf Teal’c hören sollen. Er hat kein gutes Gefühl bei der Sache gehabt.“

„Ja, Junior scheint ein Gespür dafür zu haben.“ Ich glaub’s echt nicht. Jetzt wird dieser Schlange auch noch einen Namen gegeben… „Ist sonst noch was?“ Ich würde mal sagen, ja. Sam sieht so aus, als ob eine ganze Tonne von Ballast auf ihr kleben würde. Das beste Mittel ist ja, es sich einfach von der Seele zu reden, aber wie ich Sam kenne…

„Ich... wo waren Sie?“

Überrascht sieht der Colonel sie an. Offensichtlich hat ihn diese Frage aus dem Gleichgewicht gebracht.

„Wo ich war? Was meine Sie?“

Mit einem leichten Kopfschütteln wendet Sam ihren Blick ab. Sie starrt in die Glut, ihre Gedanken meilenweit entfernt. „Als ich auf der Krankenstation lag. Wo waren Sie?“

„Ich... ich war... Carter...“

Verletzt richtet Sam ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Die Schmerzen sich daran zu erinnern, stehen ihr ins Gesicht geschrieben. Ich würde am liebsten raus rennen und sie in meine Arme schließen. Den Colonel einfach in die ewigen Jagdgründe jagen! Was denkt er sich denn dabei? Meine Sam so zu verletzen?

„Hat es Sie nicht interessiert?“

„Doch.“ Jetzt ist er es, der vehement mit dem Kopf schüttelt. Ihm fällt es offensichtlich noch schwerer als Sam über diese Sache zu sprechen. Na, da haben sich ja zwei Spezialisten gefunden. „So ist das nicht. Ich, ich wusste nicht wie... Sie haben da gelegen und ich...“ Er atmet einmal tief durch, während beide Hände durch seine grauen Haare fahren und auf dem Kopf verharren. „Ich habe mit Janet gesprochen“, beginnt er.

„Janet?“ Echot Sam. „Sie haben mit Janet über mich gesprochen?“ Ich kann ihre Gedanken förmlich hören. 'Wieso reden Sie mit ihr, anstatt mit mir? Habe ich nicht wenigstens das verdient?'

„Ich wollte Sie besuchen. Aber Janet meinte, Sie bräuchten Ruhe und...“

„Nein“, unterbricht Sam ihn. „Ich wollte mit Ihnen reden, aber Sie sind nicht da gewesen. Wieso?“

„Ich wusste nicht...“ Jetzt sieht er sie direkt an. „Ich habe auf Sie geschossen, Carter“, kam es nur in einem Flüstern über seine Lippen.

„Und das ist der Grund?“ Er schweigt. Sein Gesicht ist wie versteinert. „Ich denke, es gibt einen anderen Grund.“

„Wirklich?

„Ja, ich denke, dass es Sie wahnsinnig gemacht hat.“

Und das überrascht jetzt wiederum ihn. Ist ja hier wie in einem Ping-Pong-Spiel. „Wahnsinnig? Ich? Was?“

Ein kurzes, nichts sagendes Schulterzucken, bevor sie dunkel auflacht. Ich weiß jetzt wirklich nicht, was daran komisch sein soll. „Ist das nicht offensichtlich?“

Er erstarrt kurz und rührt sich keinen Zentimeter. Nicht mal seine Augen zeigen irgendeine Regung, kein Blinzeln. Gar nichts. Wenn ich mal raten darf. Sie hat genau ins Schwarze getroffen und dann zieht er leicht seine Augenbrauen hoch. „Und warum sollte ich das Ihrer Meinung nach sein?“, Fragt er mit einem leichten angespannten Zittern in seiner Stimme.

„Wir alle haben Ihren Rat missachtet. Wir haben uns über Ihren Kopf hinweggesetzt. Sie wollten nicht, dass wir mit der Entität kommunizieren.“

„Ganz genau!“, platzt es urknallartig aus ihm heraus. Er wendet seinen Blick von ihr ab und schaut hinaus in die dunkle Nacht, lauscht den nächtlichen Tieren, die um uns herum ihrer Natur nachgehen. So sieht es jedenfalls aus, denn eines weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit. Bei Nacht birgt der Dschungel eine Menge Geräusche, eine Menge Schatten und eine Menge Gefahren. Hier kann man sogar getrost davon ausgehen, dass die kleinen Mitbewohner unter uns gefährlicher sind als die Raubkatzen in den Bäumen über uns. „Verdammt, Carter“, zischt er plötzlich, ohne sie anzusehen. „Sie wollen wissen, warum ich wütend bin? Ich sage Ihnen, warum ich wütend bin! Sie haben mich dazu gezwungen auf Sie zu schießen! Weil keiner auf mich hören wollte, war ich gezwungen auf Sie zu schießen! Das hätte nicht passieren dürfen!“

„Ich weiß, Sir, ich weiß. Aber trotz allem, war es nicht falsch.“

„Gott, Carter, es hat uns beobachtet. Es war nicht organisch, es war… Mensch, keine Ahnung, was es war. Ich weiß nur, dass es gefährlich war. Es hatte sich ein Nest auf den Stützpunkt gebaut!“ Er schüttelt den Kopf. „Aber Sie und Daniel mussten ja unbedingt mit diesem Ding Kontakt aufnehmen… das hätte uns allen das Leben kosten können.“

„Wirklich, Sir?“

„Wirklich? Das hat es doch selbst zugegeben.“

„Nachdem es in mir war.“

„Was wollen Sie damit sagen?“ Ja, was willst du damit sagen? Ich versteh jetzt gar nichts mehr. Nicht, dass ich vorher schon viel davon verstanden hätte, aber jetzt stehe ich vor einen totalen Chaos. Gott, ist das kompliziert! Und ich dachte schon, ich hätte Probleme.

Sam atmet einmal tief durch. Offensichtlich hat sie schon eine Weile darüber nachgedacht und muss jetzt nur noch ihre Gedanken in Worte fassen. „Ich denke, dass es ein Fehler gewesen wäre, wenn wir es nicht versucht hätten. Ich meine, wir hatten keine Ahnung, was es war oder was es wollte oder was es anrichten könnte. Wir mussten Informationen sammeln.“

„Es hat sich in unser System eingenistet“, hält er ihr vor Augen.

„Ja, das hat es. Und dennoch, wenn wir es nicht versucht hätten...“

„Wenn wir es nicht versucht hätten?“ Hat er eigentlich immer die Angewohnheit alle Worte von Sam zu wiederholen? „Sie denken, ich hätte es auf diesen Versuch ankommen lassen sollen? Carter, es hat unser ganzes System lahm gelegt. Ihre Verbrennung an der Hand, war nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen.“ Okay, immerhin wäre das dann geklärt. Es war eine etwas andere Art von Kurzschluss gewesen, aber offensichtlich ein Kurzschluss. Mensch, ich glaube, ich muss mich wirklich mal bei ihr entschuldigen. „Nein, ich war nicht zu vorsichtig. Es hat sehr gut zur Geltung gebracht, was es wollte. Es war eine unbekannte Bedrohung.“

„Und nur weil es uns auf den ersten Blick unbekannt war, müssen wir es gleich töten?“

„Ich glaub das einfach nicht“, murmelt der Colonel und fährt sich frustriert mit einer Hand durch sein Haar. Ich kann’s gut nachvollziehen. „Bedrohung, Carter, es war eine gottverdammte Bedrohung. Es tut mir Leid, aber diesmal ist Ihre Entscheidung falsch gewesen.“

„Das denke ich nicht.“ Eines muss man Sam lassen. Es ist verdammt mutig einem Vorgesetzten so die Stirn zu bieten. Ich habe ja schon eine große Klappe, manchmal etwas zu groß, aber selbst mein Mundwerk weiß, wann es geschlossen bleiben soll, wenn ich mit meinem Chef spreche. Verdammt mutig und ich bete für dich, Sam, dass du dir da jetzt keinen Strick gedreht hast. „Es war richtig von mir, mit diesem Ding Kontakt aufzunehmen“, sagt sie langsam.

„Herr Gott noch mal, Carter! Bin ich hier eigentlich der einzige, der es sieht? Diese verdammte Ding hat von Ihnen Besitzt ergriffen, wissend, dass Sie dabei sterben werden!“

„Es hat versucht zu überleben.“

Er lacht nur auf. „Wissen Sie, jetzt hören Sie sich schon an wie Daniel. Denn genau das hat er auch zu mir gesagt, nachdem ich mit diesem Ding in Ihnen gesprochen habe und es mir gesagt hat, dass es Sie nicht verlassen kann ohne Sie zu töten.“

„Er hatte Recht. Wir haben unwissend ihren Planeten angegriffen! Sie haben sich nur gewehrt. Wir haben ihren Lebensraum zerstört. Es wäre unsere Schuld gewesen, wenn sie uns angegriffen hätten. Nur so konnten wir erfahren, was wir angerichtet haben.“ Sie atmet einmal tief durch und als sie erneut zu reden beginnt, ist ihre Stimme ruhiger. „Wenn wir es nicht gewusst hätten, hätte alles ganz anders enden können. Dann wäre nicht nur ich gestorben, sondern wir alle.“ Der Colonel starrt sie an, genau wie ich es aus dem Zelt heraus tue. Au weia... wir standen kurz davor zerstört zu werden?

Ich hänge hier ganz schön in der Luft. Denn ich weiß nicht, auf wessen Seite ich stehen soll. Ich meine, ich weiß nicht wirklich was vorgefallen war, aber Sams Argumente sind schon logisch, auch wenn ich die Details dessen nicht wirklich verstehe. Aber mein Herz sagt mir, dass der Colonel Recht hat. Gott, wenn ich nur dran denke, jemals in diese Situation zu kommen… der reinste Horror! Und ehrlich gesagt, verstehe ich Sam hier nicht so ganz. Ich hätte eine Mordswut auf den Mann, der mich getötet hatte, aber sie verteidigt auch noch ihr Handeln, was dazu geführt hatte. Angriff einer außerirdischen Zivilisation. Leute, ehrlich, das ist mir zu viel Science Fiction. Bleiben wir doch einfach bei der Geschichte mit dem Kurzschluss. Damit kann ich um einiges besser umgehen.

Und im Kopf des Colonels scheint es gerade richtig rundzugehen. Bisher hat er ihr noch nicht geantwortet und langsam wird Sam nervös. „Colonel?“

„Carter?“

„Sir, ich kann mir nicht mal… es tut mir Leid.“ Muss ich diesen Gedankensprung jetzt ernsthaft verstehen? Mensch, Leute, ihr bereitet mir Kopfschmerzen!

„Was?“, fragt er bitter und resigniert.

„Es ist nie meine Absicht gewesen, Sie in diese Situation zu bringen…“, flüstert sie. „Es war bestimmt nicht einfach.“

„Nein, das war es nicht. Ganz und gar nicht. Aber ich habe keine Wahl gehabt.“

„Die hatten Sie nicht, aber es war richtig“, stimmt sie ihm zu. Und plötzlich sind sie sich wieder einig. „Ich kann mir nicht mal annähernd vorstellen… Ich weiß nicht, ob ich an Ihrer Stelle dazu in der Lage gewesen wäre, Sir.“

„Doch, das wären Sie. Sie sind ein guter Offizier und das Wohl des Ganzen steht immer an erster Stelle und das wissen Sie. Pflicht und Ehre, Carter. Darum geht es. Darum darf es nur gehen. Nicht mehr...“ Für einen kurzen Augenblick bricht seine Stimme, „...und nicht weniger.“

„Aber, Sir, Sie sind…“

„Kein Aber, Carter. Sie haben Recht.“ Er seufzt einmal leise, weder wütend oder missmutig, sondern einfach nur erschöpft und dann lächelt er sie schief an. Es ist nur das glimmende Feuer, welches dieses Lächeln so leuchten lässt. Ich schwöre es euch, Leute, nur das Licht… aber meine Güte! Ein ganz anderes Licht… der Colonel erscheint einem aus einem ganz andere Licht. Jetzt sehen seine Züge sogar irgendwo weich, zufrieden und so… menschlich aus. Wow… der absolute Hammer.

Nur sehe ich dort jetzt nicht den Colonel sitzen, sondern Tom. Diese beiden Männer haben rein optisch nicht wirklich etwas gemeinsam. Der Colonel ist attraktiv, gar keine Frage, aber in dieser Sache standen Sam und ich uns nie wirklich im Weg. Der einzige gemeinsame Typ war eben Tom. Und jetzt sitzt er dort, im schimmernden Licht der Flammen und ich vermisse ihn. Ich vermisse ihn so sehr. Vielleicht merkt man es mir nicht an, aber wir haben seit eineinhalb Wochen kein Wort mehr miteinander gesprochen und das frisst mich langsam auf. Eineinhalb Wochen. Sonst haben wir jeden Tag mindestens einmal miteinander telefoniert. Ich vermisse seine Stimme, ich vermisse einfach die Gewissheit, dass ich ihn immer erreichen kann, wenn ich es will, wenn ich ihn brauche. Den Ring habe ich noch immer bei mir. Aufgrund meiner Arbeit habe ich meistens Angst ihm im ganzen Dschungel zu verlieren, also habe ich ihn an einer Kette um meinen Hals hängen. Irgendwo in meiner verdrehten Fantasie, trage ich ihn dort lieber als um meinen Finger. Denn dort ist er näher an meinem Herzen, näher bei mir. Ganz schön sentimental, nicht wahr? Und genau dieses Stück Metall fühlt sich jetzt zehn Zentner schwer an. Ich kann mich noch an seine Worte erinnern, als ich ihm zum ersten Male von diesem Fund erzählt habe. „Schatz“, hatte er gesagt, „wie wäre es, wenn ich bei deiner nächsten Reise mit dabei bin? Ich weiß doch, wie wichtig dir das ist.“ Ich meine, ich war total aus dem Häuschen und komplett aufgekratzt, aber als er meinte, dass er sich extra Urlaub nehmen würde, nur um mit mir zu dieser Ausgrabung zu fahren… Ihr habt ja keine Ahnung, wie sehr ich ihn in diesem Moment geliebt habe. Nicht, weil es egoistisch oder so von mir gewesen wäre, aber einfach nur schon die Vorstellung. Besonders da er eine kleine Aversion gegen Insekten und Krabbeltieren hat. Und jetzt bin ich hier und er ist nicht bei mir. Verdammt, das ist so unfair!

Noch während meine Hand den Ring umklammert schaue ich zurück nach draußen zu Sam und dem Colonel. Wieso schaffe ich es nicht mit Tom zu reden, wenn Sam es sogar schafft dem Mann zu verzeihen, der auf sie geschossen hat? Liegt das wirklich im Bereich des Unmöglichen? Und es ist weder verrückt, noch total selbstsüchtig mir zu wünschen, dass er jetzt, in diesem Moment, einfach nur bei mir ist? Das ist es nicht, oder?

Ich seufze innerlich auf. Gott, ist das erbärmlich! Ich bin extra verreist, um ihn zu vergessen, um alles in meinem Kopf zu ordnen und nun bekomme ich schon Halluzinationen von *ihm*. Teufelskreis, ein absoluter, gottverdammter Teufelskreis!

„Also, ist wieder alles in Ordnung zwischen uns, Sir?“, höre ich Sam leise fragen. Ich brauche sie gar nicht anzusehen, um zu wissen, wie wichtig ihr seine Antwort ist.

Es folgt ein Schweigen und ich habe das Gefühl gleich ebenfalls vor Anspannung zu platzen. Trotz dem erneut aufgebrühten Gefühlschaos in mir, will ich wissen, wie dieses Gespräch jetzt ausgeht. Dafür habe ich zu viel mitgefiebert und gezittert. Ich schwöre dir, Sam, darüber werden wir auch noch mal ein Wörtchen reden.
„Ja, Carter, alles in Ordnung.“

Alles in Ordnung… Ich freue mich für Sam, wirklich, das tue ich. Aber dennoch legt sich ein Schatten über meine Freude. Es macht mich traurig, diese Menschen hier zu sehen, diese Vertrautheit, trotz ihrer Ecken und Kanten und trotz allem scheinen sie einen Weg zu finden die Ausgewogenheit in ihrem Team zu halten. Das ist toll, wirklich! Bewundernswert. In meinem Team ist es nicht anders, aber dennoch ist niemand von ihnen hier. Niemand mit dem ich all das teilen könnte. Der mir im Moment wirklich wichtig wäre hier zu sein.

Mit diesen Gedanken, umfasse ich erneut den Ring um meinen Hals und schließe die Augen. Morgen würde ein anstrengender Tag werden und mit etwas Glück schaffen wir es zu den Ruinen.


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Als ich aus dem Zelt krabble, sind die anderen bereits hell wach. Ich hatte es schon fast vergessen. Air Force! Sieben Uhr… doch heute macht es mir absolut nichts aus. Denn heute beginnt der wirkliche Teil der Arbeit. Ich hab’s im Blut. Heute gelangen wir zu den Ruinen! Und schon alleine dieser Gedanke reicht aus, um mich auf einen Höhenflug zu schicken! Da können sämtliche Knochen noch so widerspenstig aufschreien. Ich sage euch, Adrenalin ist besser als Morphium! Okay, ich gebe zu, mir tut wirklich alles weh und mit alles, meine ich auch alles, aber das ist so was von nebensächlich, besonders als ich den Kaffeeduft rieche.

„Ist das Kaffee?“, rufe ich, während ich auf allen Vieren durch die Öffnung krieche. Nichts geht doch über einen frischen Kaffee am Morgen. Ein ordentlicher Koffeinschub und der Tag kann losgehen.

„Morgen, Liz“, kommt es von Sam, die irgendwas mit den Boxen macht. Sie hat mir den Rücken zugewandt und so hebt sie nur kurz ihre Hand.

„Morgen!“, antworte ich ihr fröhlich. Das ist wirklich ein Wunder. Vielleicht sollte ich mich mal als Testobjekt zur Verfügung stellen, aber sobald ich auf einer Expedition bin – meine Natur als Langschläfer hin oder her – bin ich immer topfit und gut gelaunt! Morgenmuffel ist ein Begriff, den es dann in meiner Welt nicht gibt.

„Na, da hat aber jemand gute Laune.“ Daniel. Mit zwei Tassen in seinen Händen und eine davon ist für mich. Hat mich meine Nase also doch nicht getäuscht. „Hier.“

„Ist ja auch kein Wunder“, erwidere ich, als ich ihm die Tasse abnehme und einmal dran rieche. Ein bisschen lau… aber immerhin hat der Geruch eine gewisse Ähnlichkeit mit Kaffee. „Heute werden wir zur Ausgrabungsstelle kommen“, grinse ich breit und nehme einen Schluck.
Nur leider schmeckt es nicht so. Gott, was ist das denn für ein Gebräu? Das kann man doch nicht Kaffee nennen. Das ist eine Beleidigung für meine Geschmacksnerven! „Was ist das?“, Frage ich mit einer verzerrten Maske meines Gesichts, nachdem ich den Inhalt in meinen Mund erst einmal quer durch die Luft geprustet habe. „Das nennt ihr Kaffee?“

„Es hat Ähnlichkeit damit.“

„Ja, um acht Ecken damit verwandt.“

Daniel lächelt mich mit einem Schulterzucken schief an. „Mit der Zeit gewöhnt man sich sogar daran.“

„Ist wenigstens Koffein drin?“

„Oh ja… reichlich, reichlich Koffein.“

Na immerhin. Grundnahrungsmittel Nummer eins für mich. Koffein in allen Varianten und Formen. Am liebsten natürlich in Kaffee, aber wenn es möglich wäre, ich würde es auch pur zu mir nehmen. Ob man es intravenös verabreichen kann? „Ihr solltet wirklich mal mit ein paar Leuten sprechen… das ist wirklich eine Schande. Da gibt die Regierung Milliarden für weiß Gott was für Dinge aus und dann nennen sie so etwas Kaffee.“

„Immer noch Koffeinsüchtig?“, fragt Sam mit einem Grinsen, die jetzt zu mir rüberkommt.

„Darauf kannst du aber wetten, Süße. Ohne bin ich leer und vollkommen verzweifelt.“ Sie schüttelt nur den Kopf.

„Du bist ein hoffnungsloser Fall, weißt du das?“

„Natürlich. Kann doch nicht mein Markenzeichen verlieren.“ Als mein Blick über das provisorische Lager schweift, sehe ich, dass das Zelt von mir noch das einzige ist, welches noch steht. Das der Männer ist bereits wieder abgebaut und verstaut. Dann kann es ja gleich losgehen.

„Okay“, kommt es vom Colonel, der sich gerade seine Schussweste überzieht. Ich hege ehrlich noch arge Zweifel, ob diese wirklich nötig sind. Ich meine, was kann uns schon großartig passieren? Auch wenn ich jetzt weiß, warum sie sich so zugerüstet haben, ist es mir immer noch schleierhaft, wie sie auf die Idee kommen, dass ausgerechnet dann, wenn wir in den Ruinen sind, auf einmal diese Goa’uld auftauchen sollen. Ich meine, mal ehrlich, wie groß stehen die Chancen, dass genau das passieren wird? „Wir brechen in dreißig Minuten auf. Wir haben noch gute zehn Meilen vor uns und wenn wir es heute noch bis zu den Steinchen schaffen wollen, sollten wir sobald wie möglich los.“

„Ja, Sir.“

„Okay“, kommt es von Daniel, während Teal’c nur zustimmend seinen Kopf nickt.

„Gerne“, antworte ich dann als Letzte im Bunde. Er zieht kurz seine Augenbrauen hoch, als er vermutlich die Aufregung in meiner Stimme hört und sein Blick sagt nur so viel, wie ‚Typischer Wissenschaftler Enthusiasmus’. Soll mir recht sein. Hauptsache es geht bald los. Ich grinse ihn an und er wendet mit einem leisen Seufzen den Blick ab.

„Carter, halbe Stunde.“

Von mir aus kann es auch schon früher losgehen. Ihr glaubt gar nicht, wie schnell ich dieses Gebräu, welches man als Kaffee betitelt, ausgetrunken habe. Ein Schluck und die Tasse ist leer. Da nehme ich sogar das unweigerliche Brennen in meiner Kehle in kauf. Hauptsache wir kommen heute noch an unserem Ziel an.

Und siehe da. Exakt eine halbe Stunde später marschieren wir beladen mit Sack und Pack durch die untere Vegetation des Regenwaldes weiter. Sam und der Colonel gehen voraus, Daniel und ich in der Mitte und Teal’c bildet das Schlusslicht. Diesmal trage ich zusammen mit Daniel eine von seinen Kisten und ich muss gestehen, dass diese auch nicht viel leichter ist, als die von Sam. Meine Arme scheinen jetzt schon aus Blei zu bestehen und ich weiß, dass wir noch einen ganz schönen Marsch vor uns haben. Ich weiß nur eins, wenn diese Expedition vorbei ist, melde ich mich in einem Fitnessstudio an. Ein bisschen Muskelaufbau hat auch noch niemandem geschadet.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sam und ihr Team so vollgepackt durch die Galaxis reisen. Dieser Gedanke ist unter uns gesagt immer noch ziemlich merkwürdig. Aber irgendwas Wahres muss ja dran sein. Und wer weiß, vielleicht sehe ich es ja bald mal mit meinen eigenen Augen? Man soll immerhin niemals nie sagen, nicht wahr?

Ganz genau. Und wenn ich nur daran denke, was für eine Veränderung diese Erkenntnis hat – auf meine Arbeit und besonders auf diese Ausgrabung. Das ist einfach unglaublich. Mit jeder weiteren Sekunde, die vergeht und in der ich mir über das Ausmaß bewusst werde, desto respektvoller wird jeder meiner Schritte, die mich diesem Wunder näher bringen. Ehrfurcht beschreibt im Moment nicht einmal annähernd meine Gedanken. Unglaublich…

„Liz, erzählen Sie mir mehr über die Maya.“

„Was genau wollen Sie denn wissen?“

„Na ja“, grinst Daniel und fährt sich mit der freien Hand über seine Schweißbedeckte Stirn, „laut den Mythen und dem, was ich bisher so gehört habe, sollen die Maya der Anfang von unserer heutigen Zeitrechnung sein.“

Ich nicke eifrig mit dem Kopf. „ Der Gott Kulkulkan soll ihnen ihr Wissen über das Kalenderwesen und die Astronomie verliehen haben. Sie waren die Vorreiter auf diesem Gebiet. Ihre Berechnungen waren unglaublich exakt zur damaligen Zeit, wenn man bedenkt, dass sie nicht den Luxus von irgendwelchen hochmodernen Teleskopen besaßen. Die so genannten Priester-Astronomen der Maya stellten präzise Berechnungen an. Aber das wirklich verrückte und doch unglaubliche ist, dass ihre primitive Kalenderrechnung erst in unserem Jahrhundert übertroffen werden konnte.“

Ich spüre, wie meine Wangen zu glühen anfangen. Das passiert mir immer, wenn ich ganz aufgeregt und in meinem Element bin. Dann sprudelt es nur so aus mir heraus. Aber es ist einfach berauschend. Nur alleine darüber nachzudenken und die Vorstellung, dass einst solche Menschen hier gelebt haben. Wir treten quasi durch ein Tor in eine andere Welt. Eine ganz andere Zeitrechnung und doch waren es nicht andere Menschen als du und ich. Ihre Methoden waren vielleicht etwas barbarisch, aber ihr Wissen… es war so unbeschreiblich groß, wir könnten noch so viel von ihnen lernen. Und alles was wir machen müssen, ist danach zu suchen, denn eins weiß ich mit absoluter Sicherheit, die Antworten liegen genau vor uns, wir müssen sie nur noch finden.

„Sie waren ein sehr fortschrittliches Volk“, bemerkt Teal’c hinter uns und ich drehe mich grinsend zu ihm um.

„Ja, das waren sie. Besonders was ihre Fähigkeiten anging.“

„Inwiefern?“, fragt Daniel neugierig.

„Besaßen sie Waffen?“ Teal’c zieht fragend eine Augenbraue hoch.

„Oh nein. In Sachen Rüstung waren sie nicht besonders fortschrittlich. Sie wehrten sich mit den üblichen Gebrauchsgegenständen, aber darin bestand nicht ihr Sinn des Lebens. Sie kämpften gegen andere Völker, das ist schon richtig, aber sie vertrauten darauf, dass ihre Götter sie beschützten. Indem sie ihnen Opfer dar boten und ihr Wissen effektiv umzusetzen, glaubten sie die Götter zu besänftigen. Aber um noch mal auf ihre anderen Fähigkeiten zurückzukommen… Sie bauten ineinandergreifende Zahnradgetriebe, um ihre Berechnungen aufgrund von sich überschneidenden Zyklen bis zu zweiundfünfzig Jahre im voraus vornehmen zu können. Keine andere Zivilisation war zu diesem Zeitpunkt so gelehrt, um überhaupt in diesem Rahmen zu leben. Ich meine, in anderen Teilen der Erde, lebte da noch der Homosapiens in seinen Höhlen und hier lebte der Fortschritt. Aber besonders erstaunlich waren ja ihre mathematischen Fähigkeiten. Sie waren die erste Zivilisation, die das Prinzip der Null verstanden hat.“

„Ja, und für manche ist es bis heute ein wesentlicher Bestandteil bei der Kontoführung“, wirft der Colonel in die Runde. Wie wahr, wie wahr. Bei mir öfters als mir manchmal lieb ist.

„Das ist wahr“, unterstützt mich Sam und ignoriert ganz gewissenhaft den Kommentar. „Viele bedeutende Mathematiker stützen sich noch heute auf die alten Rechnungen von damals. Vieles würde heute noch nicht erforscht sein, wenn wir das Prinzip der Null nicht kennen würden. Unser ganzes Zahlensystem basiert darauf. Selbst Archimedes hatte einmal…“

„Ah! Carter!“ Er hebt einen Finger in die Luft und schaut sie mit einem ‚Wenn Sie auch noch ein Wort sagen, dann drehe ich durch’ - Blick an. „Einigen wir uns einfach darauf, dass es sie gibt, okay?“

„Ja, Sir. Entschuldigung, Sir.“ Halb zähneknirschend schielt sie zu mir herüber und lächelt schief. Immer dasselbe. Ich zucke nur mit den Schultern. Glaubt mir, ich kenne das. Wie oft wurde ich schon in meinem Redefluss abgewürgt? Nur denke ich, liegt bei mir das Problem, dass ich dann wirklich ohne Punkt und Komma rede, aber bei Sam… da redet sie nicht nur ohne jegliche Satzzeichen, hinzukommt, dass man zu neunundneunzig Prozent nur Bahnhof versteht.

„Also“, räuspert sich Daniel und zieht somit meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf ihn. „Sie sagen, dass die Maya ihr Wissen von den Göttern haben?“

„So heißt es zumindest. Die alten Schriften weisen darauf hin, ja. Es soll sogar geschrieben stehen, dass die Götter den Maya gesagt haben, dass die Erde rund sei. Wenn man es sich genau überlegt, ist es eine wirklich bemerkenswerte Beobachtung für ein so primitives Volk. Offenbar kannten sie auch die Planeten Uranus und Neptun, die von unseren Astronomen erst im neunzehnten Jahrhundert entdeckt wurden. Sie müssen entweder sehr gute Augenärzte gehabt haben oder eine uns noch unbekannte Methode, denn mit bloßen Auge diese Planeten zu entdecken, grenzt schon nahezu an ein Wunder. Die Venus zum Beispiel spielte bei den Maya eine zentrale Rolle.“

„Ja, sicher, wer hat denn nicht die Göttin der Liebe verehrt?“, zwinkert der Colonel.

„Ha! Und genau da liegen Sie falsch! Anfangs ein weit verbreiteter Irrglaube. Nur weil bei den Römern Venus die Inkarnation der Liebe und Fruchtbarkeit war, gilt das nicht für alle antiken Kulturen. Die Venus war für die Maya alles andere als ein Symbol der Liebe. Sie symbolisierte die Reinkarnation ihres Gottes Quetzalcatl. Sie glaubten, dass wenn der Planet am Himmel nicht mehr zu sehen war, er durch eine wirklich böse Unterwelt wandelte – nennt es von mir aus Hölle, kommt laut den Überlieferungen dem ziemlich nahe. Und jedes Mal, wenn Venus erneut aus der Unterwelt aufstieg war das für die Menschen ein beängstigendes Ereignis. Nicht selten auch ein Moment des Krieges.“

„Also, haben sie geglaubt, dass ihr Gott jedes Mal durch die Hölle gegangen ist?“

„Genau. Und diese Weisheiten hätte er ihnen vermacht. Es war immer ein Zeichen einer Wende in ihrem Leben. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen nicht so alt wurden wie heute. Wenn jemand überhaupt das fünfzigste Lebensjahr erreichte, war das schon alt.“

„Hm…“, brummt Daniel nachdenklich neben mir.

„Was?“

„Na ja“, beginnt er mit einem Stirnrunzeln. „Irgendwie passt das nicht wirklich zusammen. Ich meine, in den letzten vier Jahren, immer, wenn da von ‚Göttern’ die Rede war, waren die Goa’uld gemeint.“

Ja, und? Ist es nicht denkbar, dass sie ihr Wissen teilten? Ehrlich gesagt, verstehe ich jetzt nicht das Problem. „Und?“

„Die Goa’uld teilen nicht ihr Wissen“, antwortet Teal’c ernst hinter mir. „Zumindest nicht mit den Menschen.“

„Die Menschen sind für die Goa’uld nur Mittel zum Zweck. Sie sind Sklaven, werden zu Wirten gemacht, aber ein Goa’uld hat niemals einer Zivilisation ihr Wissen vermittelt. Sie sind arrogant, raffgierig und gefährlich, aber bestimmt nicht gutherzig.“

„Vielleicht waren sie ja damals…?“ starte ich den halbherzigen Versuch einer vernünftigen Erklärung.

„Nein“, geht der Colonel grimmig dazwischen. „Mir ist noch kein Goa’uld über den Weg gelaufen, der auch nur ein Funken von Erbarmen oder Anstand in sich trägt. Nicht einer.“ Und dann schielt er zu Teal’c hinüber. „Nichts für ungut, T.“

Doch dieser zieht lediglich eine Augenbraue hoch.

Ich sehe besorgt zu Sam hinüber, aber auch sie scheint nicht besonders überzeugt zu sein. Okay, also Goa’uld sind wirklich böse. Böse Götter. Verstanden. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich von der Theorie unter manchen meiner Kollegen, dass Außerirdische die Lehrmeister der Maya waren, noch nie sehr viel gehalten. Auch wenn sich meine Ansicht ja jetzt eigentlich ändern müsste… aber die Goa’uld waren es nicht und das sind die einzigen Aliens, die ich vom Hörensagen her kenne.

„Nett“, murmle ich schließlich.

„Warum fragen Sie, Daniel?“, wirft Sam neugierig dazwischen. Und nennt es eine berufliche Intuition, aber er will damit auf irgendetwas hinaus und er weiß, dass die Goa’uld nicht die Götter sein können, von denen in den Sagen die Rede ist. Jetzt bin ich aber wirklich mal gespannt.

„Ich bin mir noch nicht sicher. Aber ich glaube nicht, dass die Goa’uld ständige Besucher der Maya waren.“

„Wirklich nicht?“

„Nein“, antwortet er nachdenklich und lächelt dann Sam an. „Sollten sie je Besuch bekommen haben, dann denke ich, waren es unsere Freunde.“

Das lässt den Kopf des Colonels nach oben schießen. „Machen Sie Witze?“

„Es wäre doch nur logisch. Überlegen Sie doch mal“, ereifert er sich. „Erstens gibt es Funde, die belegen, dass die Maya Statuen besaßen, die ganz unverkennbar sind – eine hoch aufragende Gestalt, die auf etwas sitzt, das wohl ein Kontrollsessel sein muss. Genau wie in einem Raumschiff. Feuer und Rauch strömen von dem Fahrzeug aus.“ Er grinst Jack an. „Und na ja, die sind bekannt als ‚Die Wagen der Götter’.“ Als er mich fragend ansieht, um seine Aussage zu bestätigen, kann ich nur mit dem Kopf nicken. Es stimmt. Es gibt solche Statuen, das ist eine Tatsache, was die Interpretation allerdings angeht… nun sagen wir mal, die ist vollkommen individuell. „Und, und wenn ich Sie daran erinnern darf“, macht er weiter, als er Jack ernst ansieht und mit einem Finger auf ihn zeigt. „Sie haben doch damals selbst gesagt, dass sie uns schon seit einem langen Zeitraum beobachten, aber der Meinung sind, dass wir für das Wissen noch zu unreif sind. Was wäre, wenn sie ihnen damals einen Teil des Wissens gegeben haben, um zu sehen, wie wir Menschen damit umgehen?“

„Aber, Daniel, das war vor tausenden von Jahren“, hält Sam ihm vor Augen. „Wir haben uns seit damals weiterentwickelt.“

Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass es absolut beschissen ist das fünfte Rad am Wagen zu sein? Das sind doch nur Legenden! Und wenn es nicht die Goa’uld sind, wer dann? Arg! Das ist wirklich zum Mäuse melken!

„Haben wir das wirklich?“, hält er entgegen. Gute Frage, auch wenn ich keine Ahnung habe, von welchem Zeitraum wir hier sprechen.

„Vielleicht steht die Antwort ja irgendwo an einer Wand gekritzelt“, schlägt der Colonel vor und schlägt ganz nebenbei einen Brummer von Mücke auf seinem Arm tot.

Ich reagiere gar nicht drauf. ‚Gekritzelt’! Innerlich stehen gerade sämtliche Härchen senkrecht. Ich weiß, ich weiß, ich reagiere was so etwas anbelangt vielleicht etwas empfindlich, aber solche Äußerungen degradieren doch nur meine Arbeit. Ist es wirklich zu viel verlangt sie als das anzusehen, was sie sind? Wunder? Monumente der Zeit? Aus diesem ‚Gekritzel’ lernen wir. Aber nur nicht aufregen, Liz. Da kann ich mich auch vor ne Parkuhr stellen, die hört genauso viel zu, wie ein gewisser Colonel, der doch im Grunde nur das hört, was er hören will. Und jetzt habe ich mich doch wieder aufgeregt. Ich sollte wirklich mal daran arbeiten… Yoga soll da ja bekanntlich helfen… Ich setzte es einfach mal auf meine ‚Sollte ich noch tun’ – Liste. Und die wird auch irgendwie immer länger und länger und länger…


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„Oh mein Gott…“, flüstert Daniel ehrfürchtig.

„Wow!“, haucht Sam nicht minder beeindruckt, während ich nur wie ein Honigkuchenpferd grinse. ‚Wow’ beschreibt es ziemlich passend.

„Ein Haufen Steine“, kommt es ziemlich gleichgültig vom Colonel. Aber diesmal bin nicht ich diejenige, die an die Decke geht. Diesmal nicht. Diesmal grinse ich nur. Denn nichts auf der Welt – kein abfälliger Kommentar – könnte auch nur ansatzweise an der Schönheit vor uns kratzen. Bereits im Abendlicht der untergehenden Sonne getaucht, eröffnet sich unter uns ein Traum. Vor uns liegt ein Plaza, gezeichnet von der Geschichte, aber noch immer so schön wie eh und je. Nicht einmal die Vegetation, die unter den Steinen hervor kriecht und die Platten teilweise spaltet, kann das Bild trüben. Es sind kleine, dünne Bäume, die mitten aus dem Nichts gewachsen zu sein scheinen und vollkommen fehl am Platz aussehen, aber in meinen Augen macht es das sogar noch vollends perfekt. Die einzelnen verfallenen Bauten wirken in dem orangen Licht schon fast unheimlich, die langen Schatten ziehen sich bedrohlich über die Platten. Und in der Mitte, im Zentrum der Stätte ragt eine Stufenpyramide, überwuchert mit Ranken, hervor. Ich hatte schon das letzte Mal das Gefühl, dass sie so etwas wie ein Herrscher dieser verlassenen Metropole ist. Kleinere Schreine und üppig verzierte Stelen, die die Zeit und den Naturgewalten nicht hatten widerstehen können, liegen in Trümmern herum. Aus vorigen Untersuchungen weiß ich, dass sich unter dem Moos und Ranken aufwendige Glyphen befinden. Ein absoluter Traum. Und so kann mir nichts und niemand dieses Bild nehmen.

„Jack!“, reißt mich Daniel mit einem entrüsteten Aufschrei aus meinen Gedanken. „Wie können Sie nur… das ist… ich meine, es ist unfassbar! Was wir hier sehen, sind die Überreste einer ausgestorbenen Zivilisation.“

„Ja, ehrlich gesagt frage ich mich, warum sie sich entschieden haben, sich ausgerechnet hier anzusiedeln. Mitten im Dschungel, umgeben von irgendwelchen nervigen, stechenden Insekten.“ Bei den Worten ‚nervig’ und ‚stechend’ erledigt er noch zwei weitere dieser Quälgeister. „Außerdem scheint es durchweg zu regnen.“ Um seinen Worten noch mehr Bedeutung zu verleihen, nimmt er seine Kappe ab und wringt sie einmal aus. „Ich hätte nicht besonders große Lust gehabt, hier Steine zu schleppen, um irgendwelche Tempel und Pyramiden zu bauen“, bemerkt er ziemlich nüchtern.

„Die Menschen, die hier gelebt haben mussten…“, sinniere ich versonnen und seufze einmal schwer. Endlich wieder Zuhause. Doch bevor ich noch weiter ins Land der Träume abdriften kann, holt mich eine leicht ungeduldige Stimme in die Realität zurück.

„Und wie kommen wir da runter?“

Ich strahle den Colonel an und strecke meine Hand zur rechten Seite aus. „Dort gibt es einen schmalen Trampelpfad.“

Ohne auf eine Aufforderung zu warten, schnappen Daniel und ich uns die Box und machen uns auf den Weg. Genau wie ich, kann er es kaum erwarten dort unten anzukommen und lasst euch eines sagen: Von hier oben ist es bereits gigantisch, aber von dort unten, wenn man quasi direkt vor der Pyramide und den Tempeln steht, dann ist es schlichtweg atemberaubend. Lediglich umgeben von einer grünen, atmenden Hölle.

Kaum unten angekommen, geht Daniel auch schon auf das nächstliegende Objekt zu, welches in irgendeiner Weise eine Geschichte erzählt. „Das ist einfach nur umwerfend, Liz! Ich habe ja schon viel gesehen… aber das wirkt alles so lebendig.“ Er strahlt mich mit ausgebreiteten Armen an. Ich kann seine Gefühle nur allzu gut verstehen. Glaubt mir, mir geht’s im Moment nicht anders. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Am liebsten alles auf einmal. Das hier ist mein Schlaraffenland!

„Sir, ich schlage vor, dass wir unser Lager hier direkt auf dem Plaza aufschlagen“, höre ich Sam schließlich sagen, die ein paar Minuten später hinter uns stehen bleibt. „Hier ist es weit weniger gefährlich als am Rande des Dschungels, wo irgendwelche Gefahren im Schatten lauern könnten.“

„Ja, ist wohl am besten.“

Über meine Schulter hinweg, sehe ich, wie die beiden und Teal’c bereits damit beschäftigt sind alles aufzubauen. Daniel hingegen steht auf den untersten Stufen der Pyramiden und schirmt mit seiner Hand seine Augen ab, als er nach oben schaut. „Jack, wir müssen uns das unbedingt ansehen“, ruft er einmal quer über den Plaza.

„Aber nicht mehr heute, Daniel.“

„Wir haben doch noch Zeit!“ Er schaut hinauf in den leicht rötlichen Himmel. „Wir haben noch Tageslicht für mindestens eine Stunde!“

Der Colonel sieht von seiner Arbeit auf und bedenkt ihn mit einem langen Blick. „Daniel, wir sind den ganzen Tag durch den Dschungel marschiert, ich habe jetzt Hunger und werde etwas zu Essen machen. Noch jemand hungrig?“, fragt er in die Runde.

Als Antwort höre ich unweigerlich ein Magenknurren. Nur kommt es nicht von mir, sondern von Sam. Leicht peinlich gerührt fährt sie mit einer Hand zu ihrem Bauch. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich ebenfalls bei dem Gedanken an etwas Essbares das Loch in meinem Bauch spüre, so ist mein Adrenalinspiegel noch viel zu hoch, als das ich jetzt rein nervlich dazu in der Lage wäre etwas zu essen.

„Klingt verlockend, Sir.“ Er lächelt Sam an.

„Das war nicht zu überhören. Teal’c, was ist mit dir?“

„Ich denke, dass wir jetzt unsere Kräfte schonen sollten.“

„Vielen Dank.“ Und damit dreht er sich zu Daniel um und hebt mit einem Schulterzucken seine Arme. „Sie wurden überstimmt, Daniel!“

„Jack! Ich bin nicht den ganzen Weg hierher gelaufen, um jetzt zwischen diesen Monumenten zu schlafen, ohne vorher einen Blick drauf geworfen zu haben!“

„Mich kriegen heute keine zehn Pferde mehr diese Treppe hinauf“, jammert der Colonel mehr als alles andere. Irgendwo kann ich es nachvollziehen. Meine Füße schreien gerade zu danach nicht auch noch einen Zentimeter gehen zu müssen, aber… ehrlich, man kann die Geschichte förmlich spüren.

Habt ihr schon mal einen Mann schmollen sehen? Nein? Ich bis heute auch nicht. Aber Daniel… der hat’s wirklich drauf. Ich werde da richtig weich. Selbst Sam beißt sich auf die Lippe. Und sie muss ja wohl daran gewöhnt sein. Ihr Blick Richtung dem Colonel ist so voller Mitgefühl, dass es fast zu viel ist. Und langsam aber sicher beginnt auch diese steinerne Maske zu bröckeln.

„Jack…“, quengelt Daniel. Also wirklich, wie ein kleines Kind! Aber die Taktik scheint zu funktionieren. Hmm, sollte ich mir vielleicht mal merken.

„Fein!“, gibt sich der Colonel schließlich geschlagen nach. „Erkunden Sie die Ruine! Wenn ich heute nicht mehr die Treppen raufsteigen muss und Sie mir trotzdem einen anderen Eingang zeigen, können wir mal einen Blick hineinwerfen.“

Ich glaube, mehr als ‚Fein’ hat Daniel gar nicht mehr gehört, denn keine Sekunde später ist er verschwunden. Während ich noch am überlegen bin, ob ich ihm folgen soll, lässt sich der Colonel mit einem erleichterten Seufzen auf den Boden fallen und beginnt damit seinen Rucksack auszupacken. Er sieht ziemlich zuversichtlich aus.

„Sir, Sie glauben Daniel wird nichts finden?“

Meine Gedanken in Worte gepackt. Er schielt nur zu ihr nach oben. „Ach kommen Sie schon, Carter. Diese Pyramide ist riesig! Und selbst ich weiß, dass solche Stufenpyramiden nur einen Eingang haben und der befindet sich für gewöhnlich da oben.“ Er sieht nach Bestätigung suchend zu mir und im Grunde muss ich da zustimmen.

„Ja, das ist normalerweise der Fall, bei einer geschlossenen Pyramide. Bei einer offenen allerdings, so wie diese hier....“ Und die folgenden Worte gehen nur in einem Gemurmelt unter, nachdem mir gerade ein Blick zugeworfen wurde, der selbst einen Pinguin an Unterkühlung hätte sterben lassen können. Zufrieden nickt er.

„Sehen Sie“, murmelt er.

„Sir, die Goa’uld haben für gewöhnlich auch immer geheime Türen gehabt.“

Stöhnend sieht er sie an. „Carter, auf wessen Seite stehen Sie eigentlich?“ Ein erwartungsvoller Blick wird mit einem Schulterzucken beantwortet. „Außerdem haben die Goa’uld andere Schiffe. Die sind nicht so… stufig.“

Schiffe? Wie in ‚Raumschiffe’? Bevor ich überhaupt daran denken kann, diesen Gedanken in irgendeiner Weise fortzuführen, hören wir ein aufgeregtes Schreien.

„Gefunden!“

„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“

„Leute! Das müsst ihr euch ansehen!“

Sam und ich können uns einfach ein Grinsen nicht verkneifen. Wenn das jetzt irgendein überdrehter Cartoon wäre, dann könnte man die müden und erschöpften Knochen des armen Mannes knacken hören, als er sich aufrafft.

„Sieht so aus, als hätten Sie sich geirrt, Sir.“

„Wissen Sie, Carter, ich beginne mich langsam zu fragen, ob er das eigentlich extra macht“, knurrt er wenig begeistert. Und mit einem sehr schwerfälligen Seufzen fügt er dann hinzu: „Na dann mal los. Vielleicht können wir ja heute dann Steinchen anstatt Schäfchen zählen.“

Mit einem amüsierten Kopfschütteln folge ich ihm. Er kann mir sagen was er will – nein, er kann mir vormachen was er will – selbst ihn muss es interessieren, was Daniel da gefunden hat! Er kann es noch so sehr verdrängen, aber ich habe dennoch den bewundernswerten Blick gesehen, den er hatte, als er dort oben am Abhang stand. Er kann vielleicht nicht die lebende Geschichte hier sehen, die Bedeutung, die ihr vergraben liegt – genau vor unseren Augen – aber er sieht zumindest mehr als bloß ein paar ‚Steinchen’, wie er einem immer so schön glauben lässt. Tut mir Leid, Mister, aber ich habe für so etwas einen sechsten Sinn. Und wir sind nicht bloß hier, um irgendwelche Mayaschätze auszugraben, hier geht es um eine Operation der Regierung, wenn ich das mal so formell und Geheimnisumwogen ausdrücken darf. Da ist jedes Steinchen von großer Bedeutung. Und Mission ist Mission. Wenn er auch nur halb so verbissen ist, wie Sam, dann hat diese solange Vorrang, bis sie erfolgreich abgeschlossen ist. Und wenn dazu nun einmal zählt sich Steinchen anzuschauen, dann nimmt das selbst ein Colonel O’Neill hin – begleitet von reichlich Zähneknirschen.

Und so werfe ich noch einen letzten Blick nach oben in den dunkelroten Himmel, bevor ich in das Dunkle des neu entdeckten Eingangs hinab tauche.


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Noch immer ziemlich überrascht darüber, dass Daniel nach nur wenigen Minuten unserer Ankunft bereits einen geheimen Eingang gefunden hat, obwohl ich und mein Team hier bereits schon ein paar Wochen herumgekrochen sind, gelange ich in einen großen Raum. Es ist stockduster. Nur die Lichtkegel der Taschenlampen lassen uns erahnen, was sich hier befindet. Der Raum ist irgendwie…merkwürdig. Um es mal passend zu beschreiben. Er hat nicht im geringsten mit meinen Vorstellungen Ähnlichkeit. Ich persönlich habe ja irgendwo gehofft oder zumindest angenommen, dass wir hier unter der Pyramide etwas finden, was in Verbindung mit den Opferritualen steht. Denn die Pyramide ist nun mal ein Heiligtum, von deren Dach aus die Priester die Götter angebetet haben.

Es ist wirklich verwunderlich, denn hingegen mancher Meinungen und abgesehen von ihren wissenschaftlichen Errungenschaften, waren die Maya ein sehr blutrünstiges Volk. Selbst innerhalb ihrer eigenen Reihen schreckten sie nicht vor kannibalischen Eigenheiten zurück. In keiner Zivilisation wurde so viel enthauptet und Menschen bei lebendigem Leibe gekocht und aufgeschlitzt, wie hier. Und das alles nur, um ihre Götter zu besänftigen.

Deswegen ist es komisch, so überhaupt nichts hier davon zu finden. Keinerlei Zeichnungen und selbst die Wände haben nicht einmal annähernd Ähnlichkeit mit dem zeitgenössischen Stil der Maya. Absolut nicht. In den jeweiligen vier Ecken des Raumes befinden sich weitere Wände, die in einem Bogen zur Decke ragen und uns somit den Eindruck vermitteln, dass wir unter einer Art Kuppel stehen. Dadurch wirkt der Raum geradezu gigantisch. Vollkommen untypisch. Denn die anderen vier Wände sind glatt. Wenn mich nicht sogar alles täuscht, dann scheint eine Art Schicht darüber gelegt zu sein, wie ein Schutzfilm. Merkwürdig, wirklich merkwürdig. Mit meiner Taschenlampe beleuchte ich eine Schräge, vom Boden bis hin nach oben zur Decke.

Aber woha…! Was ist das? Während mein Lichtkegel über die Wand gleitet, sehe ich ein paar Symbole aufleuchten. Nur ganz kurz, aber sie haben aufgeleuchtet. Ich bin mir da ganz sicher!

„Okay, Leute, es wird nichts angefasst. Daniel, Carter? Egal wie faszinierend es auch sein mag, wir fassen heute nichts an. Verstanden?“ Er leuchtet die beiden einmal kurz an, als er langsam diese Geheimkammer betritt und schließlich wandert seine Taschenlampe in meine Richtung. „Das gilt auch für Sie, Dr. Sullivan.“

„Ja, Sir“, murmelt Sam und Daniel seufzt nur sein Einverständnis. Ich nicke lediglich, obwohl es in meinen Fingern kribbelt. Haben die anderen das auch gesehen? Unfassbar! Ich schaue über meine Schulter zu ihnen und gehe schließlich näher auf die Wand zu.

„Unglaublich“, flüstere ich, während sich meine Hand wie von alleine auf Wanderschaft begibt. Leider Richtung Wand. Doch nur wenige Zentimeter davor, stoppe ich sie und meine Fingerspitzen schweben über den Symbolen.

Sie kommen mir irgendwie um acht Ecken bekannt vor. Doch es sind nicht die Symbole, die ich bei den Goa’uld-Zeichen gefunden habe. Sie sind wieder komplett anders. Langsam wird mir schwindelig. So etwas hat es noch nie gegeben. In einer Maya-Pyramide so etwas zu finden. Mein Herz beginnt wie wild zu pochen, als ich zur Absicherung ein Blatt Papier aus meiner Hosentasche ziehe. Meine Taschenlampe schwenkt zwischen den Goa’uld-Symbolen auf dem Blatt und den Schriftzeichen an der Wand hin und her. Nein, eindeutig nicht dieselben. Denn das, was hier an der Wand im Schein meiner Taschenlampe leuchtet hatte da schon mehr Ähnlichkeit mit der Mayaschrift, vielleicht in sehr stark vereinfachter Form... okay, ich bilde es mir eh nur ein, das hat nicht den Hauch einer Ähnlichkeit, als die Symbole, die ich in den letzten Tagen gesehen habe. Nur kann ich sie leider nicht entziffern. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob es wirklich in Bezug mit den Maya steht.

Doch wisst ihr, was mich ehrlich gesagt am meisten verblüfft? Dass mich diese Tatsache überhaupt noch überrascht. Zusammen mit meiner Taschenlampe wandert mein Blick nach oben. Keine Lichtquellen – in jeglicher Art und Form. Ich glaube, wenn ich hier so etwas wie einen Lichtschalter finde, ist selbst *das* normal.

„Daniel?“, rufe ich über meine Schulter hinweg. „Haben Sie ne Ahnung, was das hier ist?“

Seine Schritte sind Antwort genug. Ich sehe seinen tanzenden Lichtkegel gegen meine Schräge leuchten.

„Auf jeden Fall nicht Goa’uld“, sagt er ziemlich nachdenklich… und verwundert? War nicht er es, der die Theorie aufgestellt hat, dass hier noch andere Außerirdische hausen?

„Daniel?“, fragt Sam neugierig und etwas alarmiert zugleich.

Doch bevor er antworten kann, beginnt es wie von Wunderhand in dem Raum zu flackern. Ja, zu flackern, so als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte. Das mit den Lichtquellen sollte ich mir vielleicht noch mal durch den Kopf gehen lassen. Reflexartig reiße ich meine Hände nach oben, so als ob man mir einen Revolver auf die Brust gesetzt hätte. Ich habe nichts angefasst!

Die anderen sehen sich ebenfalls erstaunt um. „Daniel, ich habe doch gesagt: Nichts anfassen!“

„Ich habe nichts angefasst!“, wehrt er augenblicklich ab. Und von seiner Position aus – mitten im Raum – würde es schon an ein Wunder grenzen, wenn er da nur in irgendeiner Art und Weise irgendwas berühren konnte. Ich meine, er steht quasi noch auf einem Bein. Wenn diese Situation nicht so verdammt überraschend und verwirrend wäre, hätte ich bei diesem Anblick sicherlich laut losgelacht.

Ich schiele hinüber zu Sam, die inzwischen ihre Taschenlampe ausgeschaltet hat und nur ungefähr einen Meter von Daniel entfernt steht. Aber Sam ist mit ihren Gedanken bereits ganz woanders. Sie tastet mit ihren Blick den Raum ab und sucht vermutlich nach der Ursache.

„Sie sind der einzige, der sich bewegt hat.“ Oh je, und alles nur wegen mir.

„Und wie soll ich Ihrer Meinung nach von hier aus irgendwas berührt haben?“ Daniel sieht ihn mit einem entschlossenen Blick an und darauf kann selbst der Colonel nichts erwidern.

Während sich die beiden noch darüber streiten, ob hier irgendwer irgendwas angefasst hat, nutze ich die Gelegenheit und schaue mich mal ein wenig um. Das sieht alles so… futuristisch und alt zugleich aus. Die Wände sind in der Tat relativ glatt und mit meiner Vermutung der überzogenen Schicht hatte ich auch gar nicht mal so Unrecht, aber irgendwas ist komisch an ihnen. Wenn man genau hinsieht, kann man feine, eingravierte Linien sehen. Also, ich weiß, mit was ich mich in den nächsten Tagen beschäftigen werde. Und wenn ich mir das hier so ansehe, dann steht die Antwort vielleicht doch hier irgendwo an der Wand gekritzelt, wie es der Colonel so galant ausgedrückt hat. Mein Blick wandert nach oben und tatsächlich das Licht wird durch die Kuppel gestrahlt. Getrennt durch die aufragenden Schrägen, leuchtet der Zwischenraum merkwürdig weiß. Diese Perfektion mit der das gebaut wurde ist einfach unglaublich. Meinem Wissen nach waren die Maya nicht unbedingt irgendwelche großen Anhänger von Rundungen.

„Carter, was ist hier los?“

„Ich weiß es nicht. Irgendwie muss ein Mechanismus in Gang gesetzt worden sein.“ Sie schaut nach oben, ihr Blick tastet die Wände ab und landet schließlich auf dem Boden. „Genaueres kann ich erst sagen, wenn ich ein paar Untersuchungen gemacht habe, Sir.“

„Und wie lange? Ein…zwei Tage?“

Ein, zwei Tage?! Ich starre ihn vollkommen entgeistert an. Mein Mund hängt offen und meine Kinnlade klebt mit hundertprozentiger Sicherheit auf dem Boden. Wie hat er sich das denn vorgestellt?! Schon alleine das hier alles ansatzweise zu übersetzen kann Wochen dauern. Das ist vollkommen unmöglich!

„Niemals, Jack!“, geht Daniel dazwischen. Er scheint denselben Gedanken zu haben. „Sie können nicht erwarten, dass wir das in zwei Tagen übersetzt haben. Das ist… das…“

„Und wie lange brauchen Sie, Daniel?“

Er atmete einmal tief aus. Sein Blick wandert durch den Raum. „Nur das hier alleine würde schon bis zu Wochen dauern. Ganz zu schweigen von den Dingen, die sich noch außerhalb und auf der Pyramide befinden.“

„Wochen?“ Er reißt bei diesem Wort die Augen auf.

„Mindestens.“

Sein Blick wandert von Daniel zu mir, hinüber zu Sam und schließlich wieder zurück zu Daniel. „Sie können doch mit einem Team zurückkommen.“ Ja, und was ist mit mir? Schon vergessen, ich habe das hier gefunden! Das ist vermutlich meine einzige Chance etwas herauszufinden. Ich weiß, dass ich bisher nicht unbedingt viel zu so manchen Erkenntnissen beigetragen habe, aber er kann doch nicht einfach…

„Jack“, sagt Daniel mit einem ungeduldigen Blick. Kann er doch nicht, oder?

„Sir“, unterbricht Sam ihn. „Wir werden so schnell wie möglich versuchen Antworten zu finden. Das hier könnte von großer Bedeutung sein. Wenn ich erst einmal Quelle lokalisiert habe und weiß, um was es sich handelt, dann kann ich damit anfangen zu untersuchen, welche Funktion dahinter steckt. Vielleicht hilft uns das dann letztendlich zu verstehen, was es mit den Goa’uld auf sich hat und von wem das hier stammt.“

Sie sieht ihn entschlossen an, so als ob er überhaupt keine andere Wahl hätte, als ihr zuzustimmen. Er atmet einmal tief aus. „Fein. Carter, Sie versuchen so schnell wie möglich herauszufinden, was hier los ist. Dr. Sullivan?“ Ich sehe ihn fragend an. Vielleicht etwas aufgeregt, was meine Aufgabe sein würde. „Wo haben Sie die Goa’uld-Inschriften gefunden?“

Oh… Mein Lächeln verschwindet kurzzeitig. „Ähm, in einen der Tempel hier…“

Er nickt knapp. „Das übernimmst du, Teal’c. Vielleicht gibt es ja wieder so eine Weltuntergangbedrohungsnummer.“ Teal’c, der die ganze Zeit nahe des Eingangs gestanden hat, neigt kurz seinen Kopf im Einverständnis zur Seite. „Gut, und Sie, Daniel, Sie werden das hier übersetzen.“ Er macht eine ausschweifende Handbewegung durch den ganzen Raum.

Es folgt eine kurze Pause und es sieht ganz so aus, als ob er fertig wäre…Er macht sich schon auf dieses Fundstück hier zu verlassen. Doch kurz bevor er den Ausgang erreicht, dreht er sich noch einmal um. „Ach und Dr. Sullivan?“ Ich betrachte etwas zwiespältig seine angespannten Gesichtszüge. „Sie werden Daniel helfen.“ Er wirft noch einen kurzen Blick in die Runde. „Aber das alles erst morgen!“

Daniel, natürlich, schon bereit dafür irgendeinen Protest einzulegen, wird schnell von dem Colonel unterbrochen. „Morgen“, sagt er mit etwas mehr Nachdruck. „Oder muss ich erst einen Befehl draus machen?“

Daniel schließt seinen Mund wieder. „Nein. Fein, dann eben morgen“, antwortet er wenig begeistert.

Und mein Herzchen rutscht gerade bis in meine Zehen. Und dabei spielt die Tatsache, dass wir erst morgen mit unserer Arbeit beginnen können lediglich eine Nebenrolle. Es geht viel mehr darum, wie der Colonel gesagt hat, was meine Aufgabe hier ist. Nicht das ‚Was’ ist von Bedeutung, nein, durch das ‚Wie’ ist mein Ego gerade auf die Größe einer Weintraube geschrumpft.

Mit dem bedrückenden Gefühl, dass ich mir hier ein klein wenig fehl am Platz vorkomme, verlasse ich als letzte diese Geheimkammer und überschreite erneut die Grenze zwischen Licht und Dunkelheit.


+++++


Mir geht einfach nicht aus dem Kopf, wie er es gesagt hat. Es war so ein ‚Ach, das fünfte Rad am Wagen ist ja auch noch da’ – Ton. So, als ob ich lediglich irgendein Hindernis wäre oder ein kleines Kind, auf das man aufpassen müsste. Ich meine, gut, im Endeffekt hätte ich mit Daniel zusammen gearbeitet, daran habe ich nicht eine Sekunde dran gezweifelt, aber er hat jedem eine klare Aufgabe gegeben und ich? Mich hat er fast vergessen. Und dann als ob er nicht wüsste wohin mit mir, hat er mir mal eben kurzerhand irgendwohin verfrachtet, nur damit er endlich für heute Schluss machen konnte.

„Ach und, Dr. Sullivan, Sie helfen Daniel.“ Es war irgendwie ein gewaltiger Tritt in die Magengrube.

Ich gebe zu, dass ich mir keine Illusionen gemacht habe. Besonders nicht über meinen Platz in diesem Team. Ich meine, ich bin kein Genie so wie Sam, ich kann keine außerirdischen Schriftzeichen lesen, wie Daniel und zu allem Überfluss bin ich noch nicht mal außerirdisch, so wie Teal’c. Da ist es besonders schwer sich in diesem Team zu behaupten. Als Normalsterblicher hat man im Grunde doch gar keine Chance und genau das führt mich wieder zu meinen mulmigen Gefühl in meinem Bauch, was schreit: Was tue ich eigentlich hier?

„Sam?“

Ich drehe meinen Kopf in ihre Richtung und sehe, wie sie eingerollt, mir den Rücken zugewandt, auf der Seite liegt. Ihre gleichmäßigen Atemzüge sagen mir, dass sie vermutlich schon im Reich der Träume schlummert.

„Sam? Bist du wach?“

Keine Regung. Deshalb stupse ich sie leicht an. „Hey, Sam, aufwachen.“

„Hmmm…“, kommt ein Brummen und sie rollt sich noch weiter zusammen.

„Aufwachen.“

„Ich versuche gerade wieder einzuschlafen“, murmelt sie schläfrig.

„Sam…“, beginne ich leicht zu quengeln. Mal sehen, ob Daniels Taktik auch hier funktioniert.

„Werden wir angegriffen?“

Wie jetzt? Hä? „Äh… nein…“, antworte ich ihr ziemlich verwirrt.

„Gibt es einen Notfall?“

„Nein.“

„Sonst was Dringendes?“

„Nein.“

„Und warum darf ich dann nicht schlafen?“

„Weil ich dich was fragen muss.“ Ich betrachte noch immer ihre Rückseite und streiche mir erneut eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während ich meinen Kopf auf meiner Hand gestützt halte.

„Kann das nicht bis morgen warten?“

„Nein.“

Sie seufzt kurz, strampelt ihren Schlafsack etwas hinunter, aber dreht sich immer noch nicht zu mir um. Als sie nicht widerspricht, deute ich das mal als ein Einverständnis. „Der Colonel will mich nicht.“

„Was?!“ Ups… das kam dann wohl falsch heraus. Ich verziehe leicht mein Gesicht. Das kam definitiv falsch heraus. Ein klein wenig doppeldeutig vielleicht, aber zumindest habe ich jetzt ihre volle Aufmerksamkeit, denn kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, starren mich zwei große, blaue Augen durch die Dunkelheit hindurch an.

Ich schließe kurz mein Augenpaar. „Ähm… das kam jetzt irgendwie falsch...“ Aber ich muss schon sagen, eine ziemlich heftige Reaktion von Sams Seite aus. Okay, Liz, fang noch mal von vorne an. „Ich meinte, der Colonel will mich nicht hier haben. Auf dieser Expedition, in seinem Team…“

„Liz, das stimmt doch gar nicht.“

„Natürlich! Er hat nicht gerade Luftsprünge gemacht, als er erfahren hat, dass ich mitkomme.“

„So ist der Colonel nun einmal. Er kennt dich noch nicht, deswegen weiß er nicht, wie er dich einschätzen soll.“

„Ich weiß nicht…“

Sie seufzt leise und ich höre es wieder rascheln, als sie erneut ihre Position verändert und jetzt ebenfalls ihren Kopf auf ihrer Hand abstützt. Die andere streckt sie aus und berührt leicht meinen Arm. „Gib ihm etwas Zeit. Wenn du ihn erst einmal kennst, dann merkst du, dass er in Wirklichkeit richtig nett sein kann… Meistens jedenfalls“, fügt sie dann nachdenklich hinzu.

Ich lache kurz auf. Mir gegenüber hat er sich bisher noch nicht sehr *nett* verhalten. Er war immer so befehlshaberisch. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl für ihn nichts weiter als lediglich ein Dorn im Auge zu sein. Ich senke meinen Blick und beginne mit einer Kordel vom Schlafsack zu spielen. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht… ich weiß nicht…“, stammle ich herum, weil ich plötzlich keine Ahnung habe, wie ich Sam das vermitteln will, was in mir vorgeht.

„Liz, was ist los?“ Aus Sams Stimme ist jegliche Müdigkeit verschwunden. Stattdessen klingt sie jetzt ziemlich besorgt.

„Warum… warum bin ich hier, Sam?“ So, jetzt ist es raus. Und wie erwartet, ist Sam von dieser Frage vollkommen überrascht. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich es selbst. Denn eigentlich hatte ich mir vorgenommen ganz langsam an die Sache heranzugehen, aber das war noch nie wirklich meine Art gewesen.

„Ich verstehe nicht. Was meinst du?“

„Na ja, ihr wusstest doch schon von Anfang an, dass wir hier diese Sachen finden werden.“

„Nein.“

„Komm schon. Erst diese Goa’uld-Glyphen, dann Daniels Theorie mit diesen anderen Außerirdischen… Ich frage mich, was ich hier soll. Bisher konnte ich euch doch keineswegs helfen. Du bist ein Genie, Daniel kann außerirdischen Schriftzeichen übersetzen und Teal’c… nun ja…“ Ich lache kurz auf. „Teal’c, ist ein Außerirdischer!“ Ich schüttle leicht meinen Kopf und rolle mich dann auf meinen Rücken, um an die Zeltdecke zu starren. „Was tue *ich* hier, Sam?“

„Liz, wir sind doch gerade erst angekommen. Und morgen fangen wir mit der Arbeit an. Bisher konntest du noch nicht viel tun.“ Ja, und ich bezweifle, dass es sich in Zukunft ändern wird.

„Sam, bitte, Daniel hat bereits auf den Weg hierhin die meisten Zeichen meiner Aufzeichnungen übersetzt.“

„Das heißt doch noch gar nichts. Ich bin mir sicher, dass du noch beweisen kannst…“

Ich hebe meine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie versteht es nicht. Sie weiß einfach nicht, worauf ich hinaus will. „Du verstehst nicht.“

„Nein, das tue ich nicht. Liz, weshalb machst du dir Sorgen? Daniel kann dir die Grundlagen zeigen und dann könnt ihr gemeinsam die Schriften übersetzen.“

„Gott, Sam, darum geht es mir doch gar nicht!“ Sie sieht mich verwirrt an. Ich atme einmal tief ein und aus. Okay, bringen wir es jetzt mal ganz präzise auf den Punkt. „Sam, was musstest du dem General alles versprechen, wem musstest du die Füße küssen, damit ich jetzt hier liegen darf?“

„Was?“

„Du hast schon verstanden.“

„Nein, ich glaube, ich verstehe nicht.“

„Doch das tust du.“ Ich drehe meinen Kopf in ihre Richtung und schaue zu ihr auf. „Sam, das ist meine Ausgrabung… zumindest war sie es mal. Doch seitdem du gesehen hast, was sich hier befindet und du es zu deinem Boss geschleppt hast, ist sie zu einer Operation der Regierung geworden. Ich habe jegliche Kontrolle verloren.“ Ich betrachte sie einen Augenblick und ihre Gesichtszüge sind starr, nur ihre Augen glänzen, so als ob sie gerade über die Worte nachdenken würde. „Ganz ehrlich, Sam, wäre ich jetzt auch hier, wenn du nicht meine Freundin wärst?“

Ich halte ihren Blick und dann sehe ich so etwas wie Resignation in ihren Augen. Ja, hatte ich es doch gewusst. Und gleich kommt er wieder dieser ‚Könnten wir jetzt damit aufhören’ –Blick. Der Blick, den sie immer benutzt, um Sachen entweder herunterzuspielen oder gar ganz zu verleugnen. Drei… zwei… eins.. und voilà! Da ist er. Ich kann schon regelrecht meine Uhr danach stellen.

„Liz..“, sagt sie mit einem Seufzen.

„Nein, Sam, ehrlich, sag mir, bin ich jetzt nur hier, weil du meine Freundin bist?“

Sie strampelt sich jetzt vollends aus ihrem Schlafsack und winkelt ihre Beine an, so dass sie in einem Schneidersitz neben mir sitzt. Ich setze mich ebenfalls auf, so dass wir jetzt auf einer Augenhöhe sind. „Ich weiß doch, wie wichtig dir das hier ist. Und ich dachte…“ Ja, du hast gedacht, schmiere ich den hohen Tieren etwas Honig um den Mund und schwups ist alles geregelt. Ohne Rücksicht vielleicht darauf, was ich davon halte.

Ich schüttle nur mit dem Kopf. „Wieso?“

„Wolltest du denn nicht hier hin?“

„Natürlich, wollte ich hier hin. Aber nicht, weil irgendein Major, die zufälliger Weise eine gute Freundin von mir ist, ihrem Boss irgendwas vorgesäuselt hat. Sam…“ Ich atme einmal tief durch und schließe meine Augen, während ich angestrengt meinen Nasenrücken massiere. „Das hier ist nicht nur ne Ausgrabung für mich. Ich habe ein Jahr gebraucht, um noch weitere Sponsoren zu finden, die mir das hier letztendlich ermöglicht haben. Ein Jahr harte Arbeit und wir haben es alleine geschafft. Ich und mein Team. Kurz bevor dieser ganze…“ Ich seufze einmal schwer, „dieser ganze Scheiß mit Tom angefangen hat, habe ich die Zusage bekommen und jetzt… Sam, da frage ich mich, wozu diese ganze Arbeit? Denn jetzt scheint sie vollkommen umsonst gewesen zu sein.“

„Liz, ich weiß, dass du enttäuscht bist…“

„Enttäuscht?“ Ich lache auf und schüttle nur den Kopf. „Bei allem nötigen Respekt, Sam, aber du weißt gar nichts. Du hast dir meine Unterlagen geschnappt, wie die Heuschrecken seit darüber hergefallen und habt mich außen vorgelassen. Ich war gut genug, um euch die Koordinaten zu sagen, aber an der Arbeit kann ich mich nicht wirklich beteiligen, weil es nicht mehr meine Arbeit ist. Verdammt, Sam, was soll der ganze Mist? Ich komme mir vor, wie das fünfte Rad am Wagen – sprichwörtlich. Nicht nur, dass ich euch zum Großteil nicht folgen kann, nein, jetzt nehmt ihr mir auch noch das einzige, was mir wichtig ist.“

„Hey!“, unterbricht sie mich scharf und mit leicht zitternder Stimme. Noch hat sie sich unter Kontrolle. Früher wäre sie schon längst ausgeflippt – zumindest in dem Rahmen, der ihren Stolz zuließ und das belief sich dann meistens nur auf eine Bemerkung - aber die Air Force hat ihr wohl gezeigt, wie man alles hinter einer Maske verstecken kann. „Das ist jetzt nicht fair!“ Sie deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich. „Was willst du, Liz? Ich konnte den General nicht dazu bringen dein Team ebenfalls an dieser Expedition teilnehmen zu lassen. Er war lediglich damit einverstanden, dass du uns begleiten darfst.“

Oh… wenn das so ist. „Ich *darf* euch begleiten?“ Ich glaube, ich habe noch nie so viel Sarkasmus in so wenige Worte gelegt. Ihr Mund verzieht sich zu einer dünnen Linie, während sie nur verärgert zur Seite schaut. „Sam, ich bin nicht auf deine Almosen angewiesen. Weißt du, es ist wahr, das war einmal meine Ausgrabung, aber seitdem ihr es in die Finger bekommen habt, ist es das nicht mehr. Der Colonel denkt, ich bin nur irgend so ein lästiges Anhängsel und du… du, ach verdammt noch mal, keine Ahnung, was du denkst. Ich weiß nur eins. Ich will nicht in einem Team sein, welches mich nicht hier haben will.“

„Das ist doch gar nicht wahr! Und du weißt, dass du jetzt absoluten Mist redest.“

„Vielleicht… aber ändern tut das absolut nichts.“

„Liz, jetzt hör mir mal gut zu. Das, was wir hier gefunden haben unterliegt höchster Geheimhaltung und da können wir nicht x-beliebige Leute herschicken. Das, was wir hier haben, ist möglicherweise außerirdische Technologie und sehr wichtig für uns, für unsere Arbeit, verdammt, Liz, vermutlich sogar für den Verlauf unserer Zukunft.“

„Falls du Angst haben solltest, dass ich etwas ausplaudern würde, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, ich kann schon meinen Mund halten. Nur wäre es mir ehrlich gesagt lieber gewesen, wenn man mich ganz von diesem kleinen Trip verschont und mir vielleicht nicht dieses größte Geheimnis der Welt anvertraut hätte, als jetzt hier festzusitzen.“ Ich starre sie noch einen Augenblick an. „Weißt du, Sam, ich bin mein ganzes Leben immer den schweren Weg gegangen, ich habe nie etwas einfach so geschenkt bekommen und es ist ein verdammt beschissenes Gefühl zu wissen, dass man aus unersichtlichen Gründen bevorzugt wird und das jetzt ausbaden darf. Der Colonel weiß nicht wohin mit mir und ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht.“

Und damit rapple ich mich auf und öffne das Zelt. Eine lauwarme Nachtbriese weht mir über mein Gesicht. Als ich nach oben in den sternenklaren Nachthimmel schaue, kann ich im fahlen Mondlicht vereinzelte Fledermäuse umherflattern sehen. Und unweigerlich erscheinen mir die nächtlichen Geräusche des Dschungels viel lauter und auf irgendeine Weise viel vertrauter.

„Wo willst du hin?“ kommt es von Sam, die jetzt hinter mir hockt.

Ich drehe mich nicht zu ihr um, sondern schnappe mir nur meine Hose und meine Stiefel. „Raus hier.“

„Aber du kannst nicht… Liz, sei doch vernünftig! Es ist mitten in der Nacht!“ Ich höre ihr gar nicht zu. Ich bin gerade dabei meine Schuhe zuzubinden, als Sam nach meinen Handgelenk greift. „Verdammt, Liz, was ist los mit dir?“

„Ich dachte, das hätte ich dir gerade eben erklärt.“

„Liz, bleib hier. Wir sollten nicht nachts im Dschungel draußen herumlaufen. Das ist zu gefährlich.“ Ich befreie mein Gelenk mit einem energischen Ruck aus ihrem Griff und stehe auf.

„Ich weiß, was sich dort draußen befindet, Sam. Ich bin quasi im Dschungel aufgewachsen, schon vergessen?“ Das Feuer, inzwischen nur noch ein Häufchen Asche, ist schon längst erlischt und doch strahlt es noch eine gewisse Wärme aus, als ich an dem Haufen vorbeigehe und in der kühlen Nacht verschwinde.

„Liz!“

Ich antworte ihr nicht, drehe mich nicht einmal mehr um.

„Komm zurück!“

Ich kann nicht. Keine Ahnung, was mich da gerade eben geritten hat, aber es hat ein totales Chaos in mir ausgelöst und mir ist einfach nur nach heulen zumute. Ein Streit mit Sam war bestimmt das Letzte, was ich im Sinn hatte, aber sie hat einfach irgendwelche Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen und wenn ich nicht dieses absolute beklemmende Gefühl der Isolation innerhalb dieses Teams spüren würde, dann wäre es vermutlich nie so weit gekommen. Ich gebe zu, Daniel war der einzige, mit dem ich reden konnte, aber der Colonel, er hat von Anfang an seinen Standpunkt klar gemacht und Sam? Sam ist im Dienst und befolgt seine Befehle. Ich habe lediglich keine Ahnung, wo mein Platz hier ist und ja, es ist absolut beschissen in so etwas hineingestoßen zu werden.


+++++


Hingegen jeglicher Vernunft, bin ich nicht zurück zum Zelt gegangen. Denn ich wusste, sobald ich dort aufkreuze, würde Sam mich mit Fragen löchern, auf die ich keine Antworten habe, oder zumindest nicht die Kraft, mir irgendwelche Antworten aus den Fingern zu saugen.

Das, was dort passiert ist, kann man auch als einen klassischen Fehlstart betrachten. Ich weiß schon, warum ich mich immer bemüht habe nicht mit dem Militär zusammenzuarbeiten. Da ist Kollision doch schon vorprogrammiert. Ich hatte nie irgendwelche Probleme gehabt mich in eine Gruppe einzufinden, aber hier… ich weiß echt nicht woran es liegt. Dass dieses ganze Team schon eine Konstruktion für sich ist, dass Sam meine Freundin ist oder liegt es einfach nur an mir? Bin ich hier diejenige, die alles kaputt macht?

Argh! Das schreit geradezu nach Dilemma! Sam macht sich vermutlich wahnsinnige Sorgen. Und genau das lässt mich noch mieser fühlen, als es mir eh schon geht. Es ist ja nicht so, als ob sie nicht schon genug Probleme hat. Und haltet mich nicht für herzlos oder so, ich verstehe durchaus die gute Absicht hinter ihrem Handeln, aber dennoch… sonst hat sie immer mit mir gesprochen und jetzt entscheidet sie so etwas Wichtiges über meinen Kopf hinweg. Mir geht es nicht nur darum, dass ich hier ganz allein bin und Sam ohne mein Wissen einfach zum General gelaufen ist, es geht auch um die Frage, ob ich das überhaupt hinbekomme! Wie soll ich denn damit umgehen? Ich bin keine Soldatin, ich bin nicht darauf trainiert irgendwas geheim zu halten. Ich kann die Dinge nicht so in mich hineinfressen. Und es ist ja nicht so, als ob es sich um ein kleines Geheimnis handeln würde, etwas, was zwar auf dem ersten Blick gigantisch wirkt, aber beim Zweiten, dann schon einiges an Bedeutung verliert. Hier ist es genau anders herum. Anfangs habe ich nicht wirklich verstanden, was dahinter steckt (und ich glaube, ich tue es auch jetzt noch nicht. Wie kann ich es auch?), aber je mehr Zeit ich habe über all die damit verbundenen Konsequenzen und Folgen zu denken, desto größer und größer wird dieses Netz. Da bekommt der Satz ‚Alle Entscheidungen haben Konsequenzen’ doch gleich eine ganz andere Bedeutung, nicht wahr? Ich seufze laut. Es ist verdammt schwer mit so etwas richtig umzugehen. Und ich weiß nicht, ob ich für so viel Verantwortung schon bereit bin. Und soll ich ehrlich sein? Dieser Gedanke macht mir eine Scheißangst.

Und so sitze ich jetzt hier, in dieser geheimnisvollen Kammer und starre auf eine der Wände. Ich habe diese Eingravierungen und Symbole angestarrt und angestarrt und wenn ich jetzt meinen Laptop und alles hier hätte, dann hätte ich sicherlich schon mit der Arbeit beginnen können, aber das hätte bedeutet, ich hätte zurück gemusst und das ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Es ist im Grunde einfach nur umwerfend, was hier gefunden wurde. Ich habe in meinen Leben noch nie etwas so Schönes gesehen. Es ist so perfekt, organisiert und irgendwie vollkommen verwirrend. All das, was mein Leben nicht darstellt – der verwirrende Aspekt mal ausgenommen.

Das Licht ist übrigens auch wieder ausgegangen und ich bin durch den ganzen Raum gelaufen, aber es blieb stockduster. Als ich in die Dunkelheit gestolpert bin, fing es kurz an zu flackern, aber es hat sich nicht stabilisiert, also blieb es dunkel. Ich kann von Glück sprechen, dass ich meine Taschenlampe noch dabei habe. Und so leuchten inzwischen schon zu einer stummen Melodie in meinem Kopf die Symbole auf.

„…Gefallen tun.“ Ich schrecke auf und knipse schnell die Taschenlampe aus, als ich Sams Stimme höre. Verdammt, wie spät ist es? Ich weiß, es ist absolut feige von mir hier einfach im Dunkeln zu sitzen und so zu tun, als ob ich nicht anwesend wäre. Obwohl ich mich in absoluter Sicherheit weiß, weiß ich auch, dass sie, wenn sie erst einmal hier drin sind, sie mich auch dann spätestens finden. Aber das würde von mir rationales Denken abverlangen und im Moment ist das ein absolutes Fremdwort für mich.

„Sie hat es sicherlich nicht so gemeint.“ Daniel. Ihre Stimmen sind noch gedämpft, aber durch diesen genialen Bau, wird alles ziemlich hellhörig.

„Ich weiß nicht. Sie klang ziemlich überzeugt.“

„Und sie ist nicht zurückgekommen?“

„Nein.“ Sie klingt keinesfalls wütend, sondern wie ich vermutet habe, einfach nur besorgt. Großartig Liz, einfach nur großartig. Ich haue leicht mit meinen Hinterkopf gegen die Wand und sende sämtliche Flüche, die ich bereits in meinem Leben gehört habe, gen Himmel.

„Sie machen sich Sorgen?“

„Nein. Doch. Nicht direkt. Ein bisschen.“ Sie seufzt kurz. „Niemand hat vermutlich mehr Zeit im Dschungel verbracht als Liz, aber wir haben uns noch nie so gestritten.“ Ihre Schritte stoppen und sie müssen irgendwo vorm Eingang stehen. „Hat Liz Ihnen erzählt, wie wir uns kennen gelernt haben?“

Ich höre Daniel lachen. „Oh ja. Ich wusste gar nicht, dass Sie sich da schon mit Männer angelegt haben.“

Sam allerdings höre ich nicht lachen. „Es war noch in der Anfangsphase, und wir hatten einen gigantischen Streit, bombastisch. Es ging sogar um einen Jungen. Sie hat mich bis auf die Knochen blamiert. Jedenfalls haben wir uns angeschrieen, dass wir mindestens eine Woche nicht mehr miteinander reden würden.“

„Und?“

„Ich stand eine Stunde später vor ihrer Haustür.“

Oh ja, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Das war der Anfang einer wirklich dicken Freundschaft gewesen. Jimmy Turner, wir haben uns wegen Jimmy Turner gestritten! Ich habe Jimmy zugeflüstert, dass Sam ihn toll fand, aber er hat sich nur herzlich darüber amüsiert. Denn wie bereits gesagt, damals war es nicht besonders cool, wenn man mit einem Bücherwurm gesehen wurde… schon gar nicht für den Liebling der Schule. Ich dachte, ich würde ihr damit einen Gefallen tun, aber es endete in einem totalen Fiasko. Jimmy und seine Clique haben es ausgenutzt und sind erst mit Sam warm geworden, haben ihre Schwäche zu ihrem Vorteil ausgenutzt und obwohl Sam sonst immer den Durchblick hatte, hier hatten sämtliche Fähigkeiten versagt. Er hatte nur dieses Spielchen gespielt, um sie dann vor versammelter Mannschaft so richtig in Grund und Boden zu stampfen. Hätte ich gewusst, dass Jimmy so ein Schwein war, hätte ich es ihm nie gesagt und Sam diese Schmach erspart, aber ich wollte ihr wirklich nur einen Gefallen tun. Ich hatte es nur gut gemeint. Oh je… und hier mitten in der Dunkelheit, schwebt es vollkommen deutlich vor meinen Augen. Ich bin ja so ein Idiot! Ich schnauze Sam an und dabei bin ich kein Deut besser. Oh Gott! Ich haue jetzt meinen Kopf gegen eine imaginäre Ziegelmauer genau vor mir! Wenn Doofheit wehtun würde, müsste ich jetzt schon unter einem schlimmen Fall von Gehirnerschütterung leiden. Und das schlimmste von allem. *Sie* stand nach einer Stunde der vollkommenen Schmach und der Gewissheit, dass sie mindestens für den Rest des Schuljahrs das Gespött der Schule war, vor meiner Haustür. Sie stand da, gebeutelt und vollkommen im Boden versunken und hat mir verziehen. Und ich? Ich ziehe es vor mich jetzt einfach zu verstecken. Ich höre schon diese nervige Stimme in mir brüllen: „Feigling!“ Und wenn ich ehrlich bin, viel kann ich dem nicht mehr hinzufügen.

„Sehen Sie, Sam, lassen Sie Liz etwas Zeit. Die letzten Tage hatten es ganz schön in sich. Ich meine, erst die Goa’uld-Glyphen, dann die Geschichte mit dem Stargate und jetzt das hier! Als Catherine mir vor fünf Jahren von dem Stargate erzählt hat, hielt ich es für einen Scherz, bis ich es dann mit eigenen Augen gesehen habe. Liz weiß, dass Sie ihr damit nichts Böses wollen. Glauben Sie mir.“ Er macht eine kurze Pause. „Und Jack wird sich auch wieder einkriegen. Wenn wir Liz erst einmal gefunden haben, dann beruhigt auch er sich wieder.“ Kann mein Herzchen eigentlich noch tiefer als bis zu meinen Zehen sinken? Jetzt habe ich nicht nur Sam Stress gemacht, nein, jetzt hat sie auch noch wegen mir Ärger mit dem Colonel. Ich hätte es doch wirklich besser wissen müssen. Nachdenken, Liz! Nur ein bisschen nachdenken! Ist das denn wirklich zu viel verlangt?

Die beiden setzten sich wieder in Bewegung und ich warte schon ganz gespannt darauf, dass sie jede Sekunde hereinkommen. Aber irgendwas scheint sie aufzuhalten. „Es ist dunkel.“ Eine vollkommen pragmatische und zutreffende Beobachtung.

„Glauben Sie, die standen damals auch schon auf Energiesparen?“

„Überraschen würde es mich nicht.“

Ich sehe die Lichtkegel wandern und höre ihre Schritte. „Okay, was haben Sie gestern gemacht?“

„Ich habe gar nichts gemacht!“

„Irgendwas muss aber passiert sein… Es muss was auf den Boden sein, vielleicht irgendein Mechanismus der durch Druck in Gang gesetzt wird…“, überlegt Sam laut und die wackelnden Lichtkegel verraten mir, dass sie den Raum durchsuchen. Ihr werdet es nicht glauben, aber genau das habe ich auch schon versucht.

„Das könnt ihr euch sparen.“ Ich zucke leicht zusammen. Meine Stimme hört sich erschreckend laut in diesem Gemäuer an. Aber Sam und Daniel scheinen nicht minder überrascht zu sein, denn kaum habe ich die Worte ausgesprochen, werde ich auch schon vom weißen Licht geblendet. Ich sage euch, wenn ich die nächsten Stunden nicht mit einer weißen Mattscheibe vor meinen Augen rumlaufen, dann zumindest mit diesen nervigen, tanzenden Punkte, die man auf Teufel komm raus nicht loswird.

