Michelle by Caro
Summary: Jack begegnet einer Frau mit vielen Geheimnissen…
Categories: Stargate SG-1 Characters: Jack O’Neill (SG-1), Own Character
Genre: General
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 2633 Read: 2527 Published: 15.03.12 Updated: 15.03.12

1. Kapitel 1 by Caro

Kapitel 1 by Caro
Michelle


Kapitel 1

Die braungoldenen Baumkronen der majestätischen Bäume wiegten sich sanft im Wind. Einige Windstöße wirbelten braunes Laub umher und die Sonne tauchte das herbstliche Bild in einen zarten Orangeton. Die Bäume grenzten an einige Hügel und Grasflächen, auf denen Gräber angelegt waren. Ein Mann in einer schwarzen Lederjacke durchquerte die Reihen. Colonel Jack O`Neill, AirForce. Er musste beinahe schmunzeln beim Gedanken daran wie hochtrabend diese Worte klangen. Jack versuchte verzweifelt, seine Gedanken zu ordnen und möglichst gelassen zu wirken. Es gelang ihm nicht. Nicht an diesem Ort. Er hatte seinen Blick starr auf den Rasen gerichtet und hielt erst vor einem kleinen, schlichten Grab. Er kniete nieder und berührte den kalten, glatten Marmor des Grabsteins. „Charly.“ Seine Stimme klang sanft, zitterte. Wie lang war er schon nicht mehr hier gewesen? Wie lang hatte er nicht mehr an seine Vergangenheit gedacht...
„Es ist traurig, nicht wahr?“ Er erschrak fast, als er eine Frauenstimme hörte. Er stand zögernd auf und blickte sich um. Er sah eine junge Frau in einer Latzhose, die auf einem Grab ganz in seiner Nähe Rosen pflanzte. Sie lächelte ihm zu. „Es ist traurig, nicht?“ Wiederholte sie und wischte sich mit einer Hand die Stirn ab. Jack sah sie nur verständnislos an. Wovon redete diese Frau? Doch ehe er etwas sagen konnte, war auch sie aufgestanden und deutete auf die umliegenden Gräber. „ Ich meine dieses Grau.“ Erklärte sie. „Überall nur tristes, trauriges Grau und kalter Stein. Es ist so trostlos. Die Rosen strahlen beinahe Wärme aus.“ Sie berührte eines der rubinroten Blütenblätter. „Sie sind kleine Quellen der Freude.“ Jack war sprachlos. Irritiert starrte er sie noch immer an. Er versuchte, sie einzuschätzen. Sie war groß und hatte langes, kastanienbraunes Haar, das ihr in dunklen Strähnen ins Gesicht fiel. Sie hatte eine gute Figur und war zwar nicht wirklich schön, doch etwas in ihren Augen und ihrem ganzen Wesen war geheimnisvoll und fesselnd zugleich. Sie ging auf Jack zu und hielt ihm ihre Hand entgegen. „Michelle.“ Sagte sie und strahlte ihn an. Er konnte nicht genau sagen, was ihn dazu bewegte, doch er gab ihr instinktiv die Hand und erwiderte: „Jack.“



Einige Zeit später schlenderten beide um den Friedhof und redeten. Eigentlich redete Michelle die ganze Zeit, während Jack ihr nur aufmerksam zuhörte und hin und wieder einsilbig antwortete. Es schien sie nicht zu stören und so plauderte sie voller Enthusiasmus weiter. In ihrer begeisterten, ja, ein wenig kindlichen Art, erinnerte sie ihn ein wenig an Sam. Sam war fähig, sich für jede winzige Entdeckung und Tatsache zu begeistern und übte ihren Beruf mit einer Leidenschaft aus, die ihm nie zuvor bei einem Menschen begegnet war. Während er so in Gedanken von Sam schwelgte, fiel ihm nicht auf, dass Michelle aufgehört hatte, zu reden. Sie blickte ihn aus ihren unergründlichen, bernsteinfarbenen Augen an und bemerkte dann: „Du musst sie mögen, wenn du so oft an sie denkst.“ Bei diesen Worten fiel Jack aus allen Wolken. Er wandte sich zu Michelle um und wollte gerade etwas erwidern, da... war sie spurlos verschwunden. Er drehte sich um und blickte in allen Richtungen der Anlage. Nichts. Er warf einen Blick zur naheliegenden Kirche und den anderen Grabreihen. Nichts. Verwirrt fasste er sich an die Stirn. Wie konnte sie so schnell verschwunden sein? Hatte er das etwa alles nur geträumt? Tausende Fragen wirbelten durch seinen Kopf, und so bemerkte er kaum, dass das tiefsitzende Gefühl der Trauer und die Last der unterdrückten Tränen, die ihn seit seinem Aufbruch zu Charlys Grab gequält hatten, einem Gefühl der Befreiung gewichen waren. Er hatte sich nicht gezwungen gefühlt, Michelle zuzuhören, im Gegenteil: Ihre Worte, ihre sanfte, ruhige Stimme schienen wie Balsam für sein geschundenes Herz zu sein. Auch wenn er es nicht zugeben würde: Diese Fremde hatte mühelos seinen Eispanzer zum Schmelzen gebracht und ihn in seinem unvorstellbaren Leid getröstet. Nachdenklich schloss er das große Eisentor hinter sich und blickte auf das Grab seines Sohnes zurück. „Charly.“ Diesmal zitterte seine Stimme nicht.



