Gefangen by Astra
Summary: Was wirklich in Jack vorging, als er Ba’al erneut gegenüberstand.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Ba’al, Goa'uld, Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara
Genre: Angst, General, Hurt/Comfort, Missing Scene
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 4373 Read: 2407 Published: 12.01.12 Updated: 12.01.12

1. Kapitel 1 by Astra

Kapitel 1 by Astra
Author's Notes:

Anmerkungen: Jacks Reaktion auf das erneute Zusammentreffen mit Ba’al war nicht ganz das, was ich erwartet hatte. So habe ich meiner Phantasie freien Lauf gelassen und die fehlenden Szenen ergänzt. Vielen Dank an Blue, Sethos und Antares für ihre wertvollen Hinweise! Und an Manuela, der ich das Bild der zitternden Hände verdanke.
Anmerkung 2: Da mir Reynolds Satz in der deutschen Synchronisation irgendwie nicht passend erschien, habe ich ihn ein wenig an den englischen Originaltext angepasst.

Spoiler: „Am Abgrund“, „Stunde der Bewährung“
Gefangen


Brigadier General Jack O’Neill stand da und starrte ungläubig auf Sergeant Siler, welcher Dr. Lees „kleine“ Pflanze mit einem Feuerlöscher bearbeitete. Er bezweifelte ernsthaft, dass diese Woche noch schlimmer werden konnte.

Die vergangenen Tage waren der reinste Horror gewesen. Schon allein der angekündigte Besuch des Präsidenten in einigen Tagen hätte ausgereicht, um die ganze Basis in Ausnahmezustand zu versetzen – mit all den protokollarischen Dingen, die eingehalten werden mussten. Doch damit nicht genug, jetzt durfte er sich auch noch mit zwei uneinsichtigen Herren von Amra herumschlagen, die ihm den letzten Nerv raubten. Und mit einer schnell wachsenden Pflanze, die Dr. Bill „Seymour“ Lee wohl insgeheim bereits „Audrey“ getauft hatte.

Zu allem Überfluss hatte er vor einer halben Stunde auch noch erfahren, dass SG-1 vermisst wurde. Auf der ersten Mission ohne ihn. Er wusste nicht, ob er es hätte verhindern können, wenn er dabei gewesen wäre, aber wenigstens wäre er bei ihnen gewesen! Verdammt!

Vor zwei Tagen hatte er einen Brief an General Hammond begonnen. Er war sich nicht sicher, ob er ihn jemals abschicken würde, aber es tat gut, sich alles mal von der Seele zu reden. Es war sonst niemand da, mit dem er hätte reden können – oder reden wollen. Und sein Team war schließlich – ah, crap.

Er hörte Dr. Lees Ausflüchten nur noch mit halbem Ohr zu, während er in Gedanken verschiedene Szenarien wälzte. Doch alle liefen auf dasselbe hinaus: SG-1 war weg, spurlos verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Nada, zero, zilch.

Plötzlich ertönte die Sirene, welche die Rückkehr von SG-3, SG-10 und SG-12 ankündigte. Jack ließ Pflanze Pflanze sein und ging zum Torraum. Colonel Reynolds kam aus der Tür und erstattete sofort Bericht: „Wir haben überall gesucht. Keine Spur von ihnen, tut mir Leid, Sir.“

„Sie sollten SG-1 absichern!“ Jack versuchte, ruhig zu bleiben. Hier herumzuschreien würde es auch nicht besser machen.

„Ja, Sir. Colonel Carter wollte, dass wir das Tor bewachen.“

Jack wollte darauf etwas sagen, doch in diesem Moment schallte Walters Stimme durch den Lautsprecher: „Außerplanmäßiges, eingehendes Wurmloch!“

Seufzend machte sich Jack auf den Weg zur Rampe. Der Alarm fuhr fort, mit ohrenbetäubender Lautstärke seinem ohnehin schmerzenden Gehirn weiter zuzusetzen. Erst nach einer ganzen Weile, gerade, als er sich zu Walter umwendete und fragend zu ihm hochsah, tat sich etwas. Jacks Nackenhaare stellten sich auf, und als er sich umdrehte, wusste er bereits, wer da vor ihm stehen würde.

