Der Jungbrunnen by Hyndara71
Summary: Während in Miami eine Genetikerkonferenz stattfindet, treibt ein geheimnisvoller Killer das CSI-Team um Horacio Caine in den Wahnsinn - und auch das Auftauchen eines alten Bekannten macht dem CSI-Ermittler zu schaffen ...
Categories: Stargate Atlantis Characters: John Sheppard, Multi-Chara, Other Character
Genre: Action, Crossover, Friendship, General
Challenges: Keine
Series: Drei Fälle für drei Teams
Chapters: 16 Completed: Ja Word count: 47877 Read: 102919 Published: 19.02.12 Updated: 19.02.12

1. Das Urteil by Hyndara71

2. Unverhofftes Wiedersehen by Hyndara71

3. Abendliche Impressionen by Hyndara71

4. "Onkel Devitot" by Hyndara71

5. Begegnungen by Hyndara71

6. Das Angebot by Hyndara71

7. Mikes Entschluß by Hyndara71

8. Der Streit by Hyndara71

9. Eine folgenschwere Verwechslung by Hyndara71

10. Seltsame Spuren by Hyndara71

11. Die Fremde aus Zimmer 113 by Hyndara71

12. Die Verfolgungsjagd by Hyndara71

13. Mitgeflogen, mitgefangen by Hyndara71

14. Vashtus Falle by Hyndara71

15. Die unbequeme Wahrheit by Hyndara71

16. Und am Ende siegt die Frechheit by Hyndara71

Das Urteil by Hyndara71
Disclaimer: Stargate SG-1 und Stargate: Atlantis gehören dem ScyFy-Channel, MGM und keine Ahnung wem noch alles. CSI: Miami gehört CBS, Jerry Bruckheimer Productions und noch einer Menge Leute mehr. Diese Fanfiction wurde aus Spaß geschrieben.

Zeitleiste: Für Stargate: Atlantis dürfte diese Fanfiction innerhalb einer nun leider nicht mehr kommenden 10. Staffel spielen. Demzufolge CSI: Miami in der 12. Season.

Zeitungsmeldung der Miami Daily Post:
Erneuter Leichenfund


Der Strand von Miami Beach wird zum Friedhof eines Serienkillers

„Das Dutzend ist voll" titulierte der zuständige Kriminalbeamte den grausigen Fund. Ein Jogger war beim Training auf das flache Grab aufmerksam geworden und hatte die inzwischen zwölfte weibliche Leiche gefunden, die der Beach Killer hinterlassen hat. Die Identifizierung erfolgte wie immer schnell von Seiten der Polizei, die Familie besteht jedoch auf Geheimhaltung.

Seit ebensovielen Wochen hält der Beach Killer nun die Polizei in Atem und wie zu Beginn der Serie scheint es immer noch keine klaren Hinweise zu geben. Man setzt noch immer auf Augenzeugen. Währenddessen jedoch verstärkt sich die Panik unter der Bevölkerung.

Junge Frauen zwischen 25 bis 35 seien das vornehmliche Ziel des Serientäters, so ließ der Polizeipräsident von Miami verlauten. Alle zwölf Opfer seien blond gewesen. Groß und schlank, unverheiratet und in offiziell keiner bekannten Beziehung. Möglicherweise spiele der Mörder ihnen sexuelles Interesse vor, so lautet die vorläufige Vermutung der Polizei. Da alle Opfer rege am gesellschaften Leben in ihrer Umgebung teilnahmen, haben sie ihren Mörder vielleicht während einer Feier oder in einem Club kennengelernt.

Für sachdienliche Hinweise steht auch weiterhin das kostenlose Servicetelefon der Miami-Dade-Police zur Verfügung."


Jason Montgomery blickte müde von seiner Zeitung auf, als er Schritte hörte, die auf ihn zukamen. Der Gerichtsdiener faltete das Papier laut raschelnd zusammen, ehe er sich erhob.
„Ist Richter Holmes immer noch in der Sitzung?" fragte der Neuankömmling, Clayton Fowler, seineszeichens einer der drei Hausmeister des Gerichtes.
Montgomery nickte, sah dann auf seine Uhr hinunter.
Undeutliche Stimmen drangen durch die geschlossene Tür zum kleinen Verhandlungsraum, in dem sich wohl gerade die Köpfe heiß geredet wurden.
„Ich muß da rein wegen der Leitungen", sagte Fowler. „Kannst du vielleicht kurz ... ?"
Montgomery seufzte. Raschelnd landete seine Zeitung auf dem Stuhl, er selbst trat an die Tür und klopfte leise. Dann wartete er nicht, sondern öffnete die Tür einen Spaltbreit, gerade weit genug, daß er seinen Kopf hineinstecken konnte in den Raum.
„... benehmen sich unmöglich!"
„Mr. Montgomery?" Richter Holmes war sofort auf die Bewegung aufmerksam geworden und sah ihn aufmerksam an.
Montgomerys Blick glitt kurz über die Gesichter der anderen vier Anwesenden: die beiden Anwälte der streitenden Parteien, einen dunkelhaarigen und sonnengebräunten Mann mit kaltem Blick und dem rothaarigen Leiter der Tatortermittlungen, kurz CSI genannt, Horacio Caine, der ihm nun einen langen, halb gelangweilten, halb erzürnten Blick zuwarf.
„Fowler muß an die Leitungen, Richter", meldete Montgomery endlich.
Holmes seufzte tonlos und sah die beiden streitenden Parteien sehr beredt an. Dann schüttelte er den Kopf. „Er soll besser morgen wiederkommen", entschied er, beobachtete, wie der Gerichtsdiener die Tür wieder schloß und lehnte sich in seinen Sessel zurück.
Der kleine Verhandlungsraum, auch gern richterliches Hinterzimmer genannt, hätte einem alten Schwarz-Weiß-Film alle Ehre gemacht und war einer der wenigen Räume des Bezirksgerichtes Südflorida, der noch nicht modernisiert worden war. Die Wände waren holzvertäfelt, an einer Seite zogen sich lange Regalreihen vom Boden bis zur Decke. Der Boden bestand noch aus wertvollem Parkett. Selbst die Möbel schienen direkt aus Streifen wie „Die zwölf Geschworenen" zu stammen. Der Tisch war zwar leicht zerkratzt, wurde aber immer noch täglich von der Putzkolonne auf Hochglanz poliert, die dazugehörigen Sessel waren gepolstert und mit brüchigem, braunen Leder überzogen.
Holmes mochte diesen Raum, darum hatte er sich auch der „Kleinklagen" angenommen, wie er sie im Moment verhandelte.
Der Kläger, ein gewisser Mike Sheridan, hatte Anzeige gegen den Polizisten Horacio Caine erstattet und dann Klage erhoben. Der Fall war eigentlich klar, wenn da nicht das Ausbleiben der einzigen Zeugin und Lebensgefährtin von Sheridan gewesen wäre, auf die sie noch immer warteten.
„Euer Ehren", wandte der Kläger sich in diesem Moment wieder an ihn und beugte sich vor.
Eigentlich sah Sheridan für einen Mann mit seiner Geschichte recht gut aus. Seine Haut war sonnengebräunt und ebenmäßig. Erste winzige Falten lagen um seine Augen, die allerdings immer wieder kalt zu schimmern schienen. Das dunkle Haar trug der Mann in einer recht modisch erscheinenden Frisur, den Pony aus dem Gesicht gegelt, das Haupthaar, dessen er sich wohl ebenfalls angenommen hatte, allerdings hatte sich aus der erzwungenen Form zum Teil wieder befreit und stand nach oben ab.
Sheridan war schlank, sehnig und recht groß. Vom ersten Anblick ein recht angenehmer Zeitgenosse ... wenn da nicht seine Akte gewesen wäre.
Holmes seufzte wieder und beugte sich vor. „Mr. Sheridan, mir ist klar, daß Ihnen das Vorgehen der Polizei nicht immer einleuchtet. Dennoch aber steht außer Frage, daß Sie straffällig geworden sind, ob nun mit Vorsatz oder durch unglückliche Umstände. Es tut mir leid, aber Sie werden sich auch weiterhin damit abfinden müssen, daß die Polizei bei gewissen Delikten als erstes bei Ihnen nachfragt."
„Bei gewissen Delikten, aber nicht wegen jedes Strafzettels!" entgegnete Sheridan prompt.
Und da mußte Holmes ihm recht geben. Seit der Kläger vor knapp zwei Jahren aus seiner mehrjährigen Haft wegen Brandstiftung entlassen worden war, häuften sich die Eintragungen in seine polizeiliche Akte geradezu. Jede noch so kleine Lapalie wurde offensichtlich bis zum bitteren Ende verfolgt und Sheridan und seine Lebensgefährtin rund um die Uhr überwacht.
„Nun ..." Holmes wandte sich der Gegenseite zu. „Lieutenant Caine, was sagen Sie zu den Vorwürfen, die gegen Sie erhoben werden?"
Der Polizist und Tatortermittler starrte nur weiter Sheridan an, hob dann unvermittelt den Kopf. Irgendwie hatte diese Geste etwas von einem Raubvogel, der seine Beute anvisiert.
„Fragen Sie unseren guten Mr. Sheridan doch einmal, wo genau seine Lebensgefährtin sich denn wohl gerade in diesem Moment aufhalten könnte? Vielleicht weiß er ja wider Erwarten doch eine Antwort. Immerhin ging es gestern abend wieder hoch her im Hause Sheridan/Bryant."
Der Kläger lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. „Ich schlage Julie nicht mehr, ich schlage gar keine Frauen mehr. Ich habe jetzt bereits dreimal ein Aggressionstraining absolviert und mein Therapeut ist der Meinung, ich sei so gut wie geheilt."
„Ein Frauenschläger wird nicht geheilt, er wird höchstens zum Frauenmörder", entgegnete Caine sofort.
In Sheridans Gesicht zuckte kein Muskel, er starrte weiter über den Tisch zu dem Polizisten hinüber.
Holmes schüttelte den Kopf und schlug die zweite Akte auf, die von Caine.
Auch der hatte sich in den letzten Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das CSI-Labor, das er leitete, war mehrfach aufgrund verfälschter oder verschwundener Beweismittel aufgefallen, sein Mitarbeiterstab war mehr als bockig, wenn auch offensichtlich mit die besten ihres Faches. Caine selbst ... Nun, er war herrisch, selbstgerecht und dickköpfig, aber jeder einzelne seiner Mannschaft würde für ihn durchs Feuer gehen. Er neigte dazu, vorschnell eine Meinung zu fassen und einseitig zu ermitteln. Laut seiner Vorgesetzten grenzte es oft genug an ein Wunder, daß nicht Unschuldige verurteilt wurden. Nach dem Tod seiner Ehefrau hatte er sich sogar kurzfristig nach Südamerika abgesetzt und war der Polizei von Rio de Janero alles andere als in guter Erinnerung.
Auf Sheridan schien Caine sich bereits vor Jahren eingeschossen zu haben. Und Sheridan war einer der wenigen, die nach ihrer Haftentlassung nicht den Staat Florida verlassen hatten, sondern zumindest versuchte, sein Leben wieder aufzunehmen. Da allerdings war er wohl mit Caine in Konflikt geraten, der den anderen nicht mehr in seiner Nähe, nicht einmal in der Nähe Miamis, duldete. Für jedes Verbrechen, das Caine untersuchte und für das er zunächst keinen Vedächtigen vorweisen konnte, wurde Sheridan verhört, jeder Schritt des Mannes schien genauestens von Caine und seinen Leuten überwacht zu werden. Auf diese Weise hatte der Kläger inzwischen mehrere Jobs verloren. Kein Wunder also, wenn er sich keinen anderen Rat mehr wußte als diese Unterlassungsklage.
Holmes wog die beiden Seiten gegeneinander ab.
Sicher, es gab Hinweise auf häusliche Gewalt in Sheridans Umfeld. Andererseits hatte seine langjährige Lebensgefährtin Julie Bryant noch nie Anzeige erstattet. In den letzten Monaten, nachdem Sheridan das letzte Mal ein Aggressionstraining absolviert hatte, war nicht eine Verletzung mehr protokolliert worden, nicht einmal ein Schnitt in den Finger.
Auf der anderen Seite stand da Caine, der es offensichtlich auf den Mann abgesehen hatte, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht war er wirklich um das Wohlergehen von Julie Bryant besorgt, vielleicht wollte er den anderen auch wirklich nur aus seinem Umkreis vertreiben. Eines jedoch war klar, Caine hatte es übertrieben. Frauenprügler oder nicht, auch ein Mike Sheridan hatte Anrecht auf seine Privatsphäre.
„Da Miss Bryant wohl doch nicht mehr kommen wird, werde ich meine Entscheidung schon jetzt und hier treffen", entschied Holmes endlich und blickte wieder auf.
Während er nachgedacht hatte, hatten die beiden Kampfhunde wieder versucht sich zu zerfleischen, ging ihm auf. Immer die gleichen Vorwürfe - auf beiden Seiten! Und die einzige Person, die offensichtlich den Streit lösen konnte, war wohl verhindert oder kam aus einem anderen Grund nicht. Und Holmes wollte, wenn er ehrlich war, diesen Fall endlich zu den Akten legen.
„Mr. Sheridan, Sie haben hier dargelegt, daß es Ihnen momentan unmöglich ist, ein normales Leben zu führen. Ein Umstand, bei dem ich Ihnen allerdings angesichts der Tatsache beipflichten kann, was ich in Ihrer Akte lese. Sie konnten ferner belegen, daß Sie sich bemühen, die Aggressionen, die Sie Ihrer Lebensgefährtin gegenüber gezeigt haben in der Vergangenheit, abzubauen und als nutzbringende Energie einzusetzen. Leider konnten wir Miss Bryant dazu nicht vernehmen."
„Hören Sie, Euer Ehren, Julie wollte kommen, ich habe ja beim Frühstück noch mit ihr gesprochen. Nur ist ihre berufliche Situation im Moment etwas schwierig. Ich denke, man hat wieder einmal nicht an diesen Termin gedacht."
Holmes nickte.
Es klang ehrlich und besorgt, und das war alles, was im Moment zählte. Julie Bryant war im Moment die einzige, die im gemeinsamen Haushalt Geld verdiente. Kein Wunder, daß sie selbst einen Gerichtstermin schwänzte, wenn sie arbeiten mußte.
Sheridan lächelte, und es wirkte tatsächlich ehrlich. Die Kälte war aus seinen Augen verschwunden. „Wissen Sie, wir wollen nächsten Monat heiraten."
Holmes nickte.
Entweder Sheridan war der beste Schauspieler, den er je erlebt hatte, oder er sagte die Wahrheit. Und im Moment war er wirklich geneigt, dem Mann zu glauben.
„Lieutenant Caine ..." Holmes sah wieder auf und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, aber Sie lassen mir keine andere Wahl. Wenn ich mir Ihre Akte ansehe, sehe ich alles andere als eine Besserung Ihrer Umstände. Im Gegenteil scheinen Sie mit einer der Gründe für die Probleme von Mr. Sheridan zu sein. Das kann ich aufgrund der Tatsache, daß der Kläger seit seiner Haftentlassung nicht mehr straffällig geworden ist, nicht einfach vom Tisch kehren. Im Gegenteil sollten Sie vielleicht einmal über sich und Ihre Methoden nachdenken, Lieutenant. Wir sind nicht mehr im Wilden Westen und Sie sind auch nicht der einsame Gesetzeshüter, der seine Stadt vor den Bösewichtern schützen muß. In diesem Sinne entscheide für den Kläger und spreche die Unterlassungsklausel aus. Sie werden sich bis auf Widerruf weder Mr. Sheridan noch seiner Lebensgefährtin Julie Bryant auf mehr als fünftausend Yards nähern." Er schlug mit dem kleinen Hammer auf den dafür vorgesehenen Holzklotz und erhob sich. „Die Sitzung ist geschlossen."
Unverhofftes Wiedersehen by Hyndara71
Lokaler Nachrichtensender:
Tracy Fields lächelte geschäftsmäßig in die Kamera, während sie das neueste vom Tage vom Prompter ablas.
Die Moderatorin war beliebt bei den jungen Familien der Umgebung. Zwar hatte sie es noch nicht zur Anchorwoman gebracht, aber ihr gehörten zumindest die letzten Kurznachrichten vor der großen Abendshow.
Tracy verkaufte sich gut mit ihrem natürlichen Blondhaar und den angenehm dunklen Augen. Letztere waren allerdings ein Werk der Schönheit dank getönter Kontaktlinsen. Das tat aber dem Gesamteindruck keinen Abbruch.
„Heute morgen wurde am Miami Beach das zwölfte Opfer des sogenannten Beach Killers gefunden. Wieder lag der Leichnam nur grob verscharrt in der gleichen Senke wie schon bei den vormaligen Leichenfunden. Laut der Polizei und des Coroners handelt es sich ebenfalls wieder um eine blonde junge Frau, die auch bereits identifiziert werden konnte. Allerdings wird der Name des Opfers auf Rücksicht auf die Wünsche der Familie dieses Mal nicht veröffentlicht."

Tracy las weiter die Stichworte ab, die auf dem Prompter erschienen. In der Küche des Tagungszentrums von Miami Dade allerdings hatte im Moment kaum jemand Zeit, sich um die neuesten Nachrichten oder gar Tracys Aussehen zu kümmern. Die Servicekräfte des Partydienstes hatten alle Hände voll damit zu tun, das Buffet für die Teilnehmer an dieser Konferenz aufzubauen. So achtete auch niemand wirklich auf den hochgewachsenen, sehnigen Mann in legerer Kleidung, der ein kleines, schwarzhaariges Kind an der Hand durch die Küche führte und kurz mit halbem Ohr auf die Stimme der Nachrichtensprecherin lauschte.
Das Kind an seiner Seite blieb artig, bis sich die Schwingtür in den großen Messesaal öffnete. Als es die Stimme hörte, die, durch Lautsprecher verstärkt, gerade einen Vortrag hielt, wurde es unruhig.
„Mummy!" rief es.
Colonel John Sheppard hielt eisern die Hand des Kindes fest und kniete sich vor ihm nieder, um auf Augenhöhe mit ihm sein zu können.
Einer weiblichen Servicekraft, die gerade den Salat arrangierte, fiel die Ähnlichkeit zwischen beiden auf. Lächelnd wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Vater und Kind, und die Mutter war wohl offensichtlich drüben im Messesaal und die beiden wollten sie abholen. Sicherlich eine hübsche kleine Familie.
„Jordan", John suchte den Blickkontakt zu den dunkelbraunen Augen, die ihn immer sehr an die Mutter dieses Kindes erinnerten. Er schüttelte ansatzweise den Kopf und versuchte, eine strenge Miene aufzusetzen. „Du hattest Mum und mir doch etwas versprochen. Erinnerst du dich?"
Jordan blinzelte mit großen, unschuldigen Augen. „Ich darf nicht losrennen oder Wände hochklettern oder Tische hochheben oder was andere sonst auch nicht können", sagte es dann leise.
John nickte ernst. „Und du sollst immer bei Mum oder mir an der Hand gehen. Wir sind hier nicht zu Hause und du könntest dir böse wehtun."
Jordan runzelte die kindliche Stirn, nickte dann aber, daß die wilde Mähne nur so hin und herflog.
John seufzte.
Wenn er seinem Kind doch nur einmal etwas abschlagen könnte. Aber dazu war Jordan einfach zu unwiderstehlich. Nicht nur, daß das Kleine inzwischen halb Atlantis mit dem ganz eigenen kindlichen Charme eingewickelt hatte, vom SGC redete er jetzt gar nicht, er selbst konnte dem Kind nichts abschlagen und Ver- oder Gebote aufzustellen erwies sich als wahre Knochenarbeit.
„... wir die Zukunft gesichert. Eine neue Generation ..."
„Mummy redet aber laut." Jordan grinste breit und rieb sich mit einer Hand das Ohr, das dem Saal am nächsten war.
John seufzte. „Mum spricht in ein Mikrofon", erklärte er. „Soetwas kennst du doch von Daddy, mh?"
Jordan nickte wieder eifrig.
Ihm ging endlich auf, daß die Angestellten des Partyservices jetzt schon seit einigen Minuten um sie beide herumgehen mußten und kam wieder auf die Beine.
„Dann laß uns einmal sehen, wie weit Mum jetzt ist", schlug er vor, verstärkte seinen Griff etwas, damit Jordan dieses Mal auch daran dachte, nicht wieder blindwütig loszurennen, um möglichst schnell zu Mummy zu kommen.
Die doppelflügelige Tür in den angrenzenden Saal öffnete sich automatisch, sobald sie die Bewegungsmelder passierten. Jordan warf ihm einen triumphierenden Blick zu, als hätte es gerade selbst diese Türöffner erfunden. Wahrscheinlich fühlte es sich an seine Heimat erinnert, die Stadt, in der es die letzten fünf Jahre aufgewachsen war.
„... Gefahr. Das Metamose-Verfahren birgt keine Risiken und ist auch nicht aus der umstrittenen Stammzellenforschung entstanden. Ich bin stolz darauf, daß dieses Verfahren jetzt in den ersten Kliniken angewendet werden kann und hoffe, daß sich der Einsatz für die gesamte Menschheit gelohnt hat. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld."
Die weibliche, dunkle Stimme mit dem eigenartigen Akzent, den er immer noch nicht zuordnen konnte nach all den Jahren, verstummte, gerade als er zur Tribüne hinübersah.
„Mummy! Mummy!" Jordan winkte, doch er war sicher, sie würde es nicht sehen können. Also nahm er das Kleine auf den Arm und richtete sich ächzend auf.
„Du wirst mit jedem Tag schwerer", stöhnte er, gerade als sie zu ihnen hinübersah.
Wenn es überhaupt möglich war, strahlte sie noch mehr, als sie sie erkannte. In ihren braunen Augen leuchtete Stolz.
John fühlte selbst, wie sein Herz schwoll. Wie lange war es her, daß es ihm klar geworden war? Er wußte es nicht mehr genau, es mußte irgendwann um den Zeitpunkt herum gewesen sein, als sie beide Jordan zeugten. Seit damals hatte er immer wieder gehofft und gebangt, daß man endlich ihre wissenschaftliche Arbeit anerkannte, so wie man vorher die Kriegerin, zu der sie hatte werden müssen, anerkannt hatte.
Lange hatte es gedauert, und eigentlich war es eher ein Zufall gewesen, daß man im SGC über die Forschungen stolperte, die sie damals gemeinsam mit dem leitenden Arzt unternommen hatte, um ihre Verbündeten vor dem Tod zu retten. Und endlich hatte man erkannt, welchen Schatz die Zeit wirklich für sie alle preisgegeben hatte vor gut acht Jahren.
„Danke, Colonel Uruhk, vielen Dank." Ein älterer Mann, dem man den Wissenschaftler so deutlich ansah als hätte er sich dieses Wort mit einem Marker auf die Stirn geschrieben, war neben Vashtu auf das Podest getreten, applaudierte ihr jetzt.
John konnte es auf diese Entfernung zwar nur schätzen, doch er meinte, Vashtu sei tatsächlich vor Verlegenheit das Blut ins Gesicht geschossen. Jetzt jedenfalls senkte sie wie verschämt den Kopf und schüttelte dem anderen die Hand, ehe sie das Rednerpult verließ.
„Geht das um diese Spritze, die Onkel Pete und Mummy damals zusammengemischt haben, als Onkel Danea so krank war?" fragte Jordan.
John setzte sein Kind langsam wieder ab und nickte. „Stimmt, es geht um die Impfung, die Mum entwickelt hat. Damit hat sie nämlich auch auf der Erde schon einige Leben gerettet, weißt du?" Mit der Fingerspitze stupste er die kindliche Stupsnase an und grinste breit.
Jordan streckte ihm die Zunge heraus, kicherte dann aber haltlos los, als er mit einer Hand begann, es zu kitzeln.
Wenn er ehrlich war, er würde erst wieder richtig froh sein, wenn sie alle drei in ihrem Ferienhaus zurück waren. John fühlte sich einfach nicht mehr wohl in solchen menschlichen Großaufgeboten, wie er sie hier und jetzt wieder einmal antraf. Andererseits aber war Vashtu eingeladen worden zu dieser Genetikerkonferenz. Da die Daten sich überschnitten hatten und das ganze nur fünf Tage dauern sollte hatte er sich einverstanden erklärt, einen Teil ihres gemeinsamen Urlaubs zu opfern, ehe sie sich wieder auf die Suche nach einer passenden Schule für ihr Kind machten.
Das allerdings nagte ziemlich an Vashtu, wie er wußte. Sie wollte ihr Kind nicht weggeben, schon gar nicht auf der Erde lassen, während sie sich mindestens zwei Galaxien entfernt mit allerlei Feinden herumprügeln mußte, um zu verhindern, daß irgendjemand oder irgendetwas, was nicht hierher gehörte, auf Atlantis oder gar der Erde landete. Es fiel ihr ja schon schwer, Jordan einmal im Monat an ihn abzutreten. Das Kleine jetzt komplett auf der Erde zu lassen überstieg fast ihre Kräfte und ließ den Mutterinstinkt in ihr schlichtweg überkochen.
John mußte zugeben, ihm war auch nicht ganz wohl dabei, aber er wußte auch um die Notwendigkeit. Jordan sollte als normales Kind aufwachsen, oder doch zumindest als so gut wie ein normales Kind. Und um die Schulpflicht kamen sie alle drei nun einmal nicht herum. Die Air Force war schon mehr als kulant zu ihnen gewesen bisher, aber weiter konnten auch die eingeweihten Generäle nicht gehen. Jordan mußte zur Schule wie jedes Kind. Als kleines Bonbon wollte die Regierung eventuelle Ausgaben übernehmen. Man hatte ihnen sogar die Möglichkeit geboten, Jordan auf ein sündhaft teures Internat im Ausland zu schicken. Doch, da waren sie beide sich wirklich einig, das hatten sie abgelehnt.
„Oh, wenn das nicht die süße Maus ist, die ich schon so vermißt habe!" Vashtu kam von hinten auf Jordan zu und umarmte ihr Kind, um ihm einen schmatzenden Kuß auf den Hals zu drücken. „Was hab ich euch beide vermißt!" Unter ihrem Pony sah sie auf, und Johns Herz schmolz noch weiter wie Eiscreme in der Sonne.
„Wie war's? So schlimm, wie ich dachte?" fragte er und beugte sich vor, um seinerseits einen liebevollen Willkommenskuß zu erhalten. Mit der Hand streifte er Vashtus Arm als müsse er sich selbst davon überzeugen, daß sie wieder in seiner Nähe war.
„Es geht. Ich hätte nur nicht gedacht, daß etwas, was bei euch als 'junge Wissenschaft' bezeichnet wird, mit so vielen gesetzten Herren aufwartet." Sie verzog das Gesicht, sah dann zu Jordan hinunter. „Und was ist mit euch beiden? Was habt ihr denn heute erlebt, mh?"
„Wir waren bei ganz vielen Fischen", berichtete Jordan sofort wie aus der Pistole geschossen. „Aber der Mann meinte, das seien keine Fische, sondern Säugetiere."
John sah den irritierten Blick und zuckte mit den Schultern. „Seaworld", kommentierte er nur. „Ich hielt das für eine gute Idee."
Vashtu nickte, wurde dann aber ernst, im gleichen Moment, in dem er bemerkte, daß jemand hinter ihm stand.
„Dr. Uruhk?" fragte eine Stimme.
John überlief es eiskalt und Jordan verstummte, als es sein Gesicht sah. Die braunen Augen blickten ratlos.
„Mr. Sheppard, ich freue mich." Vashtu richtete sich wieder auf und schob den engen Rock, der zu ihrem Kostüm gehörte, zurecht.
„Ist das Ihre Familie?" erkundigte die Stimme sich.
John nahm wieder Jordans Hand, damit das Kleine nicht das Weite suchte und richtete sich langsam auf. „Hey, Dave", sagte er betont ruhig und gelassen, als er sich zu dem Mann umdrehte, der hinter ihm stand.
Dave Sheppards geschäftsmäßiges Lächeln gefror zu einer gequälten Grimasse.
„Vash, darf ich dir meinen Bruder vorstellen? Dave. Dave, das ist meine Lebensgefährtin Lt. Colonel Vashtu Uruhk und unser gemeinsames Kind Jordan", stellte er die unmittelbar Beteiligten einander vor.
Daves Augen glitten nach unten, zu Jordan, und starrten das Kleine einen Moment lang an, ehe er Vashtu musterte, schließlich dann wieder John. Ein abgehacktes, gekünsteltes Lachen brach aus seiner Kehle.
„Das ist ja eine Überraschung! John, wie lange ist das her?"
„Kurz nach Dads Trauerfeier", antwortete John kühl.
Vashtu schien aufzugehen, daß nicht alles so verlief, wie sie es vielleicht gehofft hatte. Aus den Augenwinkeln sah John, wie sie Jordans Hand nahm.
„Komm", sagte sie dann, „sehen wir einmal nach, was es leckeres am Buffet zu finden gibt."
Jordan folgte, starrte seinen unverhofft aufgetauchten Onkel aber weiter an, bis es zwischen den anderen Anwesenden verschwunden war.
„Das nenne ich eine Überraschung!" Dave sah den beiden kopfschüttelnd nach. „Aber ich hätte es mir denken können als ich 'Air Force' in ihrem Lebenslauf las und dann die gleichen Einträge fand wie bei dir." Mit kühlem Blick begegnete er nun John. „Gab es da nicht früher so eine Klausel zum Thema Untergebene bei der Armee?"
„Vashtu ist mir nicht unterstellt. Sie leitet ihre eigene Basis", antwortete John.
„Tja, aber mindestens einmal seid ihr zwei euch ja wohl über den Weg gelaufen, sonst hättest du dich ja nicht, wie heißt es in Genetikerkreisen?, reproduzieren können." Ein kühles Lächeln erschien auf Daves Lippen.
John trat drohend einen Schritt näher. „Ich kenne Vashtu schon lange, schon ehe sie der Air Force beitrat. Wir beide lieben uns."
Dave nickte. „Sicher", seine Stimme trof vor Sarkasmus. „Weiß sie über dich Bescheid?"
„Du kannst sicher sein, bis vor fünf Minuten wußte sie nicht einmal, daß Sheppard Inc. meine Familie ist. Es geht nicht ums Geld."
„Es geht immer ums Geld, John. Nur du willst das nicht begreifen." Dave sah zum Buffet hinüber und schüttelte den Kopf. „Sie hat sich doch nur schwängern lassen, um an unser Vermögen zu kommen. So sind die Frauen."
„Schließ nicht von deinem Bekanntenkreis auf meinen", entgegnete John sofort. „Laß Vashtu und das Kind in Ruhe, Dave. Die beiden haben nichts mit der ganzen Sache zu tun."
„Willst du mir damit sagen, ich soll mein Angebot zurückziehen? Dürfte für dich doch auch von Interesse sein. Immerhin geht das Gerücht, daß die brilliante Dr. Uruhk derzeit einige Sorgen hat, weil sie ihr Kind nicht länger an ihrem Stützpunkt aufziehen darf."
Johns Augen wurden schmal. „Du hast Erkundigungen über Vashtu eingezogen?"
Dave zuckte mit den Schultern. „Man tut was man kann, wenn es gut fürs Geschäft ist. Und eine Wissenschaftlerin, die einfach wie aus dem Nichts auftaucht mit einer lebensrettenden Impfung, noch dazu ganz respektabel aussieht und ein typisch weibliches Problem hat ... das ist gut fürs Geschäft. Zumindest, wenn dieses Geschäft Genelab heißt."
John atmete tief ein. „Seit wann investierst du in Gentechnik?" fragte er.
„Seit es Gewinn verspricht. Und deine Dr. Uruhk verspricht eine Menge Gewinn, wenn sie sich weiter so herrlich melken läßt wie bisher. Ist doch ganz einfach: Sie verläßt die Air Force, kommt nach Miami und übernimmt die Leitung von Genelab. Binnen Sekundenfrist dürften die Aktien der Firma in den Weltraum schießen, in den du ja immer so gern wolltest. Habe ich genug Gewinn gemacht, wird Genelab abgestoßen. Das alte Geschäft, und ich habe sogar noch etwas gutes getan." Er lächelte wieder kühl.
John mußte sich wirklich zusammenreißen, um seinem Bruder nicht seine Faust ins Gesicht zu rammen.
Dave sah wieder zum Buffet hinüber. „Allerdings ergibt sich jetzt eine etwas andere Konstellation. Es wird wohl nicht mehr so einfach sein, deine 'Lebensgefährtin' nebst Anhang zufrieden zu stellen wie ich dachte. Was glaubst du? Reichen ihr wohl zehn Millionen?"
John trat drohend einen Schritt näher. „Wage es ja nicht!" zischte er mühsam beherrscht. „Vashtu wird die Air Force nicht verlassen, das kann ich dir sogar schriftlich geben. Auch nicht für ihr Kind. Das wird schon allein Washington nicht zulassen. Also laß deine Finger von ihr und Jordan, ist das klar?"
„Jordan ..." Dave verzog das Gesicht, sah wieder in seine Augen. „Wie Dad es sagte: Du hast zuviel von unserer Muter geerbt. Das war schon immer dein Problem. Du denkst zu humanistisch." Damit drehte er sich um und verschwand in der Menge.
John mußte einige Male tief durchatmen, ehe er sich wieder halbwegs im Griff hatte. Kochend vor Wut sah er seinem Bruder nach und ballte immer wieder die Hände zu Fäusten. Erst nach einigen Minuten drehte er sich um, um nach seiner kleinen Familie zu suchen und zumindest noch etwas von dem zu retten, was er bis zu Daves Auftauchen empfunden hatte.
Abendliche Impressionen by Hyndara71
Als Mike Sheridan endlich die Tür zu dem Apartment aufschloß, in dem er gemeinsam mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Julie Bryant wohnte, erwartete ihn neben der Dunkelheit nur Schweigen.
„Julie?" rief er in dieses Schweigen hinein in der Hoffnung, sie sei vielleicht nur eingeschlafen. Immerhin hatte er noch etwas seinen kleinen Sieg über Caine gefeiert und sie sollte mittlerweile von ihrer Tätigkeit als Krankenschwester in einer kleinen Privatklinik draußen in den Everglades zurück sein.
Doch das Apartment war leer und unberührt, so wie sie beide es am Morgen gemeinsam verlassen hatten.
Mike sah sich mißmutig um und fühlte in sich den plötzlichen Drang, irgendetwas zu zerschlagen.
Dem Richter mochte er weis gemacht haben, daß er Julie nicht mehr verprügelte, der Wahrheit entsprach das nicht. Er war nur kleverer geworden und seine Aggressionsschübe traten nicht mehr so häufig auf wie früher. Die Therapie hatte insofern Früchte getragen, als daß er in ihrem Verlauf lernte, wie er sein Opfer so schlagen konnte, daß keine oberflächlichen Wunden oder Blutergüsse zurückblieben.
Der Alkohol aber, den er nach der erfolgreichen Verhandlung getrunken hatte, ließ seine Hemmschwelle bedenklich sinken. Wäre Julie jetzt hier, Mike hätte sie geschlagen, einfach um seine innere Wut und Frustration abzubauen.
„Verdammte Doppelschicht!" knurrte er schließlich, nachdem er sich überzeugt hatte, daß seine Lebensgefährtin tatsächlich nicht anwesend war. Wenn er diesen Dr. Sowieso mal in die Finger kriegen würde, er würde ihm schon etwas erzählen können zum Thema Neueinstellungen.
Mike wandte sich unwillig dem Küchentresen zu. Der Anrufbeantworter, ein Handy konnte er sich schon lange nicht mehr leisten, blinkte und zeigte gleich mehrere eingegangene Nachrichten an.
Mike ging hinüber und betrachtete die Anzeige, ehe er den Abspielmodus aktivierte und wartete.
„Mike?" hörte er dann Julies verzerrte Stimme. „Hör zu, es tut mir wirklich leid, aber, wenn du das hier hörst, dann hab ich es nicht zu der Verhandlung geschafft. Wir sind hier viel zu wenige, aber Professor Hehnenburgh kann einfach nicht mehr Leute einstellen. Du weißt ja, ich hatte auch schon wegen dir gefragt. Naja, jedenfalls komme ich nicht weg. Ich bringe uns dann etwas vom Chinesen mit, bye!"
Mike verzog wieder unwillig das Gesicht.
„Hey, ich bins noch einmal", meldete sich erneut Julies Stimme. „Du, hier ist irgendetwas eigenartig. Ruth kam vorhin vorbei und meinte, ich solle der Putzkolonne Bescheid geben wegen Zimmer 113. Ich war gerade selbst da und ... es ist leer! Dabei ist aber auch keine Anwendung oder Therapie eingetragen. Es ist, als sei die Patientin, diese Miss Doe, einfach verschwunden."
Mike stutzte.
Doe? Nannte man so nicht im allgemeinen Unbekannte, die ihren richtigen Namen nicht nennen wollten oder konnten?
„Mike? Wenn du da bist, dann geh bitte ran, ja?" Dieses Mal klang Julie verängstigt. „Mike, bitte. Ich glaube ... Mike, da stimmt was nicht. Zi..." Das Freizeichen ertönte.
Mike stutzte, beugte sich über den Anrufbeantworter und rief die Nachrichten erneut auf, mit dem selben Ergebnis.
Plötzlich war er nüchtern, doch er wußte nicht so recht warum. Er machte sich nur Sorgen um Julie und verstand nicht, warum das letzte Gespräch so abrupt endete.
Morgen, beschloß er, morgen würde er zur Polizei gehen. Wenn dieser Caine ihm schon nicht mehr nachstellen konnte, dann sollte er sich zumindest nützlich machen.