„Herr Gott noch mal…!“

„Meine Güte…!“

Kommt es von den beiden gleichzeitig wie aus einem Munde. Mit meinen Händen versuche ich die Strahlen der Taschenlampen abzuschirmen. „Könntet ihr vielleicht… die Taschenlampen…?“

„Oh ja, natürlich“, entschuldigt sich Daniel augenblicklich und richtet seine Taschenlampe auf dem Boden. „Mensch, Liz, wir haben uns Sorgen gemacht.“ Er kommt zu mir hinüber und ich taste mich die Wand nach oben.

„Sir, Carter hier. Wir haben sie gefunden. Sie ist in der Kammer“, übermittelt Sam dem Colonel im Grunde die gute Nachricht, aber für mich Hiobsbotschaft. Liz, du kannst schon mal anfangen dein Grab zu schaufeln. Ich glaube, wenn der Colonel mit mir fertig ist, werde ich es brauchen.

Als Antwort höre ich nur ein Rauschen und Rauschen und dazwischen irgendwo seine Stimme. „…Carter… bleiben…. Nicht rühren… Komme…“

Ja, selbst ich habe das verstanden und der Ton, der diese Wortfetzen übermittelt hat, war alles andere als freundlich. Ich schwöre euch, ich bewege mich keinen Zentimeter. Nicht einen einzigen. Jetzt dreht sich Sam ebenfalls zu mir um.

„Liz! Meine Güte… jage mir nie wieder so einen Schrecken ein!“ Ob sie jetzt darauf anspielt, dass ich die beiden gerade fast zu Tode erschreckt habe oder auf meine Flucht in der Nacht, kann ich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, aber ich tippe mal zu neunundneunzig Prozent auf letzteres.

Ich kann von Glück sprechen, dass es hier so dunkel ist, sonst hätte sie vermutlich noch die überwältigenden Schuldgefühle in meinem Blick gesehen. „Tut mir Leid.“ Ich weiß, die wohl lahmste Entschuldigung, die es gibt, aber wenn es drauf ankommt, fällt einem nie etwas Besseres ein. „Wirklich. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“

„Warum? Liz, ich…“ Ich sehe, wie ihr Umriss den Kopf schüttelt.

„Panik“, antworte ich ihr auf ihre unvollständige Frage wahrheitsgemäß. „Ich glaube, ich habe gestern erst verstanden, um was es hier geht. Ich habe mich… keine Ahnung, mir wurde es zu viel und meine Leute sind nicht hier… ich glaube, da habe ich etwas überreagiert.“

Sie seufzt schwer. „Hauptasche dir geht’s gut.“

Da muss ich einfach lächeln. „Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich nachts, unbewaffnet, ganz alleine in den Dschungel verschwinde?“ Ich kann nur ein Schulterzucken erahnen. „Nein, über so viel Vernunft verfüge ich dann doch noch. Das wäre doch lebensmüde. Also, ein wenig hänge ich schon noch an meinem Leben.“

Und damit entlocke ich ihr ein leichtes Lachen. „Das hoffe ich doch.“ Sie atmet einmal tief durch. „Liz, das war das Dümmste, was du je gemacht hast. Dir hätte wer weiß was passieren können.“

„Ist es aber nicht.“

„Darum geht es nicht. Es hätte aber etwas passieren können. Liz, der Colonel trägt die Verantwortung für dieses Team. Versuch dir mal vorzustellen, wie es ist, wenn plötzlich jemand aus deinem Team ohne ein Wort verschwinden würde.“

„Ich… ich weiß, es war ein Fehler und es tut mir wirklich, wirklich Leid. Ich wollte ehrlich nicht… Ich meine, das Letzte, was ich will, ist, dass du wegen mir mit dem Colonel Ärger hast und dass er für meine Dummheiten verantwortlich gemacht wird. Aber, Sam… bitte, versteh mich doch. Ich wurde hier hineingestoßen und, und ich hatte einfach keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich brauchte einfach etwas Zeit und Abstand, um das alles auf die Reihe zu kriegen.“

„Du hättest wenigstens dein Funkgerät…“ Sie hält mir dieses gute Stück entgegen und ich nehme es vollkommen baff an mich. Na klar, im Eifer des Gefechts denke ich auch ausgerechnet daran. Ich war froh, als ich endlich draußen war. Und wenn es mir überhaupt noch in den Sinn gekommen wäre mir mein Funkgerät zu holen – was natürlich nicht der Fall war – glaube ich kaum, dass ich dann noch einmal kehrt gemacht hätte.

„Sam…“ Ich schnappe vielleicht etwas zu theatralisch nach Luft und bin schon drauf und dran meine Hände in die Hüften zu stemmen. „Komm schon, ich war sauer auf dich. Da ist so'n Funkgerät wohl das Letzte, woran ich denke.“

Ihrem Schweigen entnehme ich mal, dass es bei ihr das genaue Gegenteil der Fall gewesen wäre. Sie hätte brodeln können vor Wut und dennoch wäre sie noch so verantwortlich gewesen und hätte gehorsam ihr Funkgerät eingepackt. Ich weiß schon, Air Force, Militär… Gefahr, jede Sekunde könnte ein Klavier auf deinen Kopf fallen. Da habe ich ja ein Glück, dass ich diesem Verein nicht beigetreten bin.

„Und du warst ja auch nicht ganz unschuldig an der Sache.“ Ich zeige durch die Dunkelheit hindurch mit meinem Finger auf sie.

„Ich…“, beginnt sie in einem Anflug von Empörung, aber verstummt dann, als sie meinen Punkt erkennt. „Ja, du hast Recht. Ich hätte vorher mit dir reden sollen“, gibt sie reumütig zu.

„Ja.“ Ganz recht. Sehe ich genauso. „Du musst schon zugeben, dass das hier alles ganz schön…“ Ich atme einmal tief durch, während ich meine Arme ausbreite und mich halb im Kreis drehe. „Na ja, es ist schon… gewaltig… irgendwie.“

„Ja, das ist es. In der Tat.“ Ich nicke ein paar Mal und im Schein der Taschenlampe schauen wir uns einfach nur an. Gott, ich war so ein Idiot. Sam würde mir nie etwas Böses wollen und ich ihr nicht. „Alles wieder in Ordnung zwischen uns?“, fragt sie diesmal leiser und versöhnend.

Was für eine Frage. „Natürlich. Es kommt nicht wieder vor. Ich schwöre es. Ehrlich.“

„Ich weiß.“ Sie drückt einmal kurz meine Hand, doch dieser Moment der Übereinkunft ist leider nur von kurzer Dauer.

„Dr. Sullivan, was in Gottes Namen fällt Ihnen eigentlich ein einfach so zu verschwinden?!“ Wie die Engländer sagen würden: The Colonel ist not amused. Überhaupt nicht. Ich sehe mich schon mit Schaufel. Er hat die Kammer noch nicht mal betreten und ich wünschte, die Wand hinter mir würde nachgeben. Ich hätte es wissen müssen. Man sollte sich nie mit einem Colonel anlegen. Ich wünschte nur, dass ich die Sache mit dem Colonel genauso einfach wie bei Sam aus der Welt schaffen könnte. Aber irgendwie sprechen alle Anzeichen dagegen.

Wütend stampft er die paar Stufen hinunter und bleibt vor mir stehen. Doch bevor er auch noch ein weiteres Wort sagen kann, ertönt plötzlich ein leises Summen. Es hört sich maschinell an. Wie… und dann geht das Licht wieder an. Was zum Teufel ist hier eigentlich los?

Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich erneut wie geblendet. Wow… das ist doch mal was. Der Colonel sieht sich ebenfalls verwundert um, bis sein Blick auf Daniel hängen bleibt. „Daniel, was haben Sie angefasst?“

„Wieso denn immer ich? Ich habe gar nichts angefasst!“

„Doch.“

„Nein.“

„Natürlich!“

„Nein, habe ich nicht!“

„Daniel?!“

„Jack?!“

Die beiden Männer starren sich an und ich spüre nur, wie ich verwundert meine Augenbrauen hochziehe. Jetzt sagt mir nicht, das ist immer so. Sam schüttelt nur mit einem kleinen Lächeln den Kopf. „Immer so?“

„Frag nicht.“ Sie zieht ihr Messgerät heraus und beginnt die Kammer nach irgendwelchen Unregelmäßigkeiten abzusuchen.

„Übrigens ging das Licht erst an, als Sie hier hereingestürmt kamen!“ Nun, das ist wahr und da kann selbst der Colonel nicht widersprechen und wie es aussieht, hat ihm das etwas den Wind aus den Segeln genommen.

Er begutachtete Daniel noch einen Moment, bevor er sich zum Sam umdreht. „Carter?“

Sie sieht von ihren Messungen zu ihm auf. „Ich kann nichts feststellen, Sir. Die Daten sind leicht erhöht, aber nicht gravierend genug, um so einen Energieaufwand zu erklären.“

„Und was jetzt?“

„Na ja“, beginnt Daniel, als er sich wieder zur Wand umdreht. „Zumindest wissen wir, von wem das hier kommt.“ Er hat wohl jetzt zum ersten Mal die Gelegenheit sich die Symbole genauer anzusehen. „Es sind nicht unsere Freunde.“

„Ach wirklich?“ Ja, das wollte ich auch gerade sagen. Wir wissen es?

„Die Antiker.“

„Wow“, kommt es von Sam.

„Klasse.“

Wer?

„Es gibt allerdings ein Problem.“ Was?

„Der Kasten hier bricht jetzt jede Sekunde über uns zusammen?“ Das kann passieren?

Aber Daniel schüttelt nur den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Diese Schrift stimmt nicht mit der überein, die wir bereits kennen.“


+++++


„Mo-Moment Mal, was soll denn das heißen: 'Die Schrift stimmt nicht überein'?“, platzt es keine Sekunde später aus dem Colonel heraus.

Doch Daniel zuckt lediglich mit den Schultern. „Na ja, das, was ich gesagt habe. Diese Schrift stimmt nicht mit der überein, die wir bereits kennen.“

„Und das heißt jetzt...?“ Während O'Neill eine kreisende Handbewegung macht, zieht er fragend seine Augenbrauen hoch.

„Das heißt“, beginnt Daniel nachdenklich und beißt sich kurz auf die Unterlippe. „Also, ich würde sagen, das heißt“, startet er einen neuen Versuch, aber auch diesmal gerät er ins Stocken. Und während neben mir der Colonel immer ungeduldiger wird, sieht sich Daniel mit einem Seufzen in dem Raum um. „Wenn ich ehrlich sein soll, dann heißt das wohl, dass wir noch einiges an Arbeit vor uns haben.“

„Sie haben also keine Ahnung?“

„Nein, habe ich nicht“, stimmt Daniel ihm reumütig zu. „Aber bald. Das hier ist wirklich interessant.“ Aufgeregt wie ein kleiner Junge, zeigt er auf eine Wand. „Seht euch doch nur die Darstellung an. Auf den ersten Blick durcheinander und ohne jegliche Logik, aber beim genaueren Hinsehen, kann man die Struktur...“

„Können Sie es übersetzen?“, geht ihm der Colonel mit wenig Begeisterung dazwischen.

„Es gibt natürlich viele wichtige Faktoren, die hier eine Rolle spielen. Zu aller erst wäre da einmal die Semantik...“

„Daniel!“

„Ja! Ja, natürlich kann ich es übersetzen.“

„Gut.“

„Ja“, murmelt Daniel verbittert wie ein saurer Apfel, gefolgt von ein paar weiteren vermutlichen Verwünschungen, die aber leider in seinem Meer aus Genuschel untergehen. Wobei es vielleicht auch gut so ist, denn ich glaube kaum, dass der Colonel an auch nur einer Silbe Gefallen gefunden hätte. Keine Ahnung woran es liegt, aber kann mir mal jemand erklären, warum ich den Eindruck habe, dass er permanent mit dem falschen Fuß aufsteht? Liegt das jetzt nur an mir oder ist das so ein 'Air-Force-ich-bin-Colonel-und-muss-stinkig-sein' Ding? Mir persönlich stinkt das gewaltig.

Und mit genau solch einer Anmut und Fehlen jeglicher Eleganz, dreht er sich um dreihundertsechzig Grad, wobei er seinen Blick mehr dürftig als würdig durch den Raum gleiten lässt. „Okay, so sieht's aus. Ich werde Hammond sagen, was wir hier gefunden haben und Sie, Daniel und Dr. Sullivan, Sie werden sich dran setzen und das hier übersetzen. Oder zumindest herausfinden, was dieses ganze Theater soll und Sie, Carter“, wirbelt er zu Sam herum, doch lässt noch nicht einmal in seiner kurzen, nervenzerreibenden Pause von seiner Befehlnummer ab, während er sie mit einem bestimmten Blick ansieht, der mir schon mein Herzchen rausgerissen hätte, „finden heraus, was es mit diesem verdammten Licht auf sich hat.“

„Ja, Sir.“

Sollte Sam sich auch nur in irgendeiner Weise von diesem befehelshaberischen Ton angegriffen fühlen, dann zeigt sie es nicht, sondern macht sich ohne Umschweife an die Arbeit. Und da soll man doch meinen, dass ihn Daniels neue Erkenntnis zumindest etwas auftauen lässt. Tja, so kann man sich irren. Ist wohl doch nicht nur männlich.

Aber die Sache wird dadurch nicht unbedingt einfacher für mich. Wie soll ich denn mit dem Colonel auf eine gleiche kommunikative Ebene kommen, wenn wir es nicht mal schaffen drei zivilisierte Worte miteinander zu wechseln, ohne dass ich gleich diesen immensen Drang verspüre ihm an den Hals zu springen? Ob das wohl auf Gegenseitigkeit beruht? Ist mir mein Leben lieb genug, um dieses Experiment zu starten? Aber wie die Dinge stehen, bleibt mir gar nichts anderes übrig. Immerhin stecken wir hier gemeinsam irgendwo im Urwald fest und es gibt Spielregeln, die eingehalten werden müssen. Ob es mir nun passt oder nicht. Und wenn ich ehrlich bin, dann bin ich nicht besonders scharf drauf, den Colonel irgendwie auf meiner gegenüberliegenden Seite zu wissen. Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden, wie ich ihm zeigen kann, dass ich alles andere als ein kleines Baby bin, auf welches aufgepasst werden muss.

„Liz, ich brauche mal Ihre Hilfe!“, reißt mich Daniels Stimme plötzlich aus meiner Traumwelt. Huh, wenn ich mich hier so umsehe, dann bin ich offensichtlich die einzige, die noch wie eine Salzsäure angewurzelt in der Gegend steht. Sam und der Colonel sind nicht mehr zu sehen und Daniel ist ebenfalls fleißig am Werkeln. Das wäre eventuell ein Ansatzpunkt, an dem ich arbeiten könnte. Meiner Umgebung ein klein wenig mehr Aufmerksamkeit zollen.

Noch während ich mir diesen Vorsatz auf meine verfrühte Silvesterliste der guten Vorsätze kritzle, eile ich zu Daniel hinüber, der nicht nur an seinem Laptop hantiert, sondern auch an meinem. Konnten die beiden etwa Gedanken lesen?

Erst als ich direkt hinter ihm stehe, sieht er von seiner Arbeit auf. „Ich habe mir gedacht, wir vernetzen einfach unsere beiden Notebooks. So haben Sie einen leichteren Zugriff auf die Dateien von den Antikern und bekommen gleichzeitig mit, wenn ich hier alles einscanne.“ Ich nicke. Ist eine gute Idee. „Habe jetzt soweit alles eingerichtet, aber Sie haben Ihr Notebook zumindest genauso gut gesichert, wie Sam ihres und obwohl ich es vermutlich umgehen könnte, wäre es glaube ich besser, wenn Sie mir den Zugriff gewähren.“

Ich schürze kurz meine Lippen und muss mir ein Grinsen verkneifen. Also im Klartext: Ich soll einfach mein hochgeheimes Passwort eingeben und meinen Zugang frei schalten? Man merkt, dass er vier Jahre intensiv mit Sam zusammengearbeitet hat. Doch ich behalte ein Kommentar für mich und „gewähre ihm Zugriff“ auf mein Heiligtum. Ein paar Klicks hier und ein paar Befehle da und die Sache ist geritzt.

„Gut“, murmelt Daniel noch, als er mir einen begrenzten Zugriff auf seine Daten gewährt und ein paar Dokumente aufruft, die sich bei mir auf dem Bildschirm läppern. „Vielleicht ein paar grundlegende Dinge, die ich bisher über die Antikerschrift herausfinden konnte. Es ist nicht viel, aber etwas. Das Problem an dieser Schrift ist, dass sich die Symbole und Zeichen sehr ähnlich sehen. Manche haben sogar dieselbe Struktur aber unterschiedliche Bedeutung. Aber was wirklich faszinierend ist, ist folgendes: Unsere Grammatik und die Sprachen haben sich aus dem Lateinischen entwickelt und hier finden wir genau diese Basis wieder. Latein scheint auch hier das Grundgerüst zu sein. Außerdem gibt es keine Leerzeichen, keine Groß-und Kleinschreibung und keine Satzzeichen.“

„Ist es da nicht einfacher zu sagen, was es gibt?“

Daniel lacht leicht. „Vermutlich. Aber das ist bisher das, was ich herausfinden konnte. Aber ist das nicht einfach unglaublich? Ich meine, überlegen Sie mal, was das heißen könnte. Heißt das, dass sich unsere Sprache aus der der Antiker entwickelt hat?“

„Ist das denn so abwegig?“

„Nein, nein, überhaupt nicht. Aber es wirft ein anderes Licht auf diese Zeichen hier.“

Okay, hier komme ich jetzt nicht ganz mit. Ich schüttle nur leicht mit dem Kopf. „Na ja“, beginnt er, als er aufsteht und zu einer der Wände rennt und davor stehen bleibt. „Wenn Sie diese hier an der Wand stehenden Symbole genau betrachten, dann unterscheiden sie sich fürs Auge kein bisschen von denen, die Sie bereits dort auf dem Bildschirm sehen. Und dennoch stimmen sie nicht überein. Was im Grunde nur eine Schlussfolgerung zulässt: Es ist ein älterer Dialekt, welcher uns nur zeigt, dass die Rasse der Antiker vermutlich schon viel früher ihre Wurzeln hier ausgebreitet hat.“

„Mir ist es trotzdem noch ein Rätsel, was die Maya mit alle dem zu tun haben. Und nicht nur das, nirgends in dieser Stätte haben wir ein Anzeichen der Antiker gefunden und dann gelangen wir in die Pyramide und siehe da, eine komplett andere Schrift. Ist das nicht merkwürdig?“

„Vielleicht haben die Maya es ja einfach übernommen und ist für uns jetzt nicht mehr sichtbar. Vielleicht war es das früher mal, bevor die Spanier alles zerstört haben.“

„Ja, das ist möglich, aber dennoch...wenn es wirklich einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Rassen geben würde... wow, ich meine, das würde so ziemlich alles über den Haufen werfen.“

„Willkommen in meiner Welt.“

Ha. Ja, und ich brauche nur noch ein paar Minuten, um diesen Gedanken zu verarbeiten. „Wie können Sie bei diesem Gedanken nur so ruhig bleiben? Das schreibt doch die komplette Geschichte um.“

Ein schiefes Grinsen zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. „Glauben Sir mir, Liz, wenn Janet, Sam, ich und all die anderen Wissenschaftler im SGC über die ganzen Errungenschaften schreiben könnten, mit denen wir bereits konfrontiert wurden, wir hätten ausgesorgt.“

Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Mensch, was für ein Leben. Umgeben von all diesen Wundern und man darf kein Sterbenswörtchen sagen. Ich glaube, ich wäre ein wandelndes, emotionales Pulverfass! „Und dennoch“, murmle ich diesmal, „warum die Pyramide?“

„Pyramiden besaßen schon immer große Bedeutungen. Aber ich bezweifle, dass diese hier von den Antikern stammt.“

Und wie kommt er jetzt darauf? Wenn ich mich recht entsinne, war es dann nicht er, der behauptet hat, dass die Entstehung der Pyramide nicht das ist, was alle anderen Historiker annehmen? Also, ich bin ganz Ohr. „Warum?“

„Der zeitliche Aspekt ist der ausschlaggebende Punkt. Wenn die Antiker wirklich so alt sind, wie ich annehme und das hier zeigt nur, dass wir vielleicht sogar ein paar Jahre dazuzählen dürfen, dann können sie das hier unmöglich gebaut haben. So alt, wie diese Pyramide auch ist, dafür ist sie zu neu.“

„Na ja“, setze ich schon an, aber Daniel schüttelt nur den Kopf.

„Nein, außerdem würde somit die Tatsache passen, dass die Pyramide von den Maya stammt, oder nicht?“

„Ja, klassischer Stil, Bauart, Symbole, selbst die Anordnung, alles typisch Maya.“

„Das hier, ist etwas vollkommen anderes.“ Er stützt seine Hände in die Hüften. „Nein, es ist unsinnig. Die Antiker waren schon viel zu fortgeschritten, um irgendwelche Pyramiden zu bauen.“

„Wieso? Vor ein paar Millionen von Jahren sah die ganze Sache vielleicht noch etwas anders aus? Was wissen Sie über die Antiker? Was macht sie so besonderes?“

„Ihr Wissen. Sie besaßen ein gigantisches Wissen über alles, das Universum, die Galaxien, Technologien...“

„Gut, ich kann ja verstehen, wenn Steine schleppen nicht gerade zu ihren Lieblingsaufgaben zählten, aber ist es wirklich so unwahrscheinlich? Und nehmen wir nur für einen Augenblick mal an, dass es wirklich einen Zusammenhang gibt, dann ist die ganze Sache vielleicht doch nicht so abwegig.“

„Was meinen Sie?“

Ja, was meine ich eigentlich? Mir schwirrt gerade so viel durch meinen Kopf, dass ich gar keine Ahnung mehr habe, wo eigentlich noch vorne oder wo hinten ist. Ganz zu schweigen von oben oder unten. Und ob ihr es glaubt oder nicht, aber in meinem Kopf baut sich gerade eine äußerst kranke Idee zusammen. „In der Kultur der Maya war die Pyramide mehr als nur ein Bauwerk. Sie waren nicht bloß Anhöhen, auf denen die Opfer dargebracht wurden, sie waren nicht nur das Heiligtum der Götter, die Priester saßen dort nicht nur Nacht für Nacht, um die Laufbahn der Venus zu beobachten, nein, jeder Stein von dieser Pyramide hat eine Bedeutung. Sie können sich noch daran erinnern, wie ich Ihnen davon erzählt habe, dass die Maya Ikonen der Kalenderrechnung waren? Nun, das hier ist ihr Kalender.“

„Die Pyramide? Ich dachte immer, sie hätten so eine Art Zahnradsystem entwickelt.“

„Oh, das haben sie auch. Aber das hier, diese Pyramide ist ebenfalls ein Kalender. Wenn man sich die Mühe macht und mal alles abzählt, stellt man fest, dass diese Pyramide genau dreihundertfünfundsechzig Stufen besitzt – dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr, wobei man allerdings fairer weise sagen sollte, dass fünf von den dreihundertfünfundsechzig Tagen als Unglückstage zählten– und genau zweiundfünfzig Fenster, ausgelegt nach dem Maya-Zyklus, der ein viertel des Zyklus beschreibt nach dem alle zweiundfünfzig Jahre ein Sonnenjahr-Zyklus mit einem Zyklus von heiligen Jahren zusammenfällt, so dass immer derselbe Tag in einem bestimmten Monat gleichzeitig in den beiden Systemen erscheint. Also, lange Rede kurzer Sinn, für die Maya bestand ein Jahrhundert aus zweiundfünfzig Jahren. Hinzukommt, dass keine der vier Seiten der Pyramide exakt zu den Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, sondern mit einer Differenz von sieben Grad südwestlich. Wenn an zwei Tagen im Jahr die Nacht – und Tagbleiche auftreten, dann sind an dem nördlichen Treppenaufgang die Schatten der Pyramidenterrassen zu sehen sind. Diese Schatten werden durch die untergehende Sonne erzeugt. Und jetzt kommt das Beste, also das wirklich faszinierende, diese Schatten sind nicht irgendwelche Schatten, sondern sie nehmen die Form von einer Schlange an. Um genau zu sein, eine Schlange mit insgesamt sieben Schatten. Es ist unglaublich das zu sehen“, lächle ich ihn verträumt an.

„Schlange sagten Sie?“

„Ja, sicher. Aber das ist doch allgemein bekannt“, zucke ich mit den Schultern, als wäre es das Natürlichste auf der Welt.

Und dann schüttelt Daniel mit dem Kopf. „Nein, das wäre ein zu großer Zufall“, murmelt er mehr zu sich selbst als direkt an mich gerichtet.

Für einen Moment schaue ich ihn verwirrt an, aber als er nichts weiter erwidert, fahre ich fort. „Verstehen Sie? Die Pyramiden haben nicht nur den Kalender ergänzt, nein, sie haben ihn sogar gänzlich ersetzt. Damit sollte bewirkt werden, dass das normale Volk die Bedeutung der Götter und natürlich der Priester nicht vergisst. Ein immer anwesendes Andenken. Und vielleicht wollten ja diese Antiker, dass ihre Nachfahren genau solche Errungenschaften machen. Ich meine, vielleicht befindet sich ja hier irgendwo eine Anleitung und die Maya haben sich nur danach gerichtet und konnten so all die Wunder vollbringen, von denen wir heute wissen?“

„Liz“, unterbricht mich Daniel in meinem Redeschwall. „Sie basieren Ihre Vermutungen auf der Geschichte der Maya und ja, selbst wenn es irgendwo einen Zusammenhang gegeben haben mag, hier besteht er nicht.“

„Aber wieso nicht?“

„Die Antiker hatten eine ganz andere Kalenderrechnung. Die der Maya ist oder war revolutionär, gar keine Frage. Wenn wir dieses Prinzip nicht entdeckt hätten, dann wäre einiges anders in unserer Geschichte gelaufen. Aber glauben Sie mir, da gibt es keinen Zusammenhang.“

„Wie können Sie sich da so sicher sein?“

„Das kann ich nicht. Doch bisher sehe ich noch nicht, was für einen Grund es haben könnte.“

„Ja, ich weiß, die Idee war beknackt.“

„Liz“, seufzt Daniel.

„Nein, nein“, gehe ich ihm dazwischen. Und er hat ja Recht. Wie konnte ich überhaupt annehmen, dass es einen Zusammenhang geben könnte? Wer hat sich denn die letzten Jahre mit der Geschichte der Antiker befasst, er oder ich? „Total bekloppt und idiotisch. Einfach nur bescheuert.“

„Das ist nicht wahr.“ Während sich schon meine Unterlippe dazu entschließt sich einfach nach vorne zu schieben und mich in ein schmollendes Etwas verwandelt, berührt Daniel versöhnend meinen Arm. „Glauben Sie mir, ich habe mich schon viel zu oft geirrt. Bevor wir zu irgendwelchen Schlussfolgerungen gelangen, sollten wir vielleicht erst einmal mit der Übersetzung anfangen.“ Und dann versucht er mich aufzuheitern, aber ich kann euch jetzt schon sagen, dass er mit Pauken und Trompeten scheitert. „Wir sollten diese Gelegenheit ausnutzen, sonst ist Jack nicht so großzügig.“

Jack... Colonel O'Neill... ja, mein anderes Problem. Wie kann man es diesem Mann nur recht machen? Geht das überhaupt? Wo gerade noch mein Ambitionspegel auf Maximum stand, ist er jetzt bis in den Keller gefallen. Und mit solch hirnrissigen Ideen komme ich bei ihm auch nicht weiter. Wenn ich ihn sogar richtig einschätze, dann brauche ich gar nicht erst dran zu denken sie auch nur zu äußern. Denn wenn Daniel schon nicht überzeugt ist, wie soll es dann ein Colonel der Air Force sein? Ja, Volltreffer, Liz! Irgendwelche Colonels zufrieden zustellen, ist schwieriger und anstrengender als ich angenommen habe. Meine Bewunderung für Daniel steigt immer weiter. Wie schafft er es, dass der Colonel ihm nicht gleich immer an den Hals springt?

„Daniel?“

„Hm?“ Er sieht nicht von seinem Camcorder auf, den er in der Hand hält und nach und nach Aufnahmen von der Kammer macht.

„Warum mag mich der Colonel nicht?“

Kurzeitig blickt er auf, zieht fragend eine Augenbraue hoch und sieht mich einfach nur an. „Er mag Sie nicht?“

Nun, wenn ich gemocht werde, dann sagt mir meine Erfahrung, dass das aber ganz anders aussieht. „Na ja, bisher hatte ich noch nicht wirklich das Gefühl...“

„Liz, Sie sollten sich darum keine Sorgen machen. Wenn Jack Sie nicht mögen würde, dann wären Sie schon gar nicht mehr hier.“

Gar nicht mehr hier? Was soll das denn bitte schön heißen? Doch nicht etwa... Nein, nie und nimmer. Das würde der Colonel doch nicht machen, oder?

Ich sehe, wie es förmlich in Daniels Kopf arbeitet, bevor vollkommen apathisch seine Augen aufreißt. „Was? Liz, um Gottes Willen nein! Nein, keine Angst, er würde Sie nicht deshalb von dieser Mission abziehen.“ Eine ganze Lawine rollt gerade von meinem Herzen. „Jack ist zwar bekannt für seine offenkundige Abneigung gegenüber Wissenschaftlern, aber nein, da können Sie mir vertrauen. Sie kommen am besten mit ihm aus, wenn Sie seine Befehle befolgen und sich auf seine Stimmung einlassen.“

„Kann man das lernen?“ Ich glaube nämlich nicht, dass ich das von heute auf morgen schaffe. Wie denn auch, wenn mein großes Plappermaul immer meint alles in die Hand zu nehmen?

„Nein, nicht wirklich. Aber man gewöhnt sich dran. Man muss nur den Dreh raushaben.“

„Man gewöhnt sich dran?“ Lustig, wirklich. Kann mich kaum noch halten. „Und haben Sie schon den Dreh raus?“ Muss er doch, oder?

„Daran arbeite ich noch.“

Daran arbeitet er noch... Ein großes 'Oi' und 'Doppelseufz'. Wie kann er noch daran arbeiten? Auf allem, wie soll ich das auf die Reihe bekommen, wenn er es nicht mal nach vier Jahren Zusammenarbeit geschafft hat? Ich sehe es schon. Mir stehen schwere, dunkle Zeiten bevor. Ob sich gerade meine komplette Resignation und Verzweiflung in meinem Gesicht widerspiegelt? Ich bin echt am Ende. Man gebe mir jetzt bitte einen Strick.

„Aber Sam kommt gut mit ihm klar und sie ist auch Wissenschaftlerin.“ Ha! Ich hätte fast laut aufgelacht. Glaub mir, Daniel, er kommt nicht so gut mit ihr aus, weil sie Wissenschaftlerin ist! Das können Sie *mir* ruhig glauben. Zwischen den beiden läuft der Hase ganz anders. „Okay, Sie müssen eines verstehen, Liz“, beginnt Daniel, während er das Display des Camcorders zuklappt und auf mich zukommt. „Jack wird nie die Dinge so sehen, wie wir es tun und Sie werden nie seine Sichtweise verstehen. Dazu sind Sie zu sehr Wissenschaftlerin und er ist zu sehr Soldat. Wissenschaft und Militär vertragen sich einfach nicht. Da prallen sprichwörtlich Welten aufeinander. Und doch funktioniert es nur, wenn sie beide vertreten sind. Zumindest in unserem Bereich. Das Militär braucht die Wissenschaft und umgekehrt. Sie werden nie einen Soldaten dazu bringen können, ihn von etwas zu überzeugen, wenn sein militärisches Denken es ihm verbietet. Das können die unwichtigsten Kleinigkeiten sein. Es hilft, wenn Sie es sich folgendermaßen vorstellen. Das Ganze ist eine gigantische Gewitterwolke. Sie sind ein Teil der Ladung und Jack der andere. Irgendwann kommt es zum Knall. Hart und schmerzhaft, aber dann verzieht sich das Gewitter wieder. Bis es zur nächsten Kollision kommt.“

Ich lache kurz auf. *So* kann man es natürlich auch sehen. Gewitterwolke... „Nicht schlecht...“

Er zuckt nur mit den Schultern. „Aber dennoch. Ich würde mit niemanden auf der Welt tauschen wollen. Diese Menschen sind großartig. Ohne sie würden wir hier nicht mehr stehen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will, Liz? Trotz ihrer blöden und teilweise unsinnigen Regeln, sind sie die Besten. Und ich meine die Besten.“

„Die Besten der Besten?“, murmle ich.

„Ja, die Besten der Besten. Jack ist fair. Sie hatten nur noch keine Möglichkeit das zu erkennen. Aber er ist verdammt fair.“

„Hoffen wir mal, dass Sie Recht haben, was?“

„Natürlich habe ich Recht. Ich arbeite jetzt schon seit vier Jahren mit diesem Mann zusammen.“

„Und was ist mit Teal'c und Sam? Wo stehen sie?“

„Sam und Teal'c? Nun, Teal'c... Teal'c ist der ruhende Pol, immer da und... na ja Sam... Sam ist unser Puffer.“ Als er das sagt, zeichnet sich ein großes Grinsen auf seinem Gesicht ab. „Sie kann sowohl mich als auch Jack verstehen. Sie ist unser Puffer.“

Puffer-Sam... wenn sie das zu Ohren bekommt. Und mir liegt bereits ein passender Kommentar auf der Zunge, als ich unterbrochen werde.

„Hey, ihr beiden! Das müsst ihr euch ansehen!“, kommt es aufgeregt von unserem Puffer. Gleichzeitig schauen wir zum Ausgang und sehen, wie ihr Kopf um die Ecke lugt. Die Euphorie springt ihr förmlich aus dem Gesicht!

Das muss man uns nicht zweimal sagen! Kaum gesagt, und schon sind wir mit gigantischen Schritten Richtung Ausgang.


+++++


Ein merkwürdiges Schwindelgefühl durchfährt mich und lässt mich wenige Sekunden in meiner Bewegung inne halten. Woah, hatte vollkommen vergessen wie drückend warm es draußen ist. Und während sich meine Körperfunktionen wieder langsam zurückmelden, sehe ich nur, wie Sam uns bereits Meilen voraus ist.

„Hier entlang.“

Sprach's und verschwindet um die Ecke. Nachdem wir einen kleinen Moment mit den Unebenheiten des Boden zu kämpfen hatten, gelangen wir endlich zu ihr. Sam kniet auf den Boden vor der Pyramide. „Was haben Sie da?“, fragt Daniel, der ebenfalls in die Knie geht.

„So was schon mal gesehen?“, stellt Sam stattdessen die Gegenfrage.

Ein Moment des andächtigen Schweigens, während ich noch versuche einen besseren Platz zu finden. Ist das zu glauben, da ist dieser Dschungel Hektar über Hektar groß und jetzt kommt er mir zu klein vor. Verrückte Welt ist das. „Also, in dieser Ausführung noch nicht.“

Ich klettere eine Stufe hinauf, da es dort unten zu eng wird und schiele über die beiden hinweg auf das Etwas, was der neue Mittelpunkt unsere Aufmerksamkeit ist. Zeitlupenähnlich schwinden die Sekunden, während immer mehr Blut durch meine Ohren rauscht, das Hämmern in meiner Brust mich an einem Presslufthammer erinnert und ich schon arge Zweifel hege, ob mein Herz das überhaupt überleben kann, wird die Sicht immer mehr frei. Und dann... rutscht alles irgendwie in eine ziemlich tiefe Enttäuschung. Vielleicht liegt es schlicht und einfach daran, dass ich die letzten Tage dermaßen mit gigantischen Außergewöhnlichkeiten verwöhnt wurde, dass das hier jetzt dagegen ein klein wenig mickrig erscheint. Versteht mich nicht falsch, das hier ist ein Fund und vor zwei Wochen hätte ich mich noch ein Loch in den Bauch gefreut, aber ich kann das nagende Gefühl der Enttäuschung nicht so wirklich abschütteln. Vor mir befindet sich lediglich eine Platte im Boden. Okay, sie unterscheidet sich von dem Rest. Zunächst einmal, sie hat eine symmetrische, achteckige Form, was nicht gerade wirklich gewöhnlich ist. In ihr ist etwas eingeritzt. Feine Linien, deren Gesamtbild mich irgendwie an ein Spinnennetz erinnert. Und auch das nur um acht Ecken. Und in der Mitte befindet sich ein merkwürdiges Zeichen. Ein Dreieck mit einem Kreis darüber. Ich habe absolut keine Ahnung, was uns das sagen soll.

„Der Ausgangspunkt“, sagt Daniel und schaut erstaunt zu Sam auf.

„Genau.“ Abrupt springt er plötzlich auf und sieht sich den Boden in der Umgebung an. „Da ist nichts, Daniel. Ich habe schon nachgesehen.“ Oooookay, fein, was? Oder fragen wir mal so: Was genau hatte er den gehofft zu finden?

„Was gibt's denn so dringendes, Carter? Ich hoffe, es ist dringend, denn deswegen habe ich gerade Hammond abgewürgt... und das nicht sehr elegant... wenn Sie verstehen.“

Sam kommt um ein Schmunzeln nicht herum, auch wenn sie sich alles Mühe gibt möglichst teilnahmslos zu wirken und fast hätte sie es da auch geschafft, wenn da nicht ihre Mundwinkel blitzartig für eine Sekunde nach oben geschossen wären. „Sehen Sie selbst, Sir.“

Und für ihn geht sie einen Schritt zur Seite. Colonel müsste man sein. O'Neill schaut geschlagene zwanzig Sekunden auf den Boden. Leider kann ich seinen Blick nicht ausmachen, denn obwohl er seine Kappe falsch herum trägt, ist sein Gesicht zu sehr nach unten gebeugt, als dass ich etwas erkennen könnte. Ich sehe vielleicht seine Augen nicht, aber dafür kann ich mehr als deutlich erkennen, wie er leicht seine Lippen schürzt und schließlich wandert sein Augenpaar nach oben. Erst zu Sam, dann zu Daniel und zu mir, und von dort wieder zurück zu Sam, wo sein Blick schließlich hängen bleibt. „Also, Carter, ich will ja gar nicht behaupten, dass ich von diesen ganzen Dingen eine Ahnung habe, aber das hier...“ Er zeigt hinunter auf den Boden, „das hier, ist ein Stein.“

„Nein, ist es nicht“, geht Daniel dazwischen.

„Ist es nicht?“

„Nein. Warten Sie es nur ab. Auf den ersten Blick ist es ein Stein...“, erklärt Daniel, während er auf einmal etwas eindrückt.

„Woah! Was tun Sie da, Daniel?“ Augenblick reißt der Colonel seine Waffe hoch und zielt geradewegs auf den Boden.

„Keine Sorge, Jack.“

„Ja, ich mache mir keine Sorgen, wenn da nicht gleich ne Waffe rauskommt.“ Ich ziehe nur skeptisch meine Augenbrauen hoch. Genau, eine Waffe, kommt aus dem Boden gefahren. Wohl zu viel Star Wars gesehen, was? Und gleich kommen noch irgendwelche Gleiter aus der Pyramide geschossen. Natürlich. Also wirklich, ich bitte euch, eine Waffe... O'Neill nickt Daniel knapp zu, dass er weitermachen soll.

Und dann drückt Daniel auf den Kreis über dem Dreieck. Ich fress einen Besen, aber der lässt sich doch wahrhaftig eindrücken! Ich glaub, ich bin im falschen Film! Doch damit noch nicht genug, diese verdammte Platte fährt auseinander. Ich werd nicht mehr! Aber das hier ist Indiana Jones live! Jetzt fehlt nur noch, dass Harrison Ford um die Ecke kommt. Gemeinsam lehnen wir uns alle ein Stückchen nach vorne und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht kurz vor einen Herzkasper stehe. Ich bekomme schon fast Stielaugen, bevor ich etwas erkennen kann, ohne von der ersten Reihe der Stufen zu fallen. Von wegen Waffen, das hier ist noch viel besser! Wow, absolut fantastisch. Meiner Meinung nach, exakt kopiert aus Raumschiff Enterprise. Betont langsam fährt aus der Tiefe des Bodens eine Art Sockel. Aber kein normaler Sockel, wo man Büsten und alles draufstellen kann, das hier scheint irgendeine Schalttafel zu sein. Bläulich leuchtende, dreieckige Knöpfe mit merkwürdigen Beschriftungen befinden sich auf der Oberfläche. Wenn ich nicht wüsste, dass es echt ist, dann hätte ich es für eine vergessene Requisite aus einem Kinofilm gehalten.

„Das sieht aus...“, beginnt Sam. „Nun, jetzt wissen wir zumindest, woher die Goa'uld ihre Schalttafelsysteme haben.“

„Hmm“, brummt der Colonel zustimmend, aber nicht wirklich begeistert.

„Na ja, wenn das hier wirklich ein Vorgänger der Geräte ist, die die Goa'uld benutzen, dann dürfte sich die Bedienung nicht großartig unterscheiden.“

Ist klar. Wollte ich auch gerade sagen. So, als ob sie genau weiß, was sie drücken muss, fährt Sams Hand über die äußeren Tafeln, wo nichts passiert. Leicht irritiert versucht sie es erneut, aber nichts rührt sich. Ich weiß zwar nicht, was sie erwarten, was passieren sollte, aber jedenfalls tut sich nichts. Verwundert dreht sie sich zu Daniel um, aber von seinem ratlosen Blick kann man vermuten, dass er auch keine Ahnung hat, was das zu bedeuten hat. Er legt eine Hand auf eine der Flächen und schon genau wie bei Sam passiert so absolut gar nichts.

„Vielleicht ist es ja kaputt?“, schlägt er mit einem Schulterzucken vor. Sam ist bereits dabei nach so etwas wie einer Klappe oder dergleichen zu suchen, damit sie irgendwelche Käbelchen kurzschließen kann.

Während die beiden noch über das Wieso, Warum und Weshalb fachsimpeln, beugt sich der Colonel über die Schalttafel und berührt mit seinen Fingerspitzen die Oberfläche. Auch hier passiert zunächst nichts, doch kaum das seine gesamte Hand auf einer Tafel liegt, beginnt das Ding plötzlich weißbläulich zu leuchten. Okay, das ist...interessant. Und... ach du meine Güte! Ich springe förmlich auf, als plötzlich ein gebündelter Lichtstrahl aus der Mitte der Tafel herausschießt. Was zum Teufel soll das denn jetzt schon wieder sein?! Während ich noch daran arbeite meinen Blutdruck wieder auf einen normalen Wert zu bekommen, sind die anderen noch nicht einmal zusammengezuckt! Nein, die Herrschaften studieren stattdessen das nun ausgebreitete Hologrammfeld vor ihnen. Sie sind vielleicht etwas überrascht, aber noch lange nicht so schockiert wie ich. Ich bin echt im falschen Film... ein Hologramm... Und was kommt als nächstes? Irgendwelche Laserwaffen? Captain Kirk lässt grüßen!

„Sir!“, springt Sam überrascht auf und der Colonel zieht seine Hand weg woraufhin der gesamte Podest erlischt und auch das Hologramm verschwindet, so als hätte man den Fernseher ausgeschaltet. Verdattert starren wir zunächst auf das Gebilde vor uns schließlich zum Colonel. Wie...was.... was ist hier eigentlich los? „Sir“, beginnt Sam mit weit aufgerissenen Augen. „Wie haben Sie das gemacht?“

„Ich...“ Aber er kann nur mit den Kopf schütteln.

„Machen Sie es noch mal.“ Der Colonel schaut sie leicht verwirrt an.

„Carter, ich habe nichts gemacht. Ich weiß noch nicht mal, was ich getan habe oder ob ich es überhaupt getan habe. Und sollte ich es doch getan haben, dann kann ich das nicht so einfach an und ausstellen, denn ich habe keine Ahnung.“

„Versuchen Sie es wenigstens“, bleibt sie hartnäckig.

„Jack“, mischt sich auch Daniel ein. „Bei keinen von uns hat es reagiert.“ Halt, das stimmt nicht. Ich habe es nicht probiert, doch ich denke, das tut ihr nichts zur Sache. „Aber bei Ihnen.“ Schon fast verschwörerisch starrt er Jack an, so als ob er ihn nur durch seinen puren Willen dazu bringen könnte wieder die Hand auf die Schalttafel zu legen. Mit einem Seufzen beugt sich der Colonel schließlich der stichelnden Neugier und mit einem Blick Richtung Sam würde ich sagen auch ihren großen, blauen Kulleraugen.

„Fein, fein“, murmelt er, während seine Hand wieder auf das besagte Stück wandert. Und siehe da, es erwacht zum Leben, genau wie das Hologramm.

Wenn man mal von der Tatsache absieht, dass es sich hier um ein reales Hologramm handelt, also nicht irgendein am Computer hergestellte Manipulation, sondern ein wirkliches, echtes, Hologramm, sieht es aus, als wäre es aus dem Fernseher gesprungen. Ich mache keine Scherze. Der ganze Schnickschnack. Transparenter Hintergrund, merkwürdige Schriftzeichen und alles in 3D. Wie gebannt starren meine Augen auf dieses Wunderwerk. Ob man es anfassen kann? Wenn ja, wie fühlt es sich an? Ist es fest? Meine Neugier überrennt mich fast, während ich mir alle Mühe gebe, das Hologramm nicht anzufassen. Es muss elektrisierend sein. Kann man es sich so vorstellen, dass Strom durch den Körper fließt? Wäre es gefährlich, wenn ich jetzt einfach aufstehe und es berühre? Noch während ich mir Fragen über Fragen stelle, meldet sich ganz leise im hintersten Teil meines Kopfes eine Stimme - meine Vernunft - die mir sagt, dass ich schön meine Finger da behalten soll, wo sie hingehören, nämlich in meinen Schoß. Schon vergessen, was mit Sam passiert ist, als sie etwas Unbekanntes angefasst hat? Sie musste erschossen werden. Ja, das wäre ein legitimer Grund diesmal Vernunft über Intuition walten zu lassen. Und so tue ich genau das. Ich behalte meine Hände bei mir.

„Das ist eine Karte.“ Sam deutet mit ihrer Finger, der nur Zentimeter vor der Abbildung schwebt, auf einen groben Umriss. „Seht euch nur die Größe an. Das ist riesig.“

„Aber von was?“, fragt Daniel mit einem Kopfschütteln. In Gedanken verloren, kaut er auf seiner Unterlippe herum.

Ich lege leicht meinen Kopf schief, während meine Blicke über die Karte huschen. Sie ist in der Tat groß, aber viel mehr verwirrt mich der leuchtende Punkt weiter rechts auf der Karte. „Es sieht aus wie ein System“, murmle ich. Kaum sind die Worte ausgesprochen, kleben auch schon die Blicke der drei auf mir. Meine Antwort ist nur ein Schulterzucken. „Ich würde sagen, wir sind der Punkt hier. Und der Rest...“ Ich verstumme kurzzeitig, während sich in meinem Kopf alles überschlägt. „Na ja, vielleicht hat es gar nichts zu bedeuten, aber die einzelnen Stätten der Maya waren durch Straßen verbunden. Hier.“ Ich zeige auf den Boden und meine Hand macht eine ausschweifende Geste, die einen steinernen Pfad verfolgt. „Dieser Weg hier führt aus dieser Stätte hinaus in eine nächste. Was ist, wenn es genau das ist? Ein Komplex.“

„Das könnte durchaus möglich sein“, pflichtet mir Daniel nickend bei. „Aber wir befinden uns hier“ Er deutet auf den Punkt, der oberhalb anderer Ebenen liegt. „Das hier ist die Oberfläche, aber darunter befinden sich noch weitere Ebenen. Wie kommen wir dort hin?“

„Wir sollten vielleicht erst einmal die obere Ebene untersuchen“, mischt sich der Colonel ein.

Doch es überrascht mich nicht sonderlich zu sehen, wie Daniel bereits dazu ansetzt den Kopf zu schütteln. „Das hier ist die obere Ebene, Jack. Wenn wir hier sind, dann ist das die Pyramide und... Oh mein Gott...“

„Was?“

„Die Pyramide!“ Mit einem aufgeregten Strahlen schaut er zwischen uns hin und her, bis schließlich sein Blick auf mir hängen bleibt. „Innerhalb der Pyramide muss es einen Eingang geben!“ Einen Eingang? Aber Moment Mal. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!

„Aber, Daniel, das ist unlogisch. Die Pyramide stammt von den Maya, aber das hier“ Ich zeige auf den Sockel, „das ist von den Antikern und Sie haben selbst noch vor fünf Minuten gesagt, dass es zwischen diesen beiden Kulturen keinen Zusammenhang gibt.“

„Ich weiß, ich weiß... Keine Ahnung, warum, aber man kann deutlich sehen, wie von hieraus ein Gang wegführt.“ Er grinst mich an. „Vielleicht gab es ja doch einen Zusammenhang, nur haben wir falsch gedacht. Wir sind davon ausgegangen, dass das Volk der Antiker viel älter ist, daran kann man auch nicht rütteln, aber vielleicht war es nur ein falscher Ansatz? Wir müssten das hier genauer untersuchen. Wenn es wirklich eine kulturelle Überschneidung gegeben hat...“

„Daniel“, geht der Colonel mit gehobener Hand dazwischen. „Also, in der Pyramide befindet sich ein Eingang?“

„Sieht ganz danach aus.“

„Dann sollten wir ihn finden.“

„Sicher, aber wir dürfen trotzdem nicht außer Acht lassen, wie wichtig es sein könnte, wenn wir...“

„Unsere Befehle lauten herauszufinden, was sich hier befindet. Und wir haben soeben erfahren, dass die Pyramide einen Eingang besitzt und den werden wir jetzt suchen.“

„Aber...“, startet Daniel einen erneuten Versuch.

„Nein.“

„Jack!“ Ich kann's verstehen. Mehr als das! Was soll das denn jetzt? Weiß er denn nicht, was für eine Bedeutung das hat? Wie kann er so stur sein?

„Daniel!“, sagt der Colonel in einem Tonfall, der keinerlei Widerworte duldet. Dass diese Militärtypen auch immer ihre Autorität dermaßen heraushängen lassen müssen! Unbegreiflich. „Wieso können Sie nicht einmal einen Befehl befolgen? Unser Befehl lautet herauszufinden, was das hier ist, ob es mögliche Gefahren gibt oder noch besser, irgendeine Technologie gegen die Goa’uld. Und ich finde es auch wahnsinnig spannend zu erfahren, ob die Antiker irgendwas mit den Maya am Hut hatten, aber das ist mir im Moment herzlich egal.“

Wäre Daniel ein Krebs, hätte er jetzt unter aller Garantie Schaum vor dem Mund. „Das ist Ihnen egal?“, echot er.

„Ja. Befehl ist...“

„...herauszufinden, was das hier ist. Schon verstanden“, beendet Daniel ziemlich beleidigt den Satz. Ich glaube, langsam beginne ich zu verstehen, was Daniel damit meinte, dass sich Wissenschaft und Militär nicht anfreunden können. Das hier ist das beste Beispiel. „Also, worauf warten wir dann noch?“ fragt er an uns alle gerichtet, aber sein Blick liegt herausfordernd auf dem Colonel. Wenn Männer sich streiten... Fehlt jetzt nur noch, dass sie sich gleich anspringen.

Ich habe die Geduld des Colonels eindeutig unterschätzt. Ehrlich gesagt, habe ich jetzt erwartet, dass ein Donnerwetter über uns hereinbrechen wird, aber nichts dergleichen passiert. Stattdessen atmete er nur einmal durch. „Ich werde Hammond Bescheid geben und ihm sagen, was wir hier haben.“ Und damit dreht er sich um und verschwindet Richtung Plaza.

Sam starrt ihn noch eine Weile hinterher, während ich Daniel neben mir Seufzen höre. Ja genau, die Stimmung des Colonels ist auf dem Gefrierpunkt gelandet. Keiner der beiden sagt ein Wort. Entweder weil es nichts zu sagen gibt, oder - und das nehme ich mal an - weil sie hier unterschiedlicher Meinung sind und sie keinen unnötigen Streit heraufbeschwören wollen. Man kann es Sam ansehen, dass sie auf der Seite des Colonels steht und wenn ich ehrlich bin, dann will ich jetzt nicht auch noch Sams Wut auf mich ziehen, nur weil ich denke, dass Daniels Anliegen mehr als wichtig ist. Also, entschließe ich mich das zu machen, was man sonst immer in solchen Situationen macht, um die angespannte Atmosphäre aufzulockern. Ich lenke ganz einfach davon ab.

„Also, hat jemand von euch zufällig ein Schild mit der Aufschrift 'Hier entlang' in der Pyramide gesehen?“


+++++


Die anfängliche, unterschwellige Euphorie über den Fund und der daraus gewonnen Erkenntnis ist nicht von langer Dauer. Denn schon bald wurden wir von der ernüchternden, harten Realität auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wir stehen exakt vor zwei Problemen. Irgendwo hier drin muss sich eine unsichtbare Tür befinden. Wenn man genau drüber nachdenkt, ist das erst Problem Nummer zwei, denn bevor wir nicht herausgefunden haben, inwiefern sich dieser Dialekt hier von der anderen Sprache der Antiker unterscheidet, bleibt die Tür unsichtbar. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir hier irgendwo die Antwort finden, aber bevor wir nicht Problem Nummer eins gelöst haben, brauchen wir erst gar nicht an zwei zu denken.

Auf den Rückweg in unsere kleine Gruft - wie ich großzügig unsere kleine Kammer getauft habe - haben Daniel und ich kein Wort miteinander gewechselt. Ich denke, das Letzte, was er jetzt braucht ist irgendwelches Mitgefühl. Stattdessen haben wir uns gleich an die Arbeit gemacht. Er eigentlich mehr als ich. Ich bin noch immer dabei mich in diese Sprache einzuarbeiten und auch wenn Daniel mir versichert hat, dass niemand von mir erwartet, dass ich innerhalb weniger Tagen eine außerirdische Sprache lerne, geht mir das alles zu langsam. Ich komme mir so nutzlos vor. Hier herumzusitzen und nicht wirklich etwas tun zu können, ist ganz schön zermürbend.

Zu meiner großen Überraschung ist Daniel nicht sofort über die Wände hergefallen, sondern hat erst den Boden abgesucht. Tut mir Leid, aber warum hat er das getan? Ich habe es nicht verstanden und habe ihn genau das dreimal gefragt, aber er hatte darauf bestanden erst hier zu suchen und ist Zentimeter für Zentimeter auf allen Vieren herumgekrochen. Wie ich ihm bereits gesagt hatte, wird er dort nichts finden und schließlich musste selbst er das einsehen. Was hatte er den erwartet zu finden? Einen versteckten Mechanismus, der so mir nichts dir nichts die Tür öffnet? Wenn die Antiker wirklich so fortschrittlich waren, wie er behauptet, dann glaube ich kaum, dass sie solch einen Mechanismus einfach so in den Boden eingebaut hätten. Da könnte ja jeder Idiot einen falschen Schritt machen und hätte Zugang zu einem Komplex, der offensichtlich versteckt bleiben soll. Clever wäre es eine Art Code zwischen den Schriften zu packen in Verbindung mit dem Boden.

Zum Glück ist Daniel inzwischen zu derselben Überzeugung gekommen. Denn jetzt steht er eifrig schreibend vor einer Schräge. „Das scheint 'ne Sackgasse zu sein“, meint er schließlich und dreht sich zu mir um. „Bisher noch kein Wort darüber, ob es überhaupt so einen Eingang gibt.“

„Aber laut der Karte soll er hier sein.“

„Ich weiß, ich weiß. Okay, gehen wir mal davon aus, dass das mit der Karte stimmt. Dann müsste sich hinter dieser Wand der Durchgang befinden.“ Er breitet seine Arme aus, die annähernd die Wand einrahmen. „Oder?“

„Jep. Danach sieht es wohl aus.“

„Gut... Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wo sich die Türklinke befindet.“

Langsam drücke ich mich nach oben und stelle mich schließlich mit verschränkten Armen neben ihm. „Schon mal mit 'Sesam öffne dich' versucht?“ Er sieht mich mit einem 'Sie haben einen Knall'-Blick an und doch, trotz jeglicher Logik, wandern unsere beiden Blicke Richtung Wand. Die Sekunden verstreichen, während wie gebannt auf das Gemäuer starren. Nichts. Rein gar nichts. Nicht mal ein Bröckeln. Alles vollkommen still. Schließlich zucke ich nur mit den Schultern. „Na ja, einen Versuch war es wert.“

Daraufhin lächelte er schief. „Ja, man soll schließlich nichts unversucht lassen, nicht wahr?“

„Mein Reden“, grinse ich ihn an. „Also, was haben wir bisher erfahren?“

„Im Grunde nicht sehr viel. Wenigstens nichts im Bezug auf einen möglichen Durchgang. Diese beiden Schrägen dort drüben“, beginnt er und deutet auf den Ausgang der Pyramide, „erzählen im Groben von der Geschichte der Antiker. Sie waren vor Millionen von Jahren hier. Ein sehr mächtiges Volk. Ich bin mir nicht ganz sicher wodurch, aber es brach eine Art Pest in der Galaxis aus. Viele starben. Einige von ihnen haben gelernt aufzusteigen.“

„Und die anderen, die nicht als Scheintot durch die Geschichte geistern wollten, haben ihre sieben Sachen gepackt und sind verschwunden?“

„Ganz genau. Wenn das hier alles stimmt, dann haben sie in diesem Sonnensystem mehrere Außenposten zurückgelassen mit der Absicht eines Tages wieder zurück zu kehren.“

„Also, wollen Sie damit sagen, dass das hier ein Außenposten ist?“

„Möglich, aber dafür kommt es mir zu groß vor.“ Groß beschreibt meiner Meinung nach noch nicht einmal annähernd das Ausmaß. „Wenn sich die Goa'uld wirklich alles bei den Antikern abgeguckt haben, dann befindet sich der Schlüssel irgendwo dort zwischen den Symbolen. Doch ich glaube, das wäre zu einfach.“

„Entweder das, oder äußert raffiniert.“

„Inwiefern?“

„Na ja, überlegen Sie doch mal. Sie haben selbst gesagt, die Antiker waren eine fortschrittliche Rasse und Sie sind bisher davon ausgegangen, dass sich unser Schlüssel auf den Boden befindet und dann auf den Boden und an der Wand. Was ist, wenn der Trick der einfachste der Welt ist? Wir verstecken es da, wo es jeder vermutet, aber niemand nachsehen würde, weil es zu einfach ist? Im Grunde viel zu offensichtlich ist?“

„Und wäre das nicht etwas zu verrückt?“

Ich zucke nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Sagen Sie es mir. Sie haben die Antiker studiert.“

Er lächelt mir nur zu. „Nicht schlecht, Dr. Sullivan.“

Meine Mundwinkel wandern wie von Zauberhand nach oben. Ja, das ist immer der schöne Teil meiner Arbeit. Keine Ahnung warum, aber ich habe das Gefühl mit Daniel nicht erst seit einem Tag in dieser Gruft zu hocken, sondern schon seit Wochen. Wirklich merkwürdig. Ich hätte nicht gedacht, dass trotz der gewissen Unstimmigkeiten zwischen mir und dem Colonel, ich mich in Daniels Gegenwart so wohl fühle. Vielleicht liegt es einfach nur daran, dass wir aus demselben Holz geschnitzt sind.

Mit einem neuen Schub von Zuversicht, lasse ich meinen Blick langsam durch den Raum wandern. Das ist schon alles komisch. Ich frage mich noch immer, wie die Antiker verschwinden konnten. „Wie sind die Antiker eigentlich von hier verschwunden? Das Stargate wurde doch in Ägypten gefunden. Ich meine, ich gehe jetzt mal davon aus, dass sie es benutzt haben.“

„Und?“ Fragend richtet er seine Brille.

„Ist das nicht ein ziemlich weiter Fußmarsch?“

Er kneift kurz seine Augen zusammen, während er beginnt auf und ab zu laufen. „Es geht nicht um das Stargate...“ Sagt er mehr zu sich selbst als zu mir. „Die Antiker waren die Erbauer der Straßen“, beginnt er zu erklären. Damit kann ich jetzt besonders viel anfangen. 'Erbauer der Straßen'. Was soll das heißen? Irgendwas muss mich verraten haben, denn Daniel beginnt unverzüglich mit seiner Erklärung fortzufahren. „Sie waren die Erfinder des Stargates. Wir haben es ihnen zu verdanken, sie haben es erschaffen und das Tor, welches in Ägypten gefunden wurde, ist nicht das ursprüngliche Tor.“

Wie jetzt? Was soll das heißen? Bitte einmal im Klartext. „Wie jetzt?“

„Vor vier Jahren haben wir durch Zufall ein zweites Tor in der Antarktis gefunden. Das ist das Tor, welches die Antiker auf der Erde zurückgelassen haben. Das aus Ägypten, das stammt von Ra. Er hatte es hierher gebracht, um die Menschen zu versklaven.“

Aha. Interessant. „Die Antarktis hat es auch in sich.“

„Ja, die hat es in sich“, sagt er in einem merkwürdigen Tonfall. So, als ob noch mehr dahinter steckt als lediglich der Gedanke sich in einen gefrorenen Lutscher zu verwandeln. „Um auf Ihre Frage zurückzukommen. Die Antiker besaßen mit Sicherheit Schiffe. Mich würde es nicht wundern, wenn sie die als Transportmittel benutzt haben. Ra kam erst viele, viele Jahre später. Das ursprüngliche Stargate geriet in Vergessenheit. Die Menschen waren beeinflussbar und leichtgläubig. Als sie sich in den Dynastien der Götter befanden, der Huldigungen - besonders in Ägypten - haben die Goa'uld diese Schwäche ausgenutzt. Sie haben mit ihrer gestohlenen Technologie die Menschen eingeschüchtert. Sie hatten und haben noch immer Macht. Alle Anzeichen von Gottes ähnlichen Anwandlungen haben sie verinnerlicht. Ihre Lebenszeit beträgt ungefähr das fünf bis sechsfache eines normalen Menschen. Sie mussten Götter sein.“

„Und da die Antiker so gut wie ausgestorben und ausgewandert waren, brauchten sich die Goa'uld keine Sorgen zu machen.“

„So sieht es aus. Im Grunde gibt es nur ein Abkommen, welches die Goa'uld weitgehend in Schach hält. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es damals schon von Geltung war.“

„Was für ein Abkommen?“

„Die vier Rassen. Es wurde eine Allianz der vier größten Rassen im Universum geschlossen. Die Nox, Asgard, Furlinger und Antiker.“ Dreiviertel dieser Namen sagen mir nichts. „Gewisse Planeten in dem System fallen unter die Kategorie der ‚geschützten Planeten‘. Die Goa'uld dürfen diese Planeten nicht angreifen, sollten sie es tun, stehen diesen Planeten die Unterstützung der Allianz zu. Es gibt kleinere Ausnahmen, wo sie nicht eingreifen dürfen. Naturkatastrophen, Asteroiden rasen auf den Planeten zu und so weiter. Durch ein Eingreifen würden sie das Abkommen verletzen und der Planet wäre nicht mehr länger geschützt.“

„Na ja, das hört sich im Grunde doch ganz, gut an, nicht wahr?“

„Bisher konnten wir es zu unserem Vorteil ausnutzen.“

Erstaunt nehmen meine Augen gerade überdeminsionale Formen an. „Wir - die Erde - gehören zu den geschützten Planeten?“

„Ja. Durch die Allianz...“, beginnt Daniel, verstummt dann aber, so als ob er den Gedankenblitz des Jahrhunderts hat. „Einen Moment...“

Sicher. Ich habe Zeit. Ich komme noch nicht einmal dazu ihm eine Antwort zu geben, denn wie ein D-Zug rauscht er an mir vorbei in die Richtung einer Schräge, dann zur nächste, bis er alle vier einmal durch hat. „Daniel? Was ist mit der Allianz?“

„Wie konnte ich nur so blind sein?“, ruft er plötzlich. „Ich habe es vollkommen falsch verstanden. Oh mein Gott...“

Und ich stehe gerade ziemlich auf dem Schlauch. „Was?“ Aber er hört mir gar nicht zu. Vollkommen abgetaucht in seiner Welt. Mein Blick schweift hastig über die Wände, die Daniel so fasziniert anstarrt, um mir auch den Schlüssel zu seiner Welt zu kaufen, aber mir will partout nicht das ins Gesicht springen, was bei Daniel einen solchen Adrenalinschub ausgelöst hat.

„Die vier Rassen...“

Das hat er bereits erwähnt. Und weiter? „Daniel?“

„Liz, das ist einfach unglaublich!“ Er kommt auf mich zu gerannt. Dieser Mann ist ja vollkommen euphorisch. Der hyperventiliert mir hier gleich! Nur wenige Zentimeter bleibt er vor mir stehen und wenn mich nicht alles täuscht, legt sich dieser gewisse Schleier über seine Augen, den ein Mensch nur dann hat, wenn er in absoluter Extase ist. Und diesen Ausdruck habe ich bisher nur einmal wirklich in meinen Leben gesehen und das war nämlich als Tom und ich... Mein Anstand hüstelt lautstark und die Röte steigt mir förmlich ins Gesicht. Sagen wir es mal so, in dieser Nacht war ich unter Garantie die glücklichste Frau auf Erden.

Dreimal.

„Es ist so offensichtlich. Ich meine sehen Sie sich die Schrägen doch nur mal genau an. Ich hatte immer angenommen, dass sie lediglich die Geschichte der Antiker erzählen und auf eine gewisse Art und Weise tun sie das auch, aber das ist nur oberflächlich. Mich hat schon die ganze Zeit eines gewundert, und zwar...“ Und so weiter und so weiter... Ich bekomme davon nicht mehr wirklich viel mit. Denn meine Gedanken gelten im Moment nur mein Problem dieses gottverdammte Bild aus meinem Kopf zu bekommen. Ich weiß ja nicht, ob es nur mir so geht, aber mir wird plötzlich verdammt heiß. Und dass da Daniel jetzt nur wenige Zentimeter von mir entfernt steht -trotz der Hitze, geht ein gewisser, angenehmer und männlicher Duft von ihm aus - hilft mir auch nicht besonders. Gott, aber wie Daniel da steht, aufgeregt, strahlend, verschwitzt, bekleidet in diesem wirklich, wirklich sexy, ärmellosen Shirt, kann ich den Gedanken, dass dieser Mann einfach nur unglaublich heiß ist, nicht aus meinem Kopf verbannen. Ihr kennt nicht zufällig die Werbung von Coca Cola mit diesen leicht bekleideten Männern, die im Schweiße ihres Angesichts eine Dose leeren? Doch? Dann wisst ihr ja jetzt in welchen Hemisphären ich schwebe. Wenn doch nur meine motorischen Funktionen wieder die Güte hätten auch das zu tun, was mein Gehirn ihnen sagt. Aber ich bin wie fest angewachsen. Und dann dreht er seinen Kopf in meine Richtung, so dass ich ihm genau in die Augen sehen kann. Lieber Gott, steh mir bei.
„...Liz, alles in Ordnung?“

„Hä?“, kommt es wenig geistreich von mir.

„Alles in Ordnung? Sie haben mir gar nicht zugehört.“

Was er nicht sagt! Kein Wunder! Sollen wir die Gedanken vielleicht mal tauschen? Mal schauen, wie lange du dabei einen klaren Gedanken fassen kannst! Mein Körper ist noch immer am Zittern und erst jetzt schaffe ich es einen Schritt zurückzugehen. Nur leider hat es nicht den erhofften Effekt. Während mein Rücken gegen die Wand prallt, kommt Daniel auch noch einen Schritt auf mich zu.

„Sie sind ja ganz blass. Haben Sie Fieber?“

„Ah...“ Jetzt noch ein paar Vokale und Konsonanten hinzufügen und es ist schon fast ein grammatikalisch zugelassenes Wort. „Ähm... nein...“ Sehr gut, Liz, wir steigern uns. Die Hoffnung ist noch nicht verloren.

„Liz, ist auch wirklich alles in Ordnung?“

„Ja... sicher...“, kommt es stockend und in kurzen Atemzügen über meine Lippen. Oh bitte, Liz, jetzt reiß dich zusammen. Wieso fällt es dir denn ausgerechnet jetzt so verdammt schwer die Kontrolle zu wahren? Sind hier gerade irgendwelchen kosmischen Kräfte am Werk?

„Wollen Sie sich vielleicht setzen?“

Setzen. Setzen ist gut. Und dann umfasst Daniel meinen Arm und Schultern und zieht mich auf den Boden. Direkt neben mir bleibt er knien. Wieder dieser Duft... Nicht gut. Setzen ist nicht gut. „Mir ist nur etwas schwindelig geworden... die Hitze. Geht schon wieder.“

„Warten Sie.“

Ich mach schon Anstalten wieder aufzustehen, denn eines weiß ich genau, bevor ich meine Hormone nicht wieder unter Kontrolle habe, kommt mir dieser Mann nicht mehr in meine Nähe. Allmächtiger, ich habe das Gefühl kurz vor der Explosion eines Hormonstaus zu stehen und ich will dann für nichts garantieren. Denk an was anderes, denk an was anderes... etwas anderes... Briefmarkensammlungen, zukünftige Schwiegermütter, Teal'cs Symbiont erfüllt auch noch seinen Zweck.

Daniel kommt mit einer Wasserflasche zurück und ich reiße sie ihm praktisch aus der Hand und anstatt sie zu trinken, gieße ich den gesamten Inhalt über meinen Kopf. Jegliche Abkühlung ist mir jetzt mehr als recht. Er räuspert sich kurz, bedenkt mich mit einem Blick, den ich nicht wirklich definieren kann und will auf mich zugehen, aber wo er einen Schritt nach vorne macht, gehe ich einen zurück. Obwohl ich jetzt klatschnass bin, ist mir noch immer heiß. Man gebe mir einen Kübel mit Eiswürfeln. Jesus Christus! Liz, komm wieder runter. Um den armen Mann nicht vollkommen vor den Kopf zu stoßen, lächle ich ihn leicht verlegen und mehr als nur ein bisschen beschämt an. Es ist ja nicht so als hätten wir irgendwas angestellt, aber da kennt ihre meine Fantasien nicht und ich denke nicht, dass es angebracht wäre, die hier jetzt auszubreiten. Ganz und gar nicht. Meilenweit unter der Gürtellinie. Mir ist immer noch schleierhaft, wie ich so auf Daniel reagiere, wenn ich doch eigentlich an Tom gedacht habe. Zwei Millionen Jahre Evolution später und ich reduziere mich auf die niedersten Instinkte. Da kann man mal sehen, was nahezu vier Monate Abstinenz anrichten können.

„Also, was haben Sie gesagt? Die vier Rassen...“, lenke ich das Thema wieder auf den Ursprungspunkt zurück. Nur schön weit weg von jeglichen Peinlichkeiten.

„Ja, ähm“, räuspert er sich, als er sich abwendet. Und mich beschleicht das beklemmende Gefühl, dass meine Nachricht mehr als nur angekommen ist. Ich hege nämlich den ernsten Verdacht, dass meine Äußerung viel zu offensichtlich war. Würde zumindest zu Daniels plötzliches verkrampftes Verhalten passen... Oh Gott, kann man noch weiter sinken? Während ich noch damit beschäftigt bin nicht in meinem Scham zu ertrinken, berechne ich bereits, wie lange es wohl dauert, bis sich der Boden unter mich auftut, um mich zu verschlingen. Eine Sekunde? Da wäre ja die Ewigkeit kürzer!

„Also, was ich sagen wollte, ist folgendes: Die Allianz besteht aus vier Rassen. Alle werden hier erwähnt, aber was mich die ganze Zeit gestört hat, war, dass hier beschrieben steht, dass es noch nicht das Ende ist. Dass die Mächtigkeit erst dann erfüllt ist, wenn auch die letzte Rasse ihren Platz in der Allianz gefunden hat. Es ist so offensichtlich“, steigert er sich jetzt richtig in seine Theorie herein. Ob es jetzt seine innere Natur ist, die ihn da überwältigt hat, oder einfach nur, weil er sich ablenken muss, vermag ich in meinem momentanen leicht unzurechnungsfähigen Zustand nicht beurteilen. „Obwohl die Antiker das Torsystem erfunden haben, waren sie nicht die stärkste Rasse. Und genau das steht hier und ich denke, das ist unsere Antwort.“

„Echt?“ Meine Einsilbigkeit ist überwältigend. Ich habe nicht den blassesten Schimmer worauf er überhaupt hinaus will. Keine Ahnung.

„Aber natürlich. Es ist etwas, was die vier Rassen gemeinsam haben.“ Sein Blick schweift prüfend durch den Raum. Jeden Brocken wird begutachtet, jeder noch so winzige Krümmel, das einzige Objekt, welches er vehement meidet, das bin ich.

„Hier muss es irgendwas geben. Dort wird beschrieben, wie Antiker die Erde verlassen mussten. Daneben erfahren wir die Fortschrittlichkeit der Asgard und dass sie bereits die nächste Rasse ins Auge gefasst haben. Die Nox haben einst mit den Antikern die Grundsteine gelegt und die Furlinger... nun, das ist wirklich bemerkenswert, überall tauchen sie auf, aber es gibt so gut wie keine Informationen über sie. Sie haben sich der Allianz angeschlossen, nachdem die Asgard ihnen geholfen haben gegen einen Feind zu kämpfen.“

„Und wo besteht da jetzt der Zusammenhang?“ Hey, ich habe es doch tatsächlich geschafft einen kommunikativen Satz ohne zu stolpern hinzubekommen! Jetzt dürfen sie mich nur nicht verlassen. Es ist schwer sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wenn die Gedanken nur darum schwirren, wie man die Kontrolle wahren kann.

„Ich glaube, es ist genau das, was Sie gesagt haben.“

Jetzt echt? Was habe ich gesagt? Ich gehe gerade die Liste meiner geistreichen Kommentare der letzten zehn Minuten durch und mehr als sinnloses Herumgedruckse kann ich da leider nicht entdecken. Was weiß er, was ich nicht weiß? „Ich?“

„Ja, es ist so einfach, dass niemand danach suchen würde.“

Ahhh... verstehe... wie jetzt? Man muss mir förmlich ansehen, wie die Zahnräder in meinem Hirn anfangen zu rattern. „Sie meinen so 'ne Art Rätsel?“

„So ungefähr.“ Und jetzt ist es das erste Mal, dass er sich mir wieder nähert. Schnell fährt meine Zunge über meine ausgetrockneten Lippen. Okay, ich gebe zu, das gerade eben war peinlich, aber nichts, womit man nicht umgehen könnte, oder? Kinderspiel. Das wird ein Spaziergang. Wir sind doch schließlich zwei erwachsene Menschen.

Nach dieser bahnbrechenden Erkenntnis, schaue ich mich erneut um. Mir will partout nichts einfallen. „Okay, also, was haben die vier Rassen gemeinsam?“

„Nachfolger der Zeit
Behüter der Vollkommenheit
Gebaut, gewandert sind wir einst über die Straßen
Doch nur aus dem Ursprung
kann die Wahrheit verstanden werden“


Daniel zeigt auf die besagte Stelle der Wand. „'Nachfolger der Zeit' Ich habe die ganze Zeit nicht verstanden, was es zu bedeuten hatte. Besonders nicht in diesem Kontext. Die Antiker waren die Erbauer, wen sprechen Sie hier an? Ihre Nachfahren? Wenn ja, wer sind sie?“

„Die kleinen Baby-Antiker? Ich meine, sie haben doch... oder nicht?“ Kann mir mal jemand verraten, wie mich irgend so ein kryptischer Spruch an der Wand wieder auf das Thema Sex bringen kann?

Aber Daniel überhört glücklicherweise die Zweideutigkeit meiner Frage. „Ich glaube eher, dass sie uns damit meinen. Wir Menschen, die Erde, wir sind die fünfte Rasse und ich denke, das will uns damit sagen, wenn wir den Ursprung finden, wir die Wahrheit finden werden.“

Ohne jegliche Zweifel, das hört sich alles immer mehr nach Indiana Jones an. Aber fein, dann wollen wir mal sehen. „Ursprung? Hm, nur, damit ich das alles richtig verstehe. Die Antiker waren hier, haben hier gelebt und haben das gebaut? Sie haben das Stargate gebaut.“

„Ja.“

„Also, befindet sich der Ursprung hier irgendwo? Richtig?“

„Liz, das ist es!“

„Es ist was?“

„Na das hier! Das Stargate... die Straßen, der Ursprung... Terra...“ Angefangene Sätze, ich liebe sie. Vergöttere sie schon regelercht! Keinen Schimmer, was ich jetzt schon wieder gesagt habe. Mit bis zum Anschlag hochgezogenen Augenbraue, schaue ich Daniel dabei zu wie er zu nächsten Schräge läuft. Seine Finger gleiten über die Symbole. „Alle vier Schrägen haben eines gemeinsam. Sie beziehen sich alle in irgendeine Art und Weise auf die Erde“, höre ich ihn mit sich selbst reden. Behutsam berührt er ein Symbol... und mein lieber Herr Gesangsverein, es leuchtet auf! Daniel huscht zur nächsten Seite, wo er das Spiel wiederholt. Und zur nächsten und schließlich zur letzten. Meine Beine wollen sich gerade in Bewegung setzen, als ich plötzlich ein Vibrieren unter meine Füße spüre. Mein Blick klebt wie gebannt auf dem Boden und schießt schließlich nach oben zu Daniel. Was ist hier los?

„Daniel?“, frage ich ihn vollkommen hilflos. In seinen Augen kann ich das vollkommene Staunen erblicken, doch sein Blick ist nicht auf mich, sondern den Boden gerichtet.

„Nicht bewegen.“

Oh mein Gott.

Um mich herum beginnt der Boden zu glühen. Helle, weißbläuliche Linien beginnen sich abzuzeichnen. Nach und nach verbinden sie sich, wie Wasser, wessen Rinnsalen sich mit der Zeit zu einem Strom vereinigen, bis ich inmitten eines großen Dreiecks stehe, wessen Spitze auf eine Wand zeigt. Wie gebannt, folgt mein Blick den Linien und als ich schließlich an die Wand schaue, kann ich meinen Augen einfach nicht trauen. Das ist unmöglich.

Genau vor mir zeichnet sich ein großer, runder Kreis an der Wand ab. Noch während sein Glühen schon fast hypnotisch auf mich wirkt, meine ich von irgendwoher ein Summen zu vernehmen. Ich schlucke schwer, als ich etwas zu sehen beginne, was rein physikalisch so nicht möglich ist. Die Fläche des Kreises beginnt zu glitzern, so als bestünde sie aus Wasser, bis sie sich in einem spektakuläres Lichterspiel vollkommen aufgelöst hat. Ich werd nicht mehr! Diese gottverdammte Wand ist einfach verschwunden!

Ich sage euch, *das* ist elektrisierend. Wie um alles in der Welt ist das nur möglich? Und während mein Gehirn noch daran arbeitet dieses Geheimnis zu lüften, merke ich nur, wie mein paralysierter Körper von seinem Platz gerissen wird... direkt in Daniels starke Arme. Ob es noch immer die Verwunderung oder der plötzliche Schock ist, Tatsache ist, ich werde regelrecht gegen seine Brust gequetscht. „Wir haben's gefunden!“, höre ich irgendwoher eine Stimme rufen. Ich hatte, glaube ich, schon erwähnt, dass mir ziemlich heiß ist, nicht wahr?

Und dann, so schnell ich in seinen Armen lag, so schnell bin ich auch wieder daraus verschwunden. Daniel streckt seine Arme von sich, während seine Hände um meine Schultern liegen. Ich bin einfach nicht in der Lage etwas zu sagen, aber eines weiß ich mit Sicherheit, wenn ich mich nicht bald irgendwie abreagiere, dann platzte ich!

„Ähm, ja...“, beginnt Daniel verlegen, während er langsam seine Hände senkt. Ich glaube, ich bin hier nicht ganz alleine mit dem Problem. „Also, ich, ja, ich werde dann jetzt mal Jack..ja....“, murmelt er irgendwas und geht mit dem Funkgerät Richtung Ausgang. Und trotz des Gefühls gleich zu verbrennen, kann ich einfach nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen schleicht. Dieser Tag lässt einfach keine Überraschungen aus.

Und ich liebe Überraschungen!


+++++


Bevor wir noch weiter in die Spirale der abgrundtiefen Peinlichkeiten hineingezogen werden können, werden wir durch die anderen drei gerettet. Ihr könnt mir glauben, wenn ich euch sage, dass ich noch nie so froh gewesen bin den Colonel zu sehen.

„Jack!“ Daniel scheint genauso erleichtert zu sein. Denn kaum fällt der Schatten des Colonels durch den Eingang, ist Daniel ihm schon auf dem halben Weg entgegen gerannt. „Wir haben’s gefunden.“

„Das haben Sie bereits gesagt.“

„Ja, ähm…“ Er hustet einmal. „Also, wir haben nur einen flüchtigen Blick reingeworfen und wollten lieber auf euch warten“, beginnt er zu erklären, als sie gemeinsam zum Durchgang gehen und kurz davor stehen bleiben. „Von hier aus folgt ein weiterer Gang. Aber wohin er führt und wie oft oder ob überhaupt er abzweigt, das wissen wir noch nicht.“

Der Colonel nickt leicht, als er einen flüchtigen Blick durch den Durchgang wirft. Die Wände unterscheiden sich vollkommen von denen, die sich hier im Vorraum befinden. Wenn man es sogar genau nimmt, dann müssten es eigentlich zwei Wände sein. Ihr fragt euch jetzt, was ich damit meine? Nun, ganz einfach. Die untere Wand ist merkwürdig leuchtend, während die darüber liegende Wand einen gewissen Abstand zur ersten hat. Sie ist *durchlöchert*, wenn man das so beschreiben kann. Im Grunde sieht es sogar so aus, als ob sie mit leuchteten Symbolen übersät ist. Mysteriös. Zugleich aber auch einfach nur atemberaubend.

„Gut“, murmelt der Colonel. Und dann wirft er einen Blick zu Daniel. „Gute Arbeit.“

Wenn Daniels Gesicht nicht bereits leicht gerötet wäre, dann wäre er jetzt unter aller Garantie rot angelaufen. „Na ja, im Grunde, wissen Sie… im Grunde war es Liz, die…“ Er wirft mir einen flüchtigen Blick zu, während ich leicht beschämt meine Augen senke. „Wir haben es zusammen gelöst.“ Und das lässt mich lächeln.

Die dunklen Augen des Colonels huschen in meine Richtung. „Dann gilt das wohl auch für Sie. Gute Arbeit, Sullivan.“

„Danke, Sir“, antworte ich leicht überrascht. Vielleicht hatte Daniel ja Recht. Der Colonel lässt sich nicht durch seine persönlichen Gefühle beeinflussen. Und auch wenn ich mich noch immer in seinem Kompliment bade, ist mir der leicht angespannte Unterton in seiner Stimme nicht entgangen. Wenn es doch so gewesen wäre, dann hätte ihn seine steinerne Maske, die sein Gesicht ist, über kurz oder lang verraten. Irgendwie habe ich erwartet, dass er sich wenigstens ein bisschen freut. Gut, ich bin nicht davon ausgegangen, dass er Purzelbäume schlägt, aber ein klein wenig Freude? Vielleicht ein Lächeln? Dabei würde er sich doch nun wirklich keinen Zacken aus der Krone brechen. Deswegen schiele ich etwas unsicher zu Sam hinüber, deren Blick zwar nicht so ganz mürrisch, aber auch nicht gerade euphorisch ist. Also, gerade von ihr hätte ich doch nun wirklich erwartet, dass sie sich freuen würde. Aber auch hier. Die Freude hält sich in Grenzen. Hallo? Leute? Was ist los mit euch?! Das ist der Durchgang, nach dem wir die ganzen Stunden über gesucht haben! Sollten wir uns nicht darüber freuen?

„Wir sollten versuchen so schnell wie möglich herauszufinden, was sich darin befindet, Sir“, schlägt Sam ziemlich angespannt vor.

„Okay, was ist hier los?“, geht Daniel dazwischen, da ihm das Offensichtliche wohl auch nicht entgangen ist.

„Teal’c hat eine interessante Entdeckung gemacht“, informiert uns der Colonel grimmig. Oh, oh. Das ist schlecht. Bestimmt nicht gut.

„Was?“ Daniels Blick fliegt alarmiert zwischen den dreien hin und her. „Was hat Teal’c gefunden?“

„In der Kammer, die Dr. Sullivan gefunden hat, befand sich ein geheimer Durchgang. Als ich diesen durchquert habe, bin ich auf etwas gestoßen“, kommt es ganz neutral von Teal'c. Nicht mal eine Anwandlung von irgendwelchen Gefühlen. Die Augen von Daniel und mir durchlöchern ihn gerade zu. Ja, was? Was hast du gefunden? Schreien unsere Blicke.

„Schlangenköpfe“, füllt der Colonel die Lücke. „In dieser Kammer befanden sich verweste Schlangenköpfe.“ Urg, das ist ja ekelig.

„Soll das heißen, diese... diese Dinger waren hier?“ Hier auf meiner behüteten Erde, die doch unter dem Schutz der ach so großen Allianz steht?

„Das muss vor langer Zeit gewesen sein. Die Kammer war verschlossen. Im Grunde ein überdeminsional großer Sarkophag.“

„Ja“, übernimmt der Colonel jetzt wieder das Reden. „Um genau zu sein, stammen sie von unserem Kumpel Ra.“

„Was ist das für eine Kammer?“ Neugierig richtet Daniel seine Brille.

„Gemütlich war sie jedenfalls nicht. Außerdem haben wir das hier gefunden.“ Er hält uns, eigentlich mehr Daniel, ein merkwürdiges Gerät unter die Nase. Fragend schaut er zu Teal'c hinüber.

„Ich habe so etwas noch nie gesehen“, kommt die Antwort auf die stumme Frage.

Wenn Teal’c noch nicht mal weiß, was das ist, woher sollen wir das dann wissen? Er ist doch hier der Außerirdische! Und dieses Gerät… dieses Ding sieht auf jeden Fall außerirdisch aus. Es ist eine Mischung aus einem Oval und einem Dreieck. Oben spitz, unten rund. Es ist golden und in der Mitte befindet sich ein runder, roter Kristall und … der leuchtet.

Daniel schielt zu Sam hinüber. „Haben Sie ne Ahnung, was das ist?“

„Na ja, es ist offensichtlich aktiviert und Goa’uld und wenn ich jetzt raten müsste, dann würde ich sagen, dass es sich hierbei um einen Sender handelt.“

„Mist.“

Sender? Wie in Sender *Sender*?, kreischt meine innere Stimme, aber mein Mund bleibt geschlossen. Nun, er ist leicht geöffnet, aber es kommt kein Ton heraus.

„Aber, aber von wem?“

Der Blick des Colones verfinstert sich noch weiter, als er einmal abfällig schnaubt. „Wer würde denn so etwas wohl hier lassen?“

Die Art und Weise, wie Daniel seine Augen schließt sagt mir genug. Okay, das war’s. Mein Adrenalin bringt mich gleich um! „Apophis oder Ra“, knurrt Daniel durch zusammen gebissene Zähne. Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, bevor er endlich wieder aufschaut. Sein Blick jetzt fast genauso finster, wie der des Colonels. Gut, ich kann es ja verkraften, wenn O’Neill so ein Gesicht zieht, aber nicht auch noch Sie, Daniel! Da sinkt das Herz glatt bis in die Zehen.

„Wir sollten hoffen, dass es von Ra ist. Denn wenn es Apophis ist, dann wird es nicht lange dauern, bis er hier ist.“

„Und warum und wie?“, frage ich schließlich. Mag sein, dass die Fragen dumm sind, aber ich muss sie einfach stellen.

