Was noch bleibt by Lenari
Summary: Was, wenn man den Sinn im Leben zu verlieren droht und beginnt, sich aufzugeben? Jack muss es am eigenen Leib erfahren.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara, Samantha Carter (SG-1)
Genre: Friendship, Hurt/Comfort, PoV, Vignette
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 14807 Read: 2049 Published: 02.01.12 Updated: 02.01.12

1. Kapitel 1 by Lenari

Kapitel 1 by Lenari
Author's Notes:
Anmerkung: Ich liebe es einfach, wenn Jack traurig ist und von Sam getröstet wird. Sorry, aber ich kann es einfach nicht lassen.
Was noch bleibt


Ich hörte Stimmen, weit entfernt schienen sie zu sein. Es waren drei, nein vier. Eine klang trauriger als die andere. Ich wollte die Augen öffnen, doch fühlte ich mich zu schwach dazu. Also ließ ich es einfach nur auf mich einströmen. Was sie sagten, verstand ich nicht ganz, doch es schien um mich zu gehen. Jemand warf mit Fachbegriffen um sich und die anderen waren irgendwie geschockt, doch ich konnte damit nichts anfangen. Das hatte ich noch nie. Ob es nun um Physik, Archäologie oder Medizin ging. Ich war nicht gerade eine Leuchte, aber für mich reichte es aus. Ich hielt es für besser, nicht alles zu wissen, das machte es irgendwie leichter. Man hatte nicht soviel Verantwortung, die die Last, die ich bereits auf meinen Schultern trug, reichte für drei Leben. Da brauchte ich nicht auch noch diese Art von Wissen Ich horchte in mich hinein, irgendetwas war anders. Da waren meine Arme, mein dröhnender Schädel, mein Rücken, mein Brustkorb und... Nein meine Beine waren nicht mehr da. Ich spürte sie nicht. Ich konnte sie nicht bewegen. Hatte ich sie überhaupt noch? Ich musste auf Nummer sicher gehen. Unter großer Anstrengung öffnete ich meine Augen, schloss sie jedoch gleich wieder, als mich ein grelles Licht blendete. Jemand sprach mich an, nannte meinen Namen. Noch einmal öffnete ich die Augen. Diesmal ging es leichter. Ich sah in das Gesicht eines jungen Mannes. Ich kannte ihn nur zu gut. Daniel Jackson. Wissenschaftler. Ich hatte immer gedacht, ich würde alle Wissenschaftler hassen, doch ich musste feststellen, dass er mir auf eine gewisse Art und Weise ziemlich ähnlich war. Er teilte mein Leid. Er war Mitglied in demselben Club wie ich, dem Club, in dem keiner sein wollte, in den man immer kam, wenn einer starb, den man liebte. Wir hatten circa zur selben Zeit unsere Eltern verloren, wenn wir uns damals auch noch nicht kannten.

„Wie geht es ihnen, Jack?“, fragte Daniel besorgt.

„Meine Beine.“, war alles, was ich herausbrachte. Zu mehr reichte meine Kraft nicht. Ich spürte den Schlauch in meinem Gesicht, in meiner Nase, spürte sie auf meinen Armen, hörte das Piepen, zischen und rauschen der medizinischen Geräte und ahnte Schlimmes. Es war nie ein gutes Zeichen, auf der Krankenstation zu sich zu kommen und von einem Dutzend Maschinen umstellt zu sein, dass man sich nicht einmal traute, sich zu bewegen. In Daniels Gesicht konnte ich etwas Ähnliches wie Trauer erkennen. Er wusste nicht, wie er es mir sagen sollte. Eine zweite Person trat neben Daniel. Sie war muskulös, fast übermenschlich. Auch diese Gestalt war mir nicht fremd. Teal’c. Komisch, erst jetzt fiel mir auf, dass er gar keinen Nachnamen hatte. Wie konnten sie ihn dann auseinander halten. Gab es vielleicht nur diesen einen Teal’c? Bei all den Jaffa, war so etwas möglich? Ich wusste es nicht und im Grunde war es nur nebensächlich, belanglos. Er war mein Freund, das war alles, was für mich zählte. Ich musste nicht wissen, wie sein Leben vor unserer Begegnung auf Chulack ausgesehen hatte, brauchte nicht seine Träume und Wünsche zu kennen, um zu wissen, dass ich ihm trauen konnte. Ich tat es einfach. Wenn ich etwas hatte, dann Menschenkenntnis und dieser Mann war von Grund auf gut. Schon als ich ihn das erste Mal gesehen hatte, war es mir aufgefallen und es hatte uns das Leben gerettet.

