Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt by Nefertit
Summary: Manchmal braucht man jemanden, der einen ein wenig in den Hintern tritt, bevor man sein Leben ändern kann.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Major Davis
Genre: Friendship
Challenges: Keine
Series: Die Major Davis Chroniken
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 7090 Read: 2424 Published: 15.01.12 Updated: 15.01.12
Story Notes:
Disclaimer: Alle Charaktere und sämtliche Rechte an SG-1 gehören MGM/UA, World Gekko Corp. Und Double Secret Production. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um damit Geld zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.

1. Kapitel 1 by Nefertit

Kapitel 1 by Nefertit
Paul Davis betrat das Pentagon durch den selben Eingang wie an jedem Morgen und augenblicklich umfingen ihn die inzwischen vertrauten Eindrücke, die gefilterte Luft im Inneren der dicken Betonmauern, die immer auf konstant 22 Grad Celsius gehalten wurde, der etwas abgestandene Geruch eines typischen Bürokomplexes, die Stimmen der vielen hundert Mitarbeiter und das Klappern ihrer Schritte auf dem glatten Steinfußboden.

Draußen brach gerade der Tag über der Stadt an. Es war ein kühler, grauer Morgen. Der Himmel war noch wolkenverhangen nach dem Regen letzte Nacht, die Straßen waren nass und vereinzelt hingen noch Wassertropfen von den kahlen Ästen der Bäume und Sträucher.

„Guten Morgen, Sir.“ Der Wachmann am Eingang grüßte freundlich, als Paul an ihm vorbei ging und Paul erwiderte den Gruß. Der Wachmann warf nur einen kurzen Blick auf den Dienstausweis, den Paul schon ganz automatisch vorzeigte, wenn er das Gebäude betrat. Der Sergeant verrichtete seinen Dienst hier schon seit Jahren und kannte den Major inzwischen mit Namen. Meist kam der Major früher und ging später als die meisten anderen – solche Leute prägten sich über die Jahre in das Gedächtnis ein.

Paul stieg die Stufen hinauf zu der Etage, in der sein kleines Büro lag. Er hätte auch den Aufzug nehmen können, doch er hatte es sich angewöhnt, zumindest einmal am Tag die Treppe zu nehmen.

Oben angekommen, ging er den langen Flur hinunter zu seinem Büro. Hier begegneten ihm ein paar der anderen Angestellten des Pentagons. Einige von ihnen waren auf dem Weg zu ihren Büros noch in private Gespräche vertieft oder begrüßten einander mit persönlichen Worten, andere grüßten nur im Vorbeigehen – auch ihn, doch niemand machte sich die Mühe, ein persönliches Wort an ihn zu richten.

Meistens war es Paul nur recht, wenn man ihn in Ruhe ließ. Das gab ihm Zeit, in Gedanken noch mal seine Aufgaben für den Tag durchzugehen und eine kleine Prioritätenliste zu erstellen. Doch heute hätte er nichts dagegen gehabt, wenn ihn jemand in ein Gespräch verwickelt hätte.

Letzte Nacht hatte er nicht besonders gut geschlafen – er hatte noch lange wach gelegen, weil sein Nachbar – von dem er eigentlich nicht einmal den Namen kannte – eine Party gegeben hatte. Es war nicht übermäßig laut gewesen, keine wirkliche Ruhestörung, doch die Geräusche, die zu ihm herüber gedrungen waren, hatten ihn daran erinnert, dass er schon sehr, sehr lange nicht mehr auf einer Party oder bei jemandem eingeladen gewesen war. Wieder einmal war ihm schmerzlich bewusst geworden, dass er so etwas wie ein Privatleben eigentlich schon sehr lange nicht mehr hatte und jetzt, als er die anderen Kollegen so miteinander plaudern sah, wurde ihm klar, dass er auch hier so etwas wie ein Außenseiter war.

Er hatte sich selbst dazu gemacht, mit seiner Art. Er hatte sich immer nur auf seine Arbeit konzentriert, hatte oftmals persönliche Gespräche, die andere mit ihm hatten anfangen wollen, im Keim erstickt und hatte Einladungen zu gemeinsamen Unternehmungen, wie einem Bier nach Feierabend oder einem Barbecue an den Wochenenden, so oft und immer wieder abgelehnt, dass man schließlich aufgehört hatte, ihn zu fragen, ob er sich anschließen wollte.

Damals hatte ihm das wenig ausgemacht. Er war verheiratet gewesen, hatte seine wenige Freizeit mit seiner Frau Susan verbracht ohne zu bemerken, dass er sich zu wenig Zeit für sie genommen hatte, dass seine Zeitaufteilung zwischen Arbeit und Privatleben aus dem Gleichgewicht geraten war – bis sie ihn schließlich verlassen hatte.

Paul betrat sein Büro – einen kleinen Raum im mittleren der fünf „Ringe“, den fünf konzentrisch verlaufenden Gebäuderingen, die sich um den offenen Innenhof gruppierten und durch zehn speichen-ähnliche Quergänge miteinander verbunden waren.

Sein Büro hatte ein Fenster – wie fast alle Büros in dem Gebäude, doch wie den meisten der über 25.000 hier arbeitenden Personen war ihm nur der Ausblick auf einen der tristen Lichthöfe zwischen den Gebäuderingen vergönnt, anstatt der Sicht hinaus auf die Stadt, wie man sie vom äußeren Gebäudering aus hatte.

Beim Betreten des Büros schaltete Paul das Licht ein und seufzte unwillkürlich. Er hatte gestern Abend den Stapel Papiere, der sich auf seinem Schreibtisch aufgetürmt hatte, fast abgearbeitet gehabt, doch in seiner Abwesenheit war der Stapel wieder deutlich größer geworden.

Er trat an seinen Schreibtisch heran, verstaute seine Mappe in einer Schublade und ließ sich in seinen Bürostuhl fallen. Einmal atmete er tief durch und griff dann beherzt nach der obersten Aktenmappe auf dem Stapel. Er schlug sie auf und begann zu lesen.

Er wusste nicht, wie lange er so vor sich hin gearbeitet hatte, als eine Stimme von der Türe her ihn wieder unterbrach.

