The Lost Lovers by Andreas
Summary: Jack macht sich so seine Gedanken über sich und Sam, nachdem ein Verhalten von Sam ihm bitter aufgestoßen ist.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Jack O’Neill (SG-1), Samantha Carter (SG-1)
Genre: General, Hurt/Comfort, PoV, UST
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 2 Completed: Ja Word count: 6125 Read: 7753 Published: 19.03.12 Updated: 19.03.12
Story Notes:
Die FF ist eigentlich eher eine teilautobiographische Erzählung als eine richtige Fanfiction-Story. Dass es sich so einfach und schnell (ein Tag für’s Schreiben, einer zum mehrmaligen Korrekturlesen) in eine S/J Story verwandeln ließ, ist Zufall. Genaugenommen musste ich (fast) nur die Charaktere etwas anpassen.

1. Jack's Sicht by Andreas

2. Sam's Sicht by Andreas

Jack's Sicht by Andreas
The Lost Lovers


Teil 1

Geladen kramte Jack in seiner Hosentasche und fischte den Schlüsselbund mit dem Hotelschlüssel daran heraus. Am liebsten hätte er die verdammte Tür, die ihm im Weg stand, einfach eingetreten, aber dann fiel ihm ein, dass das die unten an der Rezeption wohl nicht allzu toll gefunden hätten (und seine Knie auch nicht). Außerdem passte Randalieren eher zu Rock- oder Filmstars, nicht zu Elitesoldaten eines Geheimkommandos. Als er endlich in seinem Apartment stand und die Tür hinter sich zugeknallt hatte, ging er zuallererst, noch bevor er sich aus seinen Straßenklamotten schälte, zielstrebig zu dem Kühlschrank und griff zu einer Flasche Guinness.

„Genau das richtige für so Momente!“, dachte er höhnisch und setzte die Flasche an seine Lippen. Nach ein paar langen Zügen schwappte dort, wo sich zuvor einer halber Liter des edlen Gerstensaftes befunden hatte, das so typisch war für das United Kingdom, nur noch ein knappes Drittel des Starkbieres. Noch bevor er die Kühlschranktür wieder schloss, holte er zudem auch noch einen Sixpack heraus, ging ins Wohnzimmer und stellte ihn auf den Tisch vor der Couch, auf die er sich fallen ließ wie ein nasser Sack. Ein bemitleidenswertes Stöhnen entwich seinem Mund, dann leerte er das Guinness vollends. Dabei hatte der Urlaub so gut angefangen...

Seine Gedanken drifteten zurück zu dem Moment, als ihnen General Hammond nach vielen arbeitsintensiven Monaten, die fast ausschließlich aus Weltuntergangsverhinderungshorrormissionen bestanden hatten, offenbarte, dass sie ab sofort frei hätten. Und zwar zwei ganze Wochen, immer vorausgesetzt, es brach kein intergalaktischer Krieg aus, die Tok’Ra hatten keine geniale Idee, die das Vernichten der Goa’uld so einfach machte wie sich ein Butterbrot zu schmieren, und auch Thor würde nicht mit seinen langen, dürren Finger an den Heraufbeamsteinchen in seinem Schiff herumspielen. Jack freute sich schon darauf, was es diesmal sein würde, das ihren Urlaub jäh beenden würde. Der Zufall würde schon eine Möglichkeit finden, dachte er damals.

Das war jetzt elf Tage her. Passiert war bisher nichts, das Handy blieb stumm. Im Cheyenne Mountain Complex klappte es wohl auch ohne tatkräftige Unterstützung von SG-1; oder es wimmelte dort inzwischen schon längst von sich aufplusternden Schlangenköpfen…
„Auch egal, ich hab Urlaub!“, sagte er sich und öffnete die erste der Bierdosen vor sich. Andererseits, gegen ein paar vorlaute Systemlords hätte er jetzt auch nichts gehabt, als Ablenkung von anderweitigen Problemen taugten die Jungs schließlich schon. Er, Teal’C, seine P90 und Teal’Cs Stabwaffe gegen die Führungselite des Schlangenkopfimperiums, das wäre schon was gewesen; aber nur unter der Voraussetzung, dass es sich damit auch hatte. Keine Handmodule, keine billigen Tricks seitens der Gastgeber, kein Daniel und vor allem keine Carter..., das wäre es.

Bei dem Wort Carter zuckte er innerlich zusammen, gerade so, als hätte er seinen eigenen Finger in eine klaffende Wunde seines Körpers gestoßen. Ja, dachte er, Carter…, und war damit bei der Ursache für sein beginnendes Besäufnis angelangt. Carter, oder wie er sie sonst in Gedanken zumeist nannte, Sam. Sam war schuld, dass es ihm jetzt so dreckig ging.

Am Anfang des Urlaubs war alles noch super gewesen. Er war von Samstag bis Montag auf seine Hütte nach Minnesota gefahren, hatte die drei Tage fast komplett mit Fischen verbracht, nur unterbrochen von schlafen, duschen und essen, wobei er sich zum Essen mangels anglerischem Geschick zumeist Fischstäbchen briet. Dienstags war er abgereist, hatte einen – wie immer kostenlosen - Militärjet zur Pope Air Force Base nahe Fort Bragg genommen und sich dort wie verabredet mit Daniel und Sam getroffen, Teal’C war indessen auf Chulak bei seiner Familie. Von dort ging es in einer geräumigen C-17 Globemaster nach Mildenhall, England, wo ein Humvee – die aktuelle Version eines Jeeps bei den US-Streitkräften - bereitstand, der sie nach London in ihr Hotel brachte. General Hammond hatte bereits für alles gesorgt.