„Warum?“, echot Sam. „Wahrscheinlich wegen dem, was sich hier befindet. Woher er allerdings wissen könnte, dass sich hier Überreste der Antikerkultur befinden, das weiß ich nicht. Wie?“ Sie zuckt kurz mit den Schultern. „Vielleicht hat er es zurückgelassen, keine Ahnung. Aber das ist auch nicht wichtig. Wenn das wirklich ein Sender ist und er im Zusammenhang mit dem hier steht, es wirklich Goa’uld ist und wirklich zu Apophis gehört, dann haben wir ein Problem.“

Meine Augen nehmen die Form von Untertassen an. Problem? Ich will kein Problem haben! „Aber wir wissen doch nicht wirklich, ob es ein Sender ist, oder?“, versuche ich noch den letzten Funken Hoffnung herauszuholen.

„Wir wissen aber auch nicht, dass es *kein* Sender ist“, beantwortet der Colonel meine Frage. „Und solange wir das nicht tun, sollten wir von dem Schlimmsten ausgehen.“ Pessimist. Ich bin bisher mit der Optimismusschiene immer ganz gut gefahren. Aber das ist wohl die Natur eines Soldaten. Immer gleich das Schlimmste vom Schlimmsten vermuten. Kein Wunder, dass die Chemie zwischen uns beiden nicht stimmen kann. „Fein, Carter, falls das Ding Apophis gehört und er auf die glorreiche Idee kommen sollte hier in irgendeiner Art und Weise aufzutauchen, will ich wissen, was sich hier befindet. Hier muss es etwas geben, was ihn interessiert und ich will wissen, was es ist. Wollen doch mal sehen, ob wir nicht schneller sind.“

„Ja, Sir.“

„Aber wonach sollen wir denn suchen?“

„Das wissen wir, wenn wir es gefunden haben.“

Ich seufze einmal innerlich auf. Super.

„Okay, Daniel und Carter, ihr beide übernehmt die eine Hälfte, Sullivan und ich die andere.“ Ich setzte schon zu einem Widerspruch an, aber werde erbarmungslos unterbrochen, da er unbekümmert weiter seine Befehle verteilt. „Teal’c, ich will, dass jemand hier bleibt und die ganze Sache im Auge behält. Sollte irgendwas Ungewöhnliches passieren, dann sag uns Bescheid.“

„Wie du wünschst“, antwortet Teal’c ruhig mit einem leichten Kopfbeugen. Ich ziehe nur eine Augenbraue hoch, als ich ihn anstarre. Wie kann er nur so gelassen bleiben?

Wie sagt man so schön? Schließt sich eine Tür, wird irgendwo eine neue geöffnet? Ha, hier heißt es wohl: Wie stürze ich von dem einen Dilemma ins nächste? Ich und der Colonel? Dass ich nicht lache. Gott, wie hat er sich das denn vorgestellt? Wieso denn ausgerechnet ich? Kann ich nicht mit Sam gehen? Will er jetzt ein persönliches Auge auf mich werfen, falls ich wieder auf die Idee kommen sollte abzuhauen? Keine Angst, den Fehler habe ich nur einmal gemacht.

Der Colonel schaut hinunter auf seine Uhr. „Es ist jetzt 1530. In vier Stunden treffen wir uns wieder hier.“

„Ist das nicht etwas wenig?“, fragt Daniel vorsichtig und ich muss ihm zustimmen. Wenn wir nach der Karte gehen, dann ist das hier ein ziemlich gewaltiger Komplex. Das können wir nicht in vier Stunden schaffen. Es sei denn, er will im Zeitraffer da durch laufen. Und was ich bisher über den Colonel weiß, würde ich es ihm sogar zutrauen. Das ist nicht gut.

„Ja, wir werden heute vermutlich nicht alles schaffen. Und wenn ich ehrlich bin, dann wäre mir noch ganz lieb, wenn Carter herausfinden könnte, was für ein Gerät das ist. Es geht darum, uns erst einmal einen Überblick zu verschaffen.“ Er wirft uns allen nach der Reihe einen bestimmten Blick zu, doch als er leicht nickt, sieht er Sam an und haltet mich für verrückt, aber ich könnte schwören, dass da gerade etwas gesagt wurde. Eine stumme Übereinstimmung? Vielleicht eine Bestätigung für seine Entscheidung? Keine Ahnung, aber da war etwas, da bin ich mir ganz sicher. „Okay, dann lasst uns losgehen.“

Gemeinsam setzen wir einen Schritt in das Unbekannte und dann noch einen. Der Colonel und ich wir gehen vorne weg, während Sam und Daniel uns direkt auf den Fersen sind. Es dauert nicht lange, bis wir vor einer verschlossenen Tür stehen. Nur diesmal wissen wir, dass es eine Tür ist. Unmissverständlich. Diesmal brauchen wir auch nicht nach der Türklinke suchen, denn rechts neben der Tür befindet sich eine Schalttafel.

Ich habe das Gefühl, dass mein Herz gerade eine Etage hoch gerutscht ist. Ich bin wirklich nervös und bis zum Äußersten angespannt. Einmal vor Aufregung, was uns alles Neues erwarten wird und wegen dem bedrohlichen Schatten, der jetzt über uns schwebt. Immer schön ruhig bleiben, Liz. Das wird schon. Du bist hier umgeben von den Besten der Besten. Das muss ja schließlich für irgendwas gut sein. Was soll da schon großartig schief laufen? Gar nichts. Absolut gar nichts. Als ob ich mir gerade selber diesen eingeredeten Schwachsinn bestätigen wolle, nicke ich knapp mit dem Kopf.

„Carter“, flüstert der Colonel und mehr braucht er nicht zu sagen, denn kaum sind die Silben über seinen Lippen ist Sam schon an seiner Seite. Sie steht jetzt direkt hinter ihm, ihre Waffe feuerbereit im Anschlag. Ich husche schnell zu Daniel auf die andere Seite hinüber, der direkt an der Schaltfläche steht. Auch er hat seine 9mm gezogen. Ich komme mir gerade plötzlich ziemlich nackt vor. Die drei sehen sich einen Moment an, hier ein stummer Befehl, dort ein unsichtbares Nicken. Die drei *sind* ein eingespieltes Team. Das gibt mir zumindest etwas Sicherheit.

Mit Bedacht betätigt Daniel die Schaltfläche und wir warten gebannt darauf, dass sie sich die Tür öffnet. Sie tut es, aber ich sterbe hier gerade tausend Tode! Das geht mir viel zu langsam. Nervös wische ich den kalten Schweiß auf meinen Handflächen an meiner Hose ab. Mörderisch diese Spannung. Ich wage es erst gar nicht zu atmen, denn ich befürchte, dass ich dadurch etwas falsch machen könnte. Ich weiß natürlich, dass das vollkommen banal und absurd ist, aber ich habe das Gefühl, dass meine Muskeln aus Stahl bestehen, so angespannt sind sie.

Kaum haben sie die Möglichkeit hinter die Tür zu blicken, ist der Colonel schon durch den Eingang. Ich sehe, wie er sich nach allen Seiten umdreht. Sam ist gleich hinter ihm. Und schließlich folgt Daniel. Auch er sieht sich gekonnt um, die Waffe liegt sicher in seiner Hand. Das ist mir ehrlich gesagt etwas unheimlich. Es erweckt den Anschein, als wäre es für ihn vollkommen normal eine Waffe zu tragen. Nein, dafür haben wir jetzt keine Zeit, also atme ich noch einmal tief ein und folge dann Daniel ebenfalls in den Raum und…. Wir stehen in einer Sackgasse. Das fängt doch schon hervorragend an.

„Daniel?“, fragt der Colonel.

Doch gerade als er antworten will, schließt sich hinter uns die Tür wieder. Wir sind eingesperrt! Eingesperrt in einer alten, verrotteten Pyramide. „Was hat das zu bedeuten?“, Flüstere ich zu niemand bestimmten. Aber ich brauche gar keine Antwort, denn keine Sekunde später höre ich nur ein lautes Zischen und habe das Gefühl, dass wir uns trotz der Tatsache, dass wir hier wie angewurzelt stehen, bewegen.

„Wir bewegen uns.“ Sam wirft einen Blick durch den Raum. „Vielleicht ist das hier so eine Art Fahrstuhl.“

Fahrstuhl in einer Pyramide? „Ich hoffe nur, der Fahrstuhl weiß auch, wohin er uns bringt“, kommentiert der Colonel großzügig Sams Theorie.

Hier gibt es auch nirgends einen Notschalter. Kein Telefon, womit man den Sicherheitsdienst hätte anrufen können. Einfach nur ein paar Wände. Kennt ihr den Film 'Fahrstuhl des Grauens'? Genauso komme ich mir gerade vor. Bevor ich allerdings diese Gehirngespinste weiter verfolgen kann, bleibt er plötzlich stehen und neben mir verschwindet – Simsalabim - die Wand. Großzügig gehe ich einen Schritt zurück und lasse dem Colonel getrost den Vortritt. Mit der Waffe im Anschlag, wirbelt er gekonnt um die Ecke, genau wie Sam, die ihm geschmeidig folgt. Ich halte mich dicht hinter Daniel. Mein Blick wandert noch einmal durch diesen kleinen Raum, bevor ich meinen Kopf wieder nach vorne drehe und...

Ach du grüne Neune!

Meine Kinnlade klebt mit unter aller Garantie auf dem Boden und meine Augen müssen mir aus dem Gesicht springen. Ich befinde mich im Schlaraffenland der Wissenschaft. Wenn das der Himmel ist, dann will ich auf der Stelle tot umfallen. Vor uns befindet sich eine – ich schätze mal – achteckige Plattform. Natürlich leuchtend mit denselben Symbolen. Schon alleine dieser Anblick kann einen vollkommen in seinen Bann ziehen. Unbeschreiblich. Doch auf dieser Plattform befindet sich die Ursache, warum selbst der Colonel für einen Moment Probleme hat seinen Mund wieder zu schließen. Keine abfällige Bemerkung, einfach nur erstauntes Schweigen. Direkt vor uns befindet sich eine gigantische Säule, ein überdeminsionaler Zylinder, mit keiner glatten, sondern Lamellenartigen Oberfläche. Leuchtend, knisternd und einfach nur magisch. Ich gehe mal davon aus, dass wir Sams kleinen Maschinenraum gefunden haben. Aber wenn das schon alles gewesen ist, dann muss ich euch enttäuschen. So faszinierend der Zylinder auch ist, aber der wahre Grund, warum sich mein Mund gerade in die Saharawüste verwandelt hat, ist schlicht und einfach, dass sich dieser Komplex auf mehreren Ebenen ausbreitet. Die Pyramide ist groß, ja, das ist kein Geheimnis, aber *so* groß? Wie in Gottes Namen passt das alles hier rein? Das ist unmöglich! Irgendwo in meinem Hinterkopf wird gerade eine verrückte Stimme laut, die mir sagt, dass die Pyramide nicht mehr viel hiermit zu tun hat. Die Pyramide ist nur die Spitze des Eisberges.

„Oh mein Gott.“ Daniel schüttelt nur fasziniert den Kopf.

„Das ist…“, beginnt Sam, stockt dann aber. Ihr sind die Worte ausgegangen. Das ist schon eine Überraschung an sich, aber vermutlich fällt ihr kein Wort mit mehr als drei Silben ein.

„… cool“, beendet der Colonel für sie den Satz.

„Cool… ja“, bestätigt sie mit einem abwesenden Kopfnicken.

„Absolut…“, murmle ich.

Und dann höre ich ein leises Rascheln neben mir, als Daniel seine Waffe wieder in seine Halterung steckt, aber sein Blick ist starr auf die oberen Etagen gerichtet. „Müssen wir da oben rauf?“, fragt er leicht befangen. Der Colonel und Sam drehen gleichzeitig ihre Köpfe in seine Richtung und sehen ihn einfach nur an. Ein kurzes Schulterzucken. „Ich bin nicht ganz schwindelfrei“, sagt er schließlich.

Dito.

„Erst mal müssten wir überhaupt einen Weg darauf finden“, bemerkt Sam.

„Dann tun wir das doch“, antwortet der Colonel mit mehr gespielter Begeisterung als mir lieb ist. Als der Colonel das sagt, steht Daniel bereits an Sams Seite und die beiden nicken im Einklang, obwohl Daniel etwas bleich um die Nase aussieht. „Wir halten Kontakt, alle halbe Stunde.“ Noch mehr Nicken.

„Ja, Sir.“

Die beiden wollen sich schon umdrehen und in die andere Richtung verschwinden, aber es ist der Colonel, der sie noch einmal aufhält. „Carter…“, beginnt er. Sein Blick schweift zwischen ihr und Daniel hin und her. „Seid vorsichtig“, sagt er nach einem kurzen Zögern. Huh, professionell, aber nicht gefühlskalt. Na, immerhin.

„Sie auch, Sir“, antwortet ihm Sam nicht minder besorgt. Und dann sind die beiden verschwunden. Mein Blick klebt noch für ein paar Sekunden sehnsüchtig auf ihren Rücken, bevor ich neben mir ein ungeduldiges Räuspern höre. Nehmt mich mit! Einer der Besten der Besten, rede ich mir noch halbherzig ein.

Ich kann einfach nicht glauben, dass ich die nächsten vier Stunden alleine mit dem Colonel auskommen muss. Oh Junge… ich und der Colonel… Das kann ja nur schief gehen.


+++++


„Das darf doch wohl nicht wahr sein… Sullivan!“

Herr Gott noch mal, meine Eltern haben mir nicht umsonst einen Vornamen gegeben! Das durfte ich mir jetzt bestimmt schon zum fünften, sechsten Mal anhören? Habe schon aufgehört mitzuzählen, aber langsam wird es wirklich nervig!

Von meiner knienden Position auf dem Boden aus, drehe ich mich langsam zu ihm um und schaue zu ihm auf. Immer schön tief ein und aus atmen. Ruhig bleiben. Ruhig und entspannt. Ja, das bin ich. Ruhig und entspannt. Deshalb beiße ich mir auch auf die Zunge und sehe ihn lediglich fragend an, denn meinen Worten traue ich im Moment kein Stück über den Weg.

„Ich dachte, ich hätte bereits zum wiederholten Male gesagt, dass das hier keine ausführliche Besichtigungstour wird. Sie können nicht jedes gottverdammte Ding unter die Lupe nehmen!“

Beiß dir auf die Zunge. Beiß dir auf die Zunge. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig… beiß dir auf die Zunge, Liz!

Betont langsam wende ich meinen Blick von ihm ab und schaue auf das Objekt hinunter, vor dem ich gerade knie. Und ich kann es einfach nicht verhindern, dass meine Augen schon fast automatisch in Richtung meiner Uhr um mein Handgelenk wandern. Noch drei Stunden… drei Stunden und ich habe das Gefühl bereits durchzudrehen. Sam und Daniel müssen Heilige sein, wenn sie das jeden Tag aushalten!

Und um nicht noch mehr Salz in die Wunde zu streuen, lasse ich schließlich von dem Objekt ab. Es war so wieso nichts, was uns hätte weiterhelfen können, aber das muss ich dem Colonel ja nicht unbedingt unter die Nase reiben. Will ihm nicht noch zusätzlich sein Ego stärken. Mir ist es schon groß genug. Platzt schon praktisch aus allen Nähten.

Schon automatisch wische ich mit meiner Hand über die Hose und lächle ihn schließlich an. „Sollen wir dann?“, frage ich extrem freundlich und bin überrascht, wie ruhig meine Stimme doch klingt.

„Gerne.“

Und so verlassen wir den Raum. Meiner Einschätzung nach ist es eh nur eine Art Lagerraum gewesen. Verschiedene Containerartige Behälter standen im Raum verteilt. Doch woher soll man das wissen, wenn man nicht mal einen genaueren Blick drauf wirft? Ich frage mich, ob der Colonel diesen wirklich ultimativen Röntgenblick hat, oder woher wollte er gewusst haben, dass sie eben nur das sind, was sie auch waren? Nämlich inhaltslose Container.

Es zeichnet sich hier ein gewisses Muster ab. Zwischen den einzelnen Räumen gelangen wir immer wieder auf einen Korridor, der leider nach allen Seiten offen ist und nur durch ein, meiner Meinung nach, dürftiges Geländer gesichert ist. Zum Glück befinden wir uns noch auf der unteren Etage. Der Colonel geht schweigend voran, was mich persönlich ziemlich nervös macht. Seine Einsilbigkeit, wenn er sich nicht gerade über mich aufregt, hilft mir nicht gerade dabei, mich in seiner Gegenwart wohl zu fühlen. Gott, ist er eigentlich immer so launisch? Das ist ja regelrecht zum Zähne ziehen!

„Sir, hier ist… Carter. Können Sie … hören?“, erklingt Sams Stimme durch Rauschen hindurch. Ich glaube, wir sind beide erleichtert, dass nicht einer von uns das Übel auf sich nehmen musste, dieses Schweigen zu brechen.

„Ja, ich höre. Fahren Sie fort, Carter.“ Er bleibt direkt vor dem nächsten Durchgang stehen.

„… haben… gefunden… sieht aus wie… Daniel sagt… vielleicht… Sie sollten lieber… ansehen…“

„Carter? Wiederholen Sie das. Ich habe es nicht ganz verstanden.“

Noch mehr Rauschen, darunter ganz leise irgendwo Sams Stimme, aber bei besten Willen, ich kann ihre Worte nicht ausmachen und kurzerhand sind alle meine Vodooähnlichen Gedanken bezüglich des Colonels verschwunden. Es zerrt ganz schön an meinen Nerven, dass wir erstens nur die Hälfte der Nachricht mitbekommen haben und zweitens erstreckt sich dieses Rauschen meines Geschmacks nach viel zu lange. Ein besorgter Blick in Richtung O’Neill zeigt mir nur, wie er kurz seine Augen schließt. Sein Atem ist flach und angespannt.

„Carter? Carter, wiederholen Sie das!“ Aber nur Rauschen. „Verdammt!“, zischt er und lässt frustriert das Funkgerät los. Was hat das zu bedeuten? Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal denken würde, aber ich habe absolut keine Ahnung, was ich jetzt tun soll. Ich habe mit solchen Dingen absolut keine Erfahrung. Aber der Colonel… ich meine, er muss doch… oder nicht? Er hat doch Erfahrung mit solchen Situationen. Das ist sein Job, oder? Colonel, was sollen wir jetzt tun?

Meine stumme Frage liegt in meinen Augen und wenn er zu mir gesehen hätte, dann hätte er sie vermutlich auch gesehen. Aber er hat sich von mir abgewendet, während eine Hand schnell durch seine kurzen, grauen Haare fährt. Selbst durch das schwarze Shirt kann ich sehen, wie angespannt seine Muskeln sind und nicht mehr, wie bei mir noch vor einer Stunde vor Aufregung, sondern einfach nur vor Sorge.

Und dann dreht er sich abrupt zu mir um. „Wir gehen sie suchen.“

„Wir wissen doch gar nicht wo sie sind“, sage ich, obwohl ich mehr als mit diesem Vorschlag einverstanden bin. Vermutlich ist gar nichts passiert, aber Sam klang ziemlich aufgeregt. Und ich habe absolut keine Ahnung, ob ‚aufgeregt’ im Sinne von ‚Oh mein Gott, ich bin so aufgeregt, weil ich gerade die größte wissenschaftliche Entdeckung der Welt gemacht habe’ oder im Sinne von ‚Wir stecken in gewaltigen Schwierigkeiten’ gemeint war. Ich bete inständig, dass hier ersteres der Fall ist.

„Dr. Sullivan“, beginnt der Colonel mit extrem ruhiger und leiser Stimme, „wir gehen sie suchen. Und es ist mir egal, ob wir deshalb durch diesen ganzen Komplex laufen müssen.“

„Ich wollte doch auch gar nicht sagen…“, ist meine unmittelbar abstreitende Antwort, aber ich verstumme dann, da sich gerade unzählige Härchen in meinem Nacken aufgerichtet haben. Dieser Mann weiß, wie man einen einschüchtert. „Wir sollten zumindest Teal’c Bescheid geben“, starte ich einen relativ schwachen Versuch doch noch meinen Standpunkt zum Ausdruck zu bringen.

Er wirft mir nur einen ‚Was Sie nicht sagen’ – Blick zu und hat schon längst das Funkgerät wieder in seiner Hand. Diesmal nehme ich es ihm wirklich nicht übel. Natürlich hat er daran gedacht. Wie konnte er auch nicht? Mensch, immerhin weiß er, was man in solchen Situationen tut! Er ist immerhin für solche Situationen ausgebildet… hoffe ich zumindest.

„Teal’c, kannst du mich hören?“

Er wartet einen Augenblick, aber auch hier, nur Rauschen. Okay, langsam werde ich nervös. Aber obwohl der Colonel angespannt wirkt, ist er extrem ruhig und kontrolliert. Und irgendwo gibt mir das etwas Zuversicht und Kraft. Ich bin vielleicht kein Soldat, aber ein Weichei bin ich auch nicht.

„Wir gehen zurück. Dort war der Empfang besser.“

Ja, hört sich ganz nach einem Plan an. Das ist gut. Ein Plan ist immer gut. Kaum waren die Worte über seine Lippen gehuscht, machen wir auch schon kehrt. Ohne auf weitere Anomalien zu achten, marschieren wir schnurstracks durch den Lagerraum, aus welchen wir vor einer Minute erst gekommen sind. Ich folge dem Colonel, nicht nur, weil er einen ziemlich schnellen Gang drauf hat, sondern auch, weil ich null Orientierungssinn habe. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass man einen Raum nicht nur durch lediglich einen Eingang betreten kann? Ja, hier gibt es viele Abzweigungen in sämtliche Himmelsrichtungen. Wenn ich hier alleine drin wäre, ich wäre ein hoffnungsloser Fall. Garantiert hätte ich mich schon längst verlaufen. Denn eines könnt ihr mir getrost glauben, ich würde mich nicht mal auf meinen Orientierungssinn verlassen, wenn mein Leben davon abhängen würde.

Aber der Colonel scheint zu wissen, wo es lang geht, bis wir vor eine Abzweigung kommen. Ich kann mich nicht erinnern, die vorher schon mal gesehen zu haben. Etwas zögernd bleibt er stehen, sieht von rechts nach links und hinunter auf den Kompass in seiner Uhr. Ein flüchtiger Blick auf sein Handgelenk sagt mir, dass uns das auch nicht helfen wird, denn die Nadel dreht sich lediglich im Kreis.

„Großartig“, murmelt O’Neill und lässt seinen Arm an seine Seite fallen. „Wir sollten uns weiterhin rechts halten“, sagt er schließlich bestimmt. Ich kann dem nichts entgegensetzen. Ich persönlich komme mir jetzt schon ziemlich verloren vor. Deshalb zucke ich nur zustimmend mit den Schultern.

„Okay.“

„Teal’c? Kannst du mich hören?“, startet er einen neuen Versuch, aber wieder nur dieselbe Antwort. Selbst als er versucht Sam und Daniel noch einmal zu erreichen, erfüllt nur Rauschen die Stille. Mir gefällt das absolut nicht.

Schließlich gelangen wir zu einer großen Tür. Okay, in diesem Teil waren wir ganz bestimmt noch nicht, denn das hier ist keine einfache Tür, sondern eine Doppeltür. Daran hätte selbst ich mich erinnert. Verdammt, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass wir uns nur weiter ins Innere begeben als zum Ausgang. Und dennoch nickt mir der Colonel einmal zu, während ich auf die Schaltfläche drücke und er durch auffahrenden Schlitz der beiden Türen verschwindet.

Stumm zähle ich bis zehn und warte gebannt auf seine Worte. „Okay, alles klar.“ Mehr brauche ich nicht zu hören und husche ebenfalls durch den Eingang.

Wow… langsam gehen mir hier echt die Worte der Faszination aus. Ich staune gerade Bauklötze. Ich glaube kaum, dass es irgendwo noch eine Steigerung für all das hier gibt. Aber das ist einfach nur… Wow! Denn wir befinden uns in einer großen Halle. Und mit groß, meine ich auch groß. Verdammt groß. Langsam gehen wir weiter in den Raum hinein, unsere Schritte zerstören ungewöhnlich laut die Stille. Zielstrebig, aber doch bedacht, führt uns der Colonel auf eine gigantische Treppe zu, die auf eine höhere Ebene führt. Je weiter sie nach oben führt, desto schmaler werden ihre Stufen und als mein Blick das Ungetüm hinauffolgt, befindet sich über uns eine Art Brüstung und dahinter liegen noch weitere Räume. Einige liegen sehr offen, sodass man selbst von hier unten einen Blick hineinwerfen kann. Das ist unglaublich. Das würde mir nie jemand glauben! Gott, ich denke nur gerade an all die Artikel, die ich… nie schreiben werde können.

Kopfschüttelnd setze ich einen Fuß auf die unterste Stufe. Selbst hier sind in den vorderen Kanten die Symbole eingraviert. Der Colonel testet selbst vorsichtig die unterste Stufe neben mir. Obwohl es alles ziemlich stabil und alles andere als einsturzgefährdet aussieht, sollte man immer auf Nummer sich gehen.

„Was sich da oben wohl befindet?“, rede ich mehr mit mir selbst, aber der Colonel sieht mich schief von der Seite an.

„Sieht aus, wie ein Kontrollstützpunkt.“

Ich nicke langsam. „Glauben Sie, Sam und Daniel waren hier?“, frage ich schließlich nach einem kurzen Schweigen.

„Keine Ahnung“, antwortet er noch immer grübelnd, während sein Blick den oberen Teil der Halle abtastet. „Aber wenn sie hier waren, dann sind sie bestimmt dort hinaufgegangen.“ Er nickt Richtung Brüstung.

Gar keine Frage. Sam und Daniel wären vermutlich total aus dem Häuschen gewesen. Ich bin total aus dem Häuschen, obwohl sich meine momentane Euphorie in Grenzen hält. Ich würde mich um einiges wohler fühlen, wenn ich wüsste, dass der Funkkontakt zu den anderen nicht abgebrochen wäre. Ich seufze innerlich auf. Es nützt nichts sich über das ‚Was wäre wenn’ Gedanken zu machen. Wir haben keinen Kontakt und sind auf uns alleine gestellt. Das ist eine Tatsache. Auch wenn mir diese Vorstellung ganz und gar nicht passt.

„Ja…“, nicke ich abwesend. „Sollen wir dann?“

Sein Blick schweift ein letztes Mal über die gesamte obere Etage, bevor er schließlich knapp nickt, die Position seiner Waffe leicht verändert und mir andeutet die Treppe hinaufzugehen. „Dann mal los, Sullivan.“ Das muss ich mir nicht zweimal sagen lassen. Und trotz allem, bin ich wirklich gespannt. Ich spüre schon, wie mein Bauch zu kribbeln beginnt. Das ist so atemberaubend spannend. Ich komme mir fast vor, wie in einem Krimi, nur ist das hier noch tausendmal besser.

Der Colonel ist direkt an meiner Seite und als wir es geschafft haben die Treppe unbeschadet zu bezwingen, winkt er mir zu, dass ich erst einmal dort stehen bleiben soll, während er einen Blick in die angrenzenden Räume wirft. Ich verstehe seine Vorsicht voll und ganz, ehrlich! Es ist nur vernünftig, aber hier einfach nur nutzlos, wie eine Parkuhr herumzustehen, ist die reinste Folter! Ich trete ungeduldig von dem einen Bein auf das andere, während ich O’Neill dabei beobachte, wie er in einem der Räume verschwindet.

Dummdidum… ein flüchtiger Blick auf die Uhr – noch zwei Stunden, vierzig Minuten und, ähm, dreizehn Sekunden. Ich sehe mich um und gehe langsam zur Brüstung. Das ist sicherlich erlaubt, denn ich muss lediglich einen Schritt nach vorne machen. Vorsichtig lehne ich mich ein Stückchen darüber, um nach unten zu sehen. Also, von hier oben sieht das alles irgendwie viel höher aus. Kommt meiner Höhenangst nicht gerade zugute. Deshalb stütze ich mich bewusst wieder einen Schritt nach hinten, während meine Arme ausgestreckt das Geländer umfassen. Vor meinem inneren Auge schwirren gerade Bilder herum, wie es hier ausgesehen haben musste, als diesem Ort noch Leben eingehaucht war. Bestand dieser Ort noch aus was anderem als diesen Steinen? Wie viele Menschen lebten hier? Wie sahen sie aus? Antiker, wenn ich dieses Wort höre, dann muss ich unweigerlich an die Griechen denken, mit ihren weißen Gewändern, Götterähnlich. Hatten sie Ähnlichkeit mit ihnen? Manchmal wünschte ich mir wirklich, dass es die Möglichkeit geben würde, vielleicht für nur fünf Minuten in der Zeit zurückzureisen und sich alles anzusehen. Was würde ich dafür geben? Maya, Mittelalter, das alte Ägypten, die Antike… Es ist eine Schande, dass unser Leben nur so begrenzt ist.

Ich seufze einmal laut und schiele über meine Schulter zu dem Raum, in dem der Colonel verschwunden ist. Was macht er denn solange darin?

„Colonel?“, rufe ich. „Alles in Ordnung?“

Als Antwort bekomme ich nur einen gedämpften Laut. Vorsichtig gehe ich zu dem Durchgang. Bisher ist noch kein Schuss gefallen, also kann ich davon ausgehen, dass wir keiner besonderen Gefahr ausgesetzt sind, oder?

„Colonel?“, rufe ich noch einmal. Und dann sehe ich ihn. Er befindet sich im hinteren Teil des Raumes und steht vor einer Wand. Im Grunde keine richtige Wand, sondern eher ein wirklich riesiger Bildschirm. Oder wie man das auch immer bezeichnen kann.

„Hey“, sage ich leise, als ich mich neben im stelle. „Was ist das?“

Er zuckt nur mit den Schultern. „Das müssen Sie schon Carter fragen.“

„Ja, aber die ist jetzt nicht hier.“

„Nein.“ Er dreht sich zu mir um. „Und ich glaube auch nicht, dass die beiden bereits hier gewesen sind.“

Verwirrt ziehe ich meine Augenbrauen hoch. „Wie kommen Sie darauf?“

Er macht eine ausschweifende Geste durch den ganzen Raum. „Sehen Sie sich doch mal hier um. Ich glaube kaum, dass Carter das einfach wieder so hätte stehen gelassen.“

„Na ja, bei dem Tempo, welches Sie vorlegen, würde es mich nicht wundern“, murmle ich gerade mal so laut, dass ich es hören kann.

„Wie bitte?“

Mein Kopf schießt abrupt nach oben. „Nichts.“

Ein sturer Blick klebt auf meinem Gesicht. Ich schlucke. Wie die Maus, die gleich von der Katze verspeist wird. Ich lächle ihn an und hoffe inständig, dass er mir jetzt nicht den Kopf abreist.

Mit einem kurzen Räuspern und einen Blick auf den *Bildschirm* versuche ich von dieser äußerst unangenehmen aufbauenden Spannung abzulenken. „Für mich sieht das aus, wie eine Karte.“

Und Gott sei Dank geht er darauf ein und lässt ein weiteres Mal von mir ab. Du spielst hier ganz schon mit dem Feuer, Liz. Hat dir das eigentlich schon mal jemand gesagt? Nein? Tja, ist aber so. Neben mir höre ich nur ein zustimmendes Brummen.

„Aber von was? Bestimmt nicht von hier“, spreche ich meine Gedanken offen aus.

Es sind verschiedene Punkte zu erkennen, die in einem System eingearbeitet sind. Einer dieser Punkte leuchtet rot auf. Ich könnte jetzt irgendwelche wilden Vermutungen aufstellen, aber ohne Sam… sie ist vermutlich die einzige, die weiß, was das ist. „Wenn ich raten müsste, dann würde ich sagen, dass wir hier sind.“ Ich tippe auf den roten Punkt. „Und mit ‚wir’ meine ich diesen ganzen Stützpunkt oder was auch immer das ist. Vielleicht gibt es ja noch andere?“

„Möglich.“ Und ich dachte schon Teal’c sei einsilbig. Aber der Colonel könnte ihm glatt Konkurrenz machen. „Hier gibt’s nichts. Wir müssen Daniel und Carter finden.“

Gesagt, getan. Kaum hat er die Worte ausgesprochen, macht er sich auch schon auf den Weg zurück zur Treppe. Ich öffne meinen Mund, aber schließe ihn dann wieder. Vergiss es, Liz. Colonels lassen sich nichts sagen. Besonders nicht von so einem Wissenschaftler wie mir. Mit einem schweren Seufzen folge ich ihm schließlich hinaus und lasse meinen Blick noch einmal durch die Halle gleiten. Doch auch wenn ich höre, wie der Colonel die Stufen bereits wieder hinunter geht, bleiben meine Augen auf etwas hängen, was sich am anderen Ende der Brüstung befindet. Was ist das?

Ich schiele zum Colonel hinunter, aber er scheint es nicht gesehen zu haben. „Colonel“, rufe ich abgelenkt, während sich meine Füße schon in die besagte Richtung begeben.

„Sullivan, kommen Sie.“

Aber ich schüttle nur den Kopf. „Da ist etwas.“

„Sullivan!“

Diesmal können mich seine ungeduldigen Rufe nicht aufhalten. Da ist etwas. Er kann doch nicht einfach alles so übersehen. Und außerdem, was kann ein flüchtiger Blick schon alles anrichten?

„Verdammt noch mal, Sullivan!“

„Sekunde!“

Ich könnte schwören ein Knurren hinter mir zu hören. Aber ich setze unbeirrt meinen Weg fort, sprinte sogar regelrecht zum Ende der Brüstung. Oh ja, da ist etwas. Habe ich mich doch nicht versehen. Im Grunde ist es nur eine weitere Tür, aber diese hier ist anders. Sie sieht vollkommen anders aus. Sie scheint aus einem ganz anderen Material gemacht zu sein. Leicht schimmernd und zur Abwechslung irgendwie milchig. Man kann deutlich erkennen, wie vereinzelte Lichtstrahlen auf der Oberfläche reflektiert werden. Wie die untergehende Sonne auf dem Meer. Wenn mich nicht sogar alles täuscht, hätte ich schwören können, dass es genau das ist. Irgendeine Flüssigkeit. Es sieht so lebendig aus. Was sich genau dahinter befindet, kann ich nicht mit Gewissheit sagen, dazu ist es zu verzerrt, aber ich muss es einfach wissen. Der Drang, meine Neugier, ist schon fast überwältigend. Vorsichtig strecke ich meine Hand danach aus, um es zu berühren. Hinter mir sind die stampfenden Schritte des Colonels zu hören, aber ich ignoriere sie einfach.

Ich kann schon förmlich spüren, wie die Luft um meine Hand sich immer mehr mit Energie auflädt. Was ist das? Ein Schutzschild? Einfach unglaublich. Ein gottverdammtes Schutzschild! Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde, ich würde es nicht glauben.

„Sullivan, ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt!“

Ein schweres Seufzen. Jetzt ist der Bann gebrochen. Was ist eigentlich sein Problem? Doch bevor ich überhaupt in Erwägung ziehen kann, ihm genau diese Frage zu stellen, spüre ich auch schon, wie eine Hand meinen Arm umfasst und mich zu ihm umdreht. „Was?“, schnauze ich etwas zu grob.

Überrascht über meinen Ausbruch, reißt er nur seine Augen auf. Glaubt mir, ich bin nicht minder überrascht, aber mal ehrlich. Was ist das Problem? Wir starren uns einen Moment einfach nur an. Er ist wütend, ich bin wütend. Ich habe doch gleich gesagt, dass das nicht gut gehen kann.
„Was ist eigentlich an den Worten: ‚Es wird nichts angefasst’ so schwer zu verstehen?“

Das gilt für unseren gesamten Aufenthalt?! Das kann er doch wohl unmöglich ernst meinen! Ich meine, hallo? Also, wirklich… wie soll man den vernünftig arbeiten, wenn es einem verboten ist etwas anzufassen?!

Ich kann nur mit dem Kopf schütteln. „Aber…“

„Nach was sieht das für Sie aus?“ Er zeigt mit seiner Waffe auf die wabernde Oberfläche.

„Ein Schutzschild?“

„Ganz genau. Und normalerweise haben diese Schilde die dumme Angewohnheit auch das zu *beschützen*, was sich dahinter befindet.“

Ich beginne schon damit meine Augen zu verdrehen, aber um es mir noch einmal extra deutlich zu demonstrieren, hält er den Lauf seiner Waffe in das schimmernde Etwas und ich müsste lügen, wenn ich nicht leicht zusammengezuckt bin. Au weia… das war ein ganz schön heftiger Schlag. Ich schlucke einmal, aber diese Blöße kann ich mir jetzt unmöglich geben. Deshalb ist mein Blick noch genauso bestimmend, wie zuvor. Okay, vermutlich hatte er Recht gehabt. Wenn ich es angefasst hätte, dann hätte ich jetzt einen ganz schönen Schlag abbekommen, aber diese Kleinigkeit kann mich nicht bremsen.

Mit einem letzten Blick in seine Richtung, tasten meine Augen die Wand ab, bis ich gefunden habe, was ich suche. Zwar etwas versteckt, aber definitiv da. Mit bedachter Vorsicht berühre ich das Symbol und die schimmernde Oberfläche verschwindet. Na, was ist jetzt? Hm? Hinter mir höre ich ihn einmal tief ein und ausatmen, als ich einen Schritt nach vorne gehe und den dahinter liegenden Raum betrete. Zu meiner Enttäuschung muss ich feststellen, dass das noch nicht mal die Bezeichnung ‚Raum’ verdient, eher ein Kämmerchen. Aber irgendwas muss es hier ja geben, sonst hätte sich vor dem Durchgang immerhin kein Schutzschild befunden.

„Das ist doch absolute Zeitverschwendung“, höre ich den Colonel jetzt neben mir. Er sieht sich in dem vielleicht gerade mal drei Quadratmeter großen Kämmerchen um. Der Lauf seiner Pistole fährt ratternd über die Wand, so als ob er sich auch vergewissern wolle, ob nicht noch weitere Überraschungen auf uns warten.

Wo wir schon von Überraschungen sprechen. Ihr werdet mir einfach nicht glauben, was als nächstes passiert. Unbewusst tastet der Colonel die Wand ab, als plötzlich ein kleiner Teil der besagten Wand auseinander fährt.

„Okay…“, murmelt er langsam.

Okay…

Das wird von Minute zu Minute verrückter. Ein Ereignis jagt das nächste. Ich kann nur erneut mit dem Kopf schütteln. Das alles ist einfach zu überwältigend. Ich glaube, ich werde Jahre brauchen, um all das zu verarbeiten. Vielleicht kann sich ja dann mein Seelenklempner endlich das Marmorbad leisten, auf welches er schon seit einer geraumen Zeit ein Auge geworfen hat?

Und wie soll es auch anders sein, die Wand ist nicht umsonst verschwunden. Ein Umriss ist zu sehen, aber ich erkenne nur Striche und Symbole. Das ergibt keinen Sinn. Jedenfalls keinen geordneten. Was soll das denn schon wieder bedeuten?

„Ne Ahnung, was das sein könnte, Sullivan?“

„Keinen Schimmer… Sir.“

Dieses Wort benutze ich in letzter Zeit ziemlich oft und das stört mich. Gewaltig. Bevor gleich irgendwelche Stimmen laut werden, will ich noch einmal ganz klipp und klar darauf hinweisen, dass sich meine Hände immer schön an meinen Körper befunden haben! Diesmal ist es der Colonel, der erneut mit dem Lauf seiner Pistole eine Fläche auf dem Umriss berührt. Ich habe nichts angefasst! Es ist absolut nicht meine Schuld! Na okay, teilweise vielleicht… immerhin war ich diejenige, die wissen wollte, was sich hier befindet, aber ich habe nichts angefasst!

Keine Sekunde später hören wir ein leises Zischen und eine Wand neben uns öffnet sich. Was…? Wo? Wie? Hilfe.

„Uhm…“ Ich drehe mich schnell um, um zu sehen, wo unser voriger Ausgang geblieben ist, aber der ist nicht mehr da. Verschwunden. Der einzige Durchgang ist jetzt genau vor uns. Oh Gott, oh Gott, oh Gott… das ist nicht gut. Verdammt, Liz, jetzt hast du aber dicke Probleme.

„Sie bleiben hier“, befiehlt er mir mit flacher Stimme. Er ist schon mehr als wütend. Wut beschreibt nicht mal annähernd das, was sich gerade in seinen Augen abspielt. Ich nehme jede Wette an, dass, wenn es ihm erlaubt wäre, er dann liebend gerne Kleinholz aus mir machen würde. Tief durchatmen. Gott, ich latsche auch wirklich von Schlamassel zu Schlamassel. Oh Mann, ich glaube wirklich, dass wird eine extrem lange Standpauke werden, die ich mir da anhören kann. Mir wird schon bei dem Gedanken daran ganz schlecht.

„Sullivan?“, höre ich ihn meinen Namen rufen.

Die Dringlichkeit in seiner Stimme, lässt mich aufhorchen. Schnell trete ich aus dem Kämmerchen heraus und muss feststellen, dass wir uns auf eine Art Vorlauf befinden. Ich sehe nur eines und das ist der Abgrund nach beiden Seiten. Nur nicht hinuntersehen. Bloß nicht hinuntersehen. Starr ist mein Blick geradeaus auf den Colonel gerichtet, der jetzt in der Mitte steht. Hier gibt es absolut gar nichts. Was für einen Zweck hat das hier? Mir ist dieser Ort einfach nur unheimlich. Und dann, als ich endlich an seiner Seite bin – mein Herzchen ist immer noch außer Rand und Band – kniet er sich auf den Boden und fährt mit seinen Fingern über den Boden. Ich sehe mich noch einmal um. Genau gegenüber von mir befindet sich ein kleiner Übergang zu einer Wand. Aber ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was für ein Zweck das haben soll. Denn dort ist nichts. Rein gar nichts. Dieser Raum besteht nur aus einzigen, glatten Wänden.

„Super…“, murmelt der Colonel ein paar Schritte neben mir. Das erlangt meine Aufmerksamkeit. Das und dieser frustrierte unterschwellige Ton in seiner Stimme. Ich drehe mich zu ihm um und will die Lücke zwischen uns schließen, aber er hebt seine Hand. „Nein! Stopp!“

Zu spät. Die Schritte sind getan und doch bleibe ich wie vor die Wand gelaufen stehen. Was? Was ist los? Und dann fällt mein Blick auf das, auf was er starrt. Die Wand mit der Überbrückung. Genau dort, in Kopfhöhe, ist etwas aus der Wand *gewachsen*. Ich habe keine Ahnung was es ist, doch in meinen Augen sieht es nicht besonders gefährlich aus, vielmehr ein wenig grotesk. Es ist rund, leicht verschnörkelt und es sieht irgendwie aus wie ein Auge.

„Kommen Sie diesem Ding nicht zu nahe“, mahnt mich der Colonel dunkel.

„Warum nicht? Es sieht nicht gerade gefährlich aus.“

Er atmet einmal tief aus. „Vertrauen Sie mir. Sie wollen diesem Ding nicht zu nahe kommen.“

„Okay…“, antworte ich langsam. Ich weiß nicht, ob es Angst ist, die ich da aus seiner Stimme heraushöre, aber das sagt mir alles, was ich wissen muss. „Was ist es?“ Es ist vielleicht gefährlich und ich werde diesem Ding nicht zu nahe kommen, aber meine Neugier ist dennoch geweckt. Er scheint es offensichtlich schon zu kennen.

„Wir sollten von hier verschwinden“, antwortet er mir stattdessen und ich kann nichts weiter tun als schwer zu schlucken. Ganz schlecht.

Fein, verschwinden wir. Wir sind uns einig, hier gibt es nichts. Bin vollkommen dafür. Wenn ich ehrlich bin, dann hat es mich ziemlich nervös gemacht, wie der Colonel auf das Gerät schaut. Irgendwelche schlechten Erfahrungen? Liegt nahe, aber ich wage es nicht ihn zu fragen.

Mit einem stummen Nicken, drehe ich mich um und er steht auf. Ich weiß wirklich nicht, was der Tag heute gegen uns hat, aber ich schwöre es, wir sind keine zwei Schritte gegangen, als wir beide ein plötzliches Zittern spüren. Ich hege schon die Befürchtung, dass es etwas mit dem Ding an der Wand zutun hat, aber der Colonel fasst nur nach meinem Arm. Das Zittern - oder sollte ich vielleicht doch lieber Erschütterung sagen? – Kommt von unten. Unten aus der Erde. Oh nein, bitte nicht.

Nur langsam ebbt es ab. Zum Glück, war es nicht besonders stark, aber wir sind beide leicht in die Knie gegangen. „Was war das? Ein Erdbeben?“

Ich schüttle nur den Kopf. „Unwahrscheinlich. Das hier ist vulkanisches Gebiet. Es ist gut möglich, dass sich unter der Erde ein Vulkan befindet.“

„Wie bitte? Und das sagen Sie mir erst jetzt?“

„Ich, ähm…“ Ich sehe ihn etwas sprachlos an. „Ich dachte, das wüssten Sie. Das ist doch keine Neuigkeit.“

„Nun, für mich schon.“ Er lässt meinen Arm wieder los. „Kommen noch mehr von diesen Beben?“

„Keine Ahnung. Ich bin genauso überrascht wie Sie. Es wurde keine Warnung rausgegeben.“

„Dann hoffen wir mal, dass es bei diesem einen Beben bleibt.“

Ich hätte wirklich auf Holz klopfen sollen. Ich bin zwar kein Freund von Aberglauben, aber langsam beginne ich zu denken, dass vielleicht doch etwas Wahres dran sein könnte. Ich hätte es ahnen müssen. Irgendwie hätte ich es ahnen müssen und uns beide hier herausprügeln sollen. Aber hinterher ist man immer schlauer, nicht wahr? Es verging keine Minute, da begann die Erde erneut zu beben, aber diesmal nicht so leicht, wie beim ersten Mal. Nein, diesmal war es wirklich stark. Verdammt stark sogar.

Reflexartig lasse ich mich auf meine Knie fallen, genau wie der Colonel. „Immer schön unten bleiben“, ruft er mir zu und ich nicke nur.

Ich habe keine Ahnung, wie es passiert ist, aber im Endeffekt ist es auch egal. Das einzige, was ich nur noch weiß, ist, dass ich mich irrsinniger Weise versucht habe irgendwo festhalten, als das Beben immer stärker wurde. Aber da war nichts. Nur Luft. Meine Finger hielten nichts weiter als leere Luft umschlossen. Für einen kurzen Augenblick schloss ich meine Augen. Das ist doch einfach nicht wahr! Das kann nicht wahr sein.

Aber es gibt absolut nichts, was wir hätten tun können. Durch die starken Erschütterungen im Boden, schafften wir es nicht uns überhaupt irgendwie fortzubewegen. Es geht einfach nicht. Wir sitzen hier praktisch fest und können nichts weiter tun, als zu hoffen, dass wir das Beben unbeschadet überstehen. Vielleicht nur noch ein paar Minuten, dann dürfte es vorbei sein. Ein paar Minuten… komm schon, hör endlich auf!

Mein Blick wandert panisch zum Colonel rüber, der einfach nur auf den Boden starrt, als ob er ihn so bezwingen könnte. Er sieht zu mir auf und schüttelt leicht mit dem Kopf. Ich tue es ihm gleich. Wir wissen beide, was das bedeutet. Wir wissen es nur allzu gut. Oh Gott…

Und dann hören wir es. Ein Knacken, ein Hallen, und noch ein Knacksen, so laut und nahe… Oh mein Gott…

„Oh Mist…“, flucht der Colonel.

Aber dann ist es bereits zu spät. Der Boden beginnt zu bröckeln. Ich weiß genau, dass er nachgeben wird. Er wird dem Beben nicht standhalten. Ich weiß es einfach. Es ist so klar in meinen Kopf. Wie eine unwiderrufbare Tatsache.

Langsam schließe ich meine Augen und dann…Risse, Sprünge… das ist es.

Oh nein…


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Kapitel 3 by Destiny
Teil 3

Dunkelheit und Stille. Friedlich, ruhig, Balsam für die Seele. Keine störenden Geräusche, einfach nur Ruhe. Es tut gut. Wirklich. Ich habe so etwas noch nie vernommen. Es ist so angenehm einfach nur nichts zu hören, nichts zu sehen. Ein Luxus des Vergessens, von dem ich weiß, dass er mir bald entrissen wird. Entrissen von dem heißen, gleißenden, hellen Schmerz. Ich will nicht. Ich kann ihn schon hören. Hämmernd steht er an der Tür. Mein Bewusstsein will wieder die Kontrolle über meinen Körper, aber ich will nicht. Nur noch fünf Minuten. Einfach nur vergessen, dass, wenn ich jetzt diese Tür öffne, ich dann auch den Schmerz spüren werde. Einen höllischen Schmerz. Da bin ich mir ganz sicher. Selbst die Idee überhaupt einen Gedanken daran zu verlieren, verstärkt nur mein Verlangen mich noch weiter in der Dunkelheit zu verkriechen. Denn ich weiß, ein Blinzeln, eine winzige Bewegung, lässt diese Illusion wie eine Seifenblase zerplatzen.

Ich will nicht.

Aber das Hämmern wird immer aufdringlicher und ich weiß, dass die Tür, mein Schutz, nicht mehr lange Stand halten kann. Ich bin noch nicht bereit diesem Giganten gegenüber zu treten. Lasst mich einfach allein. Allein in meiner stillen Dunkelheit, geborgen und beschützt.

Es gibt nur nichts in meinem erfundenen Schutzbunker, was mich vor mich selbst beschützen kann. Ich kann es förmlich spüren, wie die gierigen Finger der Realität nach mir greifen, mich herauszerren wollen in den Schmerz und der nicht verleugnenden Wirklichkeit, der ich einfach nicht entfliehen kann. Egal, ob ich mir jetzt noch für weitere fünf Minuten oder für den Rest meines Lebens einrede, dass dies alles nur ein schlechter Traum ist, ich bin dagegen schlicht und einfach machtlos.

Wie brennendes Feuer bricht es unangekündigt und blitzartig über mich ein. Es lässt mir keine Chance mich zu verteidigen, erstickt meine nutzlosen Versuche des Widerstandes. Die Flammen brennen in meinem Inneren, auf meiner Haut, einfach überall und reißen mich zurück, hinaus aus der Dunkelheit in das gleißend helle Licht meines Bewusstseins.

Und so liege ich jetzt hier, meine Augen noch immer fest geschlossen, in dem Versuch vielleicht doch wieder zurückzukehren. Aber so sehr meine Stimme auch in meinem Kopf schreit, dass sie wieder zurück will, hat sie nicht weiterhin die Kontrolle über mich. Ich spüre den kalten Boden unter mir, ich spüre, wie langsam der Effekt des Schocks abebbt, das Kribbeln und Kitzeln in meinen Knochen, die nur die Obhut von dem Schmerz bilden, der mich jede Sekunde überfallen wird.

Es sind vermutlich die längsten Sekunden meines Lebens, die Ruhe vor dem Sturm. Ich warte nur darauf. Kommt schon. Bitte. Lasst es mich hinter mich bringen. Ich flehe euch, erlöst mich davon.

Und dann… ein ersticktes Stöhnen kriecht über meine Lippen. Gott verdammt noch mal! Scheiße tut das weh! Die grellen Blitze, die gerade einen irrwitzigen Tanz vor meinen Augen aufführen, helfen mir nicht besonders dabei den Schmerz zu ignorieren. Es ist komisch, aber ich kann noch nicht mal genau die Stelle nennen, wo er sich befindet. Er ist einfach überall. In jeder Faser, in jedem Knochen. Ich habe das Gefühl, dass er unweigerlich durch meine Blutbahn gepumpt wird, zu meinem Herzen, hinunter in jegliche Gliedmaßen und dann wieder zurück. Ein endloser, höllischer Kreislauf. Ich sterbe! Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich im Augenblick sterbe! Es ist einfach unmöglich, dass das ein lebendiger Mensch ertragen kann. Ich muss tot sein und das ist meine Fahrkarte in die Hölle. Keine Engelsstimmen mit Harfengesang, keine weißen Wolken und ewigen Frieden. Ich habe mich auch nie mit einem Heiligen Schein gesehen. War noch nie der Typ dafür gewesen, aber wenn ich gewusst hätte, dass es dermaßen weh tut, dann hätte ich mich vermutlich mehr angestrengt.

Es kostet mich all die restlichen Kräfte, die noch in meinem leblosen, geschundenen Körper stecken, um zu blinzeln. Verdammt, selbst meine Wimpern scheinen nicht verschont zu sein. Das ist schlecht. So gottverdammt schlecht. Mir ist schlecht. Durch den roten Schleier des Schmerzes, erkenne ich verschwommene Umrisse. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo ich bin. Es ist alles so unklar. Ich blinzle erneut, diesmal schaffe ich es den Schmerz bis dahin zu reduzieren oder zumindest teilweise zu ignorieren, dass ich die Augen wieder öffnen kann. Oh ja… langsam lichtet sich der Nebel… es ist dunkel. Wo zum Teufel bin ich? Und warum ist mein Untergrund so hart und kalt? Ich dachte eigentlich immer, dass mein Bett bequemer sei.

Ja… liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht in meinem Bett liege. Ich wage es nicht mehr als lediglich meine Augen zu bewegen, während sie sich langsam an die Dunkelheit gewöhnen und ich schließlich nicht nur Täuschungen ausmachen kann, sondern wirklich so etwas wie eine Umgebung erkenne. Steine. Wir sind umgeben von Steinen. Brocken liegen auf dem Boden und ich starre geradewegs gegen eine steile Wand. Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Schlafzimmer jemals dermaßen trostlos und verwüstet ausgesehen hat.

Ein bisschen Farbe an den Wänden, hier ein fröhliches Bild, da vielleicht eine etwas bequemere Unterlage und es wäre gerade so annehmbar. Aber das ist unmöglich und das weiß ich. Unter all den Schwachsinn, den ich mir gerade einrede, weiß ich, dass ich nicht in meinen trauten Heim bin und ich weiß, dass ich mich dem hier stellen muss. Gott, Liz, überwinde deinen inneren Schweinehund und bewege zumindest deinen Kopf! Bevor du auch nur dran denken kannst irgendwas zu tun, solltest du immerhin wissen, wo du dich befindest.

Das wäre ein guter Anfang, denn im Moment spielt mir mein Gehirn einen Streich. Ich kann mich beim besten Willen nicht dran erinnern, was passiert ist oder wie ich hierher gekommen bin. Ich weiß nur eins, ich bin hier nicht allein, aber das ist auch schon alles. Deshalb beiße ich mir auf die Zunge, versuche ein weiteres Stöhnen zu unterdrücken, als ich vorsichtig meinen Kopf auf die andere Seite drehe. Und da liegt jemand. Im Schatten. Eine Person. Genauso verwinkelt wie ich.

Nur für einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen, um mich zu sammeln. Okay, fein, du bist immerhin nicht allein. Das Einzige, was mir nur Sorgen macht, ist, dass sich diese Person nicht rührt. Ich wünschte meine Gedanken würden sich endlich klären und diese zusammenhangslosen Stücke und Fetzen zu etwas zusammensetzen, womit ich etwas anfangen kann. Wie bin ich hierher gekommen? Warum bin ich hier? Und noch viel wichtiger, wie komme ich hier wieder raus?

Also beiße ich meine Zähne zusammen, versuche ziemlich vergebens das Kreischen meiner Knochen zu ignorieren und wappne mich dafür mich auf die Seite zu rollen. Noch während ich meine einzelnen Bewegungen genausten plane, läuft in meinen Kopf gerade eine Checkliste durch, was alles gebrochen sein könnte. Und die Aussichten sehen nicht gerade rosig aus. Arme, Beine, Rippen… wunderbar. Einfach nur großartig. Da stört es mich jetzt auch nicht mehr besonders, wie ich spüre, dass mir etwas Warmes die Schläfen hinunterläuft. Ich muss es nicht sehen, um zu wissen, was es ist. Blut. Überraschen tut es mich wirklich nicht. Wenn ich ehrlich bin, dann wäre es eher eine Überraschung, wenn ich hier ohne eine Schramme liegen würde… wo immer hier auch gerade ist.

Okay, Liz, genug Zeit verschwendet. Versuche wenigstens herauszufinden wer dein Nachbar ist. Mit Ach und Krach und einem Haufen Sternen vor meinen Augen, schaffe ich es zumindest in seine Richtung zu robben. Eine zitternde Hand tastet nach seinem Stoff – er ist grob – sie wandern vorsichtig weiter; noch mehr Stoff und dann Haut… Haut und Blut. Ich berühre leicht seinen Hals. Selbst in meinen vernebelten Zustand weiß ich, dass man hier nach den Puls fühlen muss. Ich weiß nicht, ob ich es richtig mache oder nicht, aber im Moment hoffe ich inständig, dass ich es falsch mache, denn ich spüre absolut gar nichts. Leicht panisch ziehe ich mich noch weiter in seine Richtung. Verdammte Schulter! Oh bitte, bitte… Ich blinzle einmal, um endlich meinen Kopf von diesem Nebel zu befreien und mich zu sammeln, bevor ich erneut seinen Hals abtaste. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Meiner Fingerspitzen gleiten erneut über seine Haut, zu seiner Halsbeuge und… Oh mein Gott, oh mein Gott… war das ein… war das ein Puls? Bitte, bitte… ich übe noch mehr Druck auf die Stelle aus und dann wieder… Oh Gott sei Dank! Danke, danke, danke!

Langsam verschwimmt meine Sicht, aber diesmal nicht, weil eine neue Welle des Schmerzes mich erfasst hat, sondern weil ich einfach nicht verhindern kann, dass sich einzelne Tränen in meinen Augen sammeln. Gott, danke… ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn er tot wäre. Ich blinzle ein paar Mal und wische schnell die salzige Flüssigkeit aus meinem Gesicht, während ich mir im diffusen Licht seine Züge genauer betrachte. Markant und doch sanft… sein Haar schimmert leicht silbern in der halben Dunkelheit. Und so verletzt. Blut klebt auf seiner Stirn, ein Striemen zeichnet sich über seine Schläfe hinunter zu seinen Wangenknochen. Mein Gesicht verzieht sich leicht zu einer Grimasse, als ich die klaffende Wunde unter seinem Haaransatz ausmache. Mir persönlich tut schon alleine der Anblick weh, bis meine Fingerspitzen schon fast automatisch über meine eigene Stirn fahren, auf der Suche nach ähnlichen Verletzungen. Irgendwie fühlt sich alles ziemlich taub an, bis dieses stumpfe Gefühl plötzlich von einem Feuerregen durchbrochen wird.

„Argh…!“, stöhne ich unter Schmerzen auf und bin mir in diesem Moment ziemlich sicher gleich ohnmächtig zu werden „Heilige Scheiße“, murmle ich kaum hörbar. Damit wäre meine Frage wohl beantwortet. Ich muss ganz schön was abbekommen haben, denn wie es aussieht entschließt sich ein Brummen dafür sich für eine Weile in meinen Schädel einzuquartieren. Aber hey, es hätte schlimmer kommen können.

Ja, nur will mir kein Beispiel einfallen. Resigniert wandert mein Blick zurück zu der Person neben mir. Ich sollte ihn kennen. Ich weiß, dass ich ihn kenne, aber mir will partout kein Name zu diesem Gesicht einfallen. Das beweist nur, dass ich mir das nächste Mal lieber eine weichere Unterlage für meinen Kopf aussuchen sollte, sollte ich mich noch mal für so einen Ausflug entscheiden.

Colonel O’Neill.

Dieser Name taucht plötzlich dermaßen deutlich und klar in meinem Kopf auf, dass es mich wie der Schlag trifft. Oh verdammt… das ist Colonel O’Neill… Und dann kommen die Erinnerungen wie zerrissene Fetzen zurück. Pyramide, Antiker, die kleine Kammer, der Raum, dieses merkwürdige Gerät… alles kommt wieder… und dann das Beben…

Mit einem schweren Seufzen, schließe ich meine Augen und lasse meinen Kopf nach vorne fallen, so dass meine Stirn den Stoff seiner Jacke berührt. Ich bin erschöpft. Am liebsten würde ich einfach nur schlafen, aber selbst ich weiß, dass Schlaf im Moment das Letzte ist, an was ich denken darf. Auch wenn ich kein Arzt bin, weiß ich, dass ich verletzt bin und der Colonel ebenfalls. Ich hoffe nur inständig, dass nichts gebrochen ist. Aber wie stehen dafür nach solch einem Sturz auf einen harten, kalten, steinigen Boden wohl die Chancen? Schlecht. Verdammt schlecht. Ich hoffe zutiefst, dass er weiß, was wir tun sollen, wenn er wieder aufwacht.

Falls….

Nein, Liz, denk erst gar nicht dran. Wenn du jetzt schon diesen Weg einschlägst, hast du bereits aufgegeben und das ist nicht deine Art. Und irgendwo in meinem Hinterkopf schlummert das Wissen, dass Sam, Daniel und Teal’c auch noch dort draußen sind. Sie werden sich bestimmt auf die Suche machen und uns hier raus holen. Nicht wahr? Sie würden uns nicht hier liegen lassen.

Wenn sie doch nur wüssten, was mit uns passiert ist. Wie viel Zeit ist seit dem Sturz vergangen? Machen sie sich bereits Sorgen? Durchkämmen sie bereits den ganzen Komplex? Fragen auf die ich keine Antwort habe. Jedenfalls noch nicht.

Ich schaffe es gerade noch mich so auf die Seite zu rollen, dass nur die Hälfte aller meiner Knochen aufschreien, bevor meine Augen wie von alleine zufallen und mich die schwarze Ohnmacht erneut übermannt. Ich versuche noch dagegen anzukämpfen. Ich darf nicht wieder einschlafen. Ich darf nicht… aber ich bin zu schwach und mein Körper und der größte Teil meines Verstandes haben sich bereits ergeben. Mein letzter Gedanke gilt meiner Sorge, was passieren wird, wenn ich das nächste Mal meine Augen öffnen werde. Und ob es überhaupt noch ein nächstes Mal geben wird.


+++++


Als etwas Dumpfes auf mich fällt, kriecht meine Taubheit, die meinen Körper in eine Art Stasezustand versetzt hat, von mir und mich zwingt meine Augen zu öffnen. Und obwohl ich weiß, dass ich meine Lider geöffnet habe, sehe ich nur Dunkelheit. Keine schwarze Dunkelheit, irgendwie eine dunkelgrüne Dunkelheit, die sich auch noch ziemlich merkwürdig anfühlt. Es dauert nicht lange, bis ich erneut spüre, wie mich etwas an meinem Kopf berührt, aber diesmal kommt mir der Aufprall nicht mehr dermaßen entfernt vor, denn ein unangenehmes Ziehen und Stechen sagt mir, dass gerade meine Wunde auf dem Kopf zum Leben erweckt wurde. Darauf hätte ich wirklich gut verzichten können. Herzlichen Dank auch!

Mit einem leisen Stöhnen, stütze ich mich mit zitternden Armen betont langsam nach oben. Nur keine vorschnellen Bewegungen. Das Objekt, welches mich aus meinem Delirium gerissen hat, entpuppt sich als eine Hand. Die Hand des Colonels.

Sie fällt auf den Boden und als mein Blick auf seinem Gesicht hängen bleibt, sehe ich, wie sich leicht seine Augen unter den geschlossenen Lidern bewegen. Immerhin lebt er. Erst in diesem Moment merke ich, wie schwer die Last des Gedankens, dass er wohlmöglich den Sturz nicht überlebt haben könnte, auf meinen Schultern gelegen hat. Fühle mich gleich um hundert Kilo leichter. Behutsam bringe ich meinen Körper in eine etwas angenehmere Position, bevor ich meine Hand nach seinem Gesicht ausstrecke.

„Colonel?“, frage ich mit belegter Stimme.

Ich kann deutlich spüren, wie sich seine Muskeln kurzzeitig unter meiner Hand anspannen. Und dann in der nächsten Sekunde starren mich zwei verklärte, dunkle Augen an. Er scheint mich entweder nicht zu erkennen oder er steckt noch irgendwo in seinem komatösen Zustand fest.

„Colonel, können Sie mich hören?“

Er blinzelt. Ich halte meinen Atem an. „Carter?“, kommt es mehr krächzend und stockend als flüssig über seine Lippen. Wenn mir Sams Familienname nicht bekannt wäre, dann hätte ich es garantiert nicht verstanden.

„Nein, ich bin nicht Sam. Sam ist nicht hier. Ich bin’s, Liz.“ Noch immer keine Erleuchtung in seinem Blick. Ich merke schon, wie sich alles beginnt in mir zusammenzuziehen, als er schließlich seine Augen wieder schließt.

„Colonel!“, rufe ich mich etwas mehr Nachdruck. Er darf mir hier jetzt nicht wieder einschlafen. „Colonel. Sie müssen wach bleiben!“

Meine leicht panische Stimme schwankt noch eine Oktave höher und langsam wandern die panischen Wellen von meinen Stimmbändern durch meinen ganzen Körper. Und dann endlich – Gott sei Dank! – höre ich ein Stöhnen über seine Lippen kriechen. Leise und erdrückt, aber es ist ein Ton. Ein Ton, der mir sagt, dass noch Leben in ihm stecken muss. Erleichterung vertreibt bestimmt meine Panik, als er erneut seine Augen öffnet.

„Gott…“, murmelt er. Ja, den Kerl habe ich auch schon verflucht. Langsam und mit bedachten Bewegungen fasst er sich leicht an den Kopf. Erst dann wandert sein Blick durch den Raum. „Wo..?“

Ich kann nur mit den Schultern zucken. „Können Sie sich erinnern, was passiert ist?“, frage ich statt dessen.

Er atmet einmal tief durch. „Ja…“, seufzt er. „Kommt alles wieder…“ Ich schlucke nur und warte, dass er weiter redet und als es den Anschein erweckt, dass er meiner stummen Aufforderung nicht nachkommt, setze ich schon zum Sprechen an, doch werde dann überraschend von ihm unterbrochen. „Carter… Daniel?“

Ich gebe mein Bestes nicht allzu erschüttert auszusehen, aber ich war noch nie so eine gute Schauspielerin wie Sam. „Ich weiß es nicht… Tut mir Leid.“ Und das sage ich nicht nur, um ihm Trost zu spenden. Unsere Funkgeräte sind bei dem Sturz in einzelne Bestandteile zersprungen. Es gibt absolut keine Möglichkeit, woher die beiden oder Teal’c wissen sollen, wo wir uns befinden und was passiert ist. Wir sind so ziemlich auf uns alleine gestellt.

Und auch wenn seine Gedanken vermutlich einen ähnlichen Weg einschlagen, nickt er nur knapp. So als ob das genug sei, versucht er sich doch wahnsinnigerweise aufzurichten. Aber sonst geht’s ihm noch ganz gut. „Sir, ich halte das nicht für eine gute…“ Meine Worte lassen ihn für einen Moment inne halten und er zieht abschätzend eine Augenbraue hoch, während sein Blick zu mir herüber wandert. Ich schlucke einmal und deutete dann etwas wirsch auf ihn. „Sie sind… und na ja, vielleicht sollten Sie lieber…“

Die Augenbraue wandert noch höher und die andere gesellt sich demonstrativ dazu.

Und ich dachte immer, dass die Saharawüste in meinem Hals nichts zu suchen hat.

„Ich meine nur… vielleicht ist irgendwas gebrochen. Und ich weiß, ich bin keine Ärztin, aber ist es nicht gefährlich sich in solchen Situationen zu bewegen?“

„Und was ist mit Ihnen?“

Ein knappes Schulterzucken führt meine Antwort ein. „Bei mir ist nichts gebrochen“, sage ich etwas lahm und bereue kaum, dass ich diese Bewegung ausgeführt habe, sie auch schon wieder. Ja, sicher, nichts gebrochen. Wen veräppelst du hier eigentlich, hm? Und Elvis Presley weilt noch unter uns. Schon klar.

Eine Mischung aus amüsiertem und ungeduldigem Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. „Und das wissen Sie woher?“

Mir liegen die Worte: „Ich weiß es einfach“, bereits auf der Zunge, aber klugerweise entscheidet sich mein Mund dazu einfach nur geschlossen zu bleiben.

„Genau“, stimmt er mir sarkastisch zu. „Also, helfen Sie mir mal.“

„Sir…“, starte ich einen letzten Versuch, der genauso aussichtslos zu sein scheint, wie schon die gescheiterten Versuche zuvor.

„Hören Sie“, geht er mit knirschenden Zähnen dazwischen, während er versucht ein Stöhnen zu unterdrücken. Mir tut schon alles weh, wenn ich ihn nur ansehe. Ich wage es erst wieder zu atmen, als er einmal tief Luft holt und kurzzeitig seine Augen schließt. „Im Gegensatz zu Ihnen, weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit, dass mein Bein gebrochen ist und Sie müssen mir helfen es zu schienen.“

Was?! Ich und eine Schiene legen??? Ich… ich kann keine Schiene legen. Ich weiß noch nicht mal ansatzweise wie so etwas funktioniert! Mein pures Entsetzen muss mir vollkommen aus dem Gesicht springen, denn er sieht mich nur mit einem müden Lächeln an. „Ich…“, beginnt sich ein Wort zu formen, aber dann stocke ich. Ein panisches Kopfschütteln ersetzt schließlich jegliche Worte. Kann man durch eine Schienenlegung eigentlich den Knochen noch mehr brechen?

„Aber vorher sollten wir noch Ihre Schultern wieder einrenken.“ Meine, meine… WAS?! Meine Schulter? Meine Schulter ist nicht ausgerenkt! Der geht es hervorragend. Gut, ich gebe zu, sie tut weh – sehr weh sogar – aber sie ist nicht ausgerenkt!

„Wowowowow.“ Beschwichtigend hebe ich meine Hände und spüre unweigerlich den stechenden Schmerz in dem besagten Körperteil. „Mit meiner Schulter ist alles in Ordnung.“ Seht ihr, ich kann lügen ohne rot zu werden. Meine Schulter ist ganz sicher nicht ausgerenkt und selbst wenn sie es wäre, dieses Ding wieder einzurenken tut höllisch weh! Es ist vollkommen unmöglich, dass ich das nüchtern und bei vollem Bewusstsein über mich ergehen lasse! Nie und nimmer! Nicht bevor die erste Schneeflocke in der Saharawüste gefallen ist.

„Ja, das sehe ich. Ihrer Schulter geht’s genauso gut wie meinem Bein.“ Wenn mich das umstimmen soll, dann muss er sich aber ein wenig mehr anstrengen. „Aber wie Sie wollen“, sagt er schließlich und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich eigentlich gedacht, dass er etwas hartnäckiger sei. „Dann helfen Sie mir jetzt meinen Knochen wieder zu richten.“ Hat er nicht noch vor fünf Sekunden von einer Schiene geredet?

Ich schlucke schwer.

Ich habe hier nicht wirklich eine Wahl, oder? Ich habe zwei Optionen; entweder ich lasse meine Finger davon, mein Gewissen prügelt mich in Grund und Boden, weil seine zersplitterten Knochen nicht mehr richtig zusammenwachsen können, er nicht mehr als einsatztauglich eingestuft wird, vermutlich aus dem Team fliegt, Sam mir mit Sicherheit die Hölle heiß machen wird und ich nicht mehr in den Spiegel sehen könnte. Das ist die eine Seite und die andere, ich versuche seinen Knochen zu richten, bete, dass er weiß, wie so etwas funktioniert, er ist nur für ein paar Wochen – vielleicht Monate – untauglich, aber ich habe mein Bestes gegeben. Wenn man von der Tatsache absieht, dass ich bereits bei dem Gedanken an die Schmerzen und wie das alles im Inneren seines Beines aussehen muss, gleich in Ohnmacht falle, ist Wahl Nummer zwei wohl doch die attraktivere.

„Okay, was soll ich machen?“, frage ich schließlich ergeben.


+++++


„AAAHH!“

Es ist noch viel schlimmer als ich es mir vorgestellt habe. Ich stehe wirklich kurz davor gleich umzukippen.

Es tut mir Leid, es tut mir Leid, es tut mir Leid… Wir atmen synchron beide ziemlich schwer ein und aus. Er, weil die Schmerzen einfach unerträglich sein müssen und ich, weil mir persönlich schon sein Geschrei ausreicht. Wir könnten glatt die Plätze tauschen.

„Wissen Sie…“, keucht er, „dafür, dass Ihre Schultern ausgerenkt ist… tut das verdammt weh…“

„Ja…“ Hatte ich schon erwähnt, dass ich noch nie einen Knochen gerichtet habe? „Ich habe das noch nie gemacht.“

„Ich weiß, ich weiß.“ Er schnauft einmal durch den Schmerz hindurch und mein Blick wandert hinauf zu seinem Gesicht, welches schweißbedeckt ist, während meine Hände in ihrer Bewegung inne halten. „Machen Sie weiter“, stöhnt er.

Und ich mache weiter.

„AAH! Verfluchte Scheiße noch mal! Tut das weh!“ Mein ganzer Körper ist am Zittern, ich kann nicht mehr. Ich bin erledigt. Wenn er noch einmal aufschreit, dann mache ich nicht mehr weiter! Das ist mein Ernst, ich mache nicht mehr weiter. Ich kann das nicht. Ein verzweifelter Blick wandert auf sein Gesicht und ich suche in seinen Augen nach Erlösung. „Sie machen das ausgezeichnet…“, krächzt er nickend. Ich glaube ihm kein Wort. Bin meilenweit davon entfernt. „Eigentlich sollte ich mich schon dran gewöhnt haben…“

„Wirklich?“ Dankbar dafür, dass er mir diesen Knochen hinwirft, schnappe ich gleich zu. Aber sollte nicht eigentlich ich diejenige sein, die versuchen sollte ihn abzulenken?

„Ja… war schon zu oft gebrochen…“ Ich nicke nur. „Und ausgerenkt…“ Er lässt das Wort erst einmal einfach nur in der Luft hängen und ich versuche es zu ignorieren. „Hatte es damals nicht hinbekommen es einzurenken“, fährt er unbekümmert fort und nur das kurzzeitige Stocken zwischen seinen Worten sagt mir, dass er damit kämpft nicht die Kontrolle zu verlieren. „Dadurch haben sich meine Muskeln zu überspannt und wo ich… ahh… wo ich vorher noch humpeln konnte… vorsichtig, vorsichtig… na ja, konnte ich später nicht einmal mehr laufen. Ganzes Bein war steif und nutzlos. Böse Geschichte… und wenn Sie… Gott verdammt noch mal..“, zischt er, „… und wenn Sie glauben, ein gebrochenes Bein tut weh, dann hatten Sie noch nie ein… ausgerenktes… Hat Monate gedauert, bis wieder alles da war, wo es sein sollte…“

Ich hätte eigentlich wissen müssen, dass er das Thema doch nicht so einfach fallen lässt, aber, Leute, ich habe echt eine Scheißangst davor! Für ihn mag so etwas vielleicht schon dazugehören, wie das tägliche Wechseln seiner Socken, aber obwohl ich mich nicht gerade davon freisprechen kann ein Glückspilz in Sachen Verletzungen zu sein, eine Schulter oder sonst ein Gelenk habe ich mir noch nie ausgerenkt. „Hmm“, brumme ich lediglich, während irgendwo in meinem Inneren sich gerade ein Bild formt, wie durch eine ausgerenkte Schulter in meinem Körper eine Kettenreaktion ausgelöst wird. „Gleich wird es wohl wehtun“, murmle ich, bestimmt dieses Bild aus meinem Kopf zu vertreiben.

„Es tut schon die ganze Zeit weh.“ Ich zähle langsam stumm bis drei, bevor ich selbst die Zähne zusammenbeiße. Ich gebe hier wirklich mein Bestes!

„Also“, beginne ich diesmal das Gespräch, wobei ich versuche ganz galant das Thema zu wechseln und ihn somit seinem Bein abzulenken. „Was tun Sie, wenn Sie nicht gerade auf einem anderen Planeten sind?“

Ob diese Frage wie eine Schocktherapie funktioniert hat? Keine Ahnung, ob sie jetzt zu persönlich gewesen ist, aber er sieht mich an wie ein Auto. „Wie bitte?“

Ich sehe von meiner Arbeit auf. „Sie müssen doch noch etwas machen, wenn Sie nicht arbeiten, oder?“ Sam hätte ich diese Frage nie gestellt, denn ich weiß, dass ihr Leben die Arbeit ist, aber die beiden scheinen sich in diesen Dingen nicht besonders zu ähneln, jedenfalls ist das mein momentaner Eindruck.

„Natürlich.“

„Also?“

„Ich… aaah… ich fahre zu meiner… Herr Gott noch mal, Sullivan!“

„Entschuldigung.“

„Hat Carter Ihnen gezeigt, wie man das macht?“ Sam? Was hat Sam damit zutun einen Knochen zu richten? Die Frage liegt schon fertig formuliert auf meinen Lippen, aber er winkt nur schnell ab.

„Ich bin sofort fertig… glaube ich zumindest…“

„Sie sind jetzt fertig!“

„Aber…“

Wenn ihr mich fragt, ich habe noch nicht mal richtig angefangen, ganz zu schweigen von der Schiene. Die ist nichts Halbes und nichts Ganzes. „Glauben Sie mir, Sie sind fertig! Hören Sie auf! Hände weg von meinem Bein!“

Vorsichtig ziehe ich meine Hände zurück und betrachte mein kümmerliches Werk. Ein schweres Seufzen fährt durch mich hindurch, während mein Blick über den erbärmlichen Anblick einer Schiene fährt. Wenn das irgendwie helfen soll, dann grenzt das schon nahezu an ein Wunder. Das ist alles andere als fertig.

„Die Schiene ist klasse, ehrlich. Das Bein ist schon wieder fast wie neu.“ Ich kann nicht anders als ihn zweifelnd anzusehen. Die Schiene ist eine Katastrophe und ich habe die Befürchtung, dass sein Bein dasselbe Schicksal erleidet. „Kommen Sie her.“

Wie bitte? Ich soll was machen? Noch während er darauf wartet, dass ich näher zu ihm krieche, zupft er mit seinen Fingern an einer der Taschen an seiner Hose herum und zieht etwas heraus. Es ist ein kleiner Notizblock, gebunden in Kunstleder. Wozu braucht der Colonel einen Notizblock? Nicht gerade ein Utensil, welches zum Überleben beiträgt.

„Nehmen Sie das und beißen Sie drauf.“

Oh nein. Das werde ich ganz bestimmt nicht machen. Netter Versuch, aber nein danke. Ich verzichte freiwillig. „Nein…“, beginne ich und als mein Atemzug noch den Rest der Wörter dranhängen will, scheint das dem Colonel nicht im Geringsten zu interessieren. So, als ob er meinen Protest gar nicht vernommen hat, greift er nach meinem Arm – meinen kaputten Arm! – und zieht einmal dran. Nur mit aller Mühe und den Rest meines gesunden Menschenverstandes kann ich ein Aufschreien verhindern.

Dieser gottverdammte Mistkerl!

„Würde es Ihnen vielleicht etwas ausmachen *nicht* so feste an meinem Arm zu ziehen?“, keife ich ihn durch einen Sternenhimmel vor meinen Augen an.

„Feste? Ich habe ihn kaum berührt.“ In seiner Stimme schwingt dieser ‚Habe ich es nicht gleich gesagt’ - Ton mit und das nervt mich gewaltig.

Ich setze schon zu einem Widerwort an, als mein Blick auf seine Hand fällt, die wirklich nur lose um meinen Arm herum liegt. Oh.

„Also, wenn Sie es nicht freiwillig machen, dann befehle ich es Ihnen.“

Ha! Das kann er gar nicht. Mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen, öffne ich meinen Mund. „Das können Sie gar nicht. Ich bin nicht…“

„… im Militär. Ich weiß“, beendet er liebenswürdig meinen Satz. Und dann mit einem Lächeln: „Aber Sie sind in meinem Team und ich habe hier das Sagen. Und solange wir auf dieser Mission sind, tun Sie das, was ich Ihnen sage. Und wenn Sie keine bleibenden Schäden davontragen wollen, dann renke ich Ihnen jetzt diese Schulter ein.“

Mein Mund presst sich zusammen zu einer dünnen Linie. Das ist Erpressung… um acht Ecken gesehen. Natürlich will ich keine bleibenden Schäden davontragen, aber mir wird schon ganz schlecht, wenn ich nur daran denke, wie er gleich meine Schulter einrenken wird.

Und noch während ich mir die Hölle ausmale, legt er geübt eine Hand auf meine Schulter und die andere hält meinen Arm fest, während ich mir sein Notizbuch zwischen die Zähne schiebe und Gott anbete, dass er mich so schnell wie möglich erlösen möge.

„Fertig?“, fragt er konzentriert.

„Nein.“

„Gut, dann auf drei.“

„Ich bin noch nicht…“

„Eins, zwei…“

Bevor er „Drei“ gesagt hat, zieht er einmal kräftig und ich bekomme nicht einmal mehr mit, wie es PLOCK macht und meine Schulter wieder an ihrem Platz sitzt, denn kaum, dass sich sein Griff um meinen Arm festigt, bin ich schon in das Land des Vergessens hinabgerutscht.


+++++


Benommen öffne ich langsam meine Augen. Aber alles, was ich sehe ist verschwommen. Ein Stöhnen kriecht über meine Lippen. Ich habe das Gefühl von einem Lastwagen zermatscht worden zu sein. Ein Rascheln neben mir lässt meinen Kopf auf die andere Seiten rollen. Blinzelnd versuche ich den Umriss vor mir auszumachen.

„Sullivan?“

Das ist mein Name. Wer will das wissen? Irgendwelche merkwürdigen, unmenschlichen Laute kommen aus meinem Mund.

„Sullivan, aufwachen.“

Irgendwas rüttelt gerade an meiner Schulter. Doch diese Berührung hat ausgereicht, damit ich plötzlich kerzengrade in eine aufrechte Position hoch schnelle. Ich hatte meine Schulter ausgerenkt! Welcher Idiot rüttelt daran?

„Hey, wie geht's der Schulter?“

Soll das ein Witz sein? Immerhin kann ich jetzt meine Umgebung wieder vernünftig wahrnehmen und dieser Idiot entpuppt sich als Colonel O'Neill. „Wie soll's meiner Schulter schon gehen, wenn Sie andauernd dran herum zerren?“, schnauze ich ihn grimmig an.

Der Colonel sieht mich einfach nur an. „Das war die andere Schulter.“ Und woher will er das wissen? Ist er derjenige, der mit dem kaputten Ding herumlaufen muss, oder bin ich es? Es war ganz bestimmt... ich schaue von einer Schulter zu nächsten, lasse sie beide kreisen... die andere Schulter. Verdammt. Ja, das ging dann wohl nach hinten los.

„Und wie geht's dem Bein?“, frage ich stattdessen.

„Hervorragend.“ Lügen können wir beide wie die Weltmeister. Mein Blick fällt auf den besagten Körperteil und alleine der Anblick lässt mich wimmern. Als ob wir damit den Small Talk beendet hätten, hievt der Colonel sich vorsichtig an der Wand hoch, so dass er einigermaßen stehen kann. Wenn er nicht aufpasst, bricht er sich das andere Bein auch noch. „Wir sollten uns hier unten etwas umsehen. Vielleicht gibt es einen anderen Weg hier heraus als da hoch zu klettern.“ Er deutet nach oben und ich folge seinem Blick. Wenn er in den letzten Minuten nicht herausgefunden hat, wie wir Menschen das Fliegen erlernen können, sehe ich schwarz. Noch während ich mir unbewusst die Schulter massiere, gehe ich zum Colonel hinüber. „Ich glaube, da hinten ist ein Durchgang.“

Ich kann zwar nur Dunkelheit sehen, aber ich habe auch noch tausend kleine Punkte vor meinen Augen kleben. Ich biete ihm meine gesunde Seite an, dass er sich darauf abstützen kann, denn mit diesem Bein kommt er alleine keine zwei Meter weit. Aber was macht er? „Ich kann alleine laufen.“ Wenn er meint. Ich entferne mich nur wenige Schritte und höre hinter mir ein Fluchen und Murmeln. Drei, zwei, eins...

„Ah!“

Gerade noch rechtzeitig kann ich ihn davor bewahren Bekanntschaft mit dem Boden zu machen. Er kann also alleine laufen, ja? Typisch Mann. Wenn man die letzten fünf Jahre mit einem Mann verbracht hat, der nie über seinen eigenen Schatten springen konnte, wenn es mal darum ging Hilfe anzunehmen, dann erkennt man solche Zeichen sofort. Und unser Colonel ist keinen Deut anders. Mann eben. Und ohne ihm überhaupt die Chance zu lassen, sich aus meinen Griff zu befreien, machen wir uns beide auf diesen Durchgang zu erforschen. Er hinkend und ich leicht humpelnd. Zusammen geben wir bestimmt ein ziemlich erbärmliches Bild ab.

Tapfer, wie Zweidrittel Musketiere schlurfen wir den schwach erhellten Gang entlang. Ich hoffe inständig, dass er uns irgendwo hinführt. Hin und wieder schiele ich zum Colonel hinüber, der konzentriert sein Gesicht verzogen hat. Vermutlich versucht er genauso wie ich den Schmerz zu ignorieren. Ich korrigiere mich, wir müssen irgendwas finden! Schweißperlen haben sich bereits auf seiner Stirn gebildet, die langsam seine Schläfen hinunterlaufen. Auch wenn er sich alle Mühe gibt den Schmerz zu kaschieren, so verraten ihn die flache Atmung und die Art und Weise, wie bei jedem Schritt seine Mundwinkel leicht zucken. Diesem Mann geht es alles andere als gut. Aber ich bin Frau genug – oder einfach nur klug genug – es mit keiner Silbe zu erwähnen.

Mit einem Seufzen, wandert mein Blick wieder nach vorne. Mir kommt das hier vor, als würden wir geradewegs ins Nirvana laufen.

„Denken Sie, die anderen suchen bereits nach uns?“, frage ich schließlich in die Stille.

Er dreht leicht seinen Kopf in meine Richtung, aber ich halte meinen Blick starr geradeaus gerichtet. „Natürlich“, sagt er mit solch einer Zuversicht, als wäre es das Natürlichste der Welt.

„Sie wissen nicht wo wir sind.“

„Nein, das tun sie nicht.“

Betrübt kaue ich auf meiner Unterlippe herum. „Was ist, wenn wir keinen Weg hier herausfinden?“

„Werden wir“, sagt er keuchend.

„Aber was ist, wenn...?“

„Sullivan!“ Ich schlucke schwer und wir beide bleiben stehen. Mit einem erleichterten Seufzen lehnt er sich gegen die Wand. „Hören Sie auf so zu denken.“

„Wie zu denken? Realistisch?“

„Pessimistisch.“

Pessimistisch? Und das kommt von Mr. Pessimismuss höchst persönlich? „Ich sage doch nur wie es ist.“

„Hören Sie, Carter wird schon was einfallen.“

„Sam? Sie weiß noch nicht mal wo wir sind. *Wir* wissen noch nicht mal wo wir sind! Wir könnten Gott weiß wo sein!“ Wie eine hysterische Zicke starre ich ihn an. Jetzt ist es offiziell, ich habe vollkommen den Verstand verloren.

Schweigend ruht sein Blick auf mir, während ich das Gefühl habe, dass mein Brustkorb wie zugeschnürt ist. Ich ersticke gleich an meiner eigenen Panik! Luft! Luft, ich brauche Luft! Betrachten wir unsere Situation doch mal ganz simpel und pragmatisch. Wir befinden uns im Nirgendwo. Niemand weiß wo wir sind, ob wir noch leben und was eigentlich passiert ist. Sam, Daniel und Teal'c irren jetzt irgendwo herum, während wir hier unten festsitzen. Wie lange kann ein Mensch eigentlich ohne Nahrung und Flüssigkeit auskommen? Drei, vier Tage? Also, wenn uns in dieser Zeitspanne niemand findet, sind wir tot. Geschichte, Wurmfutter, langsam und qualvoll dahingeschieden. Meine Mutter weiß von nichts – die kriegt nen Herzinfarkt! - Marcie, John und David, meine Freunde... ohne ein Wort habe ich mich aus dem Staub gemacht und jetzt werde ich zu Staub und Tom... Ich habe noch nicht mal die Chance wahrgenommen mich mit ihm auszusprechen! Das war's dann wohl endgültig!

