Wollte noch Abschied nehmen by Lenari
Summary: Ich sag nur eines: Jack gibt sich mal wieder die Schuld.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara, Own Character, Samantha Carter (SG-1)
Genre: Friendship, Hurt/Comfort
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 8306 Read: 2233 Published: 02.01.12 Updated: 02.01.12

1. Kapitel 1 by Lenari

Kapitel 1 by Lenari
Author's Notes:
Anmerkung: Ich liebe es einfach, wenn Jack traurig ist und von Sam getröstet wird. Deswegen geht es wahrscheinlich in all meinen Geschichten um einen Toten oder zumindest tot scheinenden Charakter.
Spoiler: nach Daniels Tod
Wollte noch Abschied nehmen


Es war ein Tag wie jeder andere, doch diesmal bestand das Team nur noch aus drei Mitgliedern, Teal’c, Daniel Jackson und Samantha Carter. Colonel Jack O’Neill hatte am selben Morgen seinen Rücktritt gegenüber dem General bekannt gegeben und war dann verschwunden. Aus welchen Gründen er das Programm verließ, wusste jedoch keiner. Als das restliche Team diese Neuigkeit erfuhr, war es geschockt, obwohl sich Jack schon die ganze Zeit so merkwürdig verhalten hatte. Samantha hatte zufällig gesehen, wie er telefoniert hatte und als er auflegte, war er irgendwie abwesend gewesen. Es musste also etwas passiert sein und jetzt, zwei Tage später, stieg er aus. So schnell sie konnte, befreite sie sich von der Besprechung und suchte Jack in seinem Quartier auf, welches jedoch schon leer stand. Er musste also gestern schon gepackt haben. Sie versuchte es danach auf dem Packplatz, sie hoffte, ihn dort noch zu erwischen. Als sie nach draußen trat, sah sie ihn. Er stand an einem Kleinwagen und umarmte tatsächlich seine Ex-Frau Sarah. Sam verstand gar nichts mehr. Sie hatte geglaubt, zwischen ihnen sei es vorbei, doch nun hielt er sie fest in den Armen, so wie sie es sich immer gewünscht hatte. Hatte er vielleicht ihretwegen den Rücktritt eingereicht? Wollte sie nicht, dass er länger Soldat war? Hatte sie etwa Angst, ihn auch noch durch eine Waffe zu verlieren, so wie ihren gemeinsamen Sohn? Sam wusste, dass Jack nie aufgehört hatte, sie zu lieben, schließlich war sie die Mutter seines Kindes, aber dass sie es noch einmal versuchen würden, daran hatte Samantha nie gedacht. Es versetzte ihr einen Dolchstoss tief ins Herz. Sie wusste, dass sie ihn nicht haben konnte, doch wollte sie auch nicht, dass Sarah ihn bekam. Nicht noch einmal. Selbstsüchtig, das wusste sie, aber daran ändern konnte sie dennoch nichts. Jack gab Sarah einen Kuss auf die Wange. Es war kein Kuss auf den Mund, aber ein Kuss war ein Kuss. Sie zeigte ihm einen schwarzen Smoking und er nickte zustimmend, dann stiegen sie ein und fuhren davon. Sam blieb verlassen und alleine stehen und sah ihrem Liebsten nach. Wie konnte er sie alleine lassen, er musste sie doch gesehen haben. Das würde sie nicht auf sich sitzen lassen, auch wenn sie auf eigene Faust herausfinden musste, worum es bei seinem Rücktritt ging. Auch wenn es ihr das herz brechen würde.

 

Jack saß neben seiner Ex-Frau im Wagen und sah sich nach Sam Carter um. Sie stand da, so einsam. Sie bot das Bild, das sich auch tief in seinem Herzen befand. Er hätte sie nicht so da stehen lassen sollen, doch die Wunde war noch zu frisch, er musste sie erst verheilen lassen. Doch das würde dauern, Monate, Jahre, vielleicht sogar ein ganzes Leben, denn schon zu viele offene Wunden trug er mit sich herum, als das jemals eine von ihnen verheilen würde. Er war nicht der Typ Mensch, der einfach akzeptierte, was mit ihm und den anderen geschah. Er konnte sich selbst nicht verzeihen, vergessen ja, für einige Zeit, das hatte er gelernt, doch verzeihen, niemals. Das war immer das Problem gewesen. Deswegen hatte er es mit seiner Frau nicht ein zweites Mal geklappt, deswegen hatte er nie aufgehört, seinen Vater zu hassen, deswegen hatte er Charlies Tod nie überwunden und aus diesem Grund hatte er sich mit Ben, seinem kleinen Bruder, gestritten. Jetzt war er tot, beim Dienst erschossen und er hatte sich nicht mit ihm ausgesprochen, hatte nicht auf Wiedersehen sagen können, nicht wie bei seinem Vater, nicht wie bei seiner Mutter. Auch diesmal gab er sich die Schuld, denn er hatte nicht genug getan, um seinem Bruder auszureden, Polizist zu werden. Er hätte alles werden können, er war so klug gewesen. Er hätte sich sogar mit Sam messen können, doch er verschwendete sein Können, um eine Welt zu schützen, die nicht gerettet werden wollte. Jack hatte es auch versucht, war extra deswegen zum Militär gegangen, doch es brachte nichts, es machte alles nur noch schlimmer. Er hatte bei Bens Hochzeit nicht dabei sein können und er hatte seine Flitterwochen mittendrin abbrechen müssen, weil wieder einmal ein Spezialauftrag auf ihn gewartet hatte. Und nach Charlies Tod war er zu einem Selbstmordkandidaten geworden, war sogar bereit gewesen, sich Selbst zu töten. Jetzt war das zwar nicht mehr der Fall, doch dafür schienen alle um ihn herum zu sterben, alle bis auf sein Team. Er würde jeden von ihnen vermissen. Daniel, welcher ihn immer zur Weißglut brachte, Teal’c, der viel zu sehr nach ihm zu schlagen schien und Samantha mit ihrem typischen Lächeln, die immer einen Ausweg parat hatte. Oh Gott, sie würde er am Meisten vermissen, denn er liebte sie. Im Grunde konnte er jetzt mit ihr zusammen sein, doch es machte ihm Angst, nur daran zu denken, sie noch näher an sich heran zu lassen. Die Angst, ihr könnte etwas zustoßen war einfach zu groß. Als Soldat hatte er sich hinter seinen Regel verstecken können, doch jetzt, wie sollte er ihr jetzt wohl gegenübertreten. Er hoffte, es nicht tun zu müssen, aber er kannte seine Sam, sie würde ihn nie ohne Erklärung gehen lassen.

„Meinst du, es war richtig, sie da stehen zu lassen? Sie könnte sonst etwas denken.“, fragte Sarah plötzlich und riss Jack so aus den Gedanken.

„Nein, aber es ist besser für alle Beteiligten.“, antwortete er abwesend. „Ich bin übrigens froh, dass du da bist. Ben hatte dich immer sehr gern.“

„Ja, ich weiß. Ich bin auch froh.“ Dann schwiegen sie wieder. Die Stille zwischen ihnen tat seinem Herzen gut. Er war mit sich alleine und war doch nicht einsam. Trotz allem wünschte er wünschte nur, sie wäre Samantha und nicht Sarah.