Die Idee, gemeinsam London einen Besuch abzustatten, stammte zwar von Daniel, der einen alten Ägyptologenkollegen aus gemeinsamen Uni-Tagen besuchen wollte, aber es war nicht weiter schwergefallen, den General zu überreden, seine Beziehungen spielen zu lassen. In London angekommen hatten sie noch keinen einzigen Cent ausgegeben – und auch keinen Penny! Der Abend verlief dann relativ ruhig, aufgrund der sich doch negativ bemerkbarmachenden Zeitumstellung waren sie schon um neun Uhr englischer Zeit ins Bett gegangen, bzw. auf ihre Zimmer. Ob die anderen auch so schnell im Land der Träume waren wie er, das wusste Jack natürlich nicht.

Die nächsten Tage wurde es schon turbulenter, und interessanter, zumindest meistens. Die Sightseeingtour durch die Metropole war einfach gigantisch, sogar für ihn, Jack O’Neill, der sich sonst nicht gerade für solche Dinge begeistern konnte. Okay, es gab auch Programmpunkte, auf die er liebend gerne verzichtet hätte. Der Besuch im British Museum beispielsweise war einer dieser obligatorischen Pflichttermine, die mit einem Führer wie Dr. Daniel Jackson, der sich für jedes Staubkorn auf jedem einzelnen der Exponate interessierte, eine ziemlich einschläfernde Wirkung haben konnten. Auch der Bummel durch die Oxford Street mit Sam – weit über zwei Stunden für 300 Meter! – war pro se nicht wirklich prickelnd gewesen, was allerdings andererseits durch ihre bloße Anwesenheit wieder tausendfach wettgemacht wurde. Wieder war ihr Name gefallen, und wieder spülte er den faden Beigeschmack in seinem Mund, den er verursachte, mit einem kräftigen Schluck Bier weg. Tja, dachte er, da war die Welt noch in Ordnung gewesen...

Das war sie auch noch einige Tage lang. Die Vor- und Nachmittage waren bis auf einige kleinere Ausnahmen sehr interessant, und die Abende..., nun ja, bombastisch traf es vielleicht noch am Besten. Er wusste nicht, wann er zuletzt so viel Spaß gehabt, so viel gelacht hatte, kurzum, sich richtig wohlgefühlt hatte, ohne unter dem Stress seines Berufes und der damit einhergehenden Verantwortung begraben zu sein. Er fühlte sich frei, dynamisch, spontan, einfach nur rundum gut. Und den beiden anderen ging es genauso. Sie alle drei waren keine großen Partyhengste, alle eher introvertiert, aber dafür ließen sie es für ihre Verhältnisse richtig krachen. Alle drei, sogar Daniel, der im Dienst, wie Jack jetzt vermutete, sein Temperament anscheinend unter seiner Brille versteckte. Dasselbe galt für Carter, für Sam. Auch sie hatte den Dr. und den Major in ihrem Labor im Stargate Command eingeschlossen und ging jetzt richtig ab! Jack hatte sich richtig gewundert, oder besser, er fühlte sich wie in einem Paralleluniversum, in dem Sam Carter nicht Soldatin und Wissenschaftlerin, sondern eine erstklassige Entertainerin war. Sam, seine Sam, benahm sich wie andere nach einem Eimer Whiskey! Und das ganz freiwillig und (fast) ohne Alkohol! Jack konnte nur noch Bauklötzchen staunen, was er übrigens auch tat. Dasitzen und Bauklötzchen staunen und Bier trinken und geniiiiiiiießen... Ja, er war wirklich glücklich gewesen...

„Und was ist jetzt?“, fragte er laut die Wand, die allerdings keine Antwort gab. „Was nun?“
Er wusste ja nicht einmal richtig, was passiert war. Es war ja nichts passiert. Es war nur einfach alles anders. Noch gestern stand sie neben ihm, lachte ihn wie immer ohne ersichtlichen Grund mit ihrem zuckersüßem Gesicht an, dass Jack alleine von diesem sonnigen Lachen eine Gänsehaut bekommen hatte, war absolut gut gelaunt, parierte Anspielungen von ihm in einer Weise, die ihm einfach die Luft im Halse stecken bleiben ließ, und, und, und...
Und dann Peng. Aus die Maus. Alles anders. Es gab keinen Grund dafür! Er kannte zumindest keinen Grund. „Wieso?“ Es machte keinen Sinn. Heute Morgen war sie auf einmal anders gewesen, distanziert, reserviert, irgendwie unnahbar. Zumindest ihm gegenüber. Ihr Verhältnis zu Daniel hatte sich nicht geändert, Jack war nichts aufgefallen. Nur warum das ganze Theater? Hatte ihr die Musicalvorstellung nicht gefallen? Wohl kaum. Das Kino? Sie wollte gestern Abend doch selbst in diesen komischen Fisch-Film, wenn auch nur, weil sie es nicht gewohnt war, den ganzen lieben langen Tag in normalen Straßenschuhen durch eine Stadt zu schlendern. In Boots auf fremden Planeten war das was anderes...