Teal’c sagte so sachlich wie immer: „Sie sind noch da. Docktor Fraiser sagte uns, dass du sie vielleicht nicht spüren würdest.“ Ich wusste nicht wieso, aber ich war ihm dankbar für seine ehrliche Antwort. Kein „Es tut mir leid“, kein „Es wird sicher alles wieder gut“, kein „Gebe die Hoffnung nicht auf“. Ich war also gelähmt. Ich musste mich wohl oder übel damit abfinden, nie wieder laufen zu können. Diesmal war mein Ruhestand endgültig. Sicherlich würde Fraiser mir Hoffnung machen, genau wie Daniel und die anderen. Doch betrachten wir es doch mal realistisch, wie stehen schon die Chancen, dass ausgerechnet ich wieder vollkommen genese. Schon, ich war schon einmal getötet worden und stand doch wieder auf, wir wurden unzählige Male gefangen genommen und gefoltert und ich hatte es heil überstanden, doch das war etwas anderes. Bei dieser Sache konnten die Nox nicht helfen, auch Sam oder Daniel würden keinen Ausweg finden und selbst Fraiser würde machtlos sein. Ich musste es deshalb akzeptieren, auch wenn es manchmal schwer viel. Mir blieb keine andere Wahl. Es war schließlich auch nicht das erste Mal. Den Tod meiner Eltern hatte ich akzeptieren müssen, auch die Scheidung von Sarah und ebenso die Tatsache, dass mein einziges Kind sich mit meiner Dienstwaffe erschossen hatte. Letzteres hatte ich immer noch zu verdauen, aber ich würde darüber hinwegkommen, irgendwann. Jetzt war es wichtiger, mich mit diesem Problem auseinander zu setzten, denn ignorieren konnte ich es schließlich nicht. Auf  jeden Fall nicht ewig.

„Lasst mich allein.“, bat ich mit zitternder Stimme. Ich konnte die Tränen, die sich unweigerlich in meinen Augen sammeln, nicht mehr lange zurückhalten. Ich hoffte bloß, dass Samantha Carter weit genug weg stand, um nicht meine glasigen Augen sehen zu können. Ich würde es nicht ertragen, zu wissen, dass sie mich weinen sah. Ich musste stark sein, immer, ich war schließlich ihr Vorgesetzter. Ich war nicht der Typ, der vor anderen weinte. Mein Stolz ließ es nicht zu. Schon gar nicht vor ihr könnte ich Tränen vergießen, denn es würde ihr selbst in der Seele wehtun. Ich wusste, dass sie mich mochte, wir waren Freunde. Vielleicht sogar mehr als das, doch das durfte nicht sein. Ich vergötterte sie. Aber seit wann schon? Seit ich sie das erste Mal sah. Sie hatte mich umgeworfen, als sie in den Besprechungsraum trat in dieser heißen Uniform mit dem schüchternen Lächeln auf den Lippen. Sofort hatte sie mich in ihren Bann gezogen. Aber nein, da hatte ich sie nur körperlich gewollt, schließlich kannte ich sie noch nicht so gut wie jetzt. Ich hatte im Grunde auch einen Mann erwartet nicht eine Frau. Sofort hatte ich damals eine Barriere aus Sarkasmus und Feindseligkeit aufgebaut, doch diese hatte sie bereits nach der ersten Mission wieder so gut wie zerstört. Mit der Zeit verstanden wir uns besser, ich lernte ihre Eigenheiten kennen und lieben. Ich wusste, dass sie nicht perfekt war, auch wenn ihre kleinen Macken die Anzahl meiner guten Eigenschaften einnahmen. Nie hätte ich gedacht, dass sie mehr für mich empfinden könnte, als eine gewisse Freundschaft, doch sie tat es, sie hatte es mir gesagt. Erst richtig zu lieben begann ich sie also erst, als sie es mir sagte, nein, schon vorher, nur wann?

„Machen wir. Ruhen sie sich aus, wir wollen sie bald wieder auf den Beinen...“, begann Daniel und brach denn ab, als er merkte, was er gesagt hatte. Ich war mir sicher, er machte sich jetzt schon Vorwürfe, obwohl er nichts damit zu tun hatte. Es war meine eigene Unvorsichtigkeit gewesen, die mich erst in diese Lage gebracht hatte.

Bevor er etwas sagen konnte, und ich wusste, er wollte, meinte ich mit einem kläglichen Versuch zu lächeln: „He. Ich werde in drei Wochen wieder durch das Universum springen und dann können sie mich wieder mit ihren Theorien nerven, Daniel.“ Dieser drückte kurz meine Hand und ging dann. Es waren keine weiteren Worte mehr nötig, er wusste, wie es mir ging, er wusste es einfach. Unsere Freundschaft ging tiefer, als es vielleicht für Außenstehende zu erkennen war und wir beide waren uns darüber im Klaren. Das war alles, was zählte. Er war wie mein großer Bruder und ich würde mein Versprechen halten, ich würde ewig da sein, um auf ihn aufzupassen, auch wenn mir das nie gelingen würde. Oft genug hatte ich versagt, doch er verstand es und es kümmerte ihn nicht. Er akzeptierte und respektierte mich so, wie ich war. Wir waren schließlich beide Spinner, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Auch Sam verließ den Raum, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen. Ich war ihr dankbar dafür.