Er hatte sich geirrt. Die Woche konnte noch schlimmer werden.

Vor ihm, leicht schimmernd, war das Hologramm des Mannes zu sehen, den er am allerwenigsten jemals wiedersehen wollte.

Jacks Hände wurden kalt, und es kostete ihn große Mühe, nicht einfach davonzurennen. Doch das war keine Option, und so flüchtete er sich in die einzige Verteidigung, die er hatte: Sarkasmus.

„Entspannt euch, Leute“, rief er den Marines zu, die bereits ihre Waffen gezückt hatten, dann wandte er sich Ba’al zu: „Und was willst du von uns?“ Er hoffte, es hatte herablassend genug geklungen.

„Ich hab deine Freunde.“

„Und?“ Jack ruderte ungeduldig mit den Armen.

„Ich schlage einen Austausch vor.“

„Was willst du?“

„Nicht was, wen.“

„Wie auch immer…“

„Camulus!“

„Wen?“

„Ich überlasse dir die Toradresse. Du wirst ihn mir schicken. Oder du wirst deine Freunde nicht lebend wiedersehen.“

„Lass mich drüber nachdenken!“

„Ich gebe dir einen Tag!“

„Ah, ist das jetzt ein Erdtag oder…?“ Ehe Jack noch weitere Tage aufzählen konnte, verschwand das Hologramm genauso schnell wie es gekommen war.



*****



Jack saß im Umkleideraum auf einer Bank und versuchte sich zu sammeln. Er starrte auf seine Hände, welche leicht zitterten. Diese kleine Unterhaltung mit Ba’al eben hatte ihn viel Kraft gekostet. Das Hologramm war so lebensecht gewesen, dass er den irrsinnigen Wunsch verspürt hatte, sich darauf zu stürzen und seinem Hass freien Lauf zu lassen.

Er hatte gehofft, nie wieder in dieses Gesicht schauen zu müssen. Und nun, da er es getan hatte, waren all die Erinnerungen wieder hochgekommen, die er doch erfolgreich begraben dachte. Nicht nachgebend hatte er sich durch das Gespräch gekämpft, hatte versucht, Ba’al zu irritieren. Doch der Kerl war aalglatt. Kein Wunder bei dem Namen.

Niemand der Anwesenden schien jedoch etwas bemerkt zu haben. Jacks Stimme hatte nicht gezittert. Doch als Ba’al verschwunden war, hatte er sich sehr zusammenreißen müssen, um nicht auf schnellstem Wege aus dem Raum zu fliehen.

Und nun saß er hier und wusste nicht einmal mehr, wie er eigentlich her gekommen war. Automatisch hatte er hier Zuflucht gesucht, was eigentlich unlogisch war, wenn man bedachte, dass jederzeit jemand zur Tür hereinkommen konnte. Doch an allen anderen Orten würde er gesucht werden.

Als General hätte er es eigentlich nicht mehr nötig gehabt, doch er zog sich weiterhin hier um. Er brauchte das Gefühl, immer noch ein Teil des Teams zu sein. Auch wenn er sich selbst dabei etwas vormachte. In diesem Raum waren schon viele Gespräche geführt worden, spaßige und ernsthafte. Fast war Jack jetzt froh, dass sein Team im Moment nicht da war. Sie hätten gespürt, was mit ihm los war. Sie hätten zwar nichts gesagt, denn sie wussten, dass das kein Thema war, das er diskutierte. Nicht mit ihnen und nicht mit irgendjemandem. Schlimm genug, dass er hatte McKenzie ertragen müssen, um wieder diensttauglich geschrieben zu werden.