Ich bin *so* kurz davor durchzudrehen!

„Sullivan!“ Zwei Hände umklammern fest meine Arme. Ich werde bestimmt bleibende Abdrücke davontragen, aber das ist mir im Moment so ziemlich egal. Ich spüre es noch nicht einmal. „Jetzt beruhigen Sie sich.“ Der Kerl hat gut reden. Ist ihm eigentlich nicht klar, wie aussichtslos unsere Situation ist?

„Ich will nicht sterben“, kommt es in einem Flüstern über meine Lippen.

„Sie werden auch nicht sterben. *Wir* werden nicht sterben.“ In dem gedämmten Licht suche ich in seinen dunklen Augen nach der Zuversicht, die mich vor dem Ertrinken rettet. Er lockert seinen Griff, und genauso lockern sich auch seine Gesichtszüge auf. Und da erkenne ich, dass er genauso viel Angst hat wie ich, aber da ist noch etwas. Etwas, was mir fehlt. „Wir werden jetzt diesen Gang weiter hinunter gehen, irgendwohin muss er ja schließlich führen.“ Ich nicke kaum merklich mit dem Kopf. Bei unserem Glück vermutlich in eine Sackgasse „Vertrauen Sie mir, Carter und Daniel werden uns finden. Carter hat wieder eine ihrer total hirnrissigen, aber genialen Ideen und wird uns hier herausholen, wenn wir keinen Weg alleine finden. Niemand wird zurückgelassen. Wir sind ein Team.“ Vertrauen. Grenzenloses Vertrauen spiegelt sich in den Tiefen dieses Mannes wider. „Und jetzt kommen Sie. Wer soll mich den stützen, wenn Sie auf halber Strecke schlapp machen?“

Trotz meiner Panik dem Untergang nahe zu sein, muss ich lachen. Absurd und total fehl am Platz, aber es fühlt sich einfach nur richtig an. „Schon viel besser“, bestätigt er mit einem Grinsen.

Ich schniefe einmal und wische mir die Tränen weg. Ich spüre, wie sich ein Arm um meine Schultern legt und er mich dazu zwingt weiterzugehen. Ich atme einmal tief durch. „Wissen Sie, Sullivan, für eine Wissenschaftlerin sind Sie gar nicht mal so übel.“

Und während wir weiter den Gang entlang humpeln, füllt sich das Gemäuer um uns mit einem erleichterten Lachen.


+++++


Aber schon bald hat es sich ausgelacht. Meine schlimmste Befürchtung – Sackgasse – ist zwar nicht eingetreten, aber die Tatsache, dass mir der Colonel eine Waffe in die Hand drückt, ist mehr als nur ein bisschen Angst einflößend. Seine Argumentation ist einleuchtend. Mit einem kaputten Bein kann man nicht besonders gut laufen. Auch wenn er mir immer Feuerschutz gibt, so ist er Manns genug, um zuzugeben, dass er die Verteidigung nicht alleine schafft. Einfach unfassbar wie sich in innerhalb von nur drei Tagen sämtliche Prinzipien verabschiedet haben, ganz zu schweigen von der astronomischen Wandlung meines Weltbildes.

Und so stehe ich jetzt hier, klein Liz mit so einem Ungetüm in der Hand, und starre vollkommen perplex durch den gigantischen Raum. Was zum Donnerwetter...?! Neben mir ertönt ein anerkennendes Pfeifen. „Die Kerle lassen aber auch gar nichts aus.“

„Was in Gottes Namen ist das?“ Ich weiß noch nicht einmal ansatzweise, wie ich beschreiben soll, was meine Augen hier sehen. Das Hauptaugenmerk gilt dem großen Ding in der Mitte des Raumes. Wie eine richtige Zentrale. Mit Schaltpulten und irgendwelchen transparenten Oberflächen, die wie schwerelos senkrecht in der Luft zu hängen scheinen. Die gesamten Konsolen stehen geschlossen in einem großen Achteck. Ich sag's immer wieder... Hier hat jemand zu viel Enterprise gesehen. Die hinterste Wand entpuppt sich als eine vermutlich verschiebbare Tür. Doch was ich erst viel später wahrgenommen oder einfach nur nicht zuerst registriert habe, ist, dass, wenn man durch die eingebauten Fenster auf der linken Seite sieht, man dann in den Raum blicken kann, der sich hinter der Wand verbirgt. Auf den ersten Blick scheint er nur leer zu sein, aber seine merkwürdige Aufteilung in verschiedene Abteilungen lässt da etwas ganz anderes vermuten. Leider habe ich nur das Gefühl, dass eineinhalb Menschen zu wenig sind, um das hier zu erkunden. Wir sind noch nicht mal mit dem ersten Drittel dieses Raumes durch.

Voller Ehrfurcht bringen mich meine Beine auf die andere Seite, wo weitere riesige flache Bildschirme an der Wand kleben. Dagegen sind unsere TFTs ein Fliegenschiss. Aber was mich zugleich verwundert und fast hypnotisiert sind die großen Säulen mit blubbernden Wasser, die systematisch an den Seiten rundum aufgebaut sind. Wie kann es sein, dass nach so vielen Jahren noch immer Wasser durch dieses Gemäuer fließt?

Es ist einfach nur unglaublich. Also, wenn der Kontrollraum oben schon mächtig viel Eindruck hinterlassen hat, dann ist das hier schlichtweg überwältigend. Leuchtend, blickend, schimmernd, blubbernd... das ganze Spektrum.

„Wow...!“ Höre ich plötzlich den Colonel und sehe da erst, dass er inmitten des Achtecks aus Schalttafeln steht. Durch meinen Mund wird bereits Sauerstoff gepumpt, als wir es wieder hören. Dieses Summen. So vertraut und doch fremd. Genau wie bei unserer Ankunft.

Kein Zentimeter des Raumes bleibt von unseren Blick verschont, die forschend alles abtasten. Das kann kein Zufall sein. Meine Augen wandern zu den Wassersäulen, deren Luftblasengehalt sich in den letzten Sekunden gerade um das Dreifache vervielfacht hat. „Sullivan, Sie sollten sich das hier vielleicht mal ansehen.“

Mit einem bestimmten Nicken, setze ich mich in Bewegung und während mein Blick bereits versucht so viel zu erfassen, wie nur möglich, kann ich dennoch sehen, wie der Colonel versucht sein kaputtes Knie zu entlasten. Ich habe ihm klipp und klar gesagt, dass er sein Bein ausruhen soll, aber was macht er??? Stolziert durch den Raum, um irgendwelche Knöpfchen zu drücken!

Ich habe zwar keine Ahnung, was er gemacht hat, aber jetzt leuchten die Schaltafeln bläulich auf und gerade als ich im Begriff bin, die paar Stufen zur Plattform zu erklimmen, beginnen die transparenten Oberflächen zu schimmern. Alles höchst interessant, aber was mich im Moment mehr interessiert, ist, was in Gottes Namen hat er sich dabei gedacht die Stufen alleine zur Plattform herauf zu klettern?

Janet Fraiser hat meinen vollen und aufrichtigen Respekt! Diesen Mann will ich nicht als Patient haben. „Also, Sullivan, kommt Ihnen irgendwas bekannt vor?“

Ein verzweifelter Blick gleitet von den Strichen vor mir zu seinem Gesicht. Ihm ist schon klar, dass ich diese außerirdische Schrift heute zum ersten Mal zu Gesicht bekommen habe? Heute erst von ihrer Existenz erfahren habe? „Ahm, also...auf den ersten Blick würde ich sagen, dass es sich hier bei um einen Kontrollpunkt handelt.“ Ich nicke in Richtung Bildschirm. „Vermutlich von dem ganzen Komplex.“

Nickend kratzt er sich an der Stirn. „Und Sie könnten damit alles aufrufen?“

„Bestimmt.“

„Und können *Sie* es auch?“

Ja, das ist *die* Frage, nicht wahr? „Na ja, ich will nicht lügen, Colonel. Die meisten Symbole hier sagen mir nichts. Ein paar meine ich bei Daniel gesehen zu haben.“

„Aber es wäre möglich?“

„Sicher.“

Dieser Blick gefällt mir jetzt irgendwie gar nicht. Okay, Liz, nur nicht durchdrehen. „Worauf warten Sie dann noch?“

Dass mich jetzt ein Geistesblitz durchfährt? Kapitel 1 in meinem 'Wie beeindruckt man einen Colonel?' - Ratgeber. „Colonel?“

„Wenn das hier das ist für was ich es halte, dann besteht doch bestimmt die Möglichkeit, dass wir herausfinden, wo wir sind und vielleicht sogar auch, dass Carter, Daniel und Teal'c vielleicht irgendwie mitbekommen, dass es uns gut geht.“ Er zuckt leicht mit den Schulten, während ich nur kurz nicke und meine Aufmerksamkeit wieder auf die Fläche vor mir richte.

„Colonel?“, frage ich nach einer Weile des nutzlosen herum probieren von Tastenkombinationen. Wenn man bedenkt, dass sich auf einer Schalttafel um die zwanzig Tasten befinden, kann man sich leicht ausrechnen, wie viele Kombinationsmöglichkeiten es da gibt. Für meinen Geschmack eindeutig zu viele. „Was genau haben Sie angefasst?“

Aus meinem Augenwinkel heraus sehe ich, wie er bereits nach Luft schnappt, aber irgendwas an meiner hochgezogenen Augenbraue muss ihn gestoppt haben. Stattdessen schürzt er nur kurz seine Lippen und gibt sein bestes keine Blöße zu zeigen. „Ich könnte vielleicht das Ding da berührt haben.“ Er deutet auf eine flache Platte, die gerade mal so groß ist, dass eine Hand draufpasst. „Warum fragen Sie?“

„Ich frag mich lediglich woher die Energie kommt.“

„Wir sind an Carters Energiebaukasten vorbeigelaufen.“

„Mag ja sein. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass das hier da noch nicht aktiviert war. Als wir hier reinkamen, war alles inaktiv.“

„Also? Und? Was?“

„Ist nur 'ne Beobachtung.“

Etwas ungeschickt wechselt der Colonel seine Position, um bequemerer zu stehen. „Noch weitere dieser bahnbrechenden Beobachtungen?“

Ich nehme diese Frage einfach mal als das auf, was sie im Grunde ist, eine Frage. Diesen leicht angehauchten Sarkasmus hinter den Worten ignoriere ich schlichtweg. „Im Grunde, Colonel, denke ich... dass ich's gleich hab...“

Konzentriert befeuchtet meine Zunge die Lippen. Hier steckt zwar kein hoch entwickelter Computeralgorithmus dahinter, aber zum Glück bin ich ja auch keine Informatikerin, sondern spezialisiert auf wohl eine der schwersten Sprachen der Welt. Und was liegt da wohl näher einfach mal bekannte Muster und Eigenschaften auf das hier zu übertragen. Noch einen letzten geprüften Blick auf meinen kleinen Zettel mit dem 1x1 für das Antikeralphabet und... „Na, hallöchen...!“

Vor uns baut sich etwas noch Gigantischeres auf als das, was wir bereits draußen vor der Pyramide gesehen haben. Erst ein grober Umriss und dann wird ganz automatisch herangeszoomt, so dass wir im Endeffekt alles auf dem Bildschirm haben. Plus zwei blaue Punkte ziemlich abgeschieden von drei gelben Punkten. Wo in Gottes Namen sind wir nur gelandet?

„Sehr gut, Sullivan.“ Ich kann euch sagen, nicht nur ich wurde gerade von einer Welle der Erleichterung erfasst. Jetzt haben wir zumindest einen Blickwinkel. Wir können unsere Lage etwas einschätzen und meine Frage, ob die anderen drei nach uns suchen, scheint auch beantwortet zu sein. Denn obwohl die drei gelben Punkte ziemlich nah beieinander sind, bewegen sie sich dennoch in verschiedene Richtungen. „Zoomen Sie mal weiter ran.“

Gesagt, getan. Doch was ist das? Plötzlich leuchtet über den Bereich, in dem wir uns befinden, eine penetrant blinkende Warnung auf. Wenn es sich überhaupt um solch eine handelt. Auf den ersten Blick steht da nur Kauderwelsch oder etwas, was ich zunächst nicht zu entziffern vermag. Zwei fragende Blicke treffen sich.

Vielleicht so was wie eine Anleitung. Nach dem Motto: 'Sie befinden sich jetzt da und da, an der nächsten Kreuzung bitte links abbiegen'. Nach mehreren gescheiterten Anlaufversuchen der Entschlüsselung, bin ich ehrlich gesagt auch nicht schlauer als noch vor fünf Minuten. Für mich ergeben diese Worte keinen Sinn. Sie klingen viel versprechend, aber noch kann ich nicht wirklich viel mit ihnen anfangen.

Fragend schaue ich zu ihm auf. „Was ist eine 'Bibliothek des Wissens'?“

Ich bin mir nicht sicher, was ich in dem Blick des Colonels sehe. Verachtung? Angst? Oder den Versuch diese beiden Eigenschaften zu überspielen? Auf jeden Fall macht es mich nervös. „Eine 'Bibliothek des Wissens'“, beginnt er und betont mir diese drei Worte etwas zu scharf, „ist das, wo Sie vorhin fast Ihren Kopf hineingesteckt hätten.“

Wie bitte? Ich soll meinen Kopf beinahe *wo* reingesteckt haben? „Ich habe was?“

„Dieses hübsche Ding an der Wand? Groß, rund, verschnörkelt? Das Fischauge?“

„Oh...das.“

„Ja, das.“

Wenn das Ding wirklich eine Bibliothek ist, dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, warum er dann so ausgerastet ist. Es ist ja nicht so, als ob eine Bibliothek gefährlich sein könnte. Gut, ich weiß, was man sagt: Wissen ist Macht... aber ich glaube kaum, dass das hier irgendwie eine Rolle spielt. „Aber wenn es eine Bibliothek ist...?“

„... wie kann es dann gefährlich sein?“ Ich nicke kurz. „Wenn Sie genauere Einzelheiten wissen wollen, sollten Sie Carter oder Doc Fraiser fragen, ich weiß nur, was es mit einem macht und es sind keine angenehmen Erfahrungen.“

Ich trau mich schon gar nicht mehr zu fragen. „Was passiert denn?“

Für eine ganze Weile sieht es so aus als will mir der Colonel darauf nicht antworten. Sein Blick ist abgewendet und er starrt auf eine der Wassersäulen. „Es sind Lichter“, beginnt er schließlich mit leiser Stimme zu erzählen. „Bunte, grelle Lichter. Das menschliche Gehirn ist der größte Speicher auf der ganzen Welt, aber es ist nicht groß genug, um das Wissen zu verarbeiten, was sich in diesen Dingern befindet.“ Langsam dreht er seinen Kopf in meine Richtung und ein reumütiges Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. „Das Gehirn wird überschrieben. Nach und nach verlernt man die menschliche Sprache. Erst sind es nur ein paar Worte, dann ganze Sätze, bis man nur noch in dieser Antikersprache kommunizieren kann. Und wenn dann das Gehirn überlastet ist, stirbt man.“

Ein riesiger Kloß in meinem Hals erschwert mir das Schlucken. Mein Blick wandert zurück zu der transparenten Oberfläche. Und genau in diesem Moment sehe ich, wie in einem Extrafenster so ein Ding in Großaufnahme gezeigt wird.

„Lassen Sie uns versuchen Carter und die anderen zu erreichen“, reißt mich der Colonel aus den Gedanken. Jegliche Nachdenklichkeit oder sonstige Emotionen sind aus seiner Stimme verschwunden. Jetzt ist er wieder Colonel Jack O'Neill.

„Ja“, stimme ich ihm ohne Widerworte zu, „versuchen wir die anderen zu erreichen.“

Es dauert keine fünf Minuten bis mich die nächste Überraschung erwartet. Auf meiner verzweifelten Suche endlich wieder Kontakt mit den anderen aufzunehmen, muss ich irgendwo auf meinem Weg einen falschen Pfad eingeschlagen haben. Nicht nur, dass ich das meiste von den Symbolen frei heraus übersetze, nein, scheine ich mich vollkommen verrannt zu haben. Bestätigt wird mir diese schlummernde Befürchtung nur dadurch, dass plötzlich irgendwas Merkwürdiges auf dem Bildschirm vor mir auftaucht.

„Sullivan?“

Ja, das wüsste ich auch gerne. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat. Die Abbildung, die sich jetzt genau vor uns befindet, ist mit absolut nichts zu vergleichen, was ich bisher bei meinem kurzen Aufenthalt hier gesehen habe.

Eines steht jedoch auf den ersten Blick hundertprozentig fest.

Das gesuchte Kommunikationssystem ist es nicht.


+++++


„Ach du meine Güte“, hauche ich vollkommen verdattert.

„Unmöglich“, murmelt der Colonel.

„Aber hat Daniel nicht…?“, beginne ich die Abbildung vor mir irgendwie rational zu erklären.

„Ganz genau“, unterbricht er mich und wo er vor fünf Sekunden noch erschöpft gegen den Pult gelehnt hat, scheint sein kaputtes Bein jetzt wie vergessen zu sein.

„Und das ist ein…“

„Stargate, ja.“

Heilige Scheiße. Es sieht so gar nicht aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich noch nicht einmal, was genau ich mir vorgestellt habe. *So was* auf keinen Fall. Aber ein Ring, der so viel Macht haben soll? Es ist unvorstellbar. Durch so ein Ding schreitet Sam Tag ein Tag aus? Das größte Geheimnis der Welt. Direkt vor meinen Augen. Ich werd’ nicht mehr… Ich meine, es soll da angeblich eine Prophezeiung geben, die besagt, dass vor tausenden von Jahren mal eine außerirdische Rasse hier gelandet sein soll und einiges an Technologie hinterlassen hat. Technologie, mit der man zu den Sternen reisen kann. So hatte die Prophezeiung der Maya geheißen und ich fress einen Besen, wenn sie wirklich wahr ist.

„Wo befindet es sich?“, reißt der Colonel mich aus meinen ungläubigen Gedanken.

„Moment“, murmle ich, während meine Finger bereits wieder über die Tasten gleiten, nur um einen Augenblick später inne zu halten. Das kann nicht sein. Garantiert ein Fehler. Und doch… das, was ich dort sehe, lässt keine Zweifel übrig.

„Sullivan? Wo ist es?“

Ich schüttle nur mit dem Kopf und taumle einen Schritt nach hinten. Mir wird ganz schlecht. Ein hilfloses Lachen kriecht aus meiner Kehle. „In der Pyramide, Colonel. Es befindet sich in der Pyramide.“

„Schwachsinn!“, geht er dazwischen. „Wir waren bereits in der Pyramide. Da gibt es kein Tor.“

„Die Pyramide befindet sich… direkt über uns?“ Er starrt mich total entgeistert an und ich kann es ihm kein Stück verübeln. Ich habe selbst das Gefühl gerade meinen Verstand verloren zu haben. Daniel hatte selbst gesagt, dass es zwischen den Pyramiden und Antikern keinen Zusammenhang gibt und laut meinen Analysen stammt diese Pyramide eindeutig von den Maya. Also frage ich euch, wie und wo soll sich da ein Stargate verstecken? „Allerdings“, beginne ich, als meine Gedanken beginnen einen ganz anderen Weg einzuschlagen.

„Über uns? Das ist vollkommen…“

„Ich weiß! Es ist nicht die Pyramide, die wir untersucht haben.“ Wow… mir wird ganz schwindelig! Wie ist das nur möglich? Meine Augen tasten die Abbildung vor mir ab. Nein, unsere Pyramide befindet sich ganz wo anders. Wo sind wir hier nur gelandet?

Sein Blick schnellt in meine Richtung. „Aber das ist ne Mayapyramide und Sie haben selbst gesagt…“

Ich soll was gesagt haben? Wenn ich mich recht erinnere, dann war er es, der mir die Worte so im Mund herumgedreht hat, dass sie in sein Sinnbild passten. „Ich wollte sagen, dass auch die Pyramiden der Maya mehrere Eingänge besitzen können. Tradition ist nur ein großer ganz oben, das ist wahr.“

„Also denken Sie, dass dort noch irgendein Raum ist, wo sich das Tor befindet?“ Skeptisch schielt er mich von der Seite an. Hey, ich habe keine Ahnung, wo diese Dinger für gewöhnlich stehen! Ich weiß nur das, was ich sehe und im Moment sehe ich ein Stargate, welches sich in der Pyramide befindet.

Als Antwort zucke ich nur mit den Schultern. „Es ist da, Colonel. Und wenn man nach dem geht, was uns hier gezeigt wird, dann befindet es sich im unteren Drittel der Pyramide.“

„Ja. Aber vorher müssen wir hier einen Weg raus finden und irgendwie mit den anderen in Kontakt treten.“

Und wie hat er sich das vorgestellt? Mir ist es bisher leider nicht möglich gewesen irgend so ein Kommunikationssystem zu finden und wenn ich ehrlich bin, sieht das hier ebenfalls wie eine Sackgasse aus. Außerdem können wir nicht einfach so wieder verschwinden! Ich meine, schaut euch doch nur mal um. Das Wissen, welches hier verborgen liegt. Wir müssen es genauer untersuchen. Wir brauchen doch noch mehr Zeit. „Colonel…“, beginne ich meine flehenden Worte auszusprechen, aber er schüttelt nur den Kopf und hebt seine Hand.

„Sullivan“, antwortet er erschöpft. Unterstrichen wird diese nur durch seinen gläsernen Blick. Wir starren uns einen Augenblick schweigend an. Es ist kein stummer Kampf, hier geht es nicht darum zu gewinnen, denn alles, was ich dort sehe, ist pure Erschöpfung und Fieber. Ihm geht es alles andere als gut. Seine Arme zittern leicht unter der Anstrengung sich aufrecht zu halten und das ist alles, was ich wissen muss. Es reicht, um mir vor Augen zu führen, dass auch ich das Ende meiner Kräfte erreicht habe. Jetzt, wo sich mein Adrenalinspiegel wieder erholt hat, spüre auch ich den stechenden und nagenden Schmerz in meinen Knochen. Ob das Stechen von meinen Prellungen und anderen Verletzungen herrühren oder mein Körper mir einfach nur sagen will, dass er schon viel zu lange auf Reserve läuft, wage ich nicht zu entscheiden. Aber eines weiß ich mit Sicherheit: Ich bin fix und fertig. Ausgelaugt und ausgebrannt… und dennoch kann ich das gewisse Kribbeln in meinem Bauch nicht verbannen, welches sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreitet, wenn ich nur an all das denke, was sich hier unten befindet. Es führt gar kein Weg daran vorbei, wir müssen noch einmal zurückkehren. Koste es was es wolle!

Doch, als ob meine eigene Erschöpfung nicht Grund genug ist die Beine in die Hand zu nehmen, spüre ich das, was ich bisher erfolgreich verdrängt hatte. Ein leichtes Zittern aus den Tiefen unter uns. Ein Zittern, welches nichts Gutes verheißen mag. Nein, bitte nicht. Nicht schon wieder. Vorsichtig schiele ich zum Colonel hinüber, ob er es auch gespürt hat. Unsere Blicke treffen sich. Raus hier! Sofort! Schreien sie. Und da brauche ich nicht noch mehr Überzeugungsarbeit.

„Okay, lassen Sie uns von hier verschwinden“

„Ja“, keucht er.

„Und wie? Ich habe noch keinen dieser komischen Transporter entdeckt.“

„Nein“, schüttelt O’Neill den Kopf und humpelt etwas zur Seite, um auf eine Stelle weiter hinten liegend im Raum zu schauen. Ich folge seinem Blick, aber da ist nichts. Ein kleines, siegessicheres Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab. „Wir brauchen keinen Transporter.“

Brauchen wir nicht? „Und wie…?“ Doch meine Frage bleibt unbeantwortet in der Luft hängen.

Er deutet mit einem Nicken in die besagte Richtung. „Sind mir vorher nicht aufgefallen, aber dort hinten gibt es Transportringe.“

„Transportringe?“ Was in drei Gottes Namen sind denn bitte schön Transportringe? Und dann sehe ich sie. In den Boden eingearbeitete Ringe, ganz genau wie auf meinem Foto. Ohne weiter Zeit zu verlieren, macht sich der Colonel wagemutig auf den Weg.

Mein Blick klebt noch immer auf dem Boden. Direkt vor unserer Nase! Mit einem Kopfschütteln, löse ich mich aus meiner Starre und folge dem Colonel durch das immer stärker werdende Beben. „Ich fass es nicht!“


+++++


Transportringe sind eine ganz feine Sache – mit einer Ausnahme: Man landet auf der anderen Seite genau so, wie man in den Transporter reingefallen ist. Und in unserem Fall ist es keine wirklich bequeme Position. Kaum, dass sich mein Körper bewusst ist, dass er wieder ein fester Aggregatzustand ist, prallt die Wucht der Realität auch schon auf ihn ein. Bei mir ist es das Gewicht von Colonel O’Neill. Er hängt dermaßen schief in meinem Griff, dass ich gezwungen bin in die Knie zu gehen. Es ist einfach unmöglich, dass ein einziger Mensch so schwer sein kann… oder ich bin einfach nur zu schwach.

Unser Begrüßungskomitee habe ich mir ehrlich gesagt auch irgendwie anders vorgestellt. Zugegeben, darin kam nie ein roter Teppich vor, aber Waffen, die auf einen gerichtet sind, standen da ganz weit unten auf meiner Liste. Vollkommen erstarrt starre ich auf die außerirdischen Geschosse. Gott, jetzt ist es soweit. Diese Schlangen sind hier und machen kurzen Prozess mit uns. Meine Augen schließen sich und ich wappne mich mental für den ultimativen Todesstoß.

Drei.

Zwei.

Eins.

Ich sehe schon mein Leben an mir vorbeizischen, als ich einen Aufschrei höre.

„Oh mein Gott! Colonel! Liz“

„Jack!“

Nichts. Kein gleißender Schmerz, keine Fahrt Richtung Hölle. Rein gar nichts. Tapfer öffne ich langsam wieder meine Augen. Erst das Linke und dann das Rechte.

Okay… ich lebe noch. Alles ist noch dran. Bin zwar mit Blut bedeckt, aber das rührt wohl eher von mir und Colonel O’Neill her. Meine Kleidung ist ziemlich legiert, was mich ehrlich gesagt nach unserer Achterbahnfahrt in den Abgrund auch nicht sonderlich verwundert, aber ansonsten…ich lebe.

„Liz.“

Jemand nimmt mir die Last des Colonels ab und so verrückt es auch sein mag, aber das war die einzige Kraft, die mich trotz aller Logik nicht zusammenklappen hat lassen, doch jetzt wo sie fort ist, schaffe ich es nicht mehr mein Gleichgewicht zu halten. Ohne eine Vorwarnung von meinem Körper kippe ich nach vorne. Gleich werde ich erneut Bekanntschaft mit dem Boden machen, aber wenn ich ehrlich bin, dann ist mir das herzlich egal. Ich würde am liebsten nur meine Augen schließen und schlafen. Einfach nur schlafen. Endlich diese Müdigkeit aus meinem Körper vertreiben.

„Liz“, ertönt wieder diese Stimme, aber diesmal klingt sie penetranter und die Person, die zu dieser Stimme gehört, rüttelt an meiner Schulter. Fünfzig Prozent Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser jemand die gesunde Schulter aussucht und was ist? Jep, er entscheidet sich für die andere.

„Hey, Liz, aufwachen.“

Geh weg!

Ich kann den Schmerz aushalten, ich kann den Schmerz aushalten… ich kann den Schmerz nicht aushalten. Betäubt blinzle ich leicht.

„Oh mein Gott, Liz. Kommen Sie schon…“ Jemand streicht mir über den Kopf, meine Haare, mein Gesicht. Es ist ein zartes, schon fast vergessenes Gefühl. Trotz meiner wunden Haut, schmiege ich mich unbewusst weiter in die Berührung. Ich brauche es. Ich brauche es, wie das Feuer den Sauerstoff. Es ist schon zu lange her… Die tobende Hitze in mir sehnt sich nach der kühlen Hand. Ein Teil in mir beruhigt sich, lässt die vergangenen Stunden des Schmerzes einfach hinter sich. Wie ein weiches Bett, übersäht mit Kissen und Decken. Einfach nur herrlich… Nur nicht aufhören. Bitte, Daniel, hör nicht auf….

„Sie reagiert nicht!“, höre ich die Stimme rufen. Ihr Klang ist hallend, irgendwie entfernt, wie ein Schall, der zu mir rüberschwappt.

„Wir müssen sie hier rausbringen! Teal’c, hilf mir. Daniel, schnappen Sie sich Liz!“ Ich kenne diese Frauenstimme. Ja, irgendwoher kenne ich sie. Aber mir will kein Gesicht dazu einfallen. Doch was macht das schon aus? Alles, was ich spüre, ist, wie mich jemand vom Boden hebt und mich an sich drückt. Hmmmm…. Geborgenheit und Frieden umschließt mich, als ich diesen vertrauten Duft einatme. Jetzt wird wieder alles gut. Alles wird gut.

„Das Beben wird immer stärker!“

Beben? Welches Beben? Das bisschen Rütteln macht mir nichts aus. Ich will einfach nur versinken in diesen warmen, beschützenden Armen und nie wieder aufwachen.

Ja, jetzt wird alles wieder gut.


+++++


Etwas Kühles und Nasses läuft über meine Stirn. Obwohl ich immer noch das Gefühl habe innerlich zu verbrennen, durchfährt mich ein Schauer. Langsam werde ich aus meinem Delirium gerissen. War alles nur ein böser Traum? Die Nebelschwaden lichten sich, was ich allerdings von dem Brummen in meinem Kopf nicht behaupten kann. Es fühlt sich an als hätte ich die Mutter aller Kater. Und ich glaube, in diesem Moment wünsche ich mir, dass dies auch der Fall wäre.

Mit einem Stöhnen, öffne ich schließlich meine Augen. Verschwommen. Alles ist verschwommen.

„Hey, willkommen zurück.“ Da ist sie schon wieder. Hallend, so weit entfernt. „Wie geht’s dir?“

Noch ein nasser Lappen, der meine Stirn abtupft und meine Sicht klärt sich langsam auf. Ein Zelt, ich liege in einem Zelt. Behutsam versuche ich meinen Kopf zu bewegen, aber schon die kleinste Bewegung löst in mir einen Schwall von Übelkeit aus. Okay, also nicht bewegen. „Schlecht… mir ist schlecht.“

„Ja, ich weiß.“ Zwei blaue Augen lächeln auf mich herunter. Sam. Meine Sam. „Hier versuch etwas davon zu trinken.“

Vorsichtig hilft sie mir auf und schon fast gierig, greife ich nach der Flasche. Gott, aber ich bin vollkommen ausgetrocknet!

„Langsam, langsam…“ Sie nimmt die Flasche von meinem Mund und gerade als ich zu einem Protest ansetzen will, drückt sie mich sanft aber bestimmt zurück auf den Boden. „Ich habe dich auf Antibiotika gesetzt. Das ist leider alles was wir hier haben. Janet könnte dir vermutlich mehr helfen. Wir werden so schnell wie möglich aufbrechen.“

Ich habe vielleicht gerade mal die Hälfte von dem verarbeitet, was sie mir da gerade eben gesagt hat. Irgendwo nach Antibiotika habe ich nicht mehr zugehört. Und gerade als ich dabei bin, wieder meine Augen zu schließen, durchfährt mich ein einziger Gedanke.

„Colonel O’Neill!“ Abrupt schnelle ich nach oben, doch diesmal ist Sam nicht schnell genug und kann nicht verhindern, wie ich fast vorne über kippe. Oh ja, ich bereue diese Bewegung bereits. „Wie geht’s dem Colonel? Sein Bein…“

Sam nickt nur angespannt. „Du hast großartige Arbeit geleistet. Die Schiene ist zwar nicht perfekt, aber sie wird reichen, bis wir wieder zu Hause sind.“ Sie verstummt kurzzeitig und wendet besorgt ihren Blick ab, so als ob sie genau abwiegen würde, wie viel sie mir erzählen soll. Sam, komm schon. Doch als ich wieder der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit bin, wünschte ich mir nicht diese Sorge und Angst in ihrem Blick zu sehen.

„Sam…?“

„Er hat sehr hohes Fieber“, flüstert sie. „Er ist bewusstlos, Liz. Die Anstrengung, es war wohl alles zu viel. Eine Verletzung an seiner Schulter hat sich entzündet.“ Oh mein Gott. Was habe ich nur getan?

„Aber er wird doch…“ Ich kann diese Frage einfach nur ausformulieren. Nein, ich will noch nicht mal dran denken. Ich meine, das hier ist doch nur eine lächerliche Expedition, oder nicht? Und von einer Expedition kommt man immer lebend zurück.

„Ich habe ihn ebenfalls auf Antibiotika gesetzt“, antwortet sie stattdessen ausweichend. Mein ganzer Magen zieht sich zusammen. Ich muss meinen Blick von ihr abwenden. Gott, sie wird mich hassen. Es ist alles nur meine Schuld. Wenn dem Colonel etwas passiert. Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid, Sam. „Mehr können wir nicht für ihn tun. Daniel ist jetzt bei ihm. Außerdem habe ich Hammond darüber informiert, was hier vorgefallen ist und was wir gefunden haben. Er meinte, er würde uns sofort einen Rettungstrupp schicken, aber das dauert noch seine Zeit.“ Verbittert lacht sie auf und atmet einmal tief durch. Tränen schimmern in meinen Augen, doch nicht eine wagt es über den Rand hinaus zu fließen. Was habe ich nur getan? Sorgevoll beißt sie auf ihre Unterlippe. Eine Geste, die ich nur sehr selten an ihr gesehen habe und es macht mir Angst. „Weißt du, es ist schon verwunderlich“, beginnt sie erschöpft und einfach nur müde davon alles unter Kontrolle zu haben, „da wird in innerhalb kürzester Zeit ein Suchtrupp organisiert, wenn man auf einem anderen Planeten festsitzt, aber wenn es allerdings darum geht eine Rettungsaktion auf der Erde auszuführen, brauchen sie Stunden.“

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin einfach nicht in der Lage überhaupt etwas zu erwidern. Leicht schniefend lächelt sie zu mir hinunter. „Ruh dich am besten aus.“ Nein, ich will mich nicht ausruhen. Leicht tätschelt sie meine Schulter, aber als sie ihre Hand wegziehen will, halte ich ihr Handgelenk umklammert.

„Es ist meine Schuld“, schluchze ich. „Ich wollte das alles nicht.“

Aber sie lächelt nur. „Ist schon gut, Liz. Es ist nicht deine Schuld. Ich bin mir sicher, dass du alles getan hast, was nötig war.“ Nein, nein, habe ich nicht! Ich habe alles nur noch schlimmer gemacht! Sie versteht es nicht. Sie versteht nicht, dass alles nur meine Schuld ist.

„Nein, Sam… wenn ich nicht…“ Ein Zittern durchfährt meinen Körper. „Du verstehst das nicht. Wenn ich nicht so hartnäckig gewesen wäre, dann wäre nichts von alle dem passiert.“

Jetzt habe ich ihre volle Aufmerksamkeit. Neugierig und mit einer Mischung aus Angst und Anschuldigung sieht sie mich an. Du hast bereits den Weg gepflastert, Liz, also musst du ihn jetzt auch beschreiten. Aber wie es immer so ist, werde ich unterbrochen, bevor ich ihr erzählen kann, was passiert ist.

„Sam.“ Daniel. Mein Ritter in der schimmernden Rüstung, der mich unter normalen Umständen gerettet hätte. Aber ich bin kein Feigling. Sam hat die Wahrheit verdient. „Sein Zustand ist noch unverändert“, antwortet er automatisch auf die stumme Frage. „Ich habe gerade noch mal mit Hammond gesprochen. Wir müssen noch eine Weile aushalten. Er meinte, dass es noch mindestens sechs Stunden dauern wird. Irgendein Problem mit der Regierung. Wie immer.“

„Danke, Daniel.“ Und erst da scheint er zu merken, dass ich wieder bei Bewusstsein bin. Ein erleichtertes Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab und keine zwei Sekunden später kniet er neben Sam an meiner Seite.

„Liz. Sie haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Wie geht’s Ihnen?“

Ich nicke nur und so gerne ich jetzt auch diesen Small Talk fortgesetzt hätte, meine Gedanken gelten Sam und der Wahrheit.

„Liz, was ist passiert?“, stellt sie schließlich die ultimative Frage.

Und ich erzähle es ihnen. Von Anfang an. Ich lasse keine Einzelheit aus. Sie bekommen nichts als die reine Wahrheit. Ich weiß, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist ihnen alles zu erzählen, aber den Schmerz, das Entsetzen oder vielleicht auch die Wut in Sams Blick zu sehen, bringt mich fast um. Gott, Sam, es tut mir so Leid!

Was habe ich nur getan?


+++++


Beklemmendes Schweigen hatte sich zwischen uns ausgebreitet und ich war noch nicht mal halb durch mit meiner Geschichte gewesen. Wo ich vor fünf Minuten noch Sams Berührung gespürt hatte, war sie jetzt verschwunden. Und dabei war ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal zu der Neuigkeit bezüglich des Stargates vorgedrungen. Es ist einer der seltenen Momente gewesen, in denen ich nicht gewusst hatte, was gerade durch Sams Kopf geisterte. Lediglich eine ausdruckslose Fassade ist zu erkennen gewesen, die nichts preisgab. Das Gefühl von einer Leere erfasst zu werden, die einen langsam von Innen heraus auffraß, lag plötzlich gar nicht mehr so fern.

„Liz“, war es schließlich Daniel gewesen, der das Schweigen gebrochen hatte, nachdem er sichtlich unwohl zwischen uns beiden hin und her geschaut hatte. „Es ist nicht Ihre Schuld.“ Mit einem Kopfschütteln hatte ich in seine Richtung geblickt. Nicht meine Schuld? Wie konnte er so was nur sagen? „Hatten Sie von dem Beben gewusst?“, Fragte er schließlich als er meine Zweifel sah.

„Nein, aber…“

„Kein aber“, ging er dazwischen. „Es war Pech, dass Sie sich auf dieser Brücke befunden haben. Ihnen hätte genauso gut irgendwo anders ein Stein auf den Kopf fallen können.“

Und dennoch sind wir wegen meiner Unnachgiebigkeit dort gewesen. Wegen mir standen wir letztendlich auf diesem Übergang und waren in die Tiefen gestürzt. Das ist eine Tatsache.

„Daniel hat Recht, Liz. Du konntest es nicht wissen“, flüsterte schließlich Sam. Ein Seitenblick in ihre Richtung verriet mir genug. Nein, ich konnte es nicht wissen, das ist wahr, aber ich hätte verhindern können, dass wir dort gelandet waren. „Du solltest dich jetzt besser ausruhen. Mit einer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen.“

Sie wollte hier raus. Wollte nicht mehr in meiner Nähe sein. Dafür musste ich kein Genie sein, um das zu erkennen. Aber noch konnten sie nicht gehen. Nicht bevor ich ihnen nicht erzählt hatte, was wir entdeckt hatten. „Da gibt es noch etwas.“


Und das war vor einer Stunde gewesen. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich tatsächlich noch mal eingeschlafen bin. Okay, Systemcheck: Übelkeit? Nein, nicht wirklich. Kopfschmerzen? Wenn man dieses Brummen als dieses betiteln kann, dann ja. Schwindelgefühl? Mal schauen. Gerade als ich im Begriff bin genau das zu überprüfen, merke ich, wie etwas meine Hand unten hält. Erstaunt lasse ich meinen Blick zu der Quelle meiner Behinderung gleiten und was meine Augen dort sehen, muss erst einmal verarbeitet werden. Meine Überraschung wird schon bald durch ein verstohlenes Lächeln ersetzt. Daniel. In einer wirklich Mitleidserregenden Position – halb liegend, halb sitzend – ist er an meiner Seite. Seine Brille hängt schief auf seiner Nase, eine Hand zieht die Haut seiner Wangen bis ins Endlose nach oben in dem Versuch seinem Kopf abzustützen, während seine andere Hand leicht meine umschließt. Das Tuch, welches er den Tag über auf dem Kopf getragen hatte, befindet sich jetzt an meinem Oberarm und ist inzwischen sicherlich schon mit Blut voll gesogen. Kleine Notiz: Kaufe ihm ein neues, wenn du wieder zu Hause bist, Liz. Seine Haare hingegen stehen mittlerweile in alle Himmelsrichtungen ab und ich kann einfach nicht das warme Gefühl unterdrücken, welches sich in meinem Bauch aufbaut. Wie ein Haufen freigelassener Schmetterlinge. Das Kribbeln fließt durch meine Adern als wäre es mein eigenes Blut. Schlichtweg berauschend! Ich traue mich gar nicht mich zu bewegen. Ich will ihn nicht wecken. Komisch, aber es ist schon ziemlich lange her seit ich das letzte Mal neben einem Mann aufgewacht bin. Und obwohl ich mich vermutlich irgendwie unwohl fühlen sollte, tue ich es nicht. Es fühlt sich schön an. Ich vermisse es. Ein leises, sehnsüchtiges Seufzen entkommt meinen Lippen, während der schleichende Verrat durch jeden weiteren Herzschlag durch meine Adern gepumpt wird.

Ja, Liz, du bist wirklich zu bemitleiden.

Langsam jedoch beginnt mein Arm zu schmerzen und so Leid es mir tut, ich muss ihn bewegen. Behutsam, darauf bedacht Daniel nicht zu wecken und mir nicht unnötig viele Schmerzen zuzufügen, versuche ich meine Hand aus seiner zu befreien.

Doch anstatt, dass er sie loslässt, murmelt er irgendwas Unverständliches und umschließt sie nur noch fester. Meine Schulter bedankt sich. Ich kann wirklich nicht mehr so liegen und wenn ich nicht gleich wieder meine Hand zurück habe, glaube ich nicht, dass ich das überlebe. Deshalb ziehe ich jetzt etwas fester. Auch wenn ich es gleichzeitig bereue dieses kribbelnde Gefühl verloren zu haben, übertrifft die Welle der Linderung in meiner Schulter alles.

„Oh..!“, höre ich Daniel schließlich murmeln, als er aufgrund meines Ruckes sein Gleichgewicht verliert und gegen die Kante einer kleinen Box stößt.. Mir bleibt aber auch wirklich gar nichts erspart. Ich verziehe kurz mein Gesicht, während er sich leicht verwirrt umschaut. Er reibt sich kurz die Augen, bevor sein Blick auf mich fällt. „Hey.“

„Hey“, antworte ich leicht verlegen. Ich bin wirklich froh, dass die einzige Lichtquelle das fahle Mondlicht ist, welches durch ein paar Ritzen hinein glitzert, sonst hätte er vermutlich noch gesehen, wie sich meine Wangen um ein paar Nuancen rötlich gefärbt hätten. „Tut mir Leid“, flüstere ich schließlich und deute auf seinen Kopf.

„Oh, oh, nein, nicht so wild…nichts passiert“, lächelt er, während eine Hand abwesend über die gestoßene Stelle fährt. Vorsichtig verändert er seine Position auf dem harten Boden und seufzt erleichtert. „Wie geht’s Ihnen?“

Ich nicke leicht. „Besser. Danke.“ Mein Kopf beugt sich leicht zur Seite, während ich ihn mustere. Hat er hier die ganze Zeit an meiner Seite gesessen? Die Frage brennt förmlich auf meinen Lippen, die Worte wollen freigelassen werden. Eine simple Frage, doch in meinen Augen beinhaltet sie eine Menge Andeutungen. Wenn er es getan hat, warum? Er kennt mich doch kaum. Warum hat er an meiner Seite gesessen und meine Hand gehalten? Und warum macht mir dieser Gedanke keine Angst? Ein fremder Mann...Tom dagegen, ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob Tom auch wirklich diese Strapazen auf sich genommen hätte. Zweifel nagt an meinen Gefühlen, die ich mit aller Macht versuche aufrecht zu erhalten. Was tust du hier nur Liz? Wie kannst du nur wenige Wochen vor deiner Hochzeit solche Gedanken hegen? Torschlusspanik? Ich weiß es nicht. Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht mehr was ich fühlen soll. Zweifel und Aufregung halten sich die Waage und ich habe das Gefühl die Kontrolle verloren zu haben.

„Liz“, beginnt er und ein Teil von mir wünscht sich sehnlich, dass seine Gedanken ähnliche verräterische Pfade einschlagen, wohingegen meine andere Hälfte sehr erleichtert wäre, wenn wir wieder neutrales Terrain betreten würden. Es ist ein komisches, merkwürdiges Gefühl, welches mich seit unserer Kollision in der Pyramide beschleicht. Oh, ich habe bereits bei unserer ersten Begegnung gespürt, dass die Chemie zwischen uns stimmt, aber das hier ist schon lange keine normale Chemie mehr. Es ist zugleich beängstigend als auch aufregend. „Erinnern Sie sich noch, was Sie uns erzählt haben?“ Ich weiß nicht, welches Gefühl letztendlich überwiegt, Enttäuschung oder Erleichterung. Ich kann es wirklich nicht sagen.

„Ja, wieso?“, antworte ich schließlich.

„Sind Sie sich auch ganz sicher, dass sich hier noch ein Stargate befindet?“

„Ja. Wir haben es gesehen.“

„Und es befindet sich in einer Pyramide?“

Irritiert nicke ich. Worauf will er hinaus? „Daniel?“

Mit einem Seufzen, schüttelt er schließlich den Kopf. „Es sieht folgendermaßen aus. Unsere Errungenschaft vor unserer Pyramide ist nicht nur schlichtweg ein Lageplan, wir können damit auch einzelne Parameter aufrufen.“ Ein Nicken meinerseits gibt ihm zu verstehen, dass ich ihm noch folgen kann. Und? Das ist doch toll. „Liz, wir haben kein Stargate gefunden.“

Was? Wie war das? „Ihr habt… ich meine, ihr habt kein…?“ Was? Ich habe es doch gesehen! Mit meinen eigenen Augen! Der Colonel hat es gesehen! „Was reden Sie da, Daniel? Natürlich gibt es hier irgendwo noch ein Stargate!“

„Liz, wir haben alles…“

„Nein.“ Ich kann das nicht glauben! Ich will das nicht glauben! Ich habe mir das doch nicht eingebildet. „Glauben Sie mir, ich habe es gesehen.“

Verstehend nickt er ein paar Mal mit dem Kopf, so als ob er mich beruhigen will. „Ich glaube Ihnen ja, dass Sie denken, dass sie es gesehen haben.“

„Sie glauben mir, dass ich *denke*…?“, wiederhole ich hohl seine Worte. Was soll das den jetzt bitte schön bedeuten?

„Liz“, seufzt er und nimmt seine Brille ab, damit er seinen Nasenrücken massieren kann. „Als wir Sie gefunden haben, da waren sie kaum ansprechbar. Vielleicht ist Ihre Gehirnerschütterung ja…“, versucht er es ganz diplomatisch, aber da stößt er bei mir auf taube Ohren.

„Ich habe mir das nicht ausgedacht. Und der Colonel auch nicht. Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie ihn! Es ist da.“

„Jack hat Fieber.“

„*Jack* hat es gesehen!“

Obwohl sämtliche Knochen Zeter und Mordio schreien, meinem Kopf ging es nie besser! Und ich soll verdammt sein, wenn sich das alles nur als ein Hirngespinst heraus stellen sollte. „Wir sind jeden Parameter durchgegangen.“

„Wo ist Sam?!“

Er schüttelt nur den Kopf. „Liz, beruhigen Sie sich.“ Ich will mich nicht beruhigen!

„Nein!“, schlage ich seine Hand weg, die sich nach mir ausstreckt. „Wieso glauben Sie mir nicht? So was würde ich mir doch niemals ausdenken. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie ein Stargate gesehen. Wieso sollte ich es mir ausdenken? Nennen Sie mir einen vernünftigen Grund.“

Er kann es nicht. Genau wie ich es erwartet habe. Weil es keinen vernünftigen Grund gibt, dass ich mir so etwas ausdenken würde. So einfach ist das.

„Vielleicht befindet sich das Stargate ja auch ganz woanders. Vielleicht noch nicht mal auf diesen Planeten. Wir wissen es nicht.“ Aber ich schüttle nur mit dem Kopf.

„Dann suchen wir eben noch mal.“ Herausfordernd sehe ich ihn an und er nickt schließlich.

Okay. Gut. Da wir das nun geklärt hätten. Ich drücke mich hoch in eine sitzende Position, warte einen Augenblick bis das Schwindelgefühl vorbei ist und mache mich drauf und dran das Zelt zu verlassen.
„Hey, wo wollen Sie hin? Es ist mitten in der Nacht.“

„Ich werde jetzt das Stargate suchen.“

Ein schweres Seufzen ist meine Antwort. Noch während ich damit kämpfe mir meine Jacke überzuziehen, beschleicht mit das merkwürdige Gefühl von deja vu. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es an mir oder diesem Zelt liegt, aber es ist bereits das zweite Mal innerhalb von zwei Nächten, dass ich aus meinem Unterschlupf stürme. Sollte mir das vielleicht irgendwas sagen? Doch bevor ich mich aufmache, um eigenhändig das Stargate ausfindig zu machen, muss ich noch beim Colonel vorbeischauen. Ich muss einfach wissen wie es ihm geht.

Und so schlurfe ich mitten in der Nacht über den großen Plaza zu dem anderen Zelt. Es ist leicht geöffnet und das Innere wird von einer schwachen Lichtquelle erhellt. Ich werfe einen Blick hinein und was ich dort sehe lässt mich in meiner Bewegung den Eingang vollends zu öffnen, innehalten. Im warmen, schwachen Licht kann man sehr deutlich den Schweiß auf seiner Haut glitzern sehen. Seine Haut ist leicht gerötet, aber er ist bei Bewusstsein. Gott, mir fällt hier gleich eine ganze Steinlawine vom Herzen. Und zu meiner großen Erleichterung ist er nicht alleine. Sam ist bei ihm. Sie sieht fertig aus. Ausgelaugt und erschöpft. Aber tapfer tupft sie weiterhin seine Stirn ab. Meine Anwesenheit hat sie noch nicht bemerkt. „Hey“, flüstert sie und trotz aller Müdigkeit zaubert sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Sir, wie geht’s ihnen?“

Schwach dreht er seinen Kopf in Ihre Richtung. „Heiß…Mir ist heiß“, kommt die kratzende Antwort.

„Sie haben Fieber, Sir.“

„Sullivan?“

Ein Lächeln umspielt meine Lippen. „Liz geht es gut. Daniel ist jetzt bei ihr.“

Er nickt und versucht sein Bein zu bewegen, aber bei dem Versuch holt er nur scharf zischend Luft. „Sir, langsam. Sie sollten sich ausruhen.“ Eine hochgezogene Augenbraue seinerseits. „Ärztliche Anweisung.“

„Ah… Doc Fraiser muss aufpassen. Sonst sind Sie bald auch noch der Chef der Krankenstation.“

Ein leises Lachen erschüttert Sams Körper. „Ich hoffe nicht, Sir.“ Und dann legt sie ihren Kopf schief. „Bald ist ein Rettungsteam hier. Hammond weiß bereits Bescheid.“

„Was ist mit dem Ding, welches Teal’c gefunden hat?“, fragt er plötzlich. Zunächst weiß ich überhaupt nicht wovon er spricht, aber dann fällt es mir wieder ein. Der Sender. Oh nein…

Sam beißt sich kurz auf die Unterlippe und wo ich persönlich ganz nervös werde, antwortet sie ihm vollkommen sachlich. „Es ist leider das, was wir uns bereits gedacht haben. Ein Sender. Allerdings ist es schwer zu sagen, ob ein ausgehendes Signal überhaupt empfangen wird.“

„Hören Sie, Carter“, sagt er erschöpft und schaut ihr direkt in die Augen. „Wenn Apophis hier auftauchen sollte, dann will ich, dass sichergestellt ist, dass er nichts von dem hier bekommt. Wenn wir mit leeren Händen gehen müssen, dann muss er es erst recht.“

„Sir…?“

„Carter, das ist ein Befehl.“

„Aber…“

Mir wird ganz schlecht. Ich hoffe inständig, dass er nicht das damit mein, was ich hier gerade denke, was er damit meint. Er darf es einfach nicht so meinen.

Er schließt für einen Moment seine Augen. „Sam, mein Knie ist kaputt und Gott weiß was noch. Ich kann diese Mission nicht zu ende führen, aber Sie können es.“ Erschöpft nimmt er ihre Hand und Sams Blick wandert hinunter zu seinen Fingern, die ihre umklammern. Ihre Augen werden immer größer. So als ob sie genauestens ahnt worauf er hinaus will, es aber unter keinen Umständen wahr haben will. „Also, wenn wir bis zur Ankunft des Rettungsteams noch kein Zeichen von Apophis haben, dann möchte ich, dass Sie sich darum kümmern.“

Sie schluckt schwer.

Ich schlucke schwer.

„Sir, soll das…?“

Er nickt kaum merklich.

„Ja, Sir.“ Und ich könnte schwören, wie sich bei diesen Worten ihr ganzer Körper anspannt. Vermutlich noch nicht einmal aus Schock, sondern aufgrund der neuen Aufgabe, die ihr jetzt aufgelastet wurde. Ich will wirklich nicht in deiner Haut stecken, Sam. Einmal tief durchatmend entschließe ich, dass das mein Moment ist meine Anwesenheit deutlich zu machen. Und so schiebe ich leicht die Plane zur Seite, so dass ich vor dem Eingang hocke. Zwei Augenpaare fliegen in meine Richtung.

„Liz“, kommt es überrascht von Sam und ich sehe noch, wie sie hastig ihre Hand von Jack wegzieht, die vor wenigen Sekunden noch in seiner gelegen hat. „Du bist… wo ist Daniel?“

„Ich bin hier“, höre ich eine Stimme hinter mir. Einen kurzen Augenblick sieht er mich an und ich befürchte bereits, dass er den anderen von unserem Gespräch und meinen kleinen Ausraster erzählt. Aber nichts von dem passiert. Statt dessen kniet er sich neben mich und seufzt erleichtert als er Jack sieht. „Wie geht’s Ihnen, Jack?“

„Noch nie besser.“ Und dann schweift sein Blick zurück zu mir. „Wie geht’s der Schulter?“

„Ausgezeichnet. Bein?“

„Hervorragend.“

Wir lächeln beide und für Sam und Daniel müssen wir bestimmt wie die letzten Volltrottel aussehen, aber das, meine Lieben, werdet ihr vermutlich nie verstehen. So absurd es sein mag, aber wir beide brauchten erst ein kaputtes Bein und eine ausgerenkte Schulter, um uns zu kriegen. Das Leben hat schon manchmal merkwürdige Eigenheiten einem etwas so simples zu zeigen, bis einem mal das Licht aufgeht. Mir ist es glücklicherweise aufgegangen. Denn als wir dort unten waren, habe ich gespürt, dass ich vielleicht kein fester Teil dieses Teams bin, aber auf dieser Mission bin ich ein Mitglied und das zählt mindestens genauso viel. Danke, Jack.

Um unsere Runde noch zu vervollständigen, gesellt sich Teal’c zu uns. Jedes Mal wenn ich in seiner Nähe bin, durchfährt mich ein komisches Gefühl und ich weiß, dass es nichts mit der Schlange in seinem Bauch zu tun hat. Nein, viel mehr ist es eine gewisse Ruhe und Erhabenheit, die von ihm ausgeht. Dieser Moment bildet da keine Ausnahme. Es ist wirklich das erste Mal seit drei Tagen dass ich das Gefühl habe dazu zu gehören. Ihr könnt gar nicht glauben, was das in mir auslöst. Ich könnte auf der Stelle losheulen! Mein Blick wandert zu Sam, ihr Gesicht ist von Sorge gezeichnet und dennoch erkenne ich in ihren Augen eine gewisse Erleichterung – vermutlich hat die eher was damit zutun, dass Colonel O’Neill wieder ansprechbar ist als die rosigen Aussichten auf den Verlauf dieser Mission – und Entschlossenheit, die mir in dieser schier ausweglosen Situation Mut spendet, weiter zu Jack, der wirklich alles andere als gesund aussieht und dennoch eine gewisse Autorität ausstrahlt. Meine Ma hat immer gesagt: Entweder man hat sie oder man hat sie nicht. Dieser Mann hat sie. Gar keine Frage. Als mein Blick auf Daniel fällt und ich dort in den Tiefen seiner Augen diesen leichten Twist zwischen Aufregung und Sorge ausmache, komme ich nicht drum herum mich zu wundern, wie er all dies jeden Tag schafft. Wir sind uns auf bestimmten Ebenen so ähnlich, dass es schon fast erschreckend ist. Die Neugier und Forschungsdrang sind Eigenschaften, die uns beide vorantreiben, doch gleichzeitig kämpft er Tag für Tag Seite an Seite mit dem Militär. Ein ganzer Wissenschaftler in der Welt des Militärs. Für manche vielleicht ein Gefängnis doch für ihn scheint es sein Zuhause zu sein. Daniel, du bist schon ein komischer Mann.

Ja, ich bin umgeben von einem merkwürdigen – aber außerordentlichen – Team, auf einer noch merkwürdigeren Mission und wisst ihr was das Beste daran ist? Mir kommt es kein bisschen merkwürdig vor. Vielleicht weil schon zu viele verrückte Dinge geschehen sind, aber ich denke, alles was normal abgelaufen wäre, wäre in ihren Augen verrückt gewesen. Und der Tag hat gerade erst angefangen. Es kann noch einiges passieren. Was ich insgeheim allerdings nicht hoffe. Mein Abenteuerdurst ist vorerst gestillt.

„Ah, T.“, unterbricht der Colonel meine monologischen Gedankenstränge. „Gut, dass du hier bist. Ich habe es bereits Carter gesagt. Bevor Apophis auch nur in Erwägung zieht seinen Schlangenhintern oder seine Freunde auf die Erde zu schicken, will ich, dass er nichts weiter als Schutt und Asche findet.“

Vollkommen schockiert schnappt Daniel nach Luft, seine Augen drohen aus seinen Höhlen zu springen. „Jack!“ Der kippt uns gleich um.

„Daniel, ich werde nicht zulassen, dass auch nur ein Goa’uld das Wissen der Antiker in die Hände bekommt. Schon gar nicht Apophis.“

„Aber“, beginnt er mit einem Kopfschütteln, „das hier könnte der einzige Beweis sein, dass die Antiker auf der Erde waren. Und der Komplex! Jack, wir können nicht riskieren das zu verlieren. Wir dürfen es nicht zerstören. Es könnte uns Vorteile bringen. Die Technologien…“

„Ich weiß, ich weiß.“ Er atmet einmal tief durch und wird schon bald von einem erneuten Schauer erfasst, der seinen Körper durchfährt.

„Sir!“ Besorgt legt Sam eine Hand auf seinen Arm und die andere wandert ganz automatisch zu seiner Stirn, wo sie schließlich liegen bleibt. „Sie glühen ja! Sir, Sie sollten sich wirklich ausruhen.“

„Nein, Carter…“ Sein Blick wandert zurück zu Daniel. „Eine Absicherung, Daniel. Wenn ihr Apophis nicht aufhalten könnt, dann wird alles in die Luft gesprengt.“

„Jack?“, hakt Daniel mit einem leicht verunsicherten Unterton nach.

„Carter hat das Kommando.“ Nun, Daniels Gesichtsausdruck zufolge muss das erst einmal verdaut werden.

„Das… das ist vernünftig, aber…?“ Die Sprachlosigkeit trieft förmlich aus seinem folgenden Seufzen. „Jack, es gibt doch bestimmt noch einen anderen Weg.“ Daniel, der ständige Optimist. So muss er zumindest in den Augen der beiden Soldaten aussehen.

„Nennen Sie mir einen.“

Bedrückte Schweigen ist die einzige Antwort, die Jack erhält. Nicht mehr und nicht weniger. Schweigen, welches ihm Antwort genug ist. Doch Daniel schüttelt nur widerspenstig den Kopf. „Wir brauchen mehr Zeit.“

„Die haben wir aber vielleicht nicht.“

„Nicht, wenn wir unsere Chance vertun, das ist wahr.“

„Was soll das heißen?“ Daniels Zungenspitze zuckte nervös über seine Lippen, während eine Hand einmal durch seine Haare fährt. Was ist hier eigentlich los? „Daniel?“, Bleibt der Colonel hartnäckig. Ein verwirrter Blick meinerseits findet seinen. Ich habe keine Ahnung. Kaum merklich zucke ich mit meiner gesunden Schulter. Aber die unausgesprochenen Worte, die zwischen Daniel, Sam und Teal‘c ihren Partner wechseln, scheinen von Bedeutung zu sein. „Major?“

Jegliche Geduld scheint sich aus seiner Stimme verflüchtigt zu haben und der scharfe, fordernde Ton lässt Sams Blick in seine Richtung huschen. „Sir, da gibt es etwas, was Sie noch wissen sollten.“

Erwartungsvoll zieht er eine Augenbraue hoch.

„Wir haben etwas gefunden.“


+++++


Ich glaube, ich bin gerade in den Genuss gekommen eine von, wie es der Colonel so treffend bezeichnet hatte, hirnrissigen und wahnsinnigen Ideen von Sam Carter zu hören. Ich suche noch immer nach der Genialität in ihrem Plan, aber auch wenn mein Leben davon abhängen würde, ich kann sie partout nicht finden. Das ist lebensmüde. Haben diese Leute eigentlich keine andere Sorgen außer sich von der einen hochgradigen Selbstmord gefährdeten Situation in die nächste zu stürzen?

Denn jetzt bin ich wieder da, wo alles seinen Anfang genommen hatte. Gehen Sie zurück auf Los und ziehen Sie keine 2000 Dollar ein. Oder so ähnlich. „Okay, Daniel, nur dass ich das richtig verstehe, wir wollen *was* tun?“

„Wir werden jetzt versuchen das Stargate zu finden...“, beginnt er mir zu erklären, obwohl ich die Einzelheiten genausten kenne.

„Von dem Sie denken, dass es hier gar nicht existiert“, werfe ich dazwischen, was mir nur einen Seitenblick seinerseits einfängt. Was denn? Ist doch wahr, oder nicht?

„Deshalb werden wir es jetzt auch suchen.“

Keineswegs überzeugt schüttle ich mit dem Kopf. „Ihnen ist schon klar, dass das wahnsinnig ist, oder? Ich meine, das kann unmöglich unser Plan sein! Kommen Sie. Wie will Sam das denn anstellen? Sie kennt sich mit dieser Technologie doch noch gar nicht aus.“ Ein kurzes, nicht sehr überzeugendes Lachen plumpst aus meinem Mund. „Wir schaffen das nie. Jack braucht einen Arzt und keine Heldentaten. Wir sollten sehen, dass wir nach Hause kommen.“

„Wir schaffen das. Außerdem hat Jack ihr die Anweisung gegeben.“

„Ich dachte, Sam hat das Kommando.“

Erschüttert über meinen offensichtlichen Dickkopf, seufzt Daniel schwer. „Es wäre unsere Chance Apophis aufzuhalten. Sie haben keine Ahnung, wie gefährlich er ist. Und wenn wir die Technologie, die Sam und ich gefunden haben nutzen können, dann tun wir das.“

„Das ist wahnsinnig“, erkläre ich bestimmt und keinen Deut überzeugt. „Sie wissen noch nicht einmal was das ist!“

Er zuckt nur mit den Schultern. „Sie sehen aus wie Schiffe. Wenn wir diese Schiffe nutzen könnten, könnten wir auch Apophis die Stirn bieten.“

Ich kann nur mit dem Kopf schütteln. „Das ist der reinste Selbstmord.“

„Haben Sie ne bessere Idee?“

Ich wünschte ich hätte eine. Ich wünschte es wirklich.

„Na dann“, sage ich mit mehr Enthusiasmus als mir lieb ist und klatsche einmal in die Hände, „sollten wir lieber gleich anfangen.“ Daniel gibt neben mir ein Geräusch zwischen Schnaufen und Lachen von sich und in mir verhärtet sich der Verdacht, dass auch er kein wirklicher Freund von unserem Unterfangen ist.

Kaum dass wir an unserer kleinen, externen Kommandozentrale neben der Pyramide angekommen sind, hören wir schon von Weiten eine aufgebrachte Stimme.

„Carter! Ich kann laufen!“

Wir beide verziehen gleichermaßen das Gesicht und doch kann ich das Lachen in Daniels Augen funkeln sehen.

„Sir, Ihr Bein ist gebrochen! Und außerdem haben Sie--“

„Carter!“, ertönt ein gefährliches Knurren. „Ich. Kann. Laufen.“

Noch während ich auf meine Lippe beiße, wandert mein Blick zu Sam. Selbst von meinem Platz aus kann ich sehen, wie sie einmal kräftig auf ihre Zunge beißt, ihren Körper anspannt und den Colonel entschlossen ansieht. „Bei allem nötigen Respekt, Sir, aber das können Sie nicht.“

Wow...nicht nur meine Kinnlade droht auf den Boden zu knallen.

Ich beobachte gerade die Meister der Starrsinnigkeit bei der Arbeit. Keiner will nachgeben und ich glaube, wenn es nach den beiden geht, dann können wir noch bis in die Nacht unsere Beine in den Bauch stehen. Letztendlich ist es Sam, die das Schweigen mehr widerwillig als willig bricht. „Sir, dann sollte ich Ihnen zumindest helfen--“

„Ich kann alleine laufen.“

„...und das ist ein Befehl.“

Jetzt ist die Kinnlade mit dem Boden kollidiert. „Was?“ Ein vollkommen perplexer Blick bohrt sich in Sam. „Also, wenn mich nicht alles irrt, Major, dann bin ich noch immer--“

„O‘Neill“, ist es Teal‘cs ruhige, wenn nicht schon fast weise Stimme. „Wenn ich mich recht erinnere, dann hast du Major Carter das Kommando übertragen.“

Oh Gott. Das Atmen nicht vergessen, Jack. Sein Gesichtsausdruck ist zum Schießen! Einfach nur Kamerareif. Sam hingegen versucht mit aller Mühe ihren Triumph nicht allzu offen zu zeigen, was ihr bis auf das Glitzern in ihren Augen und das kurzzeitige Zucken ihrer Mundwinkel auch ganz hervorragend gelingt.

„Vielen Dank auch, Teal‘c“, kommt die vor Sarkasmus triefende Antwort. „Und so was nennt sich Freund.“

Eine obligatorische Augenbraue wandert in unbekannte Hemisphären. Und ohne sich die Mühe zu machen auch nur Ansatzweise auf das gemurmelte Kommentar von unserem Anführer einzugehen, kann man so etwas wie ein leichtes Schulterzucken erahnen, als Teal‘c mit festen Schritten auf uns zukommt.

Ich denke, nur widerwillig lässt sich der Colonel von Sam helfen. Mein Blick bleibt noch eine Weile auf den beiden hängen, auch als sie bereits an unserer Seite stehen. Hingegen seiner lautstarken Aussage alleine ganz hervorragend klarzukommen, wundert es mich nicht, dass auch weiterhin noch sein Arm um Sams Schulter liegt, genau wie ihr Arm einmal um seine Hüfte langt. Natürlich nur um sein Knie zu entlasten. Versteht sich ja von selbst. Schon klar. Den beiden ist langsam echt nicht mehr zu helfen.

„Also“, beginnt Daniel mit einem Räuspern die Runde zu eröffnen. „Wie bereits gesagt, wir haben soweit wir konnten alles abgesucht, aber ein Stargate konnten wir nicht finden.“ Sein Blick wandert einmal über uns. „Allerdings“, fährt er fort, „konnten wir einiges herausfinden. Zum einen ist diese riesige Säule in der Halle, so etwas wie ein gigantischer Energieleiter. Wir scheinen offensichtlich durch einen Seiteneingang hereingekommen zu sein. Zweitens gibt es historische Hinweise darauf, dass die Antiker etwas hinterlassen haben. Wie wir bereits herausgefunden haben, wütete eine unglaubliche Pest in der Galaxis, die die Antiker so gut wie ausgelöscht hat. Diese Pest, so steht es geschrieben, stammt von ihrem größten Gegner. Einen Gegner, der ihnen in der Kraft, Wissen und Technologie ebenbürtig ist. Sam und ich habe so ne Art Raumschiffe gefunden. Wir müssen sie nur irgendwie zum Laufen bringen. Das könnte uns Apophis gegenüber einen riesigen Vorteil verschaffen. Weiter wissen wir auch, dass sich dieser Komplex noch kilometerweit erstreckt, aber das Problem liegt eben darin, dass es von keinen von uns möglich war, das Ding hier wieder richtig zum Laufen zu bringen.“ Großzügig legt er seine Hand auf die Schalttafel. Seine Augen bohren sich gerade zu in Jacks als stumme Aufforderung etwas dagegen zu unternehmen.

„Was?“

Daniel deutet mit seinem Kopf Richtung Sockel.

Jack zieht seine Augenbrauen hoch. „Was?“, betont er noch einmal mit Nachdruck.

Kopfschüttelnd seufzt Daniel, Sam schürzt ihre Lippen und ich atme einmal tief durch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich so schwer von Begriff ist. „Jack, würden Sie bitte Ihre Hand auf diese Schaltfläche legen?“, kommt es schließlich leicht ungeduldig über Daniels Lippen.

Jack hebt das besagte Körperstück, verharrt aber wenige Zentimeter vor der ultimativen Berührung. „Wissen Sie“, beginnt er mit einen Blick Richtung Daniel, „woher wollen Sie eigentlich wissen, ob es gestern nicht alles bloß Glück gewesen ist?“

„Glück?“ Daniel schüttelt den Kopf. „Nein, das denke ich nicht.“

„Was dagegen es zu erklären?“

„Na ja“, beginnt Daniel. „Hierbei handelt es sich um ein Gerät der Antiker.“

„Und?“

„Sie haben das Wissen der Antiker besessen.“

„Und?“

„Und es könnte doch die Möglichkeit bestehen, dass es da einen gewissen Zusammenhang gibt. Vielleicht wurde ja irgendwas zurückgelassen, wie bei einem Symbionten.“ Mit einem Schulterzucken schaut er in Sams Richtung, die nachdenklich ihre Stirn kräuselt. „Proteine, andere Einzeller, keine Ahnung...“

„Daniel, es gibt da nur eine Unstimmigkeit in Ihrer Theorie“, erwidert der Colonel. „Doc Fraiser konnte bisher nichts finden.“

„Deshalb ist es ja auch nur eine Theorie. Heißt nicht, dass sie wahr ist.“

„Wie dem auch sei“, seufzt der Colonel, „wir wollen dem Doc doch nicht die ganze Arbeit abnehmen, nicht wahr?“ Und mit einem leicht angehauchten, sarkastischen, schiefen Lächeln nimmt seine Haut Kontakt mit dem außerirdischen Material auf. Zu unserer wirklich überaus großen Überraschung leuchtet alles wie ein Weihnachtsbaum auf. „Okay, vielleicht doch kein Glück.“

Neben mir verdreht Daniel nur leicht die Augen. „Fein, konzentrieren Sie sich zunächst auf das Stargate.“

Während Jack nach einmal tief Luftholen seine Augen schließt und wir gebannt darauf warten, dass etwas passiert, scheint Daniel nicht mehr still stehen zu können – mir persönlich geht es keinen Deut besser. Nicht nur, dass wir hier jetzt ein gekonntes Selektionsverfahren kennen gelernt haben, nein, was mir mehr Sorgen macht, warum konnte ich diesen Zentralcomputer bedienen? War es weil der Colonel sie vorher berührt hatte und anschließend immer irgendwie Körperkontakt zu den Gerätschaften hatte? Oder gibt es vielleicht einen ganz anderen Grund, der erklärt, warum es mir gerade ganz heiß den Rücken runterläuft?

Vor uns leuchtet es...und leuchtet...und leuchtet... aber kein Stargate. „Konzentrieren Sie sich stärker“, murmelt Daniel.

„Das tue ich“, murmelt der Colonel mit geschlossenen Augen zurück.

„Vielleicht noch ein bisschen...“

„Daniel!“ Ein Auge öffnet sich warnend.

Mit gehobenen Händen antwortet Daniel ihm in einer ‚Schon gut, schon gut‘- Geste. Das Auge schließt sich wieder, noch mehr Luft wird in die Lungen des Colonels gepumpt, unter seinen Lidern kann man sehen, wie es arbeitet, während ansonsten nicht ein Muskel zuckt. Sams Blick wandert angespannt zwischen ihrem Vorgesetzten und dem Sockel hin und her. Ich beginne mich langsam zu fragen, ob wir überhaupt einen Notfallplan haben, falls dieser ach so wasserdichte Plan mit Pauken und Trompeten scheitert. Doch diese Abgründe kann ich nicht weiter erforschen, denn wie aus dem Nichts leuchtet plötzlich ein Hologramm des Tores vor uns auf. Es überrascht mich nicht wirklich, dass es genau dieselbe Abbildung ist, die auch wir schon gesehen haben. Ein ‚Habe ich es nicht gesagt‘ -Lächeln umspielt meine Lippen, während der Colonel langsam wieder seine Augen öffnet.

„Seht ihr“, platzt es aus mir heraus, obwohl mein Blick auf Daniel liegt. „Ich habe es ja gesagt.“

„Wo ist es?“, fragt Sam, während sie und Teal‘c einen Schritt näher auf das Hologramm zugehen. Die Antwort kommt prompt und zwar in Form eines weiteren Hologrammes. Eine Karte baut sich auf, Orte werden gekennzeichnet, Wege gezeichnet, bis schließlich ein Ausschnitt vergrößert wird.

Und mein Grinsen wird noch eine Spur größer, denn dort genau vor unseren Augen befindet sich das, was ich den anderen bereits erzählt habe. Ha! Von wegen Gehirnerschütterung vernebelt die Sinne! Hab‘s doch gleich gewusst!

„Wenn das wirklich stimmt“, beginnt Daniel grüblerisch, „und das die Stelle ist, wo sich das Tor befindet, dann muss dieser Komplex gigantisch sein! Ich meine, das... das ist mindestens einen Tag Fußweg entfernt; vielleicht sogar zwei.“

„Okay“, murmle ich, während eine Hand in meine Gesäßtasche greift und eine ziemlich mitgenommene Karte ans Tageslicht befördert, die ich vor mir auf den Boden ausbreite. Die anderen bedenken mich mit hochgezogenen Augenbrauen und schiefen Blicken. Die glauben doch nicht ernsthaft, dass ich sämtliche Wege im Kopf habe, oder? Diese Karte ist so etwas wie meine Lebensversicherung! „Was?“, frage ich erstaunt. „Ohne die gehe ich nicht aus dem Haus.“

„Ja, Washington kann auch ein Dschungel sein“, kommentiert Jack schief.

„Natürlich. Ich habe es nur ganz gerne auch zu wissen, wo ich hingehe und wo ich mich gerade befinde. Fein, dann wollen wir mal sehen...Also, wir befinden uns hier im nördlichen Teil der Yucatán Halbinsel.“ Mein Finger fährt grob über das halbrunde Stück Land mitten im Golf von Mexiko. „Wenn wir jetzt dieser Karte dort oben Glauben schenken dürfen, dann müsste sich das Tor genau...hier befinden.“ Erneut fährt mein Finger über die Landkarte... aber das kann nicht sein. Das wäre mehr als bloß ein Zufall... „Das ist, ahm... wow.“

„Was denn?“, fragt Sam neugierig und kniet sich neben mich.

Mit großen Augen und einem noch verblüfften Lächeln sehe ich zu ihr auf. „Guatemala“, verkünde ich entzückt. „Um genauer zu sein Cancún.“

Wo Sam, der Colonel und Teal‘c absolut nichts damit anfangen können, wandert mein Blick weiter zu Daniel. Bei jedem Archäologen müsste an dieser Stelle Klick machen. Erwartungsvoll ruht mein Augenpaar auf ihm, während ich darauf warte, dass ihm ein Licht aufgeht. Kleine, nachdenkliche Falten zieren seine Augenpartien, als er plötzlich nach Luft schnappt und seine Augen so groß wie Untertassen werden.

„Guatemala! Cancún!“

Ich nicke nur aufgeregt. „Cancún.“

„Aber wurde dort nicht...? Warten Sie, Sie meinen...? Liz, das ist... das ist...wow!“ Tief durchatmend fährt er sich mit einer Hand durch seine zerzausten Haare. „Aber das Tor kann sich dort nicht befinden...“

„Hey!“ geht der Colonel mit genauso viel Enthusiasmus aus vermutlich anderen Beweggründen dazwischen. „Hätte jemand vielleicht mal die Güte uns zu sagen, was hier los ist?“

Wir beiden starren ihn einen Moment an. „Cancún“, beginne ich, „ist eine Region in Guatemala. Neben Zahlreichen Gedenkstätten und anderen Funden hat Cancún in den letzten Jahren durch einen besonderen Fund an Bedeutung gewonnen. Im September 2000 ist der amerikanische Archäologe Arthur Demarest sprichwörtlich über den wohl größten Fund in der Geschichte der Maya in den letzten hundert Jahren gestolpert.“

„Ursprünglich verfolgte er nur eine Spur einer angeblich hoch militaristischen Stadtkultur, die Petexbatún genannt wird“, fährt Daniel unbeirrt fort. „Mitglieder seines Teams hatten Aufzeichnungen einer Heirat zwischen zwei Stadtstaaten gefunden; einmal dem Prinzen von Dos Pilas und der Prinzessin von Cancún. Sie untersuchten Eingravierungen und während Demarest den Spuren immer weiter einen überwucherten Pfad einen Hügel hinauf folgte, bis dieser plötzlich einbrach. Erst da erkannte Demarest, dass dieser mit Lianen und der von der Vegetation überwucherte Berg nicht ein Berg war, sondern ein dreistöckiges Gebäude.“

Er legt eine bedeutungsschwangere Pause ein, um den anderen die Zeit zu geben all dies zu verarbeiten.

„Und?“, dehnt der Colonel das Wort ins Unendliche.

„Nun, wenn man mal davon absieht, dass dieser Palast so ziemlich Maya-untypisch ist, handelt es sich dabei um einen gigantischen Komplex, der die Größe von mindestens zwei Fußballfeldern besitzt und sich über hundertsiebzig bis zweihundert Räumen erstreckt und nicht mit weniger als elf Innenhöfe ausgestattet ist. Laut den neusten Entwicklungen wurde dieser Tempel so rund siebenhundertfünfzig nach Christus von einem gewissen König Tah ak Chaan zu Ende gebaut. Er hatte Cancún fünfzig Jahre regiert.“ Ich rede mich hier vollkommen in Ekstase. Meine Stimme überschlägt sich schon fast und ich befürchte, dass ich mehr Worte verschlucke als auszusprechen. „Besonders interessant jedoch ist, dass es so gar nicht das Bild der Maya widerspiegelt. Das Fehlen von Pyramiden und Tempeln ist die größte Sonderbarkeit, genauso wie die Überraschung keine Waffen oder dergleichen gefunden zu haben. Es zeigt deutlich, dass sich in der Hochphase der Maya schon einiges getan hat. Religiöse Stätten standen nicht länger im Mittelpunkt, vielmehr war jetzt das Augenmerk auf das politische und soziale Leben der Maya gerichtet. Man geht heute davon aus, dass es bestimmt noch ein ganzes Jahrzehnt dauern wird, bis man alles wissenschaftlich untersucht hat. Nur ein geringer Teil dieses gigantischen Monumentes wurden bisher freigelegt.“

„Okay, okay“, geht der Colonel dazwischen und unterbricht meinen Redefluss, worüber ich im Grunde ziemlich dankbar bin, denn wenn ich in den nächsten zehn Sekunden nicht Luft geholt hätte, hätte ich ein Problem gehabt. „Und warum kann sich das Tor dort nicht befinden?“

Ich zucke lediglich mit den Schultern und Daniel schiebt seine Brille ein Stückchen höher. „Wie bereits gesagt, es befinden sich dort keine Pyramiden.“

„Also müssen wir gar nicht zu diesem Palast?“

„Natürlich!“

Eine fragende Augenbraue begibt sich auf Wanderschaft.

„Also, doch, ich meine...ja, natürlich.“

„Wieso?“, fragt Sam neugierig. „Ich meine, wenn das Tor nicht dort ist, was sollen wir dann dort?“

Ich drehe mich in ihre Richtung. „Ich habe bisher noch nichts gesagt, weil ich mir noch nicht sicher war – und wenn ich ehrlich bin, dann bin ich es mir jetzt immer noch nicht. Aber ich bin der Überzeugung, dass sich dieser Palast noch weiter erstreckt.“

„Er wurde ja auch noch nicht ganz freigelegt.“

Dafür kassiert der Colonel einen schiefen Seitenblick. „Was ich sagen will, ich habe diese Expedition hier in erster Linie deshalb gestartet, weil ich davon ausgegangen bin, hier einen Teil dieses Palastes zu finden.“

„Aber, Liz“, starrt mich Sam an, „zwischen hier und Cancún liegen ein paar Kilometern!“

„Ganz genau.“

„Die Straßen“, grübelt Daniel laut. „Sie haben gesagt die einzelnen Stätten seien durch Straßen miteinander verbunden.“ Ich nicke, während Daniel nachdenklich auf seiner Unterlippe herum kaut. „Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber die Maya waren das einzige Volk der Welt, welches ihr Reich von außen nach innen entwickelt hatte.“ Ich nicke erneut mit einem Lächeln.

„Zuerst die Städte Uaxactún, Palenque und Copán, die alle, wenn man sie verbinden würde, die Ecken eines Dreiecks bilden würden.“

Offensichtlich vollkommen übermannt von diesen neuen Erkenntnissen, schließt Daniel einmal tief nach Luft schnappend seine Augen. „Ein Dreieck“, haucht er.

„Ein Dreieck“, stimme ich ihm nickend zu.

„Dreieck?“, wirft Jack dazwischen.

„Der Ausgangspunkt der Tau‘ri“, antwortet Teal‘c ruhig, bevor Daniel oder ich den Mund öffnen können.

„Wa...?“

Auf meiner Karte verbinde ich die drei Städte. „Aber“, meldet sich Sam ziemlich erstaunt zu Wort, „Cancún befindet sich nicht innerhalb dieses Dreieckes.“

„Nein, tut es nicht“, pflichte ich ihr bei. „Jedenfalls nicht nach den heutigen geologischen Gegebenheiten. Vor tausenden von Jahren sah es hier ganz anders aus. Ein Großteil des Landes liegt bereits unter Wasser. Untersuchungen von Gestein zeigt deutlich, dass dort, wo sich jetzt der Kanal von Yucatán befindet, es damals noch richtiges Land gegeben hat. Alles hat sich ein wenig verschoben.“

„Aber dieser Palast wurde doch erst 750 nach Christus gebaut.“

Ich strahle sie an. „Weißt du, ich hätte nie gedacht, dass eure Arbeit meine Theorie in dieser Weise bestätigen würde.“

„Was meinst du?“

„Zunächst wäre da der Komplex der Antiker, die Städte, die das Reich gegründet haben als Form des Ausgangssymbols – ich hatte schon immer vermutet, dass es eine Bedeutung haben muss, aber an das hier habe ich weiß Gott nicht gedacht - dann dieser Palast und die Tatsache, dass weitaus mehr hinter der Geschichte der Maya steckt.“ Ich kann noch immer die Fragezeichen in ihrem Blick sehen. „Neben meiner Suche nach weiteren Stücken des Palastes war es ein Artikel eines gewissen Archäologen gewesen, der mich dazu veranlasst hat tiefer zu graben, ein paar Fragen zu stellen.“

Ich schiele hinüber zu Daniel, der mich überrascht ansieht. „Ich? Ich habe seit Jahren nichts mehr veröffentlicht.“ Er schüttelt verblüfft den Kopf. „Was habe ich denn geschrieben?“

„Och“, zucke ich unschuldig mit den Schultern, „so‘n bestimmter Vortrag und Artikel über die Möglichkeit von gewissen Überschneidungen in der Entwicklung bestimmter Kulturen.“

„Wirklich? Dieser Artikel wurde in der Luft zerrissen.“

„Ich weiß“, grinse ich ihn an. „Genau wie ich, weil ich anfing diese Theorie zu verfolgen.“

„Oh...nun, danke?“

„Ich hätte nur nie gedacht, dass Sie der Wahrheit so nahe gekommen sind. Es gab sicherlich Überschneidungen aber bestimmt nicht zwischen den Ägyptern und der Maya.“

„Woah“, unterbricht uns der Colonel. „Warten Sie mal kurz. Wollen Sie damit sagen, dass dieser... Palast... auch ein Kunstwerk der Antiker ist?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Aber gedacht?“

Ich zucke nur mit den Schultern. „Bisher konnte nichts dergleichen gefunden werden. Aber ich hätte auch nie vermutet, dass sich unter meinen Füßen ein außerirdischer Komplex befindet.“

„Aber, nur um noch mal auf die eigentliche Frage zurückzukommen, das Tor befindet sich nicht dort?“

Ich schaue von meinem Plan hinauf zu der Hologrammkarte, die das Tor zeigt, eingeschlossen in einem Raum. Ich meine, ich habe vermutet, dass es sich um eine Pyramide handelt, ich habe keine Ahnung, ob es auch wirklich so ist. Doch bevor ich antworten kann, ist es Daniel, der den Colonel ernst ansieht.

„Jack, egal ob das Tor da ist oder nicht, wir müssen auf jeden Fall dort hin.“

„Warum?“

„Laut der ägyptischen Mythologie war Apophis der Gott der Nacht, der Schlangengott“, erklärt er hastig und ein flüchtiger Blick in meine Richtung verrät mir worauf er hinaus will. Oh mein Gott, daran habe ich ja noch gar nicht gedacht.

„Ja, das hatten Sie schon mal erwähnt... und?“

„Cancún“, vollende ich Daniels Gedanken mit einem bestimmten Blick in die Richtung der beiden, „bedeutet ‚Schlangen-Nest‘.“

„Jack, das kann alles kein Zufall sein. Erst das Zeichen der Schlange – Apophis – dann, wie Liz mir erklärt hat, werfen die Schatten dieser Pyramide ebenfalls das Zeichen der Schlange – Apophis – und nun soll sich das Stargate hier ganz in der Nähe befinden an einem Ort, der die Bezeichnung ‚Schlangen – Nest’ trägt?“

Jack und Sam schließen im Einklang ihre Augen, während Teal‘c die obligatorische Augenbraue nach oben zieht. „Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass dies wohl möglich der Ort sein wird, den Apophis aufsuchen wird“, verkündet Daniel mit wenig Begeisterung, aber dafür umso größerer Überzeugung.

„Großartig“, murmelt der Colonel, während er sich mit der freien Hand die Stirn kratzt.

„Da, ähm, da gibt es noch etwas“, starte ich den waghalsigen Versuch mein Leben in Gefahr zu bringen.

„Noch mehr?“

Ich nicke leicht. „Einmal wird dieser Palast rund um die Uhr bewacht und vermutlich wird sich dort auch ein Ausgrabungsteam befinden und...“

„Es gibt noch ein ‚und‘?“

„Ich fürchte schon“, erwidere ich mit meinen besten ‚Bitte lassen Sie meinen Kopf dran‘ Blick. „Wenn ich ehrlich bin, dann machen mir die Beben Sorgen.“ Ich beginne damit meine Karte wieder zusammenzufalten und aufzustehen. „Ohne einen Seismographen kann ich nichts Genaueres sagen, aber die Tatsache, dass wir in einem Abstand von sieben Stunden zwei Beben hatten, verheißt nichts Gutes. Der unterirdische Vulkan kann jeden Augenblick ausbrechen.“

„Du meinst, es wird noch mehr Beben geben“, erkundigt sich Sam, obwohl ich vermute, dass sie die Antwort darauf bereits kennt.