Vashtu kam auf die Terrasse hinaus und begann zu lächeln, als sie John sah, der in der Hollywoodschaukel saß und diese mit seinen langen Beinen langsam vor und zurück schwenken ließ.
„Jordan schläft jetzt", berichtete sie schließlich nach einigen Minuten, in denen sie ihn nur stumm beobachtet hatte, wie er den Abendhimmel betrachtete und ab und an an dem Weinglas nippte, das er in einer Hand hielt. „Aber erst mußte mir natürlich alles zum Thema Delphine und Wale erzählt werden, einschließlich einer groben Einschätzung, ob eine solche Spezies auf Nirana leben könnte."
John hielt die Schaukel mit den Beinen auf, damit sie sich neben ihn setzen konnte. Zärtlich legte er den freien Arm um sie und ließ es zu, daß sie sich an ihn kuschelte, wie sie es so gern tat.
„Und zu welchem Ergebnis ist Jordan gekommen?" erkundigte er sich amüsiert.
„Daß es wohl eher unwahrscheinlich ist", antwortete Vashtu und sog seinen männlichen Duft tief in ihre Lungen. „Ich dachte, ich erzähle besser nichts von Rodneys Walen auf Lantea."
John lachte leise, nippte dann an einem Weinglas. „Seaworld war wohl ziemlich aufregend", bemerkte er.
Vashtu nickte, kuschelte sich an seine Brust und schloß kurz die Augen, während er mit seiner freien Hand sanft ihren bloßen Arm streichelte. „Du darfst nicht vergessen, Jordan kommt von einer Welt, auf der eine Eiszeit herrscht", bemerkte sie schließlich. „Und dann siedelte die Stadt auf einen anderen Eisplaneten um. Jordan staunt über jedes tierische Leben."
„Ihr sucht euch aber auch immer eigenartige Plätze aus für Vineta", kommentierte er trocken und erntete einen liebevollen Rippenstoß. „Na, ist doch so! Wir suchen für Atlantis zumindest noch Wasserplaneten", verteidigte er sein Argument.
„Wenn ich Vineta auf einem Wasserplaneten landen wollte, bräuchten wir zu allererst eine Taucherglocke. Unser Schutzschild würde das nicht schaffen. Dazu ist er nicht konzipiert. Vineta würde untergehen." Vashtus Blick fiel auf das schnurlose Telefon, das auf dem Gartentisch neben der Schaukel lag. „Hast du George erreicht?" fragte sie daraufhin das Thema wechselnd.
John schüttelte den Kopf. „Der Verwalter war dran und meinte, er sei noch mindestens bis Ende der Woche in Colorado. Als ich im SGC anrief, wußte keiner etwas."
Vashtu seufzte und schüttelte über sich selbst den Kopf. Sie hatte es schlichtweg vergessen, und jetzt war es ein bißchen spät, den Urlaub noch umzudisponieren.
„Mh?" machte John fragend.
„Lauries Todestag", sagte sie daraufhin einfach. „Ich hatte nicht mehr daran gedacht. George zieht sich immer zurück in dieser Zeit. Ich denke, die Erinnerungen an seine Familie stürzen dann auf ihn ein und er will deshalb für sich sein. Trauer läßt sich schlecht teilen."
„Das wußte ich nicht." Johns Stimme klang dumpf. Unbewußt drückte er sie fester an sich.
Vashtu ließ es nur zu gern zu und schloß die Augen, um „ihrer" Toten zu gedenken für einen Moment, ehe sie zu dem kommen wollte, was sie eigentlich belastete, seit sie die Konferenz verlassen hatten.
„Ich weiß, du redest nicht gern über deine Familie", begann sie schließlich zögernd. „Und du weißt, daß ich normalerweise nicht fragen würde. Aber Dave Sheppard hat die Konferenz ausgerichtet, genauer gesagt der Firmenverband, dem er vorsteht. Ich möchte ungern zwischen die Fronten geraten bei euch beiden. Immerhin geht es dabei nicht allein um meine Arbeit. Aber ich denke, auch Jordan hat ein Recht darauf zu erfahren, was da zwischen euch ist."
Sie fühlte, wie John sich anspannte, er vielleicht wirklich einen Moment lang von ihr abrücken wollte, ehe er aufgab. Den Kopf hatte er wieder erhoben, doch jetzt starrte er blicklos auf das letzte schwache Licht des Tages, das sich immer mehr gegen die hereinbrechende Nacht verlor.
„Meine Familie ... Das ist eine lange und traurige Geschichte. Wir sollten es bei der Kurzfassung belassen", berichtete er endlich dumpf. „Dave und ich sind die klassischen Gegensätze. Nicht alle Geschwister passen so gut zueinander wie du und Enkil, oft genug gibt es Reibereien. So wie bei Dave und mir." Er verzog kurz den Mund und seufzte. „Sagen wir, ich bin aus der Art geschlagen, während Dave eigentlich der sheppardsche Vorzeigesohn ist, nur hat das unser Vater nicht immer so gesehen. Ich kam mehr nach unserer Mutter und rebellierte früh. Dave hat das nie getan. Er war immer der folgsame Sohn."
„Und dir hält er jetzt deine Individualität vor?" fragte Vashtu leise.
John blinzelte, schüttelte dann den Kopf. „Nein, eigentlich ... Ich bin damals fortgegangen, zur Air Force, und wollte mir meinen Traum erfüllen. Dave dagegen stieg in das Familiengeschäft ein und wurde schließlich zur rechten Hand unseres Vaters. Ich hatte lange keinen Kontakt mehr ... bis unser Vater starb."
„Kein besonders schöner Anlaß, sich wieder zu begegnen ..." Vashtu fühlte Mitleid in sich aufkommen für die beiden Brüder, denen das Schicksal bisher wohl keine echte Chance eingeräumt hatte.
John zuckte hilflos mit den Schultern. „Damals gerieten wir wieder in Streit, allerdings dachte ich am Ende, wir hätten zumindest einen Waffenstillstand geschlossen."
„Und warum fällst du ihn dann an wie ein hungriger Devi?"
John schmunzelte wider Willen und senkte den Kopf. Langsam drehte er sich zu ihr um und sah sie an. „Vash ..."
Die Antikerin lächelte und ließ es zu, daß er sie zärtlich mit dem Handrücken über die Wange strich. In seinen Augen stand ein tiefer Schmerz zu lesen, den sie nur sehr selten gesehen hatte.
„Wie weit würdest du für Jordan gehen?" fragte er schließlich leise.
„Du weißt, wie weit ich gehen würde", antwortete Vashtu fest. „Du hast es bereits erlebt. Ich opfere mein Leben für Jordan, wenn ich dazu gezwungen werde."
Er sah sie immer noch an. „Es wird schwer werden für euch beide, wenn Jordan auf der Erde zur Schule geht und du zurückkehrst nach Vineta. Ihr werdet euch wochenlang nicht sehen können", fuhr er fort.
Ja, davor fürchtete sie sich, mußte Vashtu zugeben. Vor dem Moment, an dem sie begreifen mußte, daß Jordan eben nicht in ihrem gemeinsamen Quartier wartete oder mit den Erethianer-Kindern zusammen wieder irgendeinen Unsinn ausheckte. In dem Moment, in dem ihr Kind eben nicht mehr nur einen Ruf entfernt sein würde, sondern weit, weit fort auf der Erde.
„Ich habe Jordan dazu erzogen, auch allein zurechtzukommen. Ich denke, das wird auch klappen", antwortete Vashtu ausweichend.
John nickte. „Ich weiß, daß Jordan selbstständiger ist als die meisten anderen Fünfjährigen. Darum geht es auch nicht." Er sah sie immer noch an und holte tief Atem, ehe er fragte: „Wenn man dir eine Stelle hier auf der Erde anbieten würde, vornehmlich da, wo auch Jordan zur Schule gehen wird, würdest du Vineta verlassen?"
Vashtu begriff endlich. Langsam aber unmißverständlich schüttelte sie den Kopf. „Nein", antwortete sie. „Ich wäre sicherlich versucht und würde darüber nachdenken, aber ich kann nicht weg aus Vineta. Wir wissen immer noch nicht, wie die Stadt reagiert, wenn der Steuerkristall entfernt würde. Außerdem ... auch wenn wir das Bündnis mit dem Wächtervolk geschlossen haben, herrscht immer noch Krieg mit den Devi, ganz zu schweigen von der herandämmernden Bedrohung durch die Asuraner. Was die Stadt vielleicht selbst noch unter Verschluß hält, daran denke ich jetzt besser gar nicht. Ich würde nicht gehen, sicher nicht."
John nickte, kniff die Lippen aufeinander und schien nachzudenken. Dann sah er ihr wieder in die Augen. „Dave will dir den Chefsessel bei Genelab anbieten", erklärte er dann endlich.
Vashtus Augen weiteten sich.
Genelab? Das war eine noch junge, aber schon recht erfolgreiche Firma mit Hauptsitz hier in Miami, die sich vornehmlich mit der Stammzellenforschung beschäftigte. Seit man in der Fachwelt von ihr Notiz nahm, spähte auch sie ab und an über den Tellerrand und hielt sich auf dem Laufenden. Also war ihr selbstverständlich auch Genelab nicht entgangen. Die Firma hatte in den letzten zwei Jahren einige interessante Patente angemeldet und fuhr keinen schlechten Gewinn ein. Genug zumindest, um eine Privatklinik mit angeschlossenem Labor finanzieren zu können.
Vashtu rief sich zur Ordnung, schüttelte erneut den Kopf. „Dann sollte Dave besser zuhören und sich informieren. Genelab arbeitet mit genau den Verfahren, die ich ablehne. Ich würde einen Teufel tun und es mir ausgerechnet dort gemütlich machen." Sie runzelte die Stirn. „Allerdings war mir neu, daß der Name Sheppard im Zusammenhang mit Genelab genannt wird", fügte sie dann hinzu.
„Wird er auch nicht." John lehnte sich wieder zurück und blickte in den Himmel hinauf. „Womit mein Großvater bereits seine erste Million verdiente ist der Ankauf und das Abstoßen von anderen Firmen, teils mit, teils ohne Sanierung. Damit ist sehr viel Geld zu machen, wenn man gut darin ist. Und Dave ist gut, er hat von meinem Vater gelernt, und der war schon ein verdammter Fuchs, wenn es ums Geschäft ging."
Vashtu verstand. „Dave will mich hierher locken, weil ihm das Gewinn beim Verkauf von Genelab verspricht", schoß sie ins Blaue.
John nickte, nippte endlich wieder an seinem Wein. „Genauso ist es", sagte er, nachdem er geschluckt hatte. Langsam drehte er den Kopf und sah sie erneut an. „Und darum möchte ich dich bitten, dich in dieser Hinsicht auf nichts einzulassen, Vash. Dave hat genug Geld, er muß dich nicht noch unglücklich machen."
„Das wird er so schnell nicht schaffen, glaube mir." Vashtu lächelte, schob und sich wieder näher an ihn heran, um sich an ihn zu kuscheln. „Ich hoffe, daß George Jordan nehmen kann, dann wird es nicht ganz so schwer. Aber zurück auf die Erde? Nur um Urlaub zu machen."
Sie schloß die Augen und fühlte, wie John sie wieder an sich drückte und meinte, ein leises Danke über das Rauschen der Wellen gehört zu haben.

Zimmer 113:

Als sie zu sich kam, fühlte sie als erstes den Schlauch, den man ihr in die Luftröhre eingeführt hatte. Als sie die Augen öffnete, erdrückte die Finsternis sie beinahe, wurde dann aber abgelöst durch einen Lichtstrahl, als sich langsam die Tür öffnete.
Man hatte sie ans Bett fixiert, ging ihr auf, als sie ihre Augen mit der Hand schützen wollte wegen des plötzlich aufleuchtenden Lichtes. Geblendet wandte sie den Kopf, so weit der Beatmungsschlauch dies zuließ.
„Julie, Julie, Julie ..." seufzte eine Stimme.
Julie Bryant hob ruckhaft den Kopf, starrte die Gestalt an, die sich langsam über sie beugte.
„Man sollte nie zu neugierig sein, wissen Sie?" erklärte die Stimme.
Eine Nadel stach in ihren Arm.
Julie nahm all ihren Mut und ihre Kraft zusammen und begann sich zu winden.
„So oder so, es wird nicht besser, wenn Sie sich wehren. Im Gegenteil sollten Sie stolz darauf sein, Teil eines ganzen zu werden, dessen letztendliches Ergebnis die Welt aus den Angeln heben wird", erklärte die Stimme des Schattenrists über ihr. Sie fühlte, wie ihr etwas injiziert wurde.
„Bleiben Sie ruhig, Julie", sagte die Stimme. „Sie werden der Triumpf sein nach all den Fehlversuchen. Ich fühle, ich bin der Lösung nahe."
Dann verschwamm die Welt wieder und ihr Bewußtsein sank tief unter die Oberfläche ...
"Onkel Devitot" by Hyndara71
John nach dem Duschen die Wohnküche ihres Ferienhauses betrat, wurde gerade die Schiebetür in den Flur geschlossen und Vashtus undeutliche Stimme war zu hören. Am Tresen auf einem der hohen Hocker kniete Jordan und aß einen Pfannkuchen, der vor Sirup nur so tropfte. Als das Kind seinen Vater hörte, drehte es sich herum und er durfte, neben der über Nacht neu entstandenen Zahnlücke, den verschmierten und glänzenden Mund bewundern.
„Dir schmeckt's, was?" John trat um den Tresen herum in die Küchenzeile, um sich eine Tasse Kaffee zu nehmen. Seine Beine waren immer noch weich von dem Gewaltjogging, das er zusammen mit Vashtu und Jordan absolviert hatte.
„Was macht Mummy?" fragte er nach einem ersten Schluck.
Jordan leckte sich mit der Zunge über die Lippen, wischte dann mit dem Ärmel hinterher. Dieser Jogginganzug dürfte damit dann reif für die Dreckwäsche sein, notierte John sich in Gedanken.
„Mummy teli..., talo..., tule..."
„Telefoniert?" half er aus, woraufhin Jordan eifrig nickte und sich ein neues Stück Pfannkuchen in den Mund stopfte.
„Mit wem?" erkundigte er sich, als das Kind endlich schluckte.
Jordan zuckte mit den schmalen Schultern. „Neisch nüscht", muffelte es mit vollen Backen.
Wie kamen sie beide eigentlich auf den Gedanken, ihr Kind auf der Erde lassen zu können, fragte John sich, während er das Kleine weiter beim Essen beobachtete. Für Jordan war es doch normaler, sich von A nach B beamen zu lassen als so etwas einfaches wie ein Telefon zu erkennen. Es würde doch nur eine Frage der Zeit sein, bis es sich verquatschte und sie beide damit Ärger bekamen. Von Vashtus Erbe an ihr Kind redete er jetzt erst einmal gar nicht, obwohl er Jordan im kindlichen Übermut durchaus zutraute, mal eben eine Wand hochzuklettern oder seinetwegen auch ein Auto zu stemmen ohne Mühe.
Die gemeinsame Joggingrunde hatte ihm schon gereicht. Auch wenn Vashtu durch die Geburt einiges ihrer zusätzlichen Kräfte verloren hatte, war sie immer noch schneller und stärker als man ihr zutrauen sollte. Vor allem war sie diejenige, die Jordan wieder einfangen konnte, gingen mit dem Kleinen die Pferde durch wie vorhin am Strand. Während er als normaler Mensch kaum eine Chance hatte, sein eigenes Kind wieder einzuholen, raste dieses wirklich einmal los, hatte die Antikerin zwar ein bißchen Mühe, konnte aber noch mithalten.
Wohin das führen würde, würde Jordan älter werden, wagte er sich gar nicht vorzustellen, von einer möglichen Pupertät wollte er erst recht nichts wissen. Wenn er da an sein eigenes Rebellentum dachte ...
Die Schiebetür öffnete sich wieder und Vashtu, noch ungeduscht und verschwitzt, aber in seinen Augen durchaus sexy, erschien. Durch die Schwangerschaft hatte sie etwas von dem Knabenhaften verloren, was ihr früher eigen gewesen war, ihre Brüste waren ein wenig größer und ihre Hüften breiter geworden. Nicht zuviel, noch immer war sie bemerkenswert schlank, aber weiblicher als sie es früher gewesen war. Vor allem jetzt, wo sie noch zerzaust und verschwitzt war vom Lauf, etwas weißer Sand auf ihren Wangen schimmerte und sie noch die lässige Kleidung vom Jogging trug, wirkte sie auf John noch anziehender als sonst. Liebendgern wäre er sofort mit ihr im Schlafzimmer verschwunden, um jeden Millimeter ihrer salzigen Haut zu erkunden und zu liebkosen.
„Mitchell", kommentierte die Antikerin, während sie sich wieder an den Herd stellte und eine zweite Pfanne auf die Flamme schob, um für sich und ihn Rührei zu machen.
„Was wollte er?" John nahm noch einen Schluck Kaffee, zwinkerte Jordan dann zu.
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Mir sagen, daß wir kurzfristig Besuch bekommen. Die Darius ist mit Peter eingetroffen und er will irgendwas wissen. Es ging darum, wann ich Zeit hätte."
John stutzte. „Anne schickt extra die Nemesis hierher, wenn Babbis eine Frage hat?" staunte er.
„Es geht um Carters Werft."
Ein Stück Butter landete in der Pfanne und zerlief beinahe sofort.
John nickte stumm, stellte seine Tasse ab und öffnete die Kühlschranktür, um Vashtu den Speck zu reichen.
„Onkel Peter kommt?" Jordan strahlte wieder mit der deutlichen Zahnlücke.
„Ja." Vashtu beugte sich vor, bis sich ihre Nasenspitze und die ihres Kindes beinahe berührten. „Und du läßt ihn schön in Ruhe, klar?"
John grinste. „Habe ich da gerade ein neues Hobby entdeckt?"
Vashtu warf ihm einen langen Blick zu und nickte. „Jordan kennt sich mittlerweile bemerkenswert mit diversen Schaltplänen aus, weil da jemand die Daten aus dem militärischen Hauptrechner gezogen hat. Auch Halbantiker haben ein erstaunliches Gedächtnis ..."
„Wie die Mutter, so das Kind." John beugte sich vor und küßte Vashtus Nacken, ehe er aufblickte und Jordan scharf fixierte. „Und ich denke, da wird noch jemand heute Besuch bekommen, oder? Zumindest wenn dieser jemand artig ist für den Rest des Tages."
Jordan sah ihn groß und verständnislos an. „Wer denn?" fragte es dann.
Vashtu hielt den Kopf gesenkt und kümmerte sich um das Rührei, dennoch sah John das breite Grinsen in ihrem Gesicht.
„Hast du schon einmal etwas von der Zahnfee gehört?" erkundigte er sich.
Jordan blinzelte verständnislos.
„Onkel Devitot", sagte Vashtu und blickte nun doch wieder auf. „Auf der Erde gibt es etwas ähnliches: die Zahnfee."
Onkel Devitot?
„Kommt die auch mit einem Devikopf aus Zuckermasse?" Jordans Augen strahlten.
John fühlte sich wie paralysiert.
„Andere Galaxien, andere Sitten", kommentierte Vashtu und küßte ihn auf die Wange. „Gibst du mir Teller, Schatz?"
John atmete einige Male tief ein.
Wußten sie beide wirklich, was sie taten, wenn sie ausgerechnet auf der Erde nach einer passenden Schule für Jordan suchten? Vielleicht sollten sie doch O'Neills Angebot mit dem Privatlehrer annehmen ...
„Kriege ich einen Zuckerkopf?" bohrte Jordan aufgeregt weiter.
John zwang sich, Vashtu die Teller zu reichen und machte gute Miene zum bösen Spiel. „Die Zahnfee belohnt dich, wenn du einen Zahn verlierst", erklärte er. „Eigentlich nicht mit Süßigkeiten, aber ich kann ja mal mit ihr sprechen."
Jordan nickte eifrig.
„Du hast es dir eingebrockt, mein Lieber", wisperte Vashtu ihm zu, während sie nun das Rührei mit Speck auf die beiden Teller verteilte.
Ja, das war wohl so ...
Vashtu nahm sich noch ein Glas mit gekühltem Orangensaft, ehe sie, sich mit der Hüfte am Herd abstützend, begann zu essen. „Und was habt ihr zwei heute vor?" fragte sie zwischen zwei Bissen.
„Daddy will mir Disneyworld zeigen", strahlte Jordan. Zwei dunkelrote, hektische Flecken bildeten sich auf den, vor Sirup glänzenden Wangen.
„Disneyworld in Orlando?" Vashtu warf ihm einen fragenden Blick zu.
John zuckte mit den Schultern. „Mir gehen allmählich die Sehenswürdigkeiten aus", verteidigte er sich.
Vashtu kaute nachdenklich. „Ich dachte eigentlich, wir alle drei wollten dort hin", sagte sie schließlich. Allerdings konnte er weder an ihrer Stimme noch ihrer Miene feststellen, was sie denn nun genau empfand.
„Wir können ja noch einmal hin, wenn es dort schön ist", schlug Jordan spontan vor.
„Wäre eine Möglichkeit." Vashtu drehte sich zu John um. „Dann nehme ich den Wagen heute. Desto eher ich heute abend zu Hause bin, desto eher sind wir Peter wieder los."
„Und wie sollen wir dann nach Orlando kommen?" erkundigte John sich, stellte seinen Teller zur Seite, um nach seiner Kaffeetasse zu greifen.
Vashtus Augen rollten gen Zimmerdecke.
„Oh nein, ich werde nicht die Apollo fragen, ob man uns da rüber beamen kann!" John schüttelte entschlossen den Kopf. „Das ist gegen jede Regel oder Vorschrift."
„Als hätten dich Regeln und Vorschriften je interessiert." Vashtu lächelte zuckersüß. „Im übrigen wäre ich dann heute nacht allein. Ihr könnt nicht an einem Tag von Miami nach Orlando und wieder zurück fahren. Ihr müßt wenigstens einmal durch die Rushhour. Und ich glaube nicht, daß Jordan so unbedingt den ganzen Tag auf einem Rücksitz verbringen möchte. Und du hast was gut bei Ellis."
„Er wird das nicht gut heißen", entgegnete John prompt und schüttelte wieder den Kopf.
„Probier es. Bei Makepiece klappt es eigentlich immer. Wir könnten uns heute abend vor der Versammlungshalle treffen und gemeinsam hierher zurückfahren. Vielleicht springt ja eine Pizza auf dem Rückweg heraus." Vashtu zwinkerte ihrem Kind zu, hob dann eine Braue. „Hatten Tante Anne und ich dir nicht schon einige Male die Vorzüge von Besteck erklärt?"
John verbarg sein Grinsen hinter seiner Kaffeetasse, während Jordan wirklich das dümmste Gesicht zog, das er je in seinem Leben gesehen hatte.
„Was machst du denn heute, Mummy?" fragte das Kleine schließlich, wenn auch deutlich kleinlaut und vorsichtig. „Wieder in ein Mitrofon sprechen?"
John stutzte unwillkürlich bei diesem Patzer.
„Nein, heute muß Mummy zwar viel reden, aber nicht in ein Mikrofon sprechen", antwortete Vashtu breit grinsend.
„Einzelgespräche?" fragte John sofort nach.
Die Antikerin nickte, zog eine Grimasse. „Wird sicherlich spaßig werden." Ihre Stimme klang dumpf. „Jedenfalls schätze ich, werde ich heute sehr viel an euch beide denken."
„Schick das nächste Mal Pete", schlug John spontan vor.
Vashtu kratzte den letzten Rest Rührei von ihrem Teller, schüttelte dann den Kopf. „Geht nicht ... aus bekannten Gründen", antwortete sie und stellte ihr Geschirr ab.
John ging tatsächlich erst jetzt auf, daß es wirklich zu Schwierigkeiten führen könnte, würde der Chefarzt Vinetas sich auf die Erde verirren - weil er nämlich noch immer als tot galt. Und solange sich keine Möglichkeit ergab, an diesem Status etwas zu ändern, würde er wohl in der geheimen Antikerstadt bleiben müssen oder nach Atlantis wechseln.
„So, Jordan, wir beide sollten uns jetzt ganz dringend waschen und dann fertig machen." Vashtu lächelte ihn kurz an, ehe sie sich wieder zu ihrem Kind umdrehte, das umständlich von seinem Hocker kletterte.
„Auf, auf! Wir haben heute noch viel zu tun." Vashtu nahm Jordan an der Hand und verließ die Küche.
John sah den beiden nach - mit weichem, liebevollem Herzen.

Miami Dade Polizeirevier:

Mike sah sich kurz um, ehe er zielstrebig zu dem Tresen hinüberging, hinter dem eine blonde, sonnengebräunte Polizistin saß und offensichtlich auf Kundschaft wartete. Erwartungsvoll blickte sie auf, als sie die Bewegung in ihre Richtung sah, und setzte ein geschäftsmäßiges Lächeln auf.
„Guten Morgen, Sir. Kann ich Ihnen behilflich sein?"
Mike sah sich noch einmal um. Eigentlich hätte er lieber mit einem Mann gesprochen, allerdings war es vielleicht besser, wenn er sich doch diese Bullenschlampe wandte. Immerhin gackerten diese Hühner von Weibern ja sonst auch immer im Chor. Sie würde vielleicht seine Sorge besser verstehen können als ein männlicher Bulle, der sich wahrscheinlich denken würde, Julie sei auf einen Fick zu einem anderen und habe die Nacht verschlafen.
„Ja", antwortete Mike endlich und schluckte den wütenden Schrei hinunter, der an seiner Kehle zerrte. „Es geht um meine Lebensgefährtin. Sie ist verschwunden."
Die Polizistin sah ihn einen Moment lang groß an, dann wandte sie sich dem neben ihr stehenden Bildschirm zu. „Wie lange ist sie denn schon verschwunden, Sir?"
Mike seufzte erleichtert. Schien doch zu klappen. Vielleicht konnte diese Schlampe sogar genug Hebel in Bewegung setzen, damit man wirklich nach Julie suchte und ihm nicht nur Plazebos in Form von Floskeln in den Hintern schieben wollte.
„Das letzte Mal habe ich sie gestern beim Frühstück gesehen", berichtete er. „Sie hat mir noch auf den AB gesprochen, insgesamt dreimal. Beim letzten Anruf wurde sie offensichtlich unterbrochen."
Die Polizistin wandte sich vom Computer ab.
Was, zum Kuckuck, sollte das? Wieso tat sie nicht endlich etwas? Wieso gab sie nicht die verdammte Vermißtenanzeige ein?
„Sir, ich bin mir nicht sicher, ob Sie über die Meldeerhebung bei Fällen von Verschwinden informiert sind ..."
Mike schluckte den nächsten wütenden Schrei hinunter, beugte sich vor und fixierte die Polizistin. „Hören Sie, es ist mir egal, was das Gesetz sagt. Meine Lebensgefährtin hat mich angerufen, sie hatte Angst und das Gespräch wurde unterbrochen. Das war das letzte Lebenszeichen von ihr, und ich mache mir Sorgen. Im Moment ist es mir wirklich vollkommen egal, wie lange sie weg sein muß, ehe ich sie laut dem Gesetz als vermißt melden darf. Sie ist JETZT weg! Haben Sie das verstanden?"
„Sir, es ehrt Sie, wenn Sie sich Sorgen machen um Ihre Lebensgefährtin. Aber das Gesetz sagt eindeutig, daß, solange kein Verbrechen vorliegt, eine Person erst nach zweiundsiebzig Stunden als vermißt gilt. Vielleicht ist Ihre Lebensgefährtin ja bei einem Bekannten und hatte die Zeit vergessen, oder sie hat in einem Motel übernachtet aus irgendeinem Grund."
Mike kramte in dem Rucksack, den er mitgebracht hatte, und knallte ihr das Band aus dem Anrufbeantworter auf den Tresen. „Hören Sie sich das an und sagen Sie mir noch einmal, daß Julie bei irgendeiner Freundin geblieben ist", fuhr er die Beamtin an.
Die zuckte merklich zusammen, als er so plötzlich die Stimme erhob.
Es tat tatsächlich immer noch gut, wenn es bei dieser Schlampe auch lange nicht so befreiend war wie früher. Vielleicht lag es daran, daß er sich wirklich Sorgen um Julie machte, er wußte es nicht. Im Moment würde er liebend gern mit dieser Tussi den Boden wischen, damit sie endlich ihren Hintern in Bewegung setzte und etwas für Julie tat.
„Sir, ich bitte Sie!" Die Polizistin hob beschwörend die Hände. Hinter ihr, hinter diversen, wahrscheinlich kugelsicheren, Glasscheiben konnte Mike Bewegungen ausmachen. „Beruhigen Sie sich bitte, Sir!"
„Wenn das nicht mein alter Kumpel Mike Sheridan ist ..."
Mike erstarrte beim Klang dieser Stimme, die ihn mittlerweile bis in seine Alpträume verfolgte. Er ballte einige Male die Hände zu Fäusten, um sich zu beruhigen, dann drehte er sich langsam um und begegnete dem anderen mit so lässigem Blick, wie es ihm möglich war.
Caine trug, wie lächerlich!, im Polizeirevier seine Sonnenbrille. Dennoch schienen seine Augen geradezu auf Mikes Haut zu brennen. Mit einem verächtlichen Lächeln trat der Polizist auf ihn zu, wie zufällig streifte sein Arm dabei sein Sakko zurück, so daß Mike die Marke sehen konnte.
„Lange nicht gesehen." Caines Stimme trof vor Hohn.
Wenn dieser Kerl ihm helfen konnte, dann, das wurde Mike in diesem Moment klar, würde er seine Hilfe nicht ablehnen. Es ging hier um Julie, verdammt noch einmal!
Caines unsichtbare Augen musterten ihn immer noch. „Heiße Feier heute nacht?" erkundigte er sich.
„Julie ist weg!" Mike baute diese drei Worte wie eine Mauer zwischen sich und dem Polizisten.
Caines Lächeln wurde breiter. „Ich wußte, daß sie irgendwann zur Vernunft kommen würde. Hat lange gedauert. Aber ich schätze, dafür dürfte die Feier jetzt umso schöner für sie werden."
Mikes Kiefer spannten sich vor Wut an. „Sie verstehen nicht, Caine. Julie ist nicht freiwillig weg. Sie ist nicht nach Hause gekommen nach ihrer Schicht!"
Ein anderer ziviler Beamter öffnete die verglaste Tür, die wohl zu den Arbeitsräumen und Büros führte. „Horacio?"
Caine nahm langsam die Sonnenbrille ab, wozu er beide Hände benutzte. Er nickte langsam und mit Bedacht. „Ich schätze, Sie kennen die Gesetze, Mr. Sheridan. Gesetz Nummer eins besagt, daß ich mich Ihnen nicht nähern darf. Gesetz Nummer zwei gewährt Miss Bryant zweiundsiebzig Stunden Vorsprung. Und ich schätze, wir alle hier werden gegen keines dieser beiden Gesetze verstoßen, oder?"
Mike zitterte vor unterdrückter Wut. Langsam beugte er sich vor, während eine Sehne an seinem Hals immer wieder spielte. „Ich schwöre Ihnen, Caine", knurrte er, „sollte Julie auch nur ein Haar gekrümmt werden weil Sie sich auf die Gesetze berufen, werde ich Sie dafür vors Gericht bringen!"
„Drohen Sie mir?" Caine setzte seine Sonnenbrille wieder auf. „Das sollten Sie besser nicht tun, Mike." Damit wandte er sich ab und folgte dem anderen Zivilbeamten nach hinten.
Mike blieb, immer noch vor Wut zitternd, stehen und ballte immer wieder die Hände zu Fäusten.
Begegnungen by Hyndara71
Vashtu eilte, in ihrer Tasche nach dem Schlüssel kramend, mit gesenktem Kopf aus dem Tagungsgebäude heraus, kaum daß der heutige Tag offiziell beendet worden war von den Ausrichtern der Veranstaltung. Sie hoffte auf noch ein bißchen Zeit, um sich mit Peter Babbis' Problem beschäftigen zu können, ehe er tatsächlich eintraf. Außerdem bestand die Chance, falls John und Jordan inzwischen auf dem Weg zurück waren, daß sie noch in Ruhe zusammen zu Abend essen konnten, ehe ein Teil ihres normalen Lebens sich in ihren eigentlichen Urlaub verirrte.
„Haben wir alle Sie so verschreckt, daß Sie dermaßen schnell Reißaus nehmen müssen?" fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr.
Vashtu holte erschreckt Luft und blieb stehen wie angenagelt. Langsam drehte sie sich dann herum und fand sich einem Mann gegenüber, der ungefähr in Johns Alter sein dürfte, jedoch nur wenig größer als sie war. Aus dunklen, amüsiert blitzenden Augen musterte er sie, hielt ihr dann seine Hand hin. „Shriner, Mel Shriner", stellte er sich dann vor.
Vashtu war sich sicher, ihn heute mehrfach gesehen zu haben. Er mußte wohl zu irgendeinem der großen Labore gehören, denn seinen Namen kannte sie nicht.
Sie ergriff die dargebotene Hand lächelnd. „Angenehm, Vashtu Uruhk."
„Als wenn ich das nicht wüßte", scherzte Shriner gutgelaunt. „Der neue Stern am Genetikerhimmel. Freut mich wirklich, daß Sie Zeit gefunden haben, zu dieser Konferenz zu kommen."
Vashtu nickte. „Ja, ich bin leider meist etwas ausgebucht", entschuldigte sie sich. „Man kennt das ja. Ich leite eine halbzivile Forschungseinrichtung für die Air Force zusammen mit einer Zivilistin. Da gibt es immer recht viel zu tun."
Shriner hob beeindruckt die Brauen. „Dann stimmt das also wirklich", staunte er. „Ich dachte, die Gerüchte darüber seien etwas übertrieben."
Vashtu lachte. „Nein, sicher nicht. Wir sichten größtenteils Forschungen, die sozusagen von den Vormietern stammen und befinden uns mitten in einem Krisengebiet. Da ist es nicht wirklich leicht, noch viel Zeit für anderes zu erübrigen."
„Und dennoch ziehen Sie Ihr Kind dort auf. So gefährlich kann es doch wohl nicht sein, oder?" Shriner lächelte und schüttelte den Kopf. „Entschuldigen Sie, ich falle immer wieder gern einmal mit der Tür ins Haus."
„Das ist nicht schlimm, wirklich nicht." Vashtu mußte zugeben, ihr war dieser Mann recht angenehm bisher. Nicht daß er eine Gefahr wäre für John, das sicher nicht. Aber auf seine Art war er charmant und brachte sie gefährlich nahe an die Grenzen dessen, was sie erzählen durfte.
„Ich ziehe mein Kind dort auf, das ist richtig. Wir erhalten sehr viel Unterstützung von Seiten der Einwohner, sonst würde das wahrscheinlich nicht so gut funktionieren wie jetzt."
Shriner nickte wieder. „Und deshalb sind Sie jetzt hier, stimmts?" Wieder setzte er sein charmantes Lächeln auf. „Ich muß sagen, nach allem, was ich in den letzten beiden Tagen von Ihnen und über Sie gehört habe, freue ich mich schon sehr auf unsere zukünftige Zusammenarbeit."
Vashtu stutzte augenblicklich. „Zusammenarbeit?" echote sie.
Shriner wurde ernst. „Jetzt sagen Sie mir bitte nicht, daß Sie noch gar nicht zugesagt haben. Sheppard meinte doch ..."
„Dave Sheppard?" fiel die Antikerin ihrem Gesprächspartner ins Wort.
Plötzlich ging ihr auf, was hier gerade gespielt wurde. Und ihr fiel auch ein, daß sie den Namen Shriner doch kannte. Johns Bruder schien seine Hand im Spiel zu haben, aber erst einmal einen Dritten vorzuschicken, um zu testen, ob sie überhaupt interessiert war an seinem Angebot.
Shriner nickte. „Ja, er hält ja die Mehrheit der Aktien an Genelab dank meines Partners und dessen Verkaufs des strittigen Prozentes."
Vashtu holte tief Atem, ihre Hand harkte sich in ihre Tasche. „Bedaure, Dr. Shriner, aber da sind Sie falsch informiert worden. Ich verlasse die Air Force nicht."
„Dann hat Sheppard sich noch nicht an Sie direkt gewandt, richtig?"
„Das ist korrekt. Ich habe ihn heute auch gar nicht gesehen bei der Konferenz."
„Er hat sich wohl eine leichte Magenverstimmung eingefangen", erklärte Shriner. „Jedenfalls war das seine Ausrede, als er sich heute morgen bei mir meldete. Ich schätze, er hat eher das 'Ich-hasse-alle-Wissenschaftler-die-ich-nicht-verstehe"-Fieber."
Wider Willen mußte Vashtu nun doch schmunzeln. „Tut mir leid, daß man da wohl falsche Hoffnungen für Sie geweckt hat, Dr. Shriner", sagte sie dann.
„Ist schon in Ordnung. Allerdings muß ich mich doch fragen, warum Sie bereit sind, sogar Ihr Kind aufzugeben, um auf diesem Stützpunkt zu bleiben. Müssen ja wirklich interessante Forschungen sein, die Sie da durchführen."
„Sagen wir, wir sind dort ein eingespieltes Team. Und zumindest ein Mitglied unseres Teams kann nicht in die USA einreisen aus verschiedenen Gründen. Ich arbeite gerade an solchen Dingen wie der Impfung nicht allein, zumindest nicht völlig."
Shriner lächelte wieder. „Wer tut das schon?" fragte er zwinkernd, während er sich nach vorn lehnte, um ihr diese rhetorische Frage ins Ohr zu flüstern.
Vashtu nickte, wollte sich wieder ihrer Tasche und der Suche nach dem Wagenschlüssel machen.
„Wußten Sie eigentlich, daß die Indianer, die früher einmal Florida besiedelten, den Konquistadoren von einer geheimnisvollen Quelle berichteten, die angeblich das Alter fortwaschen konnte?" wechselte Shriner plötzlich das Thema.
Vashtu stutzte, sah wieder auf. „Wie bitte?"
Der Genetiker nickte. „Der Jungbrunnen", antwortete er. „Der ewige Traum der Menschheit neben der Unsterblichkeit. Bis zu seinem Lebensende jung, fit und vital bleiben. Keine Degeneration, keine erhöhte Risiken für gewisse Krankheiten mehr."
„Hört sich nach einem Märchen an", kommentierte Vashtu. „Aber ... heißt diese Klinik, die Sie draußen in den Everglades betreiben, nicht irgendwie ..."
„Aqua Vitae, das Wasser des Lebens", fiel Shriner ihr ins Wort. „Ich muß zugeben, mein Partner ist etwas eigen und sieht sich als so eine Art moderner Alchimist."
„Sind wir das nicht auch?" fragte Vashtu. „Wir forschen nach Dingen, für die wir vor ein paar hundert Jahren noch lebendig verbrannt worden wären."
„Hehnenburgh ist da etwas eigenartig, vertrauen Sie mir. Vielleicht lernen Sie ihn ja noch kennen im weiteren Verlauf unserer Konferenz."
„Möglich ..." Vashtu wollte erneut nach dem Schlüssel suchen.
„Die von Ihnen entwickelte Impfung ist ein Schritt auf dem Weg, den Jungbrunnen zu finden, denken Sie nicht, Colonel Uruhk?" fragte Shriner.
Vashtu blickte auf. „Wieso sollte eine Impfung, die an einem Fötus durchgeführt wird, dem Mythos vom Jungbrunnen gleichen?" fragte sie verwirrt.
Shriner nickte. „Weil Ihre Impfung einen Aspekt des Jungbrunnens aufgreift: Gesundheit! Wenn Ihre Impfung erst einmal weltweit erhältlich ist, rotten Sie damit gleich eine ganze Palette von bisher nur schwer behandelbaren, erblichen Krankheiten aus, Colonel Uruhk. In der Legende vom Jungbrunnen heißt es, der Stamm, der in der Gegend um die Quelle gelebt hat, habe keine erblichen Krankheiten gekannt."
„Vielleicht waren diese Indianer Genetiker", scherzte Vashtu. „Und ob diese Impfung wirklich so viele erbliche Krankheiten bekämpfen kann wie wir es gern hätten ..." Sie schüttelte den Kopf. „Es wird noch geprüft, gegen was genau die Ketten vorbeugen können."
Shriner neigte den Kopf leicht zur Seite und musterte sie von Kopf bis Fuß. „Sie müssen Tom einfach kennenlernen, Colonel", merkte er schließlich an. „Und Sie sollten sich einmal selbst hören. Attraktiv und klug, eine wirklich verlockende Mischung. Da fragt man sich allen Ernstes, warum Ihr Lebensgefährte Sie noch nicht vor den Altar geschleppt hat."
„Weil ich das nicht möchte." Vashtu lächelte höflich. „Er möchte, und das auch schon recht lange. Für mich dagegen spielt es keine Rolle, ob wir verheiratet sind oder nicht."
„Aber soweit ich weiß, sehen Sie sich nicht oft, oder?"
Vashtu zögerte mit der Antwort, schüttelte dann den Kopf. „Leider nicht. Unsere Stützpunkte liegen zu weit voneinander entfernt."
„Mummy!" rief in diesem Moment eine Stimme hinter ihrem Rücken.
Vashtu fühlte, wie in ihr die Wärme der Mutterliebe wieder hochstieg, während sie sich jetzt umdrehte und bückte, um ihr Kind in die Arme zu schließen.
Jordan hatte eine eigenartige schwarze Kappe mit zwei runden, ebenso schwarzen Monden, auf der wilden Mähne. Vashtu brauchte eine Sekunde, ehe sie begriff, daß John, der jetzt ebenfalls den Weg von der Straße hinunterkam, Jordan wohl Mickey-Mouse-Ohren gekauft hatte.
„Mummy, ich hab dich so vermißt!"
Vashtu fand sich unvermittelt in eine Umarmung gezogen, die sie beinahe erwürgt hätte. Jordan achtete nämlich darauf, daß die Mickey-Mouse-Ohren ja nicht mit der Nase seiner Mutter kollidierten.
„Hallo, Vash", begrüßte John sie, während sie sich von den kurzen Armen zu befreien suchte. Schließlich gab sie es auf und nahm Jordan kurzerhand auf den Arm, um sich von ihm sanft küssen zu lassen.
Jordan hatte nun Shriner entdeckt und strahlte den Genetiker gleich mit seiner Zahnlücke an. „Mummy und Daddy mögen sich sehr", erklärte das Kleine voller Inbrunst.
„Das sieht man." Shriner hatte wieder sein charmantes Lächeln aufgesetzt.
Vashtu drehte sich zu ihm um. „Ich bin unhöflich. Das ist mein Kind, Jordan", stellte sie das Kleine auf ihrem Arm vor, bemerkte dabei nicht, daß Shriner sie sehr genau musterte. „Und das ist mein Lebensgefährte: Colonel John Sheppard."
Shriner stutzte, während er John die Hand hinhielt. „Sheppard?"
„Der Bruder von Dave", antwortete der Colonel ruhig. „Sozusagen das schwarze Schaf der Familie. Freut mich, Dr. ..."
„Shriner, Mel Shriner. Einer der Firmengründer von Genelab."
Johns Kopf ruckte augenblicklich zu Vashtu herum. Fragend sah er sie an, bis sie den Kopf schüttelte, dann wandte er sich wieder Shriner zu. „Tut mir leid, aber gerade heute haben wir es ein bißchen eilig. Wir erwarten nämlich einen Gast heute abend", erklärte er und blickte demonstrativ auf seine Uhr. „Und wir sind schon ein bißchen spät dran."
Shriner nickte. „Colonels, ich verstehe schon. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Colonel Uruhk, ich freue mich schon auf morgen. Und Jordan ... laß dich von der Zahnfee reichlich beschenken." Er hob die Hand noch einmal wie zum Gruß, ehe er in Richtung Parkplatz verschwand.
„Was ist denn das für einer?" John klang alles andere als begeistert.
Vashtu, die sich endlich hatte von Jordan befreien können, blickte auf. „Ich fand ihn eigentlich recht nett."