Sie würden also nicht fragen, doch er würde ihre Blicke auf sich spüren. Carter und Daniel würden erst ihm einen besorgten Blick zuwerfen und sich dann gegenseitig hilflos anschauen. Und selbst Teal’c, der ihn mit seiner Kriegerseele immer noch am besten verstand, trug manchmal einen nachdenklichen Zug um den Mund. Und Jack würde ihre Blicke geflissentlich ignorieren und stattdessen irgendein Thema anschlagen. Bis ihn schließlich jemand – meist war es Daniel – festnagelte und Jack entweder wütend wurde oder gar nichts mehr sagte.

Er wusste, sie meinten es nur gut; er wusste, sie wollten nur helfen. Doch er konnte einfach nicht über seinen Schatten springen. Konnte nicht und wollte es auch nicht. Die Erinnerungen waren einfach zu schmerzhaft, um sie wieder an die Oberfläche zu holen. Trotz allem rechnete er es ihnen hoch an, dass sie nicht aufgaben. Sie versuchten es immer wieder, ohne sich von seiner abweisenden Art abschrecken zu lassen.

Die einzige, bei der er sich hatte nicht verstellen müssen, war Fraiser gewesen. Auch mit ihr hatte er nie viel geredet, doch als sein Arzt wusste sie Dinge über ihn wie sonst nur Hammond noch. Und sie war immer im richtigen Moment zur Stelle gewesen, hatte eine kühle Hand und ein beruhigendes Wort für ihn gehabt, wenn er mal wieder den nächtlichen Frieden der Krankenstation mit seinen Alpträumen gestört hatte.

Dort fühlte er sich sicher, brauchte die Fassade des ewig coolen Colonels nicht aufrechterhalten. Stumm hatte er ihr gedankt, unfähig, es in Worte zu fassen. Sie hatte ihn auch so verstanden. Instinktiv hatte sie gewusst, wann es besser war, unnachgiebig zu bleiben und wann sie ihn in die Ruhe seines eigenen Hauses entlassen konnte. Hatte seiner eigenwilligen Selbstheilmethode vertraut.

Doch wenn sie es für nötig gehalten hatte, hatte sie ihm auch ernsthaft ins Gewissen geredet. Es gab nicht viele Menschen, von denen er sich so eine Standpauke angehört hätte, doch sie gehörte dazu. Außerdem vermisste er ihre kleinen Kabbeleien, sie hatte ihm seinen manchmal schnodderigen Ton nie übel genommen, sondern im Gegenteil mit Humor zurückgeschossen. Er bezweifelte, dass er mit der neuen Doktorin jemals ein solch ein gutes gegenseitiges Verständnis erreichen könnte.

Jack seufzte, dann stand er langsam auf. Schließlich konnte er sich nicht ewig hier verstecken. Die Arbeit rief, und SG-1 war immer noch verschwunden.



*****



Jack stand flach an die Wand gepresst, sein Atem ging stoßweise. Er war auf dem Weg zu Camulus gewesen, doch ihm war noch etwas eingefallen und so war er noch einmal zu seinem Büro zurückgekehrt. Gerade rechtzeitig, um Colonel Reynolds zu Gilmor sagen zu hören: „…er wurde gefoltert, getötet und durch den Sarkophag wieder zum Leben erweckt, öfter als Sie es sich überhaupt vorstellen können. SG-1 hat damals nicht nachgegeben und General O’Neill wird es jetzt auch nicht tun. Niemand auf diesem Stützpunkt würde das tun!“

Dann hatten die beiden sein Büro verlassen, glücklicherweise in die andere Richtung. Er hatte sich in eine Ecke gedrückt wie ein Einbrecher. Vielen Dank, Reynolds, für die Erinnerung! Ich hätte es fast vergessen gehabt!

Es dauerte eine Weile, bis sich sein Atem so weit beruhigt hatte, dass er den Weg zu Camulus fortsetzen konnte. Reynolds hatte nach Militärart nur die Fakten wiedergegeben, ohne jegliche Ausschmückung, doch in Jacks Hirn war dabei alles in Technicolor wiederauferstanden. Würde das denn nie vorbei sein?