„Ja, davon können wir ausgehen. Die Abstände werden immer kürzer und die Beben immer stärker.“

„Und 'ne Ahnung, wann wir mit dem nächsten rechnen können?“, fragt der Colonel an.

„Tut mir Leid, aber ohne genaue Messungen--“

„Dann schätzen Sie.“

„Das kann ich wirklich nicht. Das läuft so nicht. Man kann nicht mal eben so ein Beben vorhersagen.“

„Grob überschlagen. Ungefähr...zwei Stunden, drei Stunden?“

Ich zucke zustimmend mit den Schultern. „Möglich ja.“

„Klasse...“, atmet er einmal durch, während sein Blick hinauf zur Pyramide wandert, dann hinaus über den Plaza und wieder zurück. Vermutlich ist er genauso wenig scharf auf ein weiteres Beben wie der Rest von uns. Wir haben ja gesehen wo es uns hingeführt hat. Erst in irgend so ein Loch und später ist uns fast die Decke auf den Kopf gefallen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was da noch auf uns zukommt. Denn, wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht, ob diese Stadt oder der Palast ein richtiges Beben Stand halten wird. Ich bin mir wirklich nicht sicher. Ob das vielleicht später von Vorteil oder Nachteil sein wird, werden wir ja noch sehen. „Und wieso fliegen wir nicht einfach hin, knallen Apophis ab und die Sache ist erledigt? So wie immer?“

Aber ich schüttle mit dem Kopf. „Das Beben! Es ist zu gefährlich!“

„Das Beben ist doch Bestandteil des Plans.“ Flehend sehe ich Sam an. Ich weiß das natürlich und ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sams Plan total übergeschnappt ist, aber das ist totaler Wahnsinn!

„Plan B, Sir. Die Schiffe sind Plan B.“

„Aber es wäre doch viel einfacher...“

„Sir, ganz ehrlich, durch das Beben, welches Sie und Liz verschüttet hat, sind die Schiffe ganz schon in Mitleidenschaft gezogen worden. Daniel und ich, wir konnten uns gerade noch retten, aber die Schiffe haben den größten Schaden erlitten. Ich weiß nicht, ob sie noch funktionieren, oder ob ich sie wieder zum Laufen bringen könnte. Außerdem, wenn sie nach dem Prinzip funktionieren, wie hier alles funktioniert, dann wären nur Sie derjenige, der sie aktivieren könnte.“

„Das Risiko gehe ich ein.“

Sam sieht ihn bestimmt an. „Ich aber nicht, Sir. Es ist für uns alle sicherer, wenn wir überirdisch agieren.“

„Carter“, seufzt der Colonel mehr als nur ein bisschen erschöpft, „sagen Sie mir noch mal, warum wir das hier eigentlich alles tun?“

Eine Frage, der es keiner Antwort bedarf.


+++++


Bespickt wie ein Tannenbaum mit Lichtern, haben wir die Stätte mit hochexplosiven C-4 zurückgelassen. Sam hat irgendwas davon geredet, dass es zumal per Fernzünder in die Luft gejagt werden kann, aber auch per Zeitzünder. Doch wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich bereits nach den ersten Worten meine Ohren auf Durchzug gestellt. Nicht weil ich unhöflich bin, oder es mich nicht interessiert – ganz und gar nicht! – nein, es liegt viel mehr daran, dass ich einfach nicht fassen kann, wie sie ernsthaft in Erwägung ziehen können all das hier zu opfern. Ich würde mein Leben hierfür geben…ich würde meinen Doktor wieder abgeben… ach, Herr Gott noch mal, ich würde sogar nackt einen Regentanz aufführen, wenn das nötig wäre, um sie umzustimmen…

Aber nichts von all dem hätte auch nur einen Funken von Überzeugung bei ihnen überspringen lassen können. Deshalb habe ich meine Kleider anbehalten und musste voller Erschütterung dabei zu sehen, wie diese Idylle auf ihre letzten Stunden vorbereitet wurde. Ich habe ihnen sogar mit einer Klage gedroht (ja, ich weiß, ziemlich lächerlich, nicht wahr?) und dann, weil ich natürlich noch einen drauf setzen musste, dass ich es sogar bis ins Weiße Haus anfechten würde.

„Wirklich?“, kam es ein klein wenig belustigt vom Colonel. „Dann grüßen Sie den Kerl mal von mir und fragen Sie ihn doch gleich noch, wann mal wieder ein Dinner im Weißen Haus ansteht. Man kann sagen was man will, aber das Essen dort ist wirklich formidable.“

Ja genau und gerade jetzt habe ich begonnen zu glauben, dass wir auf einer Welle schwimmen, aber was macht er? Reibt es mir noch genüsslich unter die Nase.

Letzten Endes glaube ich, hat der Zeitzünder gesiegt.

Das ist einfach so… so… unfair! Bin wirklich gespannt wie meine Sponsoren darauf reagieren, wenn ich ihnen verklickere, dass da nichts mehr außer Schutt und Asche zu holen ist. Ich bin ruiniert.

„Hey, Liz!“, durchbricht plötzlich die aufgeregte Stimme Daniels meine grauen Gedankenschwaden. „Schnell, kommen Sie her!“ Mit eifrigen Armbewegungen winkt er mich in seine Richtung, keine zehn Meter zu meiner Rechten.

Ich werfe einen flüchtigen Blick in Sams Richtung, die kurz nickt und wohl insgeheim dankbar für diese kleine Verschnaufpause ist. Hinter mir ertönt erleichtertes Stöhnen und das Fallen von Rucksäcken auf den belebten Boden. Aber all das registriere ich lediglich am Rande, denn meine Füße haben sich bereits in Bewegung gesetzt.

Daniel hockt auf den Boden und schiebt mit seiner Hand ein paar Pflanzen zur Seite. Eine alte, mit Moos bewachsene Steinplatte kommt zum Vorschein. Aber man kann noch deutlich die Umrisse von Schriftzeichen erkennen.

„Eine Schrifttafel“, ist meine ernüchternde Feststellung. In dieser Gegend nichts Besonderes. „Man findet hier einige solcher Platten. Sie beschreiben Wege zu Flüssen, Denkmälern, Tempeln und Stätten.“

„Irgendwas, was uns weiterhelfen könnte?“

Ich kann nur mit den Schultern zucken. „Na ja, wir sind zumindest auf dem richtigen Weg. Doch auch wenn wir die Nacht durchlaufen würden, vor morgen werden wir den Palast nicht mehr erreichen. Jedenfalls nicht auf diesem Weg“, füge ich in einem Murmeln hinzu.

„Wie bitte?“

Ein Kopfschütteln macht sich bereits an die Arbeit ausgeführt zu werden, doch dann halte ich inne. „Das ist doch mal was…“

„Was?“ Aufmerksam schaut Daniel von mir zu der Platte und wieder zurück, wobei er ein Stückchen näher gekrochen kommt.

„Wenn ich das hier richtig verstehe, dann soll es hier so etwas wie einen „unsichtbaren“ Gang geben.“ Besser kann ich es nicht übersetzen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das da steht. Jetzt fragt man sich nur, wo sich dieser mysteriöse Gang befinden soll. „Und zwar in dieser Richtung.“ Ich drehe mich einmal im Kreis, bis mein Zeigefinger Richtung Osten zeigt.

Hmm…

Da, wo eigentlich ein Durchgang sein sollte, befindet sich lediglich die dichte Vegetation der grünen Hölle. Es ist in keiner Weise verwunderlich und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich auch kein blinkendes Leuchtschild mit einem Pfeil erwartet, wo drauf geschrieben steht: „Bitte hier entlang“, aber eine kleine Hilfe wäre trotzdem nicht schlecht gewesen.

Und so machen wir uns an die Arbeit sämtliche Lianen, Äste und anderes grünes Gewirr aus dem Weg zu schieben. Kratzer und andere Verletzungen sind dabei keine Seltenheit und so ignoriere ich gekonnt jeden schmerzhaften Riss in meine Haut. Wenn ich Glück habe, platziert sich eine weitere Narbe auf meiner Liste. Dennoch kann ich nicht verhindern, dass meine Gedanken ganz andere Bahnen einschlagen. Schon die letzten Stunden über hat sich in mir ein kribbeliges, wenn nicht sogar merkwürdiges Gefühl in mir breit gemacht. Es ist nur eine Kleinigkeit. Aber sie nagt an mir, als wenn ich meinen Schlüssel verlegt hätte, nur um nach minutenlangen Suchen festzustellen, dass ich ihn in der Hand halte. Und ich werde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass es etwas mit dem Sturz in die Tiefen des Komplexes zu tun hat. Irgendwas stimmt nicht. Irgendwas sitzt nicht richtig auf seinem Platz. Es macht mich verrückt, wahnsinnig, ich würde am liebsten die Wände hochgehen!

Kopfschüttelnd mahne ich mich zur Ruhe. Dadurch klären sich auch nicht meine Gedanken auf und des Rätsel Lösung lässt sich dadurch auch nicht einfacher finden. „Was ist los?“, fragt mich Daniel und ich bemerke, wie er mich schief von der Seite mustert.

„Ach, keine Ahnung“, antworte ich ihm ausweichend. Seine Antwort ist ein nervtötendes Schweigen. Ich will ja darüber reden, aber ich habe keine Ahnung, wie ich es in Worte fassen soll. Schließlich breche ich meine Suche ab und wirble zu ihm herum, so dass er erschrocken seine Augen aufreißt. „Ich krieg ne Krise!“, platzt es urknallartig aus mir heraus. Ich werde jedoch nur ziemlich verständnislos gemustert. „Kennen Sie das Gefühl, wenn man irgendwas vergessen hat, man aber weiß, dass die Antwort direkt vor einem liegt?“

Jetzt lacht er halb amüsiert, halb belustigt auf. „Natürlich.“ Aber er fängt sich wieder schnell, als er erkennt, dass ich das keineswegs lustig finde. „Was ist es denn?“

„Wenn ich das wüsste.“ Ich schiele flüchtig über meine Schulter zu den anderen hinüber, doch mein Blick bleibt kurz auf dem Colonel hängen. Daniel ist dieser Blick natürlich nicht entgangen und er folgt ihm. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich etwas vergessen … oder übersehen habe.“

„Zwingen können Sie sich aber auch nicht. Gehen Sie am besten noch einmal alles Schritt für Schritt durch und vielleicht finden Sie ja dann die Antwort.“ Er verstummt und bedenkt mich dann mit einem schon fast besorgten Blick. „Liz, ich will Ihnen wirklich nicht sagen, was Sie tun sollen, aber genau wie Jack, sind Sie noch angeschlagen. Vielleicht sollten Sie sich ausruhen. Es wäre besser, wenn--“

Aber mein Blick lässt ihn verstummen. Mir geht’s gut. Ich kann stehen und laufen und das alles ohne gleich umzukippen. Ich muss mich nicht ausruhen. Ich muss hier jetzt weitersuchen. Ich muss… Ich will mich nicht ausruhen, denn ich weiß, wenn ich es tue, dann kehren all diese Gedanken und Selbstzweifel zurück. Dieses ganze Schlamassel, in dem wir stecken, davon geht bestimmt achtzig Prozent auf meine Kappe. Wenn ich doch nur vorsichtiger gewesen wäre, wenn ich besser aufgepasst hätte, wenn ich doch nur lernen könnte nicht immer meinen Dickkopf durchzusetzen, dann würde der Colonel jetzt vermutlich nicht da liegen. Ich bin es ihm und allen anderen schuldig nach einem Ausweg zu suchen! Oh nein, ich werde mich ganz bestimmt nicht ausruhen. Ganz bestimmt nicht. Und das Pochen im Kopf und das Ziehen in meiner frisch eingerenkten Schulter ignoriere ich einfach. Schlimmer kann es kaum noch werden.

„Ich hab’s“, rufe ich in Daniels Richtung und mit einem langen, harten Blick kommt er schließlich seufzend in meine Richtung. Tut mir Leid, Daniel, ich weiß, du meinst es nur gut. Aber mir geht’s gut. „Hier. Hier ist der Durchgang.“

Ich schneide die letzten Lianen und Blätter zur Seite, als Daniel bereits seine Taschenlampe parat hält. Hinter den Blättern eröffnet sich uns ein langer, dunkler und ziemlich schmaler Gang. Die Lichtkegel tanzen in die Dunkelheit hinein und ich kann bei Gott nicht sagen, wie tief er geht. Die Wände sind glatt und als ich die Steine zaghaft mit meinen Fingerspitzen berühre, erkenne ich, dass sie identisch mit der in der Pyramide sind. Was vielleicht vorher noch als ein Zufall ausgesehen hat, ist jetzt ohne Zweifel ein Beweis dafür, dass alles in Verbindung steht.

Ein Schwall von kleinen Adrenalinpartikeln durchflutet meine Blutlaufbahn, pulsierend, rauschend und überwältigend. Ich weiß, dass ich hier an der Grenze zu etwas Großem stehe. Wo führt uns dieser Gang hin? Weiter hinein in das unendliche Labyrinth dieses Komplexes? Oder ist es nur eine Art Außenposten? Ich kann’s mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Zu viele Dinge passen bisher zusammen. Und wer weiß, vielleicht es sogar eine Abkürzung? Vielleicht schaffen wir es ja vor unseren Zeitplan an unser Ziel anzukommen. Und vielleicht finden wir sogar etwas, womit wir Jack helfen können? Ich weiß sehr wohl, dass die Chancen dafür minimal stehen, aber in meiner Verzweiflung darf ich doch noch hoffen, oder?

Ich knipse meine eigene Taschenlampe an und will mich wagemutig in ein neues Abenteuer vor mir stürzen, als mich eine Hand auf meiner Schulter – meiner kaputten Schulter – zurückhält. Ich kann nur mit wirklich großer Mühe ein Fluchen zurückhalten, aber als ich unter der Berührung zusammenzucke, schnellt Daniels Hand weg. Ich wirble zu ihm herum und meine Augen sprühen Feuer, nicht vor Wut oder Zorn, sondern einfach nur, weil es verdammt noch mal höllisch weh tut! Wenn das so weitergeht, ist die Ohnmacht mein nächster Stopp. Aber ich soll verdammt sein, wenn Daniel auch nur einen Funken von dem mitbekommt! Mir geht’s gut!

„Warten Sie. Wir sollten Sam vorher Bescheid geben.“ Ich nicke nur kurz, aber ich bezweifle, dass Daniel es gesehen hat, denn kaum waren seine Worte aus dem Mund, hat er sich schon von mir abgewandt. „Hey, Sam!“ ruft er mit einer wilden Handgeste. „Wir haben hier etwas gefunden!“

Es werden noch ein paar Befehle in Teal’cs Richtung verteilt, bevor sie sich auf den Weg macht und zu uns hinüber gejoggt kommt. „Was habt ihr?“

Ich deute lediglich mit meinem Daumen über die Schulter und Sam sieht uns abwechselnd mit ihren großen, blauen Augen an. Sie geht bis zur ersten Stufe und dreht sich dann erneut um. „Wo führt dieser Gang hin?“

„Das wollten wir gerade herausfinden.“

„Jetzt noch?“

Ich nicke überzeugt. „Aber sicher. Wir haben noch mindestens zwei Stunden Tageslicht.“

„Wir werfen auch nur einen Blick rein“, gibt Daniel mir Rückendeckung.

Sam scheint jedoch noch nicht besonders überzeugt zu sein. „Ich weiß nicht“, murmelt sie mit einem Stirnrunzeln. „Was, wenn es ein neues Erdbeben gibt?“ Zugegeben, dass ist ein Einwand, aber keinen, den man geltend machen könnte… sage ich jetzt mal. Ach verdammt, es ist sogar ein sehr triftiger Grund unsere Hintern hier oben zu behalten, aber schon der alleinige Gedanke daran, was wir verpassen, wenn wir nicht wenigstens den Versuch starten es zu untersuchen, treibt mich an den Rand der Verzweiflung.

Tief einatmend lege ich einen Arm um Sams Schultern und schiebe sie etwas von Daniel weg, damit er nicht gleich jedes Wort mitbekommt. „Mal so unter uns Wissenschaftlern, Sammy, was wäre, wenn wir dort unten etwas finden, was uns vielleicht helfen könnte? Eine Abkürzung? Vielleicht sogar irgendeine astronomische Waffe?“

„Liz…“, seufzt sie. „Du hast selbst gesagt, dass das Erdbeben jederzeit wieder ausbrechen könnte und sei mir nicht böse, aber dieser Durchgang sieht mir nicht besonders stabil aus.“

„Wir bleiben auch ganz in der Nähe.“ Als ich merke, dass diese Masche nicht zieht, versuche ich es mal mit einer anderen. „Die Wand ist identisch mit der aus der Pyramide. Es besteht also ein Zusammenhang. Was bedeutet, dass dies hier vielleicht ein weiterer Eingang ist zu diesem Komplex oder so ne Art Außenposten. Sam, ich weiß, du machst dir Sorgen und ich weiß auch, dass es eine wirklich wichtige Entscheidung ist, da du jetzt immerhin das Kommando hast, aber überleg doch nur, welchen Vorteil wir daraus ziehen könnten. Und außerdem“, füge ich mit einem schiefen Lächeln hinzu, „passe ich schon auf Daniel auf. Du brauchst dir keine Sorgen um ihn zu machen.“ Ich knuffe ihr leicht in die Schulter, aber ich bekomme lediglich einen überraschten Blick.

„Es ist nicht Daniel um den ich mir Sorgen mache.“ Autsch. Der hat gesessen.

„Och, komm schon, Sam. Was muss ich machen, damit ich dich umstimmen kann? Auf die Knie fallen? Für eine Woche den Abwasch und die Wäsche? Hey, gar kein Thema.“

„Liz…“

„Bitte.“

„Ich--“

„Bitte!“ Ich überlasse jetzt rehbraunen Kulleraugen und einem herzzerreißenden Schmollmund die Arbeit.

Sie schließt kurz ihre Augen und ich beiße mir angespannt auf die Lippe. Komm schon… „Okay, aber ihr bleibt in Funkkontakt. Sollte auch nur ein Steinchen von der Decke fallen, seid ihr wieder draußen. Eine Stunde.“

„Oh, ich könnt dich knutschen!“, strahle ich sie an, aber halte den Drang diese Handlung auch wirklich auszuführen unter Kontrolle. Stattdessen lasse ich sie los und drehe mich um.

„Ach und Liz!“, ruft sie mir nach. Ich halte inne und drehe mich zu ihr herum. „Pass *bitte* auf.“

Ein Lächeln umspielt meine Lippen, bevor ich wie ein grinsendes Honigkuchenpferd zu Daniel stolziere.

„Und?“

„Bitte nach Ihnen, Doktor Jackson.“, sage ich mit einer einladenden Geste vor dem Eingang.

„Wie…?“

„Berufsgeheimnis.“

„Ah…“

Gleichzeitig schalten wir unsere Taschenlampen ein und begeben uns auf fremde Pfade. Man kann es nicht anders sagen, aber es ist jedes Mal aufs Neue eine staubige Angelegenheit. Das Dickicht der Pflanzen hat ganze Arbeit geleistet die Luft hier drinnen verdammt dünn und heiß zu halten. Jeder Schritt kommt mir wie ein fünf Kilometer Marsch vor. Während wir uns Schritt für Schritt den Gang entlang tasten, kramt Daniel in seiner Tasche herum.

„Was tun Sie da?“

„Ich suche“, murmelt er, „die hier.“ Und zieht aus seiner Tasche die kleine Videokamera, um alles ausführlich zu dokumentieren.

„Wissen Sie, Daniel, ich habe nachgedacht“, sage ich nach einer Weile. „Laut der Maya Geschichte heißt es, dass die fünfte Welt – also unsere Welt – durch ein Erdbeben zerstört werden soll. Natürlich passt das nicht mit Ihrer Theorie überein, aber zu meiner passt es. Und soll ich Ihnen noch etwas sagen? Die vorige Epoche wurde durch eine Überschwemmung ausgelöscht und auch genau das ist eingetreten. Ich will nicht damit sagen, dass diese Goa’uld nicht hier gewesen sind – ich meine, Beweise gibt es genug – aber dennoch können wir nicht das Offensichtliche von der Hand weisen--“

„Sshh!“, zischt Daniel plötzlich und hält mir seine Hand auf den Mund, während ein Finger seiner anderen Hand sich auf seine Lippen legt und die Kamera gefährlich schief in seiner Hand liegt.

„Wa…?“, murmle ich durch seine Hand hindurch, als er sie endlich wegzieht und meine Zunge augenblicklich über meine Lippen schnellt. Natürlich nur, um ihnen Feuchtigkeit zu spenden und nicht, weil sein Duft noch meine Haut benetzt. „Was ist denn?“, flüstere ich.

Sein Lichtstrahl wandert hektisch suchend durch den schmalen Gang. „Haben Sie das auch gehört?“

Ich lausche einen Augenblick. Ich kann nichts Außergewöhnliches hören. „Ne-“, beginne ich bereits meine Verneinung, als ich inne halte. Moment. War da etwas? Etwas Leises… es liegt irgendwo in der Ferne. Was zum Geier...? „Ist das ein Summen?“

Daniel antwortet mir nicht, sondern steht wie eine Salzsäule an seinem Fleck, den Kopf hat er leicht schief gelegt. „Ich bin mir nicht sicher. Hört sich aber nicht sonderlich gut an.“

Im Schneckentempo – gegen das ich absolut nichts einzuwenden habe – bewegen wir uns langsam weiter in das Innere. Meine freie Hand greift nach Daniel. Ich habe wirklich keine Lust hier drinnen verloren zu gehen. Daniel scheint es nicht anders zu gehen, denn sein Griff festigt sich mit jedem weiteren Schritt. Erst da bemerke ich, dass die Kamera lose um sein Handgelenk baumelt, da das Gehäuse in einem stetigen Rhythmus gegen meine Hand stößt. Nur langsam nimmt die Steigung unter uns etwas ab. Durch das schummrige Licht, sehe ich, wie etwas vor uns aufleuchtet. Ich denke das ist es! Gleich werden wir sehen, wohin uns dieser Gang führt! Auf eine morbide Art und Weise erinnert mich das hier irgendwie an den letzten Weg, den man in seinem Leben beschreitet. Der Weg zum Licht. So wie es schon so viele Menschen geschildert haben. Es hat etwas Hypnotisierendes an sich. Wenn ich nicht besser wüsste, könnte ich glatt behaupten, dass von dort eine Art Macht ausgeht, die mich zu diesem Durchgang zieht. Und dennoch bewegen wir uns kaum schneller. Trotz allem scheint es ziemlich rutschig unter dem feinen Staub zu sein. Was mir auch in der nächsten Sekunde schmerzhaft bewusst wird.

Dadurch, dass mein Blick starr geradeaus gerichtet ist, habe ich den kleinen Vorsprung im Boden übersehen und alles, was mir noch bleibt, ist zu sehen, wie sich mein Körper unweigerlich dem harten Grund immer weiter nähert. Der Aufprall war nicht annähernd das, was ich erwartet hatte. Heiße Blitze des Schmerzes zuckten durch meinen Körper. Das Gefühl von innen heraus zu verbrennen frisst mich förmlich auf.

Gott…

Nur das kalte Pflaster unter mir spendet mir Trost, als ich mein Gesicht zur Seite drehe. Obwohl ich versuche sie zu unterdrücken, brennen heiße Tränen in meinen Augen. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich irgendwo ein Knacken in meinem Körper gehört habe. Ich habe echt keinen Bock mehr darauf!

„Um Gottes Willen, Liz!“ Daniel kniet neben mir, aber ich kann ihn nur verschwommen erkennen. Vermutlich habe ich ihn durch meinen unglücklichen Sturz ebenfalls mit zu Boden gerissen. „Alles in Ordnung? Tut Ihnen etwas weh?“ Ob mir was weh tut? Soll das ein Witz sein? Ich glaube, von den ungefähr zweihundert Knochen in meinem Körper wurden bereits bisher über die Hälfte stark in Mitleidenschaft gezogen. Mir tut bereits alles dermaßen weh, dass ich kaum noch ein Gefühl habe. Deshalb schiele ich lediglich in seine Richtung und hoffe, dass er die Antwort in meinen Augen lesen kann.

„Versuchen Sie sich aufzusetzen.“ Am liebsten würde ich mich gar nicht bewegen, aber dennoch versuche ich den Schmerz in irgendeine Ecke zu drängen. „Sam?“, ruft Daniel in sein Funkgerät. „Wir hatten hier einen kleinen Unfall. Ich glaube Liz ist verletzt.“

Ich schüttle nur mit dem Kopf. „Nein, mir geht’s gut.“

„Natürlich.“

„Daniel“, kommt Sams besorgte Stimme durch das Funkgerät, „bleibt wo ihr seid. Teal’c und ich holen euch da raus.“ Und damit ist die Verbindung, bestückt mit lautem Rauschen, unterbrochen.

Mit einem Seufzen, schaue ich zu Daniel, der mir gerade mit seinem neuen Kopftuch eine weitere blutende Wunde an meinem Bein verbindet. Kann man diese Dinger auch in einem Dreierpack kaufen? „Es geht schon, wirklich“, versuche ich ihn zu überzeugen.

„Nein, tut es nicht“, flüstert er ohne mich anzusehen.

„Daniel…“

„Liz!“ Sein Kopf schießt zu mir hoch und was ich dort sehe, jagt mir zunächst einen abgrundtiefen Schrecken ein. Wut, Sorge und Ungeduld kämpfen in diesen blauen Augen um die Herrschaft. Ich hätte nie gedacht, dass so ein freundliches, offenes Gesicht zu solch einem Ausdruck fähig ist. Aber bevor er noch etwas sagen kann, hören wir bereits Sam und Teal’c.

Hektische Lichtkegel tasten die Wände ab, begleitet von eilenden Schritten, die sich uns nähern, bis Daniel schließlich aufsteht und ihnen entgegen läuft. Ich kann nicht anders als ihm mit einer Mischung aus Trauer und Schuld nachzuschauen. Ich habe absoluten Mist gebaut. Ich habe alles vermasselt. Ich habe jegliche Sorgen und Warnungen in den Wind geschmissen und warum? Warum wollte ich weder auf ihn noch auf sonst jemanden hören? Weil mein angekratztes Ego es mir nicht erlaubt hat? Weil ich versucht habe ihnen allen zu beweisen, dass auch in mir eine Heldin steckt? Weil ich versucht habe meinen Platz in diesem Team zu finden? Weil ich am liebsten einfach nur alles wieder rückgängig machen würde?

Absolut klasse, Liz. Jetzt hast du es wirklich geschafft. Es ist schon schwer genug zu wissen, dass ich im Grunde der Auslöser dieses ganzen Schlamassels bin, aber ich weiß nicht, ob ich auch noch die Bürde von Daniels Zorn auf mich nehmen kann. Er war hier mein Verbündeter. Wenn ich sein Vertrauen und das von Sam verloren habe…

Meine Gedanken werden plötzlich von einem leichten Zittern unterbrochen. Ein Zittern, das aus der Erde kommt. Es ist zurück. Oh nein. Hastig schaue ich in Richtung Ausgang, in Richtung Rettung. Bevor die anderen bei mir sind, versuche ich mich selbstständig an der Wand hochzuziehen, aber diese glatte Oberfläche macht es mir unmöglich mich richtig festzuhalten. Ich spüre, wie das Blut sprichwörtlich aus meinen Kopf verschwindet. Gott, ist mir schwindelig.

„Liz“, kommt Sam zu mir gerannt. Ihr Blick tastet mein halbherzig verbundenes Bein ab.

„Es fängt wieder an“, sage ich ihr panisch und glaubt mir, sie braucht keine Sekunde, um zu verstehen wovon ich spreche. Ein letzter Blick in die andere Richtung zum Durchgang, bevor sie sich zu Teal’c umdreht, der nur noch wenige Meter von uns entfernt steht.

„Teal’c!“, ruft sie. „Kannst du Liz tragen? Wir müssen sofort hier raus!“ Feiner Staub rieselt bereits auf meinen Kopf, als Sam und Teal’c mir dabei helfen aufzustehen. Nachdem Sam sich vergewissert hat, dass ich bei Teal’c sicher bin, rennt sie zurück zu Daniel und obwohl sich bereits in meinem Kopf Nebelschwaden ausbreiten, merke ich, wie mich jemand auf dem Arm nimmt und dann los läuft. Mein Kopf, Bein und sämtliche Knochen pochen im Einklang zu der rennenden Bewegung. Mit rasendem Herzen versuche ich nicht die letzten Sekunden gegen die Bewusstlosigkeit zu verlieren. Aber sie ist stärker, so viel stärker und ich fühl mich so schwach… so verdammt schwach.

„Es tut mir Leid“, sind die letzten gemurmelten Worte, bevor die Greifarme der Dunkelheit mich in ihrer Gewalt haben


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Presslufthammer veranstalten ein ganzes Orchester in meinem Kopf. Wenn ich dafür Eintritt genommen hätte, wäre ich jetzt Millionärin. Mein Kopf ist einfach nicht für zwei nah aufeinander folgende Dröhnungen geschaffen. Absolut nicht. Kein Wunder, ich brauchte bisher immer nur ein Bier trinken und schon war mein Alkoholhöchstpegel erreicht.

Und so ironisch es sich vielleicht auch anhören mag, aber ich bin dankbar für die Presslufthammer dort oben, denn ohne sie müsste ich mich jetzt mit meinen nagenden Gewissen auseinandersetzen und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich das jetzt auch noch schaffe. Die Last ist einfach zu groß. Ich habe alles dem Untergang geweiht. Angefangen damit, dass ich dem Colonel von Anfang an das Leben schwer gemacht habe. Und nicht nur ihm – an Sam und Daniel will ich gar nicht erst denken. Was für Rechte habe ich schon? Hier geht es um etwas viel, viel Wichtigeres als um eine simple Ausgrabungsstätte. Diese vier Menschen kämpfen um das Wohl der Erde – diesen Planeten zu schützen – und ich kann an nichts denken als an meine Ausgrabungen. Zu was macht mich das? Zu einem wirklich erbärmlichen Individuum. Selbst Tom hat das bereits erkannt. Wie oft hat er mir gepredigt, dass ich nicht der Nabel der Welt bin? Und es ist schon bitter, dass ich das jetzt erst erkenne. Jetzt, wo es vielleicht schon zu spät ist.

Mit einem Ächzen rolle ich mich auf die Seite. Oh Mann, wenn ich hier raus bin, gibt es erst einmal einen rundum Austausch. Wie spät ist es eigentlich? Ich habe das Gefühl eine Woche durchgeschlafen zu haben.

„Die sechs Stunden sind jetzt um“, höre ich Sams leise Stimme. Erst jetzt wird mir das orange Schimmern des flackernden Feuers bewusst. Die Nacht ist bereits angebrochen.

„Sie sind bestimmt schon da. Wir haben ihnen den neuen Standort durchgegeben.“ Daniel. Ich atme einmal tief durch. Liz, wie willst du da nur wieder rauskommen?

„Vielleicht war es ja Fehler gewesen. Ich meine, der Colonel hat mir das Kommando übergeben. Das sagt doch schon genug darüber aus, dass er nicht mehr körperlich fit ist. Vielleicht hätten wir einfach bei der Pyramide bleiben sollen. Was, wenn sich durch die Strapazen sein Zustand nur noch verschlimmert?“

Können wir nicht einfach noch einmal die ganze Zeit zurückdrehen? Ich verspreche, ich werde dann auch die gehorsame Zivilistin sein, der es eine Ehre ist an dieser Expedition teilzunehmen. Ich werde auch nicht meinen Dickkopf durchsetzen und ich werde niemanden mehr in Gefahr bringen.

„Aber sein Zustand hat sich nicht verändert. Das Fieber ist zwar nicht gesunken--“

„Aber es ist auch nicht gestiegen“, fällt ihm Sam ins Wort. „Und das ist doch gut, nicht wahr, Daniel? Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?“ Ich brauche sie nicht zu sehen, um zu wissen, wie sehr sie sich an diesen letzten Strohhalm klammert. Dennoch schiebe ich die Plane etwas zur Seite und sehe, wie Daniel eine beruhigende Hand auf ihren Arm legt.

„Das ist es“, nickt er, „Jack, wird es schaffen, glauben Sie mir.“

Sie nickt halbherzig. „Ja.“

„Glauben Sie mir, wenn wir uns nicht auf den Weg gemacht hätten, um Apophis in den Hintern zu treten, dann hätte er es bei Ihnen getan, wenn er wieder gesund ist.“

Es ist das erste Mal an diesem Tag, dass ich sie wirklich lachen höre. Doch dann wird sie wieder ernst und das Lächeln erlischt. „Es war nicht falsch?“

„Was? Jack nicht zurück zu lassen, Apophis in die ewigen Jagdgründe schießen zu wollen?“ Er schüttelt leicht mit dem Kopf. „Nein, glauben Sie mir, das ist sicherlich nicht falsch.“

„Danke, Daniel.“

„Immer wieder.“ Er verstummt kurzzeitig, wirbelt dann aber zu ihr herum, so als ob ihn etwas Lebenswichtiges eingefallen wäre. „Haben Sie inzwischen das Team erreicht?“

Ein Kopfschütteln ist seine Antwort. „Ich konnte hin und wieder ein Signal empfangen. Ich habe ihnen unsere Position durchgegeben und ihnen unsere Lage geschildert, aber ich ich bin mir nicht sicher, ob auch alles angekommen ist.“ Sie atmet einmal tief durch. „Ich weiß nicht, was los ist, aber ich denke, der Ort hier ist verflucht.“

„Hm“, macht Daniel nickend. „Wir sind vermutlich nur in einem Loch“, versucht er sie genauso wie sich selbst zu überzeugen. Das muss dann aber ein ziemlich großes Loch sein. Es ist eine lahme Ausrede und nach seinem Gesichtsausdruck her, weiß er es auch. Ist ja auch kein Wunder, noch nicht einmal ich glaube es ihm. Mit einem leisen Seufze, lasse ich die Plane vor den Eingang fallen. Wenn ich es mir recht überlege, dann ist so ziemlich nichts nach Plan gelaufen. Ich frage mich, ob dieser Zustand in diesem Team bereits eine kontrollierte Arbeitsbedingung ist.

„Meine Schicht ist um“, höre ich schließlich Sam murmeln. „Danke für die Gesellschaft, Daniel.“

„Kein Problem.“ Ich höre ein Rascheln und schließlich den Reisverschluss, der die Plane ganz öffnet. Schnell schließe ich meine Augen und versuche relativ entspannt auszusehen. Denn das letzte, was ich will, ist, dass Sam mitbekommt dass ich wach bin oder gar die Schlussfolgerung daraus zieht, dass ich sie belauscht habe. Ein Fuß befindet sich bereits im Zelt, aber dann hält die Bewegung inne. „Nacht, Daniel.“

„Nacht, Sam.“

„Bis morgen.“

„Schlafen Sie gut.“

Das Rascheln von Kleidung ertönt neben mir, als sich Sam ihre Jacke auszieht und dann vermutlich in voller Montur in ihren Schlafsack krabbelt. Sie scheint nichts mitbekommen zu haben und als es dann ganz still wird im Zelt, ein leises, stetiges Atmen die Luft erfüllt und nur noch das Schemenhafte Flackern des Feuers zu sehen ist, öffne ich langsam meine Augen und frage mich, ob es noch schlimmer kommen kann. Und eines weiß ich mit Sicherheit: an Schlaf ist heute für mich nicht mehr zu denken.


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Irgendwas Lautes und Grelles lässt mich in einem Ruck aus meinen Dämmerzustand hochschnellen. Ich kann nicht sagen, was es ist, bis ich es wieder höre. Ratternde, hallende Geräusche, die aus einer nicht sehr entlegenen Ferne kommen. Sind das…? Ich will gar nicht dran denken, aber sind das Schüsse? Eine erstickende Panik kriecht in mir hoch, während ich wie angewurzelt dasitze und nichts anderes tun kann außer mit einem starren Blick gegen die Zeltwand zu schauen. Was geht hier nur vor? Die Worte wollen entlassen werde, aber als ich endlich meinen Kopf in Sams Richtung drehe, sehe ich, dass ihr Schlafplatz leer ist.

Und dann bricht alles in einem gigantischen Chaos über mich herein. Rennende Schritte, Rufe, noch mehr Schüsse. Wie ein Amboss der mich mit einem Schwung gegen die nächste Steinwand befördert. Ich kann mit bestimmter Sicherheit sagen, dass ich mich noch nie so schutz – und hilflos gefühlt habe.

Mit einem kräftigen Ruck wird die Plane aufgerissen, dass ich vor Schrecken tausend Tode sterbe. Lieber Gott im Himmel! Es ist Sam. Aber dieser Anblick beruhigt mich kein bisschen. Ihr gehetzter Blick, die angespannten Gesichtszüge und die Art, wie sie sich an ihre Waffe krallt jagt mir mehr Angst ein, als dass es einem Trost spendet.

„Liz, du bleibst hier“, zischt sie hastig. „Daniel, Teal’c und ich, wir sehen uns die Sache aus der Nähe an.“

Ich bin viel zu vor dem Kopf geschlagen, als das ich auch nur irgendwas hätte antworten können. Was ist hier nur los? Was passiert da draußen? Was sind das für Schüsse? All diese Fragen höre ich laut in meinem Kopf hämmern, aber keine findet ihren Weg nach draußen. Und dann, bevor sie sich umdreht, hält sie noch einmal inne. „Halte dich verdeckt. Laufe nicht schutzlos hier im Dschungel herum. Nur für alle Fälle.“

„Sam…?“, kommt es krächzend über meine ängstlichen Lippen.

„Mach dir keine Sorgen.“ Wie bitte? Ich soll mir keine Sorgen machen? Mädel, die schießen sich da draußen zu Tode und ich soll mir keine Sorgen machen? Was ist denn das für eine bescheuerte Floskel?! „Alles wird gut.“ Doch bevor sie mir überhaupt noch die Chance gibt etwas zu erwidern, ist sie auch schon verschwunden und lässt mich und meine heiß geliebte Panik alleine. Mach dir keine Sorgen… Nein, mach ich nicht. Wo denn? Ist doch alles in Ordnung. Und die paar Schüsse…Ich bitte euch, das ist doch nun wirklich nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Wirklich nicht. Das ist ja auch vollkommen normal!

Verzweifelt und von klaustrophobischen Anfällen verfolgt, schaue ich mich in meinen äußerst beschützenden Zelt um und entschließe, dass ich mich hier drinnen kein bisschen sicher fühle. Ich will hier nicht alleine sitzen und auf mein Ende warten. Ich kann das einfach nicht.

Und deshalb mache ich genau das, was Sam mir untersagt hat. Ich beuge mich nach vorne und öffne den Reisverschluss. Aber im Grunde ist es gar kein Regelverstoß. Ich werde lediglich ins nächste Zelt schlüpfen. Natürlich nur, um nach dem Colonel zu sehen. Sonst nichts. Und noch während im Hintergrund die Schüsse fallen, renne ich in geduckter Haltung nach neben an.

Ich habe ja mit allem gerechnet; einem bewusstlosen, einen im Fieber oder im Delirium liegenden O’Neill, aber ich habe gewiss nicht mit einer Pistolenmündung gerechnet, die geradewegs auf meinen Kopf zielt. Kein Muskel wagt es auch nur zu zucken. Ich habe das Gefühl, dass mir gleich meine Augäpfel rausfallen und mein Hals ist Sandtrocken. Selbst wenn ich es gewollt hätte, ich hätte nicht reagieren können. Und im ersten Moment scheint es O’Neill nicht anders zu gehen. Obwohl ich vermutlich schon alleine durch seinen niederschmetternden Blick tot umgefallen wäre, braucht auch er eine Sekunde, um sein Magazin nicht in mir zu leeren.

„Herr Gott, Sullivan“, flucht er wütend und erleichtert zugleich, als sich langsam die Hand mit der Waffe senkt. „Kommen Sie schon rein.“

Das muss er mir nicht zweimal sagen. Hastig setze ich auch noch den anderen Fuß in das Zelt und verkrümle mich neben ihn. Er hält sein kaputtes Bein in einer unbequemen Position von sich entfernt, während er versucht sich noch weiter aufzusetzen. Schweißtropfen bahnen sich furchtlos ihren Weg über seine Stirn und seine Schläfen. Wenn man genau hinsieht, dann kann man noch das Fieber in seinen Augen glühen sehen, aber ich hätte es nicht gemerkt, wenn ich es nicht gewusst hätte. Angespannt ziehe ich mein rechtes Knie zu meinem Kinn und schlinge meine Arme herum. „Was geht da draußen vor sich?“,frage ich ihn schließlich in einem Flüstern.

Doch bevor er mir antwortet durchschneidet ein lautes Zischen die Luft. O’Neill schaut für einen Moment an die Zeltdecke, bevor sein Blick zu mir wandert. „Haben Sie das eben gehört?“ Ich nicke lediglich mit dem Kopf. „Das“, sagt er und deutet mit seinem Finger in die besagte Richtung, „war der Schuss aus einer Stabwaffe.“

„Stabwaffe?“, frage ich verwirrt. „Was…? Soll das heißen, dass diese Go – Goa’uld hier sind?“ Er nickt lediglich mit dem Kopf, worauf ich meinen nur ungläubig schüttle. „Nein, nein, das ist doch unmöglich.“

Ein verdutzter Blick trifft meinen. Eilig fahre ich mit meiner Zunge über meine Lippen. „Sam hat doch gestern noch erklärt, dass aus irgendwelchen Gründen sie selbst mit Lichtgeschwindigkeit Tage brauchen würden.“

„Ja, offensichtlich nicht.“ Oh mein Gott… Hilflos starre ich ihn an, während die Luft in erneutem Zischen und Rattern von Gewehrhülsen getaucht wird. „Und was sollen wir jetzt tun?“

„Zuerst einmal warten wir ab, was Carter uns erzählt.“ Irgendwie beruhigt mich das so gar nicht. Wenn ich nur daran denke, dass meine Sam jetzt irgendwo da draußen ist. Zwischen all diesen Schüssen. Was ist wenn ihnen allen etwas passiert und keiner von ihnen mehr zurückkommt? Der Colonel scheint auf sonderbare Weise meine Gedanken lesen zu können, denn er schaut hinunter auf seine Uhr. „Zwanzig Minuten. Sie haben noch zwanzig Minuten. Wenn sie dann nicht da sind, können wir anfangen uns Sorgen zu machen.“

„Aber wenn ihnen in der Zwischenzeit etwas…“

„Carter kann auf sich aufpassen. Glauben Sie mir. Ich würde jetzt nicht hier liegen… mit dieser wundervollen Schiene, wenn Carter nicht gewesen wäre.“ Höre ich da einen Hauch von Ironie heraus? So ne Art Anschuldigung? Irgendwo zwischen den Zeilen versteckt?

Misstrauisch beäuge ich mein Gegenüber und wenn diese ganze Situation nicht so verdammt angespannt wäre, hätte ich alles in den Wind geschlagen. Doch ich muss leider zugeben, dass wir uns im Moment leider auf der falschen Seite befinden. Und ich weiß auch, dass sein Sarkasmus in meine Richtung gerechtfertigt ist. Vergiss das nicht, Liz. Du kannst ihm deshalb keine Vorwürfe machen. „Es, es tut mir Leid“, kommen die Worte schließlich begleitet von einem Kopfschütteln über meine Lippen gekullert. „ich wünschte wirklich, ich könnte es wieder rückgängig machen. Ehrlich.“ Mit einem Seufzen, schaue ich hinunter in meine verschlungenen Finger, die auf meinem Knie liegen.

„Was?“, kommt es nach einer langen Pause.

„Colonel--“

„Jack.“

„Was?“

„Was?“ Sieht auch er mich jetzt verwirrt an, doch dann schüttelt er nur mit dem Kopf. „Es heißt Jack, Sullivan. Nennen Sie mich Jack.“

„Oh… okay.“ Ich atme einmal tief durch und hebe meinen Blick. „Jack, ich möchte mich für mein Benehmen der letzten Tage entschuldigen. Ich weiß, ich war alles andere als die perfekte Begleitung. Angefangen von der Abreise bis hin zu dem Zwischenfall. Und es tut mir so schrecklich Leid. Wirklich.“ Ich atme einmal tief durch. „Auch wegen meinem kleinen Aufstand vor der Abreise.“

„Sulli--“, beginnt er, aber ich bringe ihn mit einer erhobenen Hand zum Schweigen.

Kopfschüttelnd sehe ich zu ihm auf. „Nein, Jack, bitte, lassen Sie es mich erklären. Ich hatte Angst. Sie können das nicht verstehen, diese Ausgrabung war mir sehr wichtig. Ich hatte nur wenige Wochen zuvor meine Sponsoren mit wirklichen Engelszungen davon überzeugen können auch weiterhin Geld zu geben. Und dann kommt ihr daher, also die Regierung, und nehmt mir alles weg. Ich hatte nichts mehr. Alles war weg. Ich konnte nicht mehr entscheiden, ich konnte meiner Arbeit nicht mehr nachgehen, von der einen Sekunde auf die andere, wurde mir alles entrissen und ich hatte das Gefühl innerlich zu explodieren. Das hier war mein Baby und jetzt ist es weg.“ Mit einem Seufzen schaue ich hinunter in auf meine Hände, während sich ein äußerst bedrückendes Schweigen über uns legt.

Der Colonel regt sich nicht, es kommt kein Geräusch aus seiner Ecke, nicht eines. Doch dann ertönt ein Räuspern. „Also...“, beginnt er zögernd. „Ich muss zugeben, von dieser Seite habe ich es noch nicht betrachtet.“

„Offensichtlich.“

„Ja…“ Er verzieht kurz den Mund. „Hören Sie, es tut mir Leid. Ich hätte dran denken müssen, aber…“
Auf das Aber habe ich nur gewartet. „Aber Sie müssen auch verstehen was hier auf dem Spiel steht. Ich verspreche Ihnen, ich werde mich um die Sache kümmern, wenn wir hier raus sind. Ernsthaft, ich werde dafür sorgen, dass Sie keinerlei Schuld trifft, dass die Pyramide und alles nur noch Schutt und Asche ist.“

Ich nicke leicht. „Na ja, jedenfalls wollte ich nur, dass Sie es wissen. Dass Sie verstehen, warum ich mich so verhalten habe, wie ich es getan habe und dass ich auch weiß, dass es hier um weitaus mehr geht als nur um meine Arbeit. Und auch wenn ich das hier jetzt vielleicht nicht erwartet habe, wollte ich Ihnen danken. Mir ist noch immer ein Rätsel, wieso es mir erlaubt ist hier zu sein und von daher, danke.“

Während meines kleinen, ausschweifenden Bekennungsschreibens, nickt Jack ein paar Mal zustimmend mit dem Kopf und verdreht schließlich die Augen. „Hören Sie, Sullivan, auch wenn die Tatsache dass durch Ihre Befehlsverweigerung meine kleine, aber heile Welt ins wanken geraten ist, glaube ich nicht, dass Sie ganz alleine die Schuld trifft.“

„Aber--“

„Natürlich, wenn Sie nicht so dickköpfig gewesen wären, um unbedingt diesen Transporter auszuprobieren, war dennoch ich es, der ihn betätigt hat. Und wenn ich mich nicht irre, haben Sie selbst gesagt, dass es unmöglich ist ein Beben vorherzusagen. Woher sollten Sie es wissen, dass ausgerechnet, als wir uns auf der Brücke befanden, die Erdplatten unter uns sich dazu entschlossen haben ein wenig hin und her zu rutschen?“

„Na ja, eigentlich“, korrigiere ich ihn, „sind die Erdplatten in ständiger Beweg--“

„Sullivan“, unterbricht er mich aufgebracht. Okay, okay, okay, schon verstanden. Ich fahre mit meinem Finger über meinen Mund, als ob ich ihn abschließen würde und schmeiße einen luftigen Schlüssel über meine Schulter. „Das ist mir schon klar.“

„Tschuldigung.“ Ich sehe ihn jetzt ganz offen an. Im Grunde fühle ich mich sogar nackt. Wenn er wollte, er könnte jetzt wie in einem offenen Buch in mir lesen. „Ich habe einfach nur Angst.“

Und nicht nur sein Blick sagt mir, dass das die letzten Worte sind, die er hören möchte. Wenn ich eines in den letzten Tagen gelernt habe, dann, dass der Colonel nicht besonders gut mit Gefühlen umgehen kann. Besonders nicht, wenn es Gefühle sind, die dermaßen nahe an der Oberfläche schwimmen. Und ich weiß auch, wenn sein Bein nicht sein Handicap wäre, wäre er schon längst aus dem Zelt verschwunden. Da aber das Glück nicht auf seiner Seite ist, ist er regelrecht an seinen Platz festgenagelt. „Also… ich“, beginnt er zögernd. „Liz, betrachten Sie es mal so, wenn Sie nicht den Transporter gefunden hätten und wir nicht dort unten gelandet wären, dann hätten wir auch nie das Stargate entdeckt.“ Ich weiß, es ist eine Aufmunterung und ich rechne es ihm wirklich hoch an, obwohl es mir nicht meine Angst nimmt, werden meine Lippen dennoch von einem kleinen Lächeln umspielt. Und nicht umsonst tauchen plötzlich wieder Daniels Worte in meinem Kopf auf.

„Jack ist fair. Sie hatten nur noch keine Möglichkeit das zu erkennen. Aber er ist verdammt fair.“

„Lassen Sie uns erst einmal abwarten.“

Mit selbst zugesprochenem Mut, nicke ich schließlich den Kopf. „Ja.“ Dann sehe ich ihn schief an und versuche mir einzureden, dass Sam irgendwas einfallen wird. Ihr fällt immer etwas an. „Sie haben Recht. Sam kann auf sich aufpassen. Sie ist hier nicht umsonst unser McGyver.“ Ich nicke einmal, so als ob ich meinen eigenen Worten bestätigen würde und wünschte mir, ihnen auch Glauben zu schenken.

Gegenüber von mir sieht mich der Colonel mit hochgezogenen Augenbrauen an. „McGyver?“

Mit einem verlegenen Schulterzucken nicke ich. „Ist sie das etwa nicht? Selbst früher ist ihr immer etwas eingefallen. Jedes Mal wenn wir in Schwierigkeiten waren hat sie was gebastelt. Kaugummi, Büroklammer und Faden. McGyver eben.“

„Ah“, nickt er mit einem merkwürdigen Grinsen. Habe ich jetzt etwas gesagt, was ich eigentlich hätte verschweigen sollen? Aber hey, Sam wird mir ja nicht gleich den Kopf abreißen, nur weil ich es in Gegenwart des Colonels erwähnt habe, richtig?

Und als ich das Gefühl habe, dass direkt neben uns eine Bombe einschlägt, wandern meine Gedanken wieder zu unserer Situation zurück „Gibt es eigentlich noch einen Notfallplan? Falls hier alles auseinander fällt.“

„Na ja“, zuckt er mit den Schultern, „Für’s erste sollten wir das Stargate finden. Und dann gibt es da noch die Schiffe, die jetzt vermutlich irgendwelche Trümmerhaufen sind, aber...“

Ich schließe kurz meine Augen. Das kann nicht sein Ernst sein. Bitte Gott, sag mir, dass das nicht sein Ernst ist. „Wir haben keinen Notfallplan?“

„Ich arbeite noch dran.“

Ein deprimiertes Nicken ist meine Antwort.


+++++


Selbst nach zwanzig Minuten des quälenden Wartens gibt es immer noch kein Zeichen von dem Rest unseres Teams. Das einzige, was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass das Geballer dort draußen nicht im Geringsten weniger geworden ist. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist sogar das genaue Gegenteil der Fall.

„Fünf Minuten. Plus, minus fünf Minuten“, durchbricht der Colonel mein ruheloses Schweigen und schaut einmal mehr nervös auf seine Uhr.

„Und was ist…?“

Er schneidet mir das Wort ab, indem er seine Hand hebt, in der er sein Funkgerät hält. Es ist nur ein schwacher Versuch. Vermutlich aufgrund irgendwelcher magnetischen Wellen, gibt es nichts weiter als Störungen. Aber dennoch versucht er es. Jede Möglichkeit ist eine Hoffnung, und die stirbt ja bekanntlich zuletzt. Also drückt er den Knopf… Rauschen… Warten… Noch mehr Rauschen… Aber kein Signal. Gar nichts.

„Okay, das ist nicht gut“, murmelt Jack grimmig.

Und nicht zum ersten Mal in den letzten zwanzig Minuten beschleicht mich wieder das Gefühl, welches ich auch schon Daniel gegenüber geäußert hatte. Ich kann mir einfach nicht helfen, aber ich weiß, dass es wichtig ist und ich weiß auch, dass mir – uns – die Zeit davon läuft. Also packe ich meinen ganzen Mut zusammen und formuliere meine Gedanken.

„Finden Sie es nicht merkwürdig, dass wir in diesem großen Komplex keine Waffen finden konnten? Ich meine, Daniel hat mir erzählt, dass die Antiker technologisch äußerst fortschrittlich waren. Immerhin waren sie die Erfinder des Tores.“

„Vielleicht haben sie ja alles mitgenommen?“

Ich bedenke ihn mit einem „Ach kommen Sie“ – Blick. „Nein, ich bin mir sicher, etwas überflogen zu haben, etwas, was wichtig war.“

„Und das wissen Sie genau oder denken es nur?“

„Na ja, ich denke schon, dass ich was gesehen habe“, antworte ich zögernd.

„Sie denken?“ hakt er wenig überzeugt nach. „Und Sie wollen was tun? Zurückgehen und die Wunderwaffe finden?“

Jetzt, wo er es sagt, hört es sich ziemlich dämlich an. In meinem Kopf hat dieser Plan viel mehr Hand und Fuß gehabt und hat sich auch nicht so ganz abwegig angehört. „Ist es denn nicht möglich?“

„Hm, wenn wir mit Sicherheit wüssten, wo sich diese Wunderwaffe dort befindet und ob sie überhaupt existiert, dann bestimmt, aber, Sullivan, Sie haben lediglich eine Vermutung. Das reicht nicht. Es könnte in einer Katastrophe enden.“

„Wieso? Schlimmer als jetzt kann es gar nicht mehr kommen.“ Jedenfalls kann ich es mir nicht vorstellen. Was soll denn bitte schön jetzt noch passieren? Irgendwelche merkwürdigen Parasiten greifen die Erde an, was soll das denn noch übertreffen? „Sam, Daniel und Teal’c sind nicht zurückgekommen. Wir können doch nicht hier einfach rumsitzen und nichts tun!“

„Nein, aber wir wissen nicht, was mit ihnen passiert ist! Was glauben Sie, was passiert, wenn wir da jetzt blind reinmaschieren und alles zerstören?“

„Aber--“

„Kein Aber, Liz. Das Risiko ist mir zu groß.“

„Sie geben einfach so auf? Lassen Ihr Team schutzlos zurück?“, schnauze ich ihn jetzt wütend an. Ich weiß, dass ich mir diesen Ton eigentlich nicht anmaßen darf, aber das ist mir im Moment so ziemlich scheißegal. Hier geht es um Sam! Herr Gott, was muss man tun, um diese engstirnige Sichtweise zu durchbrechen?

„Wir lassen niemals unsere Leute zurück“, zischt er zornig und das dunkle Funkeln in seinen schwarzen Augen sagt mir nur zu gut, dass ich einen wunden Punkt getroffen habe.

„Mir hat man gesagt, Sie seien die Besten der Besten.“

Jack atmet einmal tief durch und ich kann nur erahnen, welche Kraft es ihn kostet mir nicht an den Hals zu springen. Und zum ersten Mal bin ich froh, dass sein Bein ein wenig invalide ist. „Wenn ihnen etwas passiert ist, dann finden wir das heraus und werden dann erst etwas unternehmen. Glauben Sie mir, ich habe keine Probleme damit diesen ganzen Laden in die Luft zu jagen, aber meine Leute sind da drinnen.“

Frustriert fahre ich mit beiden Händen durch meine Haare. Das darf einfach nicht wahr sein. Wie kann er da nur so seelenruhig sitzen, wenn da draußen die Hölle los ist?

„Aber irgendwas müssen wir doch tun.“

Er nickt nachdenklich mit dem Kopf und selbst meine Wenigkeit merkt ihn an, wie sehr es ihm gegen den Strich geht, dass sein Körper nicht hundertprozentig einsatzfähig ist. Gerade als Soldat – und dann noch als Kopf des Teams – nichts unternehmen zu können, ist wohl das schlimmste, was ihm passieren konnte. Glaubt mir, ich verstehe das. Ich verstehe es wirklich, aber es muss doch irgendwas geben, was wir machen können.

„Was ist, wenn wir wissen wo sie sind?“, frage ich schließlich.

„Wenn wir…“ Er hält kurz inne und legt seinen Kopf schief. „Sie meinen den Computer.“

Meine Schultern zucken leicht in Richtung Himmel. „Als wir die Karte der Pyramide gefunden haben, da konnten wir auch sehen, wo wir uns befinden. Wenn wir im Computer eine Karte finden, die das gesamte Gebiet abdeckt, könnten wir zumindest feststellen, wo sie sind. Das könnte uns doch helfen, oder nicht?“

Langsam nickt Jack mit dem Kopf. „Das Problem ist nur, dass dieser Computer zu weit weg ist. Sie haben selbst gesehen, wo wir waren. Außerhalb des Umkreis.“

„Und wenn es hier irgendwo in der Nähe einen gibt?“

„Sie wollen durch den Tunnel.“ Es ist weder eine Frage noch eine Vermutung, sondern eine Feststellung und was soll ich es leugnen? Natürlich ist das mein erster Gedanken gewesen. Der Tunnel ist das einzige, was uns im Moment noch mit dem Untergrund verbindet.

„Selbst wenn ich den ganzen Tag durchrennen würde, würde ich nicht mehr rechtzeitig an der Pyramide ankommen. Wir haben bereits bis hier hin einen Tag gebraucht. Davon mal abgesehen, dass es dann vermutlich schon zu spät ist. Wenn ich dort ankomme, ist unser einziger Durchgang nur noch ein Trümmerhaufen.“

„Ich weiß, ich weiß. Sie wissen, wo der Tunnel endet? Carter meinte, dass Sie ein paar Meter vor den Durchgang von einem neuen Beben erfasst wurden.“

Wie aufs Stichwort, fängt mein Bein an zu pochen und ich nicke lediglich. „Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht, was sich dahinter befindet. Es gibt Anzeichen, dass dieser Tunnel ein weiterer Eingang ist, aber ich weiß es nicht mit Sicherheit.“

Nachdenkliche Falten zieren seine Stirn. „Das ist ziemlich dünn. Aber unsere einzige Möglichkeit etwas herauszufinden, ohne gleich Aufmerksamkeit zu erregen. Hören Sie, Sullivan, wie Sie offensichtlich unschwer erkennen können, bin ich nicht in der Lage wer weiß was für Kilometer zurückzulegen ohne den Plan zu behindern. Ich fühle mich überaus unwohl dabei… Sie haben keinerlei Kampferfahrung.“

Na ja, kommt drauf an, was er unter Kampferfahrung versteht. Kratzen und beißen? Kabbeleien mit den Geschwistern? Darin habe ich genug Kampferfahrung, allerdings nicht in dem Umgang mit irgendwelchen Kerlen, die von Schlangen kontrolliert werden. Nein, darin habe ich keine Kampferfahrung.

„Außerdem sind Sie selbst ziemlich angeschlagen. Carter hat mir erzählt, dass Sie auf den Weg nach draußen das Bewusstsein verloren haben.“ Ja, aber das war vor sechs Stunden! Jetzt geht’s mir wieder gut. Ehrlich. Sein Blick wandert zu meinem pochenden Bein und ich erkenne, wie das olivgrün bereits einen braunroten Farbton angenommen hat. Verdammt, die Wunde scheint wieder aufgerissen zu sein.

„Daniel war stocksauer“, murmle ich mit gesenktem Blick.

Er seufzt einmal und macht eine wegwerfende Handgeste. „Machen Sie sich keine Sorgen um Daniel. Dem tut das bestimmt schon wieder Leid.“

Und dann schaut er zu mir auf und ich kann den Twist in seinen dunklen Augen sehen. Es wäre schlichtweg hirntot, wenn er mich – Grünschnabel, unerfahren, ohne jeglichen Sinn für diese spezielle Gefahr – in die Gefahrenzone hinausschickt. Anderseits hat er allein kaum eine Chance etwas zu unternehmen. Als Humpelstilzchen kommt er nicht weit. Er ist quasi regelrecht auf meine Hilfe angewiesen und ich kann sehen, wie sehr ihn das stört.

„Hören Sie, Jack“, beginne ich nach einem Räuspern, „ich weiß, dass ich Ihnen vermutlich mehr ein Klotz am Bein bin als irgendeine Hilfe, aber wenn wir wirklich etwas unternehmen wollen, dann muss ich wieder zurück. Sie haben Recht, ich habe keine Ahnung, was da draußen vor sich geht und es wäre absolut unvernünftig von Ihnen auch nur daran zu denken mich alleine da raus zu schicken, aber ich kenne mich hier aus. Das hier ist mein zweites Zuhause. Ich weiß den Dschungel zu meinem Vorteil zu nutzen.“

„Ich mach mir keine Sorgen um den Dschungel, Sullivan. Ich mache mir eher Sorgen um Ihren Orientierungssinn innerhalb dieses Komplexes“, antwortet er mir nüchtern. Aber ich kann darunter noch irgendwas anderes erkennen. Vielleicht eine unterschwellige Angst, dass, wenn etwas passiert, ich auf mich allein gestellt bin. Glaubt mir, mir geht’s kein Deut besser. Wenn ich auch nur einen Gedanken daran verschwende, reduziere ich mich auf ein zitterndes Knäuel. Deshalb atme ich einmal tief durch meine Angst hindurch und nicke entschlossen mit dem Kopf.

Verrückt, nicht wahr?

„Brauchen Sie nicht.“ Ich weiß, kein besonders gutes Argument, aber das muss reichen.

„Was ist mit dieser Zaubernummer? Bisher haben diese Geräte nur auf mich reagiert. Sie werden doch gar nichts herausfinden können.“ Ja… ich habe mich schon gefragt, wann wir endlich auf dieses Thema zu sprechen kommen.

„Kein Problem“, murmle ich leise und sehe überall hin, nur nicht in seine Richtung. Aber das scheint genau das falsche zu sein, denn plötzlich ist er ganz Ohr.

„Sullivan?“ Dieser drängelnde Colonel - Unterton gefällt mir so gar nicht.

„Ja?“ Vorsichtig schiele ich in seine Richtung, während meine Finger inzwischen weiß angelaufen sind.

„Was weiß ich noch nicht?“

Ne Menge? Ich weiß einfach nicht wo ich anfangen soll, deshalb sehe ich vermutlich auch aus wie ein Fisch auf dem Trockenen.

„Liz?“

„Vor ein paar Tagen“, beginne ich langsam und darauf bedacht, dass jedes Wort vernünftig durchdacht ist, „den Abend, als Sam und ich… als ich aus dem Zelt gelaufen bin?“ Ein grobes Schnaufen ist meine Antwort, jedoch bleibt jeder beißender Kommentar aus. „Na ja“, beeile ich mich hastig fortzufahren, „jedenfalls war ich wütend und bin in die Pyramide gelaufen.“

„Und?“

„Na ja, wie bereits erwähnt, ich war wirklich sauer und habe aus Wut gegen die Wand und alles geschlagen. Was ich eigentlich damit sagen will, irgendwas hat auf mich reagiert. Licht flackerte auf und ein Summen hatte die Luft erfüllt.“

Angespannt beiße ich auf meine Lippe und warte auf den Sturm, der ja bekanntlich nach der Ruhe kommt.

Und ich warte.

Und warte.

„Soll das heißen, dann hat diese ganze Nummer nix mit der Tatsache zu tun, dass ich mal meinen Kopf in so ein Ding gesteckt habe?“

Öhm… nö? Keine Ahnung. Offensichtlich nicht. „Soll das heißen ich kann gehen?“

Sein Gesicht verzieht sich zu einer angespannten Grimasse. Er hadert noch immer mit sich selbst. Soll er wirklich das Schicksal in meine ungeschickten Hände legen? Wenn ich die Wahl hätte, würde ich auch nicht mit offenen Armen mir diesen Auftrag zuteilen. Ganz bestimmt nicht, aber im Moment bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Und ich erkenne, wie seine Schultern leicht zusammensacken, dass er zu derselben Erkenntnis gekommen ist.

„Sie holen die Informationen und dann bewegen Sie Ihren hübschen Hintern wieder hier hin.“ Ich nicke knapp, was soll ich sonst auch tun? „Und Sie machen nichts kaputt, stürzen nicht irgendwo ein oder fassen etwas an, von dem Sie keine Ahnung haben.“

Wieder nur ein Nicken.

„Haben Sie noch die Waffe?“

Mit einem weiteren Nicken ziehe ich das Metallding aus meinem Halfter am Bein. Schweigend und mit Nachdruck nimmt er sie mir weg und ersetzt sie mit einer anderen Waffe. Einer Waffe, die ich schon bei den anderen gesehen habe und die so gar nicht wie von Menschenhand gefertigt ausschaut. Bestimmt irgend so eine Errungenschaft von ihren molekularen Reisen durch das Wurmloch.

„Das ist eine Zat.“

„Zat?“

„Ja, Abkürzung für Zat’ni— kl – tikel - was auch immer. Zat eben.“

„Ah okay.“ Ich drehe das Ding vorsichtig in meiner Hand und beäuge es von allen Seite. Und dann – von der einen Sekunde auf die andere – schießt das Ding leicht nach oben. Schockiert und vollkommen verschreckt will ich das Ding schon fallen lassen, aber Jack drückt es mir zurück in die Hand.

„Jetzt ist es aktiviert. Ein Schuss lähmt, der zweite tötet und der dritte spielt David Copperfield.“ Ein schiefes, zaghaftes Grinsen zeichnet seine Lippen. „Also passen Sie auf, worauf Sie schießen – falls Sie es müssen.“

Ich setze jetzt mal ganz stark auf das ‚falls’. Denn mal ganz ehrlich Leute, ich würde, bevor ich überhaupt nur einen Schuss tätigen kann, vermutlich ohnmächtig zu Boden fallen. Also, falls da irgendwelche Würmer rumlaufen sollten, haben sie mit mir ein leichtes Spiel. „Was tun Sie in der Zwischenzeit?“

„Oh… ich werde hier etwas rumsitzen… und rumsitzen und die Stellung halten. Ein paar Goa’uld abschießen, wenn sie sich an meinem Vorrat zu schaffen machen sollten und na ja… hier rumsitzen.“ Aber ich verstehe.

Und so will ich keine weitere Zeit verlieren. Also stecke ich die Zat ein und krabble in Richtung Öffnung. Die Hälfte des Reisverschlusses ist bereits offen, als ich hinter mir eine Stimme höre.

„Sullivan. Vergessen Sie nicht so gut es geht immer in Funkkontakt zu bleiben.“ Natürlich, und was will er tun, wenn mir was passieren sollte? Zu Hilfe kommen kann er ja schließlich nicht, aber dennoch nicke ich ihm lächelnd zu. „Ach, bevor ich es vergesse.“ Ich seufze einmal leise. So werde ich hier niemals wegkommen. „Nehmen Sie das mit.“ Er hält mir eine Uhr entgegen, die er sich von seinem Handgelenk genommen hat.

„Was soll ich damit?“ Verwundert starre ich auf die Digitalanzeige. Ne Uhr habe ich auch selbst.

„Darin befindet sich ein Kompass. Falls Sie sich mal verlaufen sollten.“

Dass ich dann auch absolut nichts damit anfangen kann, verschweige ich ihm lieber. Und so ersetze ich sie mit meinem bereits schon zehn Jahre alten Antikstück.

„Viel Glück und seien Sie vorsichtig.“

„Danke. Sie auch.“

Und das ist das letzte Wort, welches ich mit ihm wechsle, bevor ich hinaus in die Dunkelheit stürme, während um mich herum in der Ferne der Kampf noch lange kein Ende gefunden hat.


weiter: Kapitel 4
Kapitel 4 by Destiny
Teil 4

Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass diese ganze Aktion total hirntot ist? Ich kann einfach nicht begreifen, wie er mich wahrhaftig hierhin schicken konnte! Es muss die pure Verzweiflung aus ihm gesprochen haben.

Keuchend taste ich mich an der Wand entlang. Aus Gründen, die ich nicht weiter hinterfragen möchte, leuchten seitlich bläuliche Lichter auf, womit mir die Last mit einer Taschenlampe herumzulaufen erspart bleibt. Stattdessen umklammere ich mit meiner freien Hand die Zat und versuche gleichermaßen den Schmerz in meinen Bein und allen Knochen drum herum zu ignorieren. Ich kann es mir jetzt nicht leisten schwach zu werden. Nicht jetzt. Ausgerechnet jetzt, wo ich eine wirklich wichtige – lebenswichtige – Aufgabe habe, zollt mein Körper seinen Tribut.

Vorsichtig schlurfe ich an der Wand entlang, als mein Schuh plötzlich gegen etwas stößt, dass bei der Berührung über den staubigen Boden rutscht und dabei kratzige Geräusche von sich gibt. Überrascht beuge ich mich nach unten und erkenne, dass dort nichts Geringeres als Daniels Kamera liegt. Behutsam hebe ich das Gerät auf und drehe es in meiner Hand. Es scheint unbeschädigt zu sein und schnell schalte ich sie aus, bevor noch mehr von den Batterien unnötig verbraucht werden und setzte meinen Weg fort. Die schnelle Aufwärtsbewegung lässt mich für einen Moment schwindelig inne halten, als sich ein leises Pochen in meinem Kopf ankündigt. Das kann ich jetzt echt nicht gebrauchen.

Und so lasse ich das Pochen, Pochen sein und schiebe mich schließlich mit zitternden Beinen bis zum Durchgang, wo ich inne halte und mich lediglich an all die schlechten Krimis erinnern kann, von denen ich jemals in meinem Leben Zeuge wurde. Wie haben die das immer gemacht? Mit gezogener Waffe nach allen Seiten umdrehen? Gott, was würde ich dafür geben, wenn jetzt jemand hier wäre, die mir sagt, was ich zu tun habe.

Nachdem ich mit geschlossenen Augen stumm bis zehn gezählt habe, schnelle ich um die Ecke und stolpere in den anliegenden Raum. Zu meinem Glück befindet sich hier kein Fremdkörper, zu meinem Pech, stehe ich gerade nur Zentimeter vor einem schwarzen Abgrund entfernt. Hastig stolpere ich zwei Schritte nach hinten, bis ich sicher gegen die Wand gepresst stehe.

Wow… das war knapp.

Das ist alles so gottverdammt überwältigend. Gigantische Säulen sprießen aus dem Nichts und enden irgendwo im Nirgendwo. Der logische Teil meines Verstandes sagt mir, dass das natürlich unmöglich ist. Wie kann etwas, was sich in einem begrenzten Raum befindet unendlich sein? Eine Frage, die die Wissenschaft seit Jahrhunderten beschäftigt. Spiegel. Mein Vater hatte immer gesagt, Spiegel seien das große Geheimnis. Da wäre keine kosmische Wissenschaft im Spiel, meinte er. In der Geschichte der Maya ist nicht besonders viel darüber bekannt, aber auch hier wurden so einige Spiegeltricks eingesetzt. Dad hatte mir mal erzählt, dass er einen entlegenen Tempel in Belize entdeckt hatte, der für die Gebete der Priester diente. Der Hacken an der Sache war schlichtweg, dass zwischen dem Platz, wo sich der Priester auf den Boden kniete und dem einzigen Eingang eine Kluft lag. Es war unmöglich mit einem Sprung oder einer gerissenen Kletteraktion lebend auf die andere Seite zu gelangen. Laut alter Überlieferungen sollte es eine Glaubensfrage darstellen. Der Trick hinter dem ganzen Theater ist allerdings, dass mit Hilfe von gezielt eingesetzten Spiegeln, die hohe Decke reflektiert wurde und es den Anschein erweckte, dass man vor einem gigantischen Abgrund stand.

Allerdings glaube ich kaum, dass das hier eine Glaubensfrage ist. Vielleicht steckt ja irgendein Trick dahinter das Gemäuer über mir so hoch wirken zu lassen, aber das trifft bestimmt nicht auf den Abgrund zu. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, wie tief die sein können.

Mit einem leichten Zittern, tasten meine Finger nach der kalten Wand hinter mir, um auf den glatten und sauber verarbeiteten Steinen irgendwo Halt zu finden. Es ist ein erbärmlicher Versuch und könnte mir im Ernstfall nicht einmal das Leben retten. Erst jetzt erlaube ich es mir einen Blick auf das Detail zu werfen. Mechanisch, wie ein Scanner, wandern meine Augen durch die schummrige Dunkelheit. Verschwommene Umrisse werden sichtbar und erst jetzt erkenne ich mehr als lediglich eine tiefe Schlucht, die mir Angst einjagt. Die Stelen, die noch vor zwei Minuten wirr und durcheinander im Raum standen, ergeben jetzt ein Muster. Denn nach und nach wird deutlich, dass sie durch Brücken miteinander verbunden sind. Langsam wandert mein Blick zu den Übergängen, um nach einen möglichen Weg zu suchen. Und dann sehe ich ihn. Genau vor mir. Hastig suche ich mit einer nervösen Hand in meinen Taschen nach einer Taschenlampe. Ich brauche unbedingt mehr Licht, denn das, was ich erahne, will ich mir lieber im Hellen ansehen. Und so wandert mein Lichtstrahl in die besagte Richtung. Als ich die Brücke sehe, atme ich einmal tief durch. Na toll. Irgendwie scheinen mich diese Dinger nahezu zu verfolgen. Nicht nur, dass diese Dinger die unangenehme Angewohnheit haben unter mir einzubrechen, nein, hinzu kommt noch, dass es mich jedes Mal immense Überwindung kostet eine zu betreten.

„Nie nach unten schauen, Lizzy“, ertönt plötzlich die ruhige Stimme meines Vaters in meinem Kopf. Ich sehe sein Gesicht vor mir, wie er mich beruhigt anlächelt, als wir vor über zwanzig Jahren in einer nicht unähnlichen Situation waren. Ein erbärmliches Abbild einer Holzbrücke war unser einziger Weg über den reißenden Manatee Fluss. Einige der Holzplatten glänzten mit ihrer Abwesenheit und ich hatte die oberste Regeln aller Regeln gebrochen. Ich hatte hinunter gesehen.

„Lizzy, hör mir zu, jetzt atmetest du tief durch. Dir kann nichts passieren. Ich bin bei dir.“ Ich glaubte ihm. Er war mein Vater. Wer vertraut denn nicht seinem Vater? „Furcht, Kleines, ist dein größter Feind.“

Und ich bin gegangen. Als sich mein Blick wieder klärt, schaue ich hinüber zu der mir vorliegende Aufgabe. Es ist keine Holzbrücke. Keine Bretter fehlen, alles sieht stabil aus. Ich habe jetzt genau zwei Möglichkeiten. Erstens, ich überlasse meiner Furcht die Oberhand und kehre wieder zurück und gehe damit das Risiko ein den anderen nicht zu helfen, oder zweitens, ich bezwinge meine Angst und setze meinen Weg fort.

„Die Furcht ist dein größter Feind“, murmle ich die Worte meines Vaters. Und es soll mich der Teufel holen, wenn daran alles scheitern soll! Also schiebe ich meine Füße zu dem Übergang. Noch während meine Hände nach einem sicheren Halt suchen, verlagere ich vorsichtig mein Gewicht auf meinen rechten, vorstehenden Fuß, um auch wirklich sicher zu gehen, dass die Brücke stabil ist. Zu meiner unendlichen Erleichterung ist sie es. Wenn es einen Gott dort oben gibt, dann bitte stehe mir bei.

Denn jetzt gibt es kein Zurück mehr. Als ich meinen ersten Schritt wage, wünsche ich mir nichts sehnlicher als das jetzt mein Vater am meiner Seite wäre. Dann würde ich mich sicher fühlen. Oder von mir aus auch irgendeine andere Person. Aber diese erdrückende Einsamkeit ist alles andere als eine Motivation.

Und obwohl mein Herz wie wahnsinnig in meiner Brust pocht, das Blut durch meine Ohren rauscht, versuche ich meinen Blick geradeaus zu halten. Ich darf nicht nach unten sehen. Wie hatte Neil Armstrong es doch gleich so treffend formuliert? „Es ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Menschheit.“? Ja, jetzt streicht mal Menschheit und ersetzt das Wort durch meinen Namen, dann habt ihr eine ungefähre Vorstellung davon, was hier gerade in mir vorgeht.

Ich wage es nicht nach hinten zu blicken, aber dann höre ich es. Erschrocken halte ich inne, um zu lauschen. Neben meinem flachen Atem kann ich es ganz deutlich heraushören. Es ist wieder da. Ein Summen. Ein Summen, welches immer lauter wird. Mein Blick wandert hastig neben mich, über mich, überall hin und als ich dann zum zweiten Mal in meinem Leben die Regel breche, erkenne ich, wie langsam unter mir Lichter anfangen zu leuchten. Eins nach dem anderen erwacht zum Leben, bis sie schließlich weiter hochklettern, über meinen Kopf hinaus und meine Augen ihnen folgen. Und noch während mich ein weißbläuliches Licht umgibt, schnappe ich hörbar nach Luft.

Ich befinde mich in einer „schwebenden“ Halle. Die Brücken sind die einzigen Verbindungen, sie sind auch der einzige Boden unter meinen Füßen. Während in symmetrischer Annordnung Bahnen von Lichtplatten den Raum erfüllen, fließt zwischen den Platten Wasser die Wand hinunter. Und wenn man genauer hinschaut kann man erkennen, wie sich dahinter Einbuchtungen befinden. Ich frage mich, ob es einem möglich ist, da irgendwie heranzukommen. Als ich es schließlich wage einen weiteren Blick hinunter zu werfen, wird mir erst das ganze Ausmaß klar. Der Raum unter mir scheint ovalförmig zusammenzulaufen und irgendwas Helles, Lautes, Brummendes scheint sich dort unten zu befinden. Vielleicht irgendeine Maschine? Wenn ich ehrlich bin, bin ich nicht besonders scharf drauf das herauszufinden. Also setze ich den Rest meines Weges über die Brücke mit zaghaften und tastenden Schritten fort. Am liebsten wäre ich auf allen Vieren gekrochen.

Aber mit einem Klammergriff um das Geländer hat es auch funktioniert, bis ich schließlich im Zentrum des Raumes stehe. Erleichtert atme ich einmal tief durch und bemerke erst da, dass ich mich auf einer achteckigen Plattform befinde von der jeweils von den vier vertikalen Kanten weitere Pfade zu den anderen Seiten des Raumes führen. Sie enden vor Durchgängen, die durch einen schimmernden Schutzschild versperrt sind. Klasse, ich bin umgeben von ziellos reisenden Transportern. Ich krieg gleich ne Krise! Diese Dinger werden noch mein Untergang sein. Bei meinem Glück lande ich vermutlich noch bei Tom in Madrid. Tja, das wäre dann wohl die Gelegenheit ihn einmal sprichwörtlich über die ganze Weltkugel zu treten. Aber ich habe jetzt ganz andere Probleme, obwohl mein Herz bei den Gedanken an Tom und der Grund, weshalb ich eigentlich hier gelandet bin, ganz schwer wird.

Doch ich schüttle diesen Gedanken aus meinen Kopf. Wenn ich jetzt anfange darüber nachzudenken, kriege ich hier gar nichts mehr auf die Reihe, also Contenance bewahren. Und genau das tue ich auch! Einmal tief durchatmen und dann wollen wir uns doch mal ansehen, was wir hier feines haben.

Die Schaltkonsole, vor der ich stehe, leuchtet wie der Rest des Raumes bläulich auf, nur einzelne Symbole heben sich in einem gelb davon ab. Genau wie die Plattform, auf der ich gerade stehe, ist die Form ebenfalls achteckig, alles eben nur eine Nummer kleiner. Hinzu kommt, dass sie in vier Teile aufgeteilt zu sein scheint. Und zwar genau in die Richtungen, in denen auch die Transporter stehen. Na was für ein Zufall. Vorsichtig lege ich eine Hand auf eine Schaltfläche, während ich meine Augen schließe und versuche mich zu konzentrieren. Du hast es schon einmal irgendwie geschafft, also wird das hier doch ein Kinderspiel sein. Ich habe leider nur so gar keine Ahnung auf worauf ich mich eigentlich konzentrieren soll und deshalb versuche ich es einfach mal mit einem Lageplan.

Als ich leises statisches Zischen höre, öffne ich meine Augen. Ich glaub mich tritt ein Pferd, aber es hat doch tatsächlich geklappt! Über der Konsole erleuchtet ein Hologramm, welches mir vermutlich nur einen Teil des Komplexes zeigt. Wenn ich jetzt noch genau wüsste, wo sich der Palast befindet, wäre die Suche reichlich einfacher. Und sollte mir da nicht vielleicht meine Karte und der Kompass in der Uhr helfen? Also ist Technologie doch nicht alles, wie?, sinniere ich amüsiert, während ich meine kleine, zerfledderte Karte aus meiner Gesäßtasche ziehe, um sie auf der Konsole auszubreiten. Schon bald hat mein Auge mein Ziel gefunden. Ist schon eine komische Sache, wie ich mich auf alten, schnöden Karten mit Leichtigkeit zurecht finde, ich aber ein vollkommenes hilfloses Wrack bin, wenn ich vor irgendwas stehe, was auch nur im Entferntesten mit Technik zu tun hat. Ich bin ja schon heilfroh, dass ich meinen Videorecorder programmieren kann. Ich seufze leise, wenn Sam jetzt hier wäre, dann hätten wir jeden einzelnen Standpunkt in Nullkommanichts gefunden. Sie hätte sich mal eben so ein Programm aus dem Ärmel geschüttelt und alles wäre in Butter gewesen, aber man kann ja schließlich nicht alles haben, also muss ich es wohl auf die altmodische Art und Weise machen.

Und so studiere ich eingehend die Karte, vergleiche Koordinaten und Himmelsrichtungen und durch ein eigen ausgeknobeltes Ausschlussverfahren komme ich schließlich zu einem Ergebnis. Wie es aussieht hat der Osten gewonnen. Und Osten ist von meiner derzeitigen Position rechts von mir, also müsste ich laut Adamriese den Transporter zu meiner Rechten benutzen, um den Palast zu finden und herauszufinden, wo sich die drei befinden. Hört sich doch ganz einfach an.

Mit neuer Zuversicht und einen passenden Lächeln auf den Lippen, schreite ich einen Schritt nach rechts und wiederhole diese ganze Konzentrationsnummer.

Mit zusammengekniffenen Augen murmle ich die ganze Zeit über: „Palast, Palast, Palast, Palast…“ Bis ich schließlich einen Grundriss und einige großzügige Schriftsätze erkenne. Oh Mann, auf den ersten Blick ist das alles nur Chinesisch für mich. Und wenn Sam schon mal hier wäre, dann könnte sie doch glatt noch eben ein Übersetzungsprogramm schreiben, damit würde das hier alles etwas schneller gehen. Das Schlimme an der Sache ist ja nicht, dass es alles Antikisch ist, nein, muss dieser Text denn unbedingt wie im Zeitraffer an mir vorbeirasen? Wie soll man da auf die Schnelle etwas verstehen? Aber dieses minder kleine Problem rückt augenblicklich in den Hintergrund als auf dem Bildschirm rote Punkte aufleuchten – und das nicht gerade zu knapp. Und mitten in dem Gewimmel tummeln sich zwei blaue Punkte, zusammen mit einem roten Punkt auf einem Haufen. Also, wenn mich meine Logik nicht ganz im Stich gelassen hat, dann müssten die roten Punkte die Goa’uld sein und die blauen Sam und Daniel. Der dritte rote Punkt direkt neben ihnen kann dann nur noch Teal’c sein – zumindest gehe ich mal davon aus. Gott sei Dank! Ich habe sie gefunden und noch viel wichtiger, sie leben! Sonst würden ja wohl kaum ihre Energiesequenzen gelesen werden können, oder? Ich merke sprichwörtlich, wie sich eine ganze Lawine von Steinbrocken von meinem Herzen löst. Ich fange gleich vor Erleichterung an zu heulen!

Okay, Liz, jetzt denk nach, versuche ich mich wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen. Für irgendwelche Sturzbäche ist auch später noch Zeit. Also, was zuerst? Ohne große Umschweife schnappe ich mir die leicht lädierte Kamera und beginne, bevor ich auch nur an etwas anderes denken kann, das hier in den Kasten zu bekommen. Wer weiß, wozu es noch mal gut sein wird? Mit langsamen und bewussten Bewegungen lasse ich die Kamera durch den gigantischen Raum schweifen, bedacht darauf jedes noch so kleine Detail einzufangen. Wenn das nur meine Leute sehen könnten! Die würden Purzelbäume schlagen! Und so ist der Adrenalinstrom, der meine Blutbahnen durchrauscht eine willkommene Motivationspumpe. Der Hoffnungsschimmer am Horizont erscheint plötzlich wieder viel heller. Sie leben und wir kommen hier wieder alle heile raus. Nur um diesen Gedanken auch körperlich zu bestätigen, nicke ich einmal kräftig mit dem Kopf. Ja, ab jetzt kann es nur noch besser werden.

Noch während mir meine innere Stimme jegliche Aufmunterungen zusäuselt, die ihr gerade einfallen, greife ich mit der anderen Hand nach dem Funkgerät. Ich sollte schleunigst den Colonel informieren, damit wir schon bald unseren Schlachtplan ausarbeiten können. Ein Grinsen huscht über meine Lippen. Jack ist Profi. Ihm wird irgendwas Geniales einfallen, wir marschieren da rein und kommen alle zusammen wieder raus.

Mensch, Liz, aber sonst geht’s dir gut, ja? Sag mal, in welcher Welt lebst du eigentlich? Utopia?, meckert die Vernunft in mir.

Klingt alles zu utopisch? Mag sein, aber im Moment dränge ich die Stimme der Vernunft in die hinterste, dunkelste und staubigste Ecke meines Kopfes. Wenn ich da jetzt mit Vernunft dran gehe, sehe ich bereits mein Kartenhaus in sich zusammenstürzen. Und wenn das wirklich passiert, dann bin ich unter aller Garantie ein seelisches Wrack. Also, bleib wo du bist und wage es nicht wieder herauszukommen, bevor ich es gesagt habe.

„Jack? Können Sie mich hören? Hier ist Liz“, plappere ich aufgeregt in das Funkgerät.

Ungeduldig tippt mein Fuß auf und ab, während ich im leichten Rauschen auf eine Antwort warte. „Sullivan?“, dringt schließlich seine Stimme durch.

„Ja. Ja“, nicke ich wild mit dem Kopf, auch wenn er es nicht sehen kann. „Ich glaube, ich habe sie gefunden.“

„Sie glauben es?“ Könnte er mal bitte mit diesem ständigen ‚Glauben oder Wissen’ – Quatsch aufhören? Steht irgendwo auf meiner Stirn geschrieben, dass ich die Weisheit gepachtet habe?

„Also, ich…“, beginne ich und beiße auf meine Unterlippe, als mein Blick noch einmal zu den Punkten wandert. Doch, sie sind es. Wie groß sind wohl die Chancen, dass sie es nicht sind? In einem Haufen von parasitären Schlangen? „Ich bin mir sicher“, sage ich schließlich mit mehr Zuversicht. Ja, sie sind es.

„Wo sind sie?“ Selbst durch das Funkgerät und den bespickten Rauschen kann ich seine Sorge, aber auch neue Hoffnung heraus hören. Mit einem Lächeln in meiner Stimme, lasse ich ihn nicht lange auf seine Antwort warten.

„Sie sind im Palast.“ Was, wenn man es genau nimmt, auch keine wirkliche Überraschung ist.