„Also wieso?“, fragte sich Jack erneut. Das erklärte das noch lange nicht. Das, das war das, was sie jetzt gerade machte. Sam war nämlich nicht mit Jack zurück ins Hotel gefahren, sondern mit Spaniern oder Italienern, das wusste er nicht so genau, ausgegangen. Sie hatte sie beim Abendessen in einer Pizzeria kennen gelernt, hatte gehört, dass sich die drei angeregt über komplizierten physikalischen Scheißdreck unterhalten hatten, und sich in das Gespräch eingeklinkt. Da konnte er auch gar nichts dagegen sagen, schließlich war es ihre Sache, mit wem und über was sie sich unterhielt und außerdem freute er sich ja für sie, wenn sie Spaß hatte. Nur das wie, das war es, das ihn so ärgerte. Sie ließ ihn gewissermaßen (an seinem Tisch) sitzen, während sie nach dem Essen fast wortlos zu den Physikern verschwand und später mit ihnen. Ihm hatte sie ihren Entschluss dann fast beiläufig mitgeteilt, und schon war sie mit den dreien abgerauscht. Dass sie sich ihnen nicht gleich an den Hals warf, war alles. Und was das für Typen waren! Jack wunderte sich, wunderte sich sehr über „seine“ Sam.

Er hatte sie immer für intelligent, vernunftbegabt und charaktervoll gehalten, und dann so was. Natürlich blieb sie das auch weiterhin, nur... Was war mit Sam los? Hatte sie es wirklich nötig, sich mit irgendwelchen südländischen Machos abzugeben, die tatsächlich daran glaubten, dass sie, nur weil sie aus Südeuropa stammten, Gel in den Haaren hatten und in einem italienischen oder spanischem Akzent nuschelten, nur Schnipp zu machen brauchten, und jede Frau der Welt haben konnten? Hatte sie das wirklich nötig? Sam? Wohl kaum. Und so waren Jack die drei wirklich vorgekommen, als drei notgeile Machos. Natürlich wusste Jack, dass er vielleicht auch nur so empfand, weil er eifersüchtig war, weil die drei in Stunden oder gar Minuten etwas geschafft hatten, was ihm in all der langen Zeit zuvor nicht im Ansatz geglückt war. Ja, da bekannte er offen Farbe, er war eifersüchtig. Er wusste, es stand ihm nicht zu, eifersüchtig zu sein, aber er war es trotzdem.
Nicht dass er es unmoralisch von ihr fand, nein. Sie war Single und konnte tun und lassen, was sie wollte. Es war einfach..., er konnte es nicht recht in Worte oder Gedanken fassen. Sie waren kein Paar, waren nicht zusammen, sondern arbeiteten nur gemeinsam, und von daher war die Sachlage klar. Aber trotzdem fühlte er sich irgendwie verraten. Sam wusste doch genauso gut wie er, dass ihre Arbeitsbeziehung eine ganz andere als normale war. Und das lag nicht nur an ihrem extravagantem Job. Die Bande, die sie beide zusammenschweißten und mit Teal’C und Daniel zu SG-1 formten, waren stärker als alle anderen, die Jack je bei irgendeiner Einheit zuvor empfunden hatte. Sie waren eben nicht nur ein Colonel und ein Major derselben Einheit, nicht nur Commander und Second in Command, sondern mehr als das. Ihre Gefühle füreinander waren stärker als die normalempfundene tiefe Kameradschaft, so wie er sie bei Daniel und Teal’C verspürte, und wie er sie bei Kowalski und all den vielen anderen verspürt hatte, die mittlerweile viel zu früh den Paradeplatz für Langzeitstudien an Maulwurfkolonien innehatten, um den sie von ach so vielen Biologen beneidet wurden.

Bei Sam war es mehr, von Anfang an mehr gewesen, und das hatte sich wie mit einem roten Faden bis gestern Abend durch ihr bisher gemeinsames (Berufs)Leben durchgezogen. Was dann passiert war, wusste er nicht und, egal wie er seinen Kopf auch anstrengte, er kam auf keinen grünen Zweig. Er grübelte wirklich lange, nur bisweilen unterbrochen, um seinem Hirn Treibstoff in Form von vergorenem Getreidesaft zuzuführen, bis er einen groben Verdacht hatte. Einen Verdacht, den er am liebsten sofort wieder aus seinen grauen Zellen herausgestrichen, ausradiert hätte, aber dazu hätte er etwas anderes, härteres kippen müssen. Mit Bier ließ sich so eine „Kur“ nicht bewerkstelligen.

Jack kam der Verdacht, dass Sam allmählich begriff, wie aussichtslos es war, sich eine Beziehung zu ihm herbeizusehnen.

„Und woran lag das?“, fragte er halblaut. Im nächsten Moment nahm er eine der leeren Bierdosen und warf sie so fest er konnte gegen die ihm gegenüberliegende Wand, die ihm nie antwortete, wenn er sie um Rat ersuchte.
Es waren die Regeln, die es unmöglich machten. Was denn auch sonst, fragte sich Jack, jetzt nach seinem kleinen Wutausbruch wieder ruhiger. Sie kannten sich jetzt schon so lange, auf jeden Fall lange genug, und auch gut genug. Er wusste, dass er Recht hatte, haben musste. Es gab sie schließlich, diese ganz speziellen Momente, die viel zu zahlreich gewesen waren, um sie unter der Rubrik Zufall abheften zu können und um sie dann für immer im Aktenschrank der Geschichte zweier Personen wegzuschließen, gerade so, als hätten sie nie stattgefunden. Wie oft hatten sich ihre Blicke in dieser ganz besonderen Weise getroffen, während der Missionsbriefings, in den ewig langen Korridoren, bei Pflichtveranstaltungen, die sie beide gelangweilt hatten, wie oft war die Zeit dann stehen geblieben, wenn kastanienbraun auf azurblau traf?