Mike stapfte durch den Sand und beobachtete den Sonnenuntergang und die Farbpalette, die dieser auf Himmel und Wasser malte.
Früher, erinnerte er sich, ganz zu Anfang ihrer Beziehung, war er gern mit Julie hergekommen. Das war noch bevor er das erste Mal die Hand gegen sie erhob, in den ersten Tagen, in denen noch Pläne für eine glückliche Zukunft geschmiedet wurden.
Er hatte Glück gehabt, befand Mike, als er sich an seine eigene Kindheit erinnerte. Julie war bei ihm geblieben, anders als seine eigene Mutter, die die Schläge irgendwann nicht mehr ertragen konnte. Ihren Sohn aber, den hatte sie zurückgelassen, und so war der kleine Mike schnell selbst das Opfer seines brutalen Vaters geworden. Er kannte es schlicht nicht anders, ihm war die Gewalt im wahrsten Sinne des Wortes eingeprügelt worden.
Mike wandte sich vom Strand ab, als er ein helles Kinderlachen hinter sich über die Dünen hallen hörte.
Ein kurzes Stück weiter hinter einer künstlichen Sandaufschüttung lagen die Ferienhäuser der begüterteren Urlaubsgäste Miamis. Noch nicht die Superreichen mit ihren Villen, aber doch schon gehobener Mittelstand. Leute, die es sich leisten konnten, ein Haus nur für ein paar Wochen im Jahr zu bewohnen, während es ansonsten leer stand. Und einige dieser Ferienhäuser wurden durch Makler oder auch privat zwischenvermietet.
Mike erinnerte sich daran, daß er selbst, damals, kurz nachdem er mit Julie zusammengekommen war, sich ein solches Haus gewünscht hatte. Ein Haus am Strand, nur eine Düne entfernt vom Wasser, weit, weit entfernt von der lauten Innenstadt oder den ghettoähnlichen Siedlungen in den Vorstädten Miamis, in denen er jetzt lebte. Damals war sein Leben noch in Ordnung gewesen - bis auf das Prügeln seiner jeweils rasch wechselnden Beziehungen ...
Mike wußte selbst nicht, was genau ihn trieb, vielleicht wirklich das immer noch erklingende Lachen des Kindes, vielleicht auch die undeutlichen Stimmen, die er sonst noch hörte, jedenfalls stieg er, so gut es ging bei dem rutschigen Untergrund, die künstliche Düne hinauf und sah schließlich hinunter auf eine Terrasse, auf der einige Gartenmöbel, ein gemauerter Grill und eine altmodische Hollywoodschaukel standen. Ein kleines, schwarzhaariges Kind, dessen Geschlecht er nicht erkennen konnte, sauste um den Tisch herum, an dem ein Mann über jeder Menge Papieren saß. Eine ebenso schwarzhaarige Frau mit Sturmwindfrisur jagte das Kind, das sich offensichtlich köstlich amüsierte.
Toll, vom Frauenprügler zum Familienspanner, kam es Mike in den Sinn. Dennoch aber sah er weiter zu, wie die Frau mit dem Kind spielte, es jagte und jagte.
„Geht das vielleicht auch leiser?" beschwerte sich schließlich der Mann und blickte auf.
Mike stutzte. Der Typ war ziemlich jung für diese Frau. Soweit er das schätzen konnte, mußte sie irgendwo jenseits der fünfunddreißig sein, er war vielleicht Anfang dreißig. Schwer zu glauben, daß die beiden eine Beziehung und sogar ein Kind hatten.
Im nächsten Moment aber geschah etwas, was Mike an seinem Verstand zweifeln ließ:
Ein zweiter Mann tauchte auf, auf den das Kind sofort zustürzte und der es liebevoll auffing. Das allein hätte Mike nicht aus der Fassung gebracht. Es war das Gesicht des Mannes, das ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Denn dieser Mann trug ... sein, Mikes!, Gesicht.
Ihm wurde die Knie weich, während er beobachtete, wie der Mann sich wieder aufrichtete, das Kind jetzt auf dem Arm, und sich über die Schwarzhaarige beugte. Zärtlich küßten die beiden sich.
„Ich bringe Jordan ins Bett, Vash. Ich bin selbst müde", sagte der Mann mit seinem Gesicht.
Die Schwarzhaarige nickte. Sie mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um ihm noch einen Kuß zu entlocken. „Schlaf gut, John", sagte sie dann mit einem eigenartigen Akzent, den Mike noch nie gehört hatte.
Er sah die Liebe in seinem (!) Gesicht leuchten, während die Frau sich jetzt auch von dem Kind verabschiedete.
Mike ertrug das ganze nicht mehr. Er mußte irgendwo eine Flasche zuviel erwischt haben von diesem Teufelszeug, was sie in dem Schnapsladen verkauften. Das konnte einfach nicht sein!
Er hetzte die Düne wieder hinunter und raste den Strand entlang, zurück in Richtung auf sein Apartment. Doch für den Rest des Abends verfolgte ihn diese glückliche, familiäre Szene wie ein Alptraum, aus dem er nicht entkommen konnte.

Es war spät geworden, als Vashtu endlich die Treppe hochstieg, die zu den beiden Zimmern im Obergeschoß führten. Peter Babbis hatte sie auf dem Sofa im Wohnzimmer zurückgelassen mit verschiedenen Lösungsansätzen für das Problem mit der Antiker-Werft, die die General Hammond vor einiger Zeit gefunden hatte.
Vashtu achtete darauf, daß sie leise war, denn sie wollte weder Jordan noch John wecken. Allmählich spürte sie selbst die Müdigkeit eines langen Tages. Darum hatte sie auch Schluß gemacht mit den Übersetzungen, bei denen offenbar keiner außer ihr helfen konnte - zumindest wenn sie Peter folgen durfte.
Vorsichtig schob sie die Tür zum Elternschlafzimmer soweit auf wie nötig, um hindurchschlüpfen zu können, tappte dann barfuß zum mondbeschienenen Bett hinüber und blieb, mit einem weichen, liebevollen Lächeln auf den Lippen, am Fußende stehen, um zu beobachten, was da zwischen den Laken lag.
Jordan mußte sich eingeschlichen haben, nachdem John eingeschlafen war. Jedenfalls lag das Kind jetzt eng an seinen Vater gekuschelt und vollkommen im Laken verheddert neben ihm. Und John hatte im Schlaf einen Arm um Jordan gelegt und hielt es auf diese Weise.
Gerade in dem Moment, in dem Vashtu sich abwenden und im Kinderzimmer ihr Glück versuchen wollte, rollte John sich herum auf die andere Seite. Die Antikerin blieb stocksteif stehen und wagte kaum zu atmen.
„Vash?" flüsterte seine schläfrige Stimme. Mühsam versuchte er sich aus den Kissen aufzurappeln.
„Du hast einen Untermieter", wisperte sie zurück, trat an seine Seite und hockte sich bei ihm nieder.
John blinzelte, runzelte dann die Stirn und drehte sich, so gut es ging. „Oh ..."
„Schlaf weiter", flüsterte sie ihm zu und wollte sich wieder aufrichten.
„Ist Peter weg?" fragte er leise.
„Schläft unten auf dem Sofa."
John blinzelte, schon deutlich wacher. Seine Finger umschlossen ihren Arm, wollten sie nicht gehen lassen. „Und wohin willst du jetzt?" In seiner Stimme war dieses gewisse Vibrato, nach dem sie sich oft genug in einsamen Stunden sehnte und ihr heiße und kalte Schauer über den Rücken jagte.
Langsam zog er sie näher zu sich, sah sie mit halbgeschlossenen Augen aufmerksam an, bis sie nahe genug war, um sie zu küssen.
Ihr Körper reagierte, als seine Finger begannen, sacht über ihren Arm zu fahren, hoch zu ihrer Schulter und von da zu ihrer Brust. Im Kuß holte sie so tief Atem wie es ging, ließ ihre Zunge mit der seinen spielen, während nun ihre Hand eine Wanderung über die Matratze begann. Erst als ihr wirklich fast die Luft ausging löste sie sich aus dem Kuß.
„Wir sollten das nicht tun", wisperte sie, fühlte aber gleichzeitig, wie ihr Körper begann zu glühen unter seinen Berührungen. „Jordan ist hier."
John, der damit begonnen hatte, ihren Hals mit kleinen Küssen zu erforschen, richtete sich plötzlich auf, warf einen Blick über die Schulter und ... erstarrte.
Vashtu kontrollierte kurz den Sitz ihrer Kleidung, richtete sich dann wieder auf.
„Jordan!" Ein kleiner Vorwurf mischte sich in Johns Stimme.
Ob diese zärtliche Eröffnung vielleicht eine Fortsetzung erfahren würde? Im Moment, mußte Vashtu ernüchtert zugeben, wohl eher nicht. Nicht solange ihr gemeinsames Kind mit großen Augen neben ihnen beiden lag und sie beobachtete.
Jetzt erschien ein entschuldigendes (und sehr zufrieden wirkendes) Lächeln auf dem weichen Gesicht. „Ich mag das, wenn ihr euch lieb habt", erklärte das Kleine.
Vashtu stieg die Schamesröte ins Gesicht. Sollte Jordan das etwa schon ...
Blitzschnell ging sie im Kopf jede Liebesnacht der vergangenen Jahre durch, ob auf Atlantis oder in Vineta. Sie meinte, jedesmal dafür gesorgt zu haben, daß ihr Kind nichts bemerkte, wenn sie miteinander schliefen. Andererseits ...
„Ab in dein Bett. Sonst können Mummy und Daddy sich eben nicht liebhaben." Johns Stimme klang tatsächlich streng, ein deutliches Zeichen dafür, daß er mißgestimmt war durch diese Situation. Ansonsten fiel es ihm ja mehr als schwer, die Stimme gegen sein Kind zu erheben.
Jordans Augen schwammen plötzlich in Tränen.
„Ach, herrje!" Vashtu krabbelte wenig elegant über John hinweg und schloß ihr Kind in die Arme. „Ist schon gut, Jordan. Daddy hat das nicht so gemeint", flüsterte sie, ehe der Tränenvulkan noch wirklich ausbrechen konnte.
Auch John schien plötzlich Reue zu empfinden. Er umarmte sie beide, vergrub sein Gesicht in der wirren Mähne ihres gemeinsamen Kindes, drückte sie an sich. „Es tut mir leid", wisperte er so leise, daß man ihn kaum hören konnte.
Jordans Weinattacke zeitigte volle Wirksamkeit.
Vashtu war durchaus klar, daß das Kind seine Tränenflut immer taktisch geschickt einsetzte und ihnen beiden damit vielleicht ein schlechtes Gewissen einimpfte, wenn sie es gar nicht zu haben brauchten. Immerhin war Jordan hier eingedrungen, nicht sie. Und sie beide als sexuell aktives Paar brauchten nun einmal auch einen gewissen Freiraum, um eben diese Sexualität ausüben zu können.
„Ich hab euch beide lieb", gestand Jordan endlich, wenn da auch noch ein deutliches Hochziehen der Nase folgte.
Vashtu seufzte, lehnte sich gegen John, dessen Arm sich sofort noch enger um ihre Schultern schloß.
„Gut, dann bringt Daddy dich jetzt wieder in dein Zimmer zurück und du wirst da brav schlafen", sagte er. Und dieses Mal kam kein Gegenangriff in welcher Form auch immer mehr. Jordan nickte nur stumm und gab seiner Mutter einen dicken Schmatzer auf die Wange.
„Und du", wandte John sich an Vashtu, nachdem er aus dem Bett gestiegen war, „du machst dich jetzt bettfein. Wenn ich wiederkomme, möchte ich dich unter dem Laken sehen ... und nur unter dem Laken."
Vashtu verstand. Vielleicht war diese Nacht der Zärtlichkeit doch nicht ganz vorbei ...
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Caine hockte vor dem letzten ausgehobenen Grab und starrte in die flache Grube hinunter.
Solange hatte er sein Leben jetzt schon in den Dienst der Gerechtigkeit gestellt, so lange kämpfte er einen einsamen und erbitterten Kampf gegen jeden Kriminellen, der in seiner Umgebung auftauchte. Doch die Niederlage, die ihm ein schmieriger kleiner Frauenprügler wie Mike Sheridan beigebracht hatte, schien all das geleistete in Frage zu stellen. Welchen Sinn hatte es denn, wenn er all seine Kraft und Zeit investierte, nur damit die Gesetzesbrecher am Ende frei kamen? Irgendwo in der Beweiskette mußte es eine Lücke geben ...
„Ich weiß nicht, Horacio", sagte sein Begleiter zögernd zu ihm. „Das hier ist Calleighs Fall. Wir sollten unsere Finger davon lassen."
„Eben nicht." Horacio richtete sich wieder auf und nahm mit einer bedeutungsschweren Geste seine Sonnenbrille ab. „Wir helfen Calleigh, die vielleicht aufgrund ihres Geschlechtes ein falsches Bild vom Täter hat. Und wir verteidigen unser Revier. Du weißt, wie schnell die Typen vom FBI sind, wenn es um spektakuläre Fälle mit Serienmördern geht, Eric."
Eric Delko seufzte schwer, kreuzte dann die Arme vor der Brust und zuckte mit den Schultern. „Dann tu, was du nicht lassen kannst."
Seit er mit Erics Schwester verheiratet gewesen war, fühlte Horacio sich gerade mit dem Jüngeren verbundener als mit den anderen Tatortermittlern. Immerhin teilten sie beide einen bestimmten Schmerz miteinander, und in ihren Herzen lebte sie weiter ... für immer.
Horacio trat soweit zurück, wie es dank der Verwehungen möglich war und betrachtete das gesamte Areal noch einmal sorgsam.
Nichts!
Es war einfach, als würde der Killer seine Opfer hier nur abladen, um sich ihrer zu entledigen. Und die Tatsache, daß sie, einmal abgesehen von verschiedenen Beruhigungsmitteln und Drogen, absolut nichts an den Leichen der Frauen gefunden hatten, machte es nicht leichter. Der Mörder ging mit soviel Bedacht vor, daß Horacio sich seiner größten Herausforderung gegenüber sah. Zumindest dürfte dieser Täter um einige Klassen zu groß für Calleigh Duquesne sein, wie er beschlossen hatte.
Horacio zog den Umschlag mit den Tatortfotos aus seinem Sakko, nachdem seine Sonnenbrille endlich wieder auf seiner Nase saß, und betrachtete diese noch einmal eingehend.
Es gab kein Muster. Wer auch immer diese zwölf Frauen getötet hatte, hatte sie weder sexuell noch körperlich gefoltert, sondern es ihnen, ganz im Gegenteil, so bequem wie möglich zu tun versucht. Abgesehen von gewissen Ligaturen durch Fesselungen und kleinen Einstichstellen war nichts zu finden gewesen.
Was wollte dieser Killer? Normalerweise ging es doch immer darum, Frauen zu beherrschen, sich sexuell an ihnen zu vergehen, sie zu verstümmeln und zu entmenschlichen. Aber hier ... ?
Eine helle Kinderstimme schrie, gefolgt von der deutlich dunkleren eines Mannes.
Einen Moment lang wollte Horacio schon weitermachen mit seinen Betrachtungen, dann aber ging ihm auf, daß ihm zumindest die Männerstimme vage bekannt erschien.
„Welcher Vater schleppt denn sein Kind mit zum Jogging?" fragte Eric verblüfft, der von seinem Standort aus eine bessere Sicht auf den Strand hatte.
Das Kind schrie wieder. Ob vor Vergnügen oder aus Angst war nicht wirklich differenzierbar.
Horacio trat neben Eric, der noch immer das Treiben am Strand beobachtete, und sah nun ebenfalls hinunter.
Und tatsächlich, da liefen ein dunkelhaariger Mann und ein kleines Kind, letzteres in einem grünen Joggingdress, nahe der Wasserlinie entlang. Soweit er das von hieraus sehen konnte, war der Mann hochgewachsen, auf jeden Fall um einiges größer als das Kind, das sich erstaunlich gut hielt.
„Verrückte Leute gibt's!" Eric schüttelte verständnislos den Kopf.
In diesem Moment spurtete das Kind plötzlich los und rannte dem Mann im wahrsten Sinne des Wortes schlichtweg davon. Der begann wieder zu rufen, beschleunigte seine Schritte.
War das nicht ... ?
Horacio nahm sich die Brille wieder ab und beobachtete den Mann, der jetzt den Strand hinauflief, dem Kind nach.
Er mochte sich irren, aber er war sich ziemlich sicher, daß er hier gerade Mike Sheridan beobachtete. Jedenfalls sah der Mann ihm erstaunlich ähnlich. Nur was wollte jemand wie Sheridan mit einem Kind? Wurde er auf seine alten Tage etwa noch zum Pädophilen?
Horacio setzte seine Sonnenbrille wieder auf und lächelte verächtlich auf den vermeintlichen Frauenprügler hinunter. Das Kind war währenddessen hinter der künstlichen Düne, die die Ferienhäuser verbarg, verschwunden. Der Mann tat es ihm endlich nach.
Vielleicht hatte er jetzt doch endlich das gegen Sheridan in der Hand, was er brauchte, um diesen feigen Mistkerl wieder hinter Gitter zu bringen.
„Eric, ich glaube, da wartet Arbeit auf uns. Komm mit."
XOXOXO
Vashtu wollte gerade zur Straße hinauf, um auf den Bus zu warten, mit dem sie in die Innenstadt fahren wollte, um dort John und Jordan zu treffen, als es hinter ihr hupte. Sie zuckte unvermittelt zusammen und drehte sich um, um zur Seite springen zu können, wenn der Fahrer zu aufdringlich wurde. Dann aber riß sie überrascht die Augen auf.
Eine dunkelblaue, sehr teure Limosine mit getönten Scheiben fuhr im absoluten Schrittempo hinter ihr, holte jetzt auf und hielt, als sie auf Höhe des hinteren Fonts war. Die Tür öffnete sich ebenso leise wie der Motor lief.
„Dr. Uruhk, steigen Sie doch ein. Ich kann Sie schnell dorthin bringen lassen, wohin Sie möchten." Dave Sheppard beugte sich vor und winkte ihr mit einer Hand.
Vashtu betrachtete den Wagen, dann beugte sie sich vor und sah in das Innere hinein. Alles war mit hellem Leder bezogen. Der Wagen schien sogar noch neu zu sein, jedenfalls roch er so.
„Mr. Sheppard, dafür, daß Sie der Ausrichter dieser Veranstaltung sind, machen Sie sich ziemlich rar, denken Sie nicht?" fragte sie.
Der Unternehmer nickte mit einem leichten, ironischen Lächeln und sah damit das erste Mal John zumindest ansatzweise ähnlich. „Touché, Dr. Uruhk."
Vashtu sah auf zur Bushaltestelle und zögerte.
Wenn sie ehrlich war, sie hatte noch nie gern die öffentlichen Verkehrsmittel auf der Erde benutzt, es sei denn ganz zu Anfang, als sie noch mit ihrem Skateboard zum Cheyenne-Mountain gefahren war. Wie lange war das jetzt schon her? Fast ein ganzes Leben, wie es ihr erschien. Soviel war geschehen, seit Johns Anwesenheit auf Atlantis sie aus der Stasis geweckt hatte wie diese Prinzessin Dornröschen aus einem Märchen, das sie Jordan schon einige Male vorgelesen hatte. Das Kleine schien gerade diese Geschichte sehr zu mögen, vielleicht wegen der unübersehbaren Parallelen zur Realität ... ?
„Ich würde gern mit Ihnen sprechen, Dr. Uruhk", wandte Sheppard sich wieder an sie und riß sie aus ihren Gedanken.
Was sollte es? Immerhin war das hier Johns Bruder. Außerdem, wenn es sich um das Gespräch handeln sollte, vor dem John sie schon gewarnt hatte, brachte es nichts, schob sie es noch länger auf. Besser die Fronten jetzt klären als sie noch mehr verhärten lassen.
Vashtu stieg in den Wagen und war froh, daß sie heute einen Hosenanzug trug. Auch wenn sie nicht gerade groß war mußte sie hier den Kopf deutlich einziehen und sich bücken, um in den Wagen zu gelangen.
Das Innere der Limosine war durch einige kleine Autolampen erhellt und, wie sie ja schon gesehen hatte, mit hellem Leder bezogen. Außerdem verfügte der Wagen über eine Klimaanlage, die beinahe zu hoch eingestellt war, zumindest nach der feuchten Schwüle draußen.
Dave Sheppard saß ihr gegenüber auf dem Rücksitz, musterte sie jetzt noch einmal von Kopf bis Fuß, ehe er sich zurücklehnte. Der Wagen fuhr so leise an, daß Vashtu es kaum wahrnahm.
„Ich habe über Sie Erkundigungen eingezogen", begann er schließlich.
Ja, das hätte sie sich fast denken können nach dem, was John da angedeutet hatte.
Dave schlug die Beine übereinander und legte seine Hände auf den oberen Oberschenkel. „Interessant. Ihre Akte liest sich wie ein Flickenteppich, der mehr oder weniger hastig zusammengestückelt wurde. Mehr als die Hälfte selbst Ihrer privaten Angaben werden unter Verschluß gehalten, wußten Sie das?"
„Es ist erforderlich", antwortete Vashtu endlich.
Dave neigte leicht den Kopf. „Dennoch aber halten Sie es ebenso für erforderlich, Ihr Kind wegzugeben, Dr. Uruhk? Trotz der Tatsache, die sogar in Ihrer psychologischen Bewertung steht, daß Sie dieses Kind abgöttisch lieben? Welche liebende Mutter gibt freiwillig ihr Kind auf?"
„Ich gebe Jordan nicht auf, ich ermögliche dem Kind eine Zukunft dort, wo diese Zukunft stattfinden wird." Vashtu hörte selbst, wie ihre Stimme immer kühler wurde angesichts der Vorwürfe, die Dave Sheppard da gegen sie erheben wollte.
Und so sah sie es auch. Atlantis und auch Vineta mochten eines Tages wieder verlassen werden von den Menschen, die jeweiligen Sternensysteme sich selbst überlassen. Sie war damals zur Atlantis-Crew gekommen, sie hatte sich der Erde angeschlossen. So schwer es ihr auch fallen mochte, aber sie würde gehen und Vineta verlassen, wenn sie das geregelt hatte, was sie regeln mußte. Welche Chance hätte Jordan in einem solchen Fall? Sollte das Kind den gleichen Eingliederungsprozeß mitmachen, den sie durchlebt hatte? Vielleicht würde für Jordan das ganze sogar noch schwerer dadurch, daß es in Vineta Freunde und Gleichaltrige hatte, mit denen es aufwuchs. Je eher sich ihr Kind also an die Erde gewöhnte, desto leichter würde ein eventueller Abschied aus dem Medusenhaupt fallen, sollte Vineta irgendwann wirklich aufgegeben werden müssen.
„Sie machen nicht viele Umstände", setzte sie noch hinzu und lehnte sich zurück. „John sagte mir, daß es Ihnen bitter aufstößt, daß er und ich ein Kind miteinander haben."
Dave schüttelte leicht den Kopf. „Mich stört es nicht, daß Sie ein Kind haben, Dr. Uruhk. Im Gegenteil sehe ich dieses Kind für mich als Chance an. Mich stört die Tatsache, daß Sie John der Vaterschaft bezichtigen, obwohl sie beide sich nachweislich eineinhalb Jahre nicht gesehen haben zu besagtem Zeitpunkt."
Er hatte also nicht nur in ihre Akte Einblick genommen, sondern auch in die von John und auch von Jordan.
„Ich denke, der Vaterschaftstest hat das eindeutig geklärt", entgegnete sie kühl. „Selbst ich kann einen genetischen Fingerabdruck nicht verändern, Mr. Sheppard. Es gab einen Kontakt während dieser eineinhalb Jahre. Und dieser eine Kontakt reichte."
„Natürlich ..." Daves Stimme klang gönnerhaft. Er musterte sie wieder, zuckte dann mit den Schultern. „Lassen wir das ganze jetzt auf sich beruhen. Sie und auch John behaupten, dieses Kind stamme von ihnen beiden, eine Vaterschaftsuntersuchung hat zumindest bestätigt, daß mein lieber Bruder nicht an sich halten konnte. Jetzt geht es dann also um die Schadensbegrenzung."
Vashtu runzelte die Stirn. „Jordan ist für Sie ein 'Schaden'?" echote sie und fühlte, wie in ihrem Inneren etwas brach. Sie wußte auch was: Die Hoffnung, die beiden Brüder doch noch irgendwie wieder an einen Tisch setzen zu können und sich für ihre Geschwisterschaft auszusprechen. Im Moment mußte sie John mehr als nur recht geben. Dave war in ihren Augen ein Schwein.
„Oh, ich bin sicher, Sie lieben Ihr Kind. Sie vergessen, ich durfte sie drei als Vorzeigefamilie schon bewundern, wenn auch dankbarer Weise nur kurz."
Vashtu beugte sich vor. Ihr Blick wurde kalt. „John hatte mich vorgewarnt, Mr. Sheppard. Er sagte mir, daß Sie versuchen würden, alles in den Dreck zu ziehen was er und ich aufgebaut haben. Ich habe das nicht glauben wollen. Inzwischen aber ..."
„Dr. Uruhk, es ist mir vollkommen gleichgültig, ob Sie sich in den Kopf gesetzt hatten, sich auch noch von mir schwängern zu lassen oder auf sonstetwas spekulieren. Es geht jetzt darum, das Ansehen MEINER Familie zu wahren. Haben Sie das verstanden?"
„Lehnen Sie sich nicht zu weit aus dem Fenster, Mr. Sheppard." Vashtus Stimme klirrte wie Eis.
Dave nickte. „Ich bin natürlich bereit, Sie zu entschädigen. Jordan wird die besten Schulen besuchen, oder selbstverständlich auch mittels Privatlehrer unterrichtet werden, ganz wie Sie es wünschen. Ansonsten aber werden Sie auf dieses Kind verzichten für eine angemessene Aufwandsentschädigung. Sagen wir ... Fünfzehn Millionen? Oder besser zwanzig?"
„Wie bitte?" An ihrem Hals schwoll eine Ader und sie mußte sich beherrschen, nicht sofort auf ihren Gegenüber loszugehen.
Dave lächelte wieder. „Entschuldigen Sie, ich vergaß. John wird Ihnen sicherlich bereits gesagt haben, daß zu diesem Deal auch der Chefsessel bei Genelab gehört. Allerdings fällt es schon recht schwer, Ihnen den Doktor abzunehmen, wenn es nicht einmal eine publizierte Arbeit gibt. Womit haben Sie promoviert?"
„Lassen Sie sich eines gesagt sein, Mr. Sheppard", knurrte Vashtu mühsam beherrscht. Ihre Fingernägel hinterließen weiße Halbmonde in ihren Handflächen und sie zitterte vor Anspannung. „Wenn Sie sich noch einmal erdreisten, mein Kind, meine Arbeit oder auch mich zu beleidigen, werden Sie das bitter bereuen. Ich will kein Geld von Ihnen, ist das klar? Und ich werde sicher nicht nach Genelab gehen. Dort wo ich bin bin ich glücklich ... MIT meinem Kind und MIT John! Und das sind Gefilde, von denen Sie nicht einmal zu träumen wagen, Mr. Sheppard. Also lassen Sie es lieber, ehe etwas passiert, was Sie bereuen würden. Und jetzt lassen Sie mich auf der Stelle aus diesem Wagen!"
„Nicht genug?" Dave hob eine Braue. Im nächsten Moment aber wurde er leichenblaß, als er ihr ins Gesicht sah.
„Das ist die letzte Warnung, Mr. Sheppard. Kommen Sie mir nicht mehr zu nahe!" zischte die Antikerin und starrte ihren Gegenüber mit kalten, gelben Wraithaugen nieder.

Sie hatte es geschafft! Sie wußte nicht genau wie, aber sie hatte sich befreien können.
Julie taumelte im Patientenkittel zur Tür, rüttelte kurz an ihr, ehe ihr aufging, daß diese in den Raum hinein öffnete. Langsam zog sie sie einen Spaltweit auf und sah hinaus.
Vor ihren Augen tanzte die Welt und sie konnte nur unscharf sehen. Das Blut in ihren Adern schien sich in flüssiges Feuer verwandelt zu haben, das jeden Atemzug und jede Bewegung schmerzen ließ.
Julie wußte nicht genau, was man ihr gegeben hatte, ebensowenig wie sie wußte, wie lange sie sich schon hier befand. Sie hoffte nur noch, irgendwie heraus zu kommen aus dieser Hölle. Zurück zu Mike und ihn um Verständnis bitten, daß sie nicht wieder zurückkehren konnte in die Klinik und ihre Arbeit damit dann auch noch verlor.
Dazu mußte sie aber zunächst einmal ein Telefon finden. Mike mußte sie abholen, denn, das war Julie klar, sie selbst würde nicht weit kommen, so sehr, wie der Boden unter ihren Füßen wankte.
An der Wand entlang, sich am kühlen Putz abstützend und daran entlanghangelnd taumelte Julie weiter.
Mike würde sicher Verständnis haben, wenn er sie in ihrem jetzigen Zustand sehen würde. Er liebte sie ja ... irgendwie. Und vielleicht hatte die Klage, die sie beide eingereicht hatten, wirklich Erfolg gehabt und sie waren die Polizei und vor allem diesen Caine endlich los.
Der Gang war leer. Aber das war er immer, fiel ihr ein. Zimmer 113 lag in einem nicht genutzten Seitenflügel, wohin sich kaum jemand verirrte. Professor Hehnenburgh hatte für sich und Dr. Shriner ausbedungen, daß nur sie beide hierher kamen, sonst niemand, es sei denn auf direkte Anweisung.
War das die Falle gewesen? Weil Ruth sie angewiesen hatte, Zimmer 113 zu säubern?
Julies Gedanken glitten wieder ab.
Der Atem wurde ihr plötzlich knapp und sie blieb, sich an die Sicherheit versprechende Wand pressend, stehen und japste.
Mike mußte sie abholen. Aber Mike haßte die Everglades. Würde er kommen, wenn sie ihn bat? Sie hoffte es.
Julie tappte endlich weiter, halbblind, weil ihr Blickfeld immer mehr verschwamm.
Was hatte man mit ihr getan?
Wenn sie nur erst hier heraus wäre und in Mikes Armen. Er würde sie trösten können, er würde ihr sicher helfen. Er liebte sie doch ...
Julie taumelte um die Ecke in den belebteren Teil der Klinik hinein. Zumindest sollte dieser Teil belebter sein, aber er war es nicht. Noch immer war sie allein auf dem Gang.
Wo war noch einmal das Schwesternzimmer, damit sie endlich ein Telefon erreichte? Lange würde sie nicht mehr durchhalten ...
„Halt! Stehenbleiben!"
Der Gang war ein Fluß, und dieser Fluß riß Julie mit. Sie taumelte weiter, stöhnte vor Schmerz und Schwäche. Und irgendwo vor ihr ... war ein Schatten.
„Ich sagte stehenbleiben!"
Wie sollte sie anhalten, wenn sie selbst nicht wußte, wie sie sich aus der Strömung des Ganges befreien konnte? Außerdem war sie doch Schwester Julie. Wieso sollte sie anhalten? Es war Dienstende und sie wollte nach Hause, sie wollte zu Mike ...
Der Schuß dröhnte in ihren Ohren, als sie schon zurückgeschleudert wurde.
Julie kam auf den Knien auf und freute sich, daß die Schmerzen so plötzlich vergangen waren. Erst dann ging ihr auf, daß ihr Körper sich eigenartig taub anfühlte.
„... helfen ..."
Sie brach nach hinten weg. Ihre Augen starrten leer zu der leise flackernden Leuchtstoffröhre hinauf, während ihr Körper die Metastasen, die er in den letzten zweiundsiebzig Stunden gebildet hatte, zurückbildete. Sie fühlte den letzten Atem nicht mehr, der ihre Lungen in sich zusammenfallen ließ, während sie wieder zu der Schwester Julie wurde, die sie bis vor drei Tagen gewesen war ...
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Vashtu stand in der Tür und hatte Tränen in den Augen. Sie wirkte so zart und verletzlich, daß es John schier das Herz brechen wollte.
So kannte er sie am wenigsten. Vashtu spielte immer die Starke, war diejenige, die nicht aufgeben konnte, die weiterkämpfte. Aber der Schlag, den sie im Moment zu verkraften hatte, war deutlich mehr, als sie ertragen konnte. Kein Wunder, ging es doch um ihr Lebenswerk.
John wußte, daß die Antikerin es nie zugeben würde, zumindest nicht in der Öffentlichkeit, vielleicht nicht einmal ihm, Anne oder George gegenüber, den drei Menschen, denen sie am meisten vertraute. Aber die Arbeit, die man ihr endlich ermöglicht hatte in Vineta und ihr dann auch schließlich den so lange verweigerten Doktorgrad einbrachte, den sie sicherlich zu ihrer Zeit inne gehabt hatte, das bedeutete Vashtu viel, fast soviel wie Jordan. Es war mehr als nur das Erbe ihrer Familie, sie blühte auf, wenn sie in ihrem Fach arbeiten konnte.
John, der bis jetzt am Küchentresen gelehnt hatte, stieß sich ab und trat auf die Antikerin zu, um sie fest und sicher zu umarmen und ihr so vielleicht die Stärke wiederzugeben, die sie im Moment verloren hatte.
Warum hatte sie denn auch mit Dave sprechen müssen? Er hatte ihr doch gesagt, was sie erwartete, ließ sie sich mit seinem Bruder ein.
Vashtu lehnte sich schluchzend an ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
John wiegte sie langsam und gab beruhigende Laute von sich. Er war im Moment mehr als froh, daß Jordan oben im Kinderzimmer war und spielte. Wenn es seine Mutter so aufgelöst sehen würde, davon war er überzeugt, würde das Kleine auch noch beginnen zu weinen. Und zwei waren im Moment ein am Boden Zerstörter zuviel für ihn.
„Ich habe Angst", wisperte Vashtu endlich und blickte mit tränennassen Augen auf.
John streichelte sacht über ihren Rücken. „Wovor?" fragte er leise.
„Davor, daß Dave uns Jordan wegnimmt." Vashtus Lippen zitterten wieder.
John schluckte, schüttelte dann den Kopf. „Das wird er nicht wagen. Dazu muß er erst an mir vorbei. Und das traut er sich nicht."
„Er hat mich doch schon als Rabenmutter abgestempelt. Er zweifelt ja sogar meinen Titel an." Vashtu drückte sich wieder gegen ihn, ihre Schultern bebten, während ihre Fingernägel sich schmerzhaft in seinen Rücken gruben.
„Niemand, der dich kennt, würde dich jemals als Rabenmutter bezeichnen. Vashtu!" John verbiß sich den Schmerz und drückte sie enger an sich. „Laß Dave reden, wenn er will. Er wird nicht weit kommen. Wir haben die besseren Karten, wir sind die Eltern. Jordan wird nichts geschehen, glaube mir."
„Und wenn er mich vor der Welt diskreditiert? Er hat das doch schon angedroht, weil diese verdammte Doktorarbeit nicht veröffentlicht wird."
John dirigierte Vashtu vorsichtig zum Sofa hinüber und drängte sie dann mit sanfter Gewalt, sich zu setzen. Er mußte ihr einfach in die Augen sehen bei diesem Gespräch, es ging nicht anders.
„Pete und ich haben so lange und so hart an dieser verdammten Impfung gearbeitet. Wir wollten Leben retten damit. Und jetzt ..."
„Vashtu, du arbeitest im weiteren Sinne für die Regierung. Das SGC ist direkt dem Präsidenten unterstellt, das weißt du doch. Wenn Dave dich also anschwärzen will, muß er sich erst mit besagtem Präsidenten anlegen, und der steht für genau die Lobby, mit der mein Bruder seine Geschäfte macht. Er wird sich nur selbst das Wasser abgraben, und das wagt er nicht, dazu ist ihm die Firma zu wichtig."
Vashtu schüttelte stumm den Kopf, während weitere, dicke Tränen über ihre Wangen kullerten.
Dave war dabei, ihrer beider Traum von einem zumindest angedeuteten Familienleben zu zerstören, ging John auf. Nicht nur, daß sein Bruder Vashtu in Mißkredit bringen wollte vor der versammelten Fachwelt, nein, er ging sogar noch weiter. Und was auch immer er da vorgebracht hatte, es hatte die Antikerin dermaßen verschreckt, daß sie ihre Welt schon in Scherben sah. Der Schmerz, den sie empfand, war kurz davor, auf ihn überzuspringen durch das emotionale Band. Noch konnte John das ganze blocken, aber wie lange würde ihm das gelingen?
„Keiner wird deine Arbeit schlecht machen, dir deinen Titel wegnehmen oder sogar Jordan. Ich werde das zu verhindern wissen, glaube mir. Wenn Dave mit harten Bandagen kämpfen will, er kennt mich nicht", sagte er mit fester Stimme.
Kannte Dave ihn wirklich nicht? Hatte er nicht vielleicht doch damals ein bißchen mehr von sich preis gegeben als er gewollt hatte, als er nach der Trauerfeier zu ihm gekommen war, um sich mit ihm auszusprechen?
„Ich werde nicht zulassen, daß mein Bruder meine Familie zerstört", fügte er noch hinzu.
Es war gleichgültig. Für ihn zählte, was er hatte, was ihm etwas bedeutete. Und das „Geschäft", wie sein Vater dieses ganze Imperium genannt hatte, über das Familie Sheppard gebot, interessierte ihn nicht einmal am Rande. Er hatte endlich das, was er sich sein ganzes Leben lang gewünscht hatte. Es mochte nicht immer einfach sein, da sie weit voneinander getrennt lebten und er sein Kind nicht so oft sah, wie es ihm lieb gewesen wäre, aber er hatte das, was er immer vermißt hatte: In Vashtu mehr als eine Seelenverwandte, die Frau, die er lieben konnte wie niemanden sonst und mit Jordan das Kind, auf das er nicht mehr gehofft hatte nach all den Turbulenzen in seinem Leben. Er würde jetzt nicht danebenstehen und zusehen, wie sein Bruder wie ein wütender Derwisch kam und ihm genau das wieder nahm, was er und Vashtu in den letzten Jahren so mühevoll aufgebaut hatten.
Vashtu schüttelte unvermittelt den Kopf. „Ich gehe morgen nicht mehr dahin", flüsterte sie heiser.
John seufzte, strich ihr mit einem Finger liebevoll eine Träne von der Wange. „Schlaf erst einmal drüber und beruhige dich", schlug er sanft vor. „Morgen kann das ganze schon vollkommen anders aussehen. Außerdem ... es ist doch nur noch morgen."
„Ich habe dich und Jordan schon viel zu sehr vernachlässigt." Vashtu blickte auf. Ihre Augen schwammen in Tränen.
„Du hast uns ganz und gar nicht vernachlässigt." John beugte sich vor und küßte sie sanft auf die Stirn. „Im Gegenteil, du hast mehr Zeit mit uns verbracht als ich zunächst angenommen habe nach der Eröffnung, daß du zur Konferenz möchtest."
Sie sah ihn schweigend an, während er ihr auch noch die anderen Tränen, die feuchte Spuren in ihre Wangen gruben, sacht fortwischte.
„Ich möchte euch nicht verlieren", wisperte sie schließlich. „Ich habe immer darum gekämpft, bei dir und Jordan sein zu können."
John nahm ihr Gesicht in beide Hände und sah sie zärtlich an. „Und du hast bis jetzt alles überlebt, selbst als es wirklich schlimm aussah", flüsterte er. „Und genau darum laß dich jetzt nicht von meinem Bruder ins Bockshorn jagen. Wenn Dave sich die Zähnen an der Regierung ausbeißen will, meinen Segen hat er. Aber er wird weder dir noch Jordan jemals wieder wehtun, das schwöre ich dir." Er beugte sich noch weiter vor und küßte liebevoll ihre warmen Lippen.
„Mummy, Daddy! Guckt doch mal!" schallte in diesem Moment Jordans helle Kinderstimme durch das Ferienhaus.
John zog sich langsam wieder zurück, ein Grinsen auf den Lippen. „Am Timing müssen wir noch arbeiten", sagte er, ehe er sie wieder losließ.
Vashtu wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht und nickte. Noch immer brannten Tränen in ihren Augen, doch auch sie lächelte.
„Mummy? Daddy?" Jordan zog beide Worte fast bis zur Unkenntlichkeit in die Länge.
Vashtu wurde unruhig. „Ich möchte nicht, daß Jordan mich so sieht", sagte sie leise. „Ich gehe laufen."
John zögerte, warf einen Blick zum Fenster hinaus. Die Nacht klopfte an das Glas. „Bist du sicher?"
„Hey, ich lebe in einer auseinanderfallenden Galaxie mit künstlich erzeugten Hybridwesen, die meist doppelt so groß sind wie ich. Ich komm schon klar." Vashtu erhob sich, zupfte an ihrer Jogginghose herum, die sie schon den ganzen Abend trug. „In einer Stunde bin ich wieder da. Dann hab ich, denke ich, auch nachgedacht."
„Laß dir Zeit." Jetzt stand auch John auf.
Vashtu ging zur Terrassentür hinüber und schob sie langsam auf. „Warte nicht auf mich, okay?"
„Mummy! Daddy!" Dieses Mal war der Ruf eher ein Singsang.
John sah, wie Vashtu in der Dunkelheit verschwand, dann drehte er sich endlich um und ging zur Treppe.