Fast zwei Jahre war es nun her, und er hatte eigentlich gedacht, es hinter sich gelassen zu haben. Doch Ba’als Auftauchen hatte alles wieder ans Licht gebracht. Und vielleicht gerade in diesem Moment waren es Carter, Daniel oder Teal’c, die dasselbe erleiden mussten. Gefangen von Ba’al, gefoltert, getötet, wieder zum Leben erweckt. Immer und immer wieder. Und er saß hier hilflos herum und konnte nichts tun.

Jack schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben, und öffnete dann die Tür zu Camulus’ Zelle. Er würde alles tun, was nötig war, um sein Team wieder wohlbehalten durchs Tor spazieren zu sehen!



*****



Der Raum war dunkel, nur durch die geöffnete Tür fiel ein wenig Licht. Mark Gilmor rüttelte zögerlich an der reglosen Gestalt, welche ihm den Rücken zukehrte. Endlich kam Leben in den General.

„Was? Oh Gott“, schreckte O’Neill hoch und fuhr sich mit der Hand über die schlaftrunkenen Augen.

„Tut mir Leid, Sie zu wecken, Sir.“

Jack versuchte, in dem Dämmerlicht die Anzeige seiner Uhr zu erkennen. „Kommt mir vor, als war ich nur zehn Minuten weg…“

„Naja, waren Sie auch. Wir haben ein eingehendes Wurmloch. Ba’al will mit Ihnen reden.“

Jack seufzte. Gab der Kerl denn nie Ruhe?

Gilmor blieb an seiner Seite. Der Weg zum Torraum wirkte unwirklich in dem grünen Licht. Dr. Lees Pflanze hatte die Stromversorgung lahmgelegt. Doch Ba’al schien das in keiner Weise zu beeindrucken. Ein wenig ungeduldig sah er aus, wie er da so stand.

„Ba’al, tut mir leid, dass du warten musstest, ich musste mal schlafen…“

„Die Frist ist verstrichen!“

„Naja, was soll ich sagen, wir haben ein paar technische Probleme.“

„Zählt denn für dich das Leben deiner Freunde nichts?“ Der Goa’uld schien wirklich verwundert zu sein. Diese Reaktion hatte er offensichtlich nicht erwartet.

„Hey, ich spiel hier nicht auf Zeit! Ich hätt’ mich schon gemeldet, aber wir können leider nicht rauswählen!“

„Wieso nicht?“

„Ah… Tja, das weiß ich nicht so genau. Ist allerdings schon Ironie. Carter hätte das längst repariert und zwar so!“ Jack schnipste einmal mit dem Finger, dann drehte er sich um und rief zum Kontrollraum hoch: „Nichts für ungut, Siler!“

„Ist schon in Ordnung, Sir“, kam die Antwort durch den Lautsprecher.

„Also, schick sie doch einfach durch und schneller, als du denkst, hast du den alten Kameltreiber wieder in deinen schmutzigen Pfoten!“

„Du wagst es, mich zu verhöhnen?“ Ba’al schien jetzt ernsthaft in Rage zu sein. Endlich hatte es Jack geschafft, das selbstgefällige Lächeln aus dessen Gesicht zu wischen.

„Ba’al, komm schon, du weißt doch, das ist meine Lieblingsbeschäftigung!“, setzte er noch einen drauf.

„Ich geb’ dir noch einen weiteren Tag!“ Mit diesen Worten verschwand Ba’al, und Gilmor fragte: „Ist das wirklich so klug, ihn zu provozieren?“

Jack sah ihn eine Weile an. „Das mach’ ich immer so“, sagte er schließlich. Dann ging er müde davon.