„Guten Morgen, Major.“

Paul sah auf und lächelte. „Guten Morgen, Ruby“, antwortete er.

Ruby, eine etwas mollige End-Vierzigerin mit kurz geschnittenem, grau meliertem Haar, war eine der Schreibkräfte in diesem Department. Sie war eine der wenigen Kolleginnen, zu der er ein gutes Verhältnis hatte – wenn auch kein allzu enges.

„Ich habe hier ein paar Sachen für Sie zum Bearbeiten“, informierte sie ihn und streckte ihm beim Näherkommen einen Stapel Aktenhefter entgegen. Paul lächelte etwas kläglich.

„Ich habe Ihnen Zettel angeheftet, worum es geht“, fügte Ruby an und Paul lächelte erneut.

„Danke Ruby.“ Damit griff er die Aktenordner und blätterte sie schnell durch. Ruby wandte sich zum Gehen, doch Paul rief sie noch einmal zurück:

„Einen Moment!“

Ruby drehte sich wieder zu ihm um. Paul hielt ihr eine Akte entgegen und sagte dabei:

„Könnten Sie diese Zusammenfassung für mich abtippen?“ Ruby nickte stumm lächelnd zur Antwort, nahm Paul die Akte ab und verließ dann sein Büro. Seufzend wandte sich Paul wieder seiner Arbeit zu, doch nach nur ein paar Minuten wurde er durch ein neuerliches Klopfen an der Türe unterbrochen.

„Was?“, fragte er genervt und als er aufblickte, bedauerte er seinen harschen Tonfall sofort. In der Türe stand wieder Ruby. Sie hatte einen Becher Kaffee in der Hand, den sie ihm entgegen streckte, als sie auf ihn zu kam.

„Ich dachte, Sie könnten vielleicht einen Kaffee brauchen“, sagte sie, wobei sie den Becher vor Paul auf den Tisch stellte. „Mit Milch, ohne Zucker.“

Paul lächelte die ältere Frau dankbar an.

„Ruby, Sie sind einfach ein Engel. Wenn Sie nicht schon verheiratet wären, würde ich Ihnen auf der Stelle einen Antrag machen“, sagte Paul mit einem Augenzwinkern, während er dankbar nach dem Kaffeebecher griff. Ruby lachte.

„Na, lassen Sie das bloß nicht meinen Michael hören, der wird sonst noch eifersüchtig“, scherzte Ruby.

Paul lachte verhalten und nippte an seinem Kaffee. Er war ganz frisch, war nicht seit Stunden auf irgend einer Warmhalteplatte gestanden bis er nur noch bitter schmeckte, und er enthielt genau die richtige Menge Milch. Paul seufzte und trank einen weiteren Schluck. Das war genau das, was er gebraucht hatte.

„Danke, Ruby“, sagte Paul und Ruby hob zur Antwort abwehrend die Hände.

„Schon gut, Major.“ Damit war das Thema für sie erledigt. Sie drehte sich um und verließ das Büro.

Lächelnd vertiefte sich Paul wieder in seine Arbeit. Den ganzen Tag lang beschäftigte er sich mit Berichten, Budgetplanungen, Tabellen und Diagrammen. Er unterbrach seine Arbeit nur ab und zu kurz, um zu den Waschräumen zu gehen oder sich einen frischen Kaffee zu holen. Nicht einmal eine richtige Mittagspause gönnte er sich. Gegen 13 Uhr holte er sich lediglich zwei Sandwiches aus der Kantine, die er über seine Arbeit gebeugt verzehrte.

Ein Klopfen an der Türe ließ ihn schließlich irgendwann aufschrecken. Als er aufsah, stellte er fest, dass General O’Neill im Türrahmen stand, die Uniformjacke völlig regelwidrig lässig über der einen Schulter, die Mütze unterm Arm und die eine Hand noch immer zum Klopfen erhoben. Er sah erschöpft aus, fand Paul und dabei kam ihm nicht einen Augenblick lang der Gedanke, dass er selbst auf den General vielleicht den selben Eindruck machen könnte, so abgearbeitet wie er war.

„Guten Abend, General“, grüßte Paul und sprang aus seinem Schreibtischstuhl auf, um Haltung anzunehmen, doch O’Neill winkte mit einer lässigen Handbewegung ab. „Schon gut, Davis. Schon gut.“

„Was tun Sie um diese Zeit noch hier?“, fragte Jack nach ein paar Augenblicken und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Paul tat es ihm gleich und seufzte. Es war schon fast sieben Uhr. Draußen war es bereits dunkel. Er war wieder einmal so in seine Arbeit vertieft gewesen, dass er es nicht einmal bemerkt hatte, wie spät es schon wieder geworden war.

„Ich wollte unbedingt noch diese Sache hier…“, erklärte Paul und deutete auf seinen Schreibtisch, auf dem die Blätter einer Akte über die halbe Tischplatte ausgebreitet waren. Jack nickte verstehend. Er kannte Davis nun seit einigen Jahren. Er wusste, dass der Major ein Perfektionist war und ein Workaholic und er hatte schon, als er noch der Leiter von SG-1 gewesen war, die Meinung vertreten, dass Davis zu viel arbeitete und zu wenig lebte.

„Sie sollten Schluss machen für heute, Paul. Es ist spät. Gehen Sie nach Hause“, empfahl Jack fürsorglich. Paul verzog das Gesicht, erwiderte jedoch nichts darauf. Doch der General schien es auch so verstanden zu haben.

„Kein Bedürfnis alleine zu Hause zu hocken, was?“, fragte er in seiner üblichen, flapsigen Art, die er auch als General nicht ganz abgelegt hatte und fügte dann nachdenklich an: „Kenne ich.“

Das tat er wirklich. Seit er in Washington war, schien ihm das Büro auch oft verlockender als sein leeres Appartement. Er vermisste das Zusammensein mit seinen Teamkameraden. Auch wenn sie versuchten, so oft wie möglich Kontakt zu halten – es war nicht mehr das selbe wie früher. Manchmal fühlte er sich in Washington ziemlich einsam und konnte Paul gut verstehen. Sie waren sozusagen Leidensgenossen.