 

Fünf Stunden später

 

Es regnete. Große, schwere Tropfen prasselten auf die Regenschirme und die Kleidung der Trauergäste. Der Priester war gerade mit seiner Rede fertig, als Jack das Wort ergriff, um seinem kleinen Bruder die letzte Ehre zu erteilen. Er trug den schwarzen Anzug, sogar eine Krawatte, wenn sie auch nicht gebunden war und einen langen Mantel, der ihn wenigstens etwas vor dem Regen schützte, denn von einem Regenschirm hatte er noch nie viel gehalten. Regen. Typisch für ihn. Daraus bestand der Grossteil seines Lebens. Aus Regen.

„Ich erfuhr erst vorgestern, dass er bei der Ausübung seiner Pflicht das Leben verlor. Ganze fünf Monate hatte ich nicht mit ihm geredet und wir gingen im Streit auseinander. Ich hatte mich nicht mal von ihm verabschiedet. Ben war klug, viel klüger als ich. Er hätte alles werden können, doch er machte den gleichen Fehler wie jeder Mann aus unserer Familie, er stellte die Liebe zu diesem Land über alles. Er hätte es zu etwas bringen können, auch wenn ich ihm das nicht gegönnt hätte, aber er wollte nicht. Ich spreche wohl für jeden, wenn ich sage, dass er vermisst und geliebt wird. Komisch, ich dachte immer, Ben würde hier an meinem Grab stehen und zu meiner Familie, meiner Frau und meinen Kindern sprechen. Ich hätte nie gedacht, dass es ausgerechnet so kommen würde. Ich hoffe, dass er mir vergeben wird für das, was ich sagte und auch meinem Vater mit dem er eine Menge Zeit verbringen wird. Sie sind jetzt alle wieder zusammen, eine Familie. Er würde nicht wollen, dass wir weinen, denn davon hat er noch nie viel gehalten, obwohl er es immer tat.“ Jack brach ab, denn die Tränen schnürten ihm die Kehle zu. Nie hatte er vor anderen geweint, nicht einmal als sein eigener Sohn beerdigt wurde. Etwas in ihm hatte sich geändert und das Stargate und Samantha hatten etwas damit zu tun. Seine Tränen vermischten sich mit dem Regen. Sarah nahm ihn schützend in den Arm, wiegte ihn hin und her, bis er sich etwas beruhigt hatte. Unter Tränen fuhr er fort: „Ben, ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen, ich wollte doch noch Abschied nehmen.“

Danach versagte seine Stimme vollends. Alle Wunden in seinem Herzen rissen wieder auf, alle Gefühle, die er so sehr unterdrückt hatte, stiegen aus dem tiefsten Inneren herauf und brachen den letzten Widerstand. Er sackte in sich zusammen, konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und vergrub sein Gesicht in Sarahs Bauch. Er wollte das alles vergessen, so tun, als wäre es nicht geschehen. Nur für einen Moment wollte er sich in die Zeit vor Charlies und Bens Tod flüchten, nur um dann zu erkennen, dass es kein Zurück mehr gab. Auch Sarah weinte, das spürte er an ihrem Schluchzen. Jack wollte nicht, dass auch sie traurig war, wollte sich zusammennehmen, für die anderen stark sein, doch es gelang ihm einfach nicht, noch nicht. Er drohte wieder ein Selbstmordkandidat zu werden, doch er war nicht mehr beim Militär, konnte nicht mehr durch das Stargate auf fremde Planeten reisen und sich unnötig in Gefahr bringen. Oh Gott, wie er das vermisste. Er war süchtig danach, ein Junkie. Er war erst fünf Stunden fort und schon traten die ersten Entzugserscheinungen ein. Die Tatsache, dass er Samantha, Teal’c und sogar Daniel vermisste, machte es noch unerträglicher. Doch er würde stark sein, würde diese Prüfung bestehen, alles Leid über sich ergehen lassen und vielleicht sogar lernen damit zu leben.

 

Zwei Wochen später

 

„General, kann ich mit ihnen sprechen?“, fragte Samantha Carter vorsichtig, nachdem sie das Büro ihres Vorgesetzten betreten hatte.

„Worum geht es, Major?“, hakte dieser freundlich aber bestimmt nach.

„Um Colonel O’Neill, Sir. Hat er ihnen seine Beweggründe mitgeteilt?“

„Major Carter, ich verstehe ja, dass sie ihn vermissen, aber aus welchen Gründen er zurücktritt, geht selbst mich nichts an. Sie müssen ihn schon selbst fragen.“, gab er ihr zu verstehen, ihr etwas Urlaub zu gönnen.

„Dann erbitte ich zwei Wochen Urlaub, Sir.“, entgegnete sie ruhig.

„Die sind ihnen gewährt, aber sobald Colonel Kelly Taylor eintrifft, erwarte ich sie zurück, um ihre neue Vorgesetzte wenigstens mit gebührendem Respekt zu empfangen.“

„Ja, Sir.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging. Sie fuhr sofort zu Jacks Haus, doch er war nicht da. An der Tür klebte von innen ein Zettel, auf dem stand: Bin unter dieser Adresse nicht mehr anzutreffen. Suchen sie mich bitte bei den O’Neills in Minnesota auf. Danke! Jack O’Neill. Also machte sie sich auf den Weg nach Minnesota, wo sie mehrere Adressen von O’Neills ausfindig machte. Nach und nach klapperte sie alle ab, bis sie zur Adresse eines gewissen Benjamin O’Neill kam. Es war ein kleines, abgelegenes Häuschen, mit Garten und einem kleinen See einige hundert Meter entfernt. Da sah sie ihn wieder, ihre große Liebe. Jack O’Neill bastelte gerade an einem alten Jeep umher, als sie dort eintraf. Sarah war nicht zu sehen, aber ein kleines Mädchen lief immer um ihn herum und schien ihn mit Fragen zu Löchern. Sie sah ihm nicht sehr ähnlich, vielleicht war sie seine Nichte, aber so wie er sie behandelte, musste er sie sehr gern haben. Er hob sie auf den Arm, nachdem er sich seine ölverschmierten Finger abgewischt hatte und trug sie ins Haus. Immer wieder drückte Jack sie fest an sich und knuddelte mit ihr. Er war wirklich ein guter Vater, stellte Samantha fest. Früher war ihr Vater auch so zu ihr gewesen, doch nach dem Tod ihrer Mutter hatte das aufgehört. Es lag vielleicht daran, dass sie ihrer Mutter so ähnlich sah, vielleicht aber auch daran, dass sie stark sein wollte und sich deswegen von ihm distanzierte. Was es auch war, sie vermisste diese Zeiten manchmal sehr, doch seit ihr Vater ein Tok’ra war, hatte sich ihre Beziehung zueinander sehr gebessert. Sie waren wieder eine Familie und das hätte ihre Mutter sicher sehr glücklich gemacht. Tränen standen ihr beim Gedanken daran in den Augen, die sie sich nun wegwischte. Sie beschloss auszusteigen und ihm einen Besuch abzustatten. Sie musste einfach wissen, was los war, das ließ ihr keine Ruhe. Samantha schloss den Wagen ab und ging die paar Meter zum Haus. Jack unterhielt sich angeregt mit einem etwa 16-jährigen Jungen, welcher dann wütend verschwand, indem er sich auf ein Motorrad schwang und davonfuhr. Dann erblickte Jack sie, drehte sie um und ging. Sie lief ihm nach und hielt ihm am Arm fest, bis er sich zu ihr umdrehte.