Oder kam das nur ihm so vor? Träumte er den Traum einer Illusion? Zeichnete sein Herz nur ein rosarotes Wunschbild, übertünchte es mit leuchtenden Farben nur das triste, melancholisch stimmende Alltagsgrau der Realität? Waren diese zeitlosen Momente für sie wirklich nur Auswirkungen von Einsteins Relativitätstheorie, durch Masse verursachte Krümmungen der Raumzeit, Zeitdilatation, wie sie es wohl in einer ihrer hochwissenschaftlichen Ausschweifungen sachlich kühl nennen würde? War es das, hatte es sich etwa damit? Schluss, aus, vorbei? Jack glaubte es nicht. Er wusste, dass da etwas war! Wieso schlich sie denn sonst manchmal, nur Zentimeter von ihm entfernt, umher wie eine hungrige Katze auf der Suche nach einer Maus, die sie auf der Stelle mit Haut und Haaren verschlingen wollte? Wieso drehte sie sich denn dauernd um, stets in seine Richtung, selbst dann, wenn er warum auch immer gerade isoliert und weit an vom Schuss in einer Ecke stand? Wieso?!

Das war doch alles kein Zufall, dachte Jack. Nein, er dachte es nicht nur, er war felsenfest davon überzeugt. Mit ihm spielen, das tat sie sicherlich nicht. Der Typ Frau war sie nicht. Sie war ehrlich, offen, fair; kein männermordender Vamp, dessen einziges Ziel, koste es, was es wolle, die Eroberung möglichst vieler Herzen in möglichst kurzer Zeit war, keine schwarze Witwe, die auf dem Schlachtfeld der Liebe nur verbrannte Erde zurückließ. Nein, sie war anders, anders als alle zuvor..., eben Sam.

Jack ließ seinen Kopf in den Nacken fallen, und fuhr sich mit beiden Händen durch sein inzwischen graumeliertes Haar. Also mussten es die Regeln sein, überlegte er, während er die Zimmerdecke mit seinem starrem Blick förmlich durchbohrte. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Die verdammten Regeln waren schuld, und das Umfeld, das diese Regeln aufstellte und eine Beziehung von vorneherein nicht zuließ. Janet, die man, so wusste Jack, getrost als ihre beste Freundin bezeichnen konnte, Janet hätte geschwiegen, aber sonst? Er schüttelte den Kopf. Der Alkohol zeigte bereits Wirkung und ihm wurde schwindelig.

„Scheiß Alkohol!“

Sie hätten es niemandem erzählen dürfen, setzte er seine Argumentationskette in Gedanken fort, weil es niemand wissen durfte, und dieser Zwang zu Schweigen, die Bedingung, die Beziehung abgeschottet von der Außenwelt führen zu müssen, hätte sie erstickt wie unter einem hermetisch abdichtenden Tuch. Anstatt in Liebe, Lust und Leidenschaft zu lodern, wären die Flammen der Sehnsucht verglommen, gelöscht von der Last der Unmöglichkeit, ihr Geheimnis zu lüften. Die gemeinsame Basis, auf der eine Beziehung fußen musste, hatten sie nie gehabt. Anstatt auf einem soliden Sockel stand ihr Fundament in einem See von Treibsand, der alles verschlang und nichts mehr preisgab. Es konnte gar kein Fundament geben. Der Druck der Umwelt war einfach zu stark.

Damit Sam ihn lieben konnte, wusste er, hätte sie so vieles aufgeben müssen, weit mehr, als ihr wert war. Deshalb beließ sie es dabei, spekulierte Jack, deshalb ging sie keinen Schritt weiter. Sie begnügte sich damit, ihn täglich zu sehen, ihn mit ihrem fantastischen Lächeln anzustrahlen wie ein leuchtender Stern, eben Kontakt zu ihm zu haben, ohne wirklich Kontakt zu haben.

Jack atmete schwer aus. Er konnte an dieser ganzen paradoxen Konstellation nichts ändern, nicht ohne ihr zu schaden. Und das würde er auf keinen Fall. Sie war es, die mehr verlieren konnte, und genau deswegen musste sie auch den ersten Schritt machen. Was sie wohl nicht würde. Stattdessen würde sie alles beim Alten belassen, so wie es jetzt auch war. Lieber eine heimliche Liebe als ein völliger Verlust. Jack verstand diese Logik, hatte diese bitteren Erfahrungen, die zu solch einer Erkenntnis führten, alle an seinem eigenen Leib erlebt, litt noch immer unter den Narben der Wunden, die wie mit Glasscherben in sein Herz hineingetrieben worden waren. Lieber ein Leben in einer selbstkreierten Scheinwelt, als überhaupt kein Leben. Es war ihre Entscheidung. Falls sie diese revidieren sollte, würde er sie sofort mit offenen Armen empfangen und auf Rosen betten. Er würde ihr Leben in ein märchenhaftes Paradies verwandeln, dass Adam und Eva vor Neid die Kinnlade herunterklappen musste. Aber ganz sicher würde er sie nicht zu diesem Schritt drängen. Wenn sie soweit war, dann würde er ihr die nächsten Schritte so einfach wie möglich machen, doch nicht mehr. Er würde und er konnte einfach nichts tun, was ihr in irgendeiner Weise schaden würde. Wenn nicht, dann sah es ganz so aus, als würde er sich in der nächsten Zeit mit dem widersprüchlichen, vollkommen abstrusem Gedanken abfinden müssen, dass „seine“ Sam sich seinetwegen mit jemand anderem trösten würde. In Jacks Eingeweide zog sich alles zusammen. Eine abscheuliche Vorstellung! Aber leider wohl bald Realität...