In den folgenden Tagen hatte Jack kaum Zeit über den Tag auf dem Friedhof nachzudenken. SG-1 steckte mitten in unendlich vielen Missionen und Aufgaben. Zu allem Überfluss gab es dann auf PX-397 unerwartet Komplikationen und SG-1 musste seinen geplanten 3-Tage Aufenthalt um beinahe 3 Wochen verlängern. Nach dieser nervenaufreibenden Zeit hatte General Hammond ein Einsehen und verschob die anstehenden Missionen um ein Wochenende. Nach langer Zeit hatte Jack nun wieder etwas Urlaub und entschied, ihn nicht mit einer Flasche Bier und einer Tüte Chips vor dem Fernseher totzuschlagen, sondern lieber zum Friedhof zu fahren. Insgeheim hoffte er, Michelle wiederzutreffen und setzte sich in seinen Wagen. Während der Fahrt fiel ihm zum ersten Mal die Landschaft ins Auge, seitdem Michelle ihn auf die herrlichen Berge und Seen aufmerksam gemacht hatte. Etwas enttäuscht erreichte er Charlys Grab. Er hatte Michelle auf dem Weg nicht gesehen, geschweige denn getroffen. Auch am Nachbargrab, auf dem sie die Rosen gepflanzt hatte, war sie nicht zu sehen. Jack seufzte leise und blieb eine Weile andächtig stehen. Er schämte sich etwas, nur wegen einer völlig fremden Frau hergekommen zu sein, von der er nur den Namen kannte. Jack blieb noch eine Weile, er setzte sich auf den steinernen Rand des Brunnens, der ganz in der Nähe angelegt war. Wieder pfiff der Wind durch die Bäume, Jack fröstelte leicht und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Am Horizont waren schwere, dunkle Wolken zu sehen und ein Unwetter schien nicht lange auf sich warten zu lassen. Eilig kehrte er zum Auto zurück, warf den Motor an und fuhr so schnell wie möglich nach Haus. Es begann zu regnen, Tropfen klatschten auf die Fenster und die Windschutzscheibe, prasselten wütend gegen seinen Wagen. Die Tropfen rannen wie schwarze Perlen an den Scheiben hinunter, auf der Straße bildeten sie Pfützen und kleine Sturzbäche. Jack fuhr durch die Dunkelheit und verwünschte sich, solange geblieben zu sein und auf diese Frau gewartet zu haben. Er hätte vor der Dämmerung zurück sein können und jetzt fuhr er während eines Wolkenbruchs durch die Berge. Wieder versank er in seinen Gedanken, etwas, was er sich früher nie erlaubt hatte. Kontrolliertes Denken, bloß keinen schwermütigen Gedanken fassen. Es tat ihm gut, all diese aufgestauten Gefühle zu verarbeiten. Während er so dahinträumte, fiel ihm nicht auf, dass er langsam aber sicher von der Spur abkam. Er hatte seit vielen Stunden nicht mehr geschlafen und spürte, wie ihn eine wohlige Wärme überkam und er sich nur fallen lassen wollte. Jacks Augenlider senkten sich, er begann wegzudösen...