 

„Geh ins Haus! Deine Mutter hat das Essen nicht um sonst gekocht.“, wies Jack seinen Neffen David in einem typisch militärischen Ton an.

„Nein, ich will jetzt zu meinen Freunden. Außerdem habe ich keinen Hunger.“, wehrte dieser wütend ab.

„Du tust, was ich dir sage.“ Er hatte ihn am Arm gepackt, war sogar kurz davor, zuzuschlagen, doch er tat es nicht. Zu viele schlechte Erinnerungen verbanden ihn mit diesem Akt.

„Nein! Du bist nicht mein Vater und ich bin nicht Charlie.“, fuhr David ihn an, riss sich mit einer schnellen Bewegung los und verschwand auf seinem Motorrad, bevor Jack etwas erwidern konnte, wenn ihm überhaupt etwas eingefallen wäre. Er fragte sich, ob David vielleicht Recht hatte. Schließlich behandelte er ihn, wie er auch Charlie in solch einer Situation behandelt hätte, aber er wollte doch nur, dass ihm nicht auch noch etwas passierte. Zu viele Menschen hatte er verloren, viel zu viele. Als er seinem Neffen nachsah, erblickte er Samantha Carter. Sie war ihm doch tatsächlich hierher gefolgt. Er schallte sich selbst dafür, dass er den Zettel an seinem Haus, welches immer noch nicht verkauft war, gebackt hatte. Er wusste doch nur zu gut, dass sie nicht aufgab, er hätte es lassen sollen. Irgendwie hatte er jedoch gehofft, dass sie ihn fand, denn er wollte nicht alleine sein. Nicht in dieser Zeit. Er brauchte ihr Lächeln, das wusste er, ihre Besserwisserei und ihr Verständnis. Doch sie kam Ungelegen. Ganz Ungelegen. Er war wütend und gereizt, deswegen wandte er sich von ihr ab und ging Richtung Haus. Doch sie packte ihn am Arm und zwang ihn, sie anzusehen. Er hatte nicht mehr die Kraft sich zu wehren, sosehr er es auch wollte. Seine ganze Kraft musste er aufbringen, um nicht vor ihr in Tränen auszubrechen. Er musste stark sein, für Maggy, David und Kathy, Bens Familie. Auch für sich selbst, wenn er es auch nicht zugegeben hätte. Er würde auch mit dieser Situation fertig werden. Er hatte Charlies Tod und den seiner Eltern verkraftet, dann verkraftete er auch den seines einzigen Bruders, seiner letzten Familie und wie immer konnte er sich selbst nicht verzeihen.

„Colonel O’Neill? Sir?“, riss Samantha Carter Jack aus seinen Gedanken.

„Gehen sie Carter. Sie haben hier nichts verloren.“, wies er sie abwesend an, versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien und zurück ins Haus zu gehen.

„Das sehe ich anders, Sir. Ich werde nicht eher gehen, bevor ich nicht weiß, was hier los ist und sie überzeugt habe, zum Stargatekommando zurückzukehren. Also, was ist passiert?“, blieb Samantha stur.

„Das geht sie verdammt noch mal gar nichts an. Ich habe meine Entscheidung getroffen und werde sie garantiert nicht revidieren, nur weil sie hier auftauchen, mich mit diesem „Ich finde für alles eine Lösung“-Blick ansehen und sich in meine Angelegenheiten mischen. Gehen sie zurück zu ihrem Labor und ihrem ganzen technischen Spielzeug. Ich brauche ihre Hilfe nicht, aber das Programm schon.“, wehrte Jack ab. Er war grob und unfair ihr gegenüber, das wusste er, doch konnte er es einfach nicht zurückhalten. Sie machte alles nur noch schlimmer und dass er am Liebsten über sie hergefallen wäre, machte es auch nicht besser.

„Sir, solange Colonel Taylor nicht eingetroffen ist, braucht man SG-1 sowieso nicht. Ich bin dort also vollkommen überflüssig. Außerdem finde ich es schön hier. Ich denke, ich werde angeln gehen. Das ist doch der See, den sie so lobpreisend beschrieben haben, oder? Kennen sie zufällig ein gutes Hotel ganz in der Nähe?“, versuchte Sam es anders. Dafür hätte er sich am Liebsten umgebracht, wenn er nicht schon mit so etwas gerechnet hätte. Sie war einfach nur hinterhältig und das liebte er so an ihr. Dennoch war er sauer auf sie, zu sauer, um vernünftig zu bleiben.

„Nein!“, gab er grob zurück. Im selben Moment tauchte Kathy auf. Sie trug eine verdreckte Schürze und ein Handtuch hielt sie in ihren Händen. Sie war hübsch, sogar sehr hübsch. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, doch waren ihre Augen voller Trauer. Es war also etwas Schlimmes passiert, stellte Sam fest, nur was, das wusste sie noch nicht.

„Jack, wo bleibst du? Das Essen wird kalt.“, fragte sie ruhig. Als sie Samantha erblickte, fügte sie hinzu: „Oh Besuch! Sie müssen Samantha Carter sein, Jack hat viel über sie und die anderen Mitglieder seines Teams erzählt. Sie gehören sozusagen zur Familie. Kommen sie doch rein und essen sie mit uns.“

„Sie wollte gerade gehen.“, zischte Jack zornig. Samantha dachte jedoch erst gar nicht daran. Nicht, bevor sie nicht wusste, was los war.

„Wenn es ihnen keine Umstände macht, gerne. Ich sterbe vor Hunger.“, nahm Sam die Einladung dankend an. Sie warf Jack ihr typisches Carter-Lächeln zu, das soviel sagte wie: „So schnell wirst du mich nicht los.“ und folgte Kathy ins Haus. Jack murmelte einige Flüche vor sich hin, während er ihnen beleidigt hinterher ging. Samantha schaffte es immer wieder, ihn zur Weißglut zu bringen. Typisch Wissenschaftler. Sie setzten sich und aßen schweigend, bis Maggy begann auch sie mit Fragen zu Löchern, welche Sam alle ehrlich beantwortete.

„Bist du Onkels Freundin?“, hatte Maggy offen nachgehakt.

„Ich habe mit ihm gearbeitet und ich glaube, ich kann mich als eine Art Freundin bezeichnen.“, antwortete Samantha lächelnd. Jack saß nur kopfschüttelnd da. Dieses Gespräch lief in die vollkommen falsche Richtung.