Er machte erneut eine kurze Pause, stieß sich dann vom Türrahmen ab, an dem er gelehnt hatte und sagte kurz entschlossen: „Kommen Sie. Ich brauch was zwischen die Rippen und sie sehen auch aus, als könnten Sie was zu essen vertragen. Lassen Sie uns verschwinden.“

Paul setzte zum Widerspruch an. Er sollte wirklich seine angefangene Arbeit wenigstens noch beenden, doch der General schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. „Widersprechen Sie nie einem Vorgesetzten, Paul. Das ist nicht gut für Ihre Karriere.“

Paul lächelte ein wenig kläglich über den Witz des Generals, fügte sich aber dann in sein Schicksal, wissend, dass der General ein Nein nicht akzeptieren würde. Er nickte, nahm seine Jacke und seine Mütze vom Haken an der Wand, schaltete die Schreibtischlampe aus und trat zu General O’Neill.

„Verschwinden wir hier“, sagte Jack und deutete mit einer knappen Handbewegung den menschenleeren Flur hinab. Paul nickte stumm und ging dann voran, Jack folgte ihm.

Die Schritte der beiden Männer klangen gedämpft von den Wänden wider, als sie schweigend den Flur zu den Fahrstühlen hinunter gingen. Paul hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen, ein Gespräch zu beginnen, doch worüber? Über die Arbeit? Über Hobbys die er nicht hatte? Wenn er wenigstens gewusst hätte, wofür der General sich in seiner Freizeit interessierte, doch auch darüber wusste er wenig. Deswegen schwieg er lieber.

Er betätigte den Rufknopf für den Lift. Das Klingeln des eintreffenden Fahrstuhls und das Rumpeln der sich öffnenden Türen klangen unheimlich laut in der Stille des verlassenen Gebäudes.

Die beiden Männer betraten den Lift und brachten die beiden Stockwerke zur Lobby schweigend hinter sich.

Als sie das Gebäude durch den Haupteingang verließen, erwiderten sie beide automatisch den Gruß des Wachmannes, der in seiner Kabine neben der Türe auf seinen eigenen Feierabend wartete. Paul kannte den älteren Sergeant schon seit Jahren und vermutete, dass man den Mann bis zu seiner Pensionierung auf diesen Posten abgeschoben hatte.

Manchmal, wenn er ihn sah, fragte sich Paul, ob er eines Tages auch einmal so enden würde. Abgeschoben auf einen unwichtigen Posten, auf dem er auf das Ende seiner Laufbahn warten konnte, doch er schob diese Gedanken meist schnell beiseite.

Als Paul ins Freie trat, atmete er einmal tief durch. Die Nacht war frisch und klar. Die Wolken vom Morgen hatten sich verzogen und über ihnen wölbte sich der freie Himmel.

Sie überquerten die Straße, die das Gebäude und den Parkplatz trennte. Tagsüber parkten hier und auf den anderen beiden Parkplätzen des Pentagons tausende von Autos – um diese Zeit waren es nur noch wenige.

Zielstrebig steuerte Jack auf sein Auto, einen schwarzen SUV jüngeren Baujahres von Ford, zu und bedeutete Paul mit einer Geste mit ihm zu kommen.

„Kommen Sie, Davis. Ich fahre“, rief er Paul dabei über die Schulter hinweg zu ohne sich dabei ganz zu Paul umzudrehen oder seinen Schritt zu verlangsamen. „Ihren Wagen können Sie später holen. Ich setze Sie wieder hier ab.“ Damit schien die Sache beschlossen, denn er zog die Fernbedienung für die Zentralverriegelung aus der Tasche und öffnete den Wagen.

Paul fügte sich notgedrungen und kletterte auf den Beifahrersitz, während Jack auf der anderen Seite hinter das Steuer rutschte und dann den Wagen startete.

Sie fuhren ein Stück die Interstate 95 Richtung Süden hinunter, nach Prince George's County. Dort am Rand der Andrews Air Force Base lagen einige Bars und Kneipen, die von vielen Angehörigen der Basis besucht wurden. Uniformen gehörten hier zum Bild, zwei Air Force Offiziere würden hier kein großes Aufsehen erregen. Das war zumindest Jacks Theorie.

Doch selbst hier fiel Jack auf. Es kam offenbar nicht oft vor, dass sich ein so hochrangiger Offizier hierher verirrte.

Als die beiden Männer den „Applebee’s Neighborhood Grill“ betraten, verstummten plötzlich alle Gespräche. Die anderen Gäste wandten sich erstaunt zur Türe um, die Militärangehörigen unter ihnen waren sich offenbar nicht sicher, ob sie aufspringen und salutieren oder den hochrangigen Gast ignorieren sollten.

Ein paar Sekunden lang war das Einzige, das zu hören war, nur das eintönige Leiern aus der Musikanlage, dann setzten die zivilen Gäste leise ihre Gespräche fort.

Jack nahm seine Mütze ab und Paul, der nach ihm herein gekommen war, tat es ihm gleich und als Jack einen Tisch in der Ecke des Raumes ansteuerte, folgte er ihm ebenfalls. Die anderen Soldaten folgten ihnen noch eine Weile mit den Blicken. Nachdem Jack und Paul sich jedoch an einem Tisch niedergelassen hatten, gingen auch sie wieder zur Tagesordnung über.

Nur kurze Zeit später trat eine Kellnerin, eine leidlich attraktive Rothaarige in zu engen Jeans und einem zu kurzen T-Shirt, zu ihnen an den Tisch und brachte ihnen die Karte. Sie musterte Jack mit unverhohlener Neugierde und Paul konnte beobachten, wie sie, nachdem sie sein Äußeres ausgiebig betrachtet und offenbar für gut befunden hatte, einen verstohlenen Blick auf Jacks Hände warf – offenbar auf der Suche nach einem Ehering.

Als sie keinen entdecken konnte, veränderte sich ihre Körperhaltung schlagartig. Sie streckte die Brust vor, zog den Bauch ein und schenkte Jack das koketteste Lächeln, zu dem sie scheinbar fähig war.