Jack nickte ernüchtert, gerade so, als hätte er erst jetzt in vollem Ausmaß verstanden, wie aussichtslos die Vorstellung von trauter Zweisamkeit mit Sam eigentlich war. Er konnte ihr einfach nicht schaden. Dazu liebte er sie zu sehr. Sie hatte einen Großteil ihres Lebens noch vor sich, er wohl nicht mehr. Seine Karriere neigte sich dem Ende entgegen, während ihrer zwangsläufig ein kometenhafter Aufstieg bevorstand. Und deswegen würde er sich wohl oder übel mit der derzeitigen Situation abfinden müssen. Resignierend wuchtete er sich aus der Couch hoch und wankte in Richtung Schlafzimmer. Der Alkohol wirkte inzwischen schon so, wie er es wollte. Im Bett angekommen schlief er fast sofort ein. Nur ein Gedanke schob sich noch zwischen ihn und seine Träume – sie handelten von Sam – der Gedanke, dass er, wenn er einmal von all den Risiken für sie absah, dass er wohl auch kaum den Mut gehabt hätte, selbst in die Offensive zu gehen und ihr seine Gefühle zu beichten. In dieser Hinsicht war er nämlich ein ganz jämmerlicher Feigling...

... weiter: Kapitel 2 ...
Sam's Sicht by Andreas
Author's Notes:

Inhaltsangabe: Der gleiche Abend aus Sams Sicht.

Anmerkungen: Der zweite Teil von The Lost Lovers. Diesmal nicht ganz so autobiographisch. Bitte viel Feedback schreiben. Danke!
Teil 2

Es war schon spät, weit nach Mitternacht, als Sam im Hotel ankam. Bereits beim Türaufschließen bemerkte sie, dass sie etwas beduselt war, sie wusste nur nicht so genau, was dafür verantwortlich war. Die beiden Gläser köstlichen Rotweins, die sie im Laufe des Abends gebechert hatte, oder das Gefühlschaos, das in ihrem Inneren tobte wie ein Hurrikan. Wahrscheinlich wohl letzteres, schätzte sie ernüchtert.

Sam überlegte, wann alles angefangen hatte. Genaugenommen musste das wohl bei ihrer aller ersten Begegnung vor sechs Jahren gewesen sein, bei der sie ihn aufgeklärt hatte, warum sie auch als Frau durchaus in ein SG-Team hineinpasste. Doch Sam wollte keine bücherregalfüllende historische Abhandlung verfassen, sondern nur wissen, was los war. Schon damals hatte es gefunkt, nur hatte sie das lange Zeit nicht wahr haben wollen, und als es schließlich doch mehr oder weniger rauskam, wegen dieser Za’tarc Sache, da hatten sie es in beiderseitigem Einvernehmen zu verdrängen versucht. Wir kommen damit klar, oder? Sam lachte bitter.

Natürlich war das von Anfang an illusorisch gewesen, aber wer sagte denn, dass Menschen immer logisch handeln mussten? Na eben, niemand. Also auch nicht Major Samantha Carter, US Air Force. Sam schüttelte entschieden den Kopf. Ganz besonders nicht Major Samantha Carter. Nach außen hin gab sie sich zwar immer als die starke, aufgeräumte und stets logisch nüchtern agierende Frau, doch das spiegelte nicht ihr wahres Wesen wider. Das war alles nur Fassade, wie bei einer Filmkulisse für einen Western. Wenn man durch die Hauptstraße schlenderte, mochte es einem vielleicht so vorkommen, als hätten hier einst reale Menschen gelebt, aber trat man durch die Tür des Saloons, dann sah man nur karge, sonnenverbrannte, staubige Steppe.

Bei ihr war es genauso. In der Hülle des Air Force Offiziers, der beinahe täglich dem Tod furchtlos ins Auge blickte, und ihm mit einer Leichtigkeit von der Schippe sprang wie ein Stabhochspringer über einen Maulwurfshügel, versteckte sich ein schüchterner, unsicherer und verletzlicher Mensch. Das war die eigentliche Sam, die aber nur dann zu Vorschein kam, wenn der BDU, die schusssichere Weste und ihre Dienstwaffe(n) weit, weit weg waren. Das war die Sam, die sich nichts sehnlicher wünschte als jemanden, der sie einfach als normale Frau respektierte, schätzte, bewunderte, und nicht nur dafür, dass sie an Naquadereaktoren herumschrauben konnte wie andere an dem Vergaser eines Mofas. Jemand, der sie einfach nur in seine Arme schloss, ohne dass es dafür einen besonderen Grund geben musste. Jemand, der ihr das Gefühl gab, dass sie als Person wichtiger war als die Arbeit, die sie verrichtete...

Sam atmete bedrückt aus, sodass ihr als Ergebnis ein langer, schwermütiger Seufzer entwich. Plötzlich kam es ihr so vor als zögen sich die Wände des Zimmers zusammen wie eine Schlinge, die sich um ihren Hals gelegt hatte. Eine beklemmende Enge machte sich in ihr breit, Sam wurde schwindelig. Sie rannte in das Bad, spritzte sich kühles Wasser ins Gesicht und atmete tief durch. Ihr Herz hämmerte, Blut schoss durch ihre Adern wie reißende Sturzbäche...