*****



Müde und ausgelaugt kehrte Jack in sein Quartier zurück. Er bezweifelte, dass er nach diesem erneuten Zusammentreffen Schlaf finden würde, doch er war nicht in der Lage, irgendetwas anderes zu tun, um sich abzulenken. Seit zwei Tagen hatte er nun nicht geschlafen, und wenn Doc Fraiser noch hier gewesen wäre, hätte sie ihn vermutlich schon längst an eines ihrer Betten gekettet. Sie hätte sich von General O’Neill genauso wenig wie von Colonel O’Neill einschüchtern lassen. Doch Dr. Brightman schien noch nicht so recht zu wissen, wie sie mit ihm umgehen sollte, mehr als ein paar sachliche Worte hatte er bisher noch nicht mit ihr gewechselt.

Jack legte sich angezogen wie er war aufs Bett und starrte in die Dunkelheit. Er fürchtete sich, die Augen zu schließen, er fürchtete sich vor dem, was ihn da erwarten würde. Er hätte in die Krankenstation gehen und nach einem Schlafmittel fragen können, doch das hätte nur weitere Fragen nach sich gezogen.

So versuchte er, durch reine Willenskraft Ruhe zu finden. Schließlich konnte er es nicht länger hinauszögern und seine Lider fielen erschöpft zu.



*****



Jack träumte. Nur wusste er nicht, dass er träumte, denn es fühlte sich so real an. Er hatte zwar dunkle Erinnerungen daran, dass Daniel ihm einen Ausweg gezeigt hatte, dass er hatte fliehen können. Doch das war nicht wahr, konnte nicht wahr sein, denn er war ja schließlich immer noch hier, nicht? Offensichtlich hatte sein Gehirn ihm einen Streich gespielt. Wer wusste schon, was diese Sarkophage für Nebenwirkungen hatten.

Jack war wieder in der Zelle, deren Boden zur Wand werden konnte und umgekehrt. Er war wieder hier, und er wusste nicht, was schlimmer war: Die Folterkammer und Ba’als Präsenz und alles, was er ihm dort antat, oder hier in der Zelle aufzuwachen und auf die nächste Runde zu warten. Und man ließ ihn warten, oh ja. Ließ ihm Zeit, die Gedanken in seinem Kopf um und um zu wälzen. Er hatte zu Daniel gesagt, dass er nicht länger in der Lage war, Widerstand zu leisten. Und er hatte es verdammt ernst gemeint. Ein weiteres Mal würde er das nicht ertragen können.

Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er nun schon gestorben war. Es spielte keine Rolle mehr. Mit jedem Tod starb ein Stück von ihm selbst. Daniel versuchte ihm zu helfen, doch er wollte oder konnte nicht auf die Weise helfen, die Jack von ihm verlangte, und so drehten sie sich auch da im Kreis. Ein endloser Kreis von Folter, Sterben, Aufwachen, und wieder Folter. Endlos. Und Jack wusste, dass endlos in diesem Falle wirklich endlos bedeutete.

Es waren nicht die Schmerzen, die ihm zermürbten. Davon hatte er genug gehabt in seinem Leben, damit konnte er umgehen. Bis zu einem gewissen Grad. Doch in all den verkorksten Situationen, in denen er bisher gewesen war (und Irak war die Schlimmste davon) hatte er eines mit Sicherheit gewusst: Seine Feinde versuchten ihn zu brechen mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen. Doch solange sie noch etwas von ihm wollten, Informationen und anderes, solange würden sie nichts Permanentes tun.

Er war einige Male sogar so weit gewesen, den Tod herbeizusehnen, doch sie ließen es nicht zu. Trotzdem war es immer noch seine Entscheidung gewesen, wenn er wirklich gewollt hätte, hätte er einen Weg finden können. Sein irischer Dickkopf hatte es letztendlich immer wieder verhindert, doch es wäre seine Entscheidung gewesen. Und genau diese Entscheidung hatte Ba’al ihm genommen. Es war diesem gleich, ob er lebte oder starb, ein kurzer Aufenthalt im Sarkophag und voilà, bereit zur nächsten Runde.