„Der ist groß.“

Natürlich ist er das!, will es aus mir herausplatzen, aber stattdessen rollt nur ein brummender Seufzer über meine Lippen. Da haben wir es wieder, Mr. Pessimismus kommt zum Vorschein. Ich habe die Pläne des Palastes vielleicht bis auf die Grundmauern studiert. Zumindest von dem Teil, der bereits freigelegt wurde! Mensch, ein bisschen mehr Vertrauen wäre schon nett. Immerhin kann ich behaupten, dass ich schon einmal da gewesen bin. Trotzig schiebe ich meine Unterlippe nach vorne. Doch meine anfängliche Verstimmung gerät ins Schwanken, als ich erkenne, dass der Grundriss des Antikerbereiches (und das ist nun einmal der Teil, der mir hier angezeigt wird) sich eventuell doch ein wenig von dem des Palastes unterscheidet. Immerhin sind die Antiker zuerst hier gewesen. Die Maya haben den Palast erst viel später gebaut und vermutlich nicht nach dem Muster, wie es die Glühwürmchen vorgegeben hatten. ABER, erinnere ich mich, das ist kein Grund in Panik zu geraten. Ich weiß zumindest, wie man von oben dort hinkommt – oder zumindest in den Bereich.

„Ja, ist es“, sage ich schließlich nach zwanzig geschlagenen Sekunden des Schweigens. „Aber wir können es eingrenzen. Sie befinden sich im hinteren Teil. Wenn es uns gelingt durch den ursprünglichen Eingang hinein zu kommen, weiß ich den Weg.“

Ein leichtes Lachen ist meine Antwort. „Da wird es vermutlich nur so vor Jaffa wimmeln. Es muss noch einen anderen--“

Und dann ist die Verbindung unterbrochen. Aber nicht durch eine Störung oder ein Rauschen, er ist einfach nicht mehr da. So als ob er es ausgeschaltet hätte. Was soll denn das? Unbeholfen schalte ich durch die einzelnen Kanäle und versuche jeden einzelnen von den dreien aus. Keine Antwort.

„Jack?“

Schweigen im Walde.

Okay, das wird mir jetzt langsam unheimlich.

Ich spüre bereits den Schatten der Angst, der sich langsam und unaufhaltsam in mir ausbreitet. Mein ganzer Körper ist vollkommen angespannt, jeder einzelne Muskel zittert vor Anspannung. Beim besten Willen, ich kann mich nicht bewegen. Es klappt einfach nicht. Wie erstarrt stehe ich auf der Stelle, wartend, lauschend. Aber ich höre nichts weiter als die rasenden, schwirrenden Stimmen in meinem Kopf. Ein Orchester des Chaos. So viele Stimmen auf einmal, die alle die perfekte Lösung haben. Renn, versteck dich!, schreien die einen, während die anderen dagegen mir sagen, dass ich kein Feigling sein soll. Es ist deine Pflicht dem Colonel zu helfen. In einem Team hilft man sich gegenseitig. Man lässt niemanden allein. Es ist beängstigend. So muss sich also jemand fühlen, der Tag ein, Tag aus von diesen unsichtbaren Begleitern umgeben ist. Ich will, dass sie aufhören. Sie sollen aufhören zu schreien. Ich will wieder denken können, ich will wieder einen klaren Kopf haben! Unsinnigerweise presse ich meine Hände gegen meine Ohren, doch alles nützt nichts. Sie kreischen munter weiter. Keiner von ihnen denkt auch nur im Geringsten daran die Klappe zu halten.

Aber so weit kommt es gar nicht. Denn es sind nicht die Stimmen, die mich zum Handeln bewegen, es ist nicht mein eigener Wille, der mich aus der Starre herausraust, es ist das knallende, ratternde Geräusch, welches mich plötzlich umgibt. Um mich herum hallen Schüsse unaufhörlich in der Luft. Getrieben von Angst und Schrecken, kauere ich mich instinktiv mit den Händen über den Kopf auf den Boden. Sekunden des Schocks vergehen, bevor ich anfange zu verstehen, dass nicht auf mich geschossen wird. Hier ist niemand mit einem Gewehr. Die Schüsse kommen aus dem Funkgerät.

Zitternd und ganz langsam, blicke ich auf, das Funkgerät umklammert von meiner kalten Hand. Ich kann hier nicht einfach bleiben. Ich muss etwas tun. Er hat doch keine Chance. Ich meine, er ist verwundet! Wie um Gottes Willen will er sich da verteidigen? Die Jaffa wissen nicht, dass ich noch hier bin. Ich könnte das zu meinen Vorteil benutzen. Ja, der Vorteil ist auf meiner Seite. Die Überraschung ist mein.

Tief durchatmend greife ich nach der Zat. Jetzt kommt’s drauf an. Mit einem leisen Zischen aktiviere ich die Waffe, während ich mich auf den Rückweg über die Brücke mache.

Als es nur noch ein paar Schritte sind, bis ich wieder sicheren Boden unter den Füßen habe, werden mir zwei Sachen ganz deutlich klar. Erstens, jeder, der jetzt oben an dem Eingang steht, wird das Licht sehen und wissen, dass sich hier unten noch jemand befindet und zweitens, sollte ich mich erst einmal im Gang befinden, gibt es keine Möglichkeit mehr Schutz zu suchen. Dort gibt es keine verwinkelten Nischen und selbst, wenn das Licht hier drinnen erlischt, strahlt der Vollmond genug Helligkeit aus, damit genug verräterische Schatten ausgemacht werden können.

Kaum habe ich den letzten Schritt gemacht, schließe ich konzentriert meine Augen und murmle die Worte immer wieder und wieder: „Licht aus, Licht aus, Licht aus.“ Es kostet einiges an Anstrengung, als ich endlich das erlösende Geräusch eines verstummenden Summens höre. Jetzt bin ich wieder in beängstigender Dunkelheit getaucht. Und diesmal hilft mir auch keine Taschenlampe. Aber das ist kein Problem, rede ich mir ein. Ich habe mich schon oft an irgendwelchen dunklen Orten aufgehalten. An Orten, die weitaus gefährlicher waren. Wie bei einem Blinden schärft sich der Rest meiner Sinne bis zum Äußersten. Geräusche erhallen gestochen scharf in meinen Ohren, die Nervenenden meiner Finger zucken und trotz der Lichtarmut in meiner Umgebung formt sich das Bild neu in meinem Kopf. Umrisse werden vor meinem inneren Auge sichtbar.

Und dann erreiche ich den Durchgang. Ich brauche jetzt nur noch um die Ecke zu gehen und mein Versteck aufzugeben. Aber bevor ich eine Entscheidung treffe, lausche ich. Darauf wartend, dass mir irgendwas, irgendjemand ein Zeichen gibt. Mir irgendwie sagt, was ich zu tun habe. Und ich muss nicht lange warten.

Stimmen in einer unmenschlichen Sprache ertönen über mir. Sie hallen zu mir herunter und klingen alles andere als erfreut.

„Talbet! Ke’i!“

„Ke’i dich doch selbst.“ Oh nein, der Colonel.

„Kree!“

„Hey!“ Aber weiter kommt er nicht, denn egal, was er auch noch hinzufügen möchte, die Worte werden von einem markerschütternden Schrei unterbrochen. Ein Schrei so tiefgehend, dass ich beginne wie Espenlaub zu zittern und mich mit zusammengekniffenen Augen auf den kalten Boden und gegen die Wand presse. Meine Arme umschlingen meinen Körper. Alles schreit in mir zu ihm zu rennen, ihm zu helfen, ihn aus diesen Qualen zu befreien, aber ich kann nicht. Mein Körper weigert sich zu reagieren, während langsam der Schmerz zu erstickenden Lauten verstummt.

Obwohl ich weiß, dass für einen Augenblick alles still ist, höre ich sie noch immer. Ich denke nicht, dass ich jemals in meinem Leben so schreckliche Laute gehört habe.

„Schafft ihn weg“, befiehlt eine grausame Stimme und ich weiß, dass der Colonel den Kampf verloren hat. Ich bin jetzt auf mich gestellt. Ein beklemmendes Gefühl erfasst mich, drückt in mir meinen Hals zu. Ich ersticke sprichwörtlich an meiner Angst und Hilflosigkeit. Was soll ich denn jetzt nur tun? Ich habe ehrlich gesagt eine Scheißangst den Jaffa in die Hände zu fallen. Und wenn die Jaffa nur halb so schlau sind, wie ich denke, dann werden sie in wenigen Minuten den Durchgang hier gefunden haben und ich sitze auf dem Präsentierteller. Das kann ich nicht zulassen. Sie wissen nicht, dass ich hier bin und ich will mich nicht verraten.

So schwer es meinen Knochen auch fällt, ich zwinge sie dazu sich in Bewegung zu setzen. Ich habe jetzt genau vier Möglichkeiten hier raus zu kommen. Einer der Transporter wird mich in Sicherheit bringen. Angestrengt versuche ich in der Dunkelheit etwas auszumachen, während ich von einem kalten Schauer erfasst werde. Ich kann nicht sagen, ob es ein Luftzug oder lediglich meine nackte Angst ist. Schritt für Schritt schleiche ich so schnell ich kann zurück zu der Brücke.

Wenn ich drüber nachdenke, dann glaube ich, ist es lediglich der tief sitzende Schock, der meine Höhenangst verdrängt, denn schon bald merke ich, dass ich wieder auf der Plattform bin. Doch ich habe nicht besonders lange Zeit mir einen der Transporter auszusuchen, denn gerade als ich dabei bin in meinen Gedanken eine Münze zu werfen, höre ich bereits die ersten Schritte. Die scheppernde Ankündigung hallt von dem Durchgang zu mir herüber und ich weiß, dass es nur noch Sekunden sind, die mich davon trennen entdeckt zu werden. Und so fackle ich nicht lange und renne weiter zu dem Übergang links neben mir. Ich weiß, dass er nicht zum Palast führt, aber dermaßen gut ist mein Tastsinn nun auch nicht ausgeprägt. Dieser ist der nächste Übergang und ich bin mir sicher, dass es noch einen an deren Weg zum Tempel gibt. Aber den kann ich schlecht finden, wenn ich nur noch Fischfutter bin.

Gerade als ich vor dem wabbernden Schutzschild zum Stehen komme, höre ich die Stimmen. Mist, sie kommen! Ohne lange zu zögern betätige ich den Schalter, von dem ich noch weiß, dass er sich neben der Tür befindet und betrete hastig den Transporter. Hinter mir leuchtet die Anzeige auf. Ich habe keine Ahnung, worauf ich drücken soll und im Moment ist mir das auch herzlich egal. Hauptsache ich komme hier lebend raus, also drücke ich meine Hand großzügig verteilt auf die Anzeige. Das vertraute Zischen ertönt, als sich neben mir die Wand öffnet und ich hastig eilend nach draußen stolpere. Sicherheit! Für’s erste bin ich erst einmal in Sicherheit. Ich schaue noch über meine Schulter und sehe wie sich der Transporter hinter mir schließt, der Schutzschild hat wieder seinen gewohnten Platz eingenommen.

Erst jetzt erlaube ich es mir einmal tief durch zu atmen, während mein Blick die Umgebung erkundet. Leicht lege ich meinen Kopf schief… Mich laust der Affe, aber war ich hier nicht schon mal? Jetzt, wo die anfängliche Angst von mir fällt, klärt sich der Nebel in meinem Kopf. Sicher, ich kenne diese Empore, dieser Gang an der Brüstung, der unweigerlich zu einer großen Treppe führt. Und während ich leicht meinen Kopf schüttle, setze ich mich in Bewegung. Diesmal sind es keine zaghaften, vorsichtigen Schritte, sondern ich renne regelrecht in Richtung Treppe. Denn direkt gegenüber davon befindet sich dieser Kontrollraum. Vielleicht gibt es da ja doch noch etwas Nützliches zu holen.

Leicht außer Atem bleibe ich im Kontrollraum stehen und sehe mich etwas hilflos um. Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Kurz besinne ich mich und mache mich auf den Weg zu der Konsole an der Wand. Wenn ich mich noch recht erinnere, war es so etwas wie eine Radarstation. Nach kurzem hin und her in meinem Kopf, welcher Knopf denn gedrückt werden will, betätige ich schließlich den runden ganz außen. Und wie es aussieht, war es die richtige Entscheidung. Denn jetzt taucht vor mir ein System auf. Obwohl ich kein Genie auf dem Gebiet bin, sieht es unserem Sonnensystem verdammt ähnlich. Wenn da nicht diese ständig aufleuchtenden roten Punkte wären, würde mich das hier alles ein wenig mehr beruhigen. Es sind nicht die roten Punkte per se, die mich nervös machen, es ist viel mehr ihre Anzahl. Es sind sechs… nein, jetzt sind es acht leuchtende Punkte. Verdammt, da kommen wir doch nie wieder raus! Selbst ich sehe, dass das nur noch mehr Hiobsbotschaften sind und wie es aussieht, bin ich die einzige, die hier noch draußen herumläuft. Wenn ich nur an die Auswirkungen denke, die damit verbunden sind, wird mir regelrecht schlecht.

Erschöpft lasse ich mich einem Schritt nach hinten in den Sessel fallen. Das ist einfach zu viel für mich, denn erst jetzt wird mir eines wirklich bewusst. Die Entscheidung des Colonels mich hier runter schicken, war eine Chance für Sam und die anderen, aber zugleich auch ein Schutz für mich. Er wusste, dass die Jaffa über kurz oder lang unser Lager finden würden. Und er hat auch gewusst, dass er gegen sie keine Chance hatte, sondern mir nur etwas Zeit verschaffen konnte. Heiße Tränen brennen in meinen Augen, während ein Kloß in meinem Hals mir das Schlucken verbietet. Ein erschütterndes Zittern erfasst meinen Körper, während ich meine Knie an meine Brust ziehen und meine Stirn darauf ablege. Der Colonel hat sich für mich geopfert. Schluchzend schnappe ich nach Luft.

Es ist ein so abgrundtiefer erschreckender Gedanke solch eine Verantwortung zu tragen. Für die Anderen mag das vielleicht etwas vollkommen Normales sein, aber mir jagt der Gedanke, dass das Leben meiner Freunde jetzt auf meinen Schultern lastet, eine verdammt große Angst ein. Ich weiß wirklich nicht, ob ich dem bereits gewachsen bin! Was ist, wenn ich einen Fehler mache? Wenn ich durch mein Handeln alles nur noch schlimmer mache? Aber ich habe gar keine andere Wahl, oder? Sicher, ich könnte mich hier unten verstecken und warten bis alles sein Ende nimmt, aber könnte ich mich dann noch mit reinen Gewissen im Spiegel betrachten, wenn ich weiß, dass durch meine Feigheit Menschen gestorben sind? Ich weiß sehr wohl, dass es viel leichter ist einfach davon zu laufen – so machen wir Menschen das doch für gewöhnlich, nicht wahr? Wir rennen vor dem Unbekannten, vor allem was uns Angst macht, davon.

Ich kenne die Antwort auf diese Fragen. Ich würde meines Lebens nicht mehr glücklich werden, wenn den anderen irgendwas passieren sollte und so gibt es nur einen Weg. Einen Weg, den ich ganz alleine beschreiten muss.

Und so schniefe ich einmal, wische mir mit meinem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und atme einmal tief durch. Ich werde es zumindest versuchen. Ich werde nicht aufgeben ohne es zumindest versucht zu haben. Also drücke ich mich hoch und gehe erneut zu der Konsole. Auch wenn ich alles noch durch einen Schleier der Tränen sehe, suche ich nach einer Möglichkeit, wie ich ihnen so schnell wie möglich helfen kann. Vielleicht gibt es hier ja irgendwo einen SOS Signal? Etwas was man aussenden kann, wenn man in der Sackgasse steckt? So etwas muss es einfach geben. Und so stöbere ich durch die gewaltige Datenbank auf der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.

Aus Sekunden werden Minuten und mich beschleicht langsam das Gefühl, dass das hier reine Zeitverschwendung ist. Daniel hat selbst gesagt, wie gewaltig das Wissen der Antiker ist und dass wir noch nicht einmal angefangen haben an der Oberfläche zu kratzen, wie soll es mir da gelingen etwas in diesem Durcheinander zu finden? Doch ich weiß auch, dass ich nicht einfach los marschieren kann und alleine gegen eine ganze Horde von außerirdischen Schlangen antreten kann. Das wäre reinster Selbstmord und würde niemanden etwas bringen. Es ist doch im Grunde ganz simpel. Die Antiker waren ein Teil der großen Allianz und es muss doch noch irgendjemanden dort draußen geben, der ihnen hilft! Ich hoffe nur, dass noch nicht alle von ihnen in den Ruhestand gegangen sind.

Und so suche ich unbeirrt weiter, bis mir plötzlich ein Wort ins Auge springt. Asgard. Moment, waren sie nicht auch eine Rasse der Allianz? Tief unten in meinem Bauch spüre ich ein aufregendes Kribbeln, als ich jetzt ganz langsam alles durchsehe. Meine Lücken in Sachen Antikisch sind noch verdammt groß, aber zumindest kann ich einen groben Zusammenhang erkennen. Natürlich würde alles viel schneller gehen, wenn Daniel jetzt hier wäre, aber da muss ich jetzt allein durch.

Okay, okay… ich hoffe nur, ich habe das hier jetzt nicht falsch verstanden. Denn mal ganz unter uns, für Laien ist das hier nicht gerade geschrieben. Noch ein paar Klicks und ich denke das war’s… hoffe ich zumindest. Denn irgendwie erscheint weder eine Bestätigung noch eine Fehleranzeige und so kann ich vermutlich nur hoffen. Ich bete inständig, dass uns hier jemand unter die Arme greift, bevor das ganz große Chaos ausbricht.

Aber ich glaube nicht, dass das hier reicht. Es ist ja gut und schön auf Hilfe von außen zu hoffen, sicher ist es nicht. Ich sollte noch an irgendwas kommen, was mir einen Vorteil verschafft. Ich lache bitter auf, als ich an unseren Plan denke, den wir geschmiedet haben. Er ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Jetzt bringt er uns eh nichts mehr. Selbst wenn ich Sams Schiffchen finden würde, ich kann so ein Ding nicht fliegen. Aber darüber will ich jetzt nicht weiter nachdenken, denn ich sollte hier nicht mehr Zeit verbringen als nötig und so schaue ich mich ein letztes Mal um, damit ich auch nichts übersehe. Ich sollte mich auf die Suche nach irgendeiner Waffe oder irgendeinem anderen Gerät begeben und das schleunigst.

Vorsichtig schiele ich an der Tür hinaus. Ob die Goa’uld ebenfalls die Technologie der Antiker benutzen können? Falls ja, hätte ich ein Problem. Okay, dieser Komplex ist groß – gigantisch – aber über kurz oder lang werden wir uns dann wohl zwangsläufig über den Weg laufen und darauf kann ich nun wirklich verzichten. Aber dann auch wieder, nur weil sie ihre Waffen und Technologie von den Antikern adaptiert haben, heißt das noch lange nicht, dass sie auch die Fähigkeit besitzen sie zu nutzen, oder?

Zumindest sehe und höre ich nichts. Also begebe ich mich schnell die Treppe hinunter und gönne mir einen ausführlichen Blick durch den Raum. Erst jetzt fällt mir auf, dass unter dem Vorsprung der Treppe es noch weiter geht. Dort befinden sich ebenfalls Türen und Durchgänge. Wo die wohl hinführen mögen? Wie hoch stehen meine Chancen wohl, dass ich außerhalb dieser Türen etwas Sinnvolles finde? Also wird es wohl niemanden stören, wenn ich mich auch hier noch einmal umsehe.

Und so trete ich in den großen Schatten der Treppe, um hoffentlich schon bald eine rettende Lösung zu finden.


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Im Gegensatz zu den monströsen Hallen, durch die ich sonst gestolpert bin, kann man das hier als einen soliden, normal großen Raum betiteln. Und spartanisch eingerichtet ist er auch nicht. Ganz im Gegenteil, das hier kommt einem Wissenschaftslabor verdammt nahe. Tischreihen durchziehen den Raum, äußerst merkwürdige Geräte stehen an der einen oder anderen Stelle und selbst die Wände sind mit Monitoren und Schaltflächen bepflastert.

Als ich mit langsamen und bedachten Schritten weiter das Labor betrete, frage ich mich, wo ich hier eigentlich gelandet bin. Und genau diesen Moment sucht sich der Mechanismus dieses Komplexes aus, um mir meinen Weg zu erhellen. Gott sprach es werde Licht…

Und nicht nur, dass ich jetzt im hellen, weißen Licht getaucht stehe, nein, so beginnen ebenfalls die Apparate an der Wand und vor mir zum Leben zu erwachen. Vereinzelt piepst und blinkt etwas auf und ich frage mich noch einmal, wo bin ich hier nur gelandet? Es ist ein Widerspruch in sich, wie etwas so altes so fortschrittlich sein kann. Und ich kann mit all dem nicht das Geringste anfangen. Nicht, dass es mich nicht interessieren würde – okay, ich bin zugegebenermaßen kein großer Fan von diesem ganzen Technikkram – aber jetzt könnte ich das ganze Fachgesimpel ganz gut gebrauchen. Ich weiß noch nicht einmal wonach ich eigentlich suchen soll!

Schließlich bleibe ich vor einem der Tischreihen in der Mitte des Raumes, auf der ein merkwürdiger Kasten liegt, stehen. Der Klotz ist einfach nur ein Klotz. Auf der Oberfläche wird er von zwei breiten Linien durchzogen, die leicht in das Material eingekerbt sind, aber ich habe nicht den leisesten Schimmer, wozu man es benutzen könnte.

Zaghaft berühren meine Fingerspitzen die glatte, kühle Oberfläche. Gespannt warte ich darauf, dass etwas passiert, aber bis auf ein Kribbeln und einem Leuchten ist nichts zu sehen. Weder wirklich enttäuscht noch großartig erleichtert, ziehe ich schließlich meine Hand wieder zurück und beginne mich weiter in diesem Labor um zusehen. „Mensch, Sammy, wo bist du nur, wenn man dich braucht?“, rede ich mit mir selbst, als ich meine Hände in die Hüften stemme und mich einmal im Kreis drehe. Wo soll ich bloß anfangen?

Doch dann fällt mein Blick auf etwas Schimmerndes in der hinteren Ecke des Raumes. Neugierig wie ich bin gehe ich drauf zu. Und erkenne erst jetzt, dass es die einzige Wand ist, an der es weder piepst noch blinkt. Merkwürdig und gerade deswegen interessant.

Es ist nur eine schmale Wand, gerade mal so groß, dass man sich hindurch schieben könnte, was für mich allerdings kein Hindernis ist. Und viel mehr schief gehen kann jetzt nun wirklich nicht mehr. Sollte ich durch meine Aktivierung irgendwas auslösen, habe ich wohl kaum eine Chance aus diesem Komplex zu entkommen. Mal abgesehen davon, dass das hier ein Labyrinth ist, wimmelt es oben nur so von Jaffa-Wachen. Oh, und natürlich wäre da noch die Sache mit dem Erdbeben. Tja, sich hier unten zu verirren, würde mich also ebenfalls einsperren. Und so schleicht sich eine gewisse Gleichgültigkeit in meine Entscheidung. Egal für welche Variante ich mich auch entscheide, jede hat ihre Schattenseiten.

Deshalb ist es auch kein Wunder, dass meine Hände bereits die Wand abtasten. Natürlich ist es mir nicht egal, was mit mir passiert, aber jede Entscheidung trägt ihre Konsequenzen und diese hier habe ich mir ausgesucht. Lange brauche ich nicht zu warten, denn schon wenige Sekunden nach meiner Berührung und meinem stummen Flehen, dass die Wand vor mir doch jetzt bitte die Güte hätte einfach zu verschwinden, tut sie es auch. Sie verkriecht sich zischend in der anliegenden Wand. Und wieder einmal können Gedanken Berge versetzen, denn als ich erst einmal den Raum dahinter betrete (ja, ihr habt richtig gehört), stehe ich wie angewurzelt und leicht röchelnd an meinem Platz. Oh ja, mein Psychiater wird einen Haufen Geld an mir verdienen. Kopfschüttelnd sehe ich mich um.

Links und rechts neben mir zieren ein großes Arsenal an Geräten die Wände. Wenn mich nicht alles täuscht, dann sind es Waffen. Kleine, große, winzige, gigantische, das gesamte Spektrum ist vertreten. Geräte, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Diese Glühwürmchen sind doch immer für eine Überraschung gut. Frei nach dem Motto „Erst mit kleinen Brötchen backen“ fallen zunächst die winzigen bis kleinen Geräte in mein Augenmerk. Das erste Gerät hier ist sogar ziemlich lustig, denn es sagt mir so rein nichts. Es ist rechteckig und passt perfekt in meine Handfläche, so als ob es nur für mich angefertigt wurde. Als es in meiner Hand liegt, erleuchtet das Display und ein paar Linien und ein blinkender Punkt wird sichtbar. Hm, ich gehe ein paar Schritte nach vorne und der Punkt bewegt sich in die besagte Richtung. So ein ‚Sensor – ich - erfasse – dich’ – Gerät. Mit einem nagenden und gebeutelten Gewissen stecke ich es ein. Ich würde nicht direkt sagen, dass ich es stehle, ich leihe es mir lediglich aus und mal ehrlich, 'ne Anzeige wird mich wohl kaum erwarten.

Und so setze ich meine Inspektion fort. Nach ein paar Minuten bin ich stolze Besitzerin von ein paar wirklich außerordentlichen Schmuckstücken. Ein kleiner Würfel zum Beispiel, der eine Miniausgabe des Sockels vor der Pyramide darstellt. Mit so vielen Hilfsmitteln, muss es schon an ein Wunder grenzen, wenn ich hier verloren gehe – hoffe ich zumindest. Dann gibt es da noch so ein paar andere Kleinigkeiten, die ich noch nicht so recht definieren kann, aber sie sehen nützlich aus. Irgendwelche Kapseln. Des Weiteren dürfen sich auch Waffen zu meinem Besitz zählen, was auch die großzügigen Brandflecke auf dem Boden dokumentieren. Hey, jeder Anfang ist schwer und irgendwo musste ich sie ja schließlich testen.

Während ich das Überraschungsei verlasse, komme ich mir vor wie Lara Croft. Von oben bis unten bespickt mit Waffen und Technokram. Das ist also aus mir geworden. Sämtliche Vorsätze haben sich innerhalb einer Woche sprichwörtlich verabschiedet. Was man in seiner Verzweiflung nicht alles tut. Mit einem Kopfschütteln verdränge ich diesen Gedanken. Hier geht es nicht darum, was ich für Opfer bringen muss, hier geht es viel mehr darum alles zu tun, damit es keine weiteren Opfer gibt. Und dafür ist nichts schlecht genug. Aber jetzt sollte ich wirklich langsam von hier verschwinden. Denn ein flüchtiger Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich im Grunde schon viel zu lange unter der Erde bin. Ich habe wirklich keine Lust ein weiteres Beben hier zu verbringen. Wenn ich jetzt noch eine Möglichkeit finde unbemerkt in den Palast zu gelangen, mache ich drei Kreuze.

Der Sicherheit halber kehre ich auf den Weg zurück, den ich gekommen bin, also per Transporter. Sicher ist sicher. Bei mir kann man nie wissen. Mein Blick schweift ein letztes Mal durch das Labor und den darauf folgenden Kontrollraum. Ich denke nicht, dass ich diesen Ort je wieder sehen werde. Deshalb will ich alles einfangen, alles in mich aufnehmen. Das Gefühl von einer plötzlichen Taubheit befallen zu werden, erfasst mich. Meine Glieder sind schwer. Das ist alles so verdammt deprimierend. Auch wenn mein Durst an Abenteuer bereits über mein Limit hinausgestiegen ist, fällt es mir schwer all das der Zerstörung zu überlassen.

Au weiha, da fällt mir ein… wann sollte doch gleich das ganze C4 hochgehen? Jap, ich sollte so schnell wie möglich von hier verschwinden. Mit einem letzten Blick in Richtung der gigantischen Türen, verabschiede ich mich von diesem Monument. War schön, wenn auch etwas gefährlich, bei euch.

Hastig und mit zwei Stufen auf einmal nehmend sprinte ich die Treppe hinauf. Wenn das C4 hochgeht und das irgendeine Kettenreaktion auslöst, dann ist alles umsonst gewesen. Und ich bin nicht besonders scharf drauf hier zu sein, um es persönlich mitzuerleben. Leicht außer Atem bleibe ich vor dem Transporter stehen, während meine Hand nervös auf den Knopf an der Wand drückt. Eines haben diese Transporter und unsere Fahrstühle gemeinsam. Sie brauchen alle eine Ewigkeit. Auch wenn die Wartezeit nicht mehr als eine Sekunde gedauert hat, erscheint mir der Vergleich doch mehr als passend. Aber kaum haben sich die Türen geöffnet, stehe ich vor dem nächsten Problem. Ich weiß nicht mehr genau, wo ich hergekommen bin. Sicher, ich kann das Gebiet eingrenzen, aber ich weiß nicht, wo sich die Halle befindet. Verzweifelt starre ich auf die einzelnen Punkte. Wo zum Geier muss ich nur hin?

Irgendwo in den Wirrungen meines Gehirnes befindet sich die Antwort, aber was mir jetzt fehlt ist ein klarer Kopf und ich glaube nicht, dass ich den bekomme. Dafür ist in den letzten Stunden, nein Minuten, einfach zu viel passiert. Ich bin noch immer im Verarbeitungsprozess. Also tue ich das einzige, was mir in diesem Moment einfällt. Ich drücke einfach blindlings auf einen der Punkte.

Als sich die Tür erneut öffnet, weiß ich, dass ich hier definitiv noch nicht gewesen bin. Denn vor mir befindet sich weder eine große Halle, noch ein Labor oder ein anderer Raum. Vor mir erstreckt sich ein nicht enden wollender Korridor. Na super. Es ist einer dieser Korridore, die bei zu niedrigen Blutzuckerspiegel und zu hohen Bluthochdruck erschwindelnde Ausmaßen annehmen können. Ich würde nicht direkt sagen, dass er schmal ist, aber wirklich breit ist er auch nicht. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass dies nichts zu sagen hat. Egal wie breit oder eng so ein Korridor auch sein mag, stürzt er in sich ein, ist das Ergebnis dasselbe.

Zwei Tage. Es sind zwei ganze Tage ohne Essen und Trinken gewesen, die ich unter den eingestürzten Trümmern vor zwei Jahren ausgeharrt habe. Durch eine vulkanische Eruption war einer der Tempel in sich zusammen gestürzt und ich hatte das große Glück mich genau in einen dieser Gänge zu befinden. Mein Team konnte sich retten, doch die Bergungsarbeiten dauerten eine Weile. Ich habe es überlebt. Offensichtlich. Zahlreiche Verletzungen, ein gebrochener Arm und eine gewaltige Gehirnerschütterung. Aber neben sonstigen Kratzern und Abschürfungen ging es mir gut. Da sollte man doch meinen, dass ich für den Ernstfall gewappnet bin.

Allerdings wird mich dieses Wissen nicht länger als nötig hier unten halten. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung wo ich bin und ich kenne mich ebenso wenig mit C4 Sprengsätzen aus. Geschweige denn von Vorhersagen irgendwelcher Beben. Ich habe keine besondere Lust all das am eigenen Leib zu erfahren.

Und noch während mir immer und immer wieder genau diese Gedanken durch meinen Kopf rauschen, beschleunigt sich mein Schritt. Ich wünschte, ich könnte jetzt einen Sprint hinlegen, aber sowohl meine Verletzungen als auch der pochende Schmerz in meinen Körper hindert mich dran. Immer wieder stütze ich mich mit meiner Hand an der Wand ab, um durch die Stoßkraft schneller voran zu kommen und ich weiß nicht, ob es lediglich Einbildung ist, aber ich habe das Gefühl, dass ich dadurch wirklich an Tempo zulege. Ich hoffe nur, dass dieser Gang auch irgendwo ein Ende findet. Ein gutes Ende. Irgendwas, was mich hier raus bringt. Und Gott, ich hoffe, ich bin noch irgendwo in der Nähe des Palastes.

Eine Mischung aus meinen hallenden Schritten und einen merkwürdigen unterschwelligen Ton sind neben meinen stoßendem Atem die einzigen Geräusche, die mich umgeben. Doch ich registriere sie kaum. Denn meine Konzentration ist einzig und allein darauf gerichtet einen Schritt nach den anderen zu tun. Mein zusätzliches Gepäck macht es mir wahrhaftig nicht einfacher, aber diese paar Kilo bringen mich nun auch nicht mehr um.

Und gerade als ich keuchend und pfeifend nach Luft schnappe, richte ich unbewusst meinen Blick auf die linke Wand. Bisher habe ich nichts anderes außer diesem endlosen Gang gesehen, doch als ich einen Blick über meine Schulter werfe, erkenne ich, dass ich noch gar nicht so weit gekommen bin. Ich kann noch immer den Transporter sehen. Mist! Wütend haue ich einmal gegen die Wand. In diesem Schneckentempo werde ich es nie schaffen. Ich muss irgendeine Abkürzung finden.

Während meine Zungenspitze meine wunden und brennenden Lippen berühren, wische ich mir hastig den Schweiß von der Stirn. Die Luftzirkulation hier drin ist ein absoluter Alptraum. Ich bin klatschnass, meine Kehle ist sandtrocken und wie ich zu meinem Leidwesen feststellen muss, habe ich meine Wasserflasche im Lager liegen gelassen. Seufzend und stöhnend rolle ich mich mit meiner Schulter gegen die Wand ab, um die andere Hand ebenfalls frei zu haben, damit ich nach einem der Geräte suchen kann, die ich habe mitgehen lassen. Dieses merkwürdige Handgerät ertaste ich zuerst und ziehe es aus meiner Tasche. Meine Gedanken gelten nur einen Ausweg hier heraus zu finden und als ich sehe, wie mein Lebenszeichen als Punkt auf dem Display abgebildet wird, erkenne ich zum ersten Mal ein System dahinter.

Mein Blick wandert zwischen dem Display und dem Korridor hin und her. Ja, es gibt eindeutig Ähnlichkeiten und ein paar Meter vor mir soll es angeblich eine Biegung nach links geben, mit einem anliegenden Raum. Vielleicht sollte ich mir das mal ansehen.

Auch wenn meine Knochen Zeter und Mordio schreien, zwinge ich sie dazu sich weiterer Belastung auszusetzen. Mit dem Ziel diese Biegung und den Raum dahinter zu finden, schlurfe ich weiter, bis ich schließlich auf die andere Seite taumle und genau wie das Gerät es mir gezeigt hat, gelange ich in einen Raum. Für nur eine Sekunde erlaube ich es mir die Augen zu schließen, bevor ich mich in den Raum schiebe.

Ich habe keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber ein leerer Raum ist es nicht. Enttäuscht will ich mich schon gegen die Wand sinken lassen, während mein Blick ein zweites Mal den Raum streift und dann sehe ich es. Direkt vor mir, im Boden, befinden sich Ringtransporter. Gut, Liz, was genau hat der Colonel gemacht, um diese Dinger zu aktivieren? Schnell schweift mein Blick über die Wand, bis ich schließlich die Schalttafel entdecke. Besinnung ist eine Tugend… und ich hoffe einfach mal, dass ich es richtig mache.

Aber das werde ich wohl erst sehen, wenn ich weiß Gott wo angekommen bin. Also setze ich alles auf eine Kappe, drücke die Knöpfe, die grell im schummrigen Licht aufleuchten und zerre mich in die Mitte des Raumes.

Und noch während ich erschöpft meine Augen schließe, umgibt mich ein weißes, blendendes Licht.


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Die plötzliche Dunkelheit ist ein kompletter Kontrast, doch das registriere ich nur am Rande, als mein Körper auf den steinigen Boden sackt. Benommen taste ich mit meinen Händen die Umgebung ab und kann die unvergleichbare Oberfläche von Kalksteinen ausmachen. Ich muss mich irgendwo in oder in der Nähe einer Pyramide aufhalten.

Mit einem leichten Kopfschütteln und dem Wunsch es doch lieber sein gelassen zu haben, blinzle ich schließlich und erkenne, warum es noch so dunkel ist. Ich bin weder in einer Pyramide noch liege ich direkt davor. Eisige Nachtluft umgibt meinen ungeschützten Körper und ich kann die Umrisse eines Plaza ausmachen. Eine weitere Stätte. Eine, von der ich mir sicher bin, sie noch nicht gesehen zu haben. Natürlich kann ich das jetzt nur schwer erkennen, aber wenn hier schon jemals jemand gewesen war, dann würde es dafür deutliche Anzeichen geben. Beleuchtete Ausgrabungsabgrenzungen oder eine umgebaute Touristenattraktion. Stöhnend setzte ich mich auf und als ich erneut meinen Blick über den kleinen Fundort schweifen lasse, kann ich schon praktisch Marcie, John, David und mich diese kleine Stätte ausgraben sehen. Wir würden einfach wieder von vorne anfangen und mit einem leisen Seufzen werde ich diesen Gedanken mal in meinem Hinterkopf behalten. Wenn ich jetzt nur noch die Gelder zusammenbekomme, könnte das hier unser neuer Arbeitsplatz werden. Ein kleines Lächeln umspielt meine Lippen bei diesen Gedanken. Wie in alten Zeiten. Wenn ich hier raus bin, sage ich mir und schwelge bereits in meinen Zukunftsträumen, als diese plötzlich durch ein Knacken gestört werden.

Es könnte alles Mögliche sein. Die Nacht und der Dschungel bergen eine Menge von Geräuschen, aber irgendwas ist anders. Irgendwie sagt mir meine Erfahrung, die bereits während meiner gesamten Kindheit wachsen durfte, dass das keine Geräusche sind, die zum Dschungel gehören. Es sind fremde Geräusche, wie von Eindringlingen.

Schritte, die eindeutig näher kommen. Wenn ich noch lange warte, dann kann ich mich nicht mehr auf den Schutz der Dunkelheit verlassen. Und so tue ich das einzige, was mir einfällt. Ich laufe in genau der entgegengesetzten Richtung aus der die Schritte kommen. Stolpernd und leise fluchend eile ich über den kleinen Plaza, kurz erwäge ich sogar die Möglichkeit die Pyramide hinauf zu klettern, aber bei diesen Stufen und meiner Unwissenheit über die Stabilität der Steine, lasse ich das lieber und folge dem Weg um die Pyramide herum.

„Da’nai!“, höre ich plötzlich die Stimmen ganz deutlich. Oh verdammter Mist… Ich halte sprichwörtlich in meiner Bewegung inne. Wie das Reh im Scheinwerferlicht „Na’binim!“ Diese Stimmen sind verdammt nahe. Ich wünschte, ich könnte sie verstehen. Jetzt bräuchte man diesen Übersetzerfisch, den es im „Per Anhalter durch die Galaxie“ gibt.

Hastig überschlage ich meine Chancen noch unbemerkt im Dickicht zu verschwinden und erkenne, dass sie schwindend gering sind. Die Jaffa müssen bereits bei der Pyramide sein und vermutlich habe sie auch die Ringe gesehen. Mist! Und dann fällt mein Blick auf meine Rettung. Nur einen Meter von mir entfernt.

Einmal tief durchatmend gehe ich hinüber zu der Cenote. Ein hübsch anzusehender Brunnen mit einer grausamen Vergangenheit. Dort wurden zu Maya Zeiten die Menschenopfer dargebracht. Ob da nun die menschlichen Überreste oder die Menschen lebend hinein geschmissen wurden, ist eigentlich vollkommen egal. Auch machten die Maya keinen großen Unterschied, ob es nun eine Jungfrau oder ein Krieger, ein Kind oder ein normaler Bauer gewesen ist. Opfer war Opfer. Und damals war es sogar eine Ehre geopfert zu werden. Na, für ein Leben in Saus und Braus will ich das auch mal meinen. Und dennoch kann ich mich noch nicht so ganz mit dem Gedanken anfreunden ebenfalls freiwillig dort hinunter zu gehen. Aber als Kanonenfutter will ich auch nicht enden.

Ächzend schiele ich einmal in den so oder so schon dunklen Abgrund, als ich meine Beine über den Rand zerre und auf den Steinen sitzen bleibe. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich das hier tue. Chaac – der Regengott (damals wurde Yucatán von regelmäßigen Dürren erfasst, also kein Wunder, dass Chaac besondere Bedeutung genoss) – wird sich freuen.

Auch wenn ich nicht so lebensmüde bin und blind links hineinspringe, taste ich mich ziemlich unsicher an den glitschigen Steinen hinunter. Mich kriegen keine zehn Pferde nach ganz unten! Nicht mit einem Schutzanzug und einer Atemmaske. Faulende und noch immer verweste Gase steigen zu mir auf. Gott, mir wird schlecht. Ich kann getrost davon ausgehen, dass man dort unten zahlreiche Knochen und Gebeine finden wird. Da beide meiner Hände, so wie meine Beine damit beschäftigt sind meinen Körper zu halten, muss ich mit dem Rest meiner Selbstbeherrschung dafür sorgen, dass mein Mageninhalt unterhalb meines Halses bleibt.

Sekunden der Ungeduld und des angespannten Wartens verstreichen, bis sie wirklich direkt neben der Cenote stehen bleiben. Ich krieg gleich nen Koller! Wie ein Klammeraffe hänge ich hier im Opferbrunnen und konzentriere mich darauf mich weder zu bewegen, noch zu atmen. Und bei Gott, Arme, Beine und alles andere in mir schmerzt. Alles schreit in mir nach Erlösung, aber die Angst hält mich fest. Wenn ich jetzt los lasse, dann wissen sie, dass ich hier bin und das ist vollkommen inakzeptabel. Aber ich muss mein Gewicht verlagern, denn jede Sekunde die verstreicht, rutscht meine linke Hand ein paar Millimeter weiter ab. Stumm zähle ich in meinem Kopf langsam bis drei und lasse los. Ziemlich hilflos hänge ich praktisch in der Luft und taste die Wand nach einem Stück vorstehenden Stein oder dergleichen ab.

Hektisch wandert mein Blick nach unten, wo ich die breite Öffnung der darunter liegenden Quelle ausmachen kann. Ich will wirklich nicht darunter, aber hier oben kann ich mich nicht mehr lange halten. Und ich weiß auch, dass ich mich anstelle. Denn neben Menschenopfern und anderen Ritualen dienten die Cenoten als Frischwassersystem und ich hoffe inständig, dass die Kerle über mir nicht schwimmen können!

Es ist eine Kletteraktion, der es keinerlei Worte bedarf. Vollkommen ungesichert und gefährlich. Mein früherer Professor würde mir eine Strafpredigt halten, die sich gewaschen hätte. „Niemals ohne Sicherung in eine Cenote abtauchen!“, hatte er uns immer und immer wieder gepredigt. Und jetzt weiß ich auch wieso.

Es kann nicht mehr weit sein, bis mein Fuß plötzlich ins Leere tritt. Und nu? Vorsichtig drehe ich meinen Kopf zur Seite und im blassen Mondlicht kann ich bereits die ersten Stalaktiten und Stalagmiten ausmachen. Ein Ergebnis Jahrtausendlanger Klimawechsel der Eiszeiten. Bei Tageslicht traumhaft schön und bei den Touristen ist ein Tauchgang wohl der Höhepunkt ihres Urlaubes. Ich kann es ihnen wirklich nicht verübeln, aber dann doch bitte nur mit Taucheranzug. Verzweifelt tastet mein Fuß weiter in der Dunkelheit bis ich schließlich einen relativ dicken Stalaktit erwische und meine Beine äußerst ungeschickt und unbequem herum schlinge. Lange können diese jahrtausend alten Stalaktiten mein Gewicht nicht halten, denn immer wieder kommt es vor, dass diese gigantischen Kristalle abbrechen und in das Wasser fallen.

Irgendwo in meiner Militärweste muss es doch etwas Nützliches geben… bis meine Finger endlich etwas ertasten. Es ist eines der Seile, wie man mir vorher erklärt hat, welches auch die Bergesteiger bei extremem Sportklettern benutzen. Einen Durchmesser von lediglich 9,8mm. Angeblich mit einer sehr hohen Sicherheitsstufe. Dann hoffen wir doch mal, dass es auch hält, was er verspricht. Etwas unbeholfen lege ich das Seil um meinen Körper und verknote es mit einem Spezialknoten, den mir mal mein Vater gezeigt hat. Er meinte immer dieser Knoten sei so wasserdicht, wie ein perfekter Mord. Schon seit Generationen in der Familie. Während ich das Ende suche und es an einer der etwas stabileren und deformierten Stalaktiten befestige, zerre ich einmal kräftig an meiner Konstruktion und bete bei Gott, dass sie hält!

Ganz vorsichtig und Millimeter für Millimeter lasse ich mich langsam hinab. Ha, das läuft doch super. Jetzt nur noch ein paar Meter und ich bin unten. War doch ganz einfach. Man sollte immer auf Holz klopfen, denn kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, durchfährt mein Seil ein plötzlicher Ruck. Das kann nur eines bedeuten… Panisch schießt mein Blick nach oben und ich sehe, wie sich meine Halterung langsam auflöst!

Oh Scheiße… Hastig versuche ich noch ein paar Meter zu schaffen, aber da ist es bereits zu spät. Ich weiß, dass ich relativ weich lande, dass das Wasser unter mir den Sturz teilweise abfangen wird, aber viel mehr Sorgen macht mir der dabei verursachte Lärm. Wenn die Kerle noch immer da oben stehen, werden sie spätestens nach dem Sturz wissen, dass ich hier unten bin. Und so bereite ich mich auf alles vor. Mein Blick klebt förmlich an dem Seil, wie es Stück für Stück unter meinem Gewicht abrutscht. Tief durchatmend schließe ich die Augen und bete für ein Wunder.

Doch leider sind Wunschdenken und Realität zwei vollkommen verschiedene Welten. Jedes noch so verzweifelte Gebet bleibt ungehört, denn als ein Knacken durch die Höhle hallt, weiß ich, dass es nur noch einen Weg gibt – den Weg nach unten.

Vom Sturz bis hin zu dem Moment, in dem ich im kristallklaren Süßwasser meine Augen öffne, sind nur wenige Sekunden vergangen. Ich habe eindeutig die niedrige Stelle erwischt, die gerne bei Touristen für das Schnorcheln benutzt wird. Mein Körper prallt trotz der Minderung des Wassers auf den Boden und ich bete, dass ich keine wertvollen Knochen oder dergleichen zerstört habe.

Erst nachdem ich nach Luft schnappend die Oberfläche durchbreche, werden meine Bewegungen ruhiger. Es ist nichts zu hören. Keine Stimmen, keine Schritte, niemand der Anstalten macht mir zu folgen. Etwas Gutes hat die Stelle hier doch, sollte ich irgendwas verloren haben, finde ich es schnell wieder. So dauerte es auch nur ein paar Minuten bis ich meinen kleinen Würfel und das Navigationsgerät wieder mein Eigentum nennen kann.

„Raus hier“, murmle ich und schaue gleichzeitig nach einem trockenen Plätzchen Erde. Es ist wahr, die Cenoten sind hauptsächlich mit Wasser gefüllt, aber Streckenweise kann man auch Abschnitte auf dem Trockenen zurücklegen und genau solch einen Abschnitt werde ich mir jetzt suchen.

Schon bald habe ich gefunden, was ich gesucht habe und hieve meinen klatschnassen Körper auf den kleinen Erdballen in der Nische der Grotte. Erst als ich mich gesetzt habe, lasse ich meine Augen wandern. Diese Grotte ist wunderschön. Einfach unglaublich zu welchen Kunstwerken die Natur in der Lage ist. Mein Blick wandert über die mit Stalaktiten besetzte Decke hinüber zum Wasser und zu den Stalagmiten, die die Wasseroberfläche durchbrechen und an manchen Stellen mit der Decke verschmelzen. Ich habe zumindest das Glück, dass das hier eine große Grotte ist, somit stehen meine Chancen um einiges besser auch unterirdisch noch irgendwo einen anderen Ausweg zu finden, meistens in einer anderen Cenote. Ein Problem hätte ich erst dann, wenn das hier lediglich eine Grube gewesen wäre. Aber dem scheint offensichtlich nicht so zu sein, denn neben mir befindet sich direkt eine Biegung.

Erschöpft lasse ich meinen Kopf gegen die Wand fallen und schließe meine Augen. Erneute Dunkelheit umgibt mich, während ich dem leisen Plätschern der fallenden Tropfen von der Decke lausche. Nichts weiter als da hallende Schwappen des Wassers und mein eigener Atem. Diese Ruhe ist so erfrischend und besänftigend. Ich merke regelrecht, wie alles von mir fällt. Die ganze Anspannung, einen Teil der Angst und der Druck. Nur für diesen einen Augenblick bin ich frei und ich genieße es. Denn schon allzu bald muss ich wieder da raus, auch wenn ich mich am liebsten hier unten verstecken würde.

Wie konnte ich nur hier unten klatschnass und mitten in der Nacht enden? Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, dabei hat alles erst vor einer Woche angefangen. Mein Telefonat mit Tom ist der Auslöser gewesen, meine Reise zu Sam hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich bin mir sicher, dass wenn ich Sam meine Arbeit nicht gezeigt hätte, ich jetzt nicht hier und die anderen nicht irgendwo anders festsitzen würden. Und alles nur wegen meines angekratzten Egos. Wieso konnte ich mich nicht für Tom freuen? Warum hatte es mich so wütend gemacht, dass er befördert wurde? Weil das etwa hieße, dass unsere Hochzeit nicht planmäßig ablaufen würde? Gott, Liz, mach die Augen auf! Aus einer Mücke einen Elefanten zu machen war schon immer deine Spezialität gewesen, nicht wahr? Ich habe mich so lange dran aufgezogen, dass es der Apokalypse in meiner Welt gleich gekommen war. Und ich könnte mich dafür selbst in den Hintern treten. Denn mal ehrlich, es ist doch absolut egal wo ich heirate, ob es nun in Spanien, Italien oder von mir aus in der Antarktis ist. Was für einen Unterschied macht das schon? Meine Beweggründe erscheinen mir jetzt so erbärmlich und trivial. Wie konnte ich nur so ein Idiot sein? Wie konnte ich nur zu lassen, dass ich den Mann, den ich aus tiefsten Herzen liebe, von mir weise? Wegen einer Beförderung?

Ein stummes Lachen klettert meine Kehle hinauf. Ich bin umgeben von Toten und das nur weil mein Ego größer als meine Vernunft war. Ein Zittern durchfährt meinen Körper und ich kann noch nicht einmal sagen, ob das jetzt von meinem innerlichen Lachkrampf oder der eisigen Kälte herrührt, die mich umgibt. Und es ist mir auch egal. Meine einzigen Ansätze sind es meine Beine näher an meinen Körper zu ziehen und gerade als ich meine Stirn auf meine Knie legen will, sehe ich, wie das erste Licht durch die Höhle bricht.

Die Sonne geht auf und taucht diesen Ort in eine wundervolle Oase des Lichtes. In Regenbogenfarben leuchtet glitzernd das Wasser, das schwarze Nass vor mir verwandelt sich in ein klares, strahlendes türkis.

Und während die Strahlen sich langsam ihren Weg weiter nach vorne tasten, füllen sich meine Augen mit stillen Tränen und brechen in einem leisen Schluchzen aus. Vermischt mit dem Süßwasser laufen sie meine Wange hinunter, während ich noch immer vollkommen überwältigt von der Schönheit der Natur dasitze.


+++++


Es müssen die Aufregung, der Stress oder vielleicht auch die Tränen gewesen sein – vermutlich alles zusammen – die mich schließlich ins Land der Träume haben abdriften lassen. Und dennoch ist es ein unruhiger Schlaf gewesen. Bilder und Geräusche geistern durch meine Träume. Der Schrei des Colonels, diese unheimlichen Schritte und das beklemmende Gefühl die Kontrolle zu verlieren. Ich bin um mein Leben gerannt. Davon gelaufen vor Lebewesen, die ich noch nicht einmal kenne.

Meine Fantasie ist äußerst ausgeprägt und ich glaube nicht an diesen Quatsch in die Zukunft sehen zu können, aber meine Gefühle und meine bisherigen Erfahrungen basteln mir ein Bild in meinen Kopf, welches mir nicht gefällt. Ein Bild voller Gewalt, Tod und Zerstörung. Meine Angst und Verzweiflung hier nicht mehr lebend herauszukommen trägt sicherlich ihren Teil dazu bei.

Gerade als ich sehe, wie ich vor meinem inneren Auge bewusstlos irgendwo hin geschleift werde, schrecke ich nach Luft schnappend auf. Hastig wische ich mir die Feuchtigkeit von der Stirn und drücke mich noch weiter gegen die Wand.

„Gott…“, stöhne ich auf, während meine sich Hände gegen mein Gesicht drücken. Ich werde hier noch verrückt. Mit beiden Händen fahre ich über meinen Kopf und streiche gleichzeitig meine Haare aus dem Gesicht. Ich bin dermaßen im Arsch.

Jetzt ne heiße Dusche und einen dampfenden Kaffee und ich wäre im Himmel. Doch während meine Augen stumm die glitzernde Reflektion an der Stalagmiten beobachten, wird mir klar, dass das noch warten muss. Ich sollte los. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich ungefähr drei Stunden verschlafen habe.

Ich glaube kaum, dass sich diese außerirdischen Möchtegerngötter in den Grotten hier unten auskennen. Was sie vermutlich nicht wissen, ist, dass die Grotten auch untereinander miteinander verbunden sind. Wenn ich Glück habe, kann ich in einer ganz anderen wieder herrausklettern. Vielleicht finde ich ja eine große Cenote und brauche einfach nur aus dem Wasser marschieren. Alles ist möglich im Land der Menschenopfer. Hier gibt es verschiedene Arten von Cenoten, einmal die die komplett im Untergrund liegen – so wie meine – dann noch diejenigen, die nur halb im Untergrund liegen und dann noch die anderen, die aussehen wie ein kleiner See oder Teich. Ja, wir hoffen auf letzteres.

Nachdem ich kurz meine Ausrüstung untersucht habe, mache ich mich daran den Untergrund zu erkunden. Einen Nachteil haben diese Cenoten allerdings schon. Sie sind wie Labyrinthe und hier kann man sich schneller verlaufen als in einem Irrgarten. Also, sollte ich mir wohl lieber eine Spur legen. Ich krame in meiner Hosentasche und finde ich mein Taschenmesser und mir tut es wirklich in der Seele weh diese antiken Grotten zu demolieren, aber mir bleibt keine andere Wahl.

Alle paar Meter ritze ich einen Pfeil in die Wand oder auf dem Boden. Wenn ich von hier aus einen Weg finde, besteht sogar die Möglichkeit einer Flucht.

Plätschernd und schnaufend hangle ich mich durch die Wirrungen. Konzentriert beiße ich meine Zähne zusammen, denn auch wenn ich mich hier nicht direkt im Salzwasser befinde, Süßwasser scheint auf meine Verletzungen auch nicht gut zu reden zu sein. Aber ich muss weiter, ich muss eine andere Cenote und dann einen Weg zum Palast finden.

Nach ungefähr einer halben Stunde gönne ich mir eine Pause und ziehe meinen kleinen Würfel zur Rate. Nachdem das Minihologramm vor mir aufleuchtet, erkenne ich zumindest, dass ich in die richtige Richtung gehe. Wenn ich jetzt nur noch wüsste, wo sich eine Cenote in der Nähe befindet – wenn es geht, nicht die, die direkt neben dem Palast steht, denn dann kann ich mir gleich einen Pfeil in Leuchtschrift aufkleben.

Dieses kleine Ding hier ist schon erstaunlich. Wie es wissen kann, was ich will ohne dass ich die Sprache spreche oder direkt verstehe? Mein kleiner Trumpf aus diesem ganzen Elend.

Dieser Marsch hier ist eine wirklich, wirklich feuchte Angelegenheit. Bis zu den Hüften stehe ich im Wasser und bemühe mich so schnell wie möglich voran zu kommen. Es kostet mich schon einiges an Überwindung die ein oder andere Errungenschaft, die sich hier unten versteckt, zu ignorieren. Gott, ich hoffe, wir kommen hier alle wieder lebend raus und ich kann hier bald arbeiten.

Langsam aber stetig schwindet unter mir der Boden und ich weiß, dass ich jetzt in einem Bereich bin, der nur so von Unterwasserhöhlen wimmelt. Tiere der verschiedensten Arten haben sich dort unten angesiedelt und ich bin mir sicher, dass, wenn man genau sucht den einen oder anderen kleinen Schatz finden kann. Jade, Gold oder andere wertvolle Funde. Hier unten gibt es alles. Ja, hoffentlich auch irgendeinen Weg nach draußen.

Während es um mich herum immer dunkler wird, die Sonnenstrahlen langsam versiegen, muss wohl meine Taschenlampe erhalten. Ein Schauer durchfährt mich und diesmal rührt er nicht von der Kälte oder dem Wasser her, es ist einfach nur das bedrohliche und zugleich fantastische Bild der Tropfsteine über mir, wie die wie Klauen oder Messer von der Decke hängen. Die Schatten, der von meinem Lichtkegel geworfen wird, lässt mich fast in dem Glauben, dass sie leben. Natürlich tun sie das, sie wachsen ständig, aber ich bilde mir bereits ein, dass sie sich sichtbar bewegen. Das pfeifende Geräusch des durchsausenden Windes macht die Sache nicht einfacher. Ich will hier wirklich raus. So schön und gut diese ganzen Cenoten auch sind, unheimlich bleiben sie mir trotzdem. Und wenn es nur der alleinige Gedanke an all die Toten ist, die sich unter meinen Füßen befinden. Das ist ja wohl Grund genug, um Alpträume zu bekommen. Deformierte Kinderschädel, die bereits im Säuglingsalter verformt wurden, damit sie dem Schönheitsideal entsprachen. Man hat den Kleinen Kopftragschlingen – in der Mayasprache als Tumpline bekannt – umgebunden, damit sich der noch relativ weiche Knochen dementsprechend anpasst. Ja, schon damals grassierte dieser Schönheitswahn, nur gab es da noch keine Narkose oder feine Messer. Grausam.

Ich muss wohl noch eine gute Stunde dort unten herumgeirrt sein, bevor ich vor mir ein Glitzern ausmachen konnte. Das beruhigende Geräusch von Wasserprasseln erfüllt die Höhle. Erst als ich mir auch ganz sicher bin, werden meine Schritte schneller und fordernder. Ich hab’s gefunden! Mit einem breiten Lächeln auf meinen Lippen, bleibe ich schließlich am Ausgang der Höhle stehen. Gott, endlich wieder draußen.

Vor mir plätschert ein kleiner Wasserfall in einen kleinen Teich. Ich war noch nie so erleichtert! Ohne nachzudenken, sprinte ich aus der Höhle in das Wasser vor mir hinein und bleibe unter dem Wasserfall stehen. Ich muss diesen ganzen Schmutz, den Gestank und einfach alles von mir waschen. Befreit breite ich meine Arme aus und lasse die Tropfen über mein Gesicht und Körper laufen. Meine Wunden und meine geschundene, von der Sonne verbrannten und von den Moskitos zerstochen Haut werden von all ihrem Ballast befreit. Sicher, meine Verletzungen schmerzen noch, aber das fließende, kalte Nass tut einfach gut. Symbolisch wurde ich gerade eben rein gewaschen.

Aber ich weiß auch, dass ich nicht allzu lange hier bleiben darf – aufgrund zahlreicher Umstände. Würmer oder andere Bewohner, die es lieben sich in offenen Wunden oder Öffnungen einzunisten. Mein nun abgewaschenes Blut zieht bestimmt in wenigen Minuten eine große Anzahl an fleischfressenden Kleinfischen (zum Beispiel Piranhas) an, aber auch einige Landbewohner mögen es nicht, wenn man in ihr Revier eindringt. Der Jaguar wäre da möglicherweise so eine Spezies. Sie sind die einzigen Katzen auf der Welt, die sich nie mehr als fünfhundert Meter von ihrer Wasserquelle entfernen. Vermutlich werde ich bereits beobachtet. Kein Grund ihnen auch noch die Gelegenheit dazu zu geben sich ihr Frühstück zu verdienen.

So sehr ich hier auch meine kleine Oase liebe, ich muss jetzt wirklich weiter. Tropfend, triefend und bis auf die Knochen durchnässt schleppe ich mich schließlich an Land. Ich hoffe nur, dass meine Gerätschaften so viel Wasser auch aushalten. Schnell überprüfe ich mein Arsenal. Alles scheint noch in seinem funktionierenden Zustand zu sein.

Im nahe liegenden Unterholz suche ich mir zuerst einen langen, stabilen Stock. Eines habe ich gelernt. Hier auf den Boden verstecken sich die gefährlichsten Zeitgenossen. Und bevor ich da rein trete, sollten sie lieber zuvor von dem Stock überrascht werden. Dann also weiter, laut meiner Informationen unserer außerirdischen Vorfahren, liegt der Palast in Richtung Westen. Zumindest kommt mir jetzt die Uhr mit dem eingebauten Kompass zu gute. Als ob Jack Hellseher ist.

Durch den großen Luxus hier quasi aufgewachsen zu sein, weiß ich, wie ich schnell und unbemerkt durch den Dschungel komme. Ich maße mir sogar an zu sagen, dass so mancher Soldat noch von mir lernen kann. Und so bleibe ich hinter einem großen Farn gehockt versteckt sitzen. Direkt vor mir steht er. Einer der schönsten Paläste, die je gebaut wurden. Ich weiß, ich bin schon einmal hier gewesen, aber ich komme aus dem Staunen einfach nicht mehr heraus. Schon alleine dieser Palast ist ein riesiger Komplex in sich. Einzelne Stelen ragen prachtvoll aus dem Dschungel heraus. Tempelanlangen – ein paar von ihnen sind verfallen, andere noch vollkommen intakt – zeichnen die linke Seite des Monstrums. Am imposanten Eingangsbereich führen die vertrauten hohen, aber schmalen Stufen in den ersten der elf Innenhöfe. Lediglich die Ausrüstung der Wissenschaftler hat bisher die Idylle zerstört.

Aber jetzt sind es nicht nur die Scheinwerfer, die das Bild trüben, sondern viel mehr die gepanzerten Wachen, die an nur jeden möglichen Eingang Stellung bezogen haben. Es wird kein Kinderspiel werden da hinein zu kommen.

Doch es ist noch etwas anderes, was absolut nicht ins Bild passt. Und erst jetzt wird mir das Ausmaß klar. Ich sehe zwar die Ausrüstung der Wissenschaftler, aber ich kann niemanden von ihnen ausmachen. Vielleicht wurden sie ja gefangen genommen? Die Antwort bekomme ich prompt, als mein Blick weiter wandert.

Oh mein Gott!

Eine zitternde Hand fährt zu meinem Mund, um einen Schrei zu ersticken. Neben den Leichen von ein paar Soldaten, liegen auch eine große Anzahl der Wissenschaftler. Ich kann von hier aus nicht ausmachen wie viele es sind, aber mein Gott… unschuldige Menschen! Das waren unschuldige Menschen! Sie hatten nichts mit all dem zu tun! Sie hatte noch nicht einmal eine Ahnung. Ihr verdammten Arschlöcher!

Verzweifelt fahren meine Hände über mein Gesicht zu meinen Haaren. Ich würde am liebsten ausbrechen, auf diese Schweine zulaufen und sie durchschütteln. Ich bin viel zu aufgewühlt als hier versteckt sitzen zu bleiben! Verdammt noch mal, aber das waren meine Freunde, meine Kollegen! Noch vor drei Wochen habe ich sie lebend gesehen und jetzt sollen sie tot sein? Ich kenne kein Lebewesen, welches so barbarisch ist. Als ob diese… diese Kerle kein Gewissen hätten.

Schluchzend wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht, ich darf mir jetzt keine Fehler erlauben und ich denke, dass ärgert mich am meisten! Ich kann absolut nichts dagegen tun. Wenn ich nicht noch das Leben der anderen Menschen in Gefahr bringen will, darf ich nichts tun und das kotzt mich gewaltig an!

Aber noch ist das Schreckenschauspiel nicht vorbei.

„Bradio!“, brüllt plötzlich jemand.

Mein Kopf schießt in die Richtung und ich kann sehen, wie ein ganzer Trupp von Jaffa auf den Palast zu kommen. Sie scheinen irgendetwas in ihrer Mitte zu haben, denn zwei von ihnen sind damit beschäftigt es zu tragen. Direkt vor dem Trupp versperren zwei weitere Jaffa ihnen den Weg. Die Worte, die gesprochen werden kann ich nicht ausmachen, aber als sich einer der Jaffa rührt, kann ich sehen, was sie in ihrer Mitte halten.

Oder sollte ich lieber sagen, wen?

Bewusstlos, mit dem Kopf auf der Brust hängend und die Beine schlaff am Boden liegend, wird Colonel Jack O’Neill von den Jaffa wie ein nasser Sack gehalten. Dieser Anblick ist absolut grauenhaft. Es schmerzt mir nicht nur in der Seele. So kraftlos und geschlagen. An seiner Schläfe klebt trockenes Blut und es sieht verdammt danach aus, als ob sie ihm so richtig zugesetzt hätten. Und wie ich den Colonel kenne, hatte er sicherlich nicht so schnell klein bei gegeben. Mein Blick wandert zu seiner Hose mit dem kaputten Bein und der Stoff ist blutgetränkt. Ich will mir gar nicht vorstellen, was sie ihm angetan haben. Ich will es wirklich nicht.

Zitternd schnappe ich nach Luft. Jetzt bin ich wirklich auf mich gestellt. Insgeheim hatte ich immer noch gehofft, dass es der Colonel irgendwie geschafft hatte, aber ihn jetzt so zu sehen, nimmt mir jegliche Hoffnung.

Leider komme ich nicht mehr dazu mich weiter in meine Hilflosigkeit und Ratlosigkeit hineinzureiten, als ich plötzlich ein Knacken hinter mir höre. Ein Knacken, das davon spricht, dass ein Ast zerbrochen wurde. Und gerade als ich zu einer meiner Waffen greife und herumwirble, sehe ich mich mit dem Waffenaufsatz einer offensichtlichen Stabwaffe konfrontiert.

Durch ein Zischen wird sie aktiviert.

Ich schlucke schwer.

Ich sitze in der Falle.


+++++


Mit einem plötzlichen Schrecken, schieße ich aus der duseligen Dunkelheit hinaus. Was für’n Alptraum. Ich habe mich konfrontiert gesehen mit einem Jaffa und seiner heiß geliebten Stabwaffe. Luft wird tief und lange in meine Lungen gepumpt. Ja, alles nur ein böser Traum. Ich habe zwar ein Blackout, was das Geschehen nach meiner Entdeckung des Palastes betrifft, aber alles nur ein Alptraum.

Nachdem sich der anfängliche Schock gelegt hat, registriere ich meine Umgebung. Der Boden ist hart und steinig. Es ist ein Kasten. Der einzige Ausgang wird von Stäben versperrt. Ich war hier schon einmal, aber ich meine mich zu erinnern, dass es die andere Seite war. An den Wänden sind Ausbuchtungen zu erkennen, wo einst einmal Gefangene gehalten wurden.

Heilige Scheiße! Ich sitze im Knast! In weniger als einer Sekunde bin ich aufgesprungen. Da dabei aber leider mein geschundener Körper nicht mitspielt, taumle ich zurück gegen die Wand und sacke zurück auf den Boden. Was ist denn hier nur los? Wie bin ich hier hingekommen? Was soll der Mist?

Doch bevor ich eine Antwort bekomme, kann ich in der Ecke des Raumes einen Schatten ausmachen. Noch jemand befindet sich in dieser erbärmlichen Lage einer Zelle. Ich kneife leicht meine Augen zusammen, denn das gebrochene Licht, welches hineinfällt, veranstaltet ein Spiel aus Schatten und Helligkeit, so dass ich kaum in der Lage bin, etwas auszumachen.

„Hallo?“, frage ich zaghaft.

Der Schatten bewegt sich. „Doktor Sullivan, du bist wach.“

Ich kenne diese Stimme. Das ist doch… Nein, das kann unmöglich sein. Die Stimme hört sich an, wie die von Teal’c, aber der ist doch irgendwo da draußen und macht den bösen Jungs die Hölle heiß. Nee, nie und nimmer.

„Teal’c, bist du das?“, will ich mich dennoch vergewissern.

„Ja.“

Der Schatten bewegt sich erneut und kommt aus dem Schatten hinaus in das Licht getreten. Es ist wirklich Teal’c!

„Aber bist du nicht…“, beginne ich verwirrt, doch dann dämmert es mir. „Oh.“

Also kein Traum. Dann war das alles wirklich? Ich wurde wirklich von einem Jaffa überrascht und überwältigt?

„Wo… wo sind die anderen?“

„Apophis Wachen haben Major Carter und Daniel Jackson kurz vor deiner Ankunft abgeholt.“

Mit weiteren Schritten näherte er sich meiner Richtung und unbewusst presse ich mich noch weiter gegen die Wand. Ich weiß, dass Teal’c mir nichts tun wird, aber er ist mal einer von denen gewesen.

Irgendwie scheint er meine Anspannung gespürt zu haben, denn er hält in seiner Bewegung inne. „Ist alles in Ordnung mir dir, Doktor Sullivan?“

„Ja, alles bestens“, lüge ich und mir wird erst jetzt bewusst, dass es das erste Mal ist, dass ich mit Teal’c ganz alleine bin. Und wenn ich ehrlich bin ist das schon etwas… komisch.

„Du bist schwer verletzt.“ Er deutet auf meinen Oberschenkel und bleibt schließlich neben mir stehen. Jeder einzelne Schritt wird von meinem Auge verfolgt, bis er sich schließlich neben mich setzt. „Ich habe die Wunde neu verbunden. Es war etwas kompliziert. Du warst ganz nass.“

Ich muss schon fast auflachen. Wie er das sagt. So dermaßen ernst und schon ein wenig naiv. „Danke. Ich, ah, ich musste eine unfreiwillige Schwimmstunde einlegen“, lächle ich ihn schief von der Seite an.

Meine Antwort ist lediglich eine hochgezogene Augenbraue. „Verstehe.“ Kurz schweift sein Blick hinauf zu dem kleinen Fenster. „Was ist passiert?“

Ich seufze schwer. Für ein paar Minuten begutachte ich ihn von der Seite und obwohl in meinem Bauch noch immer Zwiespalt herrscht, beginne ich ihm zu erzählen, was die letzten Stunden passiert ist. Er zählt immerhin zu Sams engsten Freunden. Angefangen von dem kleinen Überraschungsangriff, bis hin zu meiner Flucht in den Untergrund, wieder hinaus über die Transportringe und meine selbstmörderische Aktion ungesichert in eine Cenote zu springen, nur um dann, wo ich meinem Ziel einen gewaltigen Sprung näher gekommen bin, mich von irgendwelchen Jaffa überraschen zu lassen.

„Ja, und so bin ich hier gelandet.“ Ich seufze einmal schwer. „Und ich hatte echt tolle Waffen.“

„Du bist durch eine unterirdische Grotte hierhin gekommen?“

Ich nicke müde. „Ja, die gibt’s hier überall. Wieso?“

„Sie könnten uns bei unserer Flucht helfen.“

Ich kann nicht anders als ihn vollkommen entgeistert anzustarren. Ich will ja echt kein Spielverderber sein, aber wie hat er sich das denn vorgestellt? Mensch, wir sitzen hier in einer alten Zelle fest und draußen wimmelt es nur so von Jaffawachen. Wir kommen nie und nimmer lebend zu einer Grotte. Schließlich schüttle ich mit dem Kopf.

„Und wie wollen wir das anstellen?“

„Goa’uld haben einen Schwachpunkt und das ist ihr Hochmut.“

Und der kommt bekanntlich vor dem Fall, ja, ich weiß. „Schön und gut, aber was willst du tun? Sie totlabern?“ Und das ist schon ein wandelnder Widerspruch in sich. Teal’c ist dermaßen wortkarg, dass noch nicht einmal ein Faultier von seinem Ast fallen würde! Nee, ohne die Hilfe eines Wunders werden wir hier wohl nicht rauskommen. Als ich keine Antwort von ihm erhalte – was ich ehrlich gesagt auch gar nicht erwartet habe - ändere ich meine Position, um mein Bein noch weiter zu entlasten. „Okay, also, einmal angenommen, wir werden wahrhaftig von hier fliehen. Es dürfte keine Schwierigkeit sein aus dieser Zelle zu gelangen. Besonders sicher sind sie nicht gebaut. Also, wenn wir aus dieser Zelle kommen sollten, wie wollen wir dann überhaupt diesen Palast verlassen?“

„Wir kommen aus den Zellen nicht raus. Zumindest nicht durch die Tür.“

Was? „Kommen wir nicht?“

„Nein.“ Um nicht allzu viel Sauerstoff zu verbrauchen, reduziert Teal’c seine Erklärung auf eine kleine Demonstration. Ich beobachte ihn dabei, wie er aufsteht, nur um sich kurze Zeit später auf den Boden zu knien und etwas feine Körner aufzuheben. Vor dem einzigen Ausgang bleibt er stehen, während ich gespannt darauf warte, dass etwas passiert. Er wirft den Dreck einfach nach draußen. Aber zu meiner großen Überraschung fliegt der Dreck nicht hindurch, nein, ich sehe wie vor mir plötzlich eine Art grünliches Schutzschild sichtbar wird.

Es wäre auch zu schön gewesen. Wenn ich ehrlich bin, dann überrascht mich hier so gar nichts mehr. Und wenn da jetzt irgend so ein tanzendes Hologramm aufgetaucht wäre, ich würde mich nicht wundern. Aber das Beste ist ja wohl, da lässt er mich geschlagene fünf Minuten wie ein Wasserfall reden, obwohl er wusste, dass die Zelle von einem Schutzschild umgeben ist!

Von einer plötzlichen Hilf– und Ausweglosigkeit ergriffen, lasse ich meinen Kopf nach hinten gegen die kalte Mauer fallen. Wir sitzen im wahrsten Sinne des Wortes fest. In dem Moment des niedergeschlagenen Schweigens, schließe ich für einen kurzen Moment meine Augen, um meine Gedanken zu sammeln, während ich spüre, wie sich Teal’c wieder neben mich setzt. Aber diesmal macht es mir nichts aus. Die letzten Stunden waren dermaßen hektisch und von außergewöhnlichen Eindrücken bespickt, dass mein Verstand Schwierigkeiten hat all das richtig zu verarbeiten. Ich hätte mir nie träumen lassen mal irgendwann in einer Zelle zu sitzen und eine Gefangene von außerirdischen Larven zu sein. Das ist doch absolut absurd… und doch Realität. Einfach geradezu unfassbar in was für einer gefährlichen Welt wir doch leben und die Menschheit hat nicht die geringste Ahnung. Natürlich hätte ich die Wahrheit wissen wollen, aber jetzt wo ich sie kenne, frage ich mich, ob es das wert gewesen ist. Die Menschen leben ihr Leben mit den kleinen und größeren Sorgen. Aber was würden sie tun, wenn sie von dieser Gefahr wüssten? Ein Mensch reicht, um eine Massenhysterie auszulösen. Die Welt würde in einem absoluten Chaos versinken. Vielleicht ist es richtig von der Regierung den Menschen das zu ersparen, aber wann ist man jemals für solch eine Neuigkeit bereit?

Mit einem innerlichen Kopfschütteln, öffne ich meine Augen und rolle meinen Kopf, der noch immer an der Wand gelehnt ist, in Teal’cs Richtung. In einem Schneidersitz und geschlossenen Augen sitzt er gegen die Wand gelehnt. Macht er gerade Yoga? So als ob er meinen Blick bemerkt hat, öffnet sich ein Auge. Schon fast gleichzeitig wende ich abrupt meinen Blick ab. Du sollst nicht immer andere Menschen anstarren, Liz.

„Kann ich dir helfen, Doktor Sullivan?“

Jetzt hat er mich. Und da ich kein Feigling bin, frage ich ihn ganz frei heraus: „Was machst du da? Yoga?“

„Kelnoreem.“

„Kel…noreem? Natürlich“, lächle ich ihn an, als ob ich genau wüsste, wovon er spricht. „Was ist Kelnoreem?“

„Es ist ein sehr meditativer Zustand, der es mir erlaubt mit meinem Symbionten zu kommunizieren. Er sorgt dafür, dass meine Wunden heilen.“

„Ah…“ Schließlich öffnete er seine Augen und lässt von seinem Yoga ab. „Entschuldige, ich wollte dich wirklich nicht stören.“

„Ich konnte mich bereits ausruhen als du noch geschlafen hast.“

„Also, was sind die Goa’uld für Kerle?“

„Es sind falsche Götter.“ Ja, so viel habe ich auch schon mitbekommen. Vielleicht etwas präziser? „Sie haben die Menschen von Tau’ri entführt und auf anderen Planeten zu ihre Sklaven gemacht.“

„Tau’ri?“

„Erde.“

„Und ihr versucht diesen Menschen das Gegenteil zu beweisen?“

„Wenn wir dazu in der Lage sind, ja.“

„Und du warst…?“

„Der erste Primus von Apophis.“

„Unser Apophis?“

„Ja.“ Mensch, das ist doch mal ein Ding.

„Was ist passiert?“

„Colonel O’Neill, Major Carter und Daniel Jackson waren Gefangene von Apophis. Meine Aufgabe war es sie alle zu töten. Aber Colonel O’Neill stellte mich vor eine Wahl. Es war das erste Mal, dass ich eine Chance hatte zu entkommen. Und O’Neill hatte mir dabei geholfen.“

„Dann ist Apophis jetzt bestimmt richtig sauer, was?“

„In der Tat. Ich bin der Shol’va.“

Selbst ich brauche dafür keine Übersetzung. Mit einem Seufzen, schiele ich in seine Richtung, während ich zum wiederholten Male an meiner nassen Kleidung zupfe. Ich hasse es, wenn sie wie ein nasser Sack an mir klebt. „Und was machen wir jetzt?“

„Wir warten.“

„Was… was passiert mit Sam und Daniel?“

Teal’c schweigt einen Augenblick. Ich weiß noch nicht wie ich das Schweigen deuten soll. Will er es mir nicht sagen oder kann er es nicht? „Apophis wird versuchen das von ihnen zu bekommen, was er möchte“, durchbricht er schließlich tonlos die Stille. Obwohl sich die Worte aus seinem Mund nur wie Fakten anhören, ist die Bedeutung dahinter alles andere als angenehm.

„Und wenn sie es ihm nicht sagen?“

„Er wird seine Informationen bekommen.“

Ich nicke verstehend. „Und was ist, wenn er seine Informationen bekommen hat?“

Darauf antwortet mir Teal’c nicht, aber ich kenne auch so die Antwort auf diese Frage. Eine Antwort, die nur einmal mehr unsere missliche Lage schildert. Erst der Colonel und jetzt auch noch Sam und Daniel. Nach und nach werden wir in der Vegetation verschwinden und bis man uns findet, sind wir nur noch aufgeweichte Knochen.

„Du solltest dich noch etwas ausruhen“, durchdringt Teal’cs ruhige Stimme meine düsteren Nebelschwaden. Etwas ungeschickt rücke ich näher an ihn heran uns sehe fragend zu ihm auf. Als er seinen Kopf nicht schüttelt, nehme ich es mal als eine Zustimmung auf. Mit einem Seufzen kommt schließlich mein Kopf an seiner Schulter zum Ruhen. Das komische Gefühl am Anfang ist jetzt etwas anderem gewichen. Einem Gefühl, das von Schutz spricht. Ja, Teal’c strahlt einen gewissen Schutz und Sicherheit aus.

„Hast du sie jemals gesehen, Teal’c?“, frage ich mit geschlossenen Augen.

„Wen?“

„Die Erde. Hast du sie jemals aus dem Weltall gesehen?“

„Ja.“

„Ist sie schön?“

„Ja.“

Mit diesem friedlichen Bild in meinem Kopf erlaube ich es meinen Verstand in das Land der Träume abzudriften. Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass ich meine Kräfte für später noch brauchen werde.


+++++


Durch das plötzliche Fehlen meiner Kopfstütze, werde ich ungewollt aus meinem Dämmerzustand gerissen. Bevor ich überhaupt etwas realisieren kann, lande ich bereits zum tausendsten Male innerhalb der letzten Tage auf dem Boden.

Während ich benommen mit dem Kopf schüttle und versuche mich aufzustützen, höre ich Schritte, die sich von mir entfernen. Es dauert noch ein paar Sekunden, bis ich erkenne, dass Teal’c auf die Zellentür zugeht.

„Was… was ist los?“, murmle ich und muss ein Stöhnen unterdrücken, als ich mich aufrichte. Scheiße Mann, ich mache drei Kreuze, wenn ich erst einmal wieder zu Hause bin. Da kriegen mich für mindestens zwei Wochen keine zehn wilde Pferde aus dem Bett. Mir kommt es so vor, als ob ich gerade eben das Vergnügen gehabt habe zwanzig Tequillas auf einmal getrunken zu haben. Gott, ich bin so matsche.

„Sshh…“

Okay, okay… ich kann zwar nichts hören, aber Teal’c scheint ein ausgesprochenes gutes Gehör zu haben. Denn ich höre nichts weiter als das laute Rauschen meines Blutes in meinen Ohren. „Sie kommen.“

Die Frage „Wer?“ liegt bereits auf meiner Zunge, aber dann sind selbst für mich diese lauten, hallenden, stampfenden Schritte nicht mehr zu überhören. Durch einen leichten Schleier der Benommenheit, wanke ich in Teal’cs Richtung und bleibe neben ihm stehen. Mein hämmernder Herzschlag passt synchron auf die sich nähernden Schritte. Wie Urwaldtrommeln, die eine große, blutige Zeremonie der Maya ankündigen. Ein dicker Klos bildet sich in meinem Hals und bei Gott ich kann nichts anderes tun, als wie gebannt geradeaus zu starren.

Die Zeit gerinnt wie in Zeitlupe. Aus Sekunden werden Minuten, aus Minuten Stunden, bis sie schließlich um die Ecke schreiten. Sechs kräftige, grimmige, eiskalte Jaffa mit scheppernden Rüstungen und ihren Stabwaffen stehen plötzlich vor uns. Die sehen genauso störrisch aus wie Teal’c. Genauso viel Gesichtsakrobratik. Doch ist das zu meiner großen Bestürzung erst der Anfang. Hinter den ersten beiden Kraftprotzen hängen Sam und Daniel wie zwei nasse Säcke zwischen jeweils zwei Wachen. Ihre Köpfe hängen kraftlos auf ihrer Brust und wippen rhythmisch zu jeder noch so kleinen Bewegung der Wachen. Zum Glück kann ich auf den ersten Blick keine besonders schlimmen Blessuren ausmachen, aber wenn ich eines gelernt habe, dann, dass das so gar nichts zu bedeuten hat. Daniels Shirt ist an der Seite zerrissen und obwohl es schwarz ist, vermute ich, dass am Rand getrocknetes Blut klebt.

Mistkerle!

Wenn ich das mal so sagen darf, wir stecken alle bis zum Hals in der Scheiße. Vier von fünf befinden sich stark lädiert in einer Gefängniszelle und der andere liegt hier irgendwo in einem komatösen Zustand herum. Wenn nicht bald ein Wunder passiert, hadere ich mit meinem Schicksal.

Mein Herz rast, während ich das Gefühl habe innerlich zu brodeln. Die Anspannung ist schon menschenunwürdig. Wenn nicht gleich irgendwas passiert, raste ich aus. Und dann ist es soweit. Einer der Jaffa lässt den Schutzschild herunterfahren, wenngleich die vier hinteren Wachen die bewusstlosen Körper meiner Freunde unsanft nach vorne schupsen.

Teal’c und ich, wir könnten diesen Bruchteil einer Sekunde sicherlich nutzen, doch ich bin nicht auf den Kopf gefallen. Mit großen Glück könnten wir – oder besser Teal’c - die paar Wachen ausschalten, aber was dann? Sam und Daniel sind für die nächsten paar Stunden zu nichts mehr zu gebrauchen und da draußen wartet eine ganze Horde auf uns. Nein, wir wären Fischfutter, bevor wir überhaupt die Schwelle übertreten könnten.

Deshalb konzentriere ich mich viel mehr darauf die beiden heile hier rein zu bekommen. So wie die bereits durch die Gänge hier hereingeschleift wurden, glaube ich nicht, dass Sam und Daniel den Luxus genießen können sanft auf dem Boden gelegt zu werden.

Nur wenige Sekunden später wird meine Vermutung bereits bestätigt. Ohne mit der Wimper zu zucken, schleifen die Wachen die beiden in unsere Zelle und lassen sie einfach fallen.

Wenn Teal’c und ich nicht gleich zur Stelle gewesen wären, wären die beiden ungehindert auf den Boden gefallen. Sam hängt schief in meinem Armen, während ich auf die Knie gesunken bin, da ich einfach keine Kraft habe sie und mich aufrecht zu halten. Mein Blick ist starr auf die Monster vor mir gerichtet, aber ich weiß, dass Teal’c sich Daniel angenommen hat.

„Mistkerle“, murmle ich, als das Schild vor uns wieder nach oben zischt und die Wachen stampfend verschwinden. „Wie kann man nur…?“ Fassungslos schüttle ich nur mit dem Kopf, während mein Blick auf Sam fällt. Vorsichtig wische ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie sieht so erschöpft aus. Ein kalter Schweißfilm bedeckt ihre Stirn und ich wünschte ich könnte mehr tun als sie in meinen Armen zu halten.

Mit all der Wut, Angst und der anbahnenden Hoffnungslosigkeit, schaue ich mit heißen Tränen zu Teal’c auf. „Warum? Warum tun sie so etwas?“

Ob Teal’c keine Antwort weiß oder sie mir einfach nicht geben will, weiß ich nicht, aber ich kann dieselbe Qual in seinen Augen sehen. Und vielleicht noch mehr.

„Major Carter und Daniel Jackson müssen sich jetzt ausruhen“, antwortet er mir stattdessen. Ich nicke tapfer und wische mir rasch die Tränen aus den Augen. „Wir sollten sie dort drüben hinlegen.“

Mühsam kämpfe ich mich wieder auf die Beine ohne Sam dabei fallen zu lassen. Behutsam trage und ziehe ich sie irgendwie zu der Stelle in der Ecke und lege sie sanft auf den Boden. Der erbärmliche Versuch es ihnen etwas gemütlicher zu machen, besteht darin, dass wir ihnen unsere Jacken als Kissen unter die Köpfe schieben.

„Was wurde ihnen angetan?“ fragt meine monotone Stimme.

„Sie wurden gefoltert.“

„Apophis hat seine Informationen offensichtlich nicht erhalten.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Kurz blicke ich zu ihm auf. „Sonst wären sie doch nicht mehr hier, oder?“

„Vermutlich.“

Ein schweres Seufzen rollt aus meiner Kehle. „Der Kerl sollte lieber dafür beten, dass wir hier nicht mehr lebend rauskommen, sonst..“

Ich lasse die Drohung offen im Raum stehen. Jeder kann sich von mir aus seinen Teil denken. Aber ich weiß nur eines, diese Larve wird bluten.


+++++


Vier Stunden des qualvollen Wartens und des Bangen, dass es den beiden bald wieder besser geht, sind bereits verstrichen. Während Teal’c und ich versuchen es Sam und Daniel so einfach wie möglich zu machen, umgibt uns das konstante Geräusch von Schmerzensschreien.

Jack? Oder vielleicht überlebende Wissenschaftler?

So morbide und krank es vielleicht klingen mag, aber ich höre lieber diese Laute als grausame Stille. So weiß ich zumindest, dass wer auch immer das arme Schwein ist, er ist noch am leben.

Gerade als ich meine Position gewechselt habe, um Daniel den Schweiß von der Stirn zu tupfen, pickst mich etwas in meinem Schuh gegen die Sehne.

„AU!“, schreie ich kreischend auf und stolpere nach hinten.