Schon wieder so ein Anfall.
Sam fragte sich, der wievielte es gewesen war in den letzten Monaten. Der zehnte? Fünfzehnte? Zwanzigste?! Sie hatte nicht mitgezählt. Sie wusste auch nicht, durch was sie verursacht wurden. Sie konnte nur spekulieren. Stress, Überlastung, ständige Anspannung? Oder vielleicht doch nur die Sehnsucht nach Jack? Das ständige Ankämpfen gegen das Meer ihrer Gefühle? Lange Zeit hatten die Deiche ihres Verstandes die tosenden Wogen zurückgehalten, doch nun begannen sie porös und durchlässig zu werden für das Verlangen ihres Herzens, konnten der mit unverminderter Stärke anrollenden Springflut allmählich keinen Widerstand mehr entgegensetzen. Jeder Augenblick, in dem er sich in ihrer Nähe aufhielt, war ein weiterer Tropfen, der zu der Unterspülung ihrer Prinzipien beitrug, der sie weiter an den Rande des Wahnsinns trieb. Und womöglich darüber hinaus...
Gut, dass wir gerade Urlaub haben, dachte sie, wusste aber zugleich, dass gar nichts gut war. In diesem Zustand war sie weder diensttauglich noch zu irgendetwas sonst zu gebrauchen, höchstens als Testperson für bunte Pillen von Psychopharmaka...

Erneut klatschte sie sich eiskaltes Wasser ins Gesicht, und erneut war die Wirkung nicht so stark wie sie gehofft hatte. Sie musste sich dringend beruhigen, sich entspannen, das war ihr klar, doch nur wie, fragte sie sich selbstquälerisch. Wie?! Keine zehn Meter entfernt schlief ihr Colonel, Jack, der Mann, den sie mochte... liebte... Ihre Gedanken stockten, als sie auf das Undenkbare hinausliefen... Verdammt, gebe es endlich zu!!, schrie sie sich innerlich an.
Im Zimmer nebenan schlief der unerreichbar ferne Mann, den sie so glühend begehrte.
Sam schlug mit beiden Fäusten in den hoch aufgestauten See im Waschbecken, dass Fontänen nach allen Seiten hin wegsprangen. Der größte Teil des Wasserschwalles durchnässte ihr Top, vieles schwappte prasselnd auf den marmorgefliesten Boden. Etwas Wasser war auf dem Spiegel gelandet, und rann nun in schlierenziehenden Bächen zurück in das Becken. Die Sam auf dem Spiegel weinte. Die richtige konnte nicht.

Zumindest hatte sie es sich jetzt selbst eingestanden. Sie liebte Jack O’Neill, so inbrünstig und verzehrend, wie sie noch keinen Mann zuvor geliebt hatte. Gefühlt hatte sie es schon jahrelang, doch jedes Mal, wenn sie die drei magischen Worte nur denken wollte, hatte ihr Verstand sie rigoros abgeblockt und diese Frequenz mit irgendwelchem Gedankenmüll überlagert, sodass nur noch verzerrtes atmosphärisches Rauschen übriggeblieben war. Jetzt war es immerhin raus. Für sie. Erzählen wollte und konnte sie es niemandem.

„Oh mein Gott, was hab ich getan?“, entfuhr es ihr kurze Zeit später. In Gedanken ließ sie den Abend Revue passieren. Die drei Italiener, sie, und sein enttäuschter Blick. Was hab ich getan?!“
In Sam kochten die Emotionen eines eigentlich ganz heiteren Abends hoch, die sie jetzt aber in ein Tal tiefer Melancholie stürzten. Sam begann zu schluchzen. Was hab ich bloß getan
? Sir rannte aus dem Bad und zu dem Radio. Als sie dort fetziger Rock begrüßte, was sie unter anderen Umständen wohl gelassen hätte, wechselte sie sofort das Programm, bis die Songs in etwa ihrem tiefschwarzen Gemütszustand entsprachen. Danach schlurfte sie zurück ins Badezimmer und ließ heißes Wasser in die verwaist anmutende Wanne laufen. Das brauchte sie jetzt, ein heißes, aufmunterndes Bad, das ihre Probleme von ihr abfallen ließ, auflöste und sie später mit fort nahm in die dunklen Röhren der Kanalisation, dorthin, wo sie hingehörten.

Sam griff zu einer Flasche Badezusatz und schraubte den Deckel ab. Der Duft von Rosen strömte aus der Flasche und fand seinen Weg in ihre Nase. Es roch angenehm, beruhigend, und Sam goss einen ganzen Schwall von der milchigen Lotion mit dem lila Schimmer in das klare Wasser. Das Gemisch sprudelte erst wenig, dann immer schneller werdend auf und zauberte eine Gebirgslandschaft auf die Wasseroberfläche, die aussah, als hätte feiner Schnee die Kuppen in ein malerisches Weiß getaucht. Dabei war das nur Schaum, nur ein Gemisch aus Luft, Wasser und Seife, erinnerte sich Sam, die sich schon wieder ein klitzekleines bisschen besser fühlte, wenn auch nicht viel.

Etwas später hatte sie sich ihre Kleider vom Leib gestreift und sie einfach achtlos fallen lassen, wo sie sich voll sogen mit dem Wasser, das den Boden vor dem Waschbecken in eine glitschige Pfützenlandschaft verwandelt hatte. Dann stieg sie mit dem rechten Bein zuerst in die Wanne. Sofort spürte sie, wie die Wärme des heißen Wassers an ihrem Schenkel nach oben kroch und sich in ihrem ganzen Körper auszubreiten begann. Schell zog sie das andere Bein nach und senkte genießerisch ihren ganzen Körper in die nach Rosen duftende Flüssigkeit in der Wanne. Eine wohlige Wonne umarmte sie, als sie bis zum Hals in das Wasser hinabglitt, und die schimmernden Schaumbläschen leise knisternd auf ihrer Haut zerplatzten.