Warum mußte diese verdammte Klinik mitten in der Everglades liegen?
Mike knabberte nervös an seinen Fingernägeln, streckte dann die Hand aus und nahm das Glas, um den Inhalt auf Ex runterzukippen.
Er haßte die Everglades! Er mochte diese gewaltige Natur nicht, die Alligatoren, die Mücken und Stechfliegen, die Aale, die Vögel, das ganze Viehzeugs. Er mochte den fauligen Geruch von brackigem Wasser nicht, nicht die feuchte Schwüle, die dort draußen herrschte. Er mochte auch die Sumpfgaswolken nicht, die unregelmäßig Irrlichter über dem Gebiet tanzen ließen.
Die Everglades, das war Mikes persönliche Hölle. Der Ort, den er am liebsten am anderen Ende der Welt gewußt hätte.
Beim letzten Mal, als er in dieses verdammte Sumpfgebiet hineingeraten war, hatte ihm das die Bekanntschaft mit Caine und eine mehrjährige Haftstrafe eingebracht, nicht zu vergessen eine langwierige Entzündung durch irgendwelche Amöben, die da draußen im Sumpfwasser schwammen und sich auf jeden stürzten, der es wagte, ihnen zu nahe zu kommen.
Als Julie den Job annahm in dieser merkwürdigen Klinik hatte er von seinem geringen Veto-Recht Gebrauch gemacht und sie darüber aufgeklärt, daß, sollte jemals ihr Wagen da draußen verrecken, er sich sicher nicht bereitfinden würde sie abzuholen. Aber das größere Gewicht der nicht gerade schlechten Bezahlung hatte schließlich den Ausschlag gegeben, daß Julie doch den Job als Schwester bei diesen beiden Ärzten annahm.
Julie war auf der Arbeit verschwunden. Er hatte mit Ruth Bloch, der Oberschwester, die ihr die Anweisung gegeben hatte, dieses Zimmer 113 zu säubern, telefoniert. Die hatte sich schon Sorgen gemacht und sich ihrerseits melden wollen, wußte aber offensichtlich auch nichts. Niemand wußte irgendetwas und die Polizei legte die Hände in den Schoß und grinste sich einen.
Mike goß sich noch ein Glas ein.
Die Everglades, dieser gewaltige Sumpf, diese unwirtliche Wildnis, in der er sich immer so klein und unbedeutend wie eine Ameise fühlte. Darum mochte er das Marschland nicht, weil die Sümpfe ihn darauf aufmerksam machten, daß er vergänglich war und nichts zurückbleiben würde von ihm, wenn er in einem der Sumpflöcher verschwand oder gar einem Alligator zum Opfer fiel.
Mike schluckte den billigen Fusel hinunter, ohne ihn zu schmecken, knallte dann das leere Glas hart auf den Tisch.
Julie war noch immer nicht wieder aufgetaucht. Sie hatte sich nicht gemeldet, ihr Auto war angeblich nicht mehr an der Klinik, selbst ihre Sachen waren noch hier. Soviel also zum Thema „sie hat Sie verlassen, Mike!". Nein, nicht Julie. Die kam immer zurück, immer!
Nur dieses Mal nicht, wisperte ihm eine kleine boshafte Stimme zu. Dieses Mal ist sie wirklich weg.
Ja, das war sie wohl ...
Mike wurde die Kehle eng, japsend holte er Atem, griff nach der Flasche.
Zum Teufel mit den Everglades! Zum Teufel mit dieser verdammten Klinik! Zum Teufel mit diesen beiden Medizin-Gurus, die den Indianern einen Teil ihres Landes abgeschwatzt hatten.
Oh ja, die Patienten hatten es einfach. Kaum zwanzig Minuten lag die Klinik vom Casino entfernt. Ein Umstand, der Mike früher einmal amüsiert hatte. Es gab zwar keinen direkten Zugang, weil zwischen den beiden Anlagen Brackland lag, aber ...
Vielleicht war Julie ja in diesem verdammten Casino versumpft.
Nein, rief Mike sich zur Ordnung. Das war eine seiner ersten Anlaufstellen gewesen. Dort war sie nicht.
Er starrte die halbleere Flasche an, nagte wieder an seinen Fingern.
Und dann, von einem Moment auf den anderen, ging ein Ruck durch seinen Körper und er richtete sich auf.
Wenn ihm keiner helfen wollte, dann würde er eben selbst suchen. Auch wenn diese verdammte Klinik in den verfluchten Everglades lag, er würde rausfahren und nach Julie suchen. Genau das, was er die letzten drei Tage nicht getan hatte.
Mike kam, trotz aller innerer Ernüchterung, taumelnd auf die Beine und griff sich seine Wagenschlüssel.
Er würde Julie finden, und sie würde ihn als ihren Helden feiern, davon war er überzeugt.

Vashtu joggte den Strand entlang, der nur unzureichend erhellt wurde durch die Sterne und die fernen Lichter der Innenstadt von Miami. Ihre Augen hatten sich mittlerweile recht gut an die ungewohnte Dunkelheit gewöhnt, dennoch verfluchte sie sich selbst dafür, daß sie keine Lampe mitgenommen hatte.
Mittlerweile war es für sie einfach nur ungewohnt, wenn es abends nicht hell genug war, um selbst Zeitung lesen zu können.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Wieso hatte sie getan, was sie getan hatte? Es hatte ihr doch klar sein müssen, daß Dave ihr daraus einen Strick drehen konnte. Sie hätte es John sagen müssen, aber ... Wenn sie ehrlich war, schämte sie sich dafür, daß sie sich nicht richtig unter Kontrolle gehabt hatte in der Limosine.
Es war einfach ihre schlimmste Angst, mußte sie zugeben. Alles konnte man ihr nehmen, wenn es sein mußte sogar ihre Arbeit. Aber niemand durfte ihr John oder Jordan wegnehmen, niemand! Was man im Medusenhaupt nicht geschafft hatte, keiner ihrer Feinde, weder ihrer persönlichen, noch die Vinetas, das würde sie auch auf der Erde nicht zulassen.
Und doch hatte Dave mehr oder minder direkt gedroht, ihr Jordan wegzunehmen. Er hatte sie bezichtigt, eine billige Hure zu sein, die sich aus purem Kalkül hatte schwängern lassen.
Ihre Augen brannten wieder. Sie mußte blinzeln und redete sich ein, daß es nur die salzige Luft so nahe am Wasser war, auch wenn sie es besser wußte.
Wenn sie sich nur an ihre Schwangerschaft zurückerinnerte, daran, wie sie erfahren hatte, daß sie Johns Kind unter dem Herzen trug. Wenn sie daran dachte, zu was Jordan sie damals gezwungen hatte ... Es wurde ihr immer noch übel.
Anne hatte seit der Geburt mehrmals in Gesprächen betont, daß sie Jordan hätte abtreiben lassen für das, was es damals angerichtet hatte. Doch Vashtu wußte es besser. Sie kannte ihre beste Freundin so gut wie kaum jemand anderen, einmal abgesehen vielleicht von John. Anne hätte sich ebenso wie sie an dieses ungeborene Leben geklammert, wenn sie in der gleichen Situation gewesen wäre.
„Wäre es anders und du ein Mann ..."
Vashtu war es, als stünde sie plötzlich wieder in diesem Park, den Annes Bewußtsein geschaffen hatte, und würde erneut die Hand der anderen halten.
Jordan hatte zwei Mütter, ging ihr auf. Anne war mindestens ebenso an der Erziehung des Kindes beteiligt wie sie als die leibliche Mutter. Und Jordan akzeptierte diese Situation auf eine ganz eigene kindliche Art.
Vashtu wußte, wie sehr das Kind geweint hatte, als diese Sache mit Anne geschah, man hatte ihr berichtet, das Jordan sich damals beinahe die Seele aus dem Leib gebrüllt hatte, als man sie, Vashtu, mit den Irion-Spinnen folterte und das Kleine durch purem Zufall im Kontrollraum gewesen war, als eine neue Forderung einging.
Was hatte sie für ihr Kind riskiert? Seit es Jordan gab, und das wurde Vashtu jetzt erst richtig klar, tat sie, was sie tat, für das Kleine. Anne hatte gemeint, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr, sie würde nach der Geburt ruhiger und umsichtiger werden. Das war nicht der Fall, und der Antikerin ging endlich auf, warum: Weil es da noch drei andere gab, die auf Jordan achten konnten, wenn ihr etwas zustieß.
Nein, seit das Kind geboren war, tat sie, was sie tun mußte, mit dem Herzen einer Mutter, die ihr Leben geben würde, wenn sie dadurch das ihres Kindes retten konnte. Es mochte stimmen, daß sie längst nicht mehr so waghalsig war wie früher, aber gab es eine Bedrohung, war sie zur Stelle, um zu tun, was sie als ihre Pflicht empfand. Jordan mußte leben, mußte groß werden, erwachsen, würde vielleicht irgendwann selbst Kinder haben, das war alles, was letztendlich zählte. Vashtu war klar, sie würde selbst Vineta riskieren, wenn sie dadurch ihrem Kind helfen konnte.
Wenn sie ehrlich war, im Moment wünschte sie sich wirklich Anne hierher. Nicht, weil John nicht helfen konnte, wahrscheinlich war genau das Gegenteil der Fall. Nein, sie brauchte jedes Quentchen Kraft, das sie bekommen konnte. Und Anne hatte ihr von Anfang an Kraft gegeben durch das Vertrauen, daß sie in sie investierte.
„Wäre es anders und du ein Mann ..."
Das hatte Anne zu ihr gesagt damals, in dieser Traumwelt, in der die zivile Leiterin der Stadt gefangen gewesen war. Vashtu hatte eine Ansteckung riskiert, hatte interveniert, wie und wo sie konnte, um Anne weiter in der Stadt halten zu können. Dabei aber war ihr auch klar geworden, daß es ihr ähnlich ging, wenn auch auf einer anderen Ebene. Anne war der ausgleichende Teil, der Brunnen, aus dem sie Kraft schöpfen konnte, das was sie brauchte, auch für Jordan. Wäre Anne nicht gewesen, trotz der Weigerung, sie an einem Heilmittel für die Erethianer mitarbeiten zu lassen, sie wäre nicht hier, würde nicht von der Fachwelt wahrgenommen und als neuer Stern am Genetikerhimmel gefeiert werden. Hätte Anne die Berichte und Forschungsergebnisse, die sie irgendwo in den Tiefen ihres Rechners vergraben hatte, nicht nach Atlantis und dann zur Erde geschickt, ihr wäre nie der Doktortitel zugesprochen worden, der sie jetzt so stolz machte.
Wäre Anne jetzt hier, ihr würde sicherlich irgendetwas einfallen, ging Vashtu auf. Irgendwie würde sie sie abzulenken wissen und vielleicht wirklich John das Ruder überlassen. Oder sie würde mit ihrem fraulichen Charme, um den Vashtu sie ehrlich beneidete, irgendeinen Verantwortlichen in die Pflicht nehmen als Ritter auf dem weißen Roß, der zur Ehrenrettung der Antikerin angaloppiert kommen würde. Anne würde eine Lösung finden, die ihr nicht die Tränen in die Augen trieb vor Angst.
Ein flackerndes Licht riß die Antikerin aus ihren Gedanken. Sie stoppte und blinzelte in die Nacht die Düne hinauf. War da nicht ein leises Wispern?
Vashtu zögerte, sah kurz auf ihre Uhr hinunter und stellte fest, daß die Stunde, um die sie John gebeten hatte, fast vorbei war. Sie sollte umkehren, nach Jordan sehen und versuchen, diese ganze Sache zu vergessen. Vielleicht hatte sie Dave ja genug eingeschüchtert, daß der nicht einmal in Erwägung zog, noch weiter zu gehen.
Wieder huschte ein greller Lichtfinger durch die Nacht.
Vashtu sah sich kurz am Strand um, doch abgesehen von den stetig auflaufenden Wellen war dieser Teil des Strandes leer.
Was ging da oben vor sich?
Ihre Neugier war geweckt. Tief und schwer stapfend, als würde sie durch frisch gefallenen Schnee laufen, nahm sie die Düne in Angriff und kam mühsam vorwärts. Ein kurzes Stück weiter flatterte etwas in der kühlen Brise vom Ozean her. Wäre es heller gewesen, wäre Vashtu sicherlich die gelbe Färbung des zerrissenen Plastikbandes aufgefallen, sowie der Warndruck: Crime Scene - Do not cross!
Die Stimmen wurden deutlicher, aber sie verstand immer noch kein Wort. Es ging ihr nur auf, daß es sich nur um eine Stimme handelte, die offensichtlich einen Monolog abhielt. Wozu und warum war ihr allerdings nicht klar ... oder besser solange nicht klar, wie sie brauchte, um am Gipfel der Düne anzukommen.
Ein Mann stand, einen Spaten in der Hand, über einer flachen Grube. Und in dieser Grube sah Vashtu etwas gelbliches leuchten, das definitiv kein Sand war.
„Sie?" Entgeistert trat die Antikerin näher, konnte nicht glauben, wen sie sah.
Aber es war wahr: Eine Leiche lag in der flachen Grube, und ein Mann war dabei, eben diese Grube wieder zuzuschaufeln.
Jetzt blickte der Mann auf und begann wie irr zu lächeln. „Dr. Uruhk, wie schön. Ich wollte ohnehin mit Ihnen über Ihren Genpol sprechen. Tom?"
Er war nicht allein!
Das ging Vashtu in dem Moment auf, in dem die Breitseite eines zweiten Spatens ihre Schläfe traf und sie zusammensackte wie eine Marionette, deren Fäden man durchschnitten hatte ...
Der Streit by Hyndara71
„Daddy, wo ist Mummy?"
John grummelte unwillig, wollte sich auf die andere Seite drehen und weiterschlafen. Doch irgendwie ging ihm dabei das Bett aus, und das Rütteln zweier kleiner Hände wurde nicht besser dadurch, daß er fast herunterfiel von dem, auf dem er lag.
„Daddy!"
Endlich erkannte er, daß er auf dem Sofa lag, öffnete blinzelnd ein Auge, dann das zweite. Ein kleines, rundes Kindergesicht mit einer vorlauten Stupsnase und großen, dunkelbraunen Augen unter einer wuseligen Mähne schwarzen Haares tauchte in seinem Gesichtsfeld auf.
„Jordan ..."
Er kam zu sich, stöhnte leise auf und verbarg sein Gesicht hinter den Händen.
„Daddy, wo ist Mummy?" fragte das Kleine wieder.
John streckte sich, so gut das möglich war und gähnte einmal. „Mummy wollte noch ein bißchen Laufen", antwortete er endlich und rappelte sich auf die Ellenbogen. „Sie wollte in einer Stunde ..." Sein Blick fiel auf seine Uhr und augenblicklich verstummte er.
Daß Vashtu hatte für eine Stunde joggen wollen, um einen klaren Kopf zu kriegen, war mittlerweile drei Stunden her. Er war auf dem Sofa eingeschlafen und hatte es sogar versäumt, Jordan ins Bett zu bringen.
„Daddy, bitte, wo ist Mummy?" behaarte das Kleine. Erste Tränen glänzten in den großen Augen, als er aufblickte.
Nicht das jetzt auch noch!
John umarmte das Kleine und drückte es liebevoll an sich, während in seinem Hirn sämtliche Gedanken durcheinander ratterten, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Vashtu war wegen der Sache mit Dave sehr aufgeregt gewesen, außerdem war Babbis noch auf der Erde. Vielleicht hatte man die Antikerin schlicht kontaktiert, um kurz im SGC oder in der AREA 51 das richtige Werkzeug zur Lösung des Problems mit der Werft zu suchen und den Umgang damit zu erklären.
Dann hätte sie sich wie auch immer bei ihnen gemeldet, ging ihm auf. Wenn es um ihre Familie ging, machte Vashtu keine Fehler, vor allem nicht, wenn es um solche Dinge ging. Sie wußte, daß er sich Sorgen machte, blieb sie weg. Außerdem waren diese gemeinsamen Urlaube etwas so besonderes und seltenes, daß sie beide sämtliche Störfaktoren so schnell wie möglich ausmerzten, da ging es ihm nicht anders.
War Vashtu vielleicht zu Dave gegangen, um noch einmal mit ihm zu sprechen? Immerhin war sie sehr in Sorge gewesen, als sie zum Joggen ging. Andererseits aber war er sich nicht sicher, ob sie überhaupt wußte, wo Dave abgestiegen war für seinen Aufenthalt in Miami. Er jedenfalls hatte nichts darüber gesagt, da war er sicher.
„Daddy, Mummy ist etwas geschehen", schluchzte Jordan an seiner Brust.
Hoffentlich doch nicht! Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Wieso denn auch? Hier gab es keine wie auch immer geartete Bedrohung.
Irgendwo in seinem Hinterkopf schrillte eine Alarmglocke. Das war so nicht ganz richtig. In den letzten Tagen hatte er am Rande irgendetwas registriert, da war er sicher.
„Mummy ist Laufen gegangen und hat wahrscheinlich die Zeit vergessen", beruhigte er das Kind und wiegte es sacht hin und her.
Jordan schüttelte stumm und weinend den Kopf, daß die Haare Johns Kehle kitzelten.
Er versuchte in sich hineinzuspüren, doch da war nichts. Er fühlte das emotionale Band, aber keine Empfindung. Vashtu lebte also noch, aber mehr konnte er im Moment nicht sagen.
„Weißt du was? Wir fragen jetzt einfach beide bei der Nemesis nach, ob die wissen, wo Mummy ist, okay?" fragte er sanft.
Jordan hob den Kopf und schniefte, nickte aber nach einer kleinen Weile. „Okay, Daddy."
Er schob sich auf dem Sofa, das Kind noch immer im Arm, zur anderen Seite und öffnete das Schubfach des kleinen Unterschrankes, auf dem dekorativ eine Schirmlampe stand. Ein bißchen mußte er mit den Fingern tasten, ehe er gefunden hatte, wonach er suchte: einen der handlichen antikischen Kommunikatoren, die sich eingebürgert hatten, seit Vineta offiziell zur zweiten großen Außenbase der Erde geworden war. Diese Geräte waren einfach leistungsstärker als die klobigeren Funkgeräte, die sie früher benutzt hatten, und sie waren unauffälliger und zuverlässiger.
Jordan kletterte auf seinen Schoß und schlang die kurzen Arme um seinen Hals, während er das Gerät, das eigentlich nur im Notfall benutzt werden sollte, aktivierte. Aber ... war das jetzt kein Notfall? Vashtu war immerhin seit zwei Stunden überfällig.
„Hier ist die Nemesis, Colonel Makepiece", meldete sich eine kleine Stimme.
John seufzte erleichtert. „Ernest, ich bin froh, daß du es bist", antwortete er. „John Sheppard hier."
„John, hat Babbis sein Waschzeug vergessen?" scherzte der Kommandant des Erdenschiffes.
„Onkel Ernie, hast du meine Mummy gesehen?" platzte es in diesem Moment aus Jordan heraus.
„Vashtu ist verschwunden?" Sofort klang Makepieces Stimme alarmiert. „Was ist passiert?"
„Wenn wir das wüßten ..." John warf Jordan einen strengen Blick zu. „Sie ist vor drei Stunden für eine Stunde laufen gegangen. Seitdem haben wir nichts mehr von ihr gehört."
Makepiece schwieg. Er schwieg lange, und in jeder Sekunde schien die Zeit länger zu werden.
„Ihr Transmitter ist inaktiv", meldete der Kommandant der Nemesis sich schließlich.
John sog scharf die Luft ein und wartete.
Er wußte, was es bedeuten konnte, gab der Chip unter der Haut eines jeden Stargate-Mitarbeiters seine Arbeit auf. Die Batterie des winzigen Senders wurde durch das natürliche Herz-Kreislaufsystem des Körpers wieder aufgeladen. War ein Chip inaktiv, dann ...
„Es ist ein alter und er ist noch nicht ausgewechselt worden. Darum sollte Vashtu sich kümmern, ehe euer Urlaub vorbei ist. Hat sie wahrscheinlich vergessen in der ganzen Aufregung um diese Konferenz", erklärte Makepiece endlich.
John atmete erleichtert aus und öffnete die Augen wieder.
„Soll ich Cheyenne-Mountain informieren?" fragte Makepiece nach einer Weile.
Vielleicht hatte er sich doch verquatscht und Vashtu war zu Dave, um dem noch einmal ins Gewissen zu reden. Erschreckt genug war sie für eine solche Handlung gewesen, ging ihm auf.
„Daddy?" Jordan sah ihn groß an.
War es nicht noch ein bißchen früh, um die Kavallerie zu rufen? Vielleicht ... nein, sicher tauchte Vashtu wieder auf. Und wenn nicht ... ?
„Sollte sie bis morgen früh nicht wieder da sein, frage ich bei der Polizei nach", entschied John endlich. „Sie war sehr aufgebracht, als sie ging. Es ist heute nicht alles ... so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hat. Du kennst sie ja."
„Allerdings", kommentierte Makepiece trocken. „Aber ich weiß auch, daß sie Jordan niemals im Stich lassen würde. Mit ihren eigenen Worten: Eher frieren sämtliche Höllen der Erethianer ein."
Da war was dran, mußte er zugeben. Vashtu würde niemals ihr Kind irgendwo zurücklassen, selbst bei ihm nicht, kam es auf die letzte Entscheidung an. Andererseits hatte Dave sie sehr erschreckt und ...
„Wer ist noch da oben?" fragte John endlich.
„Die Apollo zum Durchchecken. Die Odyssey kommt in drei Tagen, dann sollten wir eigentlich wieder auf dem Rückweg sein, ist ja ein bißchen bis zum Medusenhaupt, selbst mit ZPM", antwortete der Kommandant.
Er würde erst noch mit Dave reden, entschied John. Und er würde auf jeden Fall bei der Polizei nachfragen. Vielleicht war doch irgendetwas passiert, von dem er nichts wußte, in diesem Fall würde das Police Department sicherlich zumindest eine Notiz vermerkt haben.
„Warten wir bis morgen früh", sagte John, fühlte sich aber gleich schuldig. Und das lag nicht nur an Jordans anklagendem Blick.

Aufzeichnung des Telefongespräches zu Mr. Dave Sheppards Apartment in Miami:

Mr. Francis Lovejoy (privater Mitarbeiter): Ja bitte? Mit wem spreche ich?
Colonel John Sheppard (Bruder): Ich muß auf der Stelle mit Dave reden. Also geben Sie ihn mir (im Hintergrund ist ein weinendes Kind zu hören).
Lovejoy: Ich bedaure, aber ...
John Sheppard: Ich weiß, daß er da ist. Also gehen Sie jetzt los und holen Sie meinen Bruder sofort an den Apparat. Ich will jetzt keine Ausflüchte hören.
Lovejoy: Ihren ... Bruder, Sir?
John Sheppard: David Sheppard jr. Ich muß ihn auf der Stelle sprechen.
Lovejoy: Und Sie sind ... ?
John Sheppard: Immer noch sein Bruder John. Der, über den man in der Familie nicht spricht, weil er ja das schwarze Schaf ist.
Dave Sheppard: Ist schon gut, Francis. Ich übernehme das.
Lovejoy: Ja, Sir. (Ein Klicken in der Leitung, der Teilnehmer hat aufgehängt)
John: Ist sie bei dir?
Dave: Wer?
John: Vashtu. Ist Vashtu bei dir?
Dave: Na, ist das nicht süß! Deine kleine Freak-Hure kommt nicht nach Hause und ich werde verdächtigt!
John: Vashtu ist keine Hure. (Zögern) Freak?
Dave: Ich weiß nicht, ob es in deinem Ressort üblich ist, daß Menschen plötzlich ihre Augenfarbe verändern. In meinem Geschäft ist es nicht normal.
John: (atmet tief ein) Was hast du ihr noch an den Kopf geworfen?
Dave: Deine Freundin bedroht mich und ich werde bezichtigt? John, du solltest wirklich einmal über deine Motivation nachdenken. Es ist ja schön und gut, wenn du dir von einer Schlampe ein Kind anhängen läßt, aber wenn diese Schlampe nicht einmal wirklich menschlich ist, dann solltest du doch einmal mit dem Kopf denken.
John: Vashtu tut soetwas nur, wenn sie gereizt wird. Und als sie nach Hause kam WAR sie sehr gereizt. Sie sagte, du wolltest ihr Jordan und ihren Titel wegnehmen. Also rede dich jetzt nicht heraus!
Dave: Wieso sollte ich ihr etwas wegnehmen, das nicht einmal nachweisbar ist. Oder kennst du ihre Doktorarbeit? Offen einsehbar ist sie jedenfalls nicht.
John: Ich kenne ihre Arbeit, da hast du verdammt recht, ich kenne sie sogar sehr gut.
Dave: Dann darf ich davon ausgehen, daß du diesen kleinen Augentrick auch kennst?
John: Ich habe dir bereits gesagt, daß ich weiß, wann sie soetwas tut. Aber das ist keine Antwort auf meine Frage. Wo ist sie?
Dave: Wie gesagt, woher soll ich das wissen? Bin ich ihr Babysitter? Mir hat es gereicht, als sie mich plötzlich mit diesem irren Raubtierblick fixierte.
John: Vashtu ist weg, weil sie etwas klären wollte. Und mit wem sonst als mit dir hätte sie etwas zu klären? Wir kennen hier ja nicht einmal jemanden!
Dave: Ich finde deine Blauäugigkeit immer wieder erstaunlich, Bruderherz. Wieso gehst du davon aus, daß deine Angebetete niemanden in Florida kennt? Vielleicht ist sie ja zu ihrem Zuhälter, um ihm einen Teil von was auch immer zu geben?
John: Hüte deine Zunge!
Dave: Ach komm schon, John. Wann hättest du denn einmal etwas richtig zu Ende gebracht? Wann hättest du denn überhaupt schon einmal etwas geschafft? Selbst Nancy hast du fallenlassen wie eine heiße Kartoffel. Und Nancy wäre genau richtig für dich gewesen.
John: Geht es darum? Weil ich mich habe von Nan scheiden lassen? Wäre es besser gewesen, wenn wir beide uns irgendwann nicht mehr hätten gegenseitig ins Gesicht sehen können? Ich habe sie nie geliebt!
Dave: Liebe wird definitiv überbewertet.
John: (lacht bitter auf) Warum schließt du eigentlich immer von dir auf andere? Weil Dad es dir jahrelang eingetrichtert hat? Du weißt absolut nichts über Vashtu oder mich, du wußtest ja nicht einmal, daß wir beide zusammen sind. Aber kaum daß du es weißt schießt du dich auf sie ein. Hast du eine Ahnung, wie sehr du sie verletzt hast mit deinen wilden Unterstellungen?
Dave: Erzähl mir doch nicht so einen Blödsinn! Deine kleine Hure hat sich verzogen, dir das Balg dagelassen und kommt hoffentlich niemals wieder. Besser jedenfalls wäre es! Was ich ihr vorgeschlagen habe war schlicht und ergreifend eine Abfindung und daß sie das Kind denen überläßt, die etwas damit anfangen können.
John: Du wolltest ihr Jordan wegnehmen?
Dave: Ich kann nicht zulassen, daß irgendwelche Bastarde von dir die Firma gefährden. Dieses Kind ist schon schlimm genug - bei der Mutter! Da will ich es zumindest unter Kontrolle haben. Außerdem ... es ist doch das beste für das Balg, wenn es eine anständige Ausbildung erhält als wenn es irgendwo auf der Straße aufwächst. Ihr zwei seid doch beide nicht fähig, es zu erziehen, schon gar nicht zu einem Erben für die Firma.
John: Hast du den Verstand verloren?
Dave: Im Gegensatz zu dir denke ich mit dem Hirn, mein lieber Bruder. Ich schwängere nicht eine beliebige Schlampe und stehe dann auch noch zu dem Balg.
John: Sei froh, daß ich dich nur anrufe ...
Dave: Soll das eine Drohung sein?
John: Faß es auf wie es dir beliebt.
Dave: Es ging dir doch nur um ein bißchen Spaß. So bist du doch schon immer gewesen.
John: Hör auf damit!
Dave: Ist doch wieder typisch für dich. Deine Tussi verschwindet und der erste, den du anrufst, bin ich. Soll ich mich da geschmeichelt fühlen? Immerhin dachte ich, ich hätte ihr klar gemacht, daß ich nicht daran interessiert bin, auch noch irgendwelche Bälger mit ihr zusammen in die Welt zu setzen. Vor allem nicht, wenn da solche Freaks wie sie am Ende rauskommen.
John: Schließ nicht von dir auf andere, Dave! Ich dachte, daß Vashtu vielleicht zu dir kommen würde, um die Sache zu klären, die sie so belastet hat. Im Gegensatz zu deinen Gespielinnen ist sie nämlich treu.
Dave: Als Richtwert für wieviele nebenher?
John: Für niemanden! Und jetzt hör endlich mit diesen Beleidigungen auf! Du kennst sie nicht, du weißt absolut gar nichts über sie und maßt dir doch ein Urteil über sie an.
Dave: Ich kenne andere wie sie, und ich weiß, daß bei dir nie etwas gutes herauskommen kann. Wie Dad schon immer sagte ...
John: Dad ist tot und begraben, also halt ihn da heraus. Diese Angelegenheit geht uns beide etwas an, und nur uns beide!
Dave: Dad hat einen Fehler in seinem Leben begangen, einen Fehler, den er für immer bereut hat. Und du hast den gleichen Fehler begangen. Also kann ich ihn da nicht heraushalten, verehrter Bruder.
John: Du wirst mir auch nicht unsere Mutter vorwerfen, Dave. Nur weil du sie kaum kanntest und dir über andere ein Urteil gebildet hast ...
Dave: Was denn für ein Urteil? Was ist das für eine Mutter, die in ein Krisengebiet fliegt, wenn sie zu Hause zwei kleine Kinder hat?
John: Eine Frau, die verantwortungsbewußt ist ...
Dave: Lächerlich!
John: Wenn es dir darum geht, kann ich dich beruhigen: Auch Vashtu hat sich schon mehr als einmal für andere opfern wollen. Wenn du von ihr als Freak sprichst, solltest du vielleicht wissen, daß sie getan hat, was sie getan hat, um ihren Bruder zu retten. Doch leider war es zu spät und er starb. Sie hat mir das Leben gerettet, ebenso mehr als genug anderen, die hier und jetzt bezeugen würden, daß sie ein guter Mensch ist.
Dave: (gehässig) So wie du über sie redest, klingt es, als hättest du Mums Wiedergeburt gefunden.
John: Wer weiß, vielleicht habe ich das auch ...
Dave: Melde dich wieder, wenn du bei klarem Verstand bist!
(Gespräch beendet)
Eine folgenschwere Verwechslung by Hyndara71
Trotz der Tatsache, daß die Sonne gerade erst am östlichen Horizont erschien und scheinbar mühsam den Himmel hinaufkroch, saß Horacio Caines Sonnenbrille schon auf seiner Nase.
Calleigh Duquesne, eigentlich seine Stellvertreterin beim CSI, seufzte schwer und beugte sich über das flache Grab, neben dem die Pathologin Alexx Woods hockte und die Tote einer ersten Untersuchung unterzog.
„Dieses Mal ist Gewalt angewendet worden", bemerkte die Afro-Amerikanerin und wies mit einem perfekt manikürten Fingernagel auf das kleine Loch in der Brust des Leichnames.
Calleigh nickte und fragte sich wieder, wie Alexx es schaffte, bei ihrer Knochenarbeit solche Nägel zu besitzen. Früher einmal war sie schlichtweg davon ausgegangen, daß die Pathologin vielleicht falsche Fingernägel benutzte, inzwischen aber wußte sie es besser.
Calleigh beugte sich über das deutliche Einschußloch. Wenn es eine Begabung gab, die sie besaß, dann war es ihre Kenntnis über Schußwaffen und alle möglichen und unmöglichen Wunden, die man damit zufügen konnte.
„Ein eher kleines Kaliber", merkte sie an. „Vielleicht eine 25er? Wenn die Kugel noch steckt, sollte sie eigentlich recht leicht zu identifizieren sein. Diese Kleinkaliber sind schon zum Großteil aus dem Verkehr gezogen."
„Ich laß dir die Kugel zukommen." Alexx lächelte. „Und es gibt keine Austrittswunde."
„Und keine Schmauchspuren, zumindest keine offensichtlichen ..." Calleigh nahm aus ihrer Tasche, die sie neben die Grube mit der Leiche abgestellt hatte, ein Papierpat und strich kurz über die Haut um die Wunde herum, ehe sie ein bestimmtes Spray benutzte, das unsichtbare Verbrennungsspuren einer Feuerwaffe sichtbar machte. „Nichts." Sie seufzte schwer.
„Ich kenne die Tote", merkte in diesem Moment Horacio an.
Calleigh ging auf, daß es eindeutig zu früh am Tag war für sie. Sie hatte schlechte Laune, und es wurde nicht besser dadurch, daß ihr Vorgesetzter sich jetzt auch noch in ihre Untersuchung einmischen wollte. Widerwillig blickte sie also auf und wartete.
Horacio nahm sich mit Bedacht die Sonnenbrille wieder ab und hockte sich Alexx gegenüber über das flache Grab. „Das ist Julie Bryant", erklärte er dann endlich, nachdem er den Aufschlag seines Sakkos bedeutungsschwer hinter seine Marke geschoben hatte. Sinnend richtete er sich auf und setzte sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase. „Ganz sicher. Und damit haben wir auch endlich einen Verdächtigen ... Mike Sheridan!" Seine Stimme klang triumphierend.
Calleigh schluckte die harte Antwort, die ihr auf der Zunge brannte, hinunter, flüsterte statt dessen tonlos einen Fluch auf spanisch, ehe auch sie sich wieder aufrichtete.
„Denkst du nicht, du bist jetzt ein bißchen schnell?" merkte sie an.
Alexx rammte dem Leichnam ein Thermometer in den Leib, um die Lebertemperatur zu messen. Als die Meßsonde auf das schlaffe, tote Fleisch traf, erzeugte es ein schmatzendes Geräusch, das Calleigh im Moment einen Schauer über den Rücken jagte.
„Ich vergesse nie ein Gesicht", behaarte Horacio.
Irgendwie ging ihm diese ganze Sache mit der Unterlassungsklage ziemlich an die Nieren, fiel Calleigh zum wiederholten Male auf. Allmählich wurde dieser Sheridan zur Nemesis ihrer ganzen Abteilung, wenn Horacio nicht doch noch irgendetwas fand, dessen er ihn überführen konnte.
„Jetzt also Serienmord?" seufzte sie schwer, stutzte dann und trat an ihrem Vorgesetzten vorbei zur anderen Seite der Senke.
„Ich sage nicht, daß er für alle Morde verantwortlich ist, aber für den an Julie Bryant sicherlich", antwortete Horacio. „Er war doch sogar auf dem Revier, um sie als vermißt zu melden."
„Einunddreißig Grad", rief Alexx Calleigh zu, die sofort rechnete.
„Also gestern gegen abend ist sie erschossen worden." Die Tatortermittlerin lächelte freundlich. „Und da Sheridan schon vor drei Tagen auf dem Revier war ..."
Für sie war er damit ausgeschieden aus der sehr kleinen Runde der Verdächtigen. Ganz ausschließen konnte sie ihn zwar nicht, aber er paßte nicht so recht ins Profil. Und so wie sie Horacio kannte, würde der Sheridan sicher vorladen lassen. Und damit war der dann aus dem Schneider.
Calleigh hockte sich an die neue Stelle und wies auf den Sand. „Das ist Blut", kommentierte sie, neigte den Kopf leicht, um das ganze besser überschauen zu können. „Sieht aus, als wäre hier jemand hingefallen und dann ..." Sie erhob sich wieder, den Kopf immer noch schief haltend drehte sie sich um und folgte der undeutlichen Spur mit den Augen. „Ich schätze, unser Killer hat sein nächstes Opfer gleich hier eingesackt und mitgenommen", beendete sie schließlich ihre Ausführung.
„Vielleicht stammt das Blut auch vom Täter. Möglicherweise hat Julie Sheridan vorher kratzen können", schlug Horacio vor.
Calleigh schnappte sich die Kamera und die Hütchen und begann mit der Sicherung des Beweismaterials. „Wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt." Mehr sagte sie nicht. Mehr war allerdings auch nicht nötig, denn Horacio, offensichtlich beflügelt von der Vorstellung, endlich den gemeingefährlichen Mike Sheridan doch noch aus dem Verkehr ziehen zu können, hatte bereits den Rückzug zu den Fahrzeugen angetreten. Und sicherlich würde er auf direktem Wege den nächsten Richter aufsuchen, da war Calleigh sich sicher.