„Was ist passiert?“, höre ich bereits Teal’cs besorgte Stimme. Seine Augen tasten mich ab, als ob ich gerade irgendeine Transformation durchgemacht hätte.

„Verfluchter Mist“, murmle ich, als ich meinen Schuh ausziehe und erst einmal ausklopfe. Und dann purzelt der Übeltäter heraus. Freudig auflachend greife ich nach dem Gegenstand, aber Teal’c versperrt mir mit einem gezielten Griff den Weg. „Hey! Was soll denn das?“

„Wir wissen nicht, was es ist.“ Er begutachtet es genauer. „Es sieht nicht nach Goa’uld aus.“

„Natürlich ist es das nicht“, seufze ich mit einem Augenrollen und schubse seine Hand zur Seite. Während ich den kleinen Würfel vorsichtig auf meine Handfläche lege, sehe ich mit einem Lächeln zu ihm auf. „Das ist von den Antikern. Ich habe es in einer dieser Arsenalkammern gefunden. Ich hatte es zur Sicherheit immer in meinem Schuh versteckt.“

Die gewohnte Augenbraue setzt sich wieder in Bewegung. „Ist es eine Waffe?“

Ich schüttle nur mit dem Kopf. „Nein, das nicht, aber schau her.“ Ich schließe kurz meine Augen, um mich zu konzentrieren und aus dem kleinen schwarzen Würfel schießt ein Strahl empor und breitet sich vor unseren Augen aus. „Die mobile Miniausgabe der Konsole an der Pyramide.“

Skeptisch schweift sein Blick zwischen mir und diesem Ding hin und her. Und gerade als er zum Sprechen ansetzt, hören wir ein Stöhnen hinter uns. Die Konzentration ist hin und das Hologramm auch. Aber was soll’s?

Schnell krabble ich zurück und während ich noch einmal meine Hand auf Daniels Stirn lege, öffnet dieser blinzelnd seine Augen. Durch eine ziemlich zerbrochene Brille sieht er mich an. Ich frage mich ernsthaft, warum er keine Kontaktlinsen nimmt. Er muss Zuhause schon einen ganzen Stapel von zerbrochenen Brillen haben. Aber nichts von meinen unwichtigen Gedanken dringt nach außen, ich strahle ihn einfach nur an.

„Oooooh…“, brummt er. „Bin ich tot?“, murmelt er noch ziemlich benommen, als seine Hand über sein Gesicht fährt, um seine Brille zu richten.

„Nein“, antworte ich mit einem Schmunzeln. Aber er wünscht es sich vermutlich.

Mühsam stemmte sich Daniel auf die Ellbogen und kratzte seinen Hinterkopf. „Mir brummt der Schädel.“

„Was ist passiert?“, frage ich. Auch wenn ich von Teal’c bereits die ausführliche Version gehört habe (so ausführlich, wie es bei Teal’c möglich ist), weiß Daniel, dass ich Apophis meine.

„Wie vermutet wollte er Informationen und hat sich offensichtlich einen Spaß daraus gemacht uns zuzusetzen.“ Er seufzt leise und lässt seinen Blick durch den kargen Raum gleiten. „Wo genau sind wir eigentlich?“

„Im Knast.“

Große Augen sehen mich durch die zersprungenen Gläser an. „Im Knast?“

„Im hinteren Teil des Palastes.“

Er nickt ein paar Mal und runzelt dann mit der Stirn. „Liz, was machen Sie hier?“

„Na ja“, beginne ich und schiele zu Teal’c hinüber. „Wir hatten da ein paar Probleme.“

„Okay…“ murmelt er nachdenklich. „Und wo ist Jack?“

„Jack…“, setze ich an, werde aber Gott sei Dank von Teal’c unterbrochen.

„Colonel O’Neill ist Gefangener von Apophis. Wir haben ihn bisher noch nicht gesehen.“

„Okay, nur damit ich das richtig verstehe. Wir sind jetzt alle hier drin und keiner ist mehr draußen?“

Nickend sehe ich ihn bedauernd an.

„Okay, zumindest haben wir jetzt einen Weg rein gefunden.“ Er sieht sich erneut um. „Und wie kommen wir hier jetzt wieder raus?“

Er nimmt seine Brille ab und inspiziert sie mit einem Seufzen. „Super, und mein Ersatz befindet sich in meinem Rucksack.“

Keine zehn Minuten später, fährt Sam plötzlich wie von der Hummel gestochen aus ihrer Bewusstlosigkeit. Schockiert und nach Luft schnappend starrt sie uns an. Genauso perplex schauen wir zurück. Was war denn das? Geduldig beantworten wir ihre Fragen nach dem Was, Wo und Wann.

„Er hat umgestellt“, erzählt Sam. „Er benutzt nicht mehr einfach dieses Handgerät, nein, er hat jetzt ebenfalls diese Erinnnerungsgeräte, die auch Martouf bei mir eingesetzt hatte.“ Sie blickt in unsere Augen. „Nach Netu hat er offensichtlich aufgerüstet.“ Ein erschüttertes Seufzen rollt aus ihrer Kehle. „Ich habe nichts gesagt und versucht an nichts zu denken, aber ich weiß nicht genau, was er mitbekommen hat. Ich stand unter dem Einfluss einer Droge.“

Daniel nickt zustimmend. „Ja, bei mir war es nicht anders.“ Bestimmt sieht er uns an. „Jack muss ihm gar nichts erzählen. Wenn seine Gedanken ihn verraten, bekommt Apophis was er will.“

„Colonel O’Neill ist darauf trainiert gegen Drogen und andere Bewusstseinsverändernde Substanzen zu widerstehen“, wirft Sam in ihrem Major – Tonfall und in den Versuch sich selbst Hoffnung zuzusprechen, dazwischen.

„Auch in seinem Zustand?“, murmle ich mir sarkastisch in den Bart, aber offenbar laut genug, damit auch Sam davon Wind bekommt.

„Wie bitte?“ Ihr Kopf fliegt in meine Richtung.

Ich bedenke sie mit einem Blick, der so viel sagt wie: „Jetzt setze doch bitte dein hübsches Gehirn ein“. In den ganzen letzten Minuten und auch Stunden habe ich nichts anderes als irgendwelche Schreie und Erzählungen von Foltern gehört und so langsam liegen meine Nerven auf Grundeis. „Komm schon, Sam“, beginne ich mit einem leichten ironischen Unterton. „Wenn alles so glatt nach Plan gelaufen wäre, warum bin ich dann hier bei euch?“

Ziemlich verdattert schaut nicht nur sie mich an. Daniel und Teal’c gesellen sich noch dazu. Ja, ihr könnt gut reden. „Liz?“

Bringen wir es doch einfach mal auf den Punkt. „Dieser ganze Plan war für’n Arsch! Wir haben doch von Anfang an keine Chance gehabt! Das war total hirnrissig von uns überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass wir das schaffen! Ich bitte dich, Sam. Du hast doch nicht allen Ernstes geglaubt, dass du mal eben so einen Computer der Antiker umprogrammieren kannst und wir uns dann eines dieser hübschen Schiffchen schnappen, um Apophis auszuschalten und dann so mir nichts dir nichts durch das Stargate verschwinden können!“ Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, während ich mich mit meinen Händen von dem Boden aufstütze und hinüber zu dem einzigen, verriegelten Ausgang gehe. „Wir kommen hier nie raus – jedenfalls nicht lebend!“ Zur Demonstration werfe ich einen Haufen kleiner Steine gegen den aufschimmernden Schild. „Seht ihr? Wir sind schneller Fischfutter als wir Amen sagen können.“

„Liz, beruhige dich“, versucht Sam mit Engelszungen auf mich einzureden.

„Ich bitte dich, Sam. Bin ich denn hier die einzige, die es zu verstehen scheint? Das war’s, finito, Schluss, aus! Für euch mag das vielleicht Alltag zu sein; in irgend so einer Zelle zu hocken und gefoltert zu werden, aber wisst ihr was, für mich ist das eine Premiere und ich bin nicht gerade begeistert!“ Meine Stimme ist immer lauter geworden, bis ich sie schließlich schwer atmend mit heißen Tränen, die über meine Wangen rennen, anstarre. „Seht es doch einfach ein, wir kommen hier nicht mehr lebend raus.“ Ich schlinge schluchzend meine Arme um meinen Körper und wende ihnen den Rücken zu. „Und was Jack angeht, allzu große Hoffnungen würde ich mir nicht mehr machen.“ Die letzten Worte waren nur ein Flüstern; ob sie gehört wurden weiß ich nicht.

Ein betroffenes Schweigen legt sich über uns, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spüre. Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da hinter mir steht.

„Lass mich bitte allein, Daniel.“ Zumindest zeigt mir diese Geste, dass er nicht mehr allzu wütend auf mich sein kann. Ein, wenn auch nur äußerst geringer Trost.

Nur kurz drückt die Hand tröstend meine Schulter, bevor sie sich zurückzieht. Erschöpft und wie ein nasser Sack Kartoffeln rutsche ich in der hintersten Ecke an der Wand hinunter. Ich stehe *so* kurz vor einem Nervenzusammenbruch und dieses ganze Gutgerede kann ich mir jetzt echt nicht mehr anhören. Wie können sie da nur sitzen und über etwas diskutieren, was doch eh vollkommen aussichtslos erscheint? Wir werden in dieser dreckigen, kleinen Zelle elend verrecken.

Mit einem leisen Schluchzen vergrabe ich meinen Kopf zwischen meinen Armen, die um die Knie geschlungen sind. Es scheint so, als sei jegliche Entschlossenheit aus meinen Knochen geschwunden. Ich bin nur noch ein kraftloses Bündel, welches nicht mehr geradeaus denken kann. Reduziert auf ein weinendes Etwas. Und ich dachte immer, mich könnte nichts mehr schocken. Aber extreme Situationen erwarten extreme Verhaltensmuster.

Seufzend schließe ich meine Augen und lausche ungewollt der Diskussion meiner Freunde.


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Drei Stunden später und noch immer kein Zeichen von Jack. Langsam werden auch die anderen unruhig. Ich beobachte sie aus meiner Ecke heraus. Sam und Daniel ruhen sich noch etwas aus, während Teal’c in der Ecke schräg gegenüber von mir sitzt und ein wachsames Auge auf seine Freunde hält. Die Mutmaßungen haben sich gelegt, als auch schließlich Sam so gar nichts mehr eingefallen ist. Ihre Theorie den Schild zu deaktivieren ist mit Pauken und Trompeten ins Wasser gefallen, als sie gemerkt hat, dass sie noch nicht einmal etwas bei sich hatte, was langsamer als eine Kugel sei… oder wie auch immer. Ich habe es nicht so wirklich verstanden. Und da wir ja unserer Waffen beraubt wurden, war selbst diese Idee hinfällig.

Ein wenig gelangweilt und demotiviert beginnen meine Finger damit die Struktur im Boden nachzuzeichnen. Geradeaus, links und wieder ein Stück geradeaus. Da leider mein Arm viel zu kurz ist, muss ich immer nach kurzer Strecke inne halten, aber nur aus Neugier verfolgt mein Blick die Linie weiter. Interessanterweise stoppt sie bei einer etwas größeren Felsplatte im Boden. Merkwürdig. Eine symmetrische Linie wird von einer Platte unterbrochen. Das ist nicht der gewöhnliche Stil der Maya.

Mit Ach und Krach rutsche ich zur Seite und knie mich hin. Mit der flachen Hand wische ich den Dreck weg und siehe da. Ungefähr zwei Meter von der Kante der Wand entfernt trifft die Symmetrie auf eine Unstimmigkeit. Okay… Mein Blick gleitet zu den anderen Wänden und auch, wenn dort der Boden noch Dreck bedeckt ist, weiß ich, was ich dort finden werde. Ohne auf irgendeine Aufforderung zu warten, beginne ich zunächst mit meinen Händen den Staub und Dreck zu entfernen, aber als mir das mit der Zeit zu anstrengend wird, stehe ich auf und lasse meine Füße die Arbeit erledigen.

„Was ist los, Liz?“ höre ich plötzlich Daniels neugierige Stimme. Leicht benommen schiebt er seine Brille auf die Nase und sieht mich schief an.

„Ich glaube, ich habe hier etwas gefunden“, antworte ich ihm, ohne meine Arbeit zu unterbrechen. Nach und nach lege ich unter einer enormen Staubwolke den Boden frei. Hustend verscheuchen Daniel und ich die ganzen nervigen Partikel.

„Leute, was macht ihr denn da?“ keuchend sehe ich, wie Sam zu uns stößt.

„Liz scheint hier was gefunden zu haben.“

Schornsteinfeger ähnlich blicken wir nach zehn Minuten des schweißtreibenden Schuftens auf unsere Arbeit. Und meine Vermutung hat sich bewahrheitet. Auch von den anderen vier Wänden führen Linien bis zu dieser einen Felsplatte in der Mitte.

„Und was genau sehen wir uns hier jetzt an?“, fragt Sam schließlich.

Ich schreite langsam um die Platte herum und studiere jede Ecke, jede Kante. „Das hier ist ungewöhnlich.“

„Inwiefern?“

„Das ist nicht der Stil der Maya – jedenfalls nicht der, den man kennt.“

„Und?“

„Schau dir den Boden an; die Struktur. Lediglich diese eine Platte zerstört das Bild.“ Ich schüttle leicht mit dem Kopf, während ich erneut auf die Knie falle und jetzt die Platte einer genaueren Inspektion unterziehe. Das merkwürdige Ziehen in meinem Oberschenkel ignoriere ich dabei gekonnt.

„Ein versteckter Durchgang“, überlegt Daniel laut.

„Vielleicht…“, murmle ich konzentriert, als ich endlich das gefunden habe, wonach ich gesucht habe. „Ha!“ Aufgeregt klatsche ich in die Hände und springe auf, auch wenn ich im gleichen Moment von meinem Körper dafür bestraft werde. „Ich hab’s“, rufe ich laut aus, während ich einfach die Schmerzwellen, die durch meine Knochen jagen ignoriere. „Seht euch das an!“ Ich deute auf eine Unregelmäßigkeit in der Platte. Dort befinden sich zwei ungefähr im Durchmesser sieben Zentimeter großen Löcher. Strahlend blicke ich zu den anderen auf. Ich merke sprichwörtlich, wie mich neue Hoffnung durchflutet. Die Wut ist wie verflogen! Wir haben wieder eine Perspektive. Wenn sich darunter wirklich ein geheimer Durchgang befindet, dann haben wir doch noch eine Chance von hier zu fliehen.

Verdattert und ein wenig überwältigt von dem plötzlichen Wandel, sieht Sam mit einem Stirnrunzeln von der Platte zu mir auf. Ich nicke ihr zu. Jetzt müssen wir nur noch Jack finden.


+++++


Am Kinn und Hinterkopf kratzend stehen wir vier nach einer geschlagenen halben Stunde noch immer vor der verschlossenen Bodenplatte. Meine anfängliche Euphorie hat sich mittlerweile wieder gelegt. In dieser verdammten Bruchbude gibt es nichts, womit wir die Platte anheben könnten.

„So kommen wir nicht weiter. Dadurch, dass wir die Platte anstarren, hebt sie sich auch nicht aus dem Boden.“

„Und was sollen wir jetzt tun?“, frage ich ergeben und werfe genervt meine Arme in die Luft.

„Wir sollten ruhig bleiben“, kommt von Teal’c die glorreiche Antwort. Tief ein und ausatmen. Ein, aus… „Doktor Sullivan, du hast doch noch diesen… Würfel.“

Hä? Trotz meiner Unwissenheit, was er eigentlich sagen will, krame ich den kleinen Würfel aus meinem Schuh heraus und halte ihm das Ding entgegen. Ich weiß zwar nicht, was er damit will, aber bitte.

„Was ist das?“, fragt Sam und nimmt es mir ab, um es genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie dreht und wendet es in ihrer Hand, aber nichts passiert. Fragend sieht sie zu mir auf. „Was ist das und wo hast du es her?“

„Miniausgabe des Hologramms, Arsenalkammer. In dieser Reihenfolge.“

„Es funktioniert nicht.“

„Oh doch.“ Ich nehme es ihr wieder aus der Hand und demonstriere ihr das Können dieses kleinen Gerätes.

Mit großen Augen starrt sie mich an. „Du kannst… ich dachte nur Colonel O’Neill…“, verstummt sie plötzlich, während sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlagen. „Das heißt, dass Colonel O’Neill die Technologie der Antiker nicht deshalb benutzen kann, weil er einmal das Wissen der Antiker besessen hat, sondern dass hier ein ganz anderer Faktor eine Rolle spielt. Wenn selbst Liz in der Lage ist es zu bedienen, wir aber nicht…“ Sie beißt sich auf die Lippe.

„Janet wird begeistert sein das herauszufinden, aber erst einmal müssen wir einen Plan haben hier heraus zu kommen, damit sie dieses Ding überhaupt in die Finger bekommt“, kommentiert Daniel.

Schnell schüttelt Sam den Kopf, so als ob sie sich von all diesen Gedanken befreien will und nickt dann eifrig. „Richtig.“

„Mit Hilfe von diesem Gerät könnten wir O’Neill finden“, kürzt Teal’c Sams Planung etwas ab.

„Wir müssen einen Weg finden, Colonel O’Neill zu finden und gleichzeitig sehen, dass wir so schnell wie möglich fliehen können“, überlegt Sam für uns alle zusammen. „Wenn wir es schaffen…“ Sie verengt kurz ihre Augen und tippt mit ihrem Zeigefinger gegen ihre Lippe. „Ich habe da vielleicht eine Idee.“


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„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich immer Köder spielen muss“, flüstere ich flehend zu Daniel, der über mir gebeugt steht.

„Das wird schon.“

Tätschelt mir einmal die Schulter und wendet sich damit von mir ab und rennt zum Tor, während ich in meinen Pseudoqualen gerade tausend Tode sterbe.

„Hey! Wir brauchen Hilfe! Hey! Hallo! Kann mich jemand hören?!“ schreit Daniel den ganzen Palast zusammen. Also, wenn den niemand gehört hat… Um seinen Aufstand noch ein wenig zu vertiefen, schreckt er auch nicht davor zurück kleinere Steine gegen den Schild zu werfen, so dass dieses permanent aufleuchtet und ein zischendes Geräusch von sich gibt. „Na kommt schon!“

Zum Glück brauchen wir keine fünf Minuten warten, bis man auch schon die scheppernden Schritte vernehmen kann. Okay, Liz, jetzt zeig was du kannst.

„Hey, Jungs“, begrüßt Daniel die beiden Jaffa. „Wir haben da ein Problem“, und deutet auf mich, während ich mich stöhnend winde und wende. „Apophis wird es sicher nicht gefallen, wenn einer seiner Gefangenen stirbt, die noch wichtige Informationen hat.“

Aus meinen halb geschlossenen Augen, kann ich sehen, wie die Jaffa kurz einen Blick austauschen und einer dann den Schild deaktiviert. Daniel atmet einmal tief durch und tritt ein paar Schritte zurück. Der Schild fährt herunter, die Türen öffnen sich und die beiden Jaffa treten ein. Ich - ein jammerndes Häufchen Elend – gebe mein bestes auch wirklich authentisch herüber zu kommen.

Ein Schritt, der zweite Schritt und dann bleiben sie stehen. Denn auch jetzt scheinen sie die kleine Veränderung mitbekommen zu haben – Sam und Teal’c fehlen. Doch bevor die armen Kerle überhaupt auch nur einen Gedanken fassen können, springen plötzlich zwei Gestalten von verschiedenen Seiten auf die Jaffa. Ein Kick in den Bauch, ein Ellbogen gleich hinterher, einmal die Beine wegziehen und ein gezielter Hieb in den Nacken und die Lichter sind ausgegangen.

Anmutig und einmal tief durchatmend fährt Sam mit ihrer Hand durch die kurzen Haare. Daniel hilft mir währenddessen schnell auf. Er und Teal’c schnappen sich die beiden Jaffa und schleifen sie in die Ecke auf einen Haufen, während Sam und ich uns der Zats bedienen. Die werden wohl so schnell nicht mehr aufwachen. Daniel und Teal’c behalten die Stabwaffen bei sich.

„Okay, ihr wisst was zu tun ist“, sagt Sam konzentriert. „Liz, du kommst mit mir.“ Nickend schaue ich noch einmal über meine Schulter und sehe bereits, wie sich Daniel und Teal’c daran machen die Platte mit Hilfe der Hebelkraft der Stabwaffen aus dem Boden zu befördern. Ich hoffe nur, sie versuchen das Ding nicht in ihrer Verzweiflung zu zerschießen. Dann könnten wir den anderen Jaffa gleich einen blinkenden Leuchtpfeil aufbauen.

Unsere Aufgabe ist es jetzt Jack zu finden.

Meine schweißnasse Hand umklammert den Miniwürfel, als wir hinaus in den Gang treten. „Gut, dann sag uns, wo es langgeht“, höre ich von Sam.

Nickend öffne ich meine Hand und fange an mich zu konzentrieren. Mit jedem Mal wird es einfacher. Das gewohnte Zischen und das Hologramm baut sich vor uns auf. Der blaue Punkt – ergo Jack – sticht wie ein entzündeter Daumen heraus. Und endlich mal eine gute Nachricht: Er ist hier irgendwo in der Nähe.

Ich schiele kurz hinüber zu Sam; sie sieht angespannt aus. Vollkommen in ihrer Konzentration versunken. Sie hat wirklich meine volle Bewunderung, wie sie all das hier meistert. Ich bin ein hysterisches Wrack und sie behält noch immer den Durchblick und einen kühlen Kopf. Ein merkwürdiges Gefühl der Erleichterung macht sich in mir breit. Ich weiß nicht wieso, aber mit ihr an meiner Seite, denke ich, werden wir es schaffen. Wir können alles schaffen. Ich weiß, Übermut kommt vor dem Fall, aber hey, Leute, ich hab’s jetzt im Blut, das wird was.

Wir sind keine drei Meter weit gekommen, als wir die ersten Schritte hören. Zum Glück gibt es hier im Palast viele Nischen und Säulen hinter denen man sich verstecken kann und das ist auch genau das, was wir in der nächsten Sekunde tun. Gerade noch rechtzeitig, bevor ein ganzer Trupp von Jaffa am Quergang vorbeimarschiert.

Sam wartet und wartet bis sie mir irgendwelche wirschen Handzeichen gibt, die ich beim besten Willen nicht entziffern kann. Mit einem Schulterzucken und einem Kopfschütteln sehe ich sie nur hilflos an und sie legt ihre Finger auf die Lippen und deutet mir dann mit der anderen Hand an, dass sie hinter die nächste Säule rennen wird.

Okay, gemacht getan, sie rennt los und lässt mich zurück. Nach einigem Lauschen und Schauen folge ich ihr. Dieses Spielchen wiederholen wir ein paar Mal, bis wir an die nächste Kreuzung kommen. Den Würfel habe ich zu unser aller Sicherheit wieder eingesteckt, aber Sam scheint das Gehirn eines Mannes zu haben. Sie kann offensichtlich Karten lesen und sich das ganze noch merken. Mich haben sie hier bereits verloren.

Säule links, Säule rechts, bis wir vor einer Gabelung kommen, wo sich in einer V-förmigen Abzweigung zwei weitere Gänge teilen. Das einzige wirkliche Manko an dieser Sache ist, dass wir dort keine Verstecksmöglichkeiten haben. Diese Gänge sind zugemauert. Wenn wir jetzt unsere Deckung aufgeben, sind wir verwundbar.

Sam hält inne und schiebt ihren Kopf um die Ecke. Die Luft scheint rein zu sein. „Okay, Liz, wie stehen unsere Chancen, dass wir in einen der Gängen einen Unterschlupf finden?“

„Nicht besonders gut“, flüstere ich zurück. „Wir befinden uns hier in einem Trakt, wo man die Gefangenen entlang geführt hatte. Man wollte ihnen verständlicherweise so wenig Spielraum wie möglich geben.“

Sie nickte nachdenklich. „Okay, wir müssen schnell sein.“ Sie blickte sich einmal um. „Ich gebe dir Rückendeckung. Und egal was passiert, lauf weiter.“

„Aber…“

„Los!“

Geradezu perplex und vor den Kopf geschlagen, renne ich aus meinem Versteck, quer über die Gabelung und verschwinde im rechten Gang. Und ich laufe und laufe. Lauschend hoffe ich bald Sams Schritte hinter mir zu hören, aber alles was ich vernehme ist eine plötzliche Unruhe und – Oh mein Gott – Schüsse!

Und egal was passiert, lauf weiter.

Unsicher blicke ich über meine Schulter. Helle Blitze schießen in der Ferne vorbei. Nein! Keuchend bleibe ich stehen. Sam ist da draußen und… und ich kann das nicht alleine. Wie soll ich denn dieses verdammte Schild deaktivieren oder irgendwas anderes öffnen, hinter dem der Colonel gefangen gehalten wird? Sie ist doch hier unser Genie. Taumelnd stolpere ich weiter nach hinten in den Gang. Wenn jetzt jemand von der anderen Seite kommt, dann sitze ich in der Falle. Meine Hände stützen mich an der Wand ab, bis ich eine Biegung erreicht habe. Und ja, ich renne weiter. Ich habe schon einmal einen Befehl missachtet und alles ist schief gelaufen. Ich hoffe nur, du weißt, was du tust, Sam.

Mein Herz hämmert in meiner Brust, alles schreit in mir auf, aber das Adrenalin lässt mich laufen. Immer nur geradeaus. Einfach nur weiter. Und wenn ich aus diesem endlosen Gang endlich hinauskomme, dann nur noch links und ich sollte eigentlich da sein, aber als ich das Ende erreiche, bleibt mir mein Herz fast im Halse stecken.

Die kalten und verstaubten Kalksteine sind einem merkwürdigen Metall gewichen. Schriftzeichen zieren die Seiten und schimmern golden im Licht von aufgestellten Fackeln. Auch der Boden unter mir hat seine Konsistenz verändert. Er scheint aus demselben Material zu bestehen, wie die Wand. Wie ist das nur möglich? Meine ersten Schritte sind zaghaft und vorsichtig. Bedacht berühren meine Fingerspitzen nur leicht die Wand. Kalt. Und obwohl ich mir den Luxus mir Zeit zu lassen nicht leisen kann, halte ich dennoch inne, um all das in mir aufzunehmen. Auf der rechten Seite vor mir, führt ein breiter Gang in eine ganz andere Richtung, während sich weiter vorne eine weitere Biegung befindet. Und genau da muss ich jetzt hin. Nervös zuckt meine Zungenspitze über meine ausgetrockneten Lippen. Der Griff um meine Zat festigt sich nur noch mehr. Behutsam setze ich einen Schritt vor den anderen und stoppe immer wieder, um zu lauschen. Bis auf den Kampf kann ich nichts hören. Tief durchatmend lehne ich mich gegen die Wand und schiele einmal um die Ecke. Die Luft scheint rein zu sein, doch bevor ich einen Schritt um die Ecke setzen kann, höre ich ein unverkennbares Scheppern. Doch diesmal ist es nicht langsam oder gleichmäßig, diesmal sind es schnelle und eilende Schritte. Mist! Die haben mitbekommen, dass hier etwas nicht stimmt.

Wie ein gehetztes Tier auf der Treibjagd, schaue ich mich nach allen Seiten um. Ich kann nicht zurück, aber ich kann auch nicht weitergehen. Panisch eile ich die entgegen gesetzten Richtung, nur um festzustellen, dass ich mich hier in einer Sackgasse befinde!

Verfluchte Scheiße!

Getrieben von der Angst taste ich die Wand nach irgendeinem geheimen Schloss ab. Daniel hat mir erzählt, dass die Goa’uld so etwas haben. Komm schon… wo bist du?

Verzweifelt haue ich auf die Wand ein, während mein Blick immer wieder über meine Schulter wandert. Sie sind schon so nahe. Jede Sekunde können sie um die Ecke kommen. Jede Sekunde.

Mein Hals ist wie zugeschnürt. Ich bin tot! Hier komme ich doch niemals lebend wieder raus. Blind funktioniere ich nur noch auf Autopilot. Der Kampf des Überlebens. Wenn es soweit ist, merkt man erst, wie sehr man an seinem Leben hängt. Ich will hier nicht sterben! Es muss hier doch irgendwo einen Ausweg geben.

Oh Gott, sie sind so nahe. Ich presse meine Stirn kurz gegen das kalte Metall. Jetzt ist es bereits zu spät noch zurück zu rennen. Plötzlich kann ich jede noch so kleine Faser, jede Eingravierung unter meinen Händen und Füßen so deutlich spüren, als sei es das Letzte, was mir noch von meinem Leben bleibt. Meine Gedanken schweifen zurück zu all den schönen und schrecklichen Momenten meines Lebens; meine Eltern, mein erster Freund, der Tod meines Vaters und… Tom.

Oh Gott Tom!

Und zum ersten Mal in meinem Leben beginne ich zu beten. Ich bin nicht religiös, aber irgendwo dort oben muss es doch eine höhere Macht geben. Ändern kann ich an dieser Situation nichts mehr, ich hoffe nur, dass die Menschen, die ich hier zurücklassen werde, die Kraft finden es zu verstehen und die wahren Umstände vielleicht auch eines Tages erfahren werden. Eine Träne fließt über meine Wange, als ich an all die schönen Dinge mit Tom denke. Wie er mir Segeln beigebracht hat, unser erster Kuss, unser erstes richtiges Date, die gemeinsamen Stunden, die wir zusammen gekocht haben… Kleinigkeiten, die das Leben bedeutsam machen.

„Ich liebe dich“, flüstere ich leise, „Für immer.“

Sämtliche Angst und Anspannung scheint plötzlich von mir zu fallen und eine Gleichgültigkeit macht sich in mir breit, die ich noch nie in meinem Leben zuvor vernommen habe. Ich werde sterben, aber ich habe keine Angst davor.

Und so warte ich in der Dunkelheit auf mein Schicksal, warte auf den brennenden Schmerz, der mein Leben beenden wird.


+++++


Der brennende Schmerz ist nie durch mich hindurch gefahren. Stattdessen ist alles ziemlich schnell und unverhofft verlaufen. Während ich mich bereits mit meinen Ende abgefunden hatte, waren meine Hände anderer Meinung gewesen und hatten unweigerlich weitergesucht, bis ich endlich das fand, wonach ich die ganze Zeit verzweifelt gesucht hatte. Ein kleines, unscheinbares Symbol ließ sich drehen und ich war im wahrsten Sinne des Wortes durch eine sich öffnende Tür gefallen.

Schwer ein und ausatmend sehe ich dabei zu, wie sich die Türen wieder schließen und die hallenden Schritte an mir vorbeirauschen. Verdammt, das war knapp.

Nachdem sich mein Herz wieder beruhigt hat, sehe ich mich erst einmal um. Ein Raum mit bloß einem Ein und Ausgang. Ist ja hier nichts neues, aber was meine Stimmung dann doch überaus anhebt, ist die Tatsache, dass dieser Raum mit zahlreichen Kisten und Boxen gefüllt ist. Ein Lagerraum, ich befinde mich in einem gottverdammten Lagerraum! Ich hoffe jetzt nur, dass sich hier drinnen nicht irgendwelche Lebensmittel befinden.

Neugierig lausche ich einen Moment und starre auf die goldene Wand vor mir. Nichts passiert, keine Schritte sind zu hören. Okay, dann wollen wir mal sehen, was sich hier so befindet und wie wir hier wieder rauskommen. Die Boxen stehen im ganzen Raum verteilt. Sei es an den Wänden, übereinander gestapelt oder direkt vor meiner Nase. Eines muss man sagen, Apophis scheint nicht mit leichtem Gepäck zu reisen.

Ich stelle mich vor den ersten Kasten. Ein paar Fehlversuche später, schaffe ich es schließlich das Schmuckstück vor mir zu öffnen und mein lieber Scholli, ich habe noch nie so viele Stabwaffen auf einmal gesehen. Nach und nach gehe ich per Zufall ausgewählt weitere Boxen durch. Noch mehr Stabwaffen, Zats und einige andere Geräte mit denen ich absolut nichts anfangen kann. Ich habe zwar bereits ne Zat, aber zwei schaden mit Sicherheit nicht.

Versuchshalber schnappe ich mir einen dieser Stabwaffen und versuche damit so herum zu wirbeln, wie es die Jaffa machen, aber meine Versuche scheitern kläglich. Diese Dinger sind mir einfach viel zu unhandlich. Behutsam lege ich die Waffe wieder zur Seite, als mein Blick auf eine kleinere Box fällt. Sie unterscheidet sich nicht großartig von den anderen, außer in ihrer Größe und genau das macht mich neugierig.

Ein paar gezielte Griffe und das Ding ist offen. Und mich soll der Teufel holen! Waffen, gar keine Frage, aber bestimmt keine Waffen, die die Goa’uld jemals benutzen würden. Nein, diese Waffen gehören uns! Aufgeregt durchwühle ich den Inhalt. Mps, Handfeuerwaffen, C-4, Granaten und Taschenlampen. Alles da, bis auf meine ausgeliehenen Antiker – Waffen. Aber das muss reichen.

Ich stopfe alle Taschen, die sich noch an meinem Körper befinden mit Granaten und C-4 voll. Wie ich Sam kenne, wird noch irgendwo irgendwas in die Luft gesprengt. Nur die wirklich großen, schweren Waffen lasse ich da, obwohl, eine MP schadet sicher nicht. Eine Pistole verschwindet hinten in meinem Hosenbund und ein Messer schnalle ich mir um mein Bein. Bevor ich es vergesse, die Taschenlampe muss auch noch mit.

Schnell schließe ich alle Kisten wieder. Muss ja nicht unbedingt jeder wissen, dass ich hier war und gehe zurück zur Tür. Auch hier muss sich irgendwo ein Symbol befinden… Es ist das einfache Symbol einer geschwungenen Schlange, welches mir schließlich den freundlichen Dienst leistet die Tür zu öffnen.

Ich presse mich gegen die Wand, die beiden Zats im Anschlag und überlege, was ich als nächstes tun soll. Ich kann unmöglich Jack alleine befreien. Auch wenn es meinen Stolz kränkt, aber ich werde vor verschlossenen Türen stehen. Nein, dazu brauche ich ganz eindeutig Sam. Und die hat mir den Befehl gegeben nicht wieder zurück zu kommen. Na ja, wenn man es genau nimmt hat sie es so präzise nie formuliert und ich bin auch *nur* Zivilist und so gibt es für mich keinen Grund diesen Befehl auch auszuführen. Mal abgesehen, dass ich damit die Teamdynamik außer Konzept bringe, aber das hier ist auch keine normale Situation.

Die Entscheidung ist getroffen.

Sam, ich komme!

Zuerst zischen die beiden Zats um die Ecke und dann mein Körper hinterher. Im Moment laufen hier keine Jaffa herum, aber das kann sich ja jede Sekunde ändern. Und wenn Sam mir eine Standpredigt hält, die sich gewaschen hat, ich lasse sie da nicht alleine untergehen!

Blind vor Angst, angetrieben von einem enormen Adrenalinschub, laufe ich wie Lara Croft durch finstere Gänge, um den bösen Gegnern den Garaus zu bescheren.

Keine zwei Minuten später bin ich wieder an meinem Ausgangspunkt. Noch halte ich mich im Schatten versteckt, denn auch wenn ich nicht professionell ausgebildet bin, weiß ich durchaus, dass der nächste Schritt durchaus überlegt sein muss. Mein Blick schweift zu den anrückenden Jaffa. Gerade um die Ecke kommt ein neuer Trupp. Zwei gegen tausend. Das geht niemals gut. Und Sam mitten drin. Sie rollt und springt und schießt. Alles gleichzeitig. Doch jetzt scheint sie in der Falle zu sitzen. Von zwei Seiten wird sie gleichzeitig angegriffen, da nützt auch keine Nahkampftechnik mehr.

Einmal tief durchatmend trete ich hinaus auf das Schlachtfeld. Ein gezielter Schuss und Sams hinterlistiger Angreifer geht zu Boden.

Wie nicht anders zu erwarten, ist es genau das, was ich lieber nicht getan hätte. Denn diese plötzliche Einmischung hat Sam vollkommen aus dem Konzept gebracht. Erstaunt starrt sie in meine Richtung und übersieht dabei den sich nähernden Jaffa von links, der bereits zum Schuss ansetzt.

„SAM!“ kann ich nur noch schreien.

Instinktiv dreht sie sich zu mir herum, doch da ist es bereits zu spät. Mit Glück im Unglück geht sie zu Boden. Es ist nur ein Streifschuss in der Schulter und wo jeder schreiend alles um sich herum vergessen hätte, versucht Sam selbst noch am Boden den ein oder anderen Jaffa umzulegen. Und das wirklich Erstaunliche ist, dass sie es sogar schafft.

Wenn das so weitergeht, können wir die Radieschen bald von unten zählen. Es ist unmöglich, dass wir zwei gegen diese nicht enden wollenden Gegner ankämpfen können. Hektisch suche ich an meinen Taschen herum, bis ich finde, was ich suche. Eine Granate. Waghalsig renne ich schießend zu Sam und beuge mich schützend über sie. „Kann uns das helfen?“

Verdattert sieht sie mich an. „Woher?“ Doch kaum ausgesprochen, schießt sie schon den nächsten Jaffa zu Boden. „Gib her.“

Sie zündet das Ei und wirft es mit vollem Schwung in die Hauptmenge der Krieger. Hastig helfe ich ihr auf und schleife und zerre sie in den Durchgang aus dem ich gekommen bin. Keine zwei Sekunden später schießen riesige Brocken an uns vorbei und nur das plötzliche Aufflammen sagt uns, was da vor sich geht. Seufzend lehnt sich meine beste Freundin gegen die Wand und schaut hinunter auf ihren Arm. „Mist“, zischt sie. „Das hat mir gerade noch gefehlt.“

„Bist du sonst noch irgendwo verletzt?“

Sie schüttelt mit dem Kopf. „Nein. Nein, ich denke nicht.“ Und dann sieht sie mich an. „Habe ich dir nicht gesagt, dass du weiterlaufen solltest?“

„Bin ich. Aber ich hatte selbst ein paar Probleme und ich dachte, ich sollte wohl besser zurückkommen.“

„Wir sollten weiter. Es wird nicht lange dauern, bis wir wieder Besuch bekommen.“

„Warte. Vorher verbinde ich das noch.“

Mein Blick schweift über sie hinweg und bleibt kurzzeitig an ihrer verbundenen Hand hängen. Der Verband ist blutgetränkt. Dann ziehe ich das Messer aus der Schnalle und opfere ein Stück von meiner Hose. Wenn das so weiter geht, habe ich bald nichts mehr an. „Woher hast du die ganzen Sachen?“

„Ich zeig’s dir.“


+++++


Sam – jetzt ebenfalls eine wandelnde Granate – führt den Weg zu unserem Ziel. Mutig ignoriert sie ihren Arm, aber ich kann anhand ihrer Körpersprache sagen, dass es sie schwer belastet. Ich kann mir diesen Schmerz nur ausmalen.

Ich seufze einmal, als wir uns weiter voran schleichen. Es gibt eine Sache, die mich gewaltig an diesem Plan stört. Bevor wir überhaupt von ihr verschwinden, will Sam noch dafür sorgen, dass Apophis genau dies untersagt ist.

„Er hat genau zwei Optionen“, erklingt ihre Stimme in meinem Kopf, als sie von ihrer Idee erzählt. „Entweder das Stargate oder sein Schiff. Wir müssen dafür sorgen, dass beide außer Gefecht sind.“

Als ich sie nach dem Wie gefragt hatte, hatte sie mich mit einem prüfenden Blick angesehen. „Du und der Colonel, ihr seid doch in diesem Kontrollraum gelandet, nicht wahr?“ Vorsichtig nickte ich. „Von dort kann man mit Sicherheit das Stargate steuern. Wenn wir es schaffen, es soweit außer Gefecht zu setzen, dass es für Apophis unnutzbar ist, aber dennoch intakt, kann er nicht durch das Sternentor flüchten.“

Ich schluckte schwer. Bei Gott, aber bitte lasst mich nicht noch einmal an diesen Ort zurück. „Muss das wirklich sein, Sam?“

„Wir haben keine andere Wahl. Außerdem hast du gesagt, dass sich direkt darüber das Sternentor befindet.“

„Bitte, Sam.“

Sie musste das Flehen und die Qual in meinen Augen gesehen haben, denn sie legte eine Hand auf meinen Arm. „Glaub mir, wenn es einen anderen Weg gibt, ich würde ihn wählen. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass Apophis entkommt. Er ist eine zu große Gefahr.“

„Ich könnte gehen“, mischte sich Daniel ein und ein dankbares, wenn nicht schon hoffnungsvolles Lächeln hatte sich auf meine Lippen gezaubert. Das war mein Ticket nach draußen. Doch zu unser aller Überraschung schüttelte Sam mit dem Kopf.

„Ich werde es vermutlich nicht rechtzeitig schaffen das Stargate wieder umzuprogrammieren. Außerdem dürfte es zu gut bewacht sein. Wir müssen nur zusehen, dass es nichts abbekommt. Wir werden von hier aus flüchten. Wenn wir es schaffen vielleicht noch in den Maschinenraum des Schiffes zu gelangen, könnte ich die Aggregate austauschen. Wir kommen mit Colonel O’Neill hier hin zurück und flüchten durch diesen Gang.“

Sie deutete auf den Boden und die große Steinplatte. „Daniel, Sie müssen Teal’c helfen diese Platte irgendwie anzuheben. Liz kann mir bei der Übersetzung helfen.“

„Na ja“, warf ich ein und hob einen Finger. „Ich bin bei weitem nicht so gut wie Daniel.“

„Das wird reichen.“ Sie schwieg einen Moment. „Außerdem scheinst du die einzige zu sein, die ebenfalls diese Geräte bedienen kann.“


Und damit war mein Schicksal besiegelt gewesen. Doch leider wurde soeben unsere Zeitplanung etwas über den Haufen geworfen. Ich weiß nicht, wie Sam all das schaffen will. Immerhin haben die Jaffa schon Wind davon bekommen, dass wir uns hier draußen aufhalten.

„Solange sie versuchen uns zu fangen, verschwinden sie schon nicht“, flüstert Sam auf meinen unausgesprochenen Gedanken hin. Egal, ob sie uns suchen oder nicht, ich würde mir jetzt am liebsten einfach nur den Colonel schnappen und von hier verschwinden.

„Okay, hier sind die Ringe“, verkündet Sam mir und lugt einmal um die Ecke. Na, das ist doch mal nett. Gleich vier Gänge, die von den Ringen abgehen. Während Sam links herum geht, begebe ich mich in die andere Richtung und halte Augen und Ohren auf. Ohne große Umschweife läuft mein Genie zu der Steuerung. „Stell dich in die Mitte.“

Mit meiner Waffe im Anschlag und immer ein gezieltes Auge auf meine beiden Gänge, mache ich genau das, was mir gesagt wird. Keine fünf Sekunden später stellt sich Sam mit den Rücken an meinen gelehnt neben mich, bevor uns ein gleißendes Licht umgibt.

Und da bin ich wieder. Hier unten im Loch. Während Sam aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Vor meinem geistigen Auge kann ich ganz genau sehen, wie der Colonel und ich an den Konsolen stehen und hinterher um unser Leben rennen müssen. Lasst es nur so schnell wie möglich hinter uns bringen.

Ich folge Sam zum Zentrum, wo sich die gigantische Steuerkonsole befindet. „Gott“, haucht sie ehrfürchtig. „Stell dir nur all die Informationen vor.“

Ein stummes Nicken ist meine Antwort. Auch wenn die Wissenschaftlerin in mir genauso denkt, überragen doch die schlechten Erinnerungen und die Angst. Dieser Ort jagt mir einen eiskalten Schauer den Rücken herunter. Ja, ich würde mein rechtes Bein dafür ausreißen, um all dies hier zu studieren, aber nicht unbedingt zu diesem Preis.

Als ich meine Hand auf die Fläche der Konsole lege, erwacht diese zum Leben. Geschwind suche ich mich durch die Daten. Diesmal dauert es nur wenige Minute, bis ich gefunden habe, was Sam sich wünscht. Das Stargate.

„Okay, gib mir fünf Minuten.“

Optimist.

Nach nur einigen Sekunden, höre ich bereits das erste Fluchen. „Verdammt. So kommen wir nicht weiter. Ich muss die Energiequelle finden, die das Stargate steuert.“

„Uhm… wie soll die aussehen?“

„Das weiß ich, wenn ich es gefunden habe.“

„Oh.“

Nichtsdestotrotz versuche ich ihr mit meinem dünn gesäten Antikerwissen zu helfen. „Also, ich weiß wirklich nicht, was genau du suchst, aber…“

„Warte mal kurz! Geh noch einmal zurück.“

Ich gebe den letzten Befehl ein und zum Vorschein kommt eine Karte vom Umriss des Geländes. Es ist gigantisch, aber was meine Freundin viel mehr interessiert sind die fünf aufflackernden Energieströme. „Diese fünf Energiequellen scheinen die Versorgung zu sein. Wenn ich jetzt noch herausfinde, wie genau sie gesteuert sind und wie ich das Stargate abkapseln kann, brauche ich nicht den ganzen Laden dicht zu machen“, lächelt sie mich schief an.

Wäre auch ne super Idee, wirklich. Laufen eigentlich die Transportringe auch darüber?

Sam klimpert weiterhin auf den Tasten herum und kaut dabei konzentriert auf ihrer Unterlippe. Wir sind schon viel zu lange hier. „Okay, okay… ich glaub, ich hab’s. Wenn ich diese Energiesequenz abkapseln und umleiten kann, könnte es klappen.“

„Ah.“

„Aber dazu muss ich mir die Energiequelle ansehen. Von hier aus geht das nicht.“

„Wie bitte?“ Ich starre sie vollkommen entgeistert an.

„Keine Angst.“

Habe ich nicht. Echt nicht. Wieso auch? Wir sitzen hier nur auf einem Pulverfass! Und da rennt sie bereits los. „Hey, wo willst du denn hin?“ Oh nicht schon wieder. Muss sie eigentlich immer weglaufen? Erst irgendwelche halben Sätze anfangen und sich dann aus dem Staub machen! Das haben wir mal wieder gerne. „Hey, jetzt warte doch mal!“

Sie rennt schnurstracks zu einer entlegenen Wand. Es ist die Wand, die ich schon bei meiner ersten Ankunft hier unten entdeckt hatte. Hinter der es weitergeht. Als ich leicht außer Atem zu ihr stoße, teilt sich diese in zwei Hälften. „Nicht schlecht“, murmle ich und setze einen Schritt in das Innere. Der Raum ist kleiner als sein Vorraum, aber dafür nicht weniger interessant. In der Mitte steht eine Art Podest, wo sich eine Maschine drauf befindet. Dahinter gibt es eine Schaltfläche, die all das zu steuern scheint. Ein merkwürdiges Summen erfüllt die Luft um uns herum, so als ob ein ganzer Schwarm Bienen über uns Kreisen würde. Unweigerlich fährt mein Blick nach oben und mich trifft der Schlag! Dort oben geht es weiter!

Abwesend zupfe ich an Sams Arm und als ihr Blick meinem folgt, bleibt selbst ihr die Spucke weg. „Wow…“

Mehrere Etagen erstrecken sich über uns, mit Geländern, die alles absichern. Die einzelnen Ebenen sind durch Treppen miteinander verbunden, aber das wirklich, wirklich faszinierende ist die weißbläuliche ovale Kugel, die über uns an der Decke hängt. Sie scheint in einem Gerüst befestigt zu sein. Das Licht pulsiert hypnotisierend über unseren Köpfen und wir sehen uns schräg von der Seite an.

Dennoch haben wir eine Mission zu erfüllen. Sam reißt ihren Blick von dem Ding und zieht mich mit in Richtung Steuerkonsole. Ich aktiviere das Ding und sie taucht in ihre Wissenschaft ab. „Ich hoffe, das funktioniert auch“, murmelt sie. Kaum hat sie die Worte ausgesprochen, fährt eine der Energiequellen aus dem Gerät vor uns. Es sieht merkwürdig aus. Wie ein gehauener Stein aus Kristall, nur, dass sein Licht erlischt. In einem dunklen gelblichen Ton liegt es jetzt einfach so vor uns.

„Uhm…“, kommt es von Sam.

„Wir sollten es vielleicht hier nicht so einfach herumliegen lassen.“

Aber Sam ist mit ihren Gedanken bereits ganz woanders. „Überleg dir mal wie viel Energie so ein Ding spenden kann. Dieser Ort ist gigantisch und lediglich fünf dieser Energiequellen werden benötigt. Wenn wir diese Energie bündeln könnten…“ Sie schaut zu mir herüber, schluckt und nickt dann. „Ja, wir sollten vielleicht gehen.“
Ich renne noch schnell in die Mitte, schnappe mir das Ding und stelle es auf den Boden unterhalb der Konsole. „Ich muss unbedingt noch mal zurückkommen.“

„Ja, aber können wir jetzt gehen?“, dränge ich und schubse sie quasi nach draußen. Nehmt es mir nicht übel, aber noch einen Vulkanausbruch will ich hier unten bestimmt nicht verbringen. Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick aktiviert sie die Transportringe und wir befinden uns wieder ein paar Stockwerke über der Erde. Aber nicht gerade in ungefährlicher Lage. Gezielt dreht sich Sam nach allen Seiten, bis sie mir schließlich erneut ein Zeichen gibt.

Es ist schon fast unheimlich wie leicht wir hier durchkommen. Kommt ein gerade zu beabsichtigt vor. „Sam“, zische ich, aber sie wedelt nur mit der Hand herum, dass ich ruhig sein soll. „Sam“, wiederhole ich mit etwas mehr Nachdruck.

Schließlich bleibt sie stehen und wirbelt zu mir herum. Sie braucht nichts zu sagen, ich kann alles in ihren furiosen Augen sehen. „Hier ist etwas faul.“

„Liz, komm schon. Wir haben dafür keine Zeit.“

„Trotzdem stimmt hier was nicht.“

Schweigend setzt sie ihren Weg fort. Und da sollte man meinen, dass jemand, der bei der Air Force ist, darauf eingeht.

Nach einigen Minuten haben wir die letzte Biegung erreicht, die uns zum Maschinenraum führt. Wieder einmal ist es Sam, die um die Ecke schielt. „Okay, ich gebe zu, das ist ungewöhnlich. Hier befinden sich eindeutig zu wenige Wachen.“ Was sie nicht sagt. Ich bedenke sie nur mit einem „Ich hab’s ja gesagt“ – Blick, doch Sam ist bereits dabei einen weiteren Plan auszutüfteln. „Wir sollten besser die Tür meiden. Es gibt hier bestimmt noch einen anderen Weg.“

Ich hoffe nur, sie kommt hier nicht auf krumme Gedanken. Doch dafür ist es bereits zu spät, als ich ihren hübschen, blauen Augen folge. Oh bitte nicht! „Das ist nicht dein Ernst.“

„Komm schon.“ Sie stellt sich mit dem Rücken zur Wand, verhakt ihre Hände und geht leicht in die Kniebeuge, um mir auch eine perfekte Räuberleiter zu gewährleisten. Einfach super. Ich kann nicht glauben, dass ich das hier mache. Mit Schwung steige ich mit meinem rechten Fuß auf ihre Handflächen und drücke mich nach oben, nur um dort angekommen etwas ungeschickt das Gitter lösen. Ich werde hier noch zum Einbrecher. Ein paar wirklich wacklige und Nervenzerrende Sekunden später, habe ich es geschafft das Ding mit Hilfe meines Messers irgendwie abzumontieren. Fragt mich nicht wie, aber es ist ab. Erleichtert kehre ich wieder auf den Boden zurück, während Sam ganz unauffällig das Gitter hinter einer der zahlreichen Einbuchtungen verschwinden lässt. „Du gehst vor.“

Wer auch sonst?

Mit einer reichlichen Portion Kraft, um Sams angeschossenen Arm nicht allzu sehr zu belasten, ziehe ich mich nach oben in den schmalen, rechteckigen Spalt. Sofort drehe ich mich herum und lasse meinen Oberkörper so weit wie möglich heraushängen, um auch Sam hier herein zu ziehen. Hätte ich gewusst, wie verdammt das schmerzen wird, ich hätte es gelassen. Als ich Sam dann mit einigen Schwierigkeiten und ein paar Hämatomen mehr ebenfalls oben neben mir sitzen habe, müssen wir beide erst einmal Luft holen. „Klasse Idee“, kommentiere ich sarkastisch.

„Ich weiß.“

Kopfschüttelnd machen wir uns auf den Weg den langen Tunnel entlang zu kriechen. Ich hoffe nur, wir kommen auch da heraus, wo wir es wollen. Wie es der Zufall natürlich so will, ist das natürlich nicht der Fall. Ich will gerade in dieser Richtung ein Kommentar abgeben, als Sam plötzlich anhält und sich halb zu mir umdreht und ihren Finger auf die Lippen legt. Genau unter unserer Lüftung steht ein komisch aussehender Mann. Eine Gesichtshälfte scheint irgendwie verbrannt zu sein, welche aber zum größten Teil abgedeckt ist. Er trägt ein rotes Gewand, bespickt mit Goldfasern.

„Sucht sie! Und bringt sie dann zu mir“, brüllt der Kerl die Wachen vor ihm an. Diese machen unweigerlich kehrt. Sam und ich tauschen einen besorgten Blick aus. Das ist gar nicht gut. Und bevor auch er den Korridor verlässt schaut er noch einmal auf und bei Gott ich schwöre euch, er hat mich direkt angesehen! Erstarrt starre ich nach unten. Er hat mich gesehen! Er weiß, dass wir hier oben drin sind. Ein eiskalter Schauer fährt über meinen Rücken. Dieser Blick, so kalt und böse. Ich werde ihn nie in meinem Leben vergessen.

Nachdem er verschwunden ist, atmen Sam und ich hörbar aus. Ich hatte bis dahin gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten habe. „Das war Apophis“, verkündet mir Sam.

Ich lächle schief. „Für einen Gott sieht er aber ziemlich mickrig aus“, überspiele ich mit einem scherzhaften Kommentar meine nervliche Anspannung.

Sam lacht leise. „Ja, sag ihm das nur lieber nicht persönlich.“

„Oh keine Angst. Ich habe noch nicht einmal vor mit dieser Kreatur in einem Raum zu sein.“ Sam nickt nur und kriecht weiter. Bevor ich es überhaupt bemerkt habe, stecke ich bis zum Hals in einem riesigen Fettnäpfchen! Gott, ich könnte meinen Kopf gegen die Wand hauen! Toller Kommentar, Liz! Wirklich ausgezeichnet. Und das sagst du einer Person, die gerade Stundenlang gefoltert wurde. Oh Mann, mein Einfühlungsvermögen scheint auf Urlaub zu sein.

Schließlich folge ich Sam mit einem Seufzen. Wie ich sie kenne, möchte sie eh nicht darüber sprechen und ehrlich gesagt, wäre es jetzt auch ein schlechter Zeitpunkt dafür. Sie ist angespannt, man kann es in jeder ihrer Bewegungen sehen. Ob es an der Situation liegt? Vermutlich. Ob es daran liegt, was sie bereits hinter sich hat? Sicherlich. Oder liegt es an dem, was sie noch erwarten wird? Mit Sicherheit.

Ich verspüre selbst diese Angst. Was werden wir vorfinden? Wie wird es ihm gehen? Wird er leben? Werden wir nur zu viert dieses Gebäude hier verlassen? All diese Fragen lungern unter dieser knallharten Oberfläche und ich weiß bei Gott sie fressen Sam von innen auf. Sie kann es leugnen oder kaschieren so viel sie will. So undurchschaubar bist du nicht, Sam.

Aber gerade ihr ist es jetzt nicht erlaubt die Nerven zu verlieren. Sie darf nur in diesen gradlinigen Bahnen denken. Jegliche Gefühle könnten alles gefährden. Das habe ich bisher gelernt. Und wenn sie es nicht darf, dann werde auch ich nicht damit anfangen.

„Wir sind da“, reißt mich Sam aus meinen Gedanken. Ich schiele durch die Gitter und kann einen gewaltigen Turm in der Mitte des Raumes ausmachen. Das ist dann also der Baukasten, der hier alles in Schuss hält. „Sieh mal.“ Sie deutet auf die Tür. Auf beiden Seiten leuchten rote Lampen auf. Auch wenn es außerirdisch ist, weiß ich was es ist. Eine moderne Alarmanlage.

Vorsichtig lässt sich Sam an der Wand hinunter und benutzt als Stützte die Bank, die von der Wand abgeht. „Apophis scheint offensichtlich genug davon zu haben, dass wir andauernd seine Schiffe in die Luft jagen“, kommentiert sie, als sie mir hilft aus diesem Loch zu kriechen.

Ich bin nur froh, dass mich mein Bauchgefühl nicht im Stich gelassen hat. So ist das nun einmal. Man sollte immer auf seinen Bauch hören. Und bisher konnte ich mich immer ausgezeichnet darauf verlassen.

„Und was hast du jetzt vor?“, frage ich neugierig.

„Eigentlich wollte ich nur ein paar Kristalle austauschen, aber wenn wir schon einmal das hier bei uns haben“, sagt sie und zieht gleichzeitig ein C-4 Sprengstoff aus ihrer Tasche. Schnell öffnet sie die Maschine und eine ganze Reihe an Kristallen zischt nach draußen. Konzentriert befestigt sie einen Sprengstoff und schließt das Fach wieder. „Ich stelle den Zeitzünder auf fünfzehn Minuten.“

Das schaffen wir nie!

„Mal schauen wie weit Apophis damit kommt.“

Vermutlich nicht sehr weit und wir auch nicht, wenn wir uns nicht schleunigst beeilen. Hastig ziehe ich mich an der Wand wieder nach oben und wiederhole das Spielchen, um Sam ebenfalls eine Etage höher zu befördern. Jetzt dürfen wir echt keine Zeit mehr verlieren. Und das tun wir auch nicht. Schnurstracks rutschen wir bis unsere Knie bereits wund sind, durch die verwinkelten Tunnel und gelangen schließlich wieder zu unserem Ausgang. Ein geprüfter Blick nach unten und in alle erkennbaren Richtungen und wir sind wieder auf dem Boden der Tatsachen.

Wir lassen uns kaum Zeit zu einer Verschnaufpause, denn sofort geht es weiter, bis Sam plötzlich stehen bleibt.

„Hier muss es sein.“ Sie dreht sich zu mir herum und wir stehen mal wieder vor verschlossenen Türen. Zielstrebig begibt sich Sam zu einer kleinen Konsole an der Wand. Sie hantiert gekonnt mit dem Messer und nachdem sie das Gehäuse abgetrennt, steckt sie das Messer auch noch in den Mund, so dass ihre Zähne die Klinge halten. Doch wie die Ruhe selbst tauscht sie irgendwelche merkwürdigen Kristalle aus und schwupps öffnet sich die Tür.

Verblüfft schaue ich in ihre Richtung, aber Sam hat das Messer bereits wieder weggesteckt und befindet sich in der Zelle. Ich sagte doch, ich hätte das nie hinbekommen.

Während sie ins Innere rennt, bleibe ich an der Tür, um Schmiere zu stehen. Ein kurzer Blick über meine Schulter zerreist mir das Herz. Da liegt er. Geschunden und geschlagen. Es sieht so aus, als ob die Wachen ihn einfach auf den Boden geschmissen haben, wo er sich dann nicht mehr gerührt hat. Sein Hosenbein ist bedeckt mit getrocknetem Blut und Schweißperlen zieren seine Stirn. Zahlreiche Blessuren – alt und neu – zeichnen sich am ganzen Körper ab. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist sein T-Shirt noch zerrissener als beim letzten Mal. Ein Klumpen bildet sich in meinem Hals bei diesem Anblick.

Vorsichtig hat sich Sam neben ihn gehockt und streicht ihm zaghaft eine Strähne aus der Stirn. „Sir?“, flüstert sie mit zitternder Stimme. „Colonel, können Sie mich hören?“

Sie bekommt keine Antwort. Ich wende meinen Blick wieder nach vorne und schließe für einen kurzen Augenblick meine Augen.

„Hier ist Carter“, redet sie weiter. „Wir holen Sie hier raus.“

Als ob das mein Zeichen gewesen ist, renne ich zu ihr und knie mich auf die andere Seite des Colonels. Behutsam lege ich eine Hand auf seine Schulter und schaue zu Sam hinüber. Mit einem gequälten Blick sieht sie zu mir auf – auch wenn sie tapfer versucht ihn zu verbergen. „Er reagiert nicht.“ Ihre Stimme klingt so gebrochen, so unglaublich verloren. Es ist das erste Mal, dass sie sich selbst erlaubt ein gewisses Maß an Gefühl zu zeigen. Und ich weiß, wie sehr es sie von Innen heraus zermatert.

Ich schlucke schwer. Ich weiß, Süße, denke ich. Ich weiß. „Komm, lass uns von hier verschwinden. Je eher wir hier raus sind, desto besser.“

Sie atmet noch einmal tief durch und die Kontrolle ist wieder an ihrem Platz. Gott, wenn es mir bereits das Herz zerreist, wie muss es ihr dann erst gehen? Wie kann sie das nur aushalten?

Kontrolliert beiße ich mir auf die Zunge und zusammen versuchen wir den Colonel in unsere Mitte zu nehmen. Mit vereinten Kräften befreien wir Jack aus seiner Hölle.


+++++


Der Rückweg hat eindeutig mehr Zeit in Anspruch genommen als geplant. Wir haben nur noch sieben Minuten. „Gleich haben wir es geschafft“, murmelt Sam mehr zu sich selbst als in meine Richtung.

Meine Hoffnung schwillt schon innerlich an, dass wir es bald geschafft haben. Endlich raus hier. Hätte ich mich nur nicht zu früh gefreut. Denn kaum, dass sich der Hoffnungsschimmer in mir ausgebreitet hat, ertönt hinter uns das Geschepper von mehreren Füßen. Jetzt müssen wir allerdings einen Zahn zulegen.

Mein Herz schlägt mir bis zum Halse, meine Lungen brennen, als ich versuche mit Sam zusammen uns und Jack so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone zu bekommen. Jeden Schritt den wir machen, legen die doppelt so schnell zurück. Wir müssen es schaffen. Wir können nicht so soweit gekommen sein, um jetzt zu verlieren!

Während Sam und ich um die Ecke hetzen, hantiert sie bereits mit der anderen Hand in ihrer Tasche herum. Mir wird gleich schwindelig. Ich kann nicht mehr. Vor meinen Augen läuft alles geradezu nur noch in Zeitlupe ab.

„DANIEL!“, schreit Sam schließlich, als wir auf unsere Zelle zu rennen. In ihrer linken Hand hält sie doch tatsächlich eine Granate und wirft sie meinem Archäologenkollegen zu. In der Zwischenzeit ist Teal’c an unsere Seite gelangt, um uns den Colonel abzunehmen. Am liebsten wäre ich an Ort und Stelle zusammengebrochen, aber der nagende Gedanke, dass sich direkt hinter uns ein paar wirklich wütende Jaffa befinden, lässt meine Beine aufrecht stehen.

Erschöpft und total ausgebrannt werfen wir uns die Zelle, während Daniel einmal mit Schwung die Granate in den Gang wirft. Schützend schmeißt sich Daniel neben uns, als ein lauter Knall das Gemäuer erfasst. Noch während Staub von der Decke rieselt, schaue ich betroffen und leicht mitgenommen auf.

„Alles in Ordnung?“, fragt Daniel sinnloser Weise.

„Alles bestens“, meine ebenso sinnfreie Antwort.

„Wir haben uns schon Sorgen gemacht.“

„Jetzt sind wir ja da.“

Sein Blick schweift zu Jack und Teal’c. „Gott, er sieht schlimm aus.“ Mitgenommen schüttelt er den Kopf und hilft mir dann wieder auf die Beine, bevor wir uns daran machen in unserem Schlupfloch zu verschwinden. Doch bevor das passiert, geschehen zwei geradezu schlechte Dinge.

Erstens, taucht der Möchtegerngott persönlich auf. Und meine Güte, ist der sauer! Er brüllt irgendwas in einer außerirdischen Sprache, aber da braucht man wirklich keinen Daniel, um das zu verstehen. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, beginnt alles um uns herum zu wackeln und zu zittern.

Man hätte es auf die Explosion schieben können, aber wir wissen es besser. „Los runter!“, schreie ich aufgebracht und kaum, dass wir auf den Beinen waren, liegen wir wieder auf dem Boden. Durch einen Schlitz zwischen meinen Armen, kann ich sehen, wie Apophis ziemlich überrascht darsteht. Brocken, geradezu große Platten fallen von der Decke und zertrümmern auf dem Boden. Getöse macht sich um uns breit und jetzt können wir nur noch beten. Jetzt im Tunnel zu verschwinden wäre reinster Selbstmord.

Aber unser Gott scheint das Interesse an uns verloren zu haben. Erschrocken sieht er sich um und will in die andere Richtung flüchten, doch gerade in diesem Augenblick fallen mehrere große Platten zu Boden. Na super, gefangen mit einer übergeschnappten Schlange!

Bevor ich überhaupt nachdenken kann, ist Teal’c auf den Beinen, seine Stabwaffe im Anschlag.

„Shol’va!“, kommt es aufgebracht von Apophis. Er wirbelt zu seinen Jaffa herum. „Tötet sie!“

Doch zu unserem Glück kommt es gar nicht mehr so weit. Denn ausgerechnet in diesem Moment, erfasst uns ein weiteres, noch viel stärkeres Beben. Die Brocken und Platten, die von oben herabfallen, landen nicht nur glücklicherweise neben uns, sondern auch auf den Jaffa. Ein Großteil der Wachen wird unter den Steinen begraben. Geschockt kann ich das Geschehen nur verfolgen. Aber selbst wenn ich in der Lage gewesen wäre irgendwas zu tun, ich bin dermaßen gelähmt, dass ich noch nicht einmal registriere, wie ich selbst unmittelbar in der Gefahrenzone sitze.

„Liz!“, schreit Daniel und kann mich im letzten Moment noch zurückziehen, bevor ein riesiger Klotz zwischen meinen Beinen landet. Oh Scheiße…

Vollkommen außer Atem, starre ich auf den Klotz und dann zu Daniel. „Danke“, hauche ich leicht benommen.

Aber das Unglück findet kein Ende. Ohne mit der Wimper zu zucken schnappt sich Apophis eine der Stabwaffen und zielt jetzt persönlich auf uns.

„Du wirst sterben, Shol’va!“, spuckt der Kerl aufgebracht vor uns aus. Im gleichem Atemzug aktiviert Teal’c ebenfalls seine Waffe und im Regenfall der Steine etabliert sich vor uns ein High Noon der ganz anderen Art.

Vorsichtig, aber bestimmt geht Teal’c einen Schritt vor. Wartet. Seine Kieferknochen sind angespannt, seine Muskeln zucken.

Die Waffe ist aktiviert. Sie glimmt gefährlich auf und er braucht jetzt nur noch schießen.

PENG!

Doch Apophis geht nicht zu Boden. Ein blaues, schimmerndes Feld umgibt ihn. Stattdessen kreuzt er mit einem furiosen und höhnischen Blick seine Arme, berührt seine Hand und ein helles Licht umgibt ihn. Ringe schießen herunter und umschlingen ihn. Und dann ist er verschwunden. Einfach weg, futsch. Dieser Mistkerl lässt uns doch einfach in diesem zusammenbrechenden Trümmerhaufen allein zurück!

„Wo ist er hin?“, frage ich und schiele an die Decke.

„Es muss sich noch ein weiteres Raumschiff in der Umlaufbahn befunden haben.“

„Aber, als wir im Kontrollraum waren, da haben wir kein anderes gesehen.“

„Es war vermutlich getarnt“, gibt uns Teal’c ganz sachlich die Antworten.

Ich schiele hinüber zu dem Loch im Boden und dann zu der Steinwand, die uns großzügiger Weise dem Weg nach draußen versperrt. Also auf herkömmliche Weise – durch die Tür – kommen wir hier wirklich nicht mehr raus. Damit wäre auch die Option Stargate gestrichen. Wie es jetzt in unserem Loch aussieht, können wir auch nur raten. Ob wir überhaupt noch hier rauskommen, dürfte äußerst fraglich sein. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes zum Heulen. Keinen Meter von uns entfernt befindet sich unsere Rettung, aber wir sitzen hier fest.


+++++


Übersät mit Staub, klopfe ich ziemlich erfolglos die Staubklumpen aus meinen Haaren. Daniel und ich sitzen geschafft an die Wand gelehnt. Vor nicht ganz fünf Minuten hat das Beben aufgehört und ich schaue mich recht erleichtert um. Der Palast ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Trümmerhaufen, aber niemand von unserer Truppe hat ernsthafte Schäden davon getragen. Mein Blick wandert eine halb auf den Boden gekrachte, noch halb hängende Deckenplatte. Einzelne Sonnenstrahlen kitzeln mein Gesicht, während ich blinzelnd hinaufschaue und die Wärme genieße.

Theoretisch könnte man auch über das Dach herausklettern, schießt mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf. Und als ob es die Idee schlechthin ist, schieße ich nach oben und begutachte mir die Steine etwas genauer. Sicher, man könnte darüber klettern, wir würden es alle schaffen. Leider sind die Winkel etwas zu steil und wenn ich ehrlich bin ist mir die gewählte Konstruktion doch etwas zu gefährlich. Auf allem, wir würden den Colonel da nie – ohne noch mehr Schaden anzurichten – da rüber schaffen. Also, sehe ich, wie meine Idee wie eine Seifenblase zerplatzt.

Puff! Weg ist sie. Seufzend setzte ich mich wieder neben Daniel.

„Was ist?“, fragt er neugierig.

„Meine Seifenblase ist gerade geplatzt.“

Ein äußerst irritierter Blick trifft mich, aber da ich im Moment nicht in der Stimmung bin, ihm das ausführlich zu erklären, winke ich nur ab. Erneutes Schweigen breitet sich zwischen uns aus und ich schiele hinüber zu Sam, die sich vollkommen und ganz um den Colonel kümmert. Diesmal habe ich es ihr überlassen ihm eine Schiene zu legen. Zum Glück schwebt er noch in ganz anderen Hemisphären, denn das sieht schon ziemlich brutal aus. Gott, ich bin so verdammt froh, dass wir wieder alle zusammen sind. Egal wie angeschlagen, wir sind wieder zusammen und das gibt mir erneute Hoffnung. Langsam begreife ich, warum sie die Besten der Besten sind. Sie haben es bisher geschafft jede noch so auswegslose Situation lebend zu überstehen. Und ja, ohne sich jetzt extrem aufzuspielen, aber ich kann stolz auf mich sein, denn auch ich habe dieses ganze Chaos in einem Stück überlebt. Auch wenn es fast in letzter Minute schief gegangen wäre. Wenn Daniel nicht gewesen wäre, wäre ich jetzt Matsche.

Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung und sehe ihn solange an, bis er merkt, dass er angestarrt wird. Überrascht sieht er zu mir hinüber. „Wieso schaust du mich so an?“

Lächelnd schüttle ich mit dem Kopf. „Ich wollte mich nur noch einmal bedanken.“

Verdutzt sieht er mich an. „Wofür?“

Ich deute mit meinem Kopf auf den riesigen Klotz auf dem Boden. „Dafür. Wenn der mich erwischt hätte, bräuchte ich nie wieder eine Diät machen.“

Er schnauft leise auf. „Also ob du das nötig hättest“, murmelt er sich in den Bart.

„Was?“

„Nichts. War doch eine Selbstverständlichkeit. Würdest doch auch dasselbe für mich tun, nicht wahr?“, flachst er mit einem sanften Hieb in meine Rippen. „Außerdem“, seufzt er schwer und jegliche Heiterkeit ist aus seiner Stimme verschwunden, „hat es mir einmal gereicht ein solchen Unfall mit anzusehen.“

Unsicher schiele ich zu ihm hinüber. Ich habe keine Ahnung wie ich darauf reagieren soll. Ich weiß noch nicht einmal auf was für einen Unfall er es bezieht.

Als ob er meine Unwissenheit geahnt hätte: „Als ich noch ein Kind war, sind meine Eltern gestorben“, beginnt er zu erzählen.

„Das… das tut mir Leid“, sage ich ehrlich betroffen.

„Sie haben im Museum of Art in New York Stelen aufgebaut. Die Deckenplatte hing an ein paar Ketten. Sie war am Wackeln, aber das war nicht das Problem. Als man die Platte auf die Säulen hinab gelassen hatte, ist eine der Ketten gerissen. Meine Eltern standen direkt unter der Platte.“

Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich kann nichts sagen. Jedes Wort des Trostes würde sich wie eine Beleidigung anhören und so tue ich das einzige, was mir in diesem Moment einfällt. Ohne ihn anzusehen, greife ich nach seiner Hand und drücke sie einmal fest.

„Mein Dad ist auch tot“, sage ich schließlich mit tonloser Stimme. „Wir sind auf einer Expedition gewesen. Gar nicht mal so weit von hier entfernt. Wir haben uns eine uralte Ruine angesehen. Meine Ma und ich – ich war damals zwölf gewesen - haben eine dieser wirklich tollen Spielarenen der Maya angesehen, während mein Vater in einem abgeschiedenen Tempel verschwunden ist. Er liebte diese dunklen, geheimnisvollen Orte.“ Sehnsüchtig lächle ich an die Erinnerung. „Er ist so aufgeregt gewesen, wie ein Kind. Seine Augen haben gestrahlt.“ Ich seufze schwer. „Der Tag neigte sich dem Ende zu und wir haben uns einen Treffpunkt ausgemacht. Ich stand vor dem Eingang des Tempels und habe ihm zugerufen, dass er sich beeilen sollte, denn er hat mir versprochen, dass wir gemeinsam auf eine der großen Pyramiden klettern würden und er mir dort die Astronomie der Maya zeigen würde.“ Ich halte stockend inne, als ich die heißen Tränen spüre, die in meinen Augen brennen. „Er hat den Tempel nie verlassen. Er ist auf eine brüchige Platte getreten und darunter befand sich nichts anderes als ein Abgrund. Er wurde unter den Steinen begraben.“

Mein Herz hämmert wie wild, erstickte Tränen sammeln sich meinem Hals und kann nicht mehr atmen. Die Luft ist wie abgeschnürt. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich über diesen Verlust spreche. Meine freie Hand, habe ich zu einer zitternden Faust geballt. Gott, ich vermisse ihn so sehr! Eine einzelne Träne fällt hinunter in meinen Schoß. Es ist so verdammt unfair! Ein krampfhaftes Schluchzen, welches ich eigentlich unterdrücken wollte, erschüttert meinen Körper. Es tut so verdammt weh!

Nur abwesend registriere ich, wie jemand seinen Arm um meine Schultern legt und mich an sich heranzieht. Weinend vergrabe ich mein Gesicht in Daniels Brust und lasse seit seinem Tod zum ersten Mal richtig meinen Tränen freien Lauf.


+++++


Es ist schließlich Sam, die zu uns hinüber kommt. Ganz sanft rüttelt sie an meiner Schulter mein Gesicht rutscht wenige Zentimeter in ihre Richtung. „Wir sollten endlich von hier verschwinden“, sagt sie, hält dann aber inne als sie meine verquollenen Augen sieht. Überrascht schaut sie zu Daniel auf.

„Ist schon in Ordnung“, versichert dieser ihr.

Aber Sam will davon nichts hören. „Liz, was ist los?“ Sie sieht total verängstigt aus. Kopfschüttelnd befreie ich mich aus Daniels Umarmung und wische mit meinen Händen über meine geröteten Augen.

„Geht schon.“ Sie glaubt mir kein Wort. „Du kennst mich doch, ich kann manchmal etwas… weinerlich sein.“ Sie glaubt mir immer noch nicht und das kann ich verstehen. Denn ich bin mein ganzes Leben lang nicht weinerlich gewesen – bis auf die letzte Woche. Da habe ich mehr geheult, als in meinem ganzen Leben. Sie bedenkt mich einen geprüften Blick, der so viel sagt, dass das Thema noch nicht fertig ist, bevor sie sich wieder aufstützt.

Mit dem Handrücken fahre ich schnell über meine Nase. Na lecker, jetzt habe ich Schnodder mit Staub vermischt. Da ich hier aber nicht auf irgendeiner Modenschau bin, sondern eh schon wie ein gelblicher Schornsteinfeger aussehe, wird mich das auch nicht mehr umbringen. Und so wische ich den Schmier ganz ungeniert an meiner Hose ab. Die muss eh gewaschen werden.

„Okay, es sieht folgendermaßen aus“, verkündet Sam, als sie all unsere Aufmerksamkeit hat. „Unser einziger Weg nach draußen scheint dieses Loch dort zu sein.“ Etwas mulmig schlucke ich schwer. „Es gibt für uns keine andere Möglichkeit“ und dabei schielt sie zum Colonel. „Bevor wir da jetzt alle reinrennen, sollten zwei von uns vorgehen und erst einmal sehen, wie es da unten aussieht. Nicht, dass unser Weg versperrt ist.“

Wir nicken alle einstimmig.

„Okay“, geht es weiter, „Daniel, wir beiden sehen uns da unten mal um.“

Sam drückt Daniel eine Taschenlampe in die Hand und sie gehen hinüber zum Loch. Vorsichtig leuchtet sie mit den Lichtkegeln herein. Direkt vor ihnen wird eine unförmige Steintreppe sichtbar. Sie scheint endlos lang zu sein, denn selbst die Taschenlampen können kein Ende ausmachen. Unruhig und etwas hibbelig, laufe ich neben ihnen auf und ab. Nervös knabbere ich unbewusst an meinen Fingern herum.

„Sam“, platzt es schließlich aus mir heraus, die gerade den ersten Fuß auf die Steintreppe gesetzt hat. Erwartungsvoll sieht sie zu mir auf.

„Sei vorsichtig, okay? Das da unten ist ein Labyrinth, es ist stockfinster und gefährlich.“

Sie nickt mir zu. „Okay.“

Und dann sind sie verschwunden. Hilflos schaue ich zu Teal’c und selbst auf seinem sonst so leblosen Gesicht, kann ich ein besorgtes Glimmern erkennen. Leute, seid nur vorsichtig.


+++++


Das sind eindeutig die längsten zehn Minuten in meinem ganzen Leben. Immer wieder huscht mein Blick zu der Luke, während ich beim Colonel sitze und ihm den Schweiß von der Stirn wische. Wir müssen hier schleunigst raus, nicht nur, dass das Gemäuer um uns ziemlich baufällig ist, nein, wenn Jack nicht bald einen Arzt sieht, stehen seine Chancen schlecht.

Auf meine Anweisung – oder doch eher Flehen hin – hat sich Teal’c vor das Loch im Boden gestellt und wartet dort geduldig, bis wir ein Lebenszeichen von unseren beiden Maulwürfen bekommen. Er ist für diesen Job eindeutig besser geeignet als ich es bin. Ich bin jetzt schon ein aufgekratztes Nervenbündel und nur da herumzustehen und immer wieder hinunter zu starren, wäre für mich nichts. Teal’c scheint das alles viel besser verstecken zu können.

Ich hätte den Colonel fast eine Haarsträhne ausgerissen, als ich plötzlich einen blonden Schopf erkenne. Schnell schmeiße ich das Stück Stoff neben Jack und springe auf.

„Und?“

„Wie du bereits gesagt hast, es ist dunkel und das reinste Labyrinth. Wir müssen verdammt aufpassen, aber soweit wir sehen konnten, war nichts großartig verschüttet. Nichts, was wir nicht schaffen könnten.“ Sam atmet einmal tief durch. Ihr ist offensichtlich nicht wohl bei den Gedanken wieder da hinunter zu gehen.

Was mir persönlich noch mehr Sorgen macht, ist die Tatsache, dass wir keine Garantie dafür haben, dass wir auch einen Ausgang finden. Einmal falsch abgebogen und man sitzt fest. Und wir haben nichts mehr. Kein Wasser, kein Essen – noch nicht einmal ein Stück von diesem ekligen Fertigessen, was die einem mitgeben.

„Dann los.“

Sam wirft noch einen besorgten Blick zu ihrem Vorgesetzten, der von Daniel und Teal’c getragen wird, und nickt mir dann zu. Ich folge ihr dicht die Treppe herunter. Ohne große Worte einigen wir uns darauf, dass es besser ist, wenn wir erst einmal nur eine Taschenlampe beanspruchen. Die Batterien halten bestimmt auch nicht für ewig.

Hier unten ist die überraschend kühl, die Wände sind uneben, aber massiv. Als ich schließlich unten angekommen bin, fühlen meine Füße wieder festen, wenn auch etwas schleimigen Boden. Um uns allen einen kurzen Eindruck von unserer derzeitigen Lage zu verschaffen, schweift Sam einmal mit der Taschenlampe durch die dunklen Gänge. Das ist das reinste Höhlensystem.

„Daniel und ich haben uns für gerade aus entschieden“, flüstert Sam.

Da niemand irgendeinen Einwand hat, gehen wir genau in diese Richtung. „Sam, ich habe nachgedacht“, flüstere ich schließlich neben ihr. Als sie mir nicht antwortet nehme ich das mal als Aufforderung auf weiter zusprechen. „Du kennst dich auf diesem Gebiet sicherlich besser aus, aber wie war das noch mal mit der Thermodynamik?“

Für einen kurzen Moment hält sie inne. „Was?“

„Ist dir nicht aufgefallen, dass es hier unten um einiges kühler ist, als noch oben?“

Im Schein der Taschenlampe kann ich ein Nicken ausmachen. „Du meinst, dass durch die Öffnung der Luke ein Luftstrom gezeugt wurde, der aber nur dann entstehen kann, wenn sich irgendwo noch eine andere Öffnung befindet?“

„Ja, genau. Mir hat man mal gesagt: ‚Es kann nur dann ziehen, wenn sich auf der einen Seite ein Loch befindet und auf der anderen.’“

„Es ist trotzdem sehr vage“, gibt sie zu bedenken.

„Es gibt zahlreiche solcher Höhlen in Yucatán. Die haben für gewöhnlich auch immer mehr als nur einen Eingang.“

„Und wie stehen unsere Chancen, dass *diese* Höhle mehr als einen Eingang hat?“

„Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass es hier noch mehr gibt. Ein Problem könnte nur sein, dass er nicht groß genug ist oder eine missliche Lage hat. Und selbst, wenn es einen weiteren Eingang gibt, ihn auch zu finden ist ein ganz anderes Problem“, mache ich meinen Sorgen Luft.

„Und das sagst du mir erst jetzt?“

„Zurück können wir ja wohl schlecht.“

Neben mir seufzt Sam einmal angespannt. „Das wird bestimmt lustig“, murmelt sie mit einem leicht sarkastischen Unterton, der stark an einen gewissen Colonel erinnert. „Aber leider auch unsere einzige Option.“

Meine Augen tasten die mineralisierten Wände ab. Jahrtausende lagen sie im Verborgenen. Ich kann der Versuchung diese milchig schillernde Oberfläche zu berühren einfach nicht widerstehen. Das kalte Nass auf meinen Fingerspitzen, erinnert mich irgendwie an schmelzende Eiswürfel, aber es ist nicht so kalt, wie ich angenommen hatte.

Je weiter wir kommen, desto größer scheint sich die Höhle mit ihren Salzsäulen vor uns auszubreiten, während der Durchgang, in dem wir uns momentan noch befinden immer enger zu werden scheint. Inzwischen ist es schon so eng und niedrig geworden, dass selbst ich meinen Kopf einziehen muss. Ich komme mir hier leicht eingequetscht vor. Jetzt, wo mir die Wände plötzlich so nahe sind, halte ich diese Idee für nicht mehr allzu brillant.

Nacheinander quetschen wir uns durch diesen engen Gang. Gott, ich hoffe, das wird bald breiter, denn ich kann bereits die Krallen der Klaustrophobie an mir zerren spüren. Sam wirft einen besorgten Blick über ihre Schulter, als es nicht unbedingt breiter wird. Hoffentlich ist das hier nicht unser Ende. Hey, ich habe lediglich gesagt, dass das hier ein Weg nach draußen sein könnte, ich habe nie behauptet, dass es einfach werden würde!

Letztendlich bleibt Sam stehen. Eingequetscht wie in einer Sardinenbüchse! Ich pack gleich meine Sachen und verschwinde in einem anderen Gang! Will Sam, dass wir in dieser verdammten Höhle stecken bleiben? „Hier vorne befindet sich ein Spalt.“ Und wer soll da durchpassen? Kate Moss vielleicht? Sie leuchtet durch den felsigen Spalt und dahinter tut sich eine breite Höhle auf. Aus Jahrtausenden gebildete Säulen stützen die Decke. Im Licht glitzern die kristallenen Wände wie das Funkeln des Mondlichtes auf den Ozean. Wow, wo kam das denn plötzlich her?

Wir warten bis die anderen zu uns aufgeschlossen haben. „Ich gehe mal durch und schaue, was sich dahinter befindet“, biete ich mich freiwillig an und deute auf den Spalt. Skeptisch neigt Teal’c seinen Kopf zur Seite.

„Das sieht eng aus.“

„Deshalb wird es jetzt getestet“, ist meine allzu fröhliche Antwort. Behutsam lege ich alles ab, was mich stören könnte und gehe Hände reibend zum Spalt. Na gut, vielleicht habe ich an ihm zu viel Kritik geübt. Jetzt, wo ich direkt vor dem Spalt stehe, sieht er gar nicht mal so mickrig aus. Erst Bein und dann den Oberkörper und…

„Wowowowowowow!“

„Liz, alles in Ordnung?“ Aufgeregt sehe ich Sams Lichtkegel hin und her huschen.

„Ja, ja, alles bestens!“, hallt meine Stimme zurück, während ich meine Klamotten abklopfe. Den Geröllhaufen direkt nach dem Spalt hätte man ruhig mal erwähnen können.

„Was siehst du?“

Dass sich hier die Höhle etwas öffnet ist eine komplette Untertreibung. Ich befinde mich in einer gigantischen unterirdischen Grotte. Die Wände sind jetzt Meter voneinander entfernt – hier könnte glatt ne Villa reinpassen. Bis zur Decke sind es vielleicht drei, sechs oder sogar zehn Meter. Die Decke ist bedeckt mit unterschiedlich großen, glitzernden Stalaktiten. Ein leises, hallendes Tropfen verrät mir, dass die Dinger über mir noch weiter wachsen. Es ist einfach unglaublich. Und so unmöglich es auch erscheinen mag, aber diese Grotte kommt mir irgendwie heller vor. Denn weiter hinten kann ich nichts weiter als pechschwarze Dunkelheit ausmachen.

Mit etwas Mühe und ein paar aufgeschürfte Knie und Hände später, befinde ich mich wieder am Spalt. „Sieht super aus. Ihr müsst nur aufpassen. Der Boden hier ist etwas locker.“

Geschwind reicht mir Sam meine Sachen durch und folgt schon bald. Doch auf der anderen Seite muss ich sie trotz aller Warnung auffangen, denn wie auch ich, rutscht sie erst einmal weg. Relativ schnell und ohne Komplikationen schaffen wir es den Colonel durch den Spalt zu hieven.

Auch wenn die Grotte noch so prachtvoll ist, wir sollten zusehen, dass wir so schnell wie möglich einem Weg nach draußen finden. Dieses Unterfangen gestaltet sich leider schwieriger als gedacht, denn gerade als wir die Schwelle zur Dunkelheit übertreten haben, sehen wir vor uns drei weitere Durchgänge. Nach einem kurzen Abstimmen, entscheiden wir uns weiter geradeaus zu gehen, nur um später festzustellen, dass auch dieser Durchgang nach nur wenigen Meter wieder schmaler wird.