„Was kann ich für die Herren tun?“, fragte sie mit künstlich tiefer Stimme, von der sie wohl glaubte, dass sie verführerisch klänge und lachte dann gurrend über ihre eigene Zweideutigkeit. Jack blickte kurz zu ihr auf und vertiefte sich dann gleich wieder in die Karte.

„Ein Eistee wäre wunderbar“, antwortete er völlig gelassen. Offenbar machte die rothaarige Kellnerin nicht viel Eindruck auf ihn.

„Tonic Water“, bestellte Paul und war sich einen Moment nicht einmal sicher, ob die Kellnerin ihn gehört hatte, da sie immer noch unverwandt Jack anlächelte.

Die Kellnerin verschwand und kehrte einige Minuten drauf mit zwei Gläsern zurück, die sie vor den beiden Offizieren auf den Tisch stellte. Sie zog einen kleinen Notizblock und einen Bleistift aus der Tasche ihrer Jeans und wandte sich dann an die beiden Männer:

„Kann ich Ihnen auch was zu Essen bringen? Sie sehen beide aus, als ob sie ein ordentliches, echt amerikanisches Essen vertragen könnten.“

Jack blickte von der Speisekarte auf, nippte einmal an seinem Getränk und fragte dann: „Können Sie uns was empfehlen?“

„Wie wäre es mit einem schönen, saftigen Steak, einer Folienkartoffel mit Sauerrahm und einem schönen Salat?“, fragte sie ohne zu überlegen und fügte dann an: „Das ist die Spezialität unseres Kochs.“

Jack dachte einen kurzen Moment nach. Es war vielleicht nicht besonders einfallsreich, Steak und Folienkartoffeln als Spezialität zu führen, aber eigentlich war es genau das, wonach ihm gerade war.

„Klingt gut. Was denken Sie, Paul?“ Jack blickte Paul an, der noch ein wenig unschlüssig wirkte.

Auch die Kellnerin wandte sich zu Paul um und schenkte nun ihm ein strahlendes Lächeln. Jacks Desinteresse an ihrer Person war so offensichtlich, dass es ihr nicht entgangen sein konnte, folglich konzentrierte sie ihre Aufmerksamkeit nun auf den gutaussehenden Major auf der anderen Seite des Tisches.

„Das nehme ich“, verkündete Paul, klappte die Speisekarte zu und hielt sie der Kellnerin hin. Diese nahm die Karte an sich und lächelte Paul noch mal charmant an, bevor sie sich wieder Jack zuwandte, der ihr die Karte mit den Worten: „Ich auch“ zurück gab.

Jack blickte der Kellnerin nach, als sie zurück zum Tresen ging, um die Bestellung an die Küche weiterzugeben, wobei sie sich etwa auf der Hälfte der Strecke noch mal kurz umdrehte und Paul einen koketten Blick zuwarf.

„Scheint mir, als wäre unsere Kellnerin an Ihnen interessiert“, bemerkte Jack schmunzelnd, doch seine Worte riefen keine sichtbare Reaktion bei Paul hervor.

„Sie ist nur an mir interessiert, weil Sie gemerkt hat, dass sie bei IHNEN auf Granit beißt “, erwiderte Paul stattdessen trocken.

„Sie kennen Ihren Marktwert offenbar nicht “, stellte Jack verblüfft fest. „Sie sind ein gutaussehender Mann, Davis. Es gibt eine Menge Frauen, die sich um eine Verabredung mit Ihnen förmlich reißen würden.“

Statt einer Antwort nahm Paul sein Glas und nippte einmal an seinem Tonic Wasser. Als er das Glas wieder abstellte, antwortete er:

„Ich hab schon seit ziemlich langer Zeit keine Verabredung mehr gehabt.“ Schon seit Jahren nicht mehr, fügte er in Gedanken noch an, doch er sprach es nicht aus.

Jack runzelte die Stirn. Es war genau so, wie er immer gesagt hatte: Major Davis brauchte dringend ein Privatleben.

Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er instinktiv geahnt, dass Major Davis genau dieser Typ Mensch war – jemand, der sich in seiner Arbeit vergrub und das eigene Privatleben darüber vernachlässigte. Erst im Lauf der Jahre hatte er herausgefunden, dass Paul Davis einmal verheiratet gewesen war.

Über die Gründe der Scheidung konnte Jack nur spekulieren, aber er vermutete, dass es damit zu tun haben könnte, dass Paul auch schon früher zu viel gearbeitet hatte und dass darüber seine Ehe in die Brüche gegangen war, doch wirklich bestätigt hatte ihm diese Vermutung bislang noch niemand – auch Paul selbst nicht.

Paul war, wie Jack selbst, ein eher verschwiegener Mensch, der sich anderen gegenüber nicht leicht öffnete. Jack verstand den jüngeren Mann gut, er wusste aber auch, dass es gefährlich war, sich zu sehr zurückzuziehen. Er wusste es aus eigener Erfahrung.

Für ihn selbst war es vielleicht schon zu spät, noch einmal eine neue Liebe zu finden, aber Paul war jünger als er und Jack mochte den Major zu gerne, um einfach zusehen zu können, wie er so weiter machte wie bisher und eines Tages vielleicht alt und einsam war.

„Sie sollten mal wieder unter Menschen gehen, Davis. Die Arbeit kann ja ganz schön sein, aber es gibt noch ein Leben außerhalb der Air Force “, sagte Jack schließlich. Er bemühte sich bewusst um einen betont lockeren Tonfall und trotzdem konnte er sehen, wie Paul unter seinen Worten zusammenzuckte. Offenbar hatte er einen Nerv getroffen.

„Vielleicht haben Sie Recht“, räumte Paul nach einer Weile nachdenklich ein.