 

„Ihre Werte sind OK. Meinetwegen können sie morgen nach Hause.“, meinte Docktor Janet Fraiser aufmunternd und zwang sich zu einem kläglichen Lächeln. „Soll ich jemanden benachrichtigen.“ Sie glaubte, versagt zu haben, das sah ich sofort. Ich wollte sie aufmuntern, ich wollte es von ganzem Herzen, doch ich brachte nichts über die Lippen. Ich hätte sie belogen, mir Selbst etwas vorgemacht, denn wenn ich ehrlich sein sollte, ich glaubte selbst nicht daran, je wieder gehen zu können. Ich hatte eine scheiß Angst davor und so sehr ich sie auch zu verdrängen versuchte, ich schaffte es nicht. Sie war mein ständiger Begleiter und das nicht erst seit dem Unfall. Sie war da, als ich meinen Vater verlor, als ich Sarah kennen lernte, als ich von Charlie erfuhr, als ich ihn verlor und immer dann, wenn ich das Stargate durchquerte oder in Major Doktor Samantha Sam Carters Nähe kam. Ja, selbst sie machte mir Angst, aber auf eine andere Weise. Ich konnte es mir nicht erklären, aber es war so, sie war einfach da, als könnte Sam jeden Augenblick verschwinden und ich würde sie nie wieder sehen.

„Ben.“, hauchte ich fast unmerklich. Mich grauste jetzt schon, ihm so unter die Augen treten zu müssen. Ich wusste, er würde nichts sagen, würde es schweigend hinnehmen und mich dann nach Hause fahren, nur um im nächsten Moment von mir aus der Tür geworfen zu werden. Doch die ganze Zeit würde da dieser Blick sein, voller Trauer und Mitgefühl, genau wie bei Charlies Tod. Ich könnte ihn nicht verkraften. Ich hätte diesen Namen nicht nennen sollen, falls Docktor Fraiser überhaupt etwas mit ihm anzufangen wusste.

„Wer?“, fragte sie irritiert. Sie wusste nichts damit anzufangen. Mein Glück.

„Niemand.“, gab ich zurück. „Ich komme schon alleine klar. Ist schließlich nicht das erste Mal, dass ich im Rollstuhl sitze.“ Auch ich versuchte krampfhaft zu lächeln, doch ich konnte ihr genauso wenig etwas vormachen, wie sie mir. Sie kannte mich und ich kannte sie. Es war nicht wie bei Sam, es war einfach anders. Janet war eine Freundin, eine Kollegin, fast eine große Schwester. Sie war nicht die, zu der ich mich hingezogen fühlte. Bei ihr musste ich mich nicht verstecken, aber ich versuchte es trotzdem. Wie töricht von mir.

„Wenn sie meinen, Colonel. Ich werde ihnen einen Rollstuhl bringen lassen. Sobald sie bereit sind, können sie nach Hause fahren.“ meinte sie, bedacht das Wort „gehen“ nicht auszusprechen. Sie wandte sich ab. Ich wollte nicht dass sie ging, ich wollte jetzt nicht alleine sein. Ich konnte nicht.

„Ich habe Angast, Janet.“, stieß ich plötzlich hervor, bevor ich überhaupt realisierte, was ich gerade gedacht hatte. Sie setzte sich neben mich, nahm meine Hand in ihre und strich mir durchs Haar, wie ich es so oft bei Charlie getan hatte. Ich versuchte mit eiserner Disziplin meine Tränen zu unterdrücken, nicht wie ein Kind zu weinen, doch mein Widerstand begann bereits derbe zu bröckeln.

Fast mütterlich sagte sie: „Ich weiß. Ich habe auch Angst.“ Eine Träne bahnte sich ihren Weg über meine Wange. Janet wischte sie weg.

„Nicht vor der Lähmung.“, stellte ich richtig. „Ich habe Angst davor, unnütz zu sein. Sam oder Daniel sind Genies auf ihrem Gebiet, sie könnten weiterhin dem Stargateprogramm helfen, ich nicht. Ich bin Soldat. Ich gebe und befolge Befehle, ich schlage Schlachten, riskiere mein Leben für meinen Planeten, ich kann nichts anderes. Ich will nichts anderes.“ Jetzt konnte ich sie nicht mehr halten. Wie zwei Ströme rannen sie mir die Wangen hinunter und versanken in den Tiefen des weichen Kissens. Sie liefen schneller, als ich sie hätte wegwischen können, also ließ ich es gleich bleiben. Vor ihr, vor Janet, hatte ich keine Scheu zu weinen. Vor ihr war es das Natürlichste der Welt. Vor ihr war es einfach richtig. Sie nahm mich in den Arm und streichelte mir weiterhin fürsorglich durchs Haar. Irgendwie erinnerte sie mich an meine Mutter. Sie war auch immer da gewesen, wenn ich sie brauchte.