Die berauschende Wirkung hielt nicht lange an. Es war schließlich nur eine Wanne voll von Wasser, mit dem sie sich zu trösten versuchte. Billiges Leitungswasser mit Badezusatz, das jetzt ihren einsamen Körper und ihre noch viel einsamere Seele verwöhnen sollte. Verwöhnen, was war das schon. Das Wort kannte sie doch nur in Verbindung mit Schokolade und Eiscreme...

Und überhaupt war das alles hier doch nur ein billiger Abklatsch dessen, was sie sich so sehnlichst herbeiwünschte. Die Wärme des Wassers konnte sich nicht entfernt mit der Körperwärme von Jack O’Neill messen. Das Wasser konnte sie vielleicht streicheln, aber nur eine einzige Berührung von Jack konnte so viel mehr in ihr entfachen. Von dem Rosenduft ganz zu schweigen. Was war der schon im Vergleich zu dem Geruch eines geliebten Menschen, in dessen Armen man tagein tagaus aufwachte und einschlief, im Vergleich zu dem prickelnden-herben, unermesslich erotischem Schweißgeruch, den man ekstatisch in sich einsog, während man sich stöhnend liebte.

Ein dicker Klos machte sich in ihrem Hals breit, während sie mit geschlossenen Augen darüber sinnierte, was sie alles verpasste. Was hatte sie schon von ihrem Leben? Was denn? Freunde hatte sie genau vier, eine Ärztin, einen fremdsprachenbegeisterten Ägyptologen, einen hünenhaften Außerirdischen, der ähnlich viel sprach wie ein Mönch mit Schweigegebot, und einen Vorgesetzten, den sie heimlich liebte, aber nicht lieben durfte. Ihre Mutter war tot, mit ihrem Bruder hatte sie kaum Kontakt und ihr Vater war zumeist Tausende von Lichtjahren entfernt. Eine eigene Familie hatte sie nicht. Das einzige, was ihr blieb, war ihre Job, der zwar aufregend und alles andere als gewöhnlich war, für den sie aber auch tagtäglich ihren Kopf riskierte.
Sam fragte sich, ob sie damit zufrieden war, geschweige denn glücklich. Die Antwort kam schnell: Eindeutig nicht!

Und sie war nicht nur bloß nicht zufrieden, eigentlich war sie sogar stark unzufrieden. Im Laufe der Jahre hatte sie sich immer mehr zurückgezogen von der Außenwelt und war abgetaucht, tief hinunter in den Fels des Cheyenne Mountain, wo sie sich unter Abermillionen Tonnen von Gestein sicher fühlte. Dort unten wusste sie genau, was sie zu tun hatte, dort unten reagierte sie in jeder Situation richtig, und wenn sie sich doch unsicher war, dann gab es für fast alles ein genau festgelegtes Verhaltensprotokoll, nach dem sie immer handeln konnte. Dabei lief sie eigentlich nur vor ihren Problemen im richtigen Leben weg...

Manchmal wünschte sie sich, sie wäre einfach ein ganz normaler Spießer. Sie hätte einen netten Mann, einen braven Hund, kleine Kinder und ein Haus mit einem weiß eingezäunten Vorgarten, in dem sie alle zusammen im Sommer grillen konnten. Doch zu so was war sie nicht fähig. Ihre Beziehungen hatten nie sehr lange gehalten, sodass sie den Großteil ihres Lebens als frustrierter Single verbracht hatte – so wie jetzt - für einen Hund hatte sie keine Zeit, für Kinder keinen Mann, und einsam und alleine ohne Aussicht auf bessere Zeiten ein idyllisches Traumhaus zu bewohnen, das war wohl das schlimmste, was sie sich vorstellen konnte.

Sam seufzte tief. Ihr Leben war einfach scheiße. Und sie wurde immer und überall daran erinnert. War sie im SGC, dann sah sie andauernd Jack, hatte sie sich aus dem dunklen Loch mal an die Oberfläche gewagt und sich ausnahmsweise beim ersten Lichtstrahl, der sie kitzelte, nicht gleich wieder in ihrem Labor verkrochen, dann erinnerte sie alles „da draußen“ daran, was sie so vermisste. Es tat ihr fast schon körperlich weh, wenn sie andere Menschen ausgelassen miteinander turteln sah, wenn sie zufällig mitbekam, wie sich ein bis über beide Ohren verliebtes Paar gerade weltvergessen küsste, oder einfach nur innig umarmte. Alle strahlten sie an wie Honigkuchenpferde, alle waren sie so voller Elan, und alle genossen ihr Glück in vollen Zügen, das sie umgab wie die Lufthülle einen Planeten. Während die vor lauter Beschwingtheit beim Laufen über den Asphalt schwebten, oder den federnden Gang der Liebe gingen, kamen Sam ihre eigenen Schritte so schwerfällig vor wie das Trampeln eines Rhinozeros...

Sie gönnte es ihnen ja. Sam gönnte ihnen ihr Glück ja wirklich. Nur wollte sie es auch mal erleben, wollte auch mal geküsst, gestreichelt, in den Arm genommen werden. Und zwar nicht nur zu Weihnachten und ihrem Geburtstag. Ihr Geburtstag ließ sie eh nur wieder ein Jahr älter werden, ein weiteres verschwendetes Jahr, in dem sich rein gar nichts verändert hatte. Ihr Leben war wie das einer Nonne, nur dass sie sich nicht Gott, sondern ihrem Job verschrieben hatte. Und sie trug eine etwas andere Uniform...