Das war ganz sicher nicht sein Tag, beschloß John, nachdem Jordan sich losgewunden und in das Polizeirevier hineingestürmt war. Er selbst war im Moment einfach nur kraftlos.
Die ganze Nacht war er auf den Beinen gewesen, hatte zweimal die Strecke, die sie üblicherweise zum Joggen nahmen, abgelaufen auf der Suche nach Vashtu, mit diversen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Unfallkliniken telefoniert, schließlich denn doch noch Cheyenne-Mountain kontaktiert und Mitchell darüber in Kenntnis gesetzt, daß die Antikerin spurlos verschwunden war. Er sollte Hilfe bei der Suche erhalten, wie und von wem, darüber hatte der ehemalige Leader von SG-1 sich ausgeschwiegen. Die Nemesis würde in der Umlaufbahn bleiben und die Odyssey und die Apollo bei der Suche von oben unterstützen und eventuell Truppen bereitstellen. Am Boden oblag es John selbst, zu den zuständigen Stellen Kontakt aufzunehmen und die nötigen Informationen herauszupressen, wenn es nicht anders ging.
Damit war der langersehnte Urlaub erst einmal auf Eis gelegt. Im Moment wartete John eigentlich darauf, daß das SGC George Dorn ausfindig machte, damit sich der sich um Jordan kümmern konnte und er freie Hand hatte. Und ob sie ihren Urlaub fortsetzen konnten, wenn Vashtu wieder aufgetaucht war, daran glaubte John nicht so recht.
Erst die Konferenz, jetzt das Verschwinden. Die Schulsuche für Jordan war ebenso ad akta gelegt wie die Freizeit.
John bedauerte es nicht, im Gegenteil war er kurz davor, eigenhändig den verdammten Strand umzugraben, wenn das irgendeinen Hinweis bringen würde. Er wollte einfach seine kleine Familie wiederhaben, mehr nicht.
Jordan stand bereits am Tresen und löcherte die blonde, junge Polizistin, die dahinter an einem Computer saß, als John endlich den Vorraum betrat. Mit einem zerknirschten Lächeln trat er neben sein Kind und hockte sich hin.
„Hatten wir beide nicht was besprochen?" fragte er gespielt streng.
Jordan sah nicht sehr viel besser aus als er, höchstens noch verquollener. Die halbe Nacht hatte das Kind geweint und nach seiner Mutter gerufen. Makepiece hatte Hilfe in Form eines weiblichen Marine-Lieutenants heruntergeschickt, damit John irgendetwas tun konnte bei seinen zahlreichen Konferenzen, Anrufen und Suchereien. Gebracht hatte das nicht viel. Jordan mochte vielleicht ein bißchen geschlafen haben, aber nicht sehr viel mehr als er.
Jetzt schwammen die rotumränderten Augen schon wieder in Tränen und der kleine, weiche Mund zitterte.
„Ist ja schon gut, Jordan." John umarmte das Kind liebevoll und drückte es zärtlich an sich. Jordan umschlang beinahe reflexartig seinen Hals mit beiden Armen und vergrub das Gesicht in seiner Halsbeuge.
„Ich will Mummy wiederhaben!" schluchzte das Kind, wie es schon die ganze Nacht nach Vashtu verlangt hatte.
„Wir sind ja hier, damit wir herausfinden, wo Mummy ist, okay?" Ächzend hob John sein Kind hoch und trat an den Tresen. „Tut mir leid", wandte er sich mit einem zerknirschten Lächeln an die Polizistin.
Die lächelte geschäftsmäßig. „Was kann ich für Sie tun, Sir?"
Mit sanfter Gewalt befreite John sich von seinem kleinen Klammeraffen und beugte sich vor. „Ich weiß, es ist noch ein bißchen früh für eine Vermißtenanzeige. Aber ... meine Lebensgefährtin ist nicht vom Joggen zurückgekommen gestern abend. Ich habe die ganze Nacht telefoniert, bin die Strecke selbst mehrmals abgelaufen, die wir immer nehmen, und habe wahrscheinlich jeden Bekannten, der mir einfiel, aus dem Bett geklingelt."
Jordan rieb sich mit den geballten Händen die Tränen aus den Augen, drehte sich dann zu der Polizistin um und sah sie leidend an. „Du mußt meine Mummy finden!"
Die junge Frau mußte nun doch wider Willen kurz auflachen. „Na, du bist aber süß", sagte sie dann, an das Kind gewandt. „Und wir finden deine Mummy ganz sicher. Wir sind nämlich sehr gut darin, verschwundene Leute wiederzufinden." Sie sah zu John auf. „Ihr gemeinsames Kind?"
Er nickte und fühlte tatsächlich, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg unter den Augen der Polizistin. Eilig kramte er in seiner Jacke und fand, was er suchte. „Ich habe so aktuelle Fotos wie möglich zusammengesucht, hier." Wie um eine Abwehrmauer aufzubauen legte er das halbe Dutzend Fotos auf den Tresen.
Die Polizistin strich mit einer Hand über den Stapel, um ihn auszubreiten. Überrascht sah sie auf den Ausweis der Genetiker-Konferenz.
„Das ist das neueste." John zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, Sie werden jedes brauchen, daß Sie haben können, darum ..."
„Haben Sie schon bei anderen Teilnehmern dieser Konferenz nachgefragt?" erkundigte die Polizistin sich.
John zögerte, schüttelte dann den Kopf. „Wir sind eigentlich hergekommen, um Urlaub zu machen. Dann kam die Einladung zu dieser Konferenz und wir beschlossen, daß die fünf Tage in Ordnung sind. Tatsächlich aber kennt Vashtu ... meine Lebensgefährtin, niemanden auf dieser Konferenz. Und nach dem, wie sie sich über die anderen Teilnehmer geäußert hat, glaube ich auch nicht, daß sie sich mit einem der anderen treffen würde."
„Tut Mummy auch nicht. Mummy hat meinen Daddy nämlich ganz doll lieb", betonte Jordan augenblicklich toternst und schüttelte den Kopf.
Die Polizistin lächelte, schob die Fotos wieder zusammen. „Und Sie sagten, Ihre Lebensgefährtin sei wann verschwunden?"
„Gestern abend. Sie wollte noch laufen gehen und sagte mir, sie werde in etwa einer Stunde zurück sein, ich bräuchte nicht auf sie zu warten. Aber sie kam nicht zurück."
„Mummy hat geweint, als sie von der Arbeit kam", fügte Jordan toternst hinzu.
Sofort ruckte der Kopf der Polizistin herum. „Geweint?"
John seufzte schwer. „Es gab ... ein bißchen Ärger mit dem Ausrichter der Konferenz. Deshalb wollte sie ja noch laufen gehen", antwortete er.
„Möglicherweise ein Verdächtiger? Wer hat diese Konferenz denn ausgerichtet?"
John verzog unwillig das Gesicht. „Mein Bruder", seufzte er schließlich und zog die Schultern hoch. „Wir stehen uns nicht sehr nahe und er hat meine Lebensgefährtin gestern ziemlich aufgebracht. Ihn habe ich bereits gesprochen und ich glaube nicht, daß er etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat."
„Also kannte sie doch jemanden auf dieser Veranstaltung", merkte die Polizistin an.
Hinter ihr, durch die spiegelnden gläsernen Wände kaum auszumachen, war plötzlich Bewegung.
John schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Kontakt zu meiner Familie. Wir sind seit Jahren zerstritten. Es war nichts als ein dummer Zufall, daß meine Lebensgefährtin da hineingeraten ist. Sie wollte wohl Frieden stiften zwischen meinem Bruder und mir, schätze ich. Nur ging diese Bemühung nach hinten los."
„Und wer hat diese Konferenz jetzt ausgerichtet?"
„Onkel Dave", antwortete Jordan und zog etwas aus der Hosentasche, um damit zu spielen.
John bekam große Augen, als er erkannte, daß das Kind irgendwie den Kommunikator eingesteckt hatte. Dabei war er sicher gewesen, ihn wieder zurückgelegt zu haben.
„Dave Sheppard", antwortete er endlich, wollte nach Jordans Hand greifen, doch das Kind wandte sich demonstrativ ab.
Die Polizistin stockte. „Dave Shepp... DER Dave Sheppard?" fragte sie mit großen Augen.
John lächelte zerknirscht. „Sieht so aus, ja", murmelte er verlegen, rückte näher an Jordan heran, um dem Kind den Kommunikator wieder abzunehmen.
„Wenn das nicht mein alter Freund Mike Sheridan ist ..." bemerkte in diesem Moment eine Stimme hinter ihm.
Die Polizistin richtete sich auf und John stutzte.
Was ging hier gerade vor?
Jordan hob den Kopf und sah mit großen Augen auf das, was sich da hinter ihm abspielte.
Und wenn schon, er war hier, um mehr über Vashtus Verschwinden herauszufinden.
„Wir sind nicht verheiratet, aber ich habe hier eine beglaubigte Genehmigung", wandte er sich wieder an die Polizistin und zog das nächste Blatt aus seiner Tasche. Vashtu, fiel ihm ein, besaß das gleiche Schreiben, wenn es um ihn ging. Plötzlich begannen seine Finger zu zittern und ein Kloß steckte in seinem Hals.
„Mike, darf ich fragen, was Sie nun wieder herführt?" fragte die Stimme in seinem Rücken weiter.
Die Polizistin sah ihn wieder an, dann griff sie nach der Genehmigung. „Ich kann noch keine Vermißtenanzeige aufnehmen", erklärte sie, wenn auch deutlich unsicher.
John nickte seufzend. „Ich weiß, erst nach drei Tagen. Aber vielleicht können Sie mir sagen, ob es in der letzten Nacht irgendwelche Unfälle gegeben hat, oder ob eine Unbekannte, auf die die Beschreibung meiner Lebensgefährtin paßt, in eine Klinik eingeliefert wurde oder was weiß ich was. Und Sie könnten das bereits vermerken für den Fall, daß sie nicht wieder auftaucht. Ein solches Verhalten ist nicht normal für sie, wissen Sie?"
„Das ist eine interessante Auslegung des richtertlichen Urteils, Mike. Finden Sie nicht auch? Mich einfach ignorieren ..."
John preßte kurz die Kiefer aufeinander, drehte sich dann um und sah sich unvermittelt einem rothaarigen Mann gegenüber, der eine Sonnenbrille auf der Nase trug. Sein Sakko hatte der Fremde rechts nach hinten gestrichen, so daß er die Polizeimarke und die Waffe sehen konnte - eine unüberhörbare, jedoch stille Drohung ...
„Reden Sie mit mir?" fragte John höflich aber kühl.
Sein Gegenüber lächelte verächtlich. „Wir haben Julie gefunden, Mike. Und es dürfte Sie nicht überraschen zu hören, daß sie tot ist."
„Daddy?" Jordan rückte wieder näher. Eine kleine Hand legte sich auf seinen Schulter.
John schüttelte den Kopf. „Wer ist Julie?" fragte er verwirrt.
Die Aufmerksamkeit seines Gegenübers hatte sich augenblicklich auf Jordan gerichtet, nachdem das Kind eine so offensichtliche Geste zu seinen Gunsten getan hatte.
„Woher haben Sie das Kind, Mike? Haben Sie es etwa den leiblichen Eltern gestohlen?"
Johns Augen wurden groß.
Allmählich ging ihm auf, daß man ihn offensichtlich verwechselte. Es schien da noch jemanden zu geben, der ihm erstaunlich ähnlich sah.
„Hören Sie, das muß eine Verwechslung sein. Ich kenne Sie nicht und ich weiß nicht, wer Julie ist. Das Kind ist mein Kind und heißt Jordan. Ich bin hier, um meine Lebensgefährtin als vermißt zu melden", erklärte er mit erhobenen Händen.
„Da werden wir wohl auf unsere alten Tage pädophil, was, Mike?" Mit einem Schritt war der Fremde bei ihm und packte ihn grob.
„DADDY!" brüllte Jordan los, als er von dem Kind weggerissen wurde. Sofort setzte die nächste Tränenflut ein. Jordan sprang von dem Tresen herunter und wollte zu ihm rennen.
„Jordan, nein!" befahl er, während dieser Kerl mit der Marke ihm die Arme verdrehte. Er leistete keinen Widerstand, dafür war ihm gerade eine Idee gekommen.
Jordan blieb stocksteif mit bebenden Lippen stehen und sah ihn an wie ein getretener Hund.
„Sag Onkel Ernie Bescheid, hörst du? Sag ihm, Daddy sei verhaftet worden und braucht Hilfe", befahl John.
„Wo hast du das Kind her, Mike?" fragte der Rothaarige endlich und stieß ihn zu einer Glastür hinüber, durch die er wohl gekommen war und die sich in genau diesem Moment öffnete. Eine schlanke Blonde mit langem Haar kam heraus. „Horacio!" sagte sie vorwurfsvoll.
„Daddy, bitte, komm wieder her. Daddy!" Jordan stand noch immer da, wo es stehengeblieben war und jammerte jetzt auch noch nach ihm.
John schnürte es die Kehle zu, doch er wußte, es war jetzt besser, so wenig wie möglich zu sagen. Solange er nicht offiziell festgenommen worden war konnte er nicht anrufen. Und ebensolange würde der Kommunikator, den Jordan stibizt hatte, die einzige Möglichkeit sein, hier wieder heraus zu kommen.
„Kümmer dich um das Kind, Calleigh. Vielleicht rückt es ja damit heraus, wer seine Eltern sind. Ansonsten ruf die Jugendfürsorge an", befahl der Rothaarige und zerrte John durch die Tür.
Jordan blieb allein zurück ...

Funkspruch an die Nemesis:

Kinderstimme: (weinerlich) Onkel Ernie? Bist du da?
Col. Makepiece: Das ist doch ... Jordan, bist du das etwa?
Jordan Uruhk: Onkel Ernie, Daddy ist auch weg! (ein Schluchzen)
Makepiece: Dein Daddy ist weg? Wo ist dein Daddy denn?
Jordan: Dieser böse Mann mit der dicken Sonnenbrille hat ihn mitgenommen. Ich will meinen Daddy wiederhaben!
Makepiece: Schon gut, schon gut. Jordan, wir orten dich gerade. Dann beamen wir dich auf das Schiff. Ist das okay?
Jordan: Kannst du auch meinen Daddy hochbeamen?
Makepiece: Kannst du mir sagen, was das für ein Mann mit der Sonnenbrille war? Ihr zwei wolltet doch zur Polizei und eine Anzeige aufgeben. Seid ihr überfallen worden? Wurde dein Daddy entführt?
Jordan: (Stimme zittert) Wir sind im Polizeirevier. Daddy hat der Frau am Eingang Fotos von Mummy gegeben und gesagt, daß er schon mit Onkel Dave gesprochen hat und daß sie Mummy suchen sollen. Und dann ist da plötzlich dieser böse Mann mit der Sonnenbrille gekommen, hat Daddy so komisch angesprochen und ihm dann Handschellen angelegt. Und Daddy hat sich nicht gewehrt, dabei hat er doch gar nichts getan (wieder ein Schluchzen). Und dann hat Daddy mir gesagt, ich soll dir Bescheid sagen. Und der böse Mann mit der Sonnenbrille will, daß ich sage, wer meine Mummy und mein Daddy sind, und wenn ich es nicht sage, dann komme ich ins Heim. Aber als ich die Wahrheit gesagt habe, hat er gesagt, ich würde lügen. Onkel Ernie, ich will zu Mummy!
Makepiece: Dann ist dieser böse Mann mit der Sonnenbrille ein Polizist?
Jordan: Weiß nicht. Darf ich jetzt zu Daddy?
Makepiece: (seufzt) Wir holen dich erst einmal auf die Nemesis, Kleines. Hier kannst du dich ausruhen und dann geht es dir bestimmt auch bald wieder besser. Dann sehen wir, was wir für deinen Daddy tun können, einverstanden?
Jordan: Aber wenn Mummy und Daddy weg sind, dann bin ich allein!
Makepiece: Jordan, ich bin doch da und Onkel Peter. Und wenn du möchtest kann ich nachfragen, ob meine Frau und meine Kinder Zeit haben. Du wolltest doch schon immer Sean kennenlernen, oder? Das ist mein Sohn, der so alt ist wie du. Ihr zwei werdet bestimmt viel Spaß haben miteinander.
Jordan: Und Mummy und Daddy?
Makepiece: Die kommen nach so schnell sie können, ich schwöre es dir. Großes Indianerehrenwort!
Jordan: Was sind Indianer?
Makepiece: Das erkläre ich dir, wenn du auf dem Schiff bist. Du kennst die Nemesis doch, du warst doch schon einige Male hier, mh?
Jordan: Darf ich auch mal fliegen, so wie Mummy?
Makepiece: Darüber reden wir später. Wir beamen dich jetzt hoch, okay?
Jordan: Aber du darfst nicht vergessen, daß du Mummy und Daddy helfen willst und daß sie nachkommen, Onkel Ernie.
Makepiece: Das werde ich bestimmt nicht. Und ich freu mich schon auf deine erste Zahnlücke. Onkel Peter hat mir davon erzählt.

Als Miss Elroy, Mitarbeiterin der Jugendfürsorge, wenig später nach dem Kind, das sich Jordan-Ghoria Uruhk nannte, sehen wollte, um es abzuholen und zu einer Pflegefamilie zu bringen, war das Kind verschwunden. Selbst eine umfangreiche Suche im ganzen Polizeirevier inklusive der CSI-Labore brachte kein Ergebnis.
Seltsame Spuren by Hyndara71
Einen Tag später:

John vergrub sein Gesicht in den Händen, als Horacio Caine erneut das Vernehmungszimmer betrat. Der Tisch, an dem er saß, spiegelte wie schwarzes Wasser das durch Lamellen an den Fenstern gefilterte Sonnenlicht.
Er war jetzt seit einem Tag auf dem Revier, deutlich mehr Zeit, als er hier hatte verbringen wollen. Vierundzwanzig Stunden, in denen weiß Gott was mit Vashtu hatte geschehen können. Doch noch schlimmer als die Ungewißheit, was die Antikerin betraf, war die Ungewißheit, was aus Jordan geworden war. Alles, was er wußte war, daß das Kleine plötzlich spurlos verschwunden war und die Polizei daraufhin wirklich diesen ganzen Gebäudekomplex umdrehte - zumindest ein Trost! John hoffte, daß das Kind auf ihn gehört und die Nemesis kontaktiert hatte. Wahrscheinlich hatte Makepiece die Lage falsch eingeschätzt und Jordan auf das Schiff gebeamt. Er hoffte es, denn die andere Möglichkeit, daß Jordan nämlich von selbst gegangen war aus welchem Grund auch immer, war so ziemlich das schlimmste, was er sich vorstellen konnte.
Caine trat an das Fenster und sah zwischen den Lamellen hinaus. Viel würde er zwar nicht sehen können, da es sich um eine Art Milchglas handelte, aber offensichtlich war das für ihn eine natürliche Handlung.
„Du hast Julie erschossen. Warum? Ich dachte, du seist so besorgt um sie. Immerhin bist du doch hergekommen und wolltest sie als vermißt melden. Ist sie etwa dahinter gekommen, daß es da noch einige mehr gab? Blond, groß, schlank. So wie Julie ausgesehen hat ..." Caines Stimme verklang.
John lehnte sich seufzend zurück. „Ich kenne keine Julie und mein Name ist nicht Mike. Ich bin John Sheppard, Air Force Colonel, und bin hergekommen, um meine Lebensgefährtin Lt. Colonel Vashtu Uruhk als vermißt zu melden. Wenn Sie meine Fingerabdrücke endlich vergleichen, wird sich das sicher aufklären."
Das war etwas, was er gestern durch Zufall gehört hatte: AFIS war ausgefallen, die weltumspannende Datenbank für Fingerabdrücke. Da er zur Armee gehörte, waren seine Abdrücke dort ebenso gespeichert wie die des straffällig geworden Mike Sheridan, mit dem Caine ihn verwechselte. Die einzige andere Möglichkeit war, daß man seine DNS mit der des Gesuchten verglich, auch da würde sich sicherlich der Unterschied deutlich zeigen. Allerdings dauerte das Analyseverfahren länger, zumal man ihm hier eine frische Speichelprobe abgenommen hatte.
„Vashtu Uruhk ... ist das die, deren verunreinigtes Blut wir am Strand gefunden haben beim Fundort von Julie? Hast du dir sie jetzt gegriffen? Paßt aber nicht so ganz, oder? Schwarzhaarig, klein, eher knabenhaft. Du magst es doch, ein bißchen mehr in der Hand zu haben, Mike."
John wollte zu einer neuen Entgegnung ansetzen, als sich unvermittelt die Tür öffnete und ein Mann mit kurzem, grauen Haar den Raum betrat. Gekleidet in die Uniform der Air Force, mit einem gewissen Schalk im Blick, auch wenn der jetzt ziemlich zurückgewichen war zu Gunsten befehlsgewohnter Strenge, die Mütze vorschriftsmäßig unter dem Arm geklemmt. Drei Sterne prankten auf den Schulterstücken.
John riß ungläubig die Augen auf. Er bewegte sich dermaßen reflexartig, als er aufsprang und Haltung annahm, daß der Stuhl umkippte. „Sir!" würgte er irgendwie heraus und grüßte, während sein Herz schneller schlug.
Die Kavallerie war da!
„Wer sind Sie und wie kommen Sie dazu, in meinen Vornehmungsraum einzudringen?" Caine war ebenfalls herumgefahren und musterte den Neuankömmling von Kopf bis Fuß.
„Rühren, Sheppard."
John wurde der Gruß abgenommen, worauf er sich seufzend über den Tisch beugte und einfach nur den Kopf hängenließ, auch um das breite Grinsen zu verbergen, das plötzlich sein Gesicht zierte. Er blinzelte sich selbst in der wie ein Spiegel wirkenden Oberfläche des Tisches zu.
„General Jack O'Neill, der direkte Vorgesetzte des Colonels", stellte sein Retter sich vor und trat näher. „Und ich möchte schwer hoffen, daß Sie eine Erklärung haben für diese Hexenjagd und der Tatsache, daß Sie das Kind des Colonels verloren haben, Lieutenant."
„Mikes Komplize. War ja klar, daß du das nicht allein ausgeheckt haben konntest." Caine trat einen Schritt vor. „Sie hätten das Weite suchen sollen, solange noch Zeit war ... General."
„O'Neill, soviel Zeit muß sein. Mit zwei L bitte." Der General zog einen Umschlag aus seiner Brusttasche und legte ihn auf den Tisch. „Und ich denke, wenn Sie mein Auftauchen nicht überzeugt, wird es sicherlich dieses Schreiben tun. Sie bekleckern sich gerade nicht mit Ruhm, Lieutenant Caine. Wir übernehmen ab jetzt. Sheppard ..." Er nickte John nur stumm zu und zwinkerte kurz.
Jordan hatte also wirklich die Nemesis kontaktiert und war von Makepiece in Sicherheit gebracht worden, ehe der dann endlich die richtigen Hebel zog.
Vashtu war wichtig für die Erde, das wußte auch John, während er jetzt so schnell wie möglich hinter O'Neill Deckung suchte. Ihre ganze kleine Familie war für die Erde wichtig, aber Vashtu im besonderen, weil sie die einzige Antikerin war, die nicht ihren Körper aufgegeben hatte. Jordan trug viel vom Erbe ihrer Mutter in sich, doch das Kind war keine Antikerin mehr, dadurch daß er, als stärkster Genträger der Erde, der Vater war. Tauchte irgendeine Bedrohung auf, waren sie drei die Geheimwaffe, auf die die Erde vertrauen mußte, der Grund, aus dem Vashtu damals hatte gehen müssen nach ihrem Auftauchen aus den Eingeweiden von Atlantis.
Ein weiterer Uniformierter stand im Türrahmen, nickte John grüßend zu. Er mußte einen Moment lang nachdenken, ehe ihm einfiel, wer da seinen Rücken deckte: Major Jeffrey Storm, seineszeichens schon seit Landrys Tagen für die Sicherheit des Stargate-Programms auf der Erde zuständig. Einer der härtesten und verbissensten Ermittler, die das SGC überhaupt besaß. Setzte man Storm an einen Fall, würde er solange nachforschen, bis er ein Ergebnis vorzuweisen hatte.
John erleichterte immer mehr. Endlich würde etwas geschehen. Endlich konnte die Suche nach Vashtu beginnen. Es blieb nur zu hoffen, daß es nicht schon zu spät war.
Caine hatte währenddessen nach dem Umschlag gegriffen, starrte das Siegel darauf mit leerem Gesicht an. John konnte sich denken, was darauf zu sehen war. O'Neill machte keine halben Sachen, wenn er hinzugezogen wurde. Als Leiter der Homeworld Security blieb ihm auch nichts anderes übrig. Er mußte seine Schäfchen zusammenhalten und dafür sorgen, daß die Erde nicht bedroht wurde. Mit zwei weit entfernten Außenbasen kein leichtes Unterfangen, nahm man dann auch noch solche Schwachpunkte wie die Transferstation oder möglicherweise sogar die Werft hinzu, nahezu unmöglich. Dennoch tat O'Neill, was er konnte.
„Sie wollen mir jetzt wirklich erzählen, daß das hier", Caine wedelte mit dem Umschlag, „tatsächlich vom Präsidenten kommt, ja?"
„Sie können glauben, was Sie wollen. Colonel Sheppard wird mich jetzt begleiten. Und Sie sollten uns besser nicht in die Quere kommen, weder Sie noch Ihre Leute, Caine. Wir schießen scharf." O'Neill nickte Storm zu und zu dritt verließen sie den Verhörraum, dann das Polizeirevier.
„Sie machen ja Sachen, Sheppard", bemerkte der General, nachdem sie draußen standen, und aktivierte einen kleinen Kommunikator. „Kann man Sie jetzt nicht einmal mehr zum Urlaub machen auf die Erde lassen?"
Im nächsten Moment wurden sie alle drei von weißem Licht eingehüllt und waren verschwunden.

Horacio starrte dem Trio mit ausdruckslosem Gesicht nach, doch in ihm gärte es. Den einzigen Ausfall, den er sich erlaubte, war das hilflose Ballen beider Hände.
Sheridan hatte also Komplizen ... hätte er sich ja eigentlich denken können. Allein war dieser Kerl doch zu blöd, um auch nur einen Blumentopf vom Fensterbrett zu stoßen. Nur allein seine ständigen Ausflüchte, daß das ganze nur eine Verwechslung sei.
Horacio war stolz darauf, daß er sich jedes Gesicht merkte, das ihm je begegnet war. Und jemand wie Mike Sheridan brannte sich geradezu in seine Hirnwindungen hinein, vor allem, nachdem der sich so strikt geweigert hatte, Miami Dade zu verlassen.
Erics Kopf tauchte im leeren Türrahmen auf, dann erschien der Tatortermittler ganz, einen Ordner unter dem Arm. „Die DNA-Analyse ist da."
Horacio zögerte einen Moment, dann zog er aus seiner Brusttasche die Sonnenbrille und setzte sie mit viel Bedacht auf. „Und was erzählt sie uns, was wir nicht schon wußten?" fragte er, scheinbar gelangweilt.
„Daß dieser Typ die Wahrheit gesagt hat. Seine DNA ist im Speicher. Im Speicher für militärische Geheimnisträger. Er ist dort sogar im höchsten Amt und Ehren. Und er heißt tatsächlich John Sheppard. Ob er ein Frauenmörder ist, steht allerdings nicht drin."
„Dann werden wir das wohl herausfinden müssen." Horacio schob den Brief mit der Unterschrift des Präsidenten zur Seite und blätterte statt dessen durch den Ordner, den Eric ihm zugeschoben hatte. „Ein bißchen auffällig: Die Lebensgefährtin klein, schwarzhaarig und knabenhaft. Die Toten recht groß, drall und blond."
Eric kreuzte die Arme vor der Brust. „Horacio, ich glaube, dieses Mal verrennst du dich. Dein Blick ist nicht klar, weil du dich immer noch über Sheridan ärgerst. Laß diesen Sheppard in Ruhe. Sich mit dem anzulegen bedeutet richtig mächtigen Ärger."
„Wenn er tatsächlich der Mörder ist, dann wird auch der Präsident ihn nicht mehr retten können. Wir machen weiter. Wie weit ist Calleigh?"
Eric sah ihn skeptisch an, zuckte dann aber schließlich resignierend mit den Schultern. „Die Auswertung der verunreinigten Blutspur liegt anbei. Calleigh versucht herauszufinden, wie es zu dieser Kuriosität gekommen sein mag."
Caine blätterte weiter bis zur vorletzten Seite, auf der ein vereinfachtes Schema des Blutfleckes zu sehen war. Überrascht riß er die Augen auf und war augenblicklich froh, seine Sonnenbrille zu tragen.
Das Bild zeigte eine Tripel-Helix, einen Dreifachstrang ... nur gab es auf der Erde nichts, das eine solche Genstruktur aufwies ...

Als John endlich den Besprechungsraum der Nemesis betrat, war es Abend geworden in Miami. Eigentlich hatte er nicht schlafen wollen und sich gesträubt. Seiner Meinung nach hatten sie bereits genug Zeit verloren, während er von der Polizei als Tatverdächtiger festgehalten wurde. Aber O'Neill und auch der Schiffsarzt hatten ein Machtwort gesprochen. Immerhin hatte er seit zwei Nächten kein Auge mehr zugetan. Er mußte sich ausruhen, ehe er mit den anderen zusammen auf die Jagd gehen konnte.
Jordan hatte ihn erwartet, als er auf die Brücke der Nemesis gebeamt worden war. Das Kind hatte sich an ihn geklammert wie ein Ertrinkender, sich dann im Ruheraum auf der Pritsche so eng wie möglich an ihn gekuschelt. Diese ganze Sache mußte dem Kleinen einen so gehörigen Schrecken eingejagt haben, daß es für die nächste Zeit hoffentlich keinen Unsinn mehr anstellen würde.
Makepiece hatte schließlich mit seiner Frau gesprochen und so war Jordan zunächst einmal nach Wisconsin geschickt worden, wo die Familie des Schiffskommandanten sich um das Kleine kümmern würde. Für wie lange, das allerdings stand in den Sternen. John jedenfalls war es nicht entgangen, daß Jordans Verbindung zu Vashtu um einiges enger war als die seine. Möglich, daß sie doch noch auf das Kind zugreifen mußten, fiel ihnen nichts anderes ein. Aber er würde sich solange wie möglich dagegen stemmen. Er wußte, Vashtu würde es nicht gefallen, wenn man ihr Kind für solche Zwecke gebrauchte.
O'Neill und Makepiece saßen bereits zusammen am Tisch und unterhielten sich, als John nun also so ausgeruht es mit Schlafmitteln möglich war die Kabine betrat und sich ebenfalls niederließ. Kurz nach ihm kam auch Storm herein, der einen ziemlichen Aktenstapel mit sich schleppte. Schließlich aktivierte sich auch noch einer der Bildschirme an der Schmalseite der Kabine und er konnte auf das bekannte Gesicht von Colonel Ellis blicken.
John hatte schon einige Vermißtenfälle, natürlich vor allem in der Pegasus-Galaxie, bearbeitet, wenn auch leider nicht immer gelöst. Aber ein solches Aufgebot ...
„Wie weit sind wir?" eröffnete O'Neill endlich die Runde.
Storm schob jedem der Anwesenden eine der Akten zu. „Möglicherweise ein kleines bißchen weiter als die Polizei, wenn auch nicht sehr viel", gestand der Militärpolizist zu wissen. „Wir haben Einblick in die Akten über den Beach Killer genommen. Ich schätze, wenn überhaupt, wird die Polizei nicht recht glücklich werden mit der Aussicht, daß Colonel Uruhk dem möglicherweise in die Hände gefallen ist. Sie entspricht nicht dem bisherigen Schema."
Beach Killer?
Johns Augen weiteten sich kurz, als er sich endlich erinnerte, warum sämtliche Warnsignale in seinem Inneren plötzlich aufgeleuchtet hatten. „Sie meinen, Vashtu ist einem Serienmörder zum Opfer gefallen?" fragte er atemlos.
Storm zog eine Grimasse, nickte aber. „Ich schätze schon, wenn auch nicht absichtlich." Er blickte hoch, während John das Blut aus dem Gesicht wich. „Am Fundort aller bisherigen Leichen wurden Blut- wie auch Schleifspuren gefunden. Und das Blut stammt ganz eindeutig von Colonel Uruhk. Wie ich das sehe, ist sie auf irgendetwas aufmerksam geworden. Vielleicht Licht, immerhin sagten Sie ja, daß es schon dunkel gewesen sei, als sie zum Joggen gegangen ist. Jedenfalls hat der Kerl sie überrumpelt. Ich schätze, er hat sie niedergeschlagen, denn im Moment kann ich mir die Blutspuren nicht anders erklären. Colonel Uruhk war noch nie jemand, der schnell aufgegeben hat und sich ohne weiteres gefangennehmen ließ. Das weiß ich noch aus der Zeit, als der Trust hinter ihr her war."
„Das ist schon richtig. Aber sie hat einen Teil ihrer Superkräfte verloren, das sollten wir nicht vergessen", warnte John. „Sie ist längst nicht mehr so stark wie früher. Das war der Preis, den sie für Jordan zahlen mußte."
„Ihre Heilkräfte sind aber noch auf dem gleichen Stand wie ehedem, zumindest, solange sie genug Nahrung erhält. Und sie hatte ja wohl gut gegessen in der letzten Zeit."
„Einigen wir uns darauf, daß der Killer den Colonel wahrscheinlich irgendwie außer Gefecht gesetzt und mitgenommen hat", mischte O'Neill sich in den beginnenden Streit. „Die Frage ist wohin? Da Vashtu ihren Chip noch nicht hat austauschen lassen können wir sie nicht orten. Wir brauchen also irgendeinen anderen Anhaltspunkt."
Storm lehnte sich zurück, den Mund unwillig zusammengekniffen. „Ich weiß es nicht", gab er schließlich zu. „Die Reifenspuren, die wir - und sehr wahrscheinlich auch die Polizei - gefunden haben, weisen auf ein geländegängiges Fahrzeug hin, aber einen Wagen dieser Sorte besitzt hier wenigstens jeder dritte. Das einzige, was vielleicht hilft, ist ein winziges Fragment, das wir an der Stelle gefunden haben, an der der Wagen auf die asphaltierte Straße zurückkehrte: winzige Pflanzenspuren, wie sie in Miami nicht vorkommen."
John blätterte durch die Akte, bis er die Stelle gefunden hatte, von der Storm sprach.
Hatte die Polizei das übersehen oder ihnen vielleicht sogar einen falschen Hinweis hinterlassen? Nach seinen Erfahrungen mit Spurensichereren waren die mehr als gründlich.
„Analyse?" fragte Makepiece einsilbig.
„Bisher arbeitet man noch daran im Labor. Nichts außergewöhnliches für die Gegend im allgemeinen. Nur kommt das Zeug eben nicht am Strand vor."
„Was hat Vashtu überhaupt dazu getrieben, mitten in der Nacht joggen zu gehen?" wandte O'Neill sich plötzlich an John.
Der zuckte zusammen, kniff dann die Lippen aufeinander. „Sie hatte sich aufgeregt und wollte sich ein bißchen abreagieren", antwortete er ausweichend.
„Jordan sagte, sie hätte geweint, als sie zurückgekommen sei zum Ferienhaus", wandte Makepiece ein.
John zögerte, nickte dann aber. Es hatte keinen Sinn, das ganze abzuleugnen. „Vashtu hatte einen Streit", antwortete er. „Streit mit meinem Bruder."
Storm richtete sich unvermittelt kerzengerade auf. „Ihrem Bruder?"
O'Neill grinste, wurde dann aber wieder ernst. „Trauen Sie ihm soetwas zu? Immerhin ist die Firma ihrer Familie dafür bekannt, daß sie nicht gerade Samthandschuhe anzieht ..."
„Das würde Dave nicht tun, nein", antwortete John sofort nachdrücklich. „Er ist ein knallharter Geschäftsmann und hat wohl auch Gefallen daran gefunden, Unfrieden zwischen Vashtu und mir zu säen. Aber er würde sie nicht entführen lassen. Warum denn überhaupt? Er will, daß sie für ihn arbeitet und eine der Firmen leitet, die er aufgekauft hat. Er würde sich ins eigene Fleisch schneiden, würde er soetwas wagen."
„Er könnte allerdings auch dahinter gekommen sein, daß Colonel Uruhk nicht unbedingt das ist, was unsereins als handelsüblichen Menschen betrachtet", warf Storm ein.
John schüttelte wieder den Kopf. „Er hat immer noch ein Gewissen. Außerdem habe ich mit ihm gesprochen, in der gleichen Nacht noch ..." Wieder zögerte er, als ihm aufging, WAS Vashtu getan hatte, nachdem Dave sie provozierte. Aber er konnte sich nicht vorstellen, daß sein Bruder soetwas tun würde. Dave sehnte sich ebenso wie er nach einer intakten Familie. Wenn er jetzt einen Keil zwischen ihn und Vashtu treiben wollte, war das seine Art, mit der Eifersucht auf den eigenständigen Bruder umzugehen.
„Sie waren noch nicht ganz fertig?" bemerkte O'Neill lauernd.
John malte mit einem Finger ein Muster auf die Seite der Akte, die er gerade aufgeschlagen hatte. „Dave hatte Vashtu solange provoziert, bis sie ... er meinte, ihre Augen hätten sich plötzlich verändert."
O'Neill seufzte. „Der altbekannte Augentrick ... irgendwann mußte er ja mal nach hinten losgehen", bemerkte er kopfschüttelnd.
„Und das ist für Sie kein Grund, Ihren Bruder in die engere Wahl zu nehmen?" staunte Storm.
„Dave ist kein Killer!" John blitzte den MP wütend an. „Man kann meinem Bruder eine Menge nachsagen, aber an irgendeinem Punkt setzt sein Gewissen ein. Und, wie gesagt, hat er Pläne mit Vashtu. Er ist nicht so starrköpfig, daß er sie entführt oder entführen läßt."
„Also schön, setzen wir Dave Sheppard erst einmal nach unten auf unsere Liste", seufzte O'Neill. „Aber streichen können wir ihn vorerst nicht, tut mir leid."
John verzog den Mund, nickte aber und konzentrierte sich auf die Akte, besser auf die Seite, die er aufgeschlagen hatte.
„Jordan meinte, Vashtu habe Schmerzen gehabt", murmelte er nach einer kleinen Weile, während seine Augen ziellos den Absätzen folgten, ohne daß sein Hirn auch nur eine der Informationen speichern konnte.
„Und Sie? Haben Sie das auch gespürt?" erkundigte O'Neill sich.
„Ich habe geschlafen." John blickte auf und fühlte wieder diesen tiefen Schmerz in sich, wie in der Nacht als Jordan ihm geweckt hatte. „Ich weiß, daß sie noch lebt. Aber das ist auch alles." Er zögerte und runzelte die Stirn. „Allerdings weiß ich, daß Vashtu mich auch blocken kann. Sie hat das schon öfter getan, vornehmlich, wenn sie in Schwierigkeiten steckte ..."
„Die Sache mit dem Devi?" O'Neills Stimme klang mitleidig.
John nickte.
Das würde er nicht vergessen, niemals! Er hatte zusammen mit seinem und Vashtus Team verzweifelt gesucht, sicher, daß ihr etwas zugestoßen war. Damals hatte er auch nicht mehr gefühlt als jetzt. Er hatte gewußt, daß sie am Leben war, aber das war auch alles. Selbst Jordan, ging ihm auf, hatte nicht mehr wahrnehmen können. Erst als sie die Antikerin gefunden hatten, noch in den Armen des Devi, der wer-wußte-schon-was mit ihr getan hatte, war ihm klar geworden, wie knapp das ganze wirklich gewesen war. „Hank", so hatte Vashtu den Devi später getauft, hatte sie gerettet mit einer besonderen Kraft, die der Hybridrasse eigen war. Seitdem waren auch die beiden auf irgendeine eigenartige Art und Weise verbunden miteinander und ihnen war sogar gelungen, was niemand für möglich gehalten hatte: Einen Waffenstillstand zwischen Menschen und Devi auf der Vineta-Seite des Medusenhauptes auszuhandeln.
„Nur haben wir definitiv kein Sicherheitsleck in der Milchstraße", warf Storm ein. „Kein Devi mehr hier."
John zwang sich, sich zu konzentrieren. Stirnrunzelnd blätterte er durch die Akte, bis er fand, was er suchte: Die vorläufige Analyse des organischen Materials, das Storms Leute gefunden hatten.
„Kieselalgen?" Er stutzte und blickte auf.
„John?" Makepiece beugte sich vor. „Stimmt etwas nicht?"
„Ihr habt Kieselalgen gefunden?" wiederholte John, ohne auf die Frage des Schiffskommandanten einzugehen.
Storm nickte. „Ich sagte doch, wir hätten Spuren gefunden, die nicht zum Strand passen."
„Stimmt etwas damit nicht?" fragte O'Neill.
John strengte sich an.
Da war etwas. Vashtu hatte es ihm einmal erzählt. Es hing mit den Kieselalgen zusammen, und mit ihrer Arbeit.
Nein, ging ihm auf, die Antikerin hatte nicht direkt von Kieselalgen gesprochen, aber von einem Ort, an dem sie vorkommen konnten.
„Die Everglades!" Mit großen Augen starrte er Storm an.
„Hä?" machte der verständnislos.
O'Neill beugte sich vor. „Was ist damit?" fragte er.
Endlich begann das ganze zumindest ansatzweise einen Sinn zu ergeben.
John klopfte mit einem Finger auf die Algenanalyse. „Dave hat eine Firma gekauft, deren Leitung er Vashtu zugedacht hat. Die bisherigen Eigentümer betreiben neben einem Labor in Miami eine Klinik ... und zwar draußen in den Everglades! Und in den Everglades gibt es Kieselalgen, zumindest im Süßwassergebiet der Sümpfe."
Storm starrte ihn immer noch verblüfft an, wußte offensichtlich kein Wort darauf zu wechseln.
„Das dürfte ja relativ einfach werden", bemerkte O'Neill. „Dennoch bleibt die Frage, warum sollten offenbar angesehene Genetiker plötzlich zu Serienkillern werden? Das ergibt doch keinen Sinn!"
„Über Jack the Ripper kursiert auch immer noch das Gerücht, es sei ein Mitglied der königlichen Familie gewesen", entgegnete John trocken, klopfte wieder mit dem Finger auf die Analyse. „Kieselalgen, das hat Vashtu mir einmal erklärt, haben ganz spezifische Eigenschaften, je nachdem, wo sie vorkommen. Daher kann man sie sehr gut identifizieren. Wir müssen also nur noch herausfinden, welches Gewässer innerhalb der Everglades diese speziellen Algen enthält, das ganze mit möglichen Kliniken abgleichen und wir haben die Verdächtigen."
Plötzlich fühlte er eine gewisse Hochstimmung in sich. Vielleicht hatte er ja wirklich den Fall gelöst. Er hoffte es zumindest.
Makepieces Funkgerät meldete sich, woraufhin der sich abwandte, um das Gespräch in Ruhe zu führen.
„Hört sich bis hierher stimmig an", bemerkte Ellis am Bildschirm.
O'Neill hatte die Lippen geschürzt und dachte offensichtlich nach.
„Wenn Colonel Uruhk tatsächlich in dieser Klinik ist, wo auch immer die sein mag, wie holen wir sie da heraus, ohne Aufsehen zu erregen?" bemerkte Storm. „Privatkliniken haben meist das eine oder andere Problem: Sie sind zu gut ausgestattet, sicherheitstechnisch gesehen."
„Wir sollten erst einmal nachprüfen, ob das wirklich eine Möglichkeit ist, der wir nachgehen sollten", mahnte O'Neill an. „Wie lange dauerte es bis jetzt immer mit dem Auffinden der Leichen?"
„Etwa eine Woche, zwischen fünf und sieben Tagen", antwortete Storm sofort. „Nur die letzte, eine gewisse Julie Bryant, war wohl erst seit drei Tagen verschwunden, zumindest wurde eine vorläufige Anzeige drei Tage vor dem Auffinden ihrer Leiche gestellt."
„Wir haben ein Problem mit den Asgard-Transportern", meldete Makepiece in diesem Moment und wandte sich an Ellis: „Colonel, Sie sollten Ihre auch kontrollieren. Wie es aussieht, sind das die ersten Ausläufer eines großen Sonnensturmes. Und das bedeutet, wollen Sie wieder auf die Erde zurück, müssen Sie das mit 302ern tun, Sir. Die Transporter sind bis auf weiteres außer Betrieb gesetzt."
John betete im Stillen, daß sie noch rechtzeitig kommen würden, um Vashtu zu retten. Er war sich sicher, sie würden sie dort finden, in dieser namenlosen Privatklinik, die von Genelab betrieben wurde ...
Die Fremde aus Zimmer 113 by Hyndara71
Mike schloß so leise wie möglich die Tür hinter sich und seufzte.
Endlich!
Die letzten Tage hatte er erst damit verbracht, sich mit dem Gebäudekomplex vertraut zu machen, ehe er dann dazu überging, gezielt Zimmer 113 in Angriff zu nehmen. Etwas, was sich allerdings als einiges schwieriger erwiesen hatte als er zunächst annahm. Erst einmal lag Zimmer 113 in einem abgelegenen Seitenflügel, in den sich kaum je jemand verirrte, dann war der Raum durch Kameras abgesichert, von denen Julie ihm nie etwas erzählt hatte. Und schließlich und endlich hatten die letzten zwei Tage zwei Typen quasi Vierundzwanzig-Stunden-Schichten geschoben und den Raum so gut wie nie verlassen. Tatsächlich hatte sich erst jetzt die Möglichkeit geboten, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Mike drückte einen Moment lang seine Stirn gegen die kühle Tür und betete, daß er Julie halbwegs unversehrt finden würde, sobald er sich umdrehte und die Augen öffnete. Was auch immer er ihr früher angetan hatte, sie war immer zu ihm zurückgekommen - und irgendwann einmal war ihm aufgegangen, daß sie ihn liebte, und daß er sie dafür liebte, daß sie all das auf sich nahm, trotz seiner Aggression.
Ein regelmäßiges Piepen durchbrach seine Gedanken, gefolgt von einem ebenso regelmäßigen pumpenden Geräusch.
Er hatte zu Anfang mit dem Personal gesprochen, um vielleicht etwas herauszufinden. Aber keine der Pflege- oder Reinigungskräfte wußte, was sich hinter der Tür von Zimmer 113 verbarg. Es gab wilde Gerüchte. Spekulationen über Forschungen an verbotenen Virenstämmen, mittels Gentechnik gezüchtete Mutanten oder einfach nur einem Spleen der beiden Gesellschafter. Letztendlich aber wußte niemand, WAS sich genau hinter der Tür verbarg.
Und nun war er endlich soweit vorgedrungen, in der Hoffnung, Julie wiederzufinden, sie zu retten und ihr einmal zeigen zu können, daß ihre Anstrengungen, trotz der Gewalt bei ihm zu bleiben, nicht ganz vergebens waren.
Mike zögerte noch einen Atemzug, doch er wußte, er hatte nicht viel Zeit. Bald würde einer der beiden Typen zurückkehren, und bis dahin mußte er erledigt haben, was er erledigen wollte.
Er drehte sich um und öffnete die Augen ... und bitter enttäuscht zu werden.
Ein einsames Bett stand an der Wand. Und in diesem Bett lag eine Gestalt. Eine Frau, soviel wurde ihm klar angesichts des, durch das Laken nur angedeuteten Körperbaus. Aber diese Frau war kleiner und schmaler als Julie, und sie hatte die falsche Haarfarbe: schwarz.
Die Fremde wand sich, ein unterdrückter Laut drang aus ihrer Kehle, wie auch immer ihr das gelungen war, denn ihr steckte offensichtlich ein Tubus in der Luftröhre.
Mike ging auf, daß die Frau sich wehrte, sie wand sich auf dem Bett, hatte den Kopf gehoben, soweit ihr das möglich war und versuchte offenbar allein mit den Augen mit ihm zu kommunizieren. Dunkelbraune Augen.
Er zögerte. Er wollte sich hier nicht in irgendeine notwendige Behandlung einmischen, die dieser Fremden vielleicht das Leben kosten konnte. Andererseits aber wußte sie vielleicht etwas von Julie und konnte ihm weiterhelfen.
Mit einem lauten Ratschen gab der erste Gurt nach, eine Hand der Fremden tauchte unter dem Laken auf, tastete sofort nach dem Beatmungsschlauch.
„Ich bin mir nicht sicher, ob Sie das tun sollten ..." wandte Mike sich an sie. Als Antwort erntete er einen ungeduldigen Blick, während sie weiter versuchte, sich die Maske, die den Beatmungsschlauch fixierte, abzunehmen. Irgendwie schien sie ihm bekannt, wenn er auch nicht recht sagen konnte, woher.
Krank sah sie eigentlich nicht aus ...
Mike gab sich endlich einen Ruck und trat an das Bett. „Wir haben leider nicht viel Zeit", sagte er, schlug das Laken zur Seite und öffnete den zweiten Gurt. Das Handgelenk, das darunter zum Vorschein kam, war blutig gescheuert.
Mit beiden Händen gelang es der Fremden endlich, die Maske zu lösen, während sie es ihm überließ, auch ihre Knöchel aus den Fixierungsfesseln zu befreien. Sie rollte sich, so gut es ging, zur Seite und zog an dem Schlauch in ihrem Hals.
Mike wandte sich ab und öffnete die restlichen Gurte, während er dem röchelnden Husten lauschte, das sie ausstieß, als sie sich den Tubus selbst zog. Er biß sich auf die Lippen und blickte wieder hoch, während sie sich keuchend vornüberlehnte und einfach nur atmete.
„Kennen Sie vielleicht Julie? Wissen Sie, was mit ihr passiert ist?" platzte es plötzlich aus ihm heraus.
Die Fremde schluckte sichtbar, drehte dann langsam den Kopf und sah ihn an. „John ... ?" flüsterte sie heiser.