Und das war eine Erfahrung, die Jack wirklich niemandem wünschte: Zu sehen, wie ein Messer auf einen zugeflogen kam, dessen Weg mit den Augen zu verfolgen und den Treffer mitten ins Herz zu fühlen. Und als letzte Erinnerung Ba’als maliziöses Lächeln mitzunehmen.

Und zu wissen, in ein paar Stunden ging alles wieder von vorn los. Jack fühlte sich wie damals in der Zeitschleife, allerdings hatte er während dieser definitiv mehr Spaß gehabt. Und er hatte keine Kraft mehr. Es konnte Wochen, ja Monate dauern, bis sein Team ihn hier fand. Wenn überhaupt. Niemand wusste, wo er war, er wusste es ja nicht einmal selbst. Diese Schlange hatte ihn hierher verschleppt. Kanan hätte wissen müssen, dass es eine Selbstmordmission war und trotzdem hatte er es getan. Und Jack mit hineingezogen.

Jack lag immer noch auf dem Boden, so wie man ihn hingeworfen hatte. Da hörte er das Geräusch der sich öffnenden Tür. Er erhob sich widerwillig und lehnte sich an die Wand. Seit seinem schmerzhaften Aufprall beim ersten Mal hatte er gelernt, mit der eigenwilligen Technik umzugehen. Doch auch diese trug dazu bei, dass er sich zunehmend orientierungslos fühlte. Es war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen; oben und unten, links und rechts spielten keine Rolle mehr.

Er schüttelte den Kopf, um ihn klar zu kriegen, da wurde er auch schon gepackt von diesen beiden Möchtegern-Bodybuildern. Sie waren einen ganzen Kopf größer als er. Jack war wirklich nicht klein, er war es gewohnt, andere Leute zu überragen. Im Umgang mit Kinsey und Maybourne hatte er diesen von-oben-herab-Blick perfektioniert. Doch hier, in diesem eisernen Griff, fühlte er sich klein und hilflos. Er wusste, Widerstand war zwecklos, wenn er sich weigerte, würden sie ihn einfach durch die Gänge schleifen, also versuchte er mit ihnen Schritt zu halten.

Schnell brachten sie den Weg hinter sich, viel zu schnell, und schon klebte Jack wieder in einer unbequemen Position an dieser verdammten magnetischen Wand. Wenn Carter hier gewesen wäre, hätte sie ihm wohl jetzt erklärt, dass die Wand gar nicht magnetisch war, sondern dass es eine Frage der Gravitation war, aber das war ihm im Moment egal. Magnetisch traf es für ihn ziemlich genau.

Er schaffte es mit einiger Mühe, sich herumzudrehen, um Ba’al ins Gesicht zu sehen. Und wenn es das Letzte war, was er tat. Er würde ihm ins Gesicht sehen, das war er sich selbst schuldig. Bis ans Ende seiner Tage. Doch irgendwie bezweifelte Jack, dass das so schnell kommen würde.

Doch erstaunlicherweise sah Ba’al nicht ihn an, sondern blickte zur Tür, als würde er noch jemanden erwarten. Jack folgte automatisch seinem Blick. Als sich die Tür öffnete, stöhnte er innerlich auf. Eine Frau wurde hereingebracht. Die Frau, von der Jack mittlerweile wusste, dass sie Ba’als Sklavin und gleichzeitig Kanans Geliebte gewesen war. Das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut. Sie sah sich erschreckt um, ihre großen Augen streiften für einen Moment seinen Blick, bevor sie zu Ba’al irrten.

Der lächelte (tat der Mann eigentlich mal was anderes als lächeln?) und gab seinen Dienern einen Wink. Im nächsten Moment hing Shalan an einer ähnlichen Wand wie Jack, ihm genau gegenüber. Jacks ungutes Gefühl in der Magengrube verstärkte sich. Er holte einmal tief Luft, sagte aber nichts. Abwartend sah er Ba’al an.