Die nächsten zwei Stunden verbringen wir damit uns durch kleine, große, enge und breite Passagen zu winden. Es ist einfach eine endlose Zahl an Möglichkeiten hier unten. Wenn Sam nicht hier und da einen Wegweise hinterlassen hätte, wären wir hier unten vollkommen verloren. Mehr als nur einmal kann man ein Fluchen durch die Höhlen hallen hören, wenn wir mal wieder in eine Sackgasse geraten sind. Um es noch schlimmer zu machen, beginnt Sams Taschenlampe gerade ihren Geist aufzugeben. Sie schüttelt ein paar Mal kräftig und haut mit ihrer Handfläche dagegen, aber der Schein begleitet uns nur noch aus einer besagten Sackgasse hinaus in eine etwas größere Halle.

Das ist der Moment, in dem wir unsere erste Pause einlegen. Ich habe meine Taschenlampe nur kurz eingeschaltet, damit Jack auch ein bequemes Plätzchen hat und als sich alle niedergelassen haben, schalte ich auch diese aus. Sie ist jetzt unsere einzige Lichtquelle und wir sollten nicht allzu verschwenderisch damit umgehen. Und so ruhen wir uns alle in der vollkommenen Dunkelheit für einen Augenblick lang aus.

„Die Taschenlampe hat gerade mal vier Stunden gehalten“, kommentiert Sam. „Wir müssen davon ausgehen, dass die andere nicht viel länger hält, das heißt für uns, dass wir noch ungefähr vier Stunden Zeit haben einen Ausweg zu finden.“

Es war jetzt schon schwer einige Passagen zu laufen, wie soll das erst ohne Licht aussehen? Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich bei dem Gedanken hier unten mit nichts außer der Dunkelheit fest zu sitzen. Wir würden im Kreis laufen und Tage hier unten sein! Ein leichtes Zittern durchfährt meinen Körper, als ich daran denke, dass ich hier unten wohlmöglich meine letzten Stunden verbringen werde. Ich hatte mir meinen Abgang immer etwas anders vorgestellt.

„Ich will ja eigentlich gar nichts sagen“, beginne ich seufzend, „aber wie es aussieht scheinen wir noch weiter nach unten gekommen zu sein.“

„Wir hatten kaum eine andere Möglichkeit“, antwortet Teal’c neben mir.

„Versucht euch etwas auszuruhen“, geht Sam dazwischen. „Wie es aussieht, haben wir noch einen langen Weg vor uns.“

Sam sitzt auf meiner anderen Seite und gleich neben ihr ruht Jack. Bisher hat er noch nicht sein Bewusstsein wieder erlangt und wenn ich ganz ehrlich bin, dann bereitet mir das doch etwas Sorgen. Wir dürfen keine Minute mehr als nötig hier verbringen. Unruhig rutsche ich auf meinem Hosenboden hin und her. „Liz“, stoppt Sam mich und legt ihre Hand auf meinen Arm – oder zumindest wo sie vermutet, wo sich mein Arm befindet. In Wirklichkeit ist es mein Bauch.

„’Tschuldige“, murmle ich.

„Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen“, sagt sie plötzlich. Mein Kopf wirbelt ungefähr in ihre Richtung.

„Wieso?“

Sie lacht leicht auf; eine Mischung aus Bitterkeit und Belustigung. „Du bist zu mir zu kommen, um einen klaren Kopf wegen Tom und der Hochzeit zu bekommen und ich schleppe dich in den tiefsten Dschungel. Du hast dir die Woche bestimmt etwas anders vorgestellt.“

Ja, das habe ich. Wer hätte schon gedacht, dass ich in dieser einen Woche wohl das größte Abenteuer meines Lebens erlebe? „Du musst dich für gar nichts entschuldigen, Sam“, lenke ich flüsternd ein. „Vielleicht war das ja die Therapie, die ich gebraucht habe?“

Ich kann ihren Blick nur erahnen, aber auch wenn es hier stockfinster ist, sehe ich ihre, großen Augen direkt vor mir. „Die Goa’uld?“, hakt sie ungläubig und äußerst skeptisch nach.

Aber ich schüttle nur mit dem Kopf. „Nein“, sage ich schließlich, da sie es nicht sehen kann. „Aber diese ganze Situation. Wenn ich hier eines gelernt habe, Sam, dann, dass es nichts Wichtigeres im Leben gibt als die Menschen, die man liebt. Ich habe mich wegen Kleinigkeiten aufgeregt, die mir jetzt so dermaßen trivial erscheinen, dass ich noch nicht einmal mehr weiß, wieso ich mich überhaupt darüber geärgert habe.“ Ich zucke kurz mit den Schultern. „Mir ist es egal, wo Tom und ich heiraten. Es kann von mir aus am anderen Ende der Welt sein… oder auf einem anderen Planeten“, kichere ich und auch von Sams Seite aus vernehme ich ein leichtes Lachen. „Hauptsache wir sind zusammen.“

Diesmal hat ihre Hand meine gefunden und drückt diese leicht. „Dann verkaufe ich mein Kleid nicht.“

„Unterstehe dich!“, drohe ich ihr in einem gespielt ernsten Ton. „Nein, Sam, ich glaube, ich muss mich bei dir bedanken.“

„Na dann… gern geschehen.“

„Es ist schon lustig“, beginne ich, „aber man muss erst am Abgrund stehen, um zu erkennen, wie wichtig das Leben und die Menschen darin sind, nicht wahr? Man muss nur seine Augen öffnen.“

Neben mir ertönt nur Schweigen, denn ich habe mit Absicht die unterschwellige Botschaft nicht zu verstecken versucht. Jeder verdient ein wenig Glück. Das ist zumindest meine Auffassung. Und Sam soll sich ruhig mal ein paar Gedanken darüber machen. Sie hat es direkt vor ihrer Nase, nur scheint sie es entweder nicht zu erkennen oder sie ignoriert es gekonnt.

Plötzlich ertönt neben uns ein leises Stöhnen. Licht sparen hin oder her, ohne groß zu überlegen, schalte ich die Taschenlampe ein und leuchte in die Richtung, in der der Colonel liegt. Als der Lichtkegel seine Augen trifft, stöhnt er erneut auf. Augenblicklich springt Sam auf und kniet sich neben ihm. Eine Hand fährt über sein Gesicht, streicht zart über seine Haut. Trotz meiner Sorge, seufze ich innerlich auf.

„Colonel?“, flüstert Sam.

Inzwischen stehen auch Daniel und Teal’c neben mir. „Ist er wach?“, fragt Daniel aufgeregt. „Jack?“

„Sir, können Sie mich hören?“

Er blinzelt leicht und dreht seinen Kopf in ihre Richtung. „Kann… nichts… sehen“, kommt es stockend über seine Lippen.

„Es ist dunkel, Sir. Wir sind hier in einer Höhle.“

„Carter?“

„Ja, ich bin hier.“ Sie ergreift seine Hand. „Ich bin hier.“

„Sind Sie das?“, fragt er leicht verwirrt.

„Ich bin hier, Sir.“

Besorgt beiße ich mir auf die Lippe. Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet ihn so zu sehen. Ich wende meinen Blick ab und schiele hinüber zu Daniel. Im Schatten des Lichtes kann ich dieselben Sorgen und Ängste in seinen Augen sehen.

Als ich mich zurück umdrehe, sehe ich, wie seine Zungenspitze seine trockenen Lippen berührt. Er atmet einmal tief durch. „Hat jemand ne Aspirin?“

Ein kleines Lachen erschüttert meinen Körper und auch Sam lächelt ihn erleichtert an. Das hört sich schon mehr nach unseren Colonel an. „Nein, Sir.“

„Apophis?“

Jetzt ist es Sam, die sich auf die Lippe beißt. „Sir, er konnte fliehen. Wir hatten zwar sein Schiff zerstört, aber in der Umlaufbahn befand sich wohl noch ein getarntes Mutterschiff. Wir sind auch nur knapp entkommen. Der Palast ist über uns zusammengebrochen.“

Mit einem Seufzen schließt er seine Augen und bedeckt sie mit seinen anderen Arm. „Ich schwöre Ihnen, Carter, das nächste Mal ist er dran.“

„Ja, Sir.“

„Und das nächste Schiff behalten wir.“

Weise schalte ich das Licht wieder aus. Wir brauchen die Energie. Erneut in Dunkelheit getaucht, geben wir dem Colonel noch zehn Minuten. Leise flüstern Sam und Jack miteinander und bei Gott, ich werde mich nicht drauf konzentrieren es zu verstehen. An der Wand entlang entferne ich mich tastend von ihnen, um ihnen so viel Privatsphäre wie möglich geben, bis ich schließlich bei den beiden anderen gelangt bin.

„Das war nett“, flüstert Daniel neben mir und stupst mich von der Seite an.

„Was denn?“

„Das, was du zu Sam gesagt hast.“

„Wenn es auch was bringt“, schmunzle ich und kann ein Lächeln nicht unterdrücken.

„Das ist etwas, was ich bezweifeln mag.“

„Hey!“ protestiere ich. „Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf.“

„Und ich kenne die beiden jetzt schon etwas länger.“

„Und ich kenne Sam. Wir sind so.“ Ich kreuze meinen Zeige und Ringfinger und schalte zur kleinen Demonstration das Licht ein.

„Was macht dich da so sicher?“

„Oh, man nennt es Instinkt – weiblicher Instinkt. Der versagt nie.“

Amüsiert schüttelt er den Kopf neben mir. „Glaub mir, die beiden leben nach den Regeln.“

„Nun“, atme ich einmal tief durch. „Das beweist gar nichts. Regeln sind da, um gebrochen zu werden.“

„Ja, aber nicht diese.“

„Das werden wir ja sehen“, murmle ich und drücke mich an der Wand hoch. „Wir sollten jetzt weitergehen.“
Ich strecke ihm eine Hand entgegen und ziehe ihn auf seine Füße. Für einen kurzen Moment halte ich seine Hand noch fest und ziehe ihn noch ein Stückchen an mich heran, so dass ich mich leicht auf die Zehenspitze stelle und an sein Ohr lehne. „Um was wetten wir, dass ich Recht habe?“ Nur ganz langsam lasse ich von ihm ab und schenke ihm ein wissendes Lächeln, nur um ihn dann damit stehen zu lassen.

Bewusst setze ich jeden Schritt langsam vor den anderen und lasse mir genug Zeit damit wieder zurück zu Sam zu gehen.


+++++


Unser Weg führt uns diesmal durch einen relativ geraden Durchgang ohne irgendwelche weiteren Abzweigungen, die uns nur weiter aufhalten würden, um unseren nächsten Schritt zu überlegen. Dadurch, dass Jack jetzt wieder bei Bewusstsein ist, muss er zwar noch gestützt werden und ob ihr es glaubt oder nicht, aber dadurch sind wir noch einen Tick schneller. Obwohl Teal’c der Stärkste von uns ist, hat Sam darauf bestanden Jack mitzustützen. Und so haben jetzt Daniel und ich die Führung übernommen.

Ein angenehmes Schweigen hat sich während unseres ein Stunden Marsches ausgebreitet. Es gibt auch kaum noch Worte, die man dazu noch sagen kann und so konzentriert sich jeder darauf einen Schritt vor den anderen zu setzen. Ich schaue angespannt auf den Boden, um nicht irgendeinen Felsenvorsprung zu übersehen, als mir plötzlich ein ausgestreckter Arm den Weg versperrt.

„Hey! Was soll denn das?“

Aber Daniel starrt schlichtweg nach vorne. „Sieh dir das an.“

Schließlich wende ich meinen Blick ebenfalls nach vorne und mir bleibt die Spuke weg. „Wow.“

„Leute, wieso halten wir an?“ ruft Sam von hinten und bleibt schließlich neben uns stehen. „Was ist das?“

Vor uns breitet sich ein großer Raum aus. Zu unserer großen Überraschung ist dieser Ort hier nicht stockduster. Durch eine winzige Öffnung in der Decke scheint ein winziger Sonnenstrahl, in dessen Schein Staubflocken tanzen. Ich folge dem Strahl und sehe, dass die Seiten nicht mit irgendwelchen Tropfsteinen verziert sind, sondern mit richtigen, steinigen, kunstvolle Säulen. In einem kleinen Kristall spiegelt sich der Strahl und erfüllt den Raum zwar nicht mit Helligkeit, aber zumindest mit so viel Licht, dass wir nicht unbedingt die Taschenlampe brauchen. Die einzelnen Stelen werden jeweils von einer gefiederten Schlange umrankt, deren Köpfe in Richtung Wand schauen – Quetzalcoatl. Ihre Münder sind aufgerissen und lange, dünne Zungen zischen hervor. Es müssen auf jeder Seite mindestens zehn dieser Säulen stehen und am anderen Ende befindet sich eine schlichte Wand, die mit Eingravierungen verziert ist. Quetzalcoatl ist ebenso in dieser Wandmalerei enthalten, wie die Pyramiden und das Volk der Maya. Es ist eindeutig dargestellt, wie der Gott sein Volk besucht. Wie er von der Stadt der Götter zu den Menschen herabkommt. Striche, die kreisförmig um Quetzalcoatl angerichtet sind, erwecken den Eindruck, als sei er von einem hellen Licht umgeben.

„Sieht aus wie ne Sackgasse“, seufzt Sam.

„Nein!“ Aufgeregt wirble ich zu ihr herum.

„Liz, da ist nur ne Wand.“

„Das ist nicht bloß ne Wand“, wiederhole ich die Worte empört. „Hier wird uns eine Geschichte erzählt.“

„Wir haben aber keine Zeit für so etwas.“

„Nein, da hast du Recht. Aber wie ich das sehe, haben wir lediglich zwei Optionen. Entweder wir gehen den Weg eine Stunde lang wieder zurück und verschwenden unsere Energiereserven oder wir bleiben hier und untersuchen das hier.“

„Um was zu erreichen?“ Sie schüttelt nur mit dem Kopf. „Liz, ich verstehe ja, dass du das hier weiter studieren willst, aber das ist hier jetzt definitiv nicht der richtige Zeitpunkt. Wir müssen von hier verschwinden. Ich muss dir ja wohl nicht sagen, was passieren wird, wenn uns ein erneutes Erdbeben erfasst, oder?“

Prüfend sieht sie mich an. „Ich gehe nicht wieder zurück.“

„Liz, du kannst nicht einfach das tun, was du hier willst. Wir müssen uns hier alle an gewisse Regeln halten. So schreibt es das Protokoll vor. Wenn wir hier draußen sind und alles gesichert ist, dann kommen wir noch einmal zurück und du kannst dich hier unten austoben. Aber nicht jetzt!“

Gott, vergiss doch einmal das Protokoll! Will ich sie anschreien, aber ich sage ihr etwas anderes. „Du verstehst das nicht, Sam.“

„Dann erklär es mir.“

Schon fast wie zwei Rivalen, die auf einander losgehen wollen, stehen wir voreinander. Wir starren uns nur an, keiner von uns ist gewillt seinen Dickkopf nachzugeben. „Hey, hey, hey!“, kommt es schließlich überraschenderweise von Jack. „Ladys, ich denke, wir sollten uns erst einmal wieder beruhigen.“

Dabei sieht er Sam äußerst eindringlich an, bis diese schließlich einen Schritt zurücktritt. „Sir, wir haben noch für ungefähr zwei Stunden Licht. Wenn wir jetzt zurückgehen, haben wir immer noch eine Stunde Zeit einen anderen Ausgang zu finden.“

„Ja, Sam, genau. Du hast doch gesehen, wie viele Tunnel es hier gibt. Am Ende wirst du ohne Licht und alles dastehen. Wir könnten für Tage hier unten gefangen sein“, mische ich mich ein.

„Hey!“, geht der Colonel erneut dazwischen, jedoch jetzt mit einem äußerst ungeduldigen Unterton in der Stimme. „Das reicht.“ Er dreht sich zu mir um und deutet mit seinem Finger auf mich. „Sie halten jetzt den Mund, Sullivan. Ihr alle haltet jetzt den Mund“, sagt er und wirbelt damit zu Daniel herum, der gerade seinen Mund geöffnet hat. „Wir atmen jetzt alle einmal tief durch und beruhigen uns.“ In einer übertrieben Geste macht er uns vor. „Ist doch gleich viel besser, nicht wahr?“

Ein wenig baff schaue ich ihn an. Vor noch wenigen Stunden war er nicht ansprechbar gewesen und jetzt steht er vor uns und versucht irgendwie zu verhindern, dass auch noch unser letzter Rest gesunden Menschenverstands baden geht.

„Also, in einer Sache hat Sullivan Recht. Wir haben nur zwei Optionen, deshalb sollten wir diese vielleicht auch genau abwägen. Was ist, wenn wir wieder zurückgehen?“ Er atmet einmal tief durch und ich mache mir ehrlich Sorgen, dass er sich leicht übernimmt. Mit einem zweifelnden Blick schiele ich hinüber zu Sam, aber sie kaut auf ihrer Unterlippe herum und scheint ganz woanders zu sein.

„Erstens, wir gehen wieder zurück. Eine Stunde Licht mindestens und wir wissen nicht in welche Richtung wir gehen sollen, also besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass, wenn wir uns verirren, wir hier festsitzen.“ Ein einstimmiges Nicken ist seine Antwort. „Hört sich nicht wirklich vorteilhaft an. Andererseits, wenn wir hier bleiben und hier nichts finden, sitzen wir genauso gut fest. Also, Sullivan, geben Sie mir einen vernünftigen Grund, wieso wir nicht wieder zurückgehen sollen.“

„Na ja“, beginne ich jetzt doch etwas überrumpelt von seiner Frage, „zum Beispiel, weil ich diese Wand schon einmal gesehen habe?“

Ein verdutztes Schweigen breitet sich zwischen uns aus. Das muss erst einmal verdaut werden. „Was?“

Ich zucke nur kurz mit den Schultern. „Ich, ich habe diese Wand schon einmal gesehen“, wiederhole ich meine Worte.

Sam schüttelt leicht mit dem Kopf, um ihre Gedanken zu ordnen. „W- Wo?“

„Das wollte ich euch ja die ganze Zeit erklären.“. „Die Ausgrabungsstätte?“ Ein mehrfaches Nicken. „Ob ihr es glaubt oder nicht, aber da befand sich auch solch eine Wand.“

Daniel atmet einmal neben mir tief durch. „Wieso hast du nichts davon gesagt?“

„Na, ganz einfach. Zu Anfang hielt ich es für bedeutungslos, dann haben sich die Ereignisse überschlagen und ich habe es irgendwie vergessen und zum Schluss war es eh sinnlos. Ihr habt alles in die Luft gejagt.“

„Warte mal. Diese Wand“, sagt er und geht darauf zu, um eine Hand auf den kalten Stein zu legen, „gab es noch einmal?“

Ich nicke. „Wir konnten die Inschriften zum Teil übersetzen und es ist die Rede von einem ‚Kreis des Lichtes’ und dem ‚Weg der Götter’. Man soll nur dem Pfad folgen, um die Götter zu huldigen.“

„Das Stargate“, murmelt Sam. „Aber wie hilft uns das in dieser Situation weiter?“

„Ich denke, dass diese Wand hier etwas verbirgt. Einen Durchgang, einen Weg… vielleicht ja irgendwie einen Weg zum Stargate oder so. Es ist nämlich ebenso die Rede davon, dass es nur ausgewählten Personen erlaubt ist durch den ‚Kreis des Lichtes’ zu gehen.“

Der Colonel grübelt ernsthaft über die Option nach. Angespannt beobachte ich ihn. „Und wir könnten von hier aus einen Weg nach draußen finden?“

„Na ja, sicher ist es nicht, aber wenn ich die Inschriften richtig gedeutet habe, dann gibt es zumindest die Möglichkeit.“

„Dann fangt an.“

Er nickt Daniel und mir zu und wir machen uns sofort an die Arbeit.


+++++


Während die anderen ziemlich gelangweilt an einer Wand sitzen, springen Daniel und ich vor der besagten Wand hin und her.

„Nein, das kann nicht stimmen“, gehe ich dazwischen. „Das ergibt keinen Sinn. Nur die Auserwählten durften durchgehen. Daniel, hier steht, dass für dieses Ritual eine große Zeremonie veranstaltet wurde. Ich denke, dass wir irgendeinen Schlüssel brauchen.“

„Okay, okay, okay“, beginnt Daniel laut zu überlegen. „Normalerweise sind es immer die Goa’uld, die das Tor aktivieren und irgendwelche Durchgänge öffnen, also muss es hier irgendwo eine Öffnung geben, in der ein Kristall oder etwas anderes passt.“ Suchend dreht er sich einmal im Kreis, bis er schließlich seufzend stehen bleibt. „Oder es bezieht sich auf die Antiker.“

„Aber die Schlangen und die Inschriften deuten doch auf die Goa’uld hin“, halte ich ihm ganz sachlich vor die Augen. „Nur solche Parasiten halten sich für Götter!“

„Sicher“, nickt Daniel mehrmals, „aber die Antiker waren nun einmal die Erbauer des Stargates. Die Goa’uld haben lediglich adaptiert. Sie haben es nur ihren Vorteilen angepasst. Und es ist offensichtlich, dass die Maya von den Antikern gewusst haben. Vielleicht haben die Maya ja auch durch die Antiker ihr Wissen erhalten.“

„Und? Und was soll uns das jetzt sagen?“

„Zumindest würde das heißen, dass du Recht hattest. Offensichtlich gibt es doch irgendeinen Zusammenhang.“

„Hey“, mischt sich plötzlich Jack an, der mit Sam und Teal’c an der Wand sitzt. „Schon was gefunden?“

Daniel dreht sich kurz zu ihm um. „Wir arbeiten noch dran.“ Und lenkt dann seine Aufmerksamkeit sofort wieder auf meine Wenigkeit. „Ich will lediglich sagen, dass die Maya vielleicht schon einen Weg gefunden haben das Wissen der Antiker zu nutzen. Überleg dir doch mal. Ihr Wissen in Mathematik und Wissenschaft, über die Sterne und die Astronomie.“

„Und wieso haben sie sich dann von so ein paar Würmern verschaukeln lassen?“

„Es waren auch nur einfache Menschen, die an ihre Götter geglaubt haben.“

Ich kann nicht anders als mit dem Kopf zu schütteln. Das bringt uns kein Stück weiter! „Daniel...“, beginne ich.

„Ich bin ja kein Wissenschaftler“, mischt sich erneut der Colonel ein und als wir uns umdrehen sehen wir, wie Sam und Teal’c ihm helfen aufzustehen, „aber hat einer von euch vielleicht mal in Erwägung gezogen, dass es weder etwas mit den Antikern noch den Goa’uld zu tun hat? Vielleicht ist es ja schlichtweg das, was man in so zahlreichen Ruinen findet: Eine bekritzelte Wand.“

Er humpelt zu uns hinüber und um ehrlich zu sein, der hat gesessen. Ich brauche ein paar Sekunden, um das wirklich zu verstehen.

„Unmöglich“, ist meine prompte Antwort. Er starrt mich einen Augenblick nur an, aber ich gerate nicht in irgendwelche Erklärungsnot. „Nein, ich meine, hier wird das Stargate deutlich erwähnt. Es wird von einem Durchgang erzählt, es steht alles da.“

„Ja, aber wird nur über das Stargate gesprochen oder steht da auch irgendwo drin, dass sich hinter dieser Wand ein Durchgang befindet.“

„Es…“, beginne ich, aber verstumme, als ich Hilfe suchend zu Daniel schaue. Darauf fällt mir nichts an.

„Ah, je nachdem wie man es interpretiert, könnte es sich durchaus nur um einen Hinweis auf das Stargate handeln, aber nicht unbedingt auf einen Durchgang, der uns von hier wegbringt“, gibt Daniel schließlich reumütig zu. „Jetzt, wo man drüber nachdenkt, erscheint es sogar logisch“, murmelt er geschlagen.

Ich bin aber noch nicht bereit meine Niederlage einzugestehen. „Natürlich gibt es hier einen Durchgang“, gehe ich aufgebracht dazwischen.

Vor ein paar Wochen hätte ich nicht im Traum daran gezweifelt, dass es lediglich eine Erzählung ist, ein Nachlass unserer Vorfahren, ein Vermächtnis für die Geschichte. Damals habe ich noch nicht einmal daran gedacht, dass sich da irgendwo ein Durchgang befinden könnte, dieser Gedanke kam mir erst, als mir die Wand wieder eingefallen ist. Keine Woche mit außerirdischen Technologien später und ich sehe noch nicht einmal das Offensichtliche vor mir.

„Vielleicht aber auch nicht“, fährt Jack fort und bohrt in meiner offenen Wunde nur noch weiter herum.

Unweigerlich will ich zu einem Protest ansetzen, mein Mund ist schon geöffnet, während mein Blick noch einmal über die Wand gleitet, um nach irgendeinen Beweis zu suchen. Aber ich sehe ihn nicht. Durchgang ja, aber nicht hier. Schockiert über die Erkenntnis, dass wir nicht hier rauskommen, sacken meine Schultern eine ganze Etage tiefer.

Wie kann man nur so geblendet sein? Ich habe uns geradewegs in eine Sackgasse geführt und jede Sekunde, die wir hier unten waren, ist verschwendete Zeit. Mir wird ganz schwindelig.

Benommen schweift mein Blick über die Wände und die Striche, Andeutungen ergeben plötzlich einen Sinn. Es ist nichts weiter als das, was es ist. Eine Wand. Keine, geheime Technologie, kein Durchgang. Jetzt, wo ich drüber nachdenke, ergibt es auch relativ wenig Sinn. Wieso sollte jemand eine Stunde durch einen engen Gang latschen, nur um hier einen versteckten Durchgang zu finden? Ich glaube kaum, dass ein Goa’uld sich die Zeit dafür nimmt. Vollkommen taub von dieser plötzlichen Erkenntnis, drehe ich mich um und lehne mich gegen die Wand. Ich muss mich setzen.

Abwesend lasse ich man an der Steinmauer hinunter gleiten. Alles umsonst. Wie konnte ich nur so blind sein? Nach einer Antwort suchend, schaue ich hinauf zu Daniel, der ebenfalls ziemlich baff zu sein scheint, aber schon wieder in einer seiner Diskussionen mit Jack vertieft ist. Gott, er sieht den ganzen Tag nichts anderes, aber *mir* hätte es doch auffallen müssen! Ganz langsam beginne ich damit meine Schläfen zu massieren, das ist alles nicht wahr, das passiert nicht wirklich.

„Hey“, stupst mich Sam mit ihrer Stiefelspitze an. Gepeinigt schaue ich zu ihr auf.

„Ich hab’s vermasselt.“

„Nein, hast du nicht.“ Wie es eine gute Freundin so macht, setzt sie sich neben mich und legt ihr Maschinengewehr zur Seite. „Wir sind alle etwas gestresst und außerdem, hättest du ja Recht haben können.“

„Habe ich aber nicht.“ Sie drückt einmal meinen Arm und mit einem schweren Seufzen schiele ich hinüber zum Colonel, der weiterhin von Teal’c gehalten und von Daniel zugelabert wird. Erneut schüttle ich nur mit dem Kopf. „Ich meine, wieso? Wieso habe ich es nicht gesehen, aber Jack? Er kennt sich auf diesem Gebiet doch gar nicht aus.“ Energisch deute ich in seine Richtung und sehe dann wieder Sam an. Wieso? Steht groß in meinen Augen geschrieben.

Ein leichtes Lächeln umspielt ihre Lippen. „Manchmal hat der Colonel die Gabe die Dinge aus ihrer einfachsten Perspektive zu betrachten.“ Einen Moment sehe ich sie einfach nur schweigend an. „Glaub es mir oder nicht, aber damit hat er uns schon mehr als einmal das Leben gerettet.“

Ein leichtes Lachen kriecht meine Kehle hinauf. „Und was jetzt?“

„Daniel, ich sage Ihnen, jetzt ist Zeit für Plan B!“, beantwortet mir der Colonel aufgebracht die Frage. Verdutzt tauschen Sam und ich einen Blick aus und gesellen uns geschwind zu den anderen.

„Plan B, Sir?“, hackt Sam vorsichtig nach. „Es gibt einen Plan B?“

„Sicherlich gibt’s den“, kommt die pampige Antwort. „Nach A kommt immer B.“

„Und wie sieht der aus?“

„Er will--“, geht Daniel dazwischen, wird aber nach nur zwei Worten scharf von Jack unterbrochen.

„Sprengstoff. Was sonst?“ Um seinen Worten noch mehr Bedeutung zu verleihen, zieht er aus Sams Tasche einen Sprengsatz.

Mehr als schockiert schnappe ich nach Luft. Das kann er nicht tun! Mit offen stehendem Mund, packe ich nach Sams Arm. Das darf er nicht tun! Nicht, weil ich darauf beharre, dass diese Kunstwerke hier erhalten bleiben sollen (okay, ist auch ein Grund) aber diesmal geht’s wirklich darum, welche Auswirkungen das haben kann. Und Sam ist hier offensichtlich die einzige, auf die er noch zu hören scheint! Wir anderen könnten uns genauso gut vor eine Parkuhr stellen und die versuchen zu überzeugen.

„Sir“, ergreift Sam das Wort. „Diese Gemäuer hier sind schon über tausende von Jahren alt. Wir hatten bisher Glück, dass sie nicht von dem Erdbeben beschädigt wurden.“ Jack setzt bereits zum Sprechen an, aber Sam lässt ihn nicht zu Wort kommen. „Ich weiß, Sie denken, wenn sie bisher die Beben überstanden haben, dann wird eine Ladung C-4 auch nicht viel ausrichten. Aber das stimmt nicht. Jede weitere Detonation oder Beben könnte das auslösen, was uns bisher erspart blieb. Die Konsistenz der Steine ist alles andere als sicher.“ Sie atmet einmal tief durch. „Sir, wenn Sie die C-4 Ladung zünden, könnten wir hier alle unter den Steinen begraben werden und dann haben wir keine Chance mehr hier heraus zu kommen.“

Der Colonel scheint ernsthaft über den Einwand nachzudenken, abzuwägen, ob er bereit ist unser aller Leben zu riskieren, um hier herauszukommen. Abwechselnd schielt er zwischen der Decke, den Säulen, der Wand und unserem einzigen Ausgang in das Labyrinth hin und her. Nach unbeschreiblichen zwei Minuten des konstanten Schweigens, drückt er schließlich Sam das C-4 zurück in die Hand.

Ein erleichtertes Raunen geht durch die Halle. „Wir brechen sofort auf.“

Wie die fleißigen Bienchen sammeln wir kurzerhand alles zusammen, bis wir startbereit sind. Ich habe kaum den ersten Schritt getan, als ich inne halte und lausche. „Habt ihr das auch gemerkt?“

„Was denn?“

„Ich kann es nicht genau beschreiben.“ Für ein paar Sekunden kneife ich meine Augen zusammen, um meinen Gehör – und Tastsinn zu stärken. Da ist es schon wieder. Eine merkwürdige… Vibration. „Da… da ist es schon wieder.“ Meine Augen fliegen auf.

„Ich merke nichts“, antwortet der Colonel. „Weiter.“

„Jack, warten Sie mal“, ruft Daniel. „Ich glaub’, ich merke es auch.“

Er tippt Teal’c an die Schulter und sie drehen sich gemeinsam um. „Daniel?“

„Warte…“ Er schließt seine Augen, spreizt seine Finger, so als ob er die Vibrationen auffangen will. Und dann ist es wie ein Zittern, das sich langsam an die Oberfläche arbeitet. Wie das böse Grauen aus dem Schlund. Ein Grollen. Wenn ich den Film „Herr der Ringe“ einmal zu oft gesehen hätte, würde ich behaupten, es sei der Balrog von Moria. „Das“, sagt Daniel und sieht bestimmt in Jacks Richtung.

„Okay, das habe ich gespürt.“

„Wir würden es nie rechtzeitig schaffen aus dem Tunnel zu kommen“, wirft Sam ein. „Wir müssen einen anderen Weg finden.“

„Ja, und ich weiß auch schon welchen.“

Wir stehen in der Mitte der Halle. Ein Teil von uns hat sich bereits dem Ausgang genähert, während die Erde unter uns ihren Ärger freien Lauf lässt. Die ersten Risse zeichnen sich in den Wänden ab, Gesteinsbrocken fliegen aus den Mauern, von der Decke. Unter dem Beben, beginnen die ersten Schlangenstatuen zu wackeln.

Wie in Trance sehe ich, wie Sam an mir vorbei zur Wand rennt. „Liz“, ruft sie, „gibt mir all dein C-4.“ Vollkommen erstarrt, sehe ich sie nur an. „Na los!“

Es ist schließlich Daniel, der meine Taschen durchwühlt. Nach und nach wirft er Sam die Pakete zu. Ein lauter Knall reißt mich letztendlich aus meiner Starre. Direkt vor unserem Ausgang beginnt die Decke zu bröckeln, die erste Statue ist bereits auf dem Boden zerschellt. Teal’c schafft es gerade noch rechtzeitig sich und den Colonel in Sicherheit zu bringen.

Zu Tode geängstigt, weiche ich den Brocken aus, doch als ich ein unverkennbares Knacken unter meinen Füßen höre, halte ich in meiner Bewegung inne und schaue hinunter auf den Boden. Ein Riss, direkt unter meiner Sohle. Oh mein Gott.

Schockiert wirbelt mein Blick zu den anderen, aber die scheinen es noch nicht bemerkt zu haben. „Der Boden!“, schreie ich, aber meine Worte gehen im Getöse unter. „Der Boden reißt auf!“

Durch die ganzen Staubschwaden kann ich nur ansatzweise erkennen, wie Sam versucht den Sprengstoff sicher an die Wand anzubringen, ohne von irgendwelchen Steinen getroffen zu werden.

Nach nur wenigen Sekunden wird mir eines ganz deutlich. Jeder ist auf sich gestellt. Jeder kämpft um sein eigenes Überleben. Und als ob das die treffenden Gedanken gewesen sind, rolle ich mich zur Seite, bevor der Riss im Boden zu einem großen Spalt aufreißt. Außer Atem starre ich hinunter über den Rand des Abgrundes. Das war mehr als knapp.

„Fertig!“, höre ich Sam rufen und sehe, wie sie sich aufrichtet, um sich so weit wie möglich von der Explosion zu entfernen.

Der Spalt ist inzwischen so groß geworden, dass man hineinfallen könnte. Der Raum ist geteilt. Sam auf der einen Seite und wir auf der anderen. Mit Schrecken schweift mein Blick zu Sam, die Schwierigkeiten hat ihr Gleichgewicht zu halten. Wenn sie genug Anlauf nimmt, kann sie es vielleicht schaffen, aber das erzürnte Zittern der Erde macht es ihr nicht einfach.

Uns allen nicht. Denn auch wenn ich hier platt auf dem Bauch liege, es kostet mich Unmengen an Kraft mich gezielt in eine Richtung zu bewegen. Ein plötzlicher, lauter Knall, begleitet von fliegenden Brocken, die über uns hinwegfegen, lassen mich inne halten.

„CARTER!“, zerrt die schockierte Stimme des Colonels durch die Halle.

Ich wage nicht aufzublicken, aber ich scheine nicht mehr Herr über meine motorischen Funktionen zu sein. Meine Augen fahren in ihre Richtung. Wie in Zeitlupe wird Sam nach vorne geschmissen, große, blaue von Angst erfüllte Augen starren Jack an. Ihr Blick ist auf ihn gerichtet. Ihre Arme schlingern in der Luft herum, um irgendeinen Halt zu finden, aber durch die plötzliche Druckwelle ist ihr Körper wie ein Blatt im Orkan. Sie wird einfach über den Boden gefegt und verschwindet dann im Abgrund.

„SAM!“

Jack streckt trotz jeglicher Vernunft und Wissen, dass es keinen Sinn hat, seine Arme reflexartig nach ihr aus. Aber er kann sich kaum bewegen. Sein zertrümmertes Bein hindert ihn daran seine Pflicht zu tun. Und da ist es Teal’c, der Jack los lässt und die Kraft und den Mut aufbringt durch das Beben, die fallenden Steine, hindurch zu rennen, um sich mit seinen Oberkörper über den Abgrund zu werfen. Ein kurzer Blick in Jacks Richtung sagt mir, dass er Teal’c vermutlich dahin getreten hätte.

Ich beiße meine Zähne zusammen, sammle meine ganze Kraft und robbe und ziehe mich zu Teal’c. „Major Carter!“, höre ich ihn schreien.

Nach nur wenigen Sekunden, schaffe ich es ebenfalls über die Kante zu schielen und was ich dort erblicke, erfasst mich mit eiskaltem Grauen. Sam krallt sich mit beiden Händen verzweifelt an einen Vorsprung, während unter ihr die spitzen Kanten des Abgrundes hervorragen. Teal’cs Arm reicht nicht einmal annähernd in ihre Richtung.

„Major Carter, ich habe dich gleich.“ Noch ein Stückchen rutscht er nach vorne, sein Oberkörper verschwindet jetzt ganz, so, dass nur noch sein Gesäß zu sehen ist. „Schau nicht nach unten“, höre ich ihn rufen und er hält Sam davon ab genau das zu tun. Ihr Kopf wirbelt zu uns hoch, die Angst ist ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.

„Du musst dich festhalten“, rufe ich ihr zu, aber ich kann die Anstrengung sehen. Sie hält das nicht mehr lange durch. „Haben wir denn kein Seil oder so etwas?“

Keine Antwort.

Auf Teal’cs anderer Seite beugt sich jetzt ebenfalls Daniel über den Abgrund und versucht Teal’c irgendwie zu helfen.

„Gib mir deine Hand, Major Carter.“

Zweifelnd sieht sie ihn an. Es sind bestimmt noch gute zehn Zentimeter Luft zwischen ihnen. Das kann nicht klappen. Zögernd hält sie Teal’cs Blick, dessen Hand noch immer in gleicher Position verharrt. Sie scheint einen inneren Krieg zu führen. Lässt sie jetzt los, hat sie ihren Halt verloren. Klammert sie sich weiterhin an den Vorsprung, können wir ihr nicht helfen.

Und dann nickt sie. „Auf drei“, bestimmt der Jaffa neben mir. „Eins, zwei… drei!“

Und sie lässt tatsächlich los, schafft es sich noch ein paar Zentimeter nach oben zu drücken und Teal’c schnellt hervor. Ihre Fingerspitzen berühren sich, seine Finger gleiten um ihre, aber dann verliert er sie. Ein Kreischen bleibt in meinem Halse stecken, als ich mit ansehen muss, wie sie jetzt nur noch mit einer Hand an dem Vorsprung hängt. Ein überraschtes und panisches Kreischen, hallt durch das Gemäuer. Sam, nein, bitte nicht. Halte durch.

„Teal’c!“, schreit Jack hinter uns und als ich kurz über meine Schulter blicke, sehe ich, wie er trotzt kaputten Bein versucht zu uns zu kriechen. Das Entsetzen steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Das gleiche Entsetzen, kann ich ihn Teal’cs erstarrten Blick sehen. „Sam!“, schreit Daniel. „Versuchen Sie sich festzuhalten. Wir holen Sie da raus.“

Ja, und wie? Schreien meine Augen, während Sam unter uns nur noch mit einer Hand baumelt. Ihr Blick gleitet hinunter zu den Spitzen und ich kann förmlich sehen, wie sie ihre Augen schließt und ein stummes Gebet gen Himmel schickt. Das darf nicht wahr sein.

„Ich kann mich nicht mehr halten!“ Panik lässt ihre Stimme eine Oktave höher klingen. Ihre weißen Fingerspitzen rutschen Millimeter für Millimeter ab.

„Carter!“ Es ist Jack. Er liegt neben mir, Schweiß rinnt in Bahnen über seine Stirn.

„Sir…“ Sie schüttelt nur mit dem Kopf. Ein Blick, so endgültig wie die Apokalypse.

„Sam… nicht…“, fleht er.

„Ich… ich kann nicht mehr.“

Nein, nicht aufgeben. „Doch können Sie, halten Sie durch.“

„Ich…“ Aber ihre Worte, werden von einem weiteren – noch stärkeren – Beben unterbrochen. Sie hat keine Chance mehr. Ihre Finger lassen den Vorsprung los.

„CARTER!“


+++++


Abgrundtiefe Dunkelheit und gleißendes Licht umgibt mich zugleich. Wärme, Kälte, Hitze – alles Eindrücke, die auf einmal auf mich nieder prasseln. Was ist passiert? Ich habe das Gefühl zu fallen, meine Bewegungen nicht kontrollieren zu können, bis ich plötzlich von einem harten Aufprall gestoppt werde.

Benommen öffne ich meine Augen. Alles ist verzerrt und liegt verkehrt. Der Boden unter mir ist nicht mehr staubig oder aufgerissen, er ist kalt und glatt. Meine Fingerspitzen gleiten über die Oberfläche, meine Augen huschen hin und her. Was ist hier los… und wo bin ich?

Langsam hebe ich meinen Kopf. Wir sind definitiv nicht mehr in der Halle. Hier ist alles so… sauber – wenn nicht sogar schon steril. Kalt und unpersönlich. Eine Art futuristischer Kontrollpult steht vor mir. Er zieht sich in einem Halbkreis durch den hinteren Teil des Raumes. Schräg rechts daneben befindet sich ein großer, flacher Bildschirm – wenn man es als solches bezeichnen kann – auf dem merkwürdige Symbole und Schriftzeichen wie bei einem Bildschirmschoner bläulich aufleuchten. Erinnert mich ein wenig an den Matrixcode. Ich kann nur eines mit Sicherheit sagen: Das ist weder Goa’uld, noch Maya, noch eine Schrift der Antiker.

Mein Blick wandert weiter und bleibt bei einem großen Fenster hängen. Es ist pechschwarz draußen, bis auf die hellen Punkte, die das Firmament bespicken. Ich habe noch nie in meinem Leben die Sterne so deutlich gesehen. Sie sehen so groß aus – und sie bewegen sich. Moment, seit wann bewegen sich die Sterne? Okay, ich weiß, dass sich Sterne bewegen, aber von der Erde aus konnte man das bisher nie erkennen.

Mit einem leichten Kopfschütteln, richte ich meinen Oberkörper auf. Jetzt kommt mehr in mein Sichtfeld und ich verschlucke mich fast, als ich einen blauen Ball durch das Fenster sehe.

Ach du heilige Scheiße! Ich bin… ich bin, im Weltraum… in einem Raumschiff. Mir wird ganz schlecht. Ein krächzender Laut verlässt meinen Hals, welcher nicht ungehört bleibt. Ich krieg nen Rappel, aber das… das ist doch die Erde… Das will erst einmal verdaut werden. Vollkommen fasziniert starre ich auf das Gebilde vor mir. Mit einem hatte Teal’c Recht, sie ist in der Tat wunderschön.

Die anderen liegen direkt neben mir, irgendwo auf dem Boden verteilt. Und zu meiner grenzenlosen Erleichterung ist Sam auch mit dabei! Danke, danke, lieber Gott. Ich schwöre dir, ab heute glaube ich wieder an dich. Ein leises Stöhnen geht von Jack und Daniel aus, nur Teal’c ist bereits auf den Beinen. Er steht am anderen Ende des Raumes und scheint sich mit jemandem zu unterhalten.

„Lieber Himmel…“, murmelt Jack und fasst sich an den Kopf. Doch dann schießen plötzlich seine Augen auf. „Carter?“

Seine Hand tastet neben sich und berührt ihren Körper. Ohne sich seiner Umgebung bewusst zu sein, kriecht er in ihre Richtung. „Carter?“, flüstert er erst vorsichtig, bevor er sie sanft an den Schultern rüttelt. „Aufwachen. Kommen Sie, wachen Sie auf.“

„Oh…“, stöhnt Sam plötzlich auf und ich habe ihn noch nie so strahlen sehen, als er dieses Wort mit nur zwei Buchstaben von ihr vernommen hat. „Bin ich tot?“

„Nein“, lacht er. „Nein, das sind Sie nicht.“

„Aber ich bin gefallen.“ Sie öffnet blinzelt ihre Augen. „Ich muss tot sein.“

„Hey, ich hatte ja keine Ahnung, dass Ihre Todessehnsucht so groß ist.“

Sie lächelt leicht. „Wo sind wir?“ Sie stützt sich auf ihren Ellenbogen auf, als ich aus meinem Augenwinkel eine Bewegung vernehme.

Wir drehen uns alle in die Richtung und wir sehen, wie Teal’c und noch eine Gestalt auf uns zukommen. Ich muss träumen, das ist alles nur ein verrückter Traum. Schockiert starre ich auf das Wesen vor mir.

„Seid gegrüßt, SG-1.“

Das Ding kann ja sprechen! Ich flippe hier gleich aus! Mit einem Quietschen springe ich auf und taumle nach hinten, nur um mich wieder auf die Nase zu legen. Oh mein Gott.

„Wie immer ein perfektes Timing, Thor“, grinst Jack und hält einen Daumen hoch, bevor er erschöpft zu Boden geht.


+++++


Nach ungefähr zehn Minuten weiß ich, dass kleine, graue Männchen nicht aus irgendwelchen Science Fiction Romanen entsprungen sind, sondern, dass sie wirklich existieren, der Rasse der Asgard angehören, auf germanische Götternamen getauft sind und sich offensichtlich nicht an dem Fehlen jeglicher Bekleidung stören. Mindert meine schon fast apathische Überraschung nicht im Geringsten.

Inzwischen hat sich der Rest des Teams um der Konsole versammelt, wo das kleine Männchen – Entschuldigung, wo Thor – steht. Jack wird zum größten Teil von Teal’c und dem Pult gehalten. Aber egal wie umständlich es auch ist, er wollte partout nicht alleine auf dem Boden sitzen bleiben.

„Also, wie hast du uns gefunden?“, fragt Sam neugierig, die ihren Oberarm hält, damit die Schusswunde nicht ganz aufreißt.

„Ich habe ein verschlüsseltes Signal erhalten“, antwortet Thor in einer leicht mechanischen, monotonen Stimme und schiebt dabei ein paar Kristalle hin und her, bis wir auf dem Bildschirm Frequenzen erkennen können. „Die Nachricht war verfasst in der Sprache der Antiker und stammte von einem bereits seit tausenden von Jahren unbenutzten Antikerstützpunkt auf der Erde.“

Oh, wirklich?

„Jemand hat es vor ein paar Stunden herausgeschickt. Ein Notrufsignal.“

Sam, Daniel und Teal’c schauen in meine Richtung. „Was?“

„Das muss das Signal sein, welches du gesendet hast“, kombiniert Daniel.

„Wer hat welches Signal gesendet?“ platzt der Colonel dazwischen.

Etwas unwohl in meiner Haut, schaue ich hinunter auf meine Schuhe. „Na ja, als wir im Lager waren und ich in dem Tunnel verschwunden bin?“ Er nickt langsam. „Ich, äh, ich bin wieder zurück zu diesem Kontrollraum gelangt und habe von dort versucht irgendeinen Hilferuf zu senden.“ Anerkennend zieht er eine Augenbraue hoch.

„Wirklich?“

Ich nicke nur. „Das… das war gut.“

Mit einem Lächeln schaue ich zu ihm auf. „Danke.“

„Es tut mir leid, dass ich euch erst so spät erreicht habe“, unterbricht Thor uns. Augenblicklich lässt Jacks Blick von mir ab und schaut auf seinen kleinen Freund. Fragend sieht er ihn an. „Wir hatten ein paar Probleme mit den Replikatoren.“

„Oh, ich hasse diese Käfer.“

„Als ich in die Erdumlaufbahn eingedrungen bin, haben Apophis’ Schiffe die Erde umzingelt. Er hat, dadurch, dass er auf der Erde war, das Abkommen verletzt. Ich bin leider zu spät gekommen. Bevor ich handeln konnte, war er bereits verschwunden. Es tut mir leid, aber wenn wir ihn gefunden haben wird er vor dem Hohen Rat der Asgard zur Verantwortung gezogen.“

„Und du glaubst, der lässt sich darauf ein?“ Jack betrachtet den kleinen Kerl zweifelnd.

„Natürlich, O’Neill. Wenn nicht, wird das Konsequenzen haben. Ich habe bereits ein Signal an die anderen Asgard Kommandanten geschickt.“

„Ach“, winkt Jack unwirsch ab. „Man sieht sich ja schließlich immer fünf… sechs Mal im Leben.“

„Ich konnte noch weitere Lebenszeichen orten. Es waren ebenfalls Mitglieder des Stargate Kommandos und normale Menschen“, erzählt Thor weiter ohne auf Jacks Kommentar einzugehen.

„SG-13“, flüstert Sam. „Wir hatten keine Möglichkeit gehabt zu ihnen zu gelangen. Alles ist verschüttet gewesen.“

„Es geht ihnen gut. Ich habe sie zurück auf die Erde geschickt.“

„Danke.“

Leicht beugt Thor seinen Kopf und er schließt für einen kurzen Moment seine großen, schwarzen Augen. Jack atmet einmal erleichtert durch und hebt beide Hände „Wirklich, Thor, das war echt Rettung in letzter Sekunde. Einen Moment später und es wäre alles aus gewesen.“

„Ja“, nickt Sam. „Danke, du hast mir das Leben gerettet.“

Langsam dreht der Außerirdische seinen Kopf in ihre Richtung. „Ihr Menschen würdet sagen: ‚Jetzt sind wir quitt.’“

Sam lacht nickend und selbst in dem sonst so starren und ausdrucklosen Gesicht des Asgards kann man so etwas wie ein Lächeln erkennen.

„Ich werde euch jetzt zurück auf die Erde schicken. General Hammond erwartet euch bereits.“ Wieder bewegt er ein paar Kristalle.

„Hey, weißt du was?“, wirft Jack dazwischen. „Wenn dich diese kleinen Käfer weiterhin nerven sollten, dann weißt du ja, wo du uns findest. Einfach anklopfen und hochbea--“

Aber da ist es bereits zu spät. Wir werden von einem weißen Licht umgeben.


+++++


Passender Weise landen wir genau in der Krankenstation. Nach dem ersten Moment der Orientierungslosigkeit, wird es plötzlich ganz still um uns herum. Das Gewusel der Schwestern und Soldaten hält für nur einen kurzen Augenblick inne, um das plötzliche Auftauchen der Neuankömmlinge – also wir – zu registrieren.

Und wie die fleißigen Bienchen, begibt sich die Hälfte der Meute direkt in unsere Richtung – angeführt von niemand anderem als Janet. Wir müssen vermutlich ein ziemlich erbärmliches Abbild darbieten – verstaubt, verdreckt, halb ausgeblutet und zerrissene Kleidung. Jep, den Schönheitspreis können wir uns dann wohl abschminken.

Obwohl ich erwartet habe, dass sich Janet gleich unserer annimmt, rauscht sie an uns vorbei, bellt irgendwelche medizinischen Anweisungen mit denen man ein ganzes Lexikon füllen kann und schnappt sich den Telefonhörer an der Wand. „General, ja, sie sind soeben eingetroffen.“

Während die anderen Weißkittel bereits wie die Vampire über uns hergefallen sind und ich ehrlich gesagt nicht weiß, wo mir der Kopf steht, hält Janet mit einem kurzen, aber deutlichen Kopfschütteln vor uns inne. Ein schweres Seufzen kriecht über ihre Lippen. Vermutlich nicht das erste Mal, dass so etwas passiert.

Mit einem prüfenden Blick schätzt sie die Situation ein und schnappt sich den Colonel, da er offensichtliche Schwierigkeiten hat mit seinem kaputten Bein das Gleichgewicht zu halten. „Das sieht schlimm aus.“

„Ja, können Sie es wieder flicken?“

Ohne ihn eine Antwort zu geben, hallen die nächsten Befehle durch den Raum und zu Jacks Erleichterung wird ihm jetzt eine richtige Schiene gelegt, eine die diese Bezeichnung auch ehrlich verdient hat. Ich kann noch sehen, wie die anderen jeweils zu einem freien Bett gelotst werden, als sich auch mein Vorhang schließt.

Es ist schon komisch, wir sind wieder zu Hause. Ich hatte das Gefühl Lichtjahre entfernt gewesen zu sein und dabei haben wir bis auf vielleicht fünfzehn Minuten nicht einmal den Planeten verlassen. Ein seliges Lächeln umspielt meine Lippen. Ich bin wieder daheim.

„Ma’am?“, fragt eine junge Frau. „Tut Ihnen etwas weh?“ Ich hätte fast laut aufgelacht. Ob mir was weh tut? Mädel, du kannst einmal mein gesamtes Skelett austauschen. Aber sie sieht so unschuldig aus und hier ist die Hölle los, da will ich nicht auch noch ein schlechter Patient sein.

„Meine Schulter. Sie wurde eingerenkt, aber es scheint noch wund zu sein“, berichte ich ihr vollkommen pflichtbewusst. „Und mein Bein.“

Das Mädchen vor mir nickt und macht sich an die Arbeit. Erschöpft schließe ich meine Augen, lasse sie ihre Arbeit tun und genieße einfach nur den Gedanken an eine heiße, lange, nasse und erholsame Dusche. Oh ja, ich kann schon förmlich das prasselnde Wasser hören, wie es auf meine geschundene Haut plätschert… Gott, ich bin im Himmel.


+++++


Schonen, ausruhen, etwas schlafen, Schulter und Bein dürfen nicht belastet werden – das sind die ärztlichen Anweisungen, die ich persönlich von Janet erhalten habe und so liege ich jetzt hier. Sicher, es tut so gut endlich eine weiche Matratze unter mir zu spüren, die kühlen Laken sind Balsam für meine Haut, aber wie Sam es vor einer Woche so passend beschrieben hat, es ist Sterbenslangweilig. Däumchen drehend starre ich an die Decke und zähle die Punkte. Ich bin gerade irgendwo bei dreitausendeinhundertsiebenundzwanzig angekommen, als ich ein leises Geräusch höre.

„Psst.“

Überrascht drehe ich meinen Kopf in die Richtung und sehe, wie Daniel seinen Kopf durch den Spalt der Tür schiebt. „Wo ist sie?“

„Sie wurde vorhin zu General Hammond gerufen.“

Ein erleichtertes Lächeln huscht über sein Gesicht, als auch der Rest seines Körpers die Krankenstation betritt. Auf dem Weg zu meinem Bett, schnappt er sich einen Stuhl und platziert sich neben meinem Bett. Etwas unelegant mit einer Schlinge um den Hals, wo meine Schulter ruhig gehalten werden soll, rutsche ich etwas nach oben. „Solltest du dich nicht etwas ausruhen?“

„Ich war in meinem Quartier.“ Ich nicke kurz und wir verfallen in ein leicht unangenehmes Schweigen. „Schicker Verband“, sagt er und deutet auf meine Schulter.

„Ja? Dann hast du den hier noch nicht gesehen.“ Ich schmeiße meine Decke zur Seite und entblöße ihm mein Bein. Der gesamte Oberschenkel ist eingewickelt. Flüchtig fährt sein Blick über meinem Körper, bevor er sich leicht beschämt abwendet und ich die Decke wieder dahin zurücklege, wo sie auch hingehört.

„Janet weiß schon was sie tut. Wenn sie uns nicht zusammenflicken kann, dann kann es niemand.“ Obwohl es vermutlich wie ein Scherz klingen sollte, kann ich dennoch die Bewunderung aus seiner Stimme heraushören. Ich schürze kurz meine Lippen, während ich ihn beobachte und sehe, wie seine Augen zu strahlen beginnen.

„Also“, wechsle ich das Thema, „was passiert jetzt? Ich meine, wenn man die Mission mal unterm Strich betrachtet, dann war sie schon ein Reinfall.“

Er kratzt sich kurz am Hinterkopf, bevor er seine Hände faltet und seine Ellebogen auf seinen Knien abstützt. „Nun, wir werden noch ein Team rausschicken, damit alles abgesichert werden kann und wir einen Überblick davon haben, was sich wirklich dort unten noch alles befindet.“

„Ja, aber wir haben einiges weggebombt.“

„Ah, nein, so würde ich das nicht sagen.“ Verschmitzt sieht er zu mir hoch. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass wir den Stützpunkt der Antiker zerstören würden.“

„Aber…“

„Sam und ich haben dafür gesorgt, dass der Eingang zu dem Stützpunkt verschüttet wurde, so dass wir jetzt noch eine Chance haben dort hin zu gelangen.“ Oh, aber dafür ist diese überaus wertvolle und prachtvolle Pyramide draufgegangen. Für meine kleine Welt ist das genauso schlimm!

„Was ist mit Apophis? Ich meine, er weiß doch jetzt, was sich hier befindet. Abkommen hin oder her, wird er nicht versuchen es für sich einzunehmen?“

Ein leichtes Nicken ist seine Antwort. „Vermutlich, aber mach dir darüber keine Sorgen. Uns fällt schon was ein.“

„Die Welt zu retten?“

„Jeden Tag unser Leben zu riskieren, ja?“, antwortet er grinsend.

„So was in der Art.“ Ich seufze schwer und lasse meinen Kopf zurück in die Kissen sinken, während ich unbewusst mit der Kette um meinen Hals spiele. Der Ring tanzt über meinen Finger. Unbehaglich rutsche ich etwas hin und her. Es ist wieder da, dieses merkwürdige Gefühl der tausend nagenden Termiten in meinem Bauch. Mein Blick huscht unauffällig in Daniels Richtung, als ich das Gefühl habe, dass der Ring auf meinem Finger plötzlich glühend heiß wird. Ein Gefühl des Verrats. Nein, schüttle ich innerlich mit dem Kopf. Ich habe Tom nicht verraten, ich habe nur eine Schulter zum anlehnen gesucht. Nichts weiter. Ich hoffe nur Daniel sieht es genauso. Ich sammle alle meine Kräfte, um den Mut aufzubringen, den ich schon von Anfang an hätte haben sollen. Ich hätte gleich die Grenzen zeichnen müssen, als mich dem hinzugeben. Ich hätte so vieles tun müssen. Nachdem ich stumm bis drei gezählt habe, schaue ich zu Daniel auf. Neugierig beobachtet er mich.

„Liz-“

„Daniel-“, platzt es gleichzeitig aus uns heraus. „Ich glaube wir müssen reden.“

„Ja“, nickt er zustimmend.

„Daniel, ich mag dich.“ Na toll, so fängt doch jede schlechte Abfuhr an. Aber das hier ist keine Abfuhr, erinnere ich mich. „Ich bin so froh dich kennen gelernt zu haben, wirklich. In der einen Woche, in der wir uns jetzt kennen, habe ich das Gefühl, dass wir bereits seit Jahren Freunde sind und es ist ein tolles Gefühl. Ich will das nicht verlieren. Aber ich will auch, dass du weißt, dass wir auch nur das sind, Freunde, nicht mehr.“ Nervös fährt meine Zungenspitze über meine Lippe, während ich ihn vorsichtig anschaue. „Ich bin verlobt.“ Ich lasse den Ring los.

„Ich weiß.“ Er nickt ein paar Mal.

„Ich liebe Tom. Ich denke, dass er *der* Mensch in meinem Leben ist und ich, ich will das auf keinen Fall durch eine kurze lustvolle Dummheit auf’s Spiel setzen.“

„Kann ich verstehen.“ Er sieht mich nicht direkt an, sondern streicht sich peinlich berührt durch sein Haar, bevor er kurz seine Brille abnimmt.

„Er ist der Mann, den ich heiraten werde.“

Jetzt schaut er zu mir auf und schiebt seine Brille die Nase hoch. Ich weiß nicht, wie ich seinen Blick deuten soll, es ist so verwirrend. Keine Wut, Verletzbarkeit – vielleicht – und Erleichterung? Schließlich zeichnet sich ein kleines, schüchternes Lächeln in seinem Gesicht ab und er sieht mich direkt an.

„Ich… ich bin ehrlich gesagt froh, dass du das so siehst.“

Hä? Wie? Was?

Mein verwirrter Blick, gepaart mit meinem Schweigen zeigt ihm offensichtlich, dass ich ihm nicht so ganz folgen kann. „Ich meine, diese gewisse Chemie zwischen uns und dann der Vorfall in der Pyramide.“ Himmel, muss er damit anfangen? Ich merke schon, wie meine Wangen anfangen zu glühen. „Ich will, dass wir Freunde bleiben, Liz. Kollegen. Ich habe nie vorgehabt einen Schritt weiterzugehen. Ich will das genauso wenig kaputt machen, wie du. Dazu ist es zu wichtig, viel zu einzigartig.“

„Oh“, kommt es jetzt doch etwas enttäuscht. Und ich hatte die ganze Zeit angenommen, dass es genau das war, was es zwischen uns ausgemacht hat. Diese peinlichen Situationen, weil da irgendwas im Gange war. Oder waren es nur Ausgeburten meine Phantasie? Habe ich mir das alles nur eingebildet? Ich seufze innerlich auf, ich bin ja erleichtert, ehrlich, aber es ist schon demütigend, wenn man von einem Mann zu hören bekommt, dass er nie irgendwelche Absichten gehegt hat. Lässt mich nicht wirklich attraktiv erscheinen. Mensch und ich hatte mich schon geschmeichelt gefühlt. „Wenn das so ist“, kullern die Worte murmelnd über meine Lippen.

„Ja.“ Er deutet auf meine Kette. „Du bist verlobt.“ Ja, das bin ich und ich habe offensichtlich noch viel zu lernen. „Freunde?“

„Freunde.“

„Wie wär’s, wenn wir noch einmal von vorne anfangen?“ Er streckt mir seine Hand entgegen. „Hi, ich bin Daniel Jackson.“

„Und ich bin Liz Sullivan.“ Lachend schüttle ich die Hand und ich muss sagen, ich bin erleichtert! Jetzt muss ich das nur noch mit Tom wieder irgendwie grade biegen und alles ist wieder normal. „Ich habe ganz schönen Mist gebaut“, murmle ich. „Er wird mich hassen.“

„Nein, wird er nicht.“ Er klingt so zuversichtlich. „Er wäre verrückt dich zu hassen. Du bist eine klasse Frau, Liz. Egal, was du getan hast, er wird es dir verzeihen.“

„Ehrlich?“

Er nickt. „Glaub mir, ich weiß wovon ich spreche. Ich war mal verheiratet.“ Ich strahle ihn an und mal ehrlich, Daniel und ich hätten eh nicht zusammen gepasst. Eine Freundschaft – eine wirkliche, echte, tiefe Freundschaft – in der man sich vertrauen kann, ist mir wichtiger als jedes lustgesteuertes Abendteuer und obwohl ich Tom abgöttisch liebe, würde ein Teil von mir sterben, wenn ich das verliere, was ich mir hier mit Daniel aufgebaut habe. Es ist noch nicht viel, vielleicht gerade mal ein Fundament, aber ein Fundament auf dem noch Paläste entstehen werden.

„Hey“, sage ich schließlich, „wenn das mit Tom nicht klappen sollte, rufe ich dich an, okay?“,scherze ich und grinse ihn schief an.

Lächelnd nickt er und nimmt meine gesunde Hand. „Ich hoffe, ich werde diesen Anruf nie erhalten.“ Nickend stimme ich ihm zu. Ja, das hoffe ich auch.

„Ich ruf dich trotzdem an“, verkünde ich stolz.

„Wieso das?“

„Na ja“, antworte ich mit einem einseitigen Schulterzucken, „ich würde mich freuen, wenn du auch zu meiner Hochzeit kommen würdest.“

„Gerne“, lächelt er. „Ich komme auf jeden Fall.“

„Schön.“ Mit einem erleichterten Seufzen, atme ich einmal tief durch.

Diesmal ist es ein angenehmes Schweigen, welches uns umgibt und wird nur durch Janet unterbrochen, die einen Rollstuhl vor sich herschiebt. „Daniel, hatte ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen sich noch etwas ausruhen?“

„Ja.“ Doch dann deutet er auf den Rollstuhl. „Für wen ist der denn?“

Sie seufzt einmal. „Für den Colonel.“

Er fängt an zu lachen. „Und Sie glauben ernsthaft, dass er sich da reinsetzen wird?“

„Nein.“ Und damit verschwindet sie wieder. Daniel schaut ihr noch solange hinterher, bis sie hinter einem Vorhang verschwunden ist. Als ob ich ihn bei etwas Verbotenem erwischt hätte, schnellt sein Blick schuldbewusst zurück.

„Weißt du“, beginne ich langsam und schiele zurück zu dem Vorhang, „ich glaube, dass es für jeden nur den einen richtigen Menschen gibt.“

„Ein Seelenverwandter?“

„Ja.“

„Die hatte ich bereits“, sagt er in einem traurigen Ton. „Meine Frau ist tot.“

Oh. „Das, das wusste ich nicht.“ Ich schaffe es auch immer in die größten Fettnäpfchen zu treten.

Er schüttelt nur mit dem Kopf und lächelt dann wieder. „Ihr Name war Sha’re. Sie stammte von einem anderen Planeten.“

Was auch sonst? Die Erde reicht ihm wohl nicht aus. „Okay, aber auch unser blauer Planet hat einiges zu bieten. Ich wette mit dir, dass sie sich bereits direkt vor deiner Nase befindet.“

Daniel will gerade zum Sprechen ansetzen, als uns ein aufgebrachtes Schreien unterbricht. „Das können Sie vergessen, Doc! Ich werde mich auf gar keinen Fall in dieses Ding reinsetzen!“

„Colonel--“

„Was glauben Sie wohl, warum uns der liebe Gott zwei Beine geschenkt hat?“

„Colonel, wenn ich Sie daran erinnern darf, dann haben sie eine Infektion an ihrer Schulter und wie mir berichtet wurde, hatten Sie während der Mission einen Fieberanfall und somit ist Ihr Immunsystem noch geschwächt, also, wenn Sie aufstehen wollen, dann benutzen Sie den Rollstuhl, ansonsten bleiben Sie liegen.“

„Niemals.“

„Gut, dann bleiben Sie im Bett.“ Wir sehen, wie ein Schatten sich dran macht wieder zu verschwinden.

„Hey!“ Janet bleibt stehen. „Lassen Sie das Ding hier stehen.“ Sie rollt den Rollstuhl zurück. „Vielleicht ist er ja noch ganz nützlich.“

Mit einem amüsierten Kopfschütteln sehen Daniel und ich uns einen Augenblick an. Ja, wir sind wieder zu Hause.


+++++


Im Gegensatz zum Colonel finde ich den Rollstuhl äußerst praktisch. Keine großartigen Anstrengungen und man kommt sogar noch recht flott von der Stelle. Ich fahre um den Vorhang herum, bis ich vor seinem Bett stehe. Er sitzt weiterhin mit verschränkten Armen in seinem Bett und der Rollstuhl steht jungfräulich daneben. Er würdigt das Gefährt keines einzigen Blickes.

„Sullivan.“ Überrascht sieht er mich an. „Wie geht’s der Schulter?“

„Super“, grinse ich. „Dem Bein?“

„Hervorragend.“

„Wollen Sie es nicht wenigstens mal versuchen. Ist gar nicht so schlimm.“ Ich rolle etwas vor und zurück.

„Nein. Ich hasse diese Dinger.“ Ich nicke kurz und er schielt mich aus dem Augenwinkel heran. „Ich habe mich noch gar nicht wirklich bei Ihnen bedankt“, kommt es etwas zögernd über seine Lippen. Offensichtlich ist das etwas, wo er seinen Stolz mal herunterschlucken muss.

„Wofür?“

„Die Idee die Asgard zu rufen, war genial. Hätte glatt vor mir sein können.“

„Ich hatte nicht angenommen, dass es klappen würde.“

Er nickt. „Hat es aber und das ist das, was zählt.“

„Ja, hören Sie, Jack, meine Entscheidung in der Halle zu bleiben war ein Fehler gewesen. Ich habe uns alle in Lebensgefahr begeben.“

„Ich habe es akzeptiert.“

„Ja, aber wenn ich mich nicht von allem hätte beeinflussen lassen, dann hätte ich sehen müssen, dass es lediglich eine Huldigung war und kein verborgener Durchgang.“

„Sullivan, das ist Schnee von gestern.“

„Aber--“

„Kein Aber.“

Ich schüttle nur mit dem Kopf. Ich kann das nicht so einfach abtun. „Nein, wegen mir ist Sam fast gestorben!“

Für einen kurzen Moment schließt er seine Augen, so als ob er verhindern will, dass ich irgendwas in seinen Blick lesen könnte. Eine Hand ballt sich zur Faust und umklammert das Laken. „Sullivan“, murmelt er angespannt.

„Ich hätte sie fast umgebracht“, flüstere ich mit erstickter Stimme. „Ich hätte uns alle fast umgebracht.“

„Hören Sie auf.“

„Ich meine--“

„Hören Sie auf, okay?“ Er sieht mich jetzt bestimmt an. Seine Augen sind so schwarz wie die Nacht. „Sie konnten nicht wissen, dass das Beben wieder losgeht.“

„Nein, aber ich hätte es ahnen müssen und dennoch habe ich darauf bestanden, dass wir dort unten bleiben.“

„Es war nicht Ihre Schuld.“

„Ich hätte es mir nie verziehen.“ Schluchzend atme ich einmal tief ein. Gott, jetzt sitze ich wie ein heulendes Etwas vor dem Colonel.

„Sie haben nur versucht das Richtige zu tun.“

„Ja, aber manchmal ist es falsch das Richtige zu tun.“ Wirsch wische ich mir schnell über meine Augen. „Ich hätte mein Verstand benutzen sollen.“

„Niemand wird Ihnen irgendwelche Vorwürfe machen.“ Er räuspert sich kurz, nur um anschließend das Thema zu wechseln. „Die Beben waren der Vorbote eines Vulkanausbruches ganz in der Nähe. Überall in der Gegend sind wohl Häuser eingestürzt. Bisher kamen bei diesem Unglück knapp fünfzig Menschen ums Leben. Wir hatten besonders großes Glück. Und wenn Sie Thor keine Nachricht geschickt hätten, wären wir alle dort unten gestorben.“

Ich lache kurz auf. „Na, jetzt, wo eh alles nur noch Schutt und Asche ist, bin ich eh arbeitslos.“ Seufzend vergrabe ich meinen Kopf in meinen Händen. Ich weiß noch gar nicht, wie ich das den hohen Tieren alles erklären soll.

„Da hätte ich ein Angebot für Sie“, ertönt plötzlich die Stimme des Generals hinter mir. Ruckartig blicke ich zu ihm auf. Hinter ihm stehen ebenfalls Sam, Teal’c und Daniel.

„General.“ Auch wenn ich nichts mehr retten kann, fährt mein Arm noch einmal über meine Augen.

„Colonel O’Neill hat mich darüber informiert, was passiert ist und ich habe mich bereits mit Ihren Vorgesetzten in Verbindung gesetzt.“ Abwartend schiele ich zu Sam hinüber, die wie ein kleines Honigkuchenpferd grinst. „Ich habe Ihnen die Situation erklärt und Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“

„Oh, danke… aber dennoch muss ich sehen, dass ich irgendwie wieder Arbeit kriege.“

„Auch dafür gibt es eine Lösung.“ Er lächelt und Sam nickt leicht mit dem Kopf. Was kommt denn jetzt? „Wenn Sie ein neues Projekt gefunden haben, dann lassen Sie uns das wissen. Wir werden Ihnen und Ihrem Team alles Nötige zur Verfügung stellen - sehen Sie es als kleine Entschädigung und als Dankeschön.“

Wow, ich bin platt. Total umgehauen. Und ich habe da auch schon den perfekten Kandidaten. Strahlend schaue ich zu ihm auf. „General, ich wüsste das schon etwas.“ Vielleicht kann ich jetzt die Cenote ja auch mal in einem gesicherten Zustand herunterklettern.

Er nickt. „Dann sollten wir das so schnell wie möglich klären.“

Und genau in diesem Moment kommt Janet zu uns. Ein Klemmbrett hat sie vor ihre Brust gepresst, während ihr Blick einmal von mir zum Colonel und dann zum einsamen Rollstuhl wandert. „General“, ergreift Janet das Wort. „Mit Doktor Sullivans Einstimmung habe ich eine Blut – und DNA Analyse durchgeführt und diese mit der von Colonel O’Neill verglichen.“

„Und?“

„Die DNA Analyse hat ergeben, dass ein bestimmter DNA Strang aktiv ist, von dem bisher vermutet wurde, dass er inaktiv ist. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich noch gerne weitere Tests durchführen und auch untersuchen, wer vom SG Personal vielleicht noch diese Anomalie in sich trägt.“

„Natürlich, Doktor.“

Heißt das jetzt, dass ich halb außerirdisch bin? Tja, wir stammen ja angeblich eh alle vom Mars. Das tröstet mich zumindest ein klein wenig.

Bevor der General verschwindet, hält er noch einmal kurz inne. „Doktor Sullivan, sobald Doktor Fraiser Sie entlassen hat, kommen Sie doch in mein Büro und wir klären alles.“

„Ja.“ Als der General verschwunden ist, atme ich einmal lange aus. „Wow, wer hätte das gedacht?“

„Herzlichen Glückwunsch“, grinst Daniel mich an. „Du hast es dir verdient.“

„Und wenn ich dort wieder etwas finde?“

„Sie wissen ja, wo Sie uns finden“, kommentiert Jack. „Und wenn Sie wieder arbeitslos werden, denke ich, hat Daniel noch einen Platz für Sie frei.“

Überrascht sehe ich zwischen den beiden hin und her. „Wie? Was? Was soll das heißen?“

Er zuckt unschuldig mit den Schultern. „Vielleicht bist du ja daran interessierst uns hin und wieder auszuhelfen.“

„Aber, ich dachte…“

„Sie sind qualifiziert auf Ihrem Gebiet und der General hat auch schon sein Einverständnis gegeben, dass, wenn Sie Interesse haben, wir Sie zu Rate ziehen, solange Sie natürlich schweigen wie ein Grab.“

„Wow, das kommt jetzt etwas überraschend.“

„Denk mal in Ruhe darüber nach.“

„Aber ich wohne doch in Washington.“

„Sullivan, wir sind hier bei der Air Force.“

„Oh.“ Richtig.

„Na ja, sie hat sich mehr als qualifiziert“, wirft Janet ganz beiläufig mit ein, während sie noch ein paar Notizen macht. „Zumindest aus meiner Sicht.“

„Und wie hat sie das, Doc?“

Sie zuckt mit den Schultern und lächelt den Colonel an. „Sie hat eine Mission von SG-1 überlebt. Ich würde sagen, damit ist sie mehr als qualifiziert.“

Während SG-1 sie mit offen stehenden Mündern anstarrt, ich mir in mein Fäustchen lache, zwinkert Janet mir nur zu und verschwindet zu einem anderen Patienten von irgendeinem anderen SG Team.

Daniel ist der erste, der sich von diesem Schock erholt hat. „Also, ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber jetzt wo wir alle wieder hier sind, sollten wir unbedingt noch unser Barbecue nachholen.“ Er klatscht einmal in die Hände und sieht hoffnungsvoll in die Runde.

„Barbecue? Welches Barbecue?“

Verwirrt sieht Jack uns alle und lässt sich von seinem Team erklären, was vor unserer Mission geplant war. „Und ich war nicht eingeladen?“ Wie ein kleines Kind sieht er trotzig von einem zum anderen.

„Wir hätten Sie noch angerufen… Sir“, druckst Sam herum. Ja, zu diesem Zeitpunkt lief sie noch auf Eierschalen, als es um den Colonel ging und ich glaube kaum, dass er auf der Gästeliste stand. Aber wenn ich mir Sam und ihn jetzt ansehe, wie sie leicht ihren Mund verzieht und er lächelt, weil er es geschafft hat sie in Verlegenheit zu bringen, weiß ich, dass er jetzt definitiv ein Gast ist.

Und somit steht es fest. Samstag bei Sam um sieben Uhr.


+++++


Samstag, sieben Uhr und die Bude ist voll. Na ja, was man als voll bezeichnen will, wir sind hier eher im kleinen Kreise. SG-1, Janet und meine Wenigkeit. Jack hat es doch tatsächlich geschafft Janet zu überreden hier nicht im Rollstuhl auftauchen zu müssen. Allerdings hat sie nur unter tausend von Einschränkungen zugestimmt und sie hat mir verraten, dass sie Ersatz mitgebracht hat. Und zwar im Kofferraum. Mit keinem großen Jubel, aber eindeutig weniger Missgunst, hatte er die Krücken akzeptiert, die Janet ihm beim Ausstieg aus dem Auto hingehalten hatte.

„Die oder der Rollstuhl, Colonel. Sie haben die Wahl.“

„Geben Sie schon her“, hatte er gemault und sich die Krücken geschnappt.

Da ich in den letzten Tagen nichts anderes gemacht habe, als auf der Couch zu liegen und zu telefonieren, muss ich zwar noch Vorsicht walten lassen, aber wenn jemand da ist, darf ich das Bein auch belasten. Und ja, die Tatsache, dass ich mehr oder weniger Gehbehindert bin, hat mein Verstand gleich ausgenutzt, um über alles nachzudenken. Nein, nicht über Tom und das alles, nein, dazu habe ich die nächsten Tage noch Zeit. Nein, ich habe viel mehr die letzten Tage Revue passieren lassen. So sieht also eine ganz normale Arbeitswoche von Sam aus. Ich rechne bei Sam ja mit vielen Dingen, aber damit bestimmt nicht. Sie überrascht mich immer wieder. Ist schon lustig, wenn man mal genauer drüber nachdenkt, dann wird die Erde also immer wieder von einer kleinen Stadt irgendwo in Amerika – Colorado Springs – gerettet. Zumindest starten sie von hier. Es ist nicht das Weiße Haus, nicht das Pentagon, keine CIA, FBI und was es da noch so alles gibt. Nein, es ist ein unauffälliger Berg mitten in Colorado Springs. Ich lache kurz auf, als ich einen Schluck von meinem Bier nehme. Verrückte Welt.

Aber was diese Menschen da unwissend von der Bevölkerung dort Tag ein Tag aus durchmachen und aushalten müssen verdient mehr als nur meinen Respekt. Es verlangt meine ganze, ehrfürchtige und aufrechte Anerkennung. Sie riskieren ihr Leben, nur damit wir hier oben unseres weiterhin durch Kleinigkeiten zerstören. Oh Mann, wie blind wir doch alle sind! Die Hälfte der Menschheit gibt einen Haufen Geld dafür aus, um sich von einem Seelenklempner sagen zu lassen, dass sie ein Problem haben und Hilfe brauchen. Ich sage euch, verbringt eine Woche mit diesen fabelhaften Menschen und ihr seid geheilt! Ich bin es. Denn ich weiß jetzt, dass es sich nicht lohnt darüber aufzuregen, dass meine Telefonrechnung zu hoch ist, dass mir irgendwer einen Parkplatz weggenommen hat oder dass sich mein Freund zu einer Verabredung verspätet hat. Nein, das ist alles Kleinkram. Wir haben erst Probleme, wenn diese Menschen in ihren Beruf versagen und so wie ich Sam kenne, und auch Daniel, Jack, Teal’c und Janet werden sie es nicht. Ab heute sind diese Leute meine wahren Helden.

Mit einem unglaublichen Gefühl der Leichtigkeit genieße ich das Getummel. Ich habe mit Hammond gesprochen, alles ist geklärt und ja, Tom habe ich auch schon angerufen. Nachdem ich reumütig auf dem Boden gekrochen bin, tat es auch ihm Leid, dass er so egoistisch gewesen ist. Zum ersten Mal in meinem Leben scheint alles nach Plan zu laufen und das ist für mich mal eine ganz neue Erfahrung.

Genussvoll schlürfe ich an meinem Bier und lehne mich im Stuhl zurück. Daniel und Janet wirbeln irgendwo zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her, Teal’c steht am Grill (habe mir von Sam sagen lassen, dass unter keinen Umständen Jack auch nur in die Nähe des Grills kommen darf – es sei denn wir wollen verkohltes Fleisch essen) und Sam und Jack kann ich nirgends sichten.

„Hey“, ruft Daniel und lässt sich neben mir auf die Couch fallen.

„Wo hast du Janet gelassen?“

„Oh, sie ist im Badezimmer verschwunden.“

„Ah.“

„Also, konntest du schon mit Tom reden?“

„Ja“, lächle ich ihn an. „Ich fliege Montag nach Madrid.“

„Madrid?“

„Dort arbeitet er im Moment. Wir werden uns so richtig aussprechen und uns dann versöhnen.“ Doppeldeutig wacklige ich mit meinen Augenbrauen.

Neben mir verschluckt sich der Arme Kerl fast an seinem Bier. „Da bin ich mir sicher“, krächzt er. Unschuldig wie ich bin, klopfe ich ihm ein paar Mal auf den Rücken. Hey, woher soll ich denn ahnen, dass ihn das Thema so aus dem Konzept bringt? „Lässt Janet dich denn schon wieder gehen?“

„Ja. Sie hat gesagt, dass ich noch einmal meinen Hausarzt aufsuchen soll und solange ich nichts zu sehr belaste, wird alles heilen. Nur an meinem Bein wird vermutlich eine kleine Narbe zurückbleiben.“ Jetzt kann ich die ausgedehnten Sonnenbäder wohl vergessen. Wie sieht das denn aus? Alles knacke braun und auf meinem Bein zieht sich ein weißer Strich bis ins Nirgendwo. Frankensteins Braut ist nichts dagegen.

„Ach, ich habe da noch ne Kleinigkeit für dich.“

Überrascht sieht er mich an. „Oh, wirklich?“

Ich nicke und greife hinüber zu einem kleinen Tisch in der Nähe, wo ein Plastikpaket drauf liegt. Der Inhalt ist grünlich und es ist Stoff. „Die hier gehören dir.“

„Was ist das?“ Wie ein kleines Kind schnappt er sich das Paket und dreht es ein paar Mal in der Hand herum.

„Nachdem deine ganzen Kopftücher für meine Wunden herhalten durften, dachte ich mir, dass ich sie dir ersetze.“

„Wow, danke. Das hätte echt nicht sein müssen. Meine ganze Schublade ist voll damit.“

„Oh, ich will es aber. Wusstest du, dass es sie im Dreierpack gibt?“

„Ja, super diese Dinger.“ Er lächelt mich an und rutscht dann noch weiter mir herüber. Überraschenderweise nimmt er mich einmal kräftig in die Arme und drückt meinen zarten, geschundenen Körper an seine starke Brust. „Danke“, flüstert er.

Erfreut darüber, dass sie ihm gefallen, strahle ich ihn schließlich an, doch egal, was er sagen wollte, irgendwas anderes erhascht dann seine Aufmerksamkeit.

„Ah, da ist sie ja.“ Freudig schaut er zu Janet auf und winkt ihr zu. Ich kann nicht anders als lachen. Erstens scheint Bier nicht sein Getränk zu sein und zweitens denke ich, hat es ihn ganz schön erwischt.

„Daniel, Sie sollten vielleicht das nächste Bier aussetzen“, kommentiert Janet lächelnd, als sie sich neben ihn setzt und ihm ganz vorsichtig seine derzeitige Flasche aus der Hand nimmt.

„Wenn Sie das sagen. Sie sind hier der Doc.“

Sie verdreht kurz ihre Augen und richtet dann ihre Aufmerksamkeit auf mich. „Sie müssen auf ihn aufpassen“, bitte ich sie.

„Ja.“ Nur kurz schielt sie in seine Richtung und ein schon fast liebevoller Blick zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. „Ja, das werde ich.“ Doch dann ist der Bann gebrochen. „Also, ich habe gehört Sie reisen am Montag ab?“

Ich nicke nur. „Ich habe noch ein paar Dinge zu klären.“

„Ich wünsche Ihnen viel Glück. Da hat die eine Woche wohl doch etwas genutzt, was? Auch wenn sie sicherlich etwas unkonventionell war.“

„Das war sie“, lache ich. „Raumschiffe und Außerirdischen waren sicherlich nicht eingeplant.“ Und dann schießt mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf. „Wisst ihr, die ganze Zeit diese Aufregung und ich habe noch nicht einmal das Stargate gesehen.“

„Das nächste Mal“, nuschelt Daniel dazwischen und will nach seinem Bier greifen, aber Janet hält ihn sachte, wenn nicht auch bestimmt davon ab.

„Wo, wo sind eigentlich Sam und Jack?“, frage ich schließlich. Ist schon etwas merkwürdig, dass die beiden untergetaucht sind.

„Na ja, Sam ist draußen auf der Terrasse und den Colonel habe ich vorhin auch in die Richtung gehen… humpeln sehen“, antwortet Janet und sieht mich schon fast verschwörerisch an.

„Dann reden sie?“

„Das hoffe ich doch. Bevor zwischen denen nicht alles geklärt ist, kommen die mir hier nicht mehr rein.“ Bestimmt nimmt Janet einen Schluck von ihrem Wein.

„Aber das ist Sams Haus.“

„Na und? Aber ich habe Teal’c angewiesen, dass er sie erst rein lassen soll, wenn wieder alles in Ordnung ist.“

Ich kann nicht anders als zu lachen. Gott, Janet wird mir von Sekunde zu Sekunde sympathischer. Als ich hier angekommen bin und Sam in diesem Zustand vorgefunden habe, habe ich mir doch ehrliche Sorgen gemacht, aber solange Janet hier ist, ist sie in guten Händen. Ich weiß einfach, dass Janet immer ein wachsames Auge auf sie haben wird. Auf das gesamte Team. Sie ist ein wahrer Engel.

„O’Neill, Major Carter, ich darf euch nicht rein lassen“, hören wir Teal’cs tiefe Stimme. Wie eine Mauer steht er vor der Tür.

„Was soll der Quatsch, Teal’c? Komm schon, geh zur Seite.“

Aber er bleibt wie ein Fels in der Brandung stehen. „Doktor Fraiser hat mich angewiesen euch nicht durchzulassen, bevor ihr euch nicht ausgesprochen habt.“

„Wie bitte?“

„Teal’c, komm schon“, versucht es jetzt Sam.

„Ich muss sagen, ich stimme Doktor Fraiser zu. Es ist nicht gesund, was ihr tut.“

„Teal’c“, knurrt Jack warnend und ich sehe nur, wie Janet schnell ihr Glas leert.

„Ich glaube, ich sollte mal kurz verschwinden“, murmelt Janet und steht auf.

„Aber wir haben schon über alles gesprochen, Teal’c.“ Sam, wie immer die Stimme der Vernunft.

„Habt ihr?“

„Ja.“

„Natürlich.“

„Hmm.“

„Also, dürfen wir jetzt bitte durch?“ Zögernd tritt Teal’c einen Schritt zur Seite. „Dieser kleine, napoleonischer Machtzwerg.“ Erleichtert lehne ich mich kurz zurück. Vielleicht gibt es hier ja auch zwei Engel, einer in weiß und der andere in Form eines Außerirdischen.

„Sir.“ Sam bedenkt ihn mit einem spielend mahnenden Blick und dieser schüttelt nur in einer ‚Ist doch wahr’ Geste den Kopf.

Während Sam kurz in der Küche verschwindet, schlendert Jack durch das Wohnzimmer und bleibt vor dem Kamin mit einem Haufen Bildern hängen. Er nimmt eines in die Hand und betrachtet es eingehend. Von meiner Position aus, kann ich nicht sagen, welches es ist, aber wenn ich mir so sein Lächeln betrachte, dann kann es nur eines von Sam sein. „Hey, Carter“, ruft er und Sam gesellt sich neugierig zu ihm, als er mit dem Bilderahmen herumwirbelt. „Jetzt weiß ich auch, warum man Sie früher MacGyver genannt hat.“

Vollkommen schockiert reißt sie ihre Augen auf, der Mund hängt sprachlos offen. „Woher--?“ Doch dann hält sie inne und wirbelt in meine Richtung. Ihr Blick ist durchbohrend, bis ins Mark. Ich bin ja so tot. Ich glaube ich sollte mich langsam zu Janet gesellen.

„LIZ!“

Gerade als ich mich humpelnd aus dem Staub mache, rennt Sam hinter mir her.

Ja, jetzt ist wieder alles beim Alten.

Und ich liebe es.


ENDE

End Notes:


Literaturlinks:

www.mexiko-lexikon.de/index.php?title=Maya
www.michielb.nl/maya/astro.html
www.indianer-welt.de/meso/maya/maya-gott.htm
www.tu-dresden.de/slub/proj/maya/maya.html
www.geocities.com/aleyuc/geo1.html
www.geocities.com/aleyuc/null.html

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