„Es ist die DNA dieser Lt. Colonel Uruhk." Mit diesen Worten betrat Calleigh den Raum, ließ eine Akte auf den polierten Tisch fallen und stieß diese an, bis sie hinüber zu Horacio rutschte. Der nahm sie und begann sofort begierig zu blättern.
„Wie dieser eigenartige dritte Genstrang in die Probe gelangen konnte, weiß ich zwar immer noch nicht, aber es ist ihr Blut. Ich habe es mit den Eintragungen in den zugänglichen Teil ihrer Akte verglichen", fuhr die blonde Tatortermittlerin fort und kreuzte angriffslustig die Arme vor der Brust.
„Und unser Freund Sheridan ist verschwunden." Horacios Stimme klang dumpf, aber auch ein wenig triumphierend.
Calleigh runzelte die Stirn. „Die Kugel, mit der Miss Bryant getötet wurde, stammt aus einer 25er Automatik. Eine typische Damenwaffe für die Handtasche und bisher nicht aktenkundig. Sie wurde bisher noch nicht verwendet."
Horacio blickte auf. „25er werden nicht mehr hergestellt. Sie gehen zu leicht los", bemerkte er.
Calleigh nickte. „Und diese hier stammt definitiv nicht aus den USA, sonst hätten wir sie in der Kartei."
„Wie hat es zu dieser Verunreinigung der DNA kommen können?" kehrte Caine zum ersten Thema zurück.
„Das weiß ich nicht. Und ich mag es auch nicht, wenn du dich in meine Fälle einmischt, Horacio." Calleigh hob stolz das Kinn. „Du hast dich in eine Sache verrannt, und das nicht zum ersten Mal. Der Beach Killer wurde mir von dir zugeteilt, wenn ich dich daran erinnern darf. Und ich lasse es nicht zu, daß du meine Nachforschungen torpedierst."
Horacio las weiter wie unbeteiligt die Akte. „Sonst noch irgendeine Spur?" fragte er nach einer unendlich erscheinenden Zeit des Schweigens.
„Hast du mir überhaupt zugehört?" Calleigh riß die Augen auf und beugte sich leicht vor.
Horacio sah endlich auf. Sein Gesicht blieb ausdruckslos wie das eines Pokerspielers. „Ich habe dir zugehört. Aber ich werde mich jetzt nicht aus den Ermittlungen zurückziehen. Wir haben im Moment ein bißchen Luft. Was ist mit diesen Pflanzenspuren, die ihr in den Reifenabdrücken gefunden habt?"
Calleigh japste einmal kurz nach Luft, dann starrte sie ihren Vorgesetzten herausfordernd an. „Kieselalgen", antwortete sie einsilbig.
„Kontrolliert ihr bereits, woher sie stammen könnten?"
„Everglades, im Reservat."
Horacio Caine hob den Kopf, ein kühles Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Interessant ..."
„Halt dich da heraus, ich warne dich zum letzten Mal." Calleigh richtete sich wieder auf, ließ die Arme jetzt aber locker an den Seiten ihres Körpers hängen.
„Sheridan ist als Täter draußen. Der macht sich fast in die Hose, wenn er in die Sümpfe soll." Wieder erschien dieses kalte Lächeln auf seinen Lippen. „Aber da war doch diese Konferenz, an der unser verschwundener Colonel teilgenommen hat ..."
„Das Genetiker-Treffen im Tagungszentrum, ich weiß."
„Vielleicht sollten wir uns da ein bißchen umhören. Ist nur so ein Gefühl, aber vielleicht ... Da draußen, in der Nähe des Casinos, stand doch das alte Tropenzentrum lange leer. Da ist doch letztes Jahr eine dieser Gen-Firmen eingezogen."
„Genelab. Ich habe Aktien von ihnen", antwortete Calleigh unwillig. „Was hast du vor?"
„Ich möchte mich nur erkundigen, ob Colonel Uruhk vielleicht irgendeine Verbindung zu Genelab hat und seit wann sie sich in Florida aufhält. Möglicherweise hat sie nur eine falsche Spur gelegt ..."
Calleigh fühlte sich wieder einmal überrumpelt, doch zumindest im Ansatz hatte Caine recht: Es gab da draußen, mitten im Sumpf, eine Klinik, und die wurde von Genelab betrieben, angeblich für weitere Forschungen, die man eben in Miami nicht durchführen konnte.
„Und noch eine interessante Tatsache", fuhr Horacio fort, „Julie Bryant war Krankenschwester."
„Ich werde das überprüfen." Calleigh zögerte, dann drehte sie sich aber doch um und verließ den Raum wieder, wenn auch mit deutlich gemischten Gefühlen.

Sie war wie willenlos hinter ihm hergestolpert, wenn sie auch nicht recht wußte warum. Ihr war eigentlich recht schnell klar gewesen, daß er nicht John war ... wobei sich die Frage stellte, WER John war. Spätestens als sein Handabdruck auf ihrer Wange prankte hatte sie gewußt, daß er nicht der war, für den sie ihn zunächst gehalten hatte.
Aber ... welche andere Wahl hatte sie? Wäre sie in dem Zimmer geblieben, wären diese beiden Schreckgespenster mit ihren Nadeln und Tupfern wieder gekommen und hätten, während sie sie damit drangsalierten, irgendwelches wirre Zeug geredet, mit dem sie nicht wirklich etwas anfangen konnte.
Sie hatte Schmerzen. In unregelmäßigen Abständen schien sich ihr Innerstes nach außen kehren zu wollen. Ihre Hände zitterten und kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn.
Diese Symptome sollten ihr bekannt sein, ging ihr auf, während sie ihm über eine Treppe nach unten folgte, sie sollte wissen, was mit ihr geschah und warum es so schnell ging. Andererseits ...
Sie strengte sich an, doch die Mauer in ihrem Kopf war immer noch da. Nichts ergab wirklich einen Sinn. Immer wieder blitzten plötzlich Gesichter, Orte, Handlungen auf, die sie aber nicht wirklich zusammenfügen konnte.
Die enge Treppe endete in einem düsteren, dreckigen Raum, der nach draußen in einen Kanal öffnete. Wasser schwappte träge und brackig gegen eine Betonkante. Und auf den wie ölig schimmernden Wellen schwamm ein eigenartiges Ding.
„Was ist das?" fragte sie leise, kreuzte wie haltsuchend die Arme vor der Brust.
„Ein Sumpfboot. Mann, was für eine Krücke bist du denn?" Die anfängliche Freundlichkeit des Mannes war momentan vollkommen verflogen.
Sie hielt es für besser, wenn sie ihn erst einmal nicht weiter behelligte, trat vorsichtig an die Kante heran und starrte in die Brühe hinunter.
Sie hatte Durst. Noch im Krankenzimmer hatte sie die ganze Karaffe Wasser leer getrunken, die auf einem der Labortische gestanden hatte. Aber viel brachte das nicht. Ihr Hals kratzte immer noch. Sie war sich auch ziemlich sicher, daß der Tubus nur einen gewissen Anteil an ihrem jetzigen Zustand hatte.
Langsam hockte sie sich hin, starrte auf ihr verschwommenes Spiegelbild hinunter. Was sie sah waren wenig mehr als immer wieder auseinanderbrechende Umrisse, doch plötzlich schien das Bild sich zu überlagern.

Sie trat aus der Dusche hervor und griff sich ein Handtuch. Im Spiegel gegenüber waren wenig mehr als ihre Umrisse wahrnehmbar.
„Bist du soweit?" fragte eine Stimme von außerhalb des Raumes, ein leises Klopfen an der metallenen Tür. „O'Neill möchte anfangen, also beeil dich."
„Bin schon unterwegs", antwortete sie unternehmungslustig.
Heute war der Tag - heute war ihr Tag! Heute würde sie endlich den Lohn für all die Jahre Kampf, Schmerz und Angst erhalten. Heute war der Tag ihrer Beförderung ...


Sie blinzelte.
Beförderung? Was für eine Beförderung? Wer war O'Neill?
Auf der Suche nach Antworten beugte sie sich weiter über die Kante, fühlte sich dann aber plötzlich unsanft zurückgerissen.
„Bist du lebensmüde?" herrschte er, der nicht John war, sie an. „In diesem Wasser da schwimmt alles mögliche giftige Zeug herum. Bakterien, fiese kleine Biester ... Möbiuse oder so."
„Amöben", kam die Antwort wie aufs Stichwort von ihr. Ungläubig riß sie daraufhin die Augen auf.
Woher wußte sie, was in diesem Wasser war? Wieso ... ?
Sein Blick fiel auf ihre Hände. Mit einer hilflosen Geste wandte er sich ab. „Oh Mann, ich hab mir einen Junkie aufgehalst!" stöhnte er.

Marc Boyer beugte sich wie ein lauerndes Raubtier über sie. „Sie sind auf turkey, Major!" Seine Stimme klang vorwurfsvoll.

Major, war sie das?
Sie fühlte hilflose Wut in sich und richtete sich wieder auf. „Ich bin kein Junkie!" herrschte sie ihn an.
Ein Dienstgrad kam ihr in den Sinn: Colonel.
Sie stolperte einen Schritt zurück und hielt sich mit beiden Händen die Schläfen, als könnten diese gleich von ihrem Schädel springen.
„Scheiße, wenn ich sage, daß du ein verdammter Junkie bist, dann bist du das", herrschte er sie an. „Sieh dich doch an! Du bist doch schon ganz grün! Und wegen sowas wie dir riskiere ich meinen Hals! Du weißt doch nicht einmal, wo Julie ist."

„Sie haben sich ... verändert." Marc Boyer stand vor den Gittern und sah sie an.
Sie fühlte eine unbändige Wut in sich keimen und mußte einen wütenden Schrei unterdrücken. Hilflos ballte sie die Hände zu Fäusten, starrte auf ihre Arme hinunter. Deren Haut war fahl, leicht grünlich. Und in ihrer rechten Handfläche ...


Ungläubig starrte sie auf ihre bloßen Arme hinunter, drehte dann langsam die rechte Hand, so daß sie deren Innenfläche betrachten konnte. Ein feiner Schmerz zuckte durch die Mitte, die Haut dort war leicht gerötet, während sie ansonsten ... einen leichten, grünlichen Schimmer hatte.
„Es beginnt ..." flüsterte sie, wußte selbst nicht genau, WAS begann. Aber sie fühlte, wie sie sich veränderte, wie da etwas an ihrem Bewußtsein kratzte, was sie nicht loslassen wollte.
Mit einem Ruck erhob sie sich wieder.
Irgendetwas mußte sie tun, irgendwie mußte sie aufhalten, was sich da in Gang gesetzt hatte.
„Und was jetzt?" Er klang hämisch.
Sie schluckte, drehte sich zur Treppe um und zögerte.
Nein, sie konnte nicht mehr zurück. Sie fühlte, was da oben geschehen war, war ohne ihre Einwilligung geschehen. Irgendetwas war vorher passiert. Irgendetwas, woran sie sich nicht mehr erinnerte. Verdammt! Sie wußte nicht einmal mehr ihren Namen.
Namen!
Sie drehte sich zu ihm herum. „Wie heißen Sie?"
Er sah aus wie John, nur wußte sie nicht wirklich, wer John war. Sie wußte nur, sie vertraute John. Er und sie ... und da war noch etwas.

Große, braune Augen unter einem wirren, schwarzen Haarschopf sahen sie mitleidheischend an. Der kleine Mund zitterte, während sich die Arme ausstreckten.
„Mummy!"


„Jordan ..."
„Was? Nein, ich heiße nicht Jordan. Damit du's weißt, ich bin Mike, Mike Sheridan. Merk dir das gut!"
Sie schüttelte den Kopf, preßte vor Anstrengung die Augen zusammen. „Jordan ist ... mein Kind", sagte sie dann endlich. Unwillkürlich stieg ein Triumphgefühl in ihr auf.
Sie erinnerte sich! Sie erinnerte sich an ihr Kind!
Mike schien nach ihren letzten Worten wie erstarrt zu sein. Dann sog er scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. „Scheiße! Ich wußte doch, daß du mir bekannt vorkommst!"
Sie sah ihn an. Und wieder war da dieses Gefühl und der Name John wisperte in ihrem Geist.
Jordan und John, da war irgendetwas.
„Oh Mist!" Mike schlug mit der Faust auf die Luft ein und wandte sich ab. „Der Alptraum ist Realität!"
„Welcher Alptraum?" fragte sie.
Er drehte sich halb zu ihr um und musterte sie. „Wash, Ash, irgendwie so hat er dich genannt. Ist irgendetwas davon dein Name?"

John beugte sich über sie, während seine Arme sie fest und sicher hielten. In seinen Augen stand Liebe zu lesen. Liebe für sie.
„Vash ..."
Ihre Lippen berührten sich zärtlich.


„Ich ... ich weiß es nicht", gestand sie endlich und erntete einen ungläubigen Blick. Hilflos zog sie die Schultern hoch. „Ich kann mich nicht erinnern."
Mikes Kiefer mahlten, während er sie weiter musterte. Dann nickte er. „Okay, ich hab euch einmal beobachtet vor ein paar Tagen. Da war dieses Kind, du hast mit ihm gespielt. Dann war da noch ein junger Mann mit Brille und ... dieser ... Verdammt! Der Typ sah aus wie ich! Ich hab's für einen Alptraum gehalten ..."
Sie nickte. „Wo war das?"
Mike schüttelte ungläubig den Kopf. „Hälst du das für normal? Hallo! Dein Stecher sieht aus wie ich!"

Sie sah Janus noch einen Moment lang mißtrauisch an, dann trat sie endlich an die Stasiskammer heran und senkte den Blick - um zu fühlen, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
„John!"


„Das ist schon einmal passiert." Sie schüttelte über sich selbst den Kopf.
Mike hatte recht, ging ihr auf. Sie sollte normalerweise viel aufgebrachter sein über das, was geschehen war. Aber ...
Ein schriller Ton dröhnte die Treppe hinunter.
„Was ist das?" fragte sie, den Kopf in den Nacken gelegt.
„Der Alarm. Mist, die haben gemerkt, daß du weg bist."
Sie trat näher an die Treppe heran und lauschte. Dann drehte sie sich herum. „Es kommt jemand."
Mike starrte sie an. „Red keinen Blödsinn, Schlampe! Ich hab mich hier die letzten zwei Tage versteckt. Hier kommt keiner runter!"
Doch dann erstarrte auch er, als er endlich die hastigen Schritte hörte und das Licht in der schmalen Treppenflucht aufleuchtete.
„Das Boot, schnell!" Sie griff nach ihm und zerrte ihn mit sich zu diesem eigentümlichen Wassergefährt hinüber.
Diese Männer durften sie nicht wieder einfangen, das war ihr schlagartig klar geworden. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht, aber nicht so, wie Mike es vielleicht glaubte.
Sie schwang sich auf den Hochsitz, der auf dem flachen Rumpf befestigt war, fand den Hebel für die Treibstoffzufuhr wie blind, drückte dann einen grünen Knopf.
Mit einem lauten Rattern und Stottern erwachte das eigenartige Wasserfahrzeug zum Leben, gerade als Mike das Seil, mit dem das Boot festgemacht gewesen war, gelöst hatte und seinerseits hineinkletterte.
„Hinsetzen!" befahl sie scharf, nachdem sie begriffen hatte, wie die Steuerung funktionierte. Irgendwie erinnerte das ganze sie an ein Leichtflugzeug, wie sie es einmal in einem Urlaub geflogen hatte.
Keine Erinnerungen jetzt, rief sie sich zur Ordnung und ließ das Boot auf das brackige Wasser hinausfahren.
Keine Sekunde zu früh, denn über den Krach des Motors und des Propellers hinweg hörte sie das dumpfe Bellen zweier Pistolen und duckte sich unwillkürlich.
„Ich komme zurück, Jordan, John ..." flüsterte sie, auch wenn ihre Stimme vom Lärm des Fahrzeugs komplett geschluckt wurde.
Die Verfolgungsjagd by Hyndara71
John floh beinahe aus dem Wagen, sobald O'Neill angehalten hatte. Dem General schien es sicherer, wenn er fuhr. Immerhin war dessen Führerschein wohl nicht abgelaufen wie der von John ...
Jetzt stand er in einer Auffahrt, sah sich etwas hilflos um. Einige moderne Bauten wiesen darauf hin, daß sich das Geschäft hier, mitten in den Everglades, doch wohl lohnte. Die Auffahrt war, wie eine dieser Villen aus alten Hollywoodschinken, groß und ausladend angelegt, mit einem überdimensionalen Blumenbeet inklusive Springbrunnen in der Mitte.
John rieb sich die Arme, als sei ihm kalt. Dann hatte er endlich einen Mann ins Auge gefaßt, unter dessen Sakko sich der Griff einer Waffe abzeichnete und in dessen Ohr einer dieser Ohrstöpsel steckte, wie sie immer wieder gern von den verschiedenen Geheimdiensten benutzt wurden. Um das Klischee voll zu machen hatte der Sicherheitsmann auch noch eine Sonnenbrille auf der Nase.
Gute Idee, ging John auf. Während er langsam zu dem anderen hinüberging und dabei kurz nach O'Neill sah, der den Wagen abstellte, holte er seine Sonnenbrille aus der Brusttasche und setzte sie sich auf die Nase.
„Kann ich Ihnen helfen, Sir?" wandte der Wachmann sich sofort an ihn, als er in dessen Nähe kam.
John blieb stehen, zückte den niegelnagelneuen Ausweis und hielt ihn dem anderen hin.
„Colonel John Sheppard, USAF", stellte er sich vor. „Sir, ich hätte da einige Fragen, eine Vermißte betreffend."
Mr. Security seufzte, verzog dann die Lippen. „Hören Sie, Colonel Sheppard von der USAF, die Polizei war schon mehrmals da und ich kann Ihnen nur das gleiche wie denen sagen: Keines ihrer Mordopfer hatte ein Zimmer in diesem Hotel. Für alles andere wenden Sie sich bitte an den Ältestenrat des Stammes."
John verstaute den Ausweis wieder und nickte, während er jetzt ein Foto von Vashtu aus seiner Brieftasche holte. „Es ist nur eine Frage, aber haben Sie vielleicht diese Frau gesehen?" Er hielt dem anderen das Bild unter die Nase und hoffte einfach nur das beste.
„Habe ich mich nicht gerade klar und deutlich ..."
„Wow, wer kommt denn mit einem Heli hier heraus?" unterbrach O'Neills Stimme das Abwiegeln.
Johns Blick irrte einen Moment lang ziellos hin und her, ehe er fand, was der General gemeint hatte: Ein äußerst gepflegt wirkender Helikopter dümpelte hinter den letzten Wirtschaftsgebäuden in einem Wasserarm und wartete offensichtlich nur darauf, daß irgendjemand ihn startete.
„Das ist vertraulich", wandte Mr. Security sich nun an O'Neill.
Der nickte, trat an Johns Seite. „Och, wissen Sie, kann doch nicht schaden, wenn Sie ein bißchen angeben", befand er.
„Bedaure, Sir", wiederholte Mr. Security und schüttelte ansatzweise den Kopf. „Einige unserer Kunden legen besonderen Wert auf Diskretion und Unabhängigkeit. Sie wissen sicher, wie es ist, über Nacht ein Star zu sein ..."
In O'Neills Gesicht zuckte nicht ein Muskel. „Um ehrlich zu sein nicht", antwortete er, zog jetzt seinerseits den Ausweis. „General Jack O'Neill von der Air Force. Der Colonel und ich sind auf der Suche nach einer vermißten Offizierin, die wir gern wieder hätten. Sehen Sie sich das Foto doch noch einmal an."
In weiter Ferne heulte plötzlich ein Motor auf.
John zuckte zusammen. „Was war das denn?"
„Ein Sumpfboot", Mr. Security war weiterhin die Ruhe selbst, doch zumindest hatte er jetzt einmal das Foto in die Hand genommen und schien es zu studieren. „Wenn es windstill ist wie heute kann man die Dinger meilenweit hören. Die Naturschutzbehörde versucht seit Jahren, die Boote aus dem Verkehr zu ziehen. Angeblich werden die Tiere von dem Lärm krank."
John wollte schon nicken, als er plötzlich noch einmal zusammenzuckte, und noch einmal. Beim dritten peitschenden Knall aus weiter Ferne fuhr er zu O'Neill herum, der ebenfalls lauschte.
„Das waren Schüsse!"
Was, wenn genau in diesem Moment auf Vashtu geschossen wurde? Was, wenn sie verletzt war und dringend Hilfe brauchte? Was, wenn ... ?
Der Lärm des Sumpfbootes wurde lauter und lauter. Und dann ...
John riß die Augen auf und strengte sich an, so gut er eben konnte.
Er fühlte sie! Vashtu war hier, ganz in der Nähe. Und sie kam näher und näher und ...
Das Boot mit dem überdimensionalen Rotor am Heck und dem extrem niedrigen Tiefgang tauchte so plötzlich auf, daß John, hätte er nicht Ausschau nach ihr gehalten, sie gar nicht bemerkt hätte. Sie hockte wie auf einem Referee-Stuhl direkt vor dem Rotor und steuerte ganz offensichtlich das Boot. Und ... es stimmte etwas mit ihrer Hautfarbe nicht!
Den Mann, der auf einem der beiden unteren Sitze hockte nahm John nur am Rande wahr, er sah einzig und allein Vashtu, wie sie das fremdartige Gefährt steuerte, an ihm vorbeifuhr und dem Kanal weiter folgte.
Dem Sumpfboot dicht auf den Fersen war ein normales kleines Boot mit Außenbordmotor, in dem zwei Menschen saßen: Einer hinten, der das Gefährt steuerte, einer hockte vorn im Bug und ...
John wirbelte zu O'Neill herum. „Sie ist es!"
Der General sah den beiden Wasserfahrzeugen besorgt nach. „Gehen Sie schon", sagte er.
John jagte los, bis zum Helikopter, der am einzigen Pier des Casinos vertäut lag. Kurz sah er sich suchend um, dann öffnete er die Tür und kletterte in das Innere des Fluggerätes.
Wie war das noch?
John stockte einen Moment, dann begann er so schnell wie möglich die nötigen Hebel und Schalter umzulegen, um den Motor starten zu können.
Himmel, er war jahrelang nicht mehr mit einem Heli unterwegs gewesen, ging ihm auf.
Als er kurz nach draußen sah konnte er beobachten, wie der Security-Mann auf O'Neill losging, der ihn offensichtlich davon abhalten wollte, ihn, John, wieder aus dem kostbaren fliegenden Untersatz eines der besser situierten Kunden des Casinos zu zerren. Und er sah, wie ein weiterer Wagen oben an der Zufahrt anhielt und ein rothaariger Mann, der ihm inzwischen leider mehr als bekannt war, auf ihn zuhielt, die Hand am Holster.
John fluchte, nahm den Knüppel in die Hand.
Er würde Vashtu folgen, und wenn es das letzte war, was er je tun würde. Er würde nicht weiter danebenstehen und zusehen, wie sein Traum von einer Familie zerplatzte, ehe sie drei ihn richtig genießen konnten.
John gab vorsichtig Gas. Der Heli ruckte nach vorn, schwenkte dann zur Seite.
Da wurde die Tür auf der anderen Seite aufgerissen und der rothaarige Polizist, der ihn gestern den ganzen Tag bearbeitet hatte, kletterte wenig elegant auf den Copilotensitz.
Der Helikopter kam endlich vom Kai los und schwenkte auf die offene Wasserfläche.
„Können Sie denen hinterher?" brüllte Caine ihn an.
John kniff die Lippen aufeinander, nickte aber stumm. Der Polizist schien ihn noch nicht erkannt zu haben, ein Umstand, den er sich zu nutze machen wollte, solange er eben dauern würde.
Der Helikopter unter ihm bebten einmal, zweimal, dann verlor das Fluggerät den Boden-, respektive Wasserkontakt.

Mike wurde übel bei dieser rasanten Fahrt durch eines der Feuchtgebiete der riesigen Everglades. Nicht nur, daß er von dem ganzen Spritzwasser inzwischen tropfnaß (und wahrscheinlich von diesen ... Amöben für den Rest seiner Tage verseucht) war, diese Frau, die er aus Zimmer 113 befreit hatte, fuhr wie eine Wahnsinnige. Vielleicht, ging es ihm durch den Kopf, wollte sie sie beide tatsächlich umbringen. Potenzial in diese Richtung konnte er ihr jedenfalls nicht absprechen.
Andererseits war ihm jetzt schon mehr als eine Kugel um die Ohren geflogen, und das Boot, das an ihnen klebte wie angekoppelt, war bedrohlich nahe.
Jedenfalls, so schloß Mike aus dem Gesicht der Frau, das hochkonzentriert war, schien sie soetwas nicht zum ersten Mal zu tun. Vielleicht nicht unbedingt mit einem Sumpfboot, aber die Art, wie sie das Wasserfahrzeug steuerte, verriet, daß sie sich mit Verfolgungen auskannte - jedenfalls damit, gejagt zu werden.
Ein Helikopter tauchte über ihnen auf, zog dann nach rechts weg, um kurz darauf zurückzukehren.
Die Fremde legte den Kopf in den Nacken, dann konzentrierte sie sich wieder auf den Weg und ließ das Boot einen Haken schlagen.
„Scheiße! Paß doch auf!" brüllte Mike, als er sich plötzlich dem Mann im Bug des Bootes gegenübersah.
Der kam ihm bekannt vor. War das nicht ... ?
Der nächste Haken, während schon wieder der Helikopter über ihnen klebte.
Mike prustete sich das Wasser aus dem Mund, in der Hoffnung, so eine innere Verseuchung verhindern zu können. Das fehlte ihm gerade noch! Diese komischen Miniviecher, wie sie in ihm herumschwammen und noch mehr Schaden anrichteten.
Das Boot machte den nächsten Schlenker, und allmählich ging ihm auf, wohin die Fremde wollte: Ein kurzes Stück weiter vorn begann einer der Magrovensümpfe der Everglades, Süßwassermangroven, um genau zu sein. Vom Delta zum Golf waren sie noch meilenweit entfernt ...
Riesige Bäume, deren Bezeichnung Mike nicht kannte, ragten bis dicht über die Wasserfläche und würden verhindern, daß der Helikopter sie weiter verfolgen konnte. Blieb dann nur noch das Verfolgerboot - und irgendwie war er sich ziemlich sicher, daß sie auch dafür eine Lösung finden würde ...
Der nächste Schuß schrammte über die Aufhängung des Pilotensitzes und ließ Mikes Zähne schmerzen. Das laute Quietschen war selbst über den Lärm des Propellers zu hören.
Das Boot schlug den nächsten Haken und er wurde allmählich seekrank.
Dem Piloten des Helikopters schien ebenfalls aufzugehen, daß er bald nicht mehr weiterkonnte, den plötzlich tauchte das Fluggerät direkt vor ihnen auf, vielleicht einen oder zwei Meter über der Wasseroberfläche, die die Rotoren aufpeitschten.
Mike riß die Augen ungläubig auf, als er erkannte, wer da auf dem Copilotensitz saß. Den Piloten dagegen konnte er nicht ausmachen, die Sonne strahlte zu sehr. Dafür aber erkannte er seine persönliche Nemesis: Horacio Caine, der gerade damit beschäftigt zu sein schien, die Tür auf seiner Seite zu öffnen.
„Das ist die Polizei!" brüllte Mike nach hinten, doch die Fremde hörte nicht.
Mit einem halsbrecherischen Schlenker umkurvte das Sumpfboot den tieffliegenden Helikopter und raste dann weiter bis direkt unter die Bäume.
Mike drehte sich wieder um und sah nach oben.
Sie schien voll konzentriert zu sein, behielt die schmale Wasserschneise im Auge, während ihr Kopf kurz mal nach links, mal nach rechts ruckte auf der Suche nach einem Ausweg. Erst im zweiten Hinsehen bemerkte er den Unterschied: Sie hatte sich noch weiter verändert! Ihre Haut war inzwischen wirklich hellgrün und glänzte. Und an beiden Seiten ihrer schmalen Nase befanden sich zwei hellrote Striche, sehr schmal und wie aufgemalt wirkend. Und ihre Augen ... Waren die nicht bis vor einer Stunde dunkel gewesen?
Sie riß das Boot aus der Fahrrinne und ...
Mike krallte sich an seinem Sitz fest, als er erkannte, daß sie über eine der natürlichen Erdwälle in einen anderen Kanal wechseln wollte.
Theoretisch war das möglich, das wußte er. Sumpfboote konnten sich kurzfristig über Land fortbewegen, da sie keinen tiefen Kiel oder gar ein Schwert besaßen. Andererseits ...
Er hatte keine Zeit mehr, dem Gedanken bis zu seinem Ende zu folgen. Das Boot stieß auf Land und arbeitete sich den schmalen Hügel hinauf, um auf der anderen Seite sofort wieder unsanft ins Wasser zurückzuplumpsen.
Er keuchte, drehte sich wieder um. „Bist du wahnsinnig, du Schlampe?" brüllte er sie an. „Du sitzt hier nicht allein!"
Das Adrenalin sang in seinen Adern und er hatte Mühe, seine Lungen mit genug Sauerstoff zu füllen.
„Festhalten!" schrie sie und nahm den nächsten Kanal in Angriff.
Offensichtlich wollte sie soviele Hindernisse wie möglich zwischen sich und ihre Verfolger bringen, ging Mike auf. Vielleicht nicht gerade die kleverste Lösung, bedachte man, daß sie allein durch den Lärm auffielen wie ein bunter Hund. Diese Sumpfboote jedenfalls waren nicht dafür berühmt, daß sie sonderlich gehörschonend waren. Wahrscheinlich konnte man sie noch in einigen Meilen Entfernung hören.
Doch sie beide irrten sich.
Der nächste Erdwall zwischen den Kanälen war zu hoch für das Boot, noch dazu hatte sie wohl irgendetwas übersehen. Jedenfalls verlor sie die Kontrolle über das Fahrzeug, das sich daraufhin gefährlich zur Seite neigte. Der Rotor geriet zwischen die dicken Äste eines uralt erscheinenden Baumes, selbst das Gestänge aus Metall half da nicht mehr viel. Im Holz schien ebenfalls Metall eingegraben zu sein, jedenfalls zersplitterten die beiden Flügel des Propellers noch bevor das Boot sich plötzlich überschlug und irgendwie doch noch auf der anderen Seite ins Wasser rutschte - um gleich unterzugehen, da etwas den Rumpf leck geschlagen hatte.
Mike wurde durch die Wucht aus seinem Sitz geschleudert und landete auf dem Boden neben den Überresten des Bootes. Den Kopf schrammte er sich an einer Luftwurzel an, ein großer Stein bohrte sich in seine Seite. Halb bewußtlos blieb er liegen und mußte warten, bis die Welt aufgehört hatte, sich wie irr um ihn zu drehen.
Er fühlte sich, als hätte er in einem Fleischwolf gesteckt, gestand er sich schließlich ein, während er sich ächzend auf den Rücken rollte und einfach nur keuchend einatmete.
Er hatte ein Held sein wollen, kein Wunder, daß er dafür bestraft wurde. Er war kein Held, war es auch noch nie gewesen. Er hätte es besser wissen müssen, ehe er loszog auf der Suche nach Julie.
In einiger Entfernung konnte er den Motor des Außenborders hören, der Helikopter dagegen schien verschwunden zu sein.
Dann hörte er das würgende Keuchen - und sofort war die Wut wieder da.
Er rappelte sich, die Schmerzen vergessend, die ihn peinigten, auf und humpelte zu ihr hinüber, um sofort mit einem Fußtritt auf sich aufmerksam zu machen.
Auch sie war wohl aus dem Sitz geschleudert worden, hatte sogar eine weichere Landung als er hinter sich ... sah man von den Dornen ab, die das Gestrüpp, in dem sie gelandet war, an seinen dünnen Ästen hatte. Über seinen Tritt krümmte sie sich zusammen und rollte aus dem Busch heraus, um würgend liegenzubleiben und sich den Magen zu halten.
Hatte er sie nicht in der Seite getroffen?
Egal!
Mike trat über sie und beugte sich hinab. „Du blöde Kuh! Was denkst du dir dabei? Beinahe hättest du uns beide umgebracht!" brüllte er sie an, ballte die Rechte zu Faust und holte aus, um sie ihr mitten in ihr grünes Mutantengesicht zu rammen. Vielleicht würde ihn das ein bißchen von dem Trip runterholen ...
Doch soweit kam er nicht. Gerade als er zuschlagen wollte, riß sie die Augen auf und fuhr ihre Linke aus. Ihre Finger gruben sich schmerzhaft in seine Faust, während sie sich jetzt langsam aufrappelte, ihm den Arm dabei verdrehend.
„Mach das nie wieder, Mike", zischte sie.
Ihre Stimme ... sie klang anders, unmenschlich!
Mike ächzte und versuchte sich irgendwie loszuwinden.
Verdammt, dieses Weibstück war einen Kopf kleiner als er! Das konnte doch nicht wahr sein, was hier gerade geschah.
„Du wirst weder mich noch sonst eine Frau jemals wieder schlagen, hast du das verstanden?" knurrte sie, riß ihn herum und warf ihn dabei flach auf den Boden. Nicht einmal einen Atemzug später hockte sie rittlinks auf ihm und ihre rechte Hand drückte sich in seinen Halsansatz, genau dort, wo Adern, Venen sowie Luft- und Speiseröhre saßen. Und augenblicklich fühlte Mike einen schneidenden kalten Schmerz, der seine gesamte Wahrnehmung beanspruchen wollte.
„Nie wieder, hörst du?" knurrte sie, beugte sich zu ihm herunter. „Sonst werde ich dich töten, Mike, verstehst du?"
„Was ... was bist du?" keuchte er. „Was für ein Freak ... ?"
Weiter kam er nicht, den augenblicklich überstieg der Schmerz alles, was er geglaubt hatte wahrnehmen zu können. Voller Argonie heulte er auf, bis seine Welt wieder ein wenig klarer wurde.
„Ich bin dein Alptraum, Mike Sheridan", zischte sie in sein Ohr und hob die Rechte, um sie ihm über das Gesicht zu halten.
Die Handfläche war blutverschmiert, doch das war nicht das, was ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Mitten in dieser Innenfläche befand sich ein pulsierender Schlitz, der jetzt ein wenig geöffnet war, so daß er einen Blick auf eine Art spitzer Röhre werfen konnte. Eine LEBENDE Röhre, die sich zurückzog in das Innere der Gliedmaße.
Fauchend kam die Fremde wieder auf die Beine und sah sich um.
Mike tastete mit zitternden Fingern nach der schmerzenden Stelle und fühlte sich bestätigt: es war sein Blut, das an ihrer Hand klebte. Langsam rappelte er sich auf bis in eine kniende Haltung.
„Julie ... war sie blond, mit glatten Haaren? Sehr weiblich und relativ groß?" fragte die Fremde plötzlich in die entstandene Stille hinein.
Mike schluckte, nickte dann aber. Sein Hals schmerzte und er hatte Angst. Angst vor diesem ... Monster! Wie kam er am besten von hier weg? Wie konnte er sich gefahrlos von ihr trennen?
Er wußte es nicht, und als sie sich zu ihm umdrehte und ihn mit ihren kalten, gelben Augen musterte, sank sein Mut unter Null.
Sie hockte sich bei ihm hin, fuhr sich mit der Hand durch ihr wirres, schwarzes Haar. „Ich kann mich ein bißchen erinnern", gestand sie ihm zu wissen. „Und ich weiß, daß ich, ehe ich in diesem Bett aufwachte, am Strand war und dort eine Leiche gesehen habe. Eine Leiche und ... noch jemanden." Sie schüttelte den Kopf.
Mike schluckte, tastete dann nach seiner Brieftasche. „Ich ... hab da ein Foto", flüsterte er heiser.
Sie nickte und beugte sich über ihn, als er ihr die geöffnete Brieftasche hinhielt. Dann wandte sie sich ab und richtete sich auf. Einige Male öffnete sie leicht die Lippen, kniff sie dann wieder zusammen, ehe sie schließlich wieder stumm nickte.
Mike schloß die Augen und wandte sich ab.
„Wir müssen hier verschwinden, ehe die wieder hinter uns herkommen", sagte sie nach einer Weile, in der sie beide nur stumm ihren eigenen Gedanken nachgehangen hatten.
Mike zögerte, rappelte sich aber schließlich wieder auf. Offensichtlich war die Gefahr erst einmal gebannt. Stand zu hoffen, daß das so bleiben würde ...
„Haben die dir das angetan?" fragte er, mutig geworden durch das, was vor einigen Minuten geschehen war.
„Zum Teil. Zu einem anderen steckte es in mir", antwortete sie ausweichend, hielt sich noch immer abgewandt. Jetzt, da ihr Zorn ebenfalls verflogen war, schien es ihr geradezu peinlich, daß er sie sehen konnte.
„Und ... und was ist das jetzt?"
„Die Art meines Körpers, mit Drogen umzugehen", antwortete sie, drehte sich dann plötzlich um und starrte in den Sumpf hinein. „Jemand kommt. Wir müssen verschwinden."
Mike war sicher, er machte gerade einen Fehler, dennoch aber folgte er ihr ohne Widerstand. Im Moment war sie wohl der sicherste Weg zum Überleben - solange sie nicht über ihn herfiel ...
Mitgeflogen, mitgefangen by Hyndara71
John war noch mehrere Runden über das Gehölz geflogen, bis er endlich aufgab. Weder das Sumpfboot noch der Außenborder tauchten zwischen dem dichten Laubdach wieder auf, unter das sie mit Höchstgeschwindigkeit geflohen waren.
Vashtu hatte ihn nicht erkannt, ging ihm auf, während er den Helikopter so nahe wie möglich an dem Gehölz landete. Er hatte direkt vor ihr in der Luft geklebt, doch das Sonnenlicht mochte auf den Scheiben reflektiert haben. Die Antikerin hatte nur einen weiteren Haken geschlagen und war dem Kanal in das Gehölz gefolgt.
John stellte die Rotoren ab und atmete tief durch.
Vashtu war mutiert, sie war, als er sie gesehen hatte, fast schon ein Wraith gewesen. Und er wußte sowohl von ihr wie auch aus den verschiedensten Aufzeichnungen, was das bedeutete: Ganz offensichtlich hatte man die Antikerin unter Drogen gesetzt.
„Wir sollten zurückfliegen", schlug Caine seltsam handzahm vor.
John zögerte einen Moment, als er zum wiederholten Male das Funkgerät betrachtete, öffnete dann aber die Tür auf seiner Seite und verließ den Helikopter.
Vielleicht hätte er den seltenen Flug sogar genießen können, wenn er nicht so in Sorge wäre, ging ihm auf, während er mit langen Schritten den Grashügel in Richtung auf das Wäldchen hinuntermarschierte.
„Hey!" rief Caine ihm nach.
Und wenn schon! Was sollte der Polizist hier draußen unternehmen? Ihn festnehmen und mit Handschellen fesseln? Und wie sollte Caine selbst dann wieder von hier wegkommen?
Johns Lippen verzogen sich zu einem zynischen Lächeln, während er unbeirrbar weiter marschierte.
Er konnte immer noch Vashtus Anwesenheit fühlen, sie war nahe. Aber was er sonst empfand hatte wenig mit dem gemeinsam, wie es sonst war, mit ihr verbunden zu sein. Da war eine eigenartige, unmenschliche Kälte, die von ihr zu ihm hinüberstrahlte und sämtliche Warnsignale in seinem Inneren läuten ließ.
John war klar, was das bedeutete: Die Verwandlung war abgeschlossen und er hatte jetzt das seltene Vergnügen, seine Lebensgefährtin als Wraith-Königin wahrnehmen zu dürfen. Keine sonderlich verlockende Aussicht, aber im Moment alles, was er eben hatte. Dabei hoffte er, die Verbindung zu Jordan würde durch die Entfernung abgeschwächt. Auf keinen Fall sollte das Kind seine Mutter so erleben!
„Hey, warten Sie! Sie können doch nicht so einfach ..."
Schritte näherten sich ihm, dann wurde er unsanft an der Schulter gepackt und herumgerissen.
John preßte die Kiefer aufeinander, nahm sich endlich die Sonnenbrille ab und sah Horacio herausfordernd an.
Der bekam große Augen. „Sie?"
„John Sheppard, immer noch. Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen - ich möchte meine Lebensgefährtin wiederfinden und die Kerle, die sie gejagt haben, dingfest machen. Was dann mit ihnen geschieht stört mich nicht weiter." Er riß sich los und wandte sich wieder um.
„Sie haben gerade einen Helikopter gestohlen, Colonel Sheppard. Ich könnte Sie auf der Stelle festnehmen." Caine würde nicht so einfach aufgeben, das war ja klar gewesen.
„Sie sind in dem gestohlenen Helikopter mitgeflogen", entgegnete John, konnte den sehr befriedigten Unterton in seienr Stimme nicht wirklich unterdrücken. „Mitgefangen, mitgehangen."
„Ich bin in einem Einsatz ... Haben Sie überhaupt einen Flugschein?"
„Ich denke, ich bin so ziemlich alles gängige schon geflogen, das es gibt. Was soviel heißt wie: Ja, ich habe einen Flugschein."
„Trotzdem haben Sie ein Fluggerät ohne Genehmigung benutzt und den Flugverkehr dadurch gefährdet, daß Sie ohne Funkkontakt zu einer Flugleitstelle abgehoben sind."
„Ich war nie höher als für einen solchen Fall erlaubt."
Caine kam immer noch hinter ihm her. John hätte den Polizisten am liebsten am anderen Ende des Sumpfes gewußt, aber nun waren sie beide hier und mußten das beste aus iher Lage machen.
Vashtu als Wraith, ein persönlicher Alptraum von ihm wurde Wirklichkeit ...
Wie aufs Stichwort klingelte plötzlich das Handy von Horacio.
John warf einen Blick über die Schulter und nickte befriedigt, als er sah, daß der Polizist angehalten hatte, um das Gespräch entgegenzunehmen. Er selbst tat noch genug Schritte, um außer Hörweite zu sein, ehe er aus seiner Hosentasche den antikischen Kommunikator zog und aktivierte.
„Sheppard, ich versuche schon eine Weile, Sie zu erreichen", meldete sich augenblicklich O'Neill. Der General klang besorgt.
John seufzte, warf einen Blick auf Caine. „Wir haben Vashtu verloren. Sie hat sich in irgendein Gehölz am Kanalrand versteckt. Und ... Sir, Sie sollten sich Genelab noch einmal sehr genau ansehen. Vashtu ist mutiert."
„Mutiert wie ... was?" O'Neill zögerte, ehe er das letzte Wort seiner Frage aussprach. „Mutiert wie ein riesiger Käfer, oder mutiert wie ... ich könnte der Brüller auf der nächsten Halloweenfeier werden?"
„Letzteres. Da sind Drogen im Spiel, Sir", antwortete John. „Jemand sollte nach Jordan sehen, ob es ihr gut geht. Vashtus Empfindungen haben sich in der letzten halben Stunde ziemlich verändert, Sir."
„Kann ich mir denken." O'Neill klang wenig begeistert. „Aber das ist nicht, weswegen wir Sie suchen. Sie haben schon recht, Sheppard. Tatsache ist, einer der Firmengründer von Genelab spielt falsch."
John richtete sich alarmiert auf. „Was meinen Sie?"
„Storm war noch einmal bei Ihrem Bruder, nachdem er die Firmenunterlagen von Genelab kontrolliert hatte", berichtete O'Neill so kurz wie möglich. „Was genau da vor sich geht, wissen wir noch nicht. Aber irgendwie stand Genelab mit dem Trust in Verbindung bis vor einigen Wochen."
John holte tief Atem.
Der Trust! Hatte Storm nicht sogar noch selbst auf der Nemesis davon gesprochen? Diese Vereinigung niederer Goa'uld hatte sich bisher als so gut wie unzerstörbar erwiesen. Und es wußte niemand wirklich, wie viele der außerirdischen Parasiten sich auf die Erde geflüchtet hatten nach dem Ende der Systemlords.
John sah zu dem Wäldchen hinunter und runzelte die Stirn. „Es wäre eine Erklärung für die beiden Typen im Verfolgerboot", räumte er ein.
„Storm ist bereits unterwegs zur Klinik mit einem Team Marines. Wir hätten uns anschließen sollen, allerdings ..."
„Fahren Sie allein, Sir. Ich suche weiter nach Vashtu. Ich bin ihr dicht auf den Fersen."
„Kann ich mir denken ... Wie ist es mit diesem Caine? Der war das doch, der noch in den Heli gesprungen ist als Sie starteten, oder?"
John drehte sich wieder um und beobachtete einen Moment lang Horacio, der immer noch telefonierte. „Den habe ich im Griff, Sir. Aber es sollte wirklich auch nach Jordan gesehen werden. Wenn der Trust dahintersteckt ..."
„Es ist schon ein Team nach Wisconsin unterwegs. Machen Sie sich keine Sorgen." O'Neills Stimme klang beruhigend. „Wird das mit Vashtu wieder werden? Wie weit kann sie mutiert sein nach zwei Tagen."
John seufzte. „Ich weiß es nicht", gestand er schließlich.
„Aber Sie trauen ihr nicht zu, die Seiten zu wechseln, oder?"
„Nein!"
„Sie müssen sich übrigens auch keine Gedanken wegen des ... ausgeliehenen Helikopters machen", wechselte O'Neill das Thema. „Sie werden lachen, die Kiste gehört dem Typen, der Colonel Danning spielt."
John stutzte. „Der wen spielt?"
O'Neill schien sein Fauxpas aufzugehen. „Vashtu wird das verstehen. Wormhole extreme."
Schritte näherten sich.
„Ich muß Schluß machen, Sir. Wir reden später." John deaktivierte den Kommunikator und ließ ihn wieder in seiner Hosentasche verschwinden. „Sehen wir nach, ob wir meine Lebensgefährtin finden", wandte er sich dann so locker wie möglich an Horacio, ging bereits weiter.
Wormhole extreme und eine mutierte Antikerin - vielleicht hätte er sich damals in McMurdo krank melden sollen ...