Jack dämpfte die Stimme, als er nach einigen Momenten antwortete: „Ich HABE Recht, Paul, glauben Sie mir.“ Jack wählte absichtlich die persönlichere Ansprache mit dem Vornamen. Dies war seine persönliche Meinung, kein dienstlicher Befehl und er wollte, dass Paul das verstand. „Sie können so weiter machen wie bisher und gut damit leben, aber eines Tages werden Sie es bedauern und dann ist es vielleicht zu spät. Wenn das Leben an ihre Türe klopft, sollten Sie es nicht wegschicken.“

Noch bevor Paul etwas darauf erwidern konnte, trat die Kellnerin zu ihnen an den Tisch und brachte ihr Essen. Sie plapperte gutgelaunt drauflos, worauf jedoch keiner der beiden Männer einging. Und als sie schließlich wieder ging, mochte keiner der beiden zu ihrem ernsten Thema von vorhin zurückkehren und so machten sich die beiden schließlich über ihr Essen her und sprachen den Rest des Abends über weniger tiefgehende Themen.

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Nachdem Jack ihn schließlich wieder am Pentagon abgesetzt hatte, fuhr Paul mit seinem eigenen Wagen nach Hause.

Er machte sich gleich zum Schlafen fertig. Es war spät geworden und morgen war wieder ein normaler Arbeitstag für ihn. Doch als er schließlich in seinem Bett lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und den Geräuschen der gelegentlich vorbeifahrenden Autos auf der Straße lauschte, fand er keinen Schlaf.

Die Worte von General O’Neill ließen ihm keine Ruhe. Vielleicht hatte der General Recht. Vielleicht sollte er wirklich mehr unter Menschen gehen. Vielleicht sollte er ein paar Dinge an seinem Leben ändern, bevor es dafür zu spät war.

Als er schließlich doch in einen traumlosen Schlaf fiel, war es bereits weit nach Mitternacht.

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Wieder einmal saß Paul Davis noch spät an seinem Schreibtisch und arbeitete. Es war ein langer Tag gewesen. Am Morgen hatte er eine mehrere Stunden dauernde Besprechung mit den Stabschefs gehabt, in deren Verlauf er ungefähr zehnmal hatte erklären müssen, wofür das Stargate-Programm das viele Geld brauchte, das alljährlich dafür ausgegeben wurde.

Er hatte mit all seiner Überzeugungskraft versucht, den Männern begreiflich zu machen, dass die immensen Summen, die das Programm verschlang, keine verschwendeten Mittel waren, die besser in neue Kampfflugzeuge oder neue Waffen investiert werden sollten.

Ihr Argument, dass ein Programm, das so kostenintensiv war, wenigstens einige Vorteile in Form von außerirdischen Technologien und überlegenen Waffen bringen sollte, hatte er sicher schon tausend Mal gehört und hatte versucht, es mit den selben Gegenargumenten zu entkräften wie die unzähligen Male zuvor.

Nach mehreren Stunden waren die Stabschefs schließlich wieder gegangen, besänftigt und für den Moment vielleicht sogar überzeugt, doch er wusste aus Erfahrung, dass jede neue Haushaltsplanung, jede Kürzung in einem anderen Bereich dieses Thema unweigerlich wieder zur Sprache bringen würde.

Paul blickte von den Papieren auf, als eine lärmende Gruppe an seiner Türe vorbei zog. Ein gutes halbes Dutzend Kollegen von ihm, acht Männer und eine junge Frau, die – das wusste er – ab und zu gemeinsam etwas unternahmen. Eine kleine eingeschworene Clique.

Als sie gerade an seiner Tür vorbei gingen, begegnete Pauls Blick dem der jungen Frau für einen kurzen Moment. Er kannte sie flüchtig. Sie war Captain und ihr Name war Rachel Allen, doch bis auf ein paar kurze, dienstliche Gespräche hatte er bisher nichts mit ihr zu tun gehabt.

Als die kleine Gruppe an seiner Türe vorbei war, wandte er sich wieder der Arbeit auf seinem Schreibtisch zu, als er unbewusst eine weibliche Stimme sagen hörte: „Hey, wartet mal kurz!“

Er achtete nicht weiter darauf, die weiteren Worte gingen im Gemurmel der anderen Stimmen unter und so schrak er überrascht auf, als plötzlich die weibliche Stimme von seiner Türe her erklang:

„Sie arbeiten immer noch, Sir?“

Paul sah auf. Rachel stand in seiner Türe, eine Hand lässig in die Taille gestemmt und sah ihn fragend an. Er legte seinen Stift bei Seite und antwortete: „Ja. Ja, ich – äh – wollte…“ Er unterbrach sich und zuckte hilflos die Schultern. Rachel nickte verstehend.

„Sie arbeiten zu viel, Major Davis“, sagte sie und fragte dann mit einer unbestimmten Handbewegung den Flur hinab in Richtung ihrer wartenden Kollegen: „Wollen Sie nicht mit uns kommen? Die Jungs und ich wollen noch irgendwo etwas trinken oder so.“

Paul zögerte. Unter normalen Umständen hätte er die Einladung abgelehnt. Er war am Anfang ein paar Mal gefragt worden, ob er sich der Gruppe nicht anschließen wollte, doch aus Angst, sich wie das fünfte Rad am Wagen zu fühlen, hatte er jedes Mal abgelehnt. Auch heute war sein erster Gedanke dankend abzulehnen, doch auf einmal klangen ihm General O’Neills Worte wieder in den Ohren:

„Wenn das Leben an Ihre Türe klopft, sollten Sie es nicht wegschicken.“

Das Leben klopfte gerade an seine Türe – und das im wahrsten Sinne des Wortes - in Form dieser jungen Frau. In diesem Moment fasste er einen Entschluss.

„Wenn Sie einen Augenblick warten, würde ich mich Ihnen gern anschließen“, sagte er und seine Worte klangen schrecklich ungewohnt in seinen Ohren, aber es fühlte sich irgendwie gut an.

Ohne ihre Antwort abzuwarten, raffte er die Unterlagen vor sich zu einem großen unordentlichen Stapel zusammen und ließ sie mitten auf seiner Tischplatte liegen. Er schaltete seine Schreibtischlampe ab und griff im Aufstehen nach seiner Jacke, die über der Rückenlehne seines Stuhles hing. Er zog die Mütze, die zusammengefaltet in seiner Tasche steckte, heraus und ging zur Tür, an der immer noch Rachel auf ihn wartete.