„Werdet ihr heiraten und Kinder kriegen?“

„Maggy.“, ermahnte Jack sie jetzt. „Über diese Art Freundschaft haben wir doch schon geredet. Die hat nichts mit Heirat und Kinder kriegen zu tun. Sie ist rein platonisch.“

Samantha ließ sich davon nicht ablenken und gab grinsend zurück: „Vielleicht. Kommt ganz auf deinen Onkel an und wann er kapiert, dass er mehr von mir will, als nur Freundschaft.“

„Toll, dann möchte ich eine kleine Cousine oder doch lieber einen Cousin? Hauptsache jünger als ich. David würde das bestimmt auch toll finden.“, freute Maggy sich.

„Das ist dein Bruder, nicht wahr?“, hakte Sam nach.

„Ja und er fand dich auf den Fotos von Onkel Jack echt scharf. Onkel Jack hat ihm da sogar zugestimmt. Obwohl ich nicht ganz verstehe, wo du scharf bist, es scheint nicht, als könnte man sich an dir schneiden.“, sagte das kleine Mädchen.

„Doch an ihrer Zunge.“, murmelte Jack in sich hinein. Wie immer ignorierte Samantha diese Kommentare und lächelte aufgemuntert.

„Das ist bloß umgangssprachlich für hübsch. Irgendwann werden dich Jungs auch als scharf bezeichnen und dann wirst du mit ihnen ausgehen, sie küssen und irgendwann einen davon heiraten und selbst Kinder haben.“, erklärte Samantha ihr.

„Man bekommt Kinder nur, wenn man einen Jungen heiratet, dass ist ja eklig. Dann bekomme ich lieber nie Kinder.“, gab Maggy angewidert zurück.

„Kathy, muss sie nicht langsam ins Bett?“, fragte Jack leicht gereizt und erhoffte sich wenigstens von seiner Schwägerin Hilfe.

„Oh ja, es ist schon spät. Ab mit dir ins Bett, Kleines. Morgen kannst du dich mit Miss Carter weiter unterhalten.“, entgegnete Kathy und nahm ihre Tochter auf den Arm. Diese wehrte sich jedoch heftig.

„Ich will mich noch verabschieden.“, maulte sie. Ihre Mutter ließ sie los und sie rannte zu Sam, drückte sie fest und gab ihr einen feuchten Kuss auf die Wange. „Nacht!“

„Gute Nacht!“, erwiderte Samantha Carter genauso fröhlich wie Maggy. Dann lief die Kleine zu Jack und drückte auch ihn ganz fest an sich. Dieser gab jedoch ihr einen feuchten Kuss auf die Wange.

„Gute Nacht, Onkel Jack.“

„Gute Nacht, Spätzchen. Und träum von mir.“

„Nicht von dir, von Dad.“, gab sie zurück. Sofort bemerkte Samantha die Trauer in den Gesichtern von Jack und Kathy, deswegen verkniff sie sich die Frage. Maggy wurde von ihrer Mutter ins Bett gesteckt und Jack O’Neill begann den Tisch abzuräumen. Sam half ihm dabei so gut sie konnte. Keiner von beiden sagte etwas. Fünfzehn Minuten später kam Kathy wieder runter.

„Sie ist eingeschlafen. Ihr könnt euch ruhig irgendwo niederlassen, ich mache das hier zu Ende.“, meinte sie schon etwas geschafft.

„Wir machen das hier schon, geh du ins Bett.“, wandte Jack bestimmt ein und sah seiner Schwägerin tief in die Augen mit einem Blick, der keine Widerrede duldete.

„Vielleicht hast du recht.“, stimmte sie ihm dann doch zu, fragte aber noch Sam: „Wissen sie schon, wo sie schlafen wollen?“

„Ich werde mir ein Hotel suchen.“, antwortete diese ruhig.

„Kommt gar nicht in Frage. Sie können natürlich hier schlafen.“, wehrte Kathy ab.

„Wir haben doch gar keinen Platz.“, bemerkte Jack.

„Du schläfst in einem Doppelbett, also ist noch ein Platz frei. Ihr seit erwachsen, na ja, einer von euch, ihr werdet das schon hinkriegen. Wenn ich Sam morgen nicht zum Frühstück aus deinem Zimmer kommen sehe, werfe ich dich auch raus.“, blieb Kathy standhaft und ging dann ins Bett.

„Es macht ihnen auch nichts aus, Sir?“, hakte Samantha nach.

„Nein, ihnen?“

„Nein, aber nennen sie mich doch Sam, schließlich sind wir nicht im Dienst.“, schlug sie vor.

„Glaubst du, es wäre so eine gute Idee, wenn wir uns Duzten während wir in einem Bett schlafen?“, fragte er etwas verlegen nach.

„Wie Kathy schon sagte, wir sind erwachsen und es wird nichts passieren, solange wir es nicht wollen. Oder hast du etwa Angst davor, dass ich sie verführe?“

„Die Angst solltest du doch wohl eher haben, schließlich finde ich dich scharf und hege angeblich tiefere Gefühle für dich.“, wandte Jack witzelnd ein. Jetzt war er wieder der Jack, den sie kannte und ihr berühmtes Carter-Lächeln legte sich auf ihre Lippen, etwas, dass ihn fast verrückt machte.

„Angeblich?“, fragte Sam ungläubig und ließ ihn stehen, um ihre Sachen aus dem Auto zu holen.

 

Der Gedanke daran mit ihm in einem Bett zu schlafen, weckte in ihr gemischte Gefühle. Einerseits wollte sie nichts sehnlichster, andererseits wäre sie am Liebsten mit ihrem Wagen davongefahren. Doch Jack würde sie davon nichts merken lassen. Sie kehrte ins Haus zurück und sah Jack auf der Couch vor dem Fernseher sitzen. Als sie näher trat, merkte sie, dass er eingenickt war. Es musste für ihn wirklich ein schwerer Tag gewesen sein, nein, zwei schwere Wochen. Samantha wusste immer noch nicht genau, was passiert war, aber es ging allem Anschein nach um seinen Bruder. Sie schallte sich selbst für ihre Eifersucht. Wie hatte sie nur so selbstsüchtig sein können. Sie bemerkte, wie süß er aussah, wenn er schlief, ahnte jedoch noch nicht, dass sein Traum ihn quälte. Sie setzte sich neben ihn und ehe sie sich versah, war sie auch schon eingeschlafen, denn die lange Autofahrt hatte auch sie sehr müde gemacht. Es war ein merkwürdiger Traum, einer in dem man wusste, dass man träumt, dennoch nicht aufwachen kann. Lauter Erinnerungen strömten auf einmal auf Jack ein. Da war Charlie, sein Bruder und sogar seine Eltern, all die Menschen, die er so geliebt hatte und die jetzt tot waren. Er hatte nicht gerade die beste Kindheit gehabt, sein Vater hatte ab Jacks sechzehnten Lebensjahr wegen Diebstahl im Gefängnis gesessen und war dann sieben Jahre später an einem Tumor gestorben, aber er hatte ihn dennoch geliebt und ihm vergeben, dass er sie im Stich gelassen hatte. Auch seine Mutter war tot, sie starb kurz nach Charlies Tod an schwachem Herzen. Er war sich sicher, dass sie den Tod ihres Enkels nicht verkraftet hatte und was Jack ihr obendrein noch zumutete, gab ihr den Rest. Ob sie jetzt auf ihn stolz war, er wusste es nicht, aber wohl eher weniger, denn sie hatte immer nur die Gefahren, nie den Nutzen gesehen. Ein Wunder, dass sie seinen Vater überhaupt geheiratet hatte, wo dieser doch auch Soldat gewesen war, so wie er jetzt. Seine Familie war zusammen, doch sie waren nicht glücklich.