Im Radio begann ein neues Lied, ein italienisches. Sam war froh darüber, nichts zu verstehen. Das war auch egal, die Stimmung kam auch so gut genug herüber. Die Melodie dümpelte schwermütig vor sich hin, ganz so wie sich Sam fühlte. Nämlich miserabel. Immer wieder ertönte der melancholische Refrain, den sie zwar ebenfalls nicht verstand, dafür aber immer wieder das Stakkato der beiden Worte, um das der ganze Song herumgeschrieben zu sein worden schien. Immer wieder hämmerte eine traurige Stimme MG-artig Maledetta Primavera, und das verstand sie auch mit ihren verblichenen Lateinkenntnissen nur zu gut. Scheiß Frühling! Wie recht die Stimme nur hatte!

Wieder erinnerte Sam sich daran, was sie heute, oder besser gestern Abend getan hatte. Die drei Italiener, mit denen sie quasi um die Häuser gezogen war. Und Jacks Blick. Die braunen Augen, die so voller Traurigkeit waren, die sie aber nicht von ihrem Vorhaben hatten abhalten können. Wieso nicht?! Warum hatte sie mitgehen müssen?! Was hatte sie sich erhofft? Sie hatte keine Ahnung. Es war einfach ... geschehen. Sie war einfach aufgestanden und hatte es getan. Ohne nachzudenken. Spontan. Das war alles gewesen.

Inzwischen wusste sie, dass sie einen riesengroßen Fehler begangen hatte, dass sie es sich wahrscheinlich mit dem einzigen Mann verscherzt hatte, der die massive Gewitterfront über ihrem Kopf verscheuchen und ein sonniges Hoch zum Dauerzustand werden lassen konnte. Der einzige, der ihrem trostlosen Leben wieder Sinn einhauchen konnte, und sei es nur durch einen zärtlichen Kuss. Sam spürte, wie ihr Körper alleine bei der Vorstellung daran zu kribbeln begann. Wie in ihrem Nacken eine Gänsehaut entstand, die in sanften Wellen und noch sanfteren Ausläufern bis über ihren ganzen Rücken rollte.

Oh, wie sie sich nach im verzehrte! Ihr Verlangen war wie Säure, die sie von innen aufzufressen drohte, wenn sie nicht bald bekam, was sie wollte. Sie hielt es einfach nicht mehr aus, ihn nur in ihrer Vorstellung fühlen zu können, sondern wollte seine Liebkosungen tatsächlich spüren. Wollte wissen, wie es sich anfühlte, wenn er mit seinem Mund und seinen Händen auf Wanderschaft ging und sie überall dort berührte, wo sie schon jetzt, alleine bei dem Gedanken daran erschauderte. In ihr kam eine Begierde auf, die sie von sich gar nicht gekannt hatte. Sie gierte nach ihm wie ein Kobold nach Gold. Sam spürte, wie sie immer unruhiger, immer rastloser wurde, und ihre Atemzüge schneller und flacher gingen. Sie konnte nicht mehr warten, jetzt nicht mehr. Genug ist genug! Jetzt würde sie endlich handeln!

Sam sprang aus dem Wasser, trocknete sich notdürftig ab und schlüpfte in ihren Bademantel. Sie knöpfte ihn zu, atmete tief durch und verließ ihr Zimmer. Nach wenigen Schritten stand sie vor O’Neills Tür. Sie zögerte. Immer wieder wollte sie den finalen Schritt machen, klopfen, doch immer wieder fehlte ihr die letzte Konsequenz. Sie war innerlich zerrissen. Geradezu schizophren. Wieder einmal. Ihr Herz gegen ihren Verstand. Das Herz war fest entschlossen, doch der Verstand entzog ihm die Kontrolle über ihren Körper. In ihr bekriegten sich zwei gleichwertige Parteien, die beide die Strategien des Gegners kannten. Es konnte keinen Sieger geben.

Nach einer Zeit des Zauderns kehrte sie tiefbetrübt um, zurück in ihr Zimmer. Sie fühlte sich alleine gelassen, und das von ihrem eigenen Verstand, von ihrer eigenen Courage. Die Frau Samantha Carter hatte wieder einmal versagt. War wieder einmal nicht mutig genug gewesen, sondern ein ganz feiger Angsthase. Der Offizier konnte hier nicht einschreiten. Diese Sache hier konnte einzig und alleine die Frau regeln. Und die zerbrach an der ihr unlösbar erscheinenden Aufgabe wie ein Stückchen Kreide...

Doch dann nahm sie all ihren Mut zusammen. Mit einem letzten Aufraffen durchstöberte Sam die Wohnung nach einem Fetzen Papier. Als sie endlich einen gefunden hatte, kritzelte sie mit zitternden Händen das Wort Sorry darauf. Zu mehr war sie nicht fähig. Ein zweites Mal schlich sie aus ihrer Wohnung, und erneut stand sie zögernd vor seiner Tür. Aber diesmal war sie stärker. Mit einem Ruck bückte sie sich und schob das Papier unter der Tür durch, noch bevor sich ihr Verstand eines besseren besinnen konnte. Dann kehrte sie in ihre Wohnung zurück und ließ ihren Tränen freien Lauf...

ENDE
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