„Gehen wir“, sagte er und seine Hand tastete nach dem Lichtschalter an der Wand, um auch noch die Deckenlampe abzuschalten. Sein Büro versank in der Dunkelheit.

„Gehen wir“, wiederholte Rachel und lächelte. Gemeinsam schlossen sie zu der kleinen Gruppe auf, die im Flur auf Rachel wartete.

„Ich stelle Ihnen die Jungs nicht einzeln vor. Sie werden sie schon nach und nach kennen lernen“, sagte sie an Paul gewandt und informierte dann die anderen leichthin: „Major Davis kommt mit uns.“

Rachels Worte riefen überraschte Reaktionen hervor. Paul fühlte sich ein wenig unwohl in der Situation. Er spürte, wie die anderen Männer ihn neugierig beäugten. Er kam sich vor, wie das neue Kind in der Schule. Genau deswegen hatte er sich der Gruppe bisher nie angeschlossen.

Außerdem hegte Paul den Verdacht, dass einige der Männer ihn als Konkurrenten bei Rachel sahen. Laut den Regeln konnte zwar keiner der Männer eine Beziehung mit ihr anfangen, doch das schien nichts an der Tatsache zu ändern, dass ein paar der Männer das typische Balzverhalten in ihrer Gegenwart zeigten.

Rachel rettete Paul schließlich aus seiner etwas misslichen Lage.

„Was ist nun? Wollen wir hier Wurzeln schlagen oder brechen wir endlich auf?“, fragte sie ungeduldig, wobei sie unruhig mit dem Fuß wippte.

„Schon gut, schon gut. Lasst uns endlich abhauen, bevor Rachel uns Beine macht“, wandte ein Major, dessen Name Paul nicht kannte, sich an die kleine Gruppe und schubste den erstbesten seiner Kameraden spielerisch in Richtung der Aufzüge.

Die anderen setzten sich in Bewegung und Paul folgte ihnen einfach, auch wenn er sich noch immer ein wenig fehl am Platze fühlte. Doch als Rachel ihm ein aufmunterndes Lächeln zuwarf, lächelte er zurück.

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Die Bar, in die Rachel und ihre Freunde gingen, lag in Arlington in einer kleinen Seitenstraße. Es war eine typische Sport-Bar. An den Wänden hingen Bildschirme, auf denen man am Sonntag die Football- und Baseballspiele der Nationalen Ligen sehen konnte, dazwischen Wimpel von verschiedenen Teams – hauptsächlich von den Washington Redskins und den Washington Nationals. In einer Ecke der Bar standen zwei Pool-Tische, von denen im Moment nur einer belegt war.

Es waren nicht viele Gäste hier an diesem Abend, mehr als die Hälfte der Tische war leer, so hatte die relativ große Gruppe keine Probleme, ein paar Tische zu finden, die sie kurzerhand zusammen stellten und die Stühle darum verteilten.

Eine Kellnerin kam an den Tisch und nahm ihre Bestellungen auf und ging wieder, um dann nach einigen Minuten mit den Getränken zurück zu kommen. Die meisten hatten Coke oder Root-Bier bestellt, nichts mit Alkohol. Es war noch mitten in der Woche und morgen mussten sie alle wieder zum Dienst erscheinen.

Es ergaben sich einige rege Gespräche. Zwei der Männer gerieten in einen gutmütigen Streit über die Football-Ergebnisse vom Wochenende, weil sie Anhänger gegnerischer Mannschaften waren, einige andere diskutierten über das neueste Album eines Rappers, dessen Namen Paul nicht einmal aussprechen konnte. Er selbst hörte lieber dem Gespräch über einen Abgeordneten, der seit einigen Tagen unter dem Verdacht der Vorteilsnahme stand, zu, das Rachel und ein rothaariger Major führten.

Nach ein paar Minuten in denen Paul nur schweigend daneben gesessen hatte, wandte sich plötzlich der rothaarige Major, dessen Namen - Steve Carlisle – er aus dem Gespräch herausgehört hatte, an ihn. Zuerst antwortete Paul nur zögerlich, doch nach und nach legte sich seine Befangenheit. Rachel und Steve gaben ihm keinen Grund, sich wie ein Außenseiter zu fühlen und Paul entspannte sich langsam.

Mit der Zeit beteiligte sich Paul auch an den Gesprächen um sich herum. Irgendwann fiel ihm auf, dass er sich nicht länger wie ein Außenseiter fühlte und auch nicht länger wie einer behandelt wurde. Über den Tisch hinweg fing er einen Blick von Rachel auf und lächelte, während er sich entspannt zurücklehnte.

Schließlich wandte sich ein Major namens Hank Sanders an Rachel.

„Wie wäre es mit einem kleinen Spielchen, Rachel?“, fragte er herausfordernd und deutete dabei auf die beiden Pool-Tische im hinteren Bereich der Bar. „Fünf Mäuse, dass du mich nicht schlägst.“

Rachel stellte grinsend ihre Coke beiseite und erwiderte spöttisch:

„Ich hab dich bisher noch jedes Mal geschlagen, Hank.“

„Ja“, konterte Hank ebenfalls grinsend: „Aber diesmal spiele ICH mit Steve.“ Dabei deutete er mit dem Daumen auf den neben Rachel sitzenden Rotschopf.

„Verräter“, zischte Rachel dem Rothaarigen zu, was dieser nur mit einer Grimasse beantwortete, die er Rachel schnitt. Rachel verpasste ihm unterm Tisch einen freundschaftlichen Tritt gegen das Schienbein und wandte sich dann an den Rest der Runde:

„Und wer spielt dann mit mir?“ Nacheinander blickte sie jeden der Männer an. Einige hoben abwehrend die Hände oder schüttelten verneinend den Kopf. Paul hörte wie einer von ihnen flüsterte: „Nicht gegen Steve.“ Rachel seufzte und ihr Blick blieb schließlich an Paul hängen.