Ba’al kostete den Moment noch ein wenig länger aus, bis er schließlich sagte: „Da du dich bisher nicht sehr kooperativ gezeigt hast, werde ich einmal eine neue Taktik ausprobieren!“

Hilflos musste Jack mit ansehen, wie er dann die Fläschchen mit der Säure herausholte. Ba’al griff sich eine und zielte damit auf Shalan. Der Tropfen traf sie direkt auf der Brust, und ihr Schrei hallte noch lange in Jacks Ohren nach. Er schloss für einen Moment die Augen. Hatte es sich so angehört, als er selbst dieses brennende Gefühl erlebt hatte? Er öffnete die Augen wieder, als Ba’al sich ihm zuwandte: „Ich weiß Bescheid. Ich weiß, warum Kanan zurückgekehrt ist. Und sie wird jetzt dafür büßen.“

Mit einem widerlichen Lachen fuhr er fort, Löcher in Shalans Haut zu brennen. Irgendwann wimmerte sie nur noch, und Jacks Gedanken rasten. Wie hatte Ba’al das erfahren? Er hatte doch schließlich kein Wort darüber verloren. Plötzlich wurde es Jack eiskalt: Daniel. Er hatte es Daniel gesagt in einer schwachen Minute.

Ba’al, der Hurensohn, musste versteckte Mikrofone in der Zelle haben. Jack fluchte lautlos über seine Unachtsamkeit, doch nun war es zu spät. Er hatte einen Fehler begangen und jemand anders musste dafür leiden. Jack war auf den ältesten Trick der Menschheit hereingefallen und er hasste sich dafür. All die Folterrunden hatte er überstanden, kein Wort war über seine Lippen gekommen, und dann stand Daniel vor ihm und sah ihn fragend mit großen blauen Augen an und Jack plapperte wie ein Wasserfall. Toll gemacht. Sein Instinkt, allem und jedem zu misstrauen, hatte versagt.

Er konnte jetzt nicht einmal mehr sicher sein, ob nicht sogar die ganze Daniel-Sache nur ein Hirngespinst gewesen war, veranstaltet von Ba’al, um aus ihm herauszulocken, was er niemals hatte preisgeben wollen. Doch es hatte sich so echt angefühlt. Jack hatte wirklich geglaubt, sein alter Freund wäre zurückgekehrt, um ihm beizustehen. All die Gespräche mit Daniel, konnte ein Außenstehender das wirklich vortäuschen? Er wusste nicht mehr, was er glauben sollte.

Die Wand, die ihn festhielt, drehte sich plötzlich, und er stürzte in die schwarze Tiefe, fiel und fiel…

…und wachte schließlich mit einem Schrei auf.

Er saß senkrecht im Bett, heftig atmend starrte er in die Dunkelheit, ohne etwas zu sehen. Für einen kurzen Augenblick glaubte er, blind zu sein. Warum war es so dunkel? Im Sarkophag war es immer gleißend hell gewesen. Sein Herz hämmerte in der Brust, kalter Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper.

Es dauerte eine Weile, bis er wusste, wo er war. Das rote Licht an der Wand, das den Standort des Alarmknopfes anzeigte, sagte es ihm. Er zwang sich zu tiefen, langsamen Atemzügen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war froh, dass die Wände hier unten aus dickem Beton bestanden, so hatte er offensichtlich niemanden aufgeschreckt. Er wollte jetzt niemanden sehen.

Er ging in den Waschraum und klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Dann starrte er in den Spiegel. Ein müdes Gesicht schaute ihm entgegen, dunkle Ringe unter den Augen. Die letzten Stunden hatten seine Falten noch tiefer eingegraben. Jack wandte den Blick ab. Er konnte es nicht ertragen.

Wann würde das je vorbei sein? Wann?