„Jack! Jack!“ Eine Stimme rief ihn, weit entfernt, doch vertraut. „Michelle?“ Die Stimme wurde lauter, ihre Worte deutlicher „Jack...“ Jack schlug die Augen auf, hörte in diesem Moment das brüllende Hupen eines Wagens, blickte in gleißend helle Lichtpunkte und riss das Steuer herum. Sein Wagen schlitterte auf der nassen Straße, wirbelte herum und kam einige Meter entfernt zum Stehen. Der Lastwagen, der ihm entgegenkam, fuhr unbeschadet davon und Jacks Auto stand sicher am Rand der Straße. Jack atmete schwer, klammerte sich mit schweißnassen Händen so an seinem Steuer fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Er hatte die Augen weit aufgerissen und starrte ins Leere. Der Regen prasselte monoton auf das Dach des Wagens. Er war eingeschlafen. Aus Erschöpfung. Weil er sich kein bisschen Schlaf während der Mission gegönnt hatte. Weil seine Gedanken abgeschweift waren, hätte es ihn beinahe das Leben gekostet. Eine Stimme hatte ihn geweckt, ihn gerettet. Jack öffnete die Wagentür und trat heraus in den Regen. Er sah sich die Straße im Licht seiner Scheinwerfer an. Beide Fahrtstreifen schmal, der Rand der Straße führte direkt in ein unüberschaubares Tal. Er sah den Abhang hinunter und erblickte wenige Sekunden lang ein brennendendes Autowrack, das auf den Steinklippen des Berges zerschellte. Er schüttelte den Kopf, wie um diese Vision abzustreifen, und stieg wieder in den Wagen.



Kapitel 2

Wie hatte der General ihn nur überredet, auf diesen verdammten Empfang zu gehen? Wenn er ihm mit Folter gedroht hätte, wäre es verständlich gewesen, dass er zustimmte. Doch General Hammond hatte ihn einfach nur gefragt. Nichts weiter. Und jetzt saß er in seiner Uniform an der Bar, spülte einen Drink nach dem Anderen runter und betete, dass irgendjemand ihn hier rausholen würde. Da sich allerdings kein Beam-strahl auf sein Haupt herabsenkte und Scotti auch nirgendwo zu sehen war, entschloss er sich, etwas frische Luft zu schnappen. Er öffnete eine der Schiebetüren, die raus auf die Balkons führten und sog begierig die kühle Abendluft ein. Er blickte zum Himmel. Funkelnde Sterne, scheinbar zum Greifen nahe...“solltest du nicht drinnen sein, auf dem Empfang?“ Jack drehte sich ruckartig um. Michelle stand hinter ihm, blickte ebenfalls zu den Sternen empor, lächelte. „Du... du... was machst du hier?“ Jack blickte sie mit einer Mischung aus Freude und Neugierde an. Michelle schien die Frage überhört zu haben. Sie tänzelte am Geländer entlang, das den Balkon umgab. Sie trug nicht mehr die abgetragene Arbeitskleidung wie auf dem Friedhof, sondern hatte ein schlichtes, blaues Satinkleid an. Ihre Haare flogen wild umher und in ihren Augen schimmerte das Licht der Sterne. Jack hätte gerne etwas gesagt, etwas, dass nicht so platt und salopp klang wie seine üblichen Worte und ebenfalls nicht so kühl und unnahbar. Etwas poetisches oder einfach passendes, er wusste es selbst nicht so genau. Doch auf ihre Weise gab Michelle ihm das Gefühl, gar nichts sagen zu müssen. „Weißt du, warum diese Welt so unpersönlich und kalt geworden ist?“ Michelle stand noch immer am Geländer. Ohne jedoch Jacks Antwort abzuwarten, fuhr sie fort. „Die Menschen hören auf, an Wunder zu glauben. Sie hoffen und träumen nicht mehr.“ Er fühlte sich an ein kleines Kind erinnert, mit gutgläubigen und naiven Vorstellungen. „Gutgläubig? Naiv?“ Jack erschrak. Hatte er etwa laut gedacht? Michelle lachte, ein natürliches, fröhliches Lachen.
Dann, ohne jede Vorwarnung, schlüpfte sie aus ihren Schuhen, kletterte auf das Geländer und stellte sich gerade darauf auf. „Michelle! Nein!“ Jack verspürte den Wunsch, sie festzuhalten, vor dem Sturz zu bewahren. Er war aufgesprungen, doch ihre Selbstsicherheit ließ ihn zögern. Michelle beugte sich zu dem schmalen Geländer hinunter, umfasste es mit beiden Händen und schlug ein elegantes Rad. Sie landete mit den Füßen auf dem Boden des Balkons. Jack war erstarrt, doch Michelle lachte nur. „Auch du hast aufgehört zu träumen und zu glauben, nicht wahr? Du bist auch eingesperrt im Käfig dieser Welt, nicht wahr?“ Er konnte die Bedeutung ihrer Worte nicht erfassen, doch er erkannte, dass Michelle nie wirklich in Gefahr war. Er trat auf sie zu und murmelte: „Wenn wir aufhören, an Wunder zu glauben, werden wir blind um sie wirklich zu sehen.“ Als ihm klar wurde, was er soeben gesagt hatte, erschrak er über sich selbst. Er hatte nicht beabsichtigt, diesen Satz zu sagen, es war, als hätte ihm jemand diese Worte gegeben. Jemand...Ihm fiel plötzlich auf, dass er allein war. Allein auf einem leeren Balkon. Michelle war wieder verschwunden, doch diesmal machte er sich keine Gedanken darum, wie sie verschwunden war. Dafür war er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.