Ben machte ihm Vorwürfe, dass er sich nicht von ihm verabschiedet hatte, dass er sich vor dessen Tod mit ihm gestritten hatte. Jack hatte ihm nicht zuhören wollen, hatte die Wahrheit verleugnet, denn sie war zu hart für ihn. Sein Vater war ein Deserteur gewesen und Jack hatte das gewusst, bevor Ben es herausfand. Dieser hatte nicht verstehen können, warum Jack und auch seine Mutter es ihm verschwiegen hatte, doch hatte Jack nicht gewollt, dass Ben seinen Vater dafür verabscheute, was er getan hatte. Er hatte mit er Verweigerung des Dienstes seiner Familie den Vater erhalten, wenn auch nur weitere drei Jahre. Ben hatte das nicht verstanden, nannte ihn nur einen Feigling. Wenn Patriotismus eine Krankheit wäre, dann wären alle O’Neill-Männer davon betroffen. Sein Bruder war Polizist, ein verdammt guter sogar. In einer Spezialeinheit, doch das hatte auch nichts genützt, um ihm das Leben zu retten. Wieder träumte er den Dialog zwischen ihnen beiden, wie schon so oft in letzter Zeit, und keiner von ihnen hatte nachgeben wollen, bis sie sich im Streit getrennt hatten. Jack hatte erst noch Aufwidersehen sagen wollen, doch sein Bruder hatte ihn keines Blickes gewürdigt, so war er ohne ein letztes Wort gefahren. Er hätte es nicht zulassen sollen, denn genauso gut hätte er in der Zwischenzeit sterben können, war er doch erst knapp dem Tod entkommen. Die Beschuldigungen gegen ihn wurden immer schlimmer. Er glaubte selbst schon an das, was gesagt wurde. Er war am Tod aller Schuld gewesen. Sein Sohn hatte sich mit seiner Waffe erschossen, sein Vater hatte den Einbruch begangen, um ihm am Leben zu erhalten und war dann an den Folgen zugrunde gegangen, seine Mutter war aus Angst um ihren Sohn gestorben und sein Bruder war gestorben, weil er ihn nicht beschützt hatte, so wie er es ihm mal versprochen hatte. Sie kamen immer näher und er wich zurück. Sie trieben ihn auf einen Abgrund zu, unaufhörlich in seinen eigenen Tod. Ein Schritt noch, bis er endgültig abstürzte. Der Boden unter seinen Füssen gab nach und er rutschte nach hinten weg. Krampfhaft versuchte er die Balance zu halten, doch es gelang ihm nicht, er fiel unaufhörlich, immer tiefer in das klaffende Maul der Schlucht. Und dann... dann wachte er auf. Schweißgebadet und mit einem Lauten Schrei öffnete Jack die Augen. Samantha Carter, die neben ihm lag, erwachte ebenfalls. Als sie in Jacks verstörtes Gesicht sah, nahm sie ihn erst einmal liebevoll in den Arm.

„Ist schon gut, ganz ruhig. Es war nur ein Alptraum.“, versuchte sie ihn zu beschwichtigen. Er schüttelte entschieden den Kopf, brachte aber keinen Ton heraus. Samantha hatte schon Angst, dass er gleich anfangen würde zu weinen, doch er tat es nicht, wenn er sich auch gewaltig zusammenreißen musste. Nach einer halben Ewigkeit, ließ sie ihn los, stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. „Lass uns schlafen gehen. Es ist schon spät.“ Jack ergriff ihre Hand und folgte ihr die Treppe hinauf in das Gästeschlafzimmer. Es bestand lediglich aus einem Schrank, zwei Nachttischen und einem Doppelbett. Ohne ein Wort legte er sich aufs Bett und sie sich dazu. Er war wie ein kleines Kind in dieser Zeit, also nahm sie ihn abermals in den Arm. Sie hatte von ihm nichts zu befürchten, dazu war er zu durcheinander. Sex, war wohl das Letzte, an das er jetzt dachte. Eine einsame Träne rollte über seine Wange. Sie hatte ihn noch nie weinen sehen, denn der einen Träne folgten weitere und er begann leise zu schluchzen, doch dass er es jetzt tat, zeigte ihr, wie sehr er ihr vertraute. Dieser Alptraum hatte ihm ganz schön zugesetzt, aber sicher war auch der Tod seines Bruders mit dafür verantwortlich, dass er sich so elend fühlte. Irgendwann schlief Jack in Samanthas Armen ein und auch sie lockte bald das Land der Träume. Diesmal jedoch hatte keiner von beiden einen Alptraum.

 

Fast weitere zwei Wochen später

 

Die nächsten Tage widmete Jack O’Neill voll und ganz Samantha Carter. Sie berichtete ihm, was so alles passiert war und auch, dass sie bald einen neuen CO bekommen würden, da General Hammond es noch für verfrüht hielt, ihr ein eigenes SG-1 Team zuzuweisen. Er meinte, es wäre besser jemandem die Kontrolle zu überlassen, der genauso wenig von Physik und Archäologie verstünde, wie Colonel O’Neill. Sie erzählte ihm von Colonel Kelly Taylor und er kannte sie doch tatsächlich. Sie hatte vor Jahren mit ihm zusammen die Ausbildung gemacht. Jack meinte, sie sei sicher ein hervorragender CO, dann verloren sie kein Wort mehr über das Stargatekommando. Er berichtete Sam, wie sein Bruder gestorben war und das er versucht hatte, ihn davon abzuhalten, Polizist zu werden.

„Er war so ein verdammter Idiot. Er hatte an mir und unserem Vater gesehen, dass solche Jobs alles zerstören würden, was man liebt, dennoch hat er sich nicht davon abhalten lassen, dabei hätte er alles werden können, er war so verdammt klug. Er hatte sogar ein Stipendium, nutzte es jedoch nur zwei Jahre. Zwei gottverdammte Jahre.“, sagte er zehn Abende später, als sie sich den Sonnenuntergang ansahen.

„Es war sein Leben. Ich bin sicher, deine Mutter oder dein Vater hatten auch etwas dagegen, dass du zum Militär gingst.“, entgegnete Samantha Carter ruhig.

„Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt schon tot und meine Mutter hatte keine andere Wahl, als mich gehen zu lassen. Wir brauchten das Geld und zu Dritt hätten wir niemals überlebt. Außerdem ist Patriotismus ein Fluch in unserer Familie.“ Ein sarkastischer Scherz musste sein, sonst wäre Jack wahrscheinlich an den Erinnerungen an diese Zeit zerbrochen.

„Du bist gerne Soldat, daran liegt es, sonst hättest du deiner Familie zuliebe den Rücktritt eingereicht.“, wandte sie ein.

„Ich kann halt nichts anderes, außer Befehle befolgen, was ich auch nicht immer tu, und mein Leben riskieren, um anderen zu helfen. Ich wäre schon längst kein Soldat mehr, hätte ich damals eine andere Option gesehen. Solange ich Soldat bin, kann ich weder Ehemann noch Vater sein und im Grunde ist es das, was ich will, auch wenn Becky nicht wirklich meine Frau ist und Maggy und David nicht wirklich meine Kinder. Ich vermisse diese Momente, in denen man einfach nur glücklich ist, dass es seiner Familie gut geht. Genau wie er, wusste auch ich nicht, was ich hatte, bis ich es verlor.“, gab Jack zurück und starrte in den Himmel. Er wollte nicht weiter darüber reden, das spürte Samantha genau. Sie beließ es dabei. Soviel Offenheit hatte sie von ihm eh nicht erwartet. Seine Haltung ihr gegenüber hatte sich seit ihrer Ankunft hier sehr geändert. Zuerst war er rau und abweisend gewesen, sogar ein wenig verletzend, doch jetzt mitfühlend und auf eine seltsame Art ruhig. Sie genoss es einfach, in seiner Nähe zu sein. Und Jack genoss es, Sam in seiner Nähe zu spüren, einfach nur zu wissen, dass sie da war und ihm zuhören würde. Sie schwiegen, es war eine beruhigende Stille. Die Sterne funkelten wie Diamanten am Firmament und der Mond tauchte den See und den umliegenden Wald in milchig weißes Licht. Erst als Samantha sich zurücklegte und Jacks muskulösen Rücken mit den breiten Schultern und den starken Armen betrachtete, fiel ihr der bereits ziemlich mitgenommene Zettel in seiner linken Hosentasche auf.

Vorsichtig durchbrach ihre Frage die Stille: „Was ist das für ein Zettel?“ Instinktiv faste Jack O’Neill an den Zettel, als wollte er sichergehen, dass er wirklich noch an seinem Platz war, dann, nach kurzem Zögern, zog er ihn heraus und betrachtete ihn nachdenklich, starrte ihn fast an. In Gedanken las er die Zeilen, die darauf standen. Er kannte sie auswendig, zu oft hatte er sie schon gelesen. Er schrieb sie auf diesen Zettel, einen Tag nachdem ihn die Nachricht über Bens Tod ereilte, hatte ihn von da an immer bei sich getragen und immer, wenn er zu vergessen schien, nahm er ihn sich vor, denn er stand für jede Narbe in seinem Herzen, die einen Verlust zu verkraften hatte. Wieder überkam ihn die Trauer, die Schuldgefühle, das ewige schlechte Gewissen. Was er auch tat, er wurde es nicht los. Was die anderen auch sagten, es blieb sein ständiger Begleiter. Einen Moment zögerte O’Neill, dann reichte er Carter den Zettel und legte sich neben sie, um das ganze Ausmaß des nächtlichen Sternenhimmels erblicken und spüren zu können. Samantha faltete das Blatt Papier vorsichtig auseinander. Sie wollte es nicht noch mehr zerstören, denn sie wusste, wie wichtig es Jack doch war. Sie musste diese Zeilen dreimal lesen, um das volle Ausmaß seiner Traurigkeit zu begreifen. Sie erinnerte sich an ihre Mutter, an den Tag, als ihr Vater zu ihr gekommen war, um ihr mitzuteilen, dass ihre Mutter durch einen Autounfall gestorben war. Damals war sie am Boden zerstört gewesen, hatte immer geweint, wenn sie alleine war und war für ihren Vater und ihren kleinen Bruder stark gewesen. Das war nichts im Vergleich dazu, was er hatte durchmachen müssen. Er hatte jeden verloren, den er liebte, kein Wunder, dass er nicht mehr zwischen ihnen zuließ als Freundschaft. Sam hätte wahrscheinlich schon nach Charlies Tod aufgegeben, nicht dass sie schwach war, aber sie war auch nur ein Mensch. Von Daniel wusste sie, dass Jack freiwillig diese Selbstmordmission nach Abydos übernommen hatte, weil er sich selbst nicht hatte töten können. Zu ihrem Glück hatte er dabei seinen Lebenswillen wieder gefunden. Einmal hatte sie ihn aus ihrem Büro heraus gesehen und der Anblick hätte sie beinahe vom Stuhl gerissen. In seiner blauen Uniform hatte er einfach traumhaft ausgesehen. Sie hätte nie gedacht, dass sie ihn nach drei Jahren wieder sehen und mit ihm zusammenarbeiten würde. Samantha Carter gab ihm den Zettel zurück, nachdem sie ihn wieder zusammengefaltet hatte. Er steckte ihn nicht zurück in die Hosentasche, sondern betrachtete ihn wieder nachdenklich.

„Was habe ich getan, dass man mich so straft?“, fragte Jack O’Neill plötzlich und zerriss erneut die Stille um sie herum. Er musste es einfach tun. Die Ruhe hatte ihn fast verrückt gemacht und die Frage hatte wie eine eiserne Hand sein Herz umklammert, es immer stärker zusammengequetscht.

„Gar nichts.“, antworte Samantha, obwohl sie wusste, dass Jack sich nur sich selbst und die Welt um ihn herum angesprochen hatte. „Du bist der mit Abstand ehrlichste und aufrichtigste Mensch, den ich kenne. Du hast diesen Schmerz nicht verdient, niemand hat das, aber man kann es halt nicht ändern.“ Jack setzte sich auf und sah Sam tief in die Augen. Dieses tiefe Blau, welches zu leuchten schien. Ewig konnte er in diese zwei Opale blicken, sich in ihnen verlieren und nie würde es ihm langweilig werden. Solange sie in seiner Nähe war, brauchte er das Stargate nicht. Bevor sie plötzlich vor ihm stand, hatte er dauernd an den Ereignishorizont denken müssen, wie er sich in einem reißenden Energiestrudel aufbaute, der alles zu verschlingen schien, was ihm in die Quere kam, um dann ruhig vom Naquardaring eingeschlossen zu werden. In ihren Augen spiegelte sich das alles wieder. Sie drückten soviel mehr noch aus, Gefühle, Gedanken und Eindrücke. Im Moment strahlten sie vor Liebe. Sein Blick wanderte zu ihren wohlgeformten Lippen, sie ließ es zu, dass er sie so betrachtete. Ihr Mund war voller als sonst und getaucht in ein natürliches Rot. Das Verlangen, sie zu küssen, stieg in ihm auf, wie schon so oft in den letzten drei Jahren. Diesmal jedoch ging er ihm nach. Er hatte in diesem Augenblick einfach keine Angst davor, ihr nahe zu sein. Es war nur ein unschuldiger Kuss, doch er kam aus tiefstem Herzen. Diesen Kuss würde wohl keiner von ihnen je vergessen. Als sie sich lösten, sah Jack sie wieder an. Alles hatte sich geändert, das wusste er und es gab kein Zurück mehr.