„Wir finden einen Weg, das schwöre ich dir. Du darfst jetzt nur nicht aufgeben. Habe Geduld, zwei, drei Wochen, dann ist die Prellung abgeklungen. Dann erst sind wir uns sicher, ob es dauerhaft ist, oder nicht. Wenn nicht, dann müsstest du bald etwas spüren. Du musst auf jede noch so kleine Veränderung achten und sie mir mitteilen. Sollte sich nichts ändern, bin ich sicher, die Asgard, Nox, Tolaner oder Tok’ra werden uns weiterhelfen. Sie kennen sicher eine Lösung. Ich werde sofort um einen Besuch bei ihnen bitten. Ich werde dir meine Privatnummer aufschreiben. Wenn du reden willst, ruf mich an.“, versuchte sie mir Hoffnung zu machen. Ich konnte nur nicken. Die Tränen hatten mir die Kehle zugeschnürt. Ich unterdrückte ein Schluchzen. Janet küsste mich auf die Stirn und ging dann wieder ihrer Arbeit nach. Ich wusste, dass sie Recht hatte, wusste, dass ich jetzt unmöglich aufgeben durfte, aber es tat so weh. Allein der Gedanke daran, nicht mehr durch das Stargate zu gehen, was mittlerweile eine Sucht von mir geworden war, brachte mich fast um den Verstand. Auch das wollte und konnte ich nicht aufgeben.

 

Um Mitternacht machte ich mich aus dem Staub, das war die einzige Zeit, in der ich eine reelle Chance hatte, niemanden von ihnen zu begegnen, schon gar nicht Samantha. Und wie erwartet, war niemand zu sehen. Ich war schon dabei erleichtert aufzuatmen, als ich ihn erblickte, an meinem Jeep lehnend und geduldig auf mich wartend. Ich hätte es wissen müssen, er kannte mich viel zu gut. Janet hatte ihm sicher erzählt, dass ich jeder Zeit nach Hause könnte und dass ich die Nacht jeder anderen Tageszeit vorziehen würde, hatte er sich selbst ausmalen können. Ich zögerte einen Moment, bis mir wirklich klar war, dass ich ihn nicht loswerden würde und rollte dann langsam auf ihn zu. Er stellte sie aufrecht hin und grinste mich vielsagend an. Er war einfach unverbesserlich. Er war mein bester Freund.

„Geh ins Bett, Daniel! Sie haben um diese Uhrzeit nichts mehr draußen verloren.“, meinte ich sarkastisch, erwartete jedoch nicht, dass er wirklich meiner Anweisung folgte. Das erste Mal, seit ich erwachte, legte sich sogar ein echtes, wenn auch nur leichtes Lächeln auf mein Gesicht. Ich konnte ihm einfach nicht böse sein, nicht, wenn er mich aus seinen blauen Augen mit dem „Ich lass dich jetzt nicht allein“ - Blick ansah.

„Wenn sie alleine fahren können, gerne.“, entgegnete Daniel fordernd. Ich war ihm hilflos ausgeliefert, das wusste er genauso gut wie ich. Ich konnte nur verzweifelt den Kopf schütteln und rollte dann auf die andere Seite des Jeeps, um einzusteigen. Er bot mir nicht seine Hilfe an, er wusste, ich würde sie nicht brauchen. Es war zwar schwieriger als mit einem gebrochenen Bein, aber es funktionierte dennoch. Als ich auf dem Beifahrersitz Platz genommen und den Rollstuhl hinten verstaut hatte, sah ich ihn wieder an. Daniel hatte sich zu mir umgedreht und sich mit den Armen auf die Tür gelehnt. Sein Blick traf genau den meinigen. Kein Mitgefühl, obwohl er wohl ganz schön viel Disziplin aufgebracht haben musste, damit man nicht sah, was in ihm vorging. Ich stellte fest, dass er viel von mir gelernt hatte, auch wenn ich nicht wusste, ob es gut oder schlecht für ihn war. Wohl eher das Letztere, denn um ehrlich zu sein, beneidete ich ihn um seine Zerbrechlichkeit, leichtgläubige und friedliche Art. Irgendwann würden Leute wie er die Erde beherrschen, Leute, die einsichtig genug waren, nicht zu kämpfen und in diesen Zeiten würde man die Erde wieder lieben können. Ich hoffte nur, diese Zeit noch miterleben zu können, ob Rollstuhl oder nicht.

„Was ist, wollen sie dort Wurzeln schlagen, Daniel, oder steigen sie jetzt endlich ein und fahren los?“, fragte ich ernst. Ein Lächeln huschte über Daniels Lippen, dann stieg er endlich ein und startete den Wagen, um mich damit von alledem hier wegzubringen. Dankbar sah ich in die Sterne. Sie waren trüber als sonst, als spürten sie meine innerliche Zerrissenheit. Vielleicht war mein Blick auch anders als sonst. Ich sah nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit in die Sterne, wie noch Nächte davor oder wie vor der Zeit im Stargatecenter. Meine Sichtweise hatte sich ein weiteres Mal gewandelt und was ich sah, gefiel mir nicht. Ich wollte wieder die Pracht in ihnen sehen, die Möglichkeiten, die sich boten, doch ich sah nur einen Haufen leuchtender Punkte, ohne weitere Bedeutung für mein Leben. Schlagartig wurde mir klar, dass ich mich bereits aufgegeben hatte. Oder war ich etwa noch dabei, die Hoffnung zu verlieren? Soviel zum Thema: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Natürlich bestand ich darauf, dass Daniel bei mir übernachtete. Ich wollte ihn nicht fahren lassen, nicht um diese Uhrzeit und alleine sein wollte ich auch nicht. Und wenn schon Gesellschaft, dann wenigstens seine. Sam hätte ich nicht ertragen und bei Teal’c hätte es keinen Unterschied gemacht, ob er nun da gewesen wäre oder nicht. Genauso gut hätte ich mich mit einer Litfasssäule unterhalten können.