Kapitel 3

Jack erinnerte sich noch gut an die Mission, die ihn so berührt hatte. Die ihn nicht mehr losließ und alte Wunden aufriss. Er erinnerte sich an das Volk der Orbaner, die ihre Kinder benutzen, um Wissen zu erlangen und sie danach abschoben. Er erinnerte sich an das kleine Mädchen, dem er gezeigt hatte, was es wirklich bedeutete, ein Kind zu sein. Sie hatte sein Herz im Sturm erobert, etwas, was sonst kaum jemand fertig brachte. Doch sie hatte ihn auch an Charly erinnert, an seinen Sohn, und daran, wie wundervoll es war, eine Familie zu haben. Dies war wohl der Grund, warum er an jenem Tag zum ersten Mal seit langem zum Friedhof fuhr, um Charlys Grab zu sehen. Vielleicht war es für ihn ein Pflichtbesuch oder etwas in der Art- vielleicht auch der Wunsch nach Antworten. Heute konnte er es nicht mehr sagen. Doch ihm war klar, dass er all das gefunden hatte. Weil es ihm jemand gab. Michelle. Sie hatte ihn zum Nachdenken gebracht, darüber, wie trostlos sein Leben war und hatte ihm Hoffnung gegeben. Jack hätte es kaum für möglich gehalten, dass sich ihm jemand auf diese Art näherte, sogar seine Gedanken zu lesen schien. Und aus diesem Grund, aus diesem Grund, der Michelle hieß, fuhr er erneut zum Friedhof.



Als er sich der bekannten Anreihung von Gräbern näherte, sah er sie sofort: Über einige rote Rosen gebeugt, sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte wie immer. Jack stand hinter ihr und beobachtete sie. Sie stand auf und sah ihn an. „Und?“ Fragte sie. „Und?“ Wiederholte Jack mit fragendem Unterton und sah sie mit großen Augen an. „Was ist dir im Bezug auf dich klargeworden?“ Ihre Frage verunsicherte ihn. Genau das hatte er sich auf der Hinfahrt überlegt. Doch Michelle schien es bereits zu wissen. Sie sah ihn weiter an und sagte: „ Ich denke, dass jeder Mensch einen persönlichen Lebensweg hat.“ Es überraschte Jack nicht mehr, dass Michelle einfach so anfing von ihrer Lebensphilosophie zu reden. Er war gespannt, was sie sagen würde. „ Der Weg ist manchmal beschwerlich, manchmal steinig und schwer. Aber du gehst weiter. Und die Wege mancher Menschen kreuzen sich. Dann gehen sie ein Stück ihres Weges zusammen. Doch wenn sie sich trennen, ist der Weg des Einzelnen noch lang nicht zuende. Er führt weiter und weiter...“ Sie ließ ihren Blick schweifen und sah auf Charlys Grab. „ Sein Weg ist noch lang nicht zuende, Jack.“ Flüsterte sie fast. Sie nahm seine Hand, hielt sie ein paar Sekunden fest und wich dann ganz langsam ein wenig zurück. Jack wollte sie halten, wollte sie noch nicht gehen lassen, doch er wusste, das es so sein musste. Michelle drehte sich um, warf noch einen Blick zurück. Er sah ihre langen Haare und ihre leuchtenden Augen, dann verschwand sie ganz plötzlich und er blieb allein zurück.



Es war still. Es war, als hätten die Vögel aufgehört zu singen und der Wind aufgehört zu rauschen. Er war allein. Er glaubte, verstanden zu haben, was sie ihm sagen wollte, und nun ließ sie ihn allein. Wer war sie? Wie konnte sie verschwinden? Warum hatte er sie getroffen? Er würde es nie erfahren. Betrübt ging er die Grabreihen entlang, er wollte noch kurz bei Charly sein und auf einmal... auf Charlys Grab blühten Rosen, rote Rosen. Die gleichen Rosen, die Michelle auf dem Nachbargrab gepflanzt hatte. Sie hatte Recht: Die Rosen vor der kalten Steintafel wirkten warm und freundlich. Jack lächelte. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit lächelte er. Jack verließ den Friedhof durch das Eisentor und ging zu seinem Wagen. Er wusste nun, dass er nicht nur mehr Colonel O`Neill war. Er wusste, wer er wirklich war.



Hätte er sich noch einmal umgedreht, wäre er noch einmal die Grabreihe entlanggelaufen, hätte er einen Grabstein gesehen, auf einem Grab voller rubinroter Rosen:

Michelle Lewis
1958-1998



ENDE
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