„Sam.“, sagte er zögernd. „Verstehe den Kuss nicht falsch, ich...“

Sie unterbrach ihn sanft mit den Worten: „Schon gut. Du musst nichts sagen. Ich verstehe es.“ Jack schüttelte entschieden den Kopf.

„Nein, das tust du nicht. Ich bereue ihn nicht. Ich will ihn sogar wiederholen und das für den Rest meines Lebens. Ich brauche dich, Sam. Ich will das mit dir haben, was ich auch mit Sarah hatte, nur auf eine vollkommen andere Weise. Ich weiß, wie schwer es sein muss, einen Idioten wie mich zu lieben, dennoch bitte ich dich, es wenigstens zu versuchen.“ Sam wusste nicht, was sie sagen sollte. So lange hatte sie darauf gewartet, dass er das oder etwas Ähnliches zu ihr sagte und jetzt verschlug es ihr die Sprache. Seine braunen Augen schienen jetzt fast schwarz zu sein und sie zeigen ihr, wie ernst er es meinte. Geduldig wartete er auf eine Reaktion von ihr, doch sie rührte sich nicht. Sie saß einfach nur da und sah ihn an. Dann küsste er sie nach einer geraumen Zeit ein zweites Mal und ein Drittes und Viertes. Sie erwiderte jeden seiner Küsse mit der gleichen Intensität und das war alles an Antwort, was er brauchte. Jack ergriff Sams Hand und half ihr beim Aufstehen, dann gingen sie gemeinsam zum Haus.

 

Jack O’Neill sah seinen Neffen David schon von weitem, wie er mit seinem Motorrad näher kam. Zu Jacks Verwunderung schob er es, anstatt wie sonst das ganze Haus mit dem Lärm aufzuwecken. Er löste sich von Sam und ging David entgegen, welcher jetzt unter dem Schein des Verandalichts zum Stehen kam. Schon von weitem erkannte Jack, dass die Maschine ganz schön was abbekommen hatte.

„David!“, sagte er leicht gereizt darüber, dass sein Neffe erst so spät nach Hause kam und machte sich so bemerkbar.

„Lass mich in Ruhe, Jack.“, erwiderte David, drehte sich aber nicht zu seinem Onkel um.

„Was ist passiert?“, fragte Jack ruhig. Als sein Neffe jedoch nicht antwortete fuhr er fort: „Sieh mich an. Ich habe gesagt, du sollst mich ansehen!“ David drehte sich zu ihm um und sofort erkannte man die Schrammen und das blaue Auge in seinem Gesicht. Auch das Knie war leicht angeschlagen. Sofort ahnte Jack, was passiert war, sein Neffe hatte einen Unfall gebaut. Er betrachtete sich die Gesichtsverletzungen genauer. So schlimm war es nicht, aber Jack wusste aus eigener Erfahrung, dass solch ein Unfall leicht schlimmer ausgehen konnte. Er selbst hatte sich als Jugendlicher bei einem Motorradsturz das Bein und drei Rippen gebrochen. Knapp war er damals dem Tode entgangen. Er hatte es aber überlebt, wie schon so oft, als wolle jemand nicht, dass er starb. „Ist nicht so schlimm. Die Kratzer sollten trotzdem gereinigt werden. Geh in die Küche, wir kommen glich nach.“

„Mach dir keine Umstände.“, entgegnete David patzig. „Ich schaffe das schon alleine.“ Jacks Neffe verschwand ins Haus.

„Soll ich mal mit ihm reden?“, fragte Samantha zögernd.

„Ich hoffe nur, ich bekomme die Maschine wieder hin. Sie ist ziemlich ramponiert.“, sagte Jack abwesend, ohne auch nur auf ihre Frage zu achten.

„Jack!“, fuhr sie ihn an und drehte ihn zu sich um. Er hatte Tränen in den Augen. Ihm war wohl gerade klar geworden, dass auch sein Neffe in dieser Nacht hätte sterben können. Zärtlich nahm sie ihn in die Arme. „Schon gut! Ihm ist ja nichts passiert. Ich rede mal mit ihm, vielleicht hört er mir ja zu. Du gehst schön nach oben und legst dich ins Bett. Ich komme gleich nach.“ Sam redete mit ihm, als wäre er ein kleines Kind und tatsächlich, er hörte auf sie. Nicht mal ein kläglicher Versuch zu protestieren. Jack wusste, sie hatte Recht. Samantha Carter führte ein langes Gespräch mit David und musste abschließend feststellen, dass er seinem Onkel sehr ähnlich war und gut alleine klarkommen würde. Sie würde morgen abreisen und Jack hier zurücklassen. So sehr hätte sie sich gewünscht, dass er mit ihr kam, doch zwingen konnte sie ihn nicht und überreden ließ er sich noch weniger. Da sie sich jedoch auch nicht von ihm verabschieden wollte, ging sie in aller Herrgottes Frühe aus dem Haus und fuhr nach Hause. Inständig hoffte sie, dass auch ihm klar werden würde, dass er dort gebraucht und geliebt wurde, dass er mit seinem Schmerz nicht alleine war.

 

Es regnete. Grauverhangene Wolken zogen schwerfällig über den Himmel und sperrten jeden Sonnenstrahl aus. Es war ein trüber Tag und genauso fühlte sich auch Jack O’Neill. Sam war fort ohne sich zu verabschieden und ein Teil von ihm war mit ihr gegangen. Er wusste, er gehörte zu ihr, er wollte mit ihr zusammen sein, doch konnte er unmöglich Bens Familie alleine lassen. Das wäre nicht richtig, das wäre feige. Deswegen war er wahrscheinlich auch hier, um eine Antwort zu finden. Der Regen durchnässte seine Kleidung, sie hing an ihm wie Blei. Er sah hinab auf den Grabstein aus schwarzem Marmor. Die Regentropfen glänzten auf ihm wie Diamanten. Es wäre ein faszinierender Anblick gewesen, wenn er nicht von zuviel Trauer überschattet worden wäre. Langsam, fast wie in Zeitlupe kniete Jack sich nieder und fuhr ganz sacht mit den Fingern die silbernen Lettern nach, die schrieben: Benjamin O’Neill, liebender Vater und guter Freund. Und ein verdammt anständiger Bruder. Jacks Tränen vermischten sich mit dem Regen, war vielleicht mit einer der Gründe, warum er lediglich an solchen Tagen zum Friedhof fuhr. Niemand konnte wirklich sehen, wie er weinte. Er würde nicht neben Ben begraben werden, denn Soldaten ruhten neben ihren Kameraden. Es würde keinen großen Grabstein wie diesen geben, keine Inschrift in silbernen Lettern, nur einen kleinen weißen Stein, auf welchem sein Name stand. War das wirklich alles, was nach dem Tod noch übrig blieb? Bei ihm schon, denn er hatte keine Familie, keine Frau, die sich an ihn erinnern würde, keine Kinder, die einen Teil von ihm von Generation zu Generation weitergeben würden. Seine Zukunft war mit Charlie gestorben. Sarah hatte ein neues Leben angefangen ohne ihn. Sie war im Begriff zu heiraten, was Jack sehr freute, ihn jedoch auch gleichermaßen traurig machte.