 

Wir setzten uns mit einem Bier auf die Terrasse, na ja Daniel, ich saß ja schon. Eine Zeitlang herrschte Schweigen zwischen uns. Keiner wusste, was er sagen sollte. Was sollte man auch groß zum Besten geben. Daniel wusste, dass ich aufmunternde Worte heute Abend nicht mehr verkraftete und ich hatte keine Lust ihn zu fragen, wie es ihm ging oder was denn seine Arbeit machte. So saßen wir einfach nur da, schwiegen uns an und sahen in die Nacht hinaus. Auch von hieraus konnte man die Sterne sehen, doch ich sah nicht hinauf, ich wusste mein Blickfeld hatte sich nicht geändert.

Daniel durchbrach die Stille mit einer simplen Frage: „Und wo soll ich schlafen?“

„Oben im Schlafzimmer. Die Tür müsste noch offen stehen. Ich penn auf der Couch.“, antworte ich nüchtern. „Noch ein Bier.“

„Nein danke!“

„Du sollst mir eines holen. Ich bin zu faul um zu gehen.“, entgegnete ich und musste sogar grinsen. Es war ein ehrliches Lächeln. Ich hatte es nicht verhindern können. Natürlich hatte ich alleine gehen können, beziehungsweise rollen, aber ich war echt zu geschafft, um mich in Bewegung zu setzten. Es war praktisch einen Daniel im Haus zu haben. Vielleicht sollte ich ihn bitten, hier einzuziehen, wenn ich wieder auf den Beinen war. Da war er wieder, dieser Hoffnungsschimmer. Manchmal kam er doch durch. Meist, wenn ich mit Daniel zusammen war. Er war so anders als ich, ich beneidete ihn darum. Er hatte noch andere Gefühle als Angst, Misstrauen, Schuldgefühle und Selbstzweifel. In seinem Herzen hatten Hoffnung, Vertrauen und Liebe noch die Oberhand. Er konnte sich wirklich glücklich schätzten. Daniel setzte sich wieder neben mich und drückte mir das kühle Bier in die Hand. Das erste Mal, dass er größer war. Mir sollte es recht sein.

„Du hast dich wegen Sam um diese Zeit fortstehlen wollen, habe ich nicht recht?“, stellte Daniel Jackson mehr fest, als das er es fragte. Ich musste schmunzeln. Er hatte es wie immer richtig erkannt. Es war kein Geheimnis, dass ich mehr für Samantha Carter, meinem Major, empfand als Freundschaft. Ich wollte sie und sie wollte aus irgendeinem Grund, den ich nicht nachvollziehen konnte, mich. Sie lachte über meine blöden Bemerkungen. Ich selbst wusste, dass sie absolut fehl am Platze und dazu noch nervig waren, konnte sie mir jedoch nicht verkneifen. Sie waren eine lästige Angewohnheit von mir, die mich jede Nachricht besser ertragen ließ. Wenigstens für einen Moment. Ich nickte nur, mehr war nicht nötig. Wir verstanden uns blind, denn so unterschiedlich wir uns auch waren, eines verband uns, wir würden nie einfach glücklich sein können. Daniel hatte Sha’ri verloren und ich würde Sam nie mein Herz erobern lassen, wenn sie auch schon meinen Verstand einnahm. „Und wann gedenkst du, mit ihr zu reden?“

„Gar nicht.“ Ich zückte einen unverschlossenen Umschlag und hielt ihn Daniel unter die Nase. Was darin war, konnte Selbst er sich denken. Ich hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, wieder in den Ruhestand zu gehen, ich fühlte mich ausgebrannt und leer. Es gab einfach nichts Neues mehr in meinem Leben. Die Beziehung zu Samantha Carter hatte sich nicht geändert, ich hatte keine Zeit oder gar Lust eine andere Frau auch nur anzusehen, geschweige denn mit ihnen eine Bindung eingehen zu wollen. Ich wollte wahrscheinlich nur nicht wieder eine Frau so verletzten wie Sarah. Sarah! Sicher wusste sie es schon. Sie hatte immer alles gewusst. Wir waren zwar geschieden, doch nach der Sache mit diesem Energiewesen, das mich niedergestreckt, sich in mich und dann in meinen Sohn Charlie verwandelt hatte, hatte sich unsere Beziehung sehr gebessert. Wir waren wieder Freunde und sie wollte sogar wieder heiraten. Nach sieben Jahren ist das auch verständlich. Wenigstens einer von uns konnte weiterleben, sein Leben neu ordnen. Ich jedoch würde es wohl nie. Ich würde wieder dort sein, wo ich vor drei Jahren war und das lediglich mit mehr grauen Haaren und einem Rollstuhl. Ich wollte aber noch warten, bis es endgültig war, um es nicht zu bereuen. So hatte ich immerhin noch die Option, im Stargatecenter zu bleiben.