Sie hatte keine Ahnung, ob er jemals einen Queue in der Hand gehabt hatte, doch etwas sagte ihr, dass es unwichtig war. Sie musste ihn aus der Reserve locken und die beste Möglichkeit, das zu tun, war ihrer Meinung nach, ihn zu ihrem Spielpartner zu machen.

„Wie wäre es mit Ihnen, Major? Mein Spielpartner ist zum FEIND übergelaufen und jetzt brauche ich einen neuen Mitspieler“, fragte sie und blickte ihn erwartungsvoll an.

„Ja, Major, zeigen Sie uns mal, was sie können“, forderte Hank ihn heraus.

Paul setzte sein Glas ab, blickte einmal in die Runde und räusperte sich dann.

„Nun, so wie ich das sehe“, sagte er an Rachel gewandt, wobei er die Knöpfe an seinen Manschetten öffnete und die Ärmel ein Stück hochkrempelte, „wird uns unter diesen Umständen nichts anderes übrig bleiben, als die beiden zu schlagen.“

„Hört, hört!“, ließ sich Brad vom anderen Ende des Tisches her vernehmen und einige der anderen stimmten mit ein.

Rachel und Hank erhoben sich und gingen zusammen zur Theke, um die Kugeln und Queues zu holen und gingen dann zum Billardtisch, an dem sich bereits der Rest der Gruppe versammelt hatte. Steve und Paul standen abwartend neben dem Tisch, während die anderen sich außen herum gruppierten und leise tuschelnd heimlich Wetten auf den Sieger abschlossen.

Rachel reichte Paul einen der Queues und überließ es Hank, die Kugeln auf dem Tisch zu platzieren.

„Kopf oder Zahl, Rachel?“, rief Brad ihr über den Tisch hinweg zu und warf eine Münze ohne ihre Antwort abzuwarten.

„Kopf!“, antwortete Rachel ohne einen Augenblick zu zögern zurück und Brad hob die Hand, mit der er die gefangene Münze bisher verdeckt hatte. Die umstehenden reckten die Hälse um das Ergebnis zu sehen, bevor Brad es verkündete:

„Kopf. Du fängst an, Rachel.“ Rachel wandte sich zu Paul um und machte eine auffordernde Handbewegung.

„Ihr Stoß, Major.“

Paul sah sich um und meinte dann in die Runde: „Einigen wir uns auf Paul. Wenigstens für heute Abend.“

Rachel nickte: „Einverstanden. Also dann, Paul, zeigen Sie den beiden Verrätern, was Sie können.“

„Vergiss es, Rachel. Gegen uns habt ihr keine Chance“, tönte Hank selbstbewusst.

„Das bleibt abzuwarten,“ konterte Rachel.

Paul grinste über die Unterhaltung, doch dann wurde sein Gesichtsausdruck ernst. Er wog den Queue in der Hand und trat an den Tisch heran. Es war eine ganze Weile her, dass er gespielt hatte. Früher, an der Akademie hatte er sich oft mit Freunden auf eine Partie getroffen. Er hatte damals fast jedes Spiel gewonnen, aber das war Jahre her und durch seine Arbeit hatte er für eine Partie Billard einfach keine Zeit mehr gefunden.

Jetzt im Nachhinein bedauerte er es, dass er so große Töne gespuckt hatte. Er hatte sich einfach von der Situation mitreißen lassen – das war ihm schon sehr lange nicht mehr passiert – und nun lief er Gefahr, sich ziemlich zu blamieren. Aber für den Augenblick war es ihm egal. Er hatte A gesagt, nun musste er auch B sagen. Beherzt beugte er sich vor und führte den ersten Stoß aus. Schon in dem Moment, als die weiße Kugel auf die anderen traf, wusste er, dass er vielleicht ein wenig eingerostet war, aber nichts verlernt hatte.

Die Kugeln stoben auseinander, eine davon landete direkt in einer der Taschen am anderen Ende des Tisches.

„Wir haben die Vollen“, verkündete Rachel, die ihre Begeisterung nur halbherzig zu verbergen versuchte. Ein leichtes Lächeln umspielte Pauls Lippen.

Er richtete sich auf und verschaffte sich einen Überblick über die Lage der Kugeln. Einige lagen ziemlich ungünstig, eingezwängt zwischen anderen Kugeln oder so an der Bande platziert, dass ein Erfolg versprechender Stoß aussichtslos war. Nur drei Kugeln lagen so, dass sie mit einem Stoß versenkt werden konnten.

„Ähm, Paul. Ich will nicht drängen, aber das ist keine militärische Operation“, machte sich Hank nach einer Weile bemerkbar.

„Wieso diese Hektik, Hank? Hast du Angst, doch im falschen Team zu sein und zu verlieren?“, fragte Rachel lachend.

Paul ließ sich nicht ablenken, sondern visierte die erste Kugel an und führte den Stoß aus. Die Kugel rollte geradewegs auf das Loch zu und fiel hinein. Neben sich hörte er Rachel einen triumphierenden Laut ausstoßen.

Grinsend richtete Paul sich auf.

„Nur als Frage, Rachel – ist es wohl zu spät, die Partner noch mal zu tauschen?“, fragte Steve.

„Vergiss es, du Verräter. Mitgehangen, mitgefangen“, erwiderte Rachel gnadenlos.

„Hach, das Leben ist grausam.“ Steves theatralischem Ausspruch folgten ein paar Lacher, dann wandten alle ihre Aufmerksamkeit dem Spiel zu.

Paul ging um den Tisch herum. Die weiße Kugel lag leider nicht so, wie er es sich erhofft hatte, aber er würde das Beste daraus machen. Es würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als ein Foul zu spielen. Doch wenn es Hank und Steve daran hindern würde, zum Spiel zu kommen, würde es das wert sein.

Paul spielte die weiße Kugel. Sie berührte eine der gegnerischen Kugeln nur leicht und blieb dann genau zwischen der Kugel und der Ecktasche liegen.

Rachel atmete hörbar ein und ließ sich dann mit leicht spöttischem Ton vernehmen:

„Sieht aus, als hättest du schon ein Problem, Hank.“

Paul versuchte, verlegen auszusehen, doch in diesem Moment versagte er kläglich.