Sie hatte es geschafft, sich von ihrer Vergangenheit weitgehend loszusagen und einen Schritt nach vorne zu machen, sie hatte Charlie und ihr neues Leben in Einklang gebracht und sie hatte es ganz ohne ihn getan. Wieso war er nach all den Jahren noch von ihr abhängig? Er wusste, er liebte sie nicht mehr, dass sie nur noch Freunde waren und doch konnte er sich von ihr nicht völlig lossagen. Ein Teil seines Herzens klammerte sich noch an früher, an ihre gemeinsame Zeit und an die Tage, an denen Charlie noch lebte. Ohne Sarah hätte er den Tag der Beerdigung nicht überstanden. Sie war es, die ihm Halt gegeben hatte. Er fragte sich, wie er es geschafft hatte, dass eine Frau wie sie sich in jemanden wie ihn verlieben und ihn sogar heiraten konnte. Er war ein Vollidiot, doch anscheinend schien das diese Art von Frauen nicht zu stören, denn auch Samantha fühlte sich mehr als freundschaftlich zu ihm hingezogen. Mit ihr könnte er einen Neuanfang versuchen, sie würde es wollen, doch wollte auch er es? Er liebte sie, daran bestand gar kein Zweifel und er brauchte sie, auch das war ihm klar, aber er hatte Angst. Die Angst, sie zu verlieren, war wieder da und stärker denn je, denn sie war noch näher gekommen als jemals zuvor ein anderer Mensch außer Sarah. Sie zu verlieren konnte er nicht verkraften, aber wenn er sichergehen wollte, dass ihr nichts zustieß, musste er bei ihr sein. Nicht, dass er Kelly Taylor nicht trauen würde, aber er war schon immer der Typ gewesen, der auf Nummer sicher ging. Vielleicht sollte er dann wirklich ins Stargatecenter zurückkehren, denn es war nicht zu leugnen, dass er auch seine Freunde vermisste, doch das hätte er Becky und ihren Kindern unmöglich antun können. Ein Räuspern war hinter ihm zu vernehmen, so dass Jack sich umdrehte und genau in Davids Gesicht sah.

„He!“, sagte dieser gelassen.

„He!“, gab Jack zurück und erhob sich. Es hatte aufgehört zu regnen, er hatte es gar nicht mitbekommen.

„Mum sagte mir, du wärst hier.“, versuchte David es mit belangloser Konversation. Seit sie unter einem Dach lebten, hatten sie nicht ein vernünftiges Wort mit einander gesprochen, dabei waren sie eigentlich immer bestens klargekommen. Sie hatte sich wohl beide noch nicht ganz an die neue Situation gewöhnt und irgendwie hatte David ihm auch die Schuld gegeben, wenn dieser auch genau wusste, dass er seinem Onkel nichts vorzuwerfen hatte.

„Hat sie das?!“, stellte Jack mehr fest, als das es eine Frage war.

„Ja und ich hörte, Sam ist heute Morgen abgereist.“

„Bist du nur hier, um mir zu sagen, was ich schon weiß?“, brachte >Jack es endlich auf den Punkt. Smalltalk hin oder her, irgendwann wurde es langweilig, besonders, wenn man nur Sachen erfuhr, die man bereits wusste. David schüttelte entschieden den Kopf.

„Nein, eigentlich bin ich hier, um dich aufzufordern, zu gehen.“, meinte er weiterhin im Plauderton, wurde dann aber ernst, als er fort fuhr: „Du glaubst vielleicht, wir brauchen deine Hilfe und wahrscheinlich ist das auch so, aber wir wollen sie nicht. Mum beginnt Montag ihren neuen Job, Maggy ist im Kindergarten gut aufgehoben und ich arbeite gelegentlich bei Max. Wie du siehst, kommen wir klar. Sollte es doch mal eng werden, ist Grandma ja auch noch da und du kannst uns wann immer du willst Geld schicken.“ Der Scherz hatte seine Wirkung nicht verfehlt, denn so entlockte David ihm ein Lächeln.

„Ach und besuchen darf ich euch nicht?“, hakte Jack nach und stieß seinen Neffen leicht mit dem Ellenbogen an, so dass dieser ins Schwanken geriet.

„Nicht, wenn du vor hast, zu bleiben und uns auf die Nerven zu fallen.“, entgegnete David mit gespieltem Ernst. Jack vergrub die Hände in seinen Hosentaschen und spürte den Zettel in seiner Hand. Er wusste, er musste es irgendwann akzeptieren und sein Leben weiterleben. Vielleicht eine gewisse Zeit im Verborgenen, aber mit dem Trost, dass er es mit Samantha Carter verbringen durfte. Vorsichtig legte er den ramponierten Zettel mit den vier wichtigsten Zeilen seines Lebens auf Bens Grabstein, verabschiedete sich von ihm und ging dann mit David Richtung Wagen.

Als Jack die Tür aufschloss, fragte er beiläufig: „Du hast also einen Nebenjob, dann brauchst du ja bald ein Auto?“

„Das kann ich mir nicht leisten, das weißt du.“, gab David zurück und lehnte sich an die Beifahrertür.

„Wieso, der Jeep ist wieder so gut wie neu und den Führerschein schenke ich dir.“

„Wo ist der Haken?“, wollte David wissen und sah seinen Onkel misstrauisch an. Bei solchen Angeboten war meist was faul, besonders wenn Jack sie machte.

„Du hältst mich auf dem Laufenden und scheust dich nicht, mich um Hilfe zu bitten. Abgemacht?“

Nach einem kurzen Zögern gab David zurück: „Abgemacht!“ Dann stiegen sie ins Auto und fuhren nach Hause. Jack wollte so schnell es ging, aufbrechen, denn schon jetzt vermisste er Sam mehr als das Stargate in den ersten Tagen seines Entzuges. Erst jetzt wurde ihm nämlich klar, dass er eigentlich die ganze Zeit nicht an das Sternentor, sondern an Sams Augen denken musste. Die Sonne brach zu diesem Zeitpunkt durch die Wolken und warf einen ihrer warmen Strahlen auf das feucht gewordene Papier auf welchem in Jacks Handschrift geschrieben stand: 

 

Und ich wollte noch Abschied nehmen

Das werde ich mir nie vergeben

Mann, wie konntest du von uns gehen

Jetzt soll ich dich nie mehr sehen

 

Ein Windhauch trug den Zettel davon, hinauf in die Lüfte, wo er seinen Weg zu Jacks Liebsten fand. (Oder in das Nest irgendeines stinkenden Vogels)


ENDE
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