Mike stapfte hinter ihr her, behielt sie immer im Auge.
Kurioserweise schien es ihr nichts auszumachen, daß sie nicht einmal Schuhe trug und ihre OP-Kluft alles andere als widerstandsfähig war in dieser Umgebung. Seine eigenen Phobien dagegen steigerten sich mit jedem Schritt, den er tat.
Wer war diese Mutantin? Wieso war sie so plötzlich von einer normalen Frau zu dem geworden, was er jetzt bewundern durfte? Und warum war sie so stark?
Vor einer kleinen Weile hatte sie zu ihm gesagt, er solle die Beine in die Hand nehmen, gab sie ihm ein Zeichen, weil dann sein Leben nicht mehr sicher sein würde. Sie war nicht weiter darauf eingegangen, WAS genau dann geschehen würde, aber er war sich ziemlich sicher, es hatte etwas mit dem zu tun, was sie ihm bereits gezeigt hatte.
„Wie lange geht das?" brach er die Stille zwischen ihnen.
Sie hob den Kopf, drehte ihn kurz in seine Richtung, ehe sie mit den Schultern zuckte. „Das erste Mal ist es ... vor Jahren passiert", antwortete sie. „Damals dauerte es mehrere Tage."
„So richtig kannst du dich immer noch nicht erinnern, oder?"
„Stimmt." Sie nickte.
„Und was ... was ist das? Ich meine, gibt es solche Wesen wie dich wirklich, ohne daß ihnen irgendwelche Genetika gespritzt werden?"
Sie blieb wieder stehen, ein Fauchen entwich ihren Lippen, während sie die Nase in die Luft hob. „Wraith", antwortete sie endlich. „Sie nennen sich Wraith und es gibt sie wirklich." Unvermittelt drehte sie sich zu ihm um und musterte ihn emotionslos. „Ich bin jetzt eine Königin. Aber ich werde es nicht für immer sein - hoffe ich zumindest."
Mike wich unwillkürlich unter ihrem Blick zurück und holte tief Atem.
„Eigentlich solltest du das alles nicht wissen, Mike Sheridan", fuhr sie fort. „Eigentlich solltest du nicht einmal mich sehen dürfen. Ich bin dir dankbar, daß du mir bei der Flucht geholfen hast, und das ist auch der einzige Grund, aus dem du noch lebst. Ein Frauenprügler wie du hätte es eigentlich wirklich verdient, mein Opfer zu werden. Und langsam kehrt der Hunger zurück." Mit einem kleinen Fauchen bewegte sie sich einen Schritt auf ihn zu.
Mikes Beine wurden weich.
Würde sie ihn jetzt töten? Aber sie hatte ihm das Zeichen nicht gegeben. Sie hatte ihm eine Chance lassen wollen, er sollte überleben.
„Ich habe Julie geliebt!" keuchte er endlich.
Sie blieb wieder stehen und neigte den Kopf. Und jetzt nahm er endlich war, daß da jemand in seinen Gedanken herumstocherte, in seinen Erinnerungen kramte und seine Erfahrungen durchblätterte. Ungläubig weiteten sich seine Augen, als er erkannte, daß sie es war. Irgendwie steckte sie in seinem Kopf, wenn er auch nicht wußte ...
Das Bild der kleinen, so glücklich wirkenden Familie tauchte plötzlich auf, wurde von ihr hervorgezerrt. Wieder beobachtete Mike, wie der Mann mit seinem Gesicht die Frau, die sie bis vor einigen Stunden gewesen war, liebevoll küßte, wie sie dem Kind zärtlich eine Gute Nacht wünschte.
Mit einem weiteren Fauchen zog sie sich zurück, wandte sich abrupt von ihm ab.
Mike schluckte hart und wartete.
„Du wirst niemals wieder eine Frau schlagen, Mike", knurrte sie nach einer Weile. „Niemals wieder, hörst du? Es ist gleich, was du dir als Ausrede noch ausdenken magst. Es gibt keine Entschuldigung dafür, jemanden zu verprügeln, der liebt. Und es ist erst recht kein Zeichen von Gegenliebe, wie du dir einreden willst. Das ist auch kein rüdes Vorspiel, das ist einfach krank!"
Mike kramte in seinem Inneren nach der Aggression, nach dem, was er bis dato als seine Männlichkeit begriffen hatte. Doch ... da war nichts mehr.
„Ich habe es dir genommen." Sie ging langsam weiter.
Mike starrte ihr einen Moment lang nach, dann beeilte er sich, wieder zu ihr aufzuschließen. „Wieso ... ? Warum hast du das getan?"
„Weil ich es kann", war ihr Antwort.
„Nicht gerade sehr höflich, im Kopf eines anderen herumzustochern, findest du nicht?" fuhr er fort. „Ich weiß, daß es nicht richtig war. Man hat mich oft genug zu diesen Aggressions-Abbau-Training-Sitzungen verdonnert."
„Dann brauche ich dir darüber zumindest nicht auch noch einen Vortrag zu halten."
„Und wenn ich jetzt angegriffen werde? Was, wenn ich mich verteidigen muß?" Mike kratzte alles, was er noch aufbieten konnte an klarem Verstand zusammen, in der Hoffnung, aufzuwachen und sich neben Julie liegend vorzufinden. Sie beide würden über diesen Traum lachen. Und wie sie lachen würden!
Sie blieb wieder stehen und musterte ihn von oben bis unten. „Du hast keine Ahnung, wie gut du es hast, Mike Sheridan. Du glaubst, wenn du keinen Zugriff auf deine Aggressionen hast, kannst du dich gegen Böse Buben nicht verteidigen? Aber, antworte mir, wie oft wurdest du denn in deinem Leben schon überfallen? Wie oft war dein Leben bedroht? Wann hättest du je auf das Tier in dir zugreifen müssen?"
Mike schüttelte nur stumm den Kopf.
Sie bedachte ihn noch mit einem Blick, dann ging sie weiter.
„Ich bin jetzt in Gefahr und müßte mich vielleicht gegen dich oder diese Kerle, die uns verfolgen, verteidigen", wandte er schließlich ein.
Sie lächelte humorlos. „Ich schätze, du kannst dich da ganz auf mich verlassen, Mike. Ich hab da so meine Erfahrungen. Die einzige Gefahr, die dir droht, bist du selbst. Früher oder später wirst wieder im Gefängnis sitzen und dieses Mal vielleicht wirklich erniedrigt werden. Es gibt oft genug einen Stärkeren. Man muß nur schlauer sein als er."
„Oder sich in einen Freak verwandeln? Oh Verzeihung ... Wraith, ich meinte Wraith."
Sie antwortete nicht, doch das Zischen, das ihrer Kehle entwich, zeigte mehr als deutlich, daß er gerade dabei war, wirklich sein Leben in Gefahr zu bringen.
Mike biß sich auf die Lippen, stapfte weiter hinter ihr her und beobachtete sie dabei.
Wraith, was war das? Wieso wußte er nichts darüber? Woher kamen diese Wraith? Wurden sie etwa genetisch hergestellt? Immerhin war er ja in eine Klinik eingebrochen, die von Genelab finanziert wurde.
Plötzlich blieb sie stocksteif stehen und er begriff erst jetzt, daß sie auch weiterhin in seinen Gedanken gelesen hatte, ohne daß er es bemerkte.
Langsam drehte sie sich herum. „Ich war in der Aqua Vitae-Klinik?" fragte sie.
Ihr Gedächtnis, fiel ihm ein. Sie wußte immer noch nicht, wer sie war und wie sie hieß. Auch seine Hinweise hatten da offenbar wenig gebracht. Es schien zwar, als würde ihr immer wieder das eine oder andere einfallen, aber es war offenbar noch längst nicht genug, um ihr Leben wieder herzustellen.
„Ja, in Zimmer 113 der Aqua Vitae-Klinik, die durch Genelab betrieben wird", antwortete er endlich, auch wenn er glaubte, sie habe die Antwort schon aus seinen Gedanken gefiltert.
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Das nächste Fauchen, das sie ausstieß, klang ungleich drohender und gefährlicher als die Laute, die sie bisher produziert hatte.
„Dann werden wir uns jetzt ein paar Antworten holen", knurrte sie und marschierte strammen Schrittes an ihm vorbei ... den Wildpfad zurück, dem sie bisher gefolgt waren.
„Aber ..." Mike drehte sich um und starrte in die Richtung, in die sie gegangen waren.
Er wollte hier heraus, nach Möglichkeit ganz aus den Everglades heraus und sie niemals in seinem Leben wieder betreten. Vielleicht würde er sogar umziehen, jetzt, nach Julies Tod hielt ihn zumindest nichts mehr in Florida. Hauptsache aber erst einmal aus diesem Sumpf heraus.
Andererseits war sie wohl im Moment so ziemlich die einzige Chance, die er überhaupt hatte. Er war unbewaffnet und hier lebten allerlei wilde Tiere - auch bedrohliche wie Puma oder gar die Alligatoren ...
„Verdammter Mist!" Er drehte sich zu ihr herum und joggte ihr so schnell wie möglich nach. Er durfte sich auf keinen Fall abhängen lassen - auf gar keinen Fall!
Vashtus Falle by Hyndara71
Jack O'Neill mußte tatsächlich noch einige Minuten warten, ehe der zweite Wagen mit Storm auf dem Parkplatz der Klinik auftauchte, direkt an dessen Heck klebte eine dunkle und sehr teuer wirkende Limousine. Jack verzog das Gesicht, als er sich aus seinem Auto schälte.
Sicher Sheppards Bruder, dieser Geschäftsmann, der gerade ein paar seiner Millionen den Bach runtergehen sah. Denn es war klar, daß er, Jack, der hiesigen Polizei einen kleinen Tip geben würde, nachdem sie dieses Goa'uld-Nest ausgeräuchert hatten. Sicher würde es noch das eine oder andere zu finden geben für die Experten des CSI. Und wenn er sich nicht sehr täuschte, war die hübsche Blonde, die ihm vom Casino hierher gefolgt war in einem Zivilfahrzeug, eine Polizistin, vielleicht sogar wirklich von der Spurensicherung. Warum sie ihn noch nicht vernommen hatte war ihm ein Rätsel. Aber vielleicht wollte sie erst einmal sehen, welche Ratten er aus ihren Löchern jagen konnte ...
Storm parkte den dunkelblauen Ford, den sie sich mit dessen heller Variante von der hiesigen Airbase geliehen hatten, und stieg aus.
„Sir", begrüßte der MP Jack und nickte nach hinten. „Mr. Sheppard wollte mitkommen. Ist der Colonel nicht hier?"
„Colonel Sheppard sucht seine Lebensgefährtin. Die Spur ist heiß", antwortete Jack. „Sie schwelt sogar noch. Wir haben sie beide gesehen. Böse Buben haben sie einen Kanal hinunter gejagt."
Wenn Storm bei dieser Eröffnung irgendetwas empfand, dann konnte er das sehr gut verbergen. Er nickte nur wieder, ansonsten blieb sein Gesicht ausdruckslos.
„Wir beide sehen uns hier ein bißchen um. Wenn der Trust seine Finger im Spiel hat, dann würde es mich nicht wundern, wenn wir hier eine Folterkammer für junggebliebene Antiker finden." Jack schob sich seine Sonnenbrille wieder auf die Nasenwurzel und richtete sein Interesse auf den hochgewachsenen Mann im maßgeschneiderten Anzug, der jetzt, sein Jackett noch geraderückend, zu ihnen trat.
„Sind Sie für dieses Chaos verantwortlich?" fragte der Neuankömmling sofort. Seine Stimme klang gezeizt.
„General Jack O'Neill - mit zwei L bitte." Jack grinste und hielt dem anderen seine Rechte hin. „Und Sie müssen Dave Sheppard sein, der Bruder unseres tapferen Helden. Sie können stolz auf John sein. Was der schon so alles weggesteckt oder gefunden hat ..." Er nickte anerkennend.
Dave musterte ihn mißtrauisch. „Ja, ich bin der Bruder Ihres teuren Colonels. Und wenn es um das Verschwinden seiner ... Lebensgefährtin geht, dann habe ich ihm gegenüber bereits meine Aussage gemacht. Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit sie auf eigenen Wunsch meinen Wagen verlassen hat."
„Und vorher haben sie zwei sich gestritten, ich weiß." Jack zog stirnrunzelnd seine Hand wieder zurück. „Sie hätten nicht kommen müssen, Mr. Sheppard. Wir sind hier, um einen dringenden Verdacht zu verwerfen oder zu bestätigen, je nachdem. Im Moment deutet alles daraufhin, daß Colonel Uruhk entführt und hierher gebracht worden ist. Übrigens ist sie wieder aufgetaucht. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen. John ist ihr nach in den Sumpf, und so eng, wie die beiden miteinander sind, laufen sie sich früher oder später über den Weg."
Daves Mundwinkel verzogen sich leicht. „Wenn Sie meinen ..." Noch einmal musterte er Jack scharf. „Allerdings hätte ich gern mehr als einen vagen Hinweis, daß Ihr Colonel Uruhk hierher entführt worden ist. Immerhin wurde ihr ein Chefsessel bei Genelab angeboten."
Jack nickte nachdenklich, drehte sich dann um und sah über den Parkplatz zu dem Gebäude hinüber.
Ein typischer Betonklotz aus den späten Sechzigern, dem man jetzt mit frischer Farbe und freundlichen Pflanzen ein bißchen Leben einzuhauchen versuchte. Allerdings gelang das nicht so ganz. Das gesamte Gebäude war ein Fremdkörper hier, mitten im Sumpf.
„Daran arbeiten wir und deshalb ist Major Storm auch hierher gekommen, Mr. Sheppard", antwortete Jack endlich und ging langsam los, Dave nur wenige Schritte hinter sich wissend. Ja, wenn er alles so gut einschätzen könnte wie manche Menschen ...
„Ich hoffe, Ihnen ist klar, daß ich offiziell Beschwerde einreichen werde, wird dieser Vorwurf nicht aus der Welt geschafft. Wie ich John schon sagte, seine kleine Freundin könnte man wieder dahin zurückschicken, woher auch immer sie gekommen ist."
„Ich bin sicher, da würden sehr viele Ihnen nicht zustimmen, Mr. Sheppard. Colonel Uruhk mag sehr eigenwillig sein, aber sie ist auch eine natürliche Anführerin und steht hundertprozentig ein für das, woran sie glaubt. Davon könnte so mancher von uns sich noch eine Scheibe abschneiden. Sie hat fünf Jahre ihr Kind quasi allein mitten in einem Krisengebiet aufgezogen, vorher die Schwangerschaft ohne jede Hilfe unsererseits hinter sich gebracht. Ähnlich wie Ihrem Bruder haben wir ihr eine Menge zu verdanken. Dinge, von denen auch Sie profitieren, Mr. Sheppard."
Ein Mann kam ihnen im Eilschritt entgegen.
„Dave, sind Sie das?" ließ der Neuankömmling, der aus der Klinik gekommen war, vernehmen.
„Theodor, ich bin froh, daß Sie hier sind." Dave Sheppard bedachte Jack mit einem unterkühlten Blick, als er an ihm vorbeitrat und neben dem Neuen Stellung bezog. „General O'Neill, das ist Doktor Theodor Hehnenburgh, einer der Firmengründer von Genelab und ein sehr angesehener Genetiker."
Storm tauchte an Jacks Seite auf, als müsse er seinen Anführer schützen, verzog noch immer keine Miene. Möglich, daß seine Mimik doch arbeitete, man das aber hinter seiner großen Sonnenbrille nicht sehen konnte, räumte der General ein.
„Was geht hier vor?" Hehnenburgh musterte die beiden Militärs argwöhnisch. „Erst sperrt Mel mich aus meinen eigenen Forschungen aus, dann tauchen diese eigenartigen Proben auf und dann fehlen plötzlich mein Partner sowie Sicherheitskräfte. Was soll das?"
„General O'Neill, Stabsmitglied im Weißen Haus. Das ist Major Storm von der Militärpolizei, Stützpunkt Cheyenne-Mountain", stellte Jack sie beide vor. „Sagten Sie gerade, Sie seien von Ihren Forschungen ausgeschlossen worden, Dr. Hehnenburgh?"
Der Genetiker nickte. „Schon vor einer Weile."
„Zirka vor ... drei bis vier Monaten?" fragte Storm sofort nach.
Hehnenburgh war irritiert, nickte aber.
„Tom, laß dich nicht festnageln. Der Air Force ist eine Offizierin abhanden gekommen, und die suchen sie jetzt ausgerechnet bei dir, weil irgendein Idiot sie hier in der Nähe gesehen haben will", wandte Dave sich an den Wissenschaftler.
Hehnenburgh warf dem Geschäftsmann einen irritierten Blick zu. „Ich habe nichts zu verbergen."
„Dann werden Sie uns sicher auch sagen können, woran Sie forschen, Sir?" bohrte Storm sofort nach.
Hehnenburghs Gesicht verfinsterte sich. „Ich arbeite an der Formel der Ewigen Jugend!"
Augenblicklich schlugen sämtliche Sirenen in Jacks Hirn Alarm.
Ewige Jugend? Da gab es doch etwas in Bezug auf die Antikerin, der Grund dafür, daß sie sich selbst nach zehntausend Jahren so gut gehalten hatte. Und wenn er sich nicht sehr irrte, dann ging es dabei um irgendein mikroskopisch kleines Ding, das bei den meisten Lebewesen auf der Erde am Genecode hing, daß Vashtu aber nicht trug und deshalb wesentlich langsamer alterte als normal gewesen wäre.
„Gott verdammt! Mel hat mich erst ausgelacht, aber plötzlich ... da tauchte die erste dieser eigenartigen Proben auf. Mel wollte nicht sagen, woher er das Zellmaterial hatte, aber es konnte nicht menschlich sein, auf keinen Fall. Aber es gab eine Art natürlicher Brücke, die es mit Menschen kompatibel gemacht hätte."
Storm warf Jack einen Blick zu, wechselte abrupt mehrmals das Standbein. Da wurde jemand nervös ...
„Und dann wurden Sie aus den Forschungen entfernt?" fragte Jack in aller Ruhe.
„Dann hat Tom den Großteil seiner Aktien an mich verkauft", warf Dave Sheppard ein. „Seinerzeit war ich noch der Meinung, Ihre Colonel Uruhk sei eine Bereicherung für diese Firma und setzte demnach alles daran, sie zur Konferenz zu holen."
„Und jetzt sind Sie das nicht mehr?"
„Was?" Dave war irritiert.
„Sicher, daß sie eine Bereicherung für Genelab ist", wiederholte Jack in aller Seelenruhe.
Dave lachte bitter auf. „Diese Frau ist eine verdammte Hochstaplerin, das ist sie!"
„Uruhk? Diese Frau, die plötzlich aus dem Nichts auftauchte mit dieser Gentherapie gegen Leukämie?" mischte Hehnenburgh sich wieder ein.
„Genau die", nickte Jack befriedigt.
Hehnenburghs Gesicht leuchtete auf. „Diese Frau ist schlichtweg genial! Ihr Ansatz ist vollkommen anders als sämtliche Forschungen, die Mel oder ich in den letzten Jahren unternommen hätten. Aber ihr Ansatz ist richtig, absolut richtig!"
Jack fühlte unwillkürlich soetwas wie väterlichen Stolz in sich wachsen. Hätte er damals nicht Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, als Vashtu zur Erde kam und niemand mit ihr wirklich auskam ...
„Sie war hier", sagte Storm ruhig.
Hehnenburgh riß die Augen auf. „Hier? In Miami? Wieso hat mir niemand etwas gesagt? Ich hätte sie gern getroffen."
„Sie war in dieser Klinik", präzesierte Jack. „Sie wurde vor einigen Tagen entführt. Alle Spuren weisen hierher."
„Mit anderen Worten, das Militär weiß nicht weiter und sucht einen Sündenbock", entgegnete Dave ätzend.
Hehnenburgh dagegen war mit einem Mal sehr still und ernst und sah Jack aufmerksam an, ehe er den Arm hob.
„Kommen Sie mit", sagte der Genetiker nur, ging wieder zurück zum Eingang der Klinik.
Na bitte, das ging doch!
Jack folgte Hehnenburgh und Sheppard mit sehr zufriedener Miene. Allmählich kamen sie doch hinter das ganze Schauspiel ...

Mike fühlte sich wie das berühmte Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank.
Er wollte nicht hier sein! Er wollte sonstwo auf der Welt sein, im Moment würde er sich sogar lebendig begraben lassen, kam er hier nur irgendwie mit halbwegs heiler Haut heraus. Auf keinen Fall wollte er weiter in ihrer Nähe sein und sich fühlen, als würde ihre nächste Mahlzeit aus ihm bestehen. Um ehrlich zu sein, er überlegte ernsthaft, sein Glück mit Pumas und Alligatoren zu versuchen, wenn er nur ihr entkam.
Andererseits aber war ihm klar, daß er nicht allein gehen konnte. Erst einmal hatte sie weiß Gott was mit seinem Kopf angestellt, daß er sich hilflos wie ein Baby fühlte.
Dann aber glaubte er auch nicht so recht daran, daß, wer auch immer hinter ihr steckte, sie so einfach aufgeben würde. Und damit meinte er nicht Shriner und Hehnenburgh, diese beiden Idioten von Genelab. Nein, er hatte sie gesehen, vorher gesehen!, wie sie mit ihrer Familie zusammen war. Und wenn dieser andere, John, mit seinem Gesicht ihm auch nur das kleinste bißchen ähnlich war im Geiste, würde er die Mutter seines Kindes nicht einfach so gehen lassen. Außerdem hatte er doch auch Caine gesehen, in diesem Helikopter. Und so wenig er dem Polizisten auch mochte, wußte er, daß der sich sicher nicht von den falschen anwerben ließ. Nein, Caine hatte einen übersteigerten Gerechtigkeitssinn. Wenn der einmal Blut geleckt hatte, würde er mit absoluter Sicherheit nicht wieder von der Spur lassen. War er, Mike, nicht das beste Beispiel für die Hartnäckigkeit des Polizisten?
„Keine Bewegung!" bellte ihn plötzlich eine männliche Stimme an. „Hände über den Kopf! Na los!"
Mike riß die Augen auf. Sein Atem beschleunigte sich vor Angst.
Sie war nicht mehr da! Er hatte sie soweit eingeholt, daß er sie hatte die ganze Zeit über sehen können, seit sie wieder zurückwanderten. Aber jetzt war sie zwischen den moosbewachsenen Bäumen und dichten Büschen einfach verschwunden.
„Hände über den Kopf, wird's bald!"
Das mußte einer ihrer Verfolger sein, ging Mike auf, während er jetzt langsam dem Befehl Folge leistete.
Wo war er da nur hineingeraten? Warum hatte er auch auf eigene Faust sein Glück versuchen müssen? Julie war tot, er hätte ohnehin nichts mehr ändern können. Und vielleicht wäre die Polizei früher oder später doch über die richtigen Täter gestolpert ...
Der Lauf einer Waffe drückte sich in seinen Nacken.
„Wo ist sie?" zischte eine Stimme dicht an seinem Ohr.
Mike nahm all seinen Mut zusammen. „Ich ... ich weiß es nicht", flüsterte er heiser. „Sie ist einfach verschwunden."
Ein Gesicht tauchte an seiner Seite auf, ein menschliches Gesicht mit nichtssagenden Zügen. Wenn er diesem Mann auf der Straße begegnen würde, er hätte ihn binnen weniger Minuten wieder vergessen, ging Mike auf. Jetzt musterte der Fremde ihn aufmerksam, lächelte dann kühl.
„Sieh mal einer an, wenn das nicht Nummer zwei auf unserer Liste ist. Colonel Sheppard, ganz allein unterwegs in der Wildnis ..."
Sheppard? Julie hatte diesen Namen doch erwähnt, vor wenigen Wochen erst. Wie ... ?
„Wo ist die Antikerin?" fragte der Fremde mit fremder Stimme, seine Augen blitzten hell auf.
Mike glaubte, gleich die Besinnung zu verlieren.
Großer Gott! Wo war er hier nur hineingeraten? Erst sie, die sich immer mehr in ein ... Wraith-Monster verwandelte und jetzt ein Kerl mit leuchtenden Augen und eigenartiger Stimme.
„Wo ist sie?" verlangte der Kerl nochmals zu wissen.
Mike schluckte und japste nach Luft.
Das war ja wie in einer dieser schlecht gemachten Science Fiction Serien, die er immer wegzappte im Fernsehen. Nur wünschte er sich jetzt, daß er zumindest einmal eine Folge bis zu ihrem Ende gesehen hätte. Dann wüßte er wahrscheinlich, was er antworten sollte.
„Colonel, wir wissen, daß Sie tapfer sind. Aber Sie sind sicher nicht dumm, oder?" Der Fremde trat einen Schritt zurück und richtete die Waffe auf Mikes Körper.
Im nächsten Moment sprang etwas an ihm vorbei aus den Büschen und riß den Mann von den Beinen.
„Die Waffe!" rief ihre Stimme ihm zu.
Mike mußte allerdings erst einmal dafür sorgen, daß seine Knochen, Muskeln und Sehnen wieder ihren Dienst versahen.
Oh Gott, er war gerade mit vorgehaltener Waffe beinahe erschossen worden!
Sie hatte sich irgendwie in den Büschen versteckt, sie war nicht eine Sekunde mehr als einen Armweit von ihm entfernt gewesen, ging ihm auf, während er wie teilnahmslos das Handgemenge beobachtete, das die beiden mutierten Menschen sich lieferten. Dabei schien die Siegerin von Anfang an festzustehen.
„Die Waffe, Mike!" befahl sie ihm erneut, dieses Mal mit einem gewissen, ihm inzwischen mehr als gut bekannten Fauchen in der Stimme.
Er zwang sich, nach der Pistole zu greifen, wußte dann allerdings nicht so recht, wohin damit. Schließlich hielt er sie, den Lauf auf den Boden gerichtet, und stand einfach nur da, während er an seinem Verstand zweifelte.
Der Kampf war vorbei, und, wie er erwartet hatte, war sie die Siegerin. Ähnlich wie vorhin bei ihm, so hockte sie jetzt diesem Fremden auf der Brust und hatte ihre Rechte bereits auf die gleiche Stelle gedrückt, so wie bei ihm gerade.
Mike erschauderte und keuchte.
Augenblicklich ruckte ihr Kopf hoch. Die beiden kiemenähnlichen Schlitze zu beiden Seiten ihrer schmalen Nase wölbten sich einmal kurz.
„Du mußt das nicht mitansehen", sagte sie, und plötzlich klang ihre Stimme richtig sanft. „Geh und warte weiter vorn auf mich."
Mike zögerte.
Oh Gott, wie gern er sich abgesetzt hätte! Wie gern wäre er jetzt zu Hause, nach Möglichkeit in Julies Armen, und würde über seinen eigenartigen Alptraum lachen ...
Abgehackt schüttelte er den Kopf. „Ich ... ich bleibe hier", quetschte er irgendwie hervor.
Sie musterte ihn mit ihren kalten, gelben Augen, dann nickte sie schließlich und beugte sich über ihr Opfer. „Dann wollen wir doch einmal sehen, wen wir hier haben", zischte sie.
„Du bekommst gar nichts aus mir heraus, Antikerin!" Noch klang er mutig, mußte Mike gestehen. Noch ...
Dann wandte er sich würgend ab, als der erste Schrei die Stille der irdischen Wildnis zerriß und der Fremde vor seinen Augen zu altern begann ...
Die unbequeme Wahrheit by Hyndara71
Jack und Storm waren Hehnenburgh in die Klinik gefolgt und dort in einen unbelebten Seitenflügel. Den ganzen Weg über hatte der Genetiker eine Tirade über die Ungerechtigkeiten des Lebens, und seines Geschäftspartners im besonderen, von sich gegeben, und Jack war tatsächlich kurz davor, den armen Kerl von seinem Leid mittels einer Kugel in den Schädel zu befreien. Und endlich kamen sie an: Im Labor des Doktor Theodor Hehnenburgh, ein Raum, der vollgestopft war mit eigenartigen Versuchsreihen, irgendwelchen merkwürdigen Tabellen, Fachzeitschriften und -literatur und diversem anderen Krimskrams, den außer Hehnenburgh wohl niemand zuordnen konnte.
Schien aber auf jeden Fall eine Berufskrankheit aller Genetiker zu sein, beschloß Jack, während er sich in dem düsteren Raum, das einzige Fenster zeigte auf einen dicken, mißgestalteten Baum hinaus, der dem Zimmer jedes bißchen Licht zu rauben suchte, umsah. Auch in Vashtus heiligen Hallen in Vineta hatte er ein ähnliches Chaos gesehen. Carter hatte dagegen immer äußerst sauber gearbeitet ...
Hehnenburgh hielt ihm einen Ordner hin. „Bitte sehr!" Der Mann sah alles andere als glücklich aus. In den letzten Minuten schien er sich geradezu in die Verbitterung hineingeredet zu haben.
Jack spielte den Tapferen und nahm den Ordner, um ihn lustlos durchzublättern und hier und da ein Wort aufzuschnappen. Schließlich klappte er den Deckel wieder zu und wollte das ganze seinem Eigentümer wieder zurückgeben. „Sehr schön", kommentierte er dabei lustlos.
Womit hatte er gerechnet? Wahrscheinlich, kam ihm in den Sinn, Frankensteins Monster im Schrank oder irgendeinen gruseligen Mutanten, der hier saubermachte. Irgendetwas außergewöhnliches eben.
„Sehr schön?" Hehnenburgh starrte ihn verblüfft an, während Dave Sheppard den Ordner jetzt an sich brachte und seinerseits eifrig zu blättern begann.
Jack zuckte mit den Schultern. „Hören Sie, wir sind nicht hier, um über eine mögliche Werksspionage zu sprechen. Hier geht es um eine vermißte Geheimnisträgerin und mehr als einem Dutzend Morde, zu denen Sie sicherlich die Polizei gern in aller Gründlichkeit befragen würde."
Hehnenburgh, der sich gerade noch hatte aufplustern wollen wie ein Hahn auf dem Misthaufen, fiel in sich zusammen. Plötzlich wurde es ziemlich still im Raum, einmal abgesehen von Sheppards Blättern durch die Forschungsunterlagen.
„Woran forschten Sie, Dr. Hehnenburgh", fragte Storm schließlich.
„Ich erforsche die Einwirkung des Fehlens der Pelomere auf das menschliche Erbgut", antwortete Hehnenburgh sichtlich stolz.
Jack und der MP wechselten einen Blick. „Tatsächlich?" fragte ersterer schließlich. „Und was sagen Ihnen diese Polymere?"
„Pelomere!" Hehnenburgh funkelte ihn an. „Pelomere sind für den Alterungsprozeß verantwortlich. Mit jeder Zellabstoßung verlieren wir auch immer mehr Pelomere und damit verfälscht sich mit der Zeit unser Erbgut. Was in einigen Extremfällen von später Schwangerschaft durchaus auch für das Kind gefährlich werden kann, da es auf diese Weise defektes Erbgut von seiner Mutter, möglicherweise auch von seinem Vater, erhält. Doktor Uruhk dürfte verstehen, was genau ich meine. Ihr Ansatz für die Gentherapie befaßt sich ebenfalls mit den Pelomeren. Sie nutzt sie sozusagen als Träger und Antivirus, um Leukämie und andere Erbkrankheiten zu verhindern."
„Das ist genial!" Sheppard blickte endlich wieder auf und strahlte den Genetiker an. Und Jack war sich mehr als sicher, daß er einen Moment lang zwei Dollarzeichen in den Augen des Geschäftsmannes gesehen hatte.
„Sehen Sie", Hehnenburgh hob die gefalteten Hände, als wolle er sich in ein Gebet versenken. „Stellen Sie sich vor, Sie hätten keine Pelomeren. Dann würden Sie auch nicht altern. Ihr Leben würde sich verlängern und Sie wesentlich gesünder sein. Aber, und das ist der entscheidende Punkt, Sie dürften erst im Erwachsenenalter alle Pelomeren verlieren, so daß Ihr Körper eben nicht die entsprechenden Befehle zum Zellverfall erhält. Andernfalls, ein zweiter Ansatz für dieses Problem, wäre es, wenn der Körper nie Pelomere verlieren und Sie damit für immer ein Säugling bleiben würden."
Jack hob den Kopf, ließ ihn dann langsam sinken, um seinem Hirn genug Zeit zu geben, das eben gehörte zu verarbeiten.
„Wir hätten den Jungbrunnen gefunden!" Da waren definitiv Dollarzeichen in den haselnußfarbenen Augen, die sehr an seinen Bruder erinnerten.
Hehnenburgh nickte, seufzte dann aber. „Der Nachteil dabei ist nur, daß, sind die Pelomere verbraucht, der Körper üblicherweise steinalt ist und bald stirbt. Damit hat sich die Legende vom Jungbrunnen dann wieder in Luft aufgelöst."
„Also doch keine so gute Idee?" harkte Jack nach.
Hehnenburgh hob einen Finger. „DAS dachte ich auch, bis Mel mir diese Probe zur Analyse brachte. Das ganze ist schon einige Jahre her. Aber durch diese Zellprobe bin ich überhaupt erst auf mein Forschungsgebiet aufmerksam geworden." Er drehte sich um und wühlte kurz in seinem Chaos, ehe er sich wieder aufrichtete und triumphierend einen Hefter hochhielt.
„Darf ich davon ausgehen, daß das das Ergebnis der Analyse dieser eigenartigen Probe ist?" Jack wies auf die Papiere.
Hehnenburgh stutzte, dann aber nickte er. „Hautzellen, eigenartige Hautzellen. Und eigentlich ..." Er reichte den Ordner doch an Jack weiter und tippte auf eine bestimmte Stelle im Text. „Und eigentlich hätten sie tot sein müssen ... waren sie aber nicht! Ich untersuchte die Zellprobe. Normale Hautzellen ... auf den ersten Blick. Aber dahinter steckt mehr, wie ich herausgefunden habe, nachdem Mel mir mein Forschungsgebiet eigentlich schon entzogen hatte: Das Genom ist nicht menschlich!"
Jacks Alarmsirenen sprangen wieder an.
„Die Zellen irisierten, sie leuchteten also, bestrahlte man sie mit Licht. Und sie taten ihre Aufgabe noch immer genauso, wie ihr Zellcode es ihnen vor der Abstoßung befohlen hatte. Diese Probe war nicht nur von einem lebenden Fossil gespendet worden, nein, sie lebte."
Leuchtende Hautzellen, das war es! Vashtu Uruhk besaß leuchtende Hautzellen. Sie selbst hatte das ihm gegenüber einmal erwähnt, ging ihm auf. Und sie hatte Angst, daß auch Jordan diese Haut geerbt hatte.
„Begreifen Sie die Bedeutung?"
„Sie haben tatsächlich den Jungbrunnen gefunden!" Dave Sheppard klang, als würde ihm gerade das Wasser im Munde zusammenlaufen.
„Ich denke schon", antwortete Jack zögernd. „Aber ... was soll heißen, nicht menschlich?"
Hehnenburgh zuckte mit den Schultern. „Es gab nicht ein bißchen nachweisbare Pelomere. Dieses Wesen dürfte es gar nicht geben, denn es besitzt auch noch außergewöhnliche Fähigkeiten. Was auch immer es ist, es kommt nicht von der Erde!"
„Tom, das ist lächerlich!" Dave lachte los.
Doch Jack blieb toternst, ebenso wie Storm, der seinem Vorgesetzten einen fragenden Blick zuwarf.
Allmählich ging dem General auf, daß seine Kritiker beim IOA vielleicht doch zumindest ansatzweise recht haben konnten. Seinen Günstlingen, vor allem den Aliens unter ihnen, ein bißchen Zucker zu geben und sie für ihre Arbeit zu loben, war möglicherweise zuviel. Teal'cs Versuche, auf der Erde Fuß zu fassen, waren bisher gescheitert, und auch Daniels Vala konnte man nur mit Eskorte loslassen. Vashtu hatte sich da bisher als recht pflegeleicht erwiesen. Sie hatte schon damals, nach ihrem Auszug aus Atlantis, gezeigt, daß sie willens war, sich ihrer Umwelt anzupassen. Nach einigen Eingewöhnungsschwierigkeiten hatte es an für sich recht gut geklappt, darum hatte er auch keine Bedenken gehabt, ihr die Einladung zuzuschieben, als sie auf seinem Schreibtisch landete.
Allerdings hatte er dabei vergessen, daß es da noch eine Partei gab, die offen an der Antikerin interessiert war, und das seit Jahren: der Trust! Und nach allem, was dieser Hehnenburgh ihm bis jetzt zu schlucken gegeben hatte, hatten sie es wirklich wieder mit der Goa'uld-Vereinigung zu tun, die sich in den letzten Jahren meist doch sehr zurückgehalten hatte.
Wie waren diese Schlangenköpfe an Zellmaterial gelangt?
Jack mußte zugeben, sie waren damals - und wahrscheinlich auch heute - nachlässig gewesen. Vashtus Apartment hätte klinisch gereinigt werden müssen, nachdem John Sheppard ihren Hausstand auflöste als sie als tot galt. Und auch schon während ihrer Zeit auf der Erde hätte man hinter ihr hersaugen müssen, um jede einzelne Hautschuppe, die sie verlor, sofort fachgerecht zu entsorgen. Aber man hatte es nicht getan - warum denn auch? Wer hätte denn gedacht, daß ihr eigener Forschungszweig die Antikerin verraten würde?
Jetzt galt es, den Schaden zu begrenzen und das beste zu hoffen. Und das bedeutete auch, Hehnenburgh seine Forschung zu entziehen oder ihn vom freien Markt zu nehmen.
Noch jemand, den er irgendwo unterbringen mußte ...
Jack seufzte und riß sich aus seinen düsteren Gedanken. Erst einmal sollte er vielleicht feststellen, wie schlimm es war, dann konnte er immer noch entscheiden.
„Inwiefern außerirdisch?" fragte er endlich mit betonhartem Gesicht.
Sheppard, der gerade noch amüsiert gelacht hatte, verstummte auf der Stelle und sah ihn ungläubig an.
Hehnenburgh kniff die Lippen aufeinander, ehe er antwortete: „Ich fand im Zellkern Cromosomenbefehle, die nicht menschlich sind. Zudem weist der gesamte Genstrang eine Eigentümlichkeit auf: es handelt sich um eine Art Tripelhelix, wie sie auf der Erde nicht vorkommt."
„Das ist doch ein Witz, oder?" Sheppard klang plötzlich unsicher, nachdem weder Jack noch Storm sich eine Reaktion anmerken ließen.
Hehnenburgh atmete tief ein. Offensichtlich hatte er erwartet, spätestens jetzt verlacht zu werden. Das aufmerksame Schweigen dagegen irritierte ihn sichtlich.
„Das gesamte Genom ist dermaßen komplex, daß es beinahe unmöglich ist, es zu entschlüsseln", erklärte er zögernd. „Aber ich bin mir sehr sicher, daß dieses Wesen mit einer wesentlich höheren Gehirnfunktion als wir gesegnet ist. Zudem gibt es eindeutig nichtmenschliche Teile in den Cromosomen. Das ganze ist dermaßen komplex, daß es unmöglich ist, auch nur einen Zellklumpen nachzuzüchten." Er schüttelte den Kopf. „Mel hat es versucht, das war der Zeitpunkt, an dem er mich aus der Forschung ausschloß. Guter Gott! Was dabei herauskam war der schlimmste Alptraum, den man sich nur vorstellen kann!"
Das konnte Jack sich vorstellen, immerhin kannte er alle Verfilmungen von „The Fly".
„Wie?" fragte er so neutral wie möglich.
„Mel ist überzeugt von der Zukunft der Stammzellenforschung. Bisher hatte Genelab damit auch seine größten Erfolge. Aber die Zukunft ist das sicher nicht. Wie gesagt, fragen Sie Dr. Uruhk, ich bin sicher, sie wird Ihnen da ebenfalls einiges sagen können."
Hatte sie das nicht sogar? Ihm jedenfalls war es so, daß sie es getan hatte, nachdem er ihr Labor in Vineta besucht hatte. Auch wenn Vashtu im allgemeinen weniger Fachbegriffe benutzte als er es gewohnt war, hatte er doch irgendwann in ihrem Vortrag über Kettenreaktionen, verzögerte Entwicklungen und unterdrückte Erbanlagen abgeschaltet, so wie er es früher auch immer bei Carter getan hatte. Zuviel war einfach zuviel, an irgendeinem Punkt verstand er zwar die Begeisterung noch, konnte aber nicht mehr folgen.
Storm kreuzte die Arme vor der Brust. „Eine Frage, Doc", wandte er sich an Hehnenburgh, „wann genau hat Shriner Ihnen das erste Mal diese eigenartigen Zellproben überlassen?"
Der Genetiker runzelte die Stirn.
„Was soll das denn jetzt?" fuhr Dave Sheppard dazwischen. „Wollen Sie Tom allen Ernstes irgendeiner Straftat beschuldigen?"
„Eben um ihn auszuschließen müssen wir das fragen", antwortete Jack routiniert.
Himmel, er fühlte sich nicht wohl als MIB für das SGC! Ihm wäre es lieber, diesem Hehnenburgh reinen Wein einschenken zu können, zumal der ja doch wohl eine ganze Menge wußte.
„Das war ... Das ist jetzt ungefähr sechs Jahre her." Hehnenburgh zuckte mit den Schultern. „Hilft Ihnen das irgendwie weiter?"
„Hat Dr. Shriner sich vorher oder nachher irgendwie verändert?" bohrte Storm weiter.
Hehnenburgh wollte offensichtlich schon den Kopf schütteln, dann aber nickte er zögernd. „Doch, da war was", gestand er. „Wissen Sie, Mel litt immer unter chronischem Geldmangel. Kurz bevor er mit der ersten Probe auftauchte aber ... Naja, seitdem hat er keine Probleme mehr. Er meinte, er habe einen Geldgeber gefunden, der aber anonym bleiben wollte."
„Und er selbst veränderte sich nicht?" harkte Jack nach.
Hehnenburgh druckste nun doch ein bißchen herum. „Naja ... früher war er ziemlich berechenbar, zugegeben. In den letzten Jahren dagegen ... manchmal ist er recht reizbar. Und dann dieser Blödsinn mit dem abgetrennten Flügel und Zimmer 113. Wir hatten diese Klinik gekauft, um in Ruhe forschen zu können. Aber plötzlich hieß es, ich müsse das im Seitenflügel tun und Zimmer 113 als Labor benutzen. Außer uns hatte niemand Zutritt."
„Bis vor einigen Monaten?" bohrte Storm weiter.
Hehnenburgh nickte. „Er entfernte mich aus dem Forschungsprojekt und entzog mir die Freigabe für den Flügel. Und das gerade, nachdem ich einen ersten Durchbruch bei der Aktivierung einiger Zellen aufgrund der Proben erzielt hatte."
Das genügte.
Jack nickte Storm zu und wandte sich ab, um den Raum zu verlassen.
Er mußte Sheppard kontaktieren und hören, ob der inzwischen Vashtu wieder eingefangen hatte. Wenn die auch noch durchdrehte nach dem, was mit ihr passiert war ...
Nun ja, wie er es sah, würde er möglicherweise bald das zweifelhafte Vergnügen haben, die Antikerin zum Wraith mutiert begrüßen zu dürfen ...