*****



Es war vorbei. SG-1 war wohlbehalten zurück. Jack war gerade auf dem Weg nach Hause gewesen, als der Alarm ertönte. Dr. Brightman hatte ihm schließlich doch eine Zwangspause verordnet. Selbst beim Umziehen hatten ihn die Namen seiner Freunde verfolgt, ihre Schilder an den Spinden im Umkleideraum. Er wusste zwar nicht, wie Dr. Brightman glauben konnte, dass er zu Hause mehr Ruhe finden würde als hier, doch er hatte sich gefügt.

In Momenten wie diesen vermisste er Fraiser besonders schmerzlich. Ihre Anteilnahme, ihre Freundschaft. Sie war die Seele des SGC gewesen, und nun, da sie weg war, schien ihm dieser Platz kalt und leer. Auf eine merkwürdige Art fühlte er sich ihr jetzt sogar noch verbundener als vorher. Erst jetzt konnte er so richtig verstehen, wie es für sie all die Jahre gewesen sein musste. Immer darauf zu warten und zu hoffen, dass sie heil nach Hause kamen, immer aufs Schlimmste gefasst zu sein und es doch nicht verhindern zu können, und immer wieder das Unmögliche wahr zu machen, wenn es bereits aussichtslos schien.

Gerade als er den Berg verlassen wollte, war der Alarm gekommen. Hoffnungsvoll war er zum Kontrollraum gerannt und hatte dann entscheiden müssen zwischen der Sorge um SG-1 und der Sorge um das Wohlergehen der ganzen Erde. Keine leichte Wahl, doch schließlich hatte er den Befehl zum Öffnen der Iris gegeben.

Und dann hatten sie vor ihm gestanden, unversehrt. Hatten einfach nur nicht den Ausgang gefunden gehabt. Und nicht einmal jetzt konnte Jack über seinen Schatten springen. Er war genauso wenig in der Lage, seine Freude über ihre gesunde Wiederkehr zu zeigen wie er sich vorher geweigert hatte, seine Besorgnis sichtbar werden zu lassen. Stattdessen hatte er ohne Umschweife nach dem Erfolg der Mission gefragt. Und war enttäuscht gewesen, als er die Antwort hörte.

Ein weiterer Gedanke schlich sich in sein Hirn: Gewöhn dich dran, Jack. So würde es von nun an sein. Sie gingen hinaus, um Spaß zu haben, und er würde ihnen nur hinterher sehen. Bereits die letzten zwei Jahre hatte Fraiser ihm angedroht, dass sie ihn früher oder später wegen seiner Knie aus dem Verkehr ziehen würde müssen.

Jedes Jahr hatte Jack ihr hoch und heilig versprochen, dass er regelmäßig seine Übungen machen und auf sich aufpassen würde. Er selbst war schließlich der Letzte, der sein Team unnötig in Gefahr bringen wollte, nur weil er zu langsam geworden war.

Aus diesem Grund hatte er schließlich den Posten als Leiter des SGC angenommen. Auf diese Weise war er noch ein Teil des Ganzen, konnte noch in ihrer Nähe sein. Auch wenn es nicht mehr dasselbe war. Statt mit einer P-90 kämpfte er nun mit einem Federhalter. Sein Feind waren ständig nachwachsende Aktenberge und Typen im Kongress, die ihnen den Geldhahn abdrehen wollten.

Und trotzdem hatte Carter Recht gehabt mit ihrem „Wenn Sie es nicht machen, könnten wir jemand viel Schlimmeres bekommen“. Besser, er gewöhnte sich dran. Man hatte an dem Platz zu dienen, an den einen sein Land stellte, und wenn es ein Schreibtisch war, so sei es.

Jack verließ sein Büro, gekleidet in die blaue Class-A-Uniform, um den Präsidenten zu begrüßen.

Auf dem Tisch blieb der Brief an George Hammond liegen.

Die letzten Worte lauteten: „Vergessen Sie’s“.

E N D E


End Notes:
(diese FF hat im Januar-06-Voting den 4. Platz belegt bei 26 Storys)
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