„Wir brauchen dich, Jack. Unsere Verbündeten brauchen dich.“, versuchte Daniel mich zu überzeugen, zu bleiben, da er mit dieser Antwort schon gerechnet hatte. Verdammt, er kannte mich einfach zu gut. Ich hatte ihn viel zu dicht an mich herangelassen. Doch er hatte Unrecht mit seiner Annahme, sie brauchten mich nicht.

„Sie brauchen einen Klugscheißer wie dich, Daniel, einen Besserwisser wie Carter und einen Insider wie Teal’c, aber keinen sarkastischen, ausgebrannten Vollidioten wie mich. Ich bin überflüssig. Außer als „lustigen Reisebegleiter“, wie Jakob es auszudrücken pflegte. Immer, wenn einer unserer Verbündeten etwas von uns will, holt er einen von euch. Hast du jemals einen von ihnen sagen hören: „Jack, wir brauchen dich!“ Also, ich nicht. Und komm mir jetzt nicht mit den Asgard, die reden doch bloß mit mir, weil ich meine Nase in Dinge gesteckt habe, die mich nichts angingen und mich, nur nebenbei bemerkt, fast wahnsinnig gemacht haben.“, wehrte ich ab und sah ihn mit dem Blick an, der ihm verriet, dass ich keine Widerrede duldete.

Doch er ignorierte ihn und gab zurück: „Klar, du hast recht, wir begeben uns in Schwierigkeiten, um unseren Freunden zu helfen, aber wenn es darum geht, unsere Ärsche zu retten, bist und bleibst du der ungeschlagene König. Komm schon, du musst zugeben, dass wir ohne dich schon längst alle draufgegangen wären und ich schon während der Abydosmission.“

„Sieh mich doch an, ich werde euch den Arsch nicht mehr retten können. Ich kann nicht mehr durch das Tour laufen und ein Mann im Rollstuhl ist nun mal keine Hilfe.“, sprach ich es endlich aus. Wir beide wussten das. Niemand konnte mir garantieren, dass ich wieder laufen würde, obwohl auch niemand hundertprozentig sicher sein konnte, dass die Lähmung endgültig sei. Also ging ich lieber vom Schlimmsten aus, so konnte ich wenigstens nicht enttäuscht werden. Daniel schüttelte verständnislos mit dem Kopf. Er dachte wohl, ich würde aufgeben. Eigentlich müsste er mich besser kennen, aber vielleicht gab ich mich ja auch auf. Ich wusste es nicht. Für mich war es halt leichter, das Schlimmste anzunehmen, um damit leben zu können.

„Ich gehe schlafen. Kommst du alleine klar?“, fragte Daniel und erhob sich.

Ich nickte ihm aufmunternd zu und bestätigte: „Ich komme klar!“ Wie lange ich noch in den Nachthimmel sah, ich wusste es nicht, doch als ich wieder zu mir kam, ging die Sonne bereits auf. Ich dachte über mein Leben nach, na ja über die letzten sieben Jahre. Seit dem Tod meines Sohnes hatte sich so Vieles geändert. Ich war kurz davor gewesen, mich umzubringen, habe mehr als nur ein Volk vor den Goa’uld oder anderen Gefahren gerettet. Hatte neue Freunde gefunden. Thor, zum Beispiel, oder Jakob Carter alias Selmak. Sicher hatte General Hammond ihn schon verständigt und ihn um Hilfe gebeten. Ich ahnte, dass auch er nichts tun konnte, außer mir Mut einzureden. Doch noch einen Schönredner ertrug ich einfach nicht. General Hammond, Janet, Daniel, Teal’c, ja sogar Teal’c, hatten es versucht, ohne Erfolg. Ich wollte nicht mehr kämpfen. Was nützte es schon. Am Ende würde es dann sowieso darauf hinauslaufen, dass ich meine Beine nie wieder benutzten würde. Die Einzige, die nicht bei mir gewesen war, war Sam und das war auch gut so. Ich glaubte nicht, dass ich ihren Anblick ertragen hätte. Bald würden sie merken, dass ich weg war, sehr bald sogar und dann würden Daniel oder Janet ihnen sagen, wo ich war. Dann würden sie ankommen und reden wollen, mich fragen, wie es mir ging, ob ich irgendwelche Hilfe bräuchte und ich würde welche brauchen. Doch ich war auch zu stolz, um sie zu erbitten. Daniel wusste das und er würde mir helfen, er würde es einfach tun. Ich würde nicht fragen müssen, er würde es wie selbstverständlich halten und einfach weiter machen. Ich würde es genauso halten und mein Leben weiterführen, bis ich mich irgendwann vor Einsamkeit erschieße. Lange hatte ich keinen Sonnenaufgang auf der Erde mehr beobachtet. Ich liebte es einfach, wie sich das Blau der Nacht erst lila und dann rot färbte. Wie die Sonne hinter dem Horizont hervorbrach und einen neuen Tag einleitete. Die Sterne verblassten langsam, es wurde wärmer. Tau legte sich auf das Gras und die Blätter der Bäume und Sträucher. Es war ein herrlicher Morgen, so jung und voller ungeahnter Möglichkeiten. Voller Wunder. Doch heute würde kein Wunder passieren, das wusste ich. Vielleicht morgen, aber heute nicht.