Horacio zögerte, sah sich einen Moment lang um.
Dieser Sheppard hielt zielstrebig auf die Schmerzensschreie zu und vermutete dabei, daß seine Lebensgefährtin in Gefahr schwebte. Allerdings, das mußte der Tatortermittler zugeben, begriff er Teile des gemurmelten „sei bitte noch ansatzweise menschlich!"-Mantras nicht, das der Luftwaffenoffzier die ganze Zeit vor sich hinbetete.
Warum sollte diese Colonel Uruhk nicht menschlich sein? Was ging hier, einmal abgesehen von Entführung und Serienmord, nebst solchen Delikten wie Fahrzeugdiebstahl oder das Führen einer Waffe in der Öffentlichkeit, tatsächlich vor?
Sheppard mochte der Meinung sein, er habe ganze Kapitel in dessen Buch übersprungen, ein bißchen was aber hatte Horacio doch herausgefunden. Und dieses bißchen reichte, um ihm am Verstand sämtlicher daran Beteiligter zweifeln zu lassen.
War er am Ende im Drogenrausch und hatte es selbst nicht bemerkt?
Nein! Das hätte er definitiv bemerkt, davon war auszugehen.
Ein Rascheln in den Zweigen ließ Horacio Caine seine Hände heben. Mit Bedacht nahm er sich die Sonnenbrille ab und sah in die Richtung, aus der das Rascheln gekommen war.
Das war kein Tier gewesen, dessen war er sicher. Was auch immer da das Weite suchen wollte, es lief schnell und in die falsche Richtung.
Langsam setzte der Polizist sich die Sonnenbrille wieder auf, ein verächtliches Lächeln auf die Lippen gemalt.
Mutanten und Genetiker, die sich aufführten wie Frankenstein selbst. Er dagegen stand als einsamer Fels in der Brandung des Chaos - und so würde es auch bleiben!
Er zog seine Waffe aus dem Hüftholster und folgte dem verräterischen Rascheln.
Er würde in seiner Stadt für Recht und Ordnung sorgen - selbst wenn sich die Sümpfe kurzfristig zu seiner Stadt hin ausdehnten.

John wußte nicht genau, was ihn mehr alarmiert hatte, die Schüsse oder die Schreie, er wußte nur, er glaubte sich in dem Moment in einem Alptraum gefangen, als er auf den Trampelpfad stolperte und sie dort kauern sah, auf einem ihrer Verfolger. Den Mann, der verzweifelt hin und herlief mit einer Pistole in der Hand und offensichtlich nicht so wirklich wußte, was er tun sollte, nahm er kaum mehr als am Rande wahr.
Er hatte Vashtu gefunden. Aber ... er zweifelte eine Sekunde lang daran, ob sie noch die war, nach der er gesucht hatte.
Daß sie mutiert war wußte er, das hatte er schon beim Casino bemerkt, wenn auch nicht so deutlich wie jetzt. Die Antikerin schien sich vollständig verwandelt zu haben in eine zu kleine Wraith-Queen, die aber ansonsten mit allen notwendigen Attributen ausgestattet war - einschließlich offensichtlich des Saugmundes.
„Vashtu ..." flüsterte er an dem dicken Kloß in seiner Kehle vorbei und sank auf die Knie.
Sie hockte auf einem der Männer aus dem Verfolgerboot, und sie hatte ihm ihre Rechte auf die Stelle zwischen seinen Schlüsselbeinen gepreßt. Fauchend hob sie jetzt den Kopf und starrte John mit gelben, emotionslosen Augen an.
„Vashtu ..." wiederholte er leise und sanft, streckte langsam die Hand aus.
Knurrend wich sie zurück.
„Ich bin es, John", flüsterte er. „Vash, bitte, laß den Kerl in Ruhe, laß ihn am Leben. Du hilfst niemandem, wenn du ihn tötest." Ihm war nicht entgangen, daß das Gesicht des Mannes recht alt wirkte, sie hatte ihm also schon Jahre genommen.
Vashtu zögerte, senkte dann den Blick auf ihr Opfer hinunter und fauchte leise.
„Laß ihn", wiederholte John. „Laß Jordans Tat damals die erste und einzige ihrer Art sein. Laß nicht zu, daß die Bestie in dir die Kontrolle übernimmt. Vash, ich liebe dich!"
„Sie wollen sich Jordan holen und auch noch mit unserem Kind experimentieren!" Vashtus Stimme klang anders, hohler, wilder, als er sie kannte. Und im Moment schwang hilflose Verzweiflung mit in ihren Worten.
Langsam streckte er die Hand wieder aus und berührte mit seinen Fingern ihren Arm. Sein Herz schlug ihm bis zum Halse, und das nicht nur, weil er wußte, die Antikerin war in diesem Zustand unberechenbar. Nein, er hatte Angst, Angst um ihr gemeinsames Kind.
„Sie ... sie hat recht", murmelte eine Stimme wie in Trance, die ihn an seine eigene erinnerte. Irritiert sah er auf und wollte einen Moment lang wirklich zurückweichen, ehe er sich wieder voll im Griff hatte. Er wußte ja, daß Vashtu mit seinem Doppelgänger geflüchtet war.
„Er hat das gesagt. Die wollen Ihr Kind", fuhr Sheridan fort und winkte mit der Waffe auf den bewußtlosen Mann hinunter. „Seine Augen ... die leuchteten immer wieder."
„Er ist ein Goa'uld!" zischte Vashtu.
John packte ihr Handgelenk, auch wenn er wußte, ließ sie es nicht zu, würden seine Bemühungen, sie von dem Trustmitglied zu trennen nicht nur tödlich für ihr Opfer sein, sondern sich auch noch als absolut sinnloses Unterfangen outen.
„Dann sollten wir beide Jordan helfen und hier nicht Goa'uld töten, denkst du nicht?" fragte er leise. „Laß ihn los, Vash, bitte."
Und er konnte tatsächlich ihre Hand von dem Bewußtlosen lösen, sie langsam heben.
„Der ... der Hunger ..." wisperte Vashtu wie abgehackt.
„Ich weiß, Vash, ich weiß", gurrte er beruhigend, beugte sich langsam vor und zog sie in seine Arme. „Ich weiß es, glaube mir. Du läßt mich teilhaben an deinem Schmerz."
Und so war es auch. Die letzte Meile hatte er sich an diesem eigenartigen Feuer in seinem Inneren orientiert und geahnt, was dieser Schmerz zu bedeuten hatte. Gewußt hatte er es nicht, nein, aber nachdem er Vashtu auf dem Sumpfboot gesehen hatte, hatte er es geahnt.
So viele Jahre in der Pegasus-Galaxie, und nun erlebte er das erste Mal, wie es sich für die Wraith anfühlte, wenn sie hungerten. Und er konnte sehr gut verstehen, warum sie diese Schreckensherrschaft errichtet hatten in all den Jahrtausenden, in denen sie die beherrschende Rasse gewesen waren.
Vashtu preßte sich eng an ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Ihre Schultern bebten leise.
„Großer Gott!" hörte er Caine keuchen. „Was ist hier passiert?"
„Dieses Monster, das ist passiert!" antwortete eine ihm unbekannte Stimme, wahrscheinlich die des zweiten Verfolgers.
John blickte auf und fixierte den Kerl. „Sie ist menschlicher als einer von euch je sein könnte, viel menschlicher!"
Caine hatte Sheridan die Waffe abgenommen und den zweiten Angreifer mit Handschellen gefesselt. Zumindest schien der Polizist einmal gute Arbeit zu leisten ...
„Dann hätten wir jetzt wohl einiges zu verarbeiten, was, Mike?" wandte Caine sich in genau diesem Moment an Sheridan. „Unerlaubter Waffenbesitz, Entführung, Sachbeschädigung ... und nicht zuletzt die Morde ..."
„Lassen Sie ihn in Ruhe! Er hat schon genug gelitten!" fauchte Vashtu in diesem Moment und blickte auf. „Die Waffe haben wir diesem hier", sie nickte auf den Bewußtlosen hinunter, „abgenommen, das werden die Fingerabdrücke mit ziemlicher Sicherheit auch beweisen. Ich wüßte auch nicht, wen Mike entführt haben sollte. Wenn überhaupt, dann war es eher umgekehrt. Und das Boot habe ich gesteuert, er saß nur mit drin. Also lassen Sie ihn in Ruhe."
Caine nahm sich in einer bezeichnenden Geste die Sonnenbrille ab und sah auf sie hinunter. „Und Sie dürften damit Colonel oder Doktor Vashtu Uruhk sein, ja? Haben sich ein bißchen verändert, wenn ich das anmerken darf."
Vashtu starrte einen Moment auf das Drahtgestell, das Caine wie auffordernd vor den Körper hielt, dann griff sie unversehens nach der Sonnenbrille und rappelte sich auf die Beine. „Das ist das, was von mir übrig ist, nachdem man mir mehrere Tage lang Drogen und irgendwelche anderen nicht zugelassenen Arzneien verabreichte", antwortete sie, setzte sich die Brille selbst auf die Nase. „Das tut gut! Das Licht schmerzt in den Augen."
„Sie haben gerade einen Polizeibeamten bestohlen!" begehrte Caine auf.
John mußte trotz dem Ernst der Lage grinsen, als er einen Blick auf ihre Miene erhaschte. Auch wenn sie im Moment eine Wraith war, ihre Mimik hatte sie beibehalten.
„Sehen Sie es als Leihgabe. John, wir müssen los. Mike?"
Dieses Mal allerdings staunte John nicht schlecht, als Sheridan sich anstandslos einreihte und der Antikerin ohne jedes Murren folgte. Erst dann kam ihm ein Verdacht, während er nun selbst wieder auf die Beine kam.
„Wir schicken Ihnen Verstärkung", wandte er sich an Caine, ehe er den beiden folgte.
Caine sah ihm sichtlich irritiert nach, wußte im Moment wohl allerdings auch nicht so recht, was er darauf erwidern sollte. Vashtu hatte ihm offensichtlich ziemlich den Wind aus den Segeln genommen.
„Wir müssen auf der Stelle die nötigen Maßnahmen einleiten", wandte Vashtu sich an ihn, nachdem er wieder aufgeholt hatte. „Wir müssen verhindern, daß diese Typen Jordan in die Finger kriegen!"
John zog den Kommunikator aus der Hosentasche. „Wie wär's hiermit?"
Und am Ende siegt die Frechheit by Hyndara71
Flughafen von Miami, eine Stunde später:

Mel Shriner schulterte erneut seine Tasche, als der Aufruf kam, das Flugzeug zu besteigen.
Endlich! Er hatte leider keinen früheren Flug bekommen, dabei wäre er schon wesentlich lieber unterwegs und würde das Kind abholen. Sollten die anderen weiter an der Mutter forschen, deren Genom hatte sich zwar als stabil, aber auch als alt erwiesen. Was sie brauchten für die Formel der Ewigen Jugend waren aber eben auch junge Zellkerne. Und, da war Shriner sich sicher, in Jordan Uruhk würde er genau das finden, dieses Quentchen, daß ihm bei ihrer Mutter gefehlt hatte.
Sie waren aufgeflogen, sogar recht schnell. Vor gut einer halben Stunde war die Nachricht durch sämtliche Radios und Fernseher des Flughafens gekommen, daß man zwei mutmaßliche Kidnapper und dringend Verdächtige im Fall der Beach Killer-Morde festgenommen hatte. Dabei aber ließen die diversen Sendeanstalten auch durchblicken, daß für einen der beiden sehr wahrscheinlich das Ende gekommen war. Was genau passiert war, darüber schwieg man sich offensichtlich aus.
Shriner dachte da an einen Schußwechsel mitten in der Klinik, bei der es sicherlich auch noch andere Verletzte gegeben hatte, vielleicht sogar Polizisten. Wünschenswert wäre es zumindest, dann hätte er bei einer möglichen Rückkehr nicht so viel zu befürchten.
Shriner bog um die Ecke und zog sein Ticket und die Bordkarte aus seiner Jackettasche.
Er freute sich schon darauf, Jordan Uruhk das erste Mal zu untersuchen und zu sehen, inwieweit seine Theorien wohl stimmen mochten. Und er war sich ziemlich sicher, da würde eine Menge stimmen. Wenn er es klever anstellte, würde er bald in der Hierarchie aufsteigen innerhalb des Verbundes. Er würde vielleicht zu einem der wichtigsten Mitglieder werden. Wenn er erst die Formel isoliert hatte, über die Uruhk offensichtlich gestolpert war, dann ...
Als er den Vorraum zum Terminal betrat blieb er wie angewurzelt stehen und starrte einen Moment lang die beiden Angestellten der Fluglinie an, die hinter einem Tresen darauf warteten, daß die Passagiere eincheckten.
Beide drehten sich zu ihm um, als er sich nicht weiter bewegte, und starrten ihm mit gelben, emotionslosen Augen entgegen. Ihre Haut war fahlgrün und glänzte.
Shriner wurden die Knie weich und er tat einen wackeligen Schritt zurück.
„Mel, schön, daß ich Sie vor Ihrer Abreise noch treffe", wandte sich plötzlich eine Stimme an ihn, ihre Stimme, um genau zu sein.
Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr, dann schob sich langsam ihr Gesicht in sein Blickfeld und ließ ihn schlucken. Auch sie war zu einem grünen Monster mutiert.
Großer Gott! Was hatte er da getan?
Nein, das konnte unmöglich an den Injektionen liegen. Die anderen hatten das ganze zwar auch mutierend überstanden, aber längst nicht so sehr wie sie.
„Na sowas, Dr. Shriner, nett, daß wir uns noch einmal sehen. Auch auf dem Weg nach Norden?" fragte von der anderen Seite eine männliche Stimme.
Shriner wandte zentimeterweiße den Kopf ... und dann begann er zu schreien, als sein Verstand aussetzte.
Überall um ihn herum waren diese grünhäutigen Wesen und begegneten ihm mit ihren gelben, unmenschlichen Augen ...

Zeitungsmeldung vom nächsten Tag:

Morde aufgeklärt - Mutmaßlicher Serienmörder erleidet Nervenzusammenbruch

Wie die Zollbehörden des Flughafens mitteilten, wurde am gestrigen Nachmittag ein Mann festgenommen, der nach Angaben des letzten und überlebenden Opfers des Beach Killers für die Morde an dreizehn jungen Frauen verantwortlich war (wir berichteten fortwährend). Offensichtlich handelt es sich bei dem Verdächtigen, der sich den Behörden gegenüber geständig zeigte, um einen angesehenen Geschäftsmann und Wissenschaftler aus Miami.

„Dank der guten Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichsten Behörden gelang uns der Zugriff noch ehe der Verdächtige sich absetzen konnte", kommentierte die zuständige Ermittlerin, Ms. Calleigh Duquesne, den Erfolg ihrer harten Ermittlungsarbeit.

Der mutmaßliche Killer mußte währenddessen in die Geschlossene Abteilung gebracht werden, da er offenbar an einem akuten Nervenzusammenbruch leidet. Eine baldige und vollständige Genesung ist aufgrund des schnellen Eingreifens wahrscheinlich.
Entführung verhindert

Wie die Polizei von Madison, Wisconsin, meldet, konnte am gestrigen Nachmittag die Entführung eines fünfjährigen Kindes erfolgreich verhindert werden. Besonders hervorheben möchte der Sheriff vor allem die gute Zusammenarbeit mit der Air Force, von der er offenbar von der drohenden Verschleppung erfahren hatte.

Die Eltern des Kindes befinden sich zur Zeit noch in Miami, Florida, wo sich die Mutter von einer schweren Erkrankung erholt. Ihr Kind hatten die Eltern auf einen Besuch zu Freunden geschickt, so ein Sprecher der hiesigen Air Force-Base.
Über die näheren Umstände des verhinderten Verbrechens gibt es bisher noch keine Angaben.


CSI-Labor, Miami-Dade, zwei Tage später:

Jack betrat als erster den Raum und sah den Vieren, die da am Tisch saßen, mit Pokerface entgegen. Die Hände hinter dem Rücken kreuzend schritt er auf sie zu, blieb dann stehen.
„Darf ich vorstellen", sagte er. „Mich dürften sie ja kennen, und auch Major Storm dürfte Ihnen noch ein Begriff sein. Ex-Polizei-Sergeant Hernan dagegen kennen Sie noch nicht."
Letzterer nickte und stemmte die Hände in die Hüften, während sein Blick fachkundig über die vier Anwesenden glitt, jeden genau abwägend und prüfend.
„Sergeant, das sind David Sheppard und Dr. Theodor Hehnenburgh. Von der hiesigen Polizei sind anwesend Ms. Calleigh Duquesne und Lieutenant Horacio Caine. Wegen letzteren habe ich Sie extra kommen lassen von der Außenbase."
Hernan wechselte mit Storm einen Blick, dann trat er näher. „Was Sie jetzt erfahren werden oder bereits erfahren haben, muß von Ihnen geheim gehalten werden. Und, und das vor allem, Sie haben noch nie einen von uns gesehen oder gesprochen. Wir sind nichts als Schatten für Sie, allerhöchstens Alpträume in einer dunklen Stunde. Und sollten sie jemals auch nur den Mund aufmachen, schwöre ich Ihnen, reiße ich ihnen persönlich die Zunge heraus, auch wenn ich erst vom anderen Ende der Milchstraße kommen muß!"
Horacio Caine starrte seinen Ex-Kollegen böse an. „Was wollen Sie von uns?"
Jack nickte, legte seinem zivilen Sicherheitschef eine Hand auf die Schulter. „Zunächst einmal ... sollten Sie sehr tief in sich gehen, Lieutenant Caine. Und dann werden Sie wohl selbst erkennen, was Sie sich da mit Sheppard und diesem Sheridan geleistet haben. Was haben Sie eigentlich gegen letzteren? Der ist doch ganz nett und kann sicherlich keiner Fliege was zu leide tun."
„Sheridan ist ein Frauenprügler!" begehrte Caine sofort auf.
Jack seufzte.
Gut, Sheridan mochte FRÜHER ein Frauenprügler gewesen sein, jetzt allerdings ... ? Er konnte zwar nichts beweisen, aber nach seiner Befragung war er sich ziemlich sicher, daß da eine bestimmte, zur Zeit etwas veränderte Person ein wenig im Gehirn dieses Mannes herumgestochert hatte. Wundern würde ihn es zumindest nicht. Man wußte ja seit Jahren, daß da eine latente telepatische Begabung in ihr schlummerte.
„Was ist mit Genelab?" wagte Dave Sheppard sich vor. „Was ist mit meinen Investitionen?"
Das allerdings war ein Punkt ...
„Ich fürchte", meldete Storm sich zu Wort, „von Genelab ist inzwischen nicht mehr sehr viel übrig Mr. Sheppard. Die gesamte Firmenstruktur war durchzogen von gesetzeswidrigen Individuen und Praktiken. Ms. Duquesne hat einen dementsprechenden Bericht von mir erhalten. Sie können jederzeit Akteneinsicht fordern. Allerdings ... bisher gelten nach allen Nachforschungen Sie, Mr. Sheppard, und Sie, Dr. Hehnenburgh, als eine Art stille Teilhaber. Wenn sie sich jetzt entschließen, ihre Meinung zu ändern, könnte auch Ihnen noch eine nicht geringe Haftstrafe drohen."
Dieses Gesicht, davon war Jack überzeugt, war es wert, jede einzelne dröge Akte, die er in den letzten Tagen gelesen hatte. Nur diese Miene von Dave Sheppard wog all die Paragraphen und einschläfernden Berichte wieder auf.
Hehnenburgh stöhnte schmerzerfüllt und barg das Gesicht in den Händen.
„Dr. Hehnenburgh, Ihnen kann ich den Vorschlag unterbreiten, weiterhin auf Ihrem Gebiet tätig zu bleiben ... allerdings nicht mehr als Chef, sondern als Befehlsempfänger. Und ich schätze, wenn es Colonel Uruhk wieder besser geht, wird sie es kaum erwarten können, mit Ihnen zu reden. Wer weiß, wenn Sie bereit sind, könnten Sie mit ihr möglicherweise mitgehen", wandte er sich an den Genetiker.
„Soll das heißen, ich kann mein Geld abschreiben?" begehrte Dave Sheppard auf. Besitzergreifend krallte sich seine Hand in die Schulter des Wissenschaftlers.
„Soetwas bezahlen Sie doch aus der Portokasse", merkte Jack mit einem süffisanten Lächeln an. „Und ja, Sie können das Geld abschreiben. Die Forschungen, die Dr. Hehnenburgh unternimmt, standen von vorn herein unter präsidialer Sicherheitsstufe. Sie haben sich strafbar gemacht ..."
Mit einem Ruck erhob der Geschäftsmann sich und funkelte ihn wütend an. „Ich habe mächtige Freunde, General O'Neill", drohte er unumwunden.
Jack nickte. „Wenn darunter nicht wenigstens der Papst ist denke ich, habe ich die besseren Karten in diesem Spiel. Ich bin persönlicher Berater des Präsidenten, falls Sie das vergessen haben. Mein Wort ist Gesetz."
Sheppard lief dunkelrot an, stürmte dann aber aus dem Raum heraus.
Jack sah ihm einen Moment lang nach, dann wandte er sich noch einmal an Hehnenburgh. „Wie sieht es aus? Kann ich Sie ab nächstem Ersten auf unsere Gehaltsliste setzen oder hätten Sie es lieber auf die harte Tour?"
Der Genetiker starrte ihn an. „Ich ... ja, ich ... ich würde gern, wenn Sie meinen ..."
Ja, diese Wirkung, fiel ihm auf, hatte die Antikerin des öfteren. Möglicherweise sollte er sich doch einmal das Rezept von ihr geben lassen. Was auch immer sie tat, sie konnte sich tatsächlich ihre Mitarbeiter aussuchen.
„Storm?" Jack nickte dem MP zu, der sich daraufhin um den Genetiker kümmerte und ihn aus dem Raum geleitete. Ihnen folgten Hernan und diese hübsche blonde Tatortermittlerin. Sah nicht schlecht aus, das Mädchen ...
Jack räusperte sich und wandte sich wieder Horacio Caine zu. „Sieht aus, als hätten Sie da ein ziemliches Eigentor geschossen, mein Lieber", wandte der General sich an den Polizisten. „Lassen Sie mich Ihnen eines sagen, sozusagen als Lebensweisheit für kommende Zeiten: Wir sind nicht mehr im Wilden Westen und Sie müssen Ihre Stadt nicht allein vor den Bösen Buben schützen, Caine. Ein wenig Zusammenarbeit tut meistens gut. Für dieses Mal habe ich noch ein Wort beim Polizeipräsidenten für Sie eingesetzt, beim nächsten Mal dagegen ..."
„Es steht immer noch die Sache mit dem Helikopter aus", merkte Caine an.
„Wir hatten eine Genehmigung. Der Eigentümer des Fluggerätes ist mir persönlich bekannt. Guten Tag, Lieutenant." Jack tat etwas sehr untypisches: Er setzte seine Sonnenbrille auf, ehe er sich umdrehte und den Raum verließ.
Horacio Caine blieb allein zurück und kochte leise im eigenen Saft ...

SGC, eine Woche später:

John konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als er die Krankenstation betrat und gleich von einem Wortgefecht begrüßt wurde.
„Sie können nicht so einfach aufstehen, Vashtu. Immerhin könnte es zu einem Rückfall kommen. So viel Erfahrung haben wir nun auch wieder nicht mit Ihren Verwandlungen", hörte er gerade den klaren, englischen Akzent des britischen Chefarztes aus Vineta. Anne Stross hatte darauf bestanden, daß er herkam und sich persönlich um Vashtu kümmerte, solange die eben nicht ganz menschlich war.
„Pete, es geht mir wieder gut. Das letzte Mal hat es auch in etwa eine Woche gedauert. Also dürfte die Gefahr gebannt sein", entgegnete Vashtus Stimme.
„Nichts da, zurück ins Bett, aber sofort! Das fehlte noch! Ich muß erst noch einmal Ihre Vitalwerte und Ihr Blut untersuchen."
„Hey, Sie haben mir in der letzten Woche mindestens drei Liter abgezapft! So schnell kann ich das gar nicht nachproduzieren!" beschwerte die Antikerin sich.
John lugte um die Ecke und nickte dem anderen Patienten grüßend zu, der mit einem breiten Grinsen auf der Pritsche lag und darauf wartete, daß man sich auch wieder um ihn kümmerte.
Eigenartig ... dabei war doch alle Welt so sicher gewesen, daß ausgerechnet dieser Mann nicht in der Lage sein würde, jemals ein normales Leben zu führen nach dem, was er in den letzten Jahren angestellt hatte.
John schob den Gedanken zur Seite, als Dr. Caroline Lam aus dem Schwesternzimmer kam und ihn kurz grüßte, ehe sie zu ihrem Patienten trat.
John hob die Brauen, sagte aber nichts dazu. Statt dessen trat er um die Trennwand herum und nahm die Szene in sich auf, die sich ihm gerade präsentierte:
Vashtu, die halb aus dem Bett gekrabbelt war und ihren Arzt jetzt wütend anfunkelte. Und über sie gebeugt und die Arme ausgestreckt, als wolle er ein wildes Pferd einfangen, Doktor Peter Grodin, der ihren Blick mit nicht sehr viel weniger Energie erwiderte.
„Hallo Vash, wie geht's?" begrüßte John die Antikerin locker, nickte Grodin zu. „Pete?"
Vashtu sah wieder wie ein Mensch aus. Selbst ihre Haut hatte in den letzten zwei Tagen den letzten Hauch von grünlichem Schimmer verloren. Einzig zwei schmale Narben beiderseits ihrer Nase erinnerte noch an das Intermezzo, daß sich ihnen wohl allen ins Gedächtnis gebrannt hatte.
„Hallo John. Wie geht's Jordan?"
John seufzte, ließ sich auf der Bettkante nieder und griff nach Vashtus Hand, die sie liebevoll drückte. „O'Neill hat darauf bestanden, sie abzuholen", antwortete er.
Grodin las noch einmal die Werte ab, dann verschwand er, ein Klemmbrett unter dem Arm, Richtung Schwesternzimmer.
„Pete hat sich über die 'mittelalterliche Einrichtung' beschwert", kommentierte Vashtu, die sich erst mit langem Hals überzeugt hatte, daß ihr Leibarzt auch tatsächlich außer Hörweite war.
John schmunzelte. „Naja, bei euch hat er wesentlich effizientere Geräte, das weißt du doch."
„Aber in Vineta beschwert er sich immer, daß ihm die Sachen zu kompliziert wären. Ich schätze, ihm kann man es nie recht machen."
John nickte, musterte sie dann forschend. „Und jetzt ist alles vorbei?" fragte er leise.
Die Antikerin beugte sich vor, musterte ihn mit schmalen Augen. „Ich habe zumindest keinen Hunger auf deine Lebensjahre mehr, wenn du das meinst", antwortete sie.
John ließ sich das nicht zweimal sagen. Auch er beugte sich vor und küßte sie endlich.
Was hatte er das in den letzten Tagen vermißt! Grodin hatte darauf bestanden, daß sie beide Abstand zueinander hielten und auch keine Zärtlichkeiten austauschen durften. Es mochte ja immerhin sein, daß das Liebesspiel der Wraith nicht unbedingt tragbar war für irdische Männer ... Weiter wollte John gar nicht denken.
Vashtu strahlte ihn an, als sie beide sich endlich wieder voneinander lösten. Ihre Wangen waren ein kleines bißchen gerötet und in ihren Augen lag ein zärtlicher Schimmer. „Hoffentlich läßt Pete mich bald hier heraus", flüsterte sie.
John hob wieder die Brauen.
Schritte näherten sich ihnen und sofort rückten sie beide wieder voneinander ab, während Grodin nun noch einmal kurz das Abteil betrat und die Akte zurücklegte auf den Herz-Kreislauf-Monitor. Dann ging der Mediziner wieder.
„Gekommen bin ich mit Jordan, gehen werde ich mit noch zwei Herren", bemerkte Vashtu, während sie nachdenklich dem Mediziner nachsah. „Naja, ich habe zumindest endlich Verstärkung für mein Team."
John schürzte die Lippen. „Dann wird Hehnenburgh nach Vineta gehen?"
„Genelab ist pleite nach dem, was der Goa'uld in Shriner angerichtet hat", antwortete die Antikerin schulterzuckend. „Und Hehnenburgh ist brilliant. Warum sollte ich jemanden wie ihn auf der Erde vergammeln lassen?"
John schmunzelte wieder. „Ich schätze, in der nächsten Zeit sollte ich Dave tunlichst meiden. Was denkst du?"
„Schätze ich auch ..." Vashtu sah ihn, wieder ernst geworden, an. „Was machen wir jetzt mit Jordan?"
Das allerdings war ein wirklich leidiges Thema, auf das John nun wirklich keine Antwort hatte.
„Ich weiß, es ist feige, aber vielleicht sollten wir es im Moment lassen wie es ist", schlug die Antikerin zögernd vor. „Ich meine, sobald Jordan auf die Highschool kommt, können wir uns noch einmal darüber unterhalten, aber jetzt ..."
„Im Moment geht das ohnehin nicht. Nicht nach dem ganzen Staub, der aufgewirbelt wurde. Behalt sie erst einmal in Vineta, Vash. Das ist in Ordnung." John nickte. „Außerdem habe ich George endlich erreicht gestern abend. Er hat sich da wohl eine Verehrerin angelacht und deswegen nicht wirklich Zeit."
Vashtu lächelte versonnen. „Ich würde es ihm gönnen nach allem, was er hat durchmachen müssen."
John nickte, verdrehte kurz die Augen in Richtung auf das andere Abteil. „Und was ist mit ihm? Du hast in seinem Kopf ja für ziemliches Chaos gesorgt, weißt du das?"
Vashtu lächelte halbherzig. „Jetzt kann ich es auf jeden Fall nicht mehr rückgängig machen, wenn du das meinst. Sieht aus, als müßte Mike der bleiben, der er jetzt ist: ein netter, wenn auch bisher im Leben eher glückloser Mann, der momentan noch keine Bindung hat."
John beugte sich interessiert vor. „Und was macht er dann ausgerechnet hier?" flüsterte er.
„O'Neill hat ihn hergeholt nachdem er diesem Caine noch eine ziemliche Gardinenpredigt gehalten hat", antwortete Vashtu ebenso leise. „Und wenn ich mir ansehe, wie oft Lam in seinem Abteil verschwindet ..."
„Mummy! Mummy!" rief in diesem Moment eine fröhliche Kinderstimme, untermalt von einem hellen Kläffen.
John und Vashtu rissen einhellig die Augen weit auf, gerade als ein kleines, schwarzhaariges Kind um die Trennwand stolperte, einen jungen, schwanzwedelnde Welpen im Schlepptau, der fröhlich bellend und kläffend das Krankenbett zu umrunden begann. Jordan dagegen nahm sofort die Matratze in Angriff und kletterte tapfer hinauf, um sich dann ihrer Mutter an die Brust zu werfen und sie fest zu umarmen.
„Ich hab dich so vermißt!" gestand das kleine Mädchen, reckte den Kopf in den Nacken und strahlte mit einer neu entstandenen Zahnlücke zu seiner Mutter hoch.
Vashtu hatte die Augen aufgerissen, erwiderte jetzt aber den Blick und zwinkerte. „Da kommt doch Onkel Devitot wohl wieder vorbei, wie?" fragte sie, gerade als Jack um die Trennwand herumlugte.
John hatte währenddessen den Welpen eingefangen und hielt das kleine, zappelnde Energiebündel in den Armen, während er nun ebenfalls von Jordan begrüßt wurde.
„Wie geht es?" ließ der General sich schließlich vernehmen.
John tauschte mit Vashtu einen Blick, während der Welpe seine Hände beleckte.
„Hatten wir nicht einen Beschluß gefaßt, was das Thema Hunde angeht, Sir?" fragte die Antikerin schließlich.
„Ein Kind braucht einen Hund, das ist ein Gesetz auf der Erde", behaarte Jack, trat jetzt tapfer näher.
„Nur wächst Jordan nicht auf der Erde auf, Sir", wandte John ein.
„Dann werden Atlantis und Vineta sich wohl an einen tierischen Mitbewohner gewöhnen müssen, Sheppard." Jack kreuzte die Arme vor der Brust.
„Er heißt Jacky", erklärte Jordan voller Stolz.
John und Vashtu wechselten einen vielsagenden Blick.
Jack O'Neill betrachtete die kleine Familie, zog sich dann lächelnd zurück.
Ja, er hatte richtig gehandelt, als er sich auf die Seite der beiden gestellt hatte, nachdem die Antikerin aufgetaucht war. Er hatte es von Anfang an gewußt, die beiden waren füreinander bestimmt. Nichts würde sie wirklich trennen können, davon war er überzeugt.
Jack schmunzelte, als er die Krankenstation verließ. Er hatte da noch einen dringenden Termin, den er unbedingt einhalten sollte. Immerhin ging es um die Zukunft der Menschheit ...

ENDE
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