„Damit das mal klar ist, Paul. Morgen werde ich mich ganz offiziell bei General O'Neill über Sie beschweren.“ Hank seufzte auf, als er an den Tisch trat und zu retten versuchte, was noch zu retten war.

Auch wenn sich Hank und Steve als durchaus gute Billardspieler entpuppten, hatten Rachel und Paul den Tricks der beiden immer etwas entgegen zu setzen. Nach einer knappen halben Stunde lag von ihren Kugeln nur noch eine auf dem Tisch.

Paul war an der Reihe und versenkte sie souverän. Übrig blieb nun nur noch die schwarze Kugel.

„In welches Loch soll die Schwarze?“, fragte Rachel an Steve und Hank gewandt und die beiden deuteten gleichzeitig ohne zu zögern auf eine der Ecken. Es war ein schwieriger Stoß. Die schwarze Kugel war durch die beiden letzten Kugeln von Steve und Hank so blockiert, dass ein direktes Spiel nicht möglich war.

Paul betrachtete die Lage der Kugeln von allen Seiten. Was er vorhatte, war riskant. Er musste über die Bande spielen, um die Kugel zu versenken. Wenn es ihm gelingen sollte, dann würde er in den Augen aller an Ansehen gewinnen, misslang der Stoß, konnte es sein, dass er sich lächerlich machte. Doch daran wollte er im Moment nicht denken.

Er zielte genau. Neben ihm raunte jemand: „Das schafft er NIE!“ und Rachel brachte denjenigen mit einem empörten „PST!“ zum Schweigen.

In der darauffolgenden Stille führte Paul den Stoß aus. Die schwarze Kugel prallte von der Bande ab, wurde dabei deutlich langsamer und rollte dann geradewegs in die von Steve und Hank bestimmte Ecke.

Nachdem die Kugel gefallen war, blieb es einen Augenblick lang noch still, dann wurde anerkennendes Gemurmel laut.

Rachel stieß einen begeisterten Ruf aus, machte einen übermütigen Luftsprung und fiel dann dem völlig überraschten Paul um den Hals. Einen Augenblick später wurde ihr klar, dass sie gerade einen höherrangigen Offizier umarmt hatte und zog sich verlegen zurück.

„Tut mir leid, da ist wohl mein Temperament ein wenig mit mir durchgegangen“, entschuldigte sie sich.

„Schon gut“, erwiderte Paul, der selbst ein wenig verlegen war, und wandte sich dann lächelnd zu den anderen um.

„Starkes Spiel, Paul“, stellte Steve anerkennend fest und schüttelte Paul die Hand. Hank schloss sich den Glückwünschen an. Zwar fand er reichlich Ausreden, warum er und Steve verloren hatten und unterstellte Paul mehrmals im Spaß, er habe gemogelt, doch er meinte es weder ernst, noch wurden seine Worte in der gelösten Stimmung ernst genommen.

Lachend ließ Paul sich auf seinen Stuhl fallen.

„Hey, Paul. Wo haben Sie so gut Billard spielen gelernt?“, fragte Rachel, die neben Pauls Stuhl stand und legte ihm dabei freundschaftlich die Hand auf die Schulter.

„Es ist zwar schon Ewigkeiten her, aber ich war auch mal auf der Akademie“, antwortete er mit einem Augenzwinkern.

„Das ist bei Hank auch schon Ewigkeiten her, aber der hat seitdem offenbar alles verlernt“, flachste Steve und erntete dafür von Hank eine Kopfnuss und von allen anderen Gelächter.

Die Kellnerin brachte die nächste Runde Getränke und man stieß miteinander an. Den Rest des Abends saßen sie alle gemeinsam am Tisch und redeten, alberten herum und hatten Spaß. Paul fühlte sich nicht ein einziges Mal ausgeschlossen. Niemand schien zu bezweifeln, dass er mit dazu gehörte. Und dieses Gefühl genoss Paul in vollen Zügen.

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Als Paul die Türe zu seinem Apartment aufschloss, hatte er noch immer ein Lächeln auf dem Gesicht. Er hatte lange nicht mehr so viel Spaß gehabt wie an diesem Abend. Doch die Trostlosigkeit seines Apartments trat nun umso deutlicher hervor, da er nach einem solchen Abend hierher zurückkehrte.

Alles wirkte so trostlos und öde auf ihn, dass er am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht hätte.

Seufzend legte er seinen Schlüssel an der Garderobe ab und ging ins Wohnzimmer. Die Luft in seiner Wohnung roch abgestanden und schal. Paul rümpfte die Nase und öffnete eines der Fenster. Frische Nachtluft strömte ins Zimmer.

Einen Moment blieb er am offenen Fenster stehen und blickte hinaus. Die fernen Lichter der Stadt ließen den Himmel in einem leichten Rot schimmern und die Geräusche des nahe gelegenen Freeways drangen zu ihm herauf.

Er wollte sich schon wieder abwenden, als sein Blick auf den Baum auf der anderen Straßenseite, einen der wenigen Bäume dieser Gegend, fiel. Noch vor ein paar Tagen waren die Äste vollkommen kahl gewesen, doch jetzt erkannte Paul im matten Licht der Straßenlaternen, dass an den Zweigen die ersten Blätter sprießten. Der Frühling kam.

Lächelnd wandte Paul sich schließlich doch um und ging in die Küche. Während er sich etwas zu trinken aus dem Kühlschrank nahm, fiel sein Blick auf die heutige Ausgabe der Tageszeitung. Dabei kam ihm plötzlich ein Gedanke.

Er nahm die Zeitung und ließ sich damit und seinem Getränk auf einem der Barhocker am Tresen zwischen Wohnzimmer und Küche nieder.

Er schlug die Zeitung auf und blätterte gezielt bis zu einer Seite, die er vor sich auf der Theke ausbreitete. Mit der Hand tastete er ohne hinzusehen nach einem Stift, von dem er wusste, dass er irgendwo neben ihm liegen musste.

Als er den Stift gefunden hatte, machte er damit eine Markierung in die Zeitung, direkt neben der Anzeige deren Text lautete:

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