 

Der Duft von heißem Kaffee stieg mir in die Nase, als ich mich schweren Herzens ins Haus zurück rollte. Daniel stand in der Küche und hantierte mit der Kaffeekanne herum. Er würde sich wahrscheinlich vor Schreck den ganzen heißen Kaffee über sich ergießen, wenn ich mich jetzt meldete. So sehr ich auch den Drang danach verspürte, ich tat es nicht. Er hatte mir geholfen und das so, dass ich nicht einmal darum bitten musste. Als er sich umdrehte und mich erblickte, lächelte er mir aufmunternd zu. Er hielt mir wortlos eine Tasse mit dem heißen Getränk entgegen und ich nahm sie dankend an. Seit ich Daniel kannte, hatte ich ihn nie so schweigsam erlebt. Wahrscheinlich war er erst nach einer Tasse Kaffee so aufgedreht wie sonst auch. Doch gestern hatte er auch nicht gerade viel gesagt. Ihn schien meine Verletzung mehr zu belasten als mich. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur Angst davor, etwas Falsches zu sagen. Ich jedoch genoss die Stille, die zwischen uns herrschte. Ich konnte für mich sein und war trotzdem nicht einsam. Mein Haus wirkte gleich viel kleiner und ich bemerkte, wie sehr mir Gesellschaft doch fehlte. Früher waren Sarah und Charlie immer um mich gewesen oder irgendwelche Soldaten in meinem Stützpunkt, doch jetzt war ich einsam, wenn ich mal nach Hause kam oder zum Fischen fuhr, was nicht allzu oft vorkam. Entweder es kam eine Mission dazwischen oder ich überlegte es mir einfach anders und ging lieber einen Trinken. Seit ich im Stargatecenter arbeitete, war ich fast nie alleine gewesen, ich hatte mich irgendwie daran gewöhnt. Besonders an Daniels Nähe, auch wenn er mich sonst immer mit seinen Theorien nervte. Ich ließ es ihm durchgehen und lernte erstaunlicherweise noch von ihm. Ich hatte doch tatsächlich einiges von seinem Geschwafel behalten. Nicht, dass es besonders viel war, aber es reichte.

„Gut geschlafen?“, brach ich endlich die Stille zwischen uns, auch wenn es lediglich eine Floskel war.

„Ja, ich sollte mir vielleicht auch so eines anschaffen.“, antwortete er lächelnd. Smalltalk, im Grunde hasste ich solche Unterhaltungen, aber ich hatte schließlich damit angefangen.

„Am besten kann man darauf mit jemanden..., ach nicht so wichtig. Grüß Teal’c, wenn du zurückfährst.“

„Und Sam.“, fügte Daniel herausfordernd hinzu. Ich wusste, worauf er hinaus wollte.

„Darüber hatten wir gestern doch schon gesprochen.“, versuchte ich das Thema zu beenden, scheinbar ohne Erfolg.

„Ja, nur versteh ich es immer noch nicht.“ Ich gab mich geschlagen.

„Meinetwegen, grüß sie auch!“ Was konnte schon groß passieren. Sie könnte ja nur hier auftauchen, was sie sowieso bald tun würde, sie würde mich dann mitleidig ansehen, versuchen mit mir darüber zu reden, ein paar aufmunternde Worte sagen, dieses ganze Spielchen halt. Doch ich hatte keine Lust auf Spielchen. Wenn sie nicht sagen wollte, was in ihr vorging, was zwischen uns war oder auch nicht war, dann konnte ich gut und gerne auf ihre Anwesenheit verzichten. Ich hegte zwar Gefühle für sie, genoss es, in ihrer Nähe zu sein, doch bedeutete das lange noch nicht, dass ich in sie verliebt war. Ich konnte es nicht sein. Ich wusste nicht, wie das ging. All die Jahre hatte ich gelernt, meine Gefühle tief in mir zu verstauen, einen Schutzwall um mich herum aufzubauen und auch sie würde ihn nicht einreißen, nicht so, wie er bei Janet zerbröckelt war. Ich wollte sie zu sehr, als das sie mich so hätte sehen dürfen.

„Übrigens Janet hat angerufen. Sie sagte mir, sie würde heute mal vorbeischauen. Gegen Mittag.“, wechselte Daniel nun endlich das Thema.

„Beschränkt eure Turteleien aber bitte auf ein Minimum, OK. Ich ertrage so etwas im Moment einfach nicht.“, meinte ich grinsend.

„Wovon redest du? Zwischen mir und Janet läuft nichts.“, versuchte er sich herauszuwinden. Ich hatte ihn jedoch schon durchschaut. Hätte Janet wirklich angerufen, wie er gesagt hatte, hätte ich es sicher klingeln gehört, aber es war ruhig gewesen, fast schon wieder zu ruhig.

„Ach, komm schon Daniel! Du hast sie doch angerufen. Zu mir sagte sie, sie würde erst übermorgen mal reinschauen. Außerdem tauscht ihr schon den ganzen Monat verliebte Blicke. Also, wer das noch nicht mitbekommen hat, ist echt blind.“ Er wollte gerade etwas erwidern, als ich ihm ins Wort fiel: „Und komm mir jetzt nicht mit Carter. Wir können uns wenigstens dahingehend beherrschen, dass wir uns nicht gegenseitig mit Blicken ausziehen.“

„Wenn du das sagst!“, war Daniels einzige Reaktion und: „Ich geh dann mal duschen.“ Eine Dusche hätte ich jetzt auch gut vertragen können, doch leider brauchte man Beine, um stehen zu können, Beine, die funktionierten. Es würde wohl noch viel geben, dass ich nicht mehr machen konnte, mal ganz abgesehen, von gehen, laufen und Treppe steigen. Ich würde mir ein ganz neues Haus anschaffen müssen, ohne zweiten Stock und ohne diesen wundervollen Garten, der jetzt schon fast verkam, würde sich mein Nachbar nicht um ihn kümmern. Dieser hatte zwar auch einen Garten, doch der war noch lang nicht so groß, wie der Meinige. Komisch, jetzt dachte ich an eine Grünfläche, wo ich doch für Gartenarbeit noch nie etwas übrig hatte. Ich wurde halt alt.

 

Der Tag war im Grunde ziemlich langweilig. Ich begann bereits Entzugserscheinungen zu bekommen, denn ich konnte an nichts anderes denken, als an das Stargate, wie es sich wie eine Blume in seiner ganzen Herrlichkeit entfaltete, um dann ruhig wie ein See nach einem heftigen Sturm dahin zu treiben, immer darauf wartend, dass jemand hindurch schritt. Ich hatte gewusst, dass es nicht einfach werden würde, aber dass es so an mir nagte. Natürlich schweiften meine Gedanken immer wieder ab. Der Ereignishorizont erinnerte mich fatal an Samantha Carters Augen, die mich so in ihren Bann gezogen hatten, wie es das Sternentor immer tat. Die gleiche Urgewalt war darin zu erkennen. Soviel Stärke und Mut, mehr als ich je aufbringen könnte. Ich hätte alles darum gegeben, jetzt bei ihr sein zu können und wenigstens so meinem Verlangen eine vorübergehende Verschnaufpause zu verschaffen, doch so konnte ich ihr unmöglich unter die Augen kommen. Das wollte ich uns beiden nicht antun. Deswegen war Daniel Jackson allein zur Basis gefahren, um mit General Hammond zu reden und ihm meinen Rücktritt schonend beizubringen. Danach wollte er noch einkaufen. Er meinte etwas wie: „Das, was du im Kühlschrank hast, kann man ja nicht essen.“ Und: „Ich werde dir zeigen, was gutes Essen ist.“ Als ob ich nicht selbst wüsste, dass ich mich vollkommen falsch ernährte. Fastfood und Pizza waren nun mal die einzigen Sachen, die ich abends, wenn ich nach Hause kam, noch zustande brachte. Es schmeckte auf jeden Fall besser, als der Fraß in der Kantine. Den konnte man nun wirklich nicht essen. Es klingelte an der Tür. Erst dachte ich, wes wäre Daniel, doch dieser hatte von mir einen Schlüssel bekommen, welchen er auch hundertprozentig eingesteckt hatte, ich hatte selbst genau aufgepasst. Dann erinnerte ich mich daran, dass Janet noch vorbeikommen wollte, doch es war gerade einmal elf Uhr morgens. Als ich die Tür öffnete, blickte ich in das Gesicht eines älteren Mannes, welcher mir wohl bekannt vorkam. Jakob Carter, Sams Vater und Wirt der Tok’ra. Wenn er hier war, konnte Sam auch nicht weit sein, doch sie war nirgends zu sehen. Das war ja wieder mal typisch für General Hammond, kaum trat ein Problemchen auf, holten er Jakob. Mir sollte es recht sein. Ich hatte schließlich schon damit gerechnet, dass er hier aufkreuzen würde. Irgendwie hatte ich jedoch keine große Lust, ihn hinein zu lassen, was ich dennoch tat. Mit ihm zu reden war immer noch besser, als hier allein herumzusitzen. So wurde ich wenigstens etwas abgelenkt.

„Komm rein!“, ließ ich mürrisch verlauten und rollte zur Seite.

„George hat mir erzählt, was passiert ist. Er dachte, ich könnte dir vielleicht helfen.“, meinte Jakob beiläufig. Hirnlose Konversation, um vom eigentlichen Thema abzulenken, mir sollte es recht sein.

„Habe ich mir fast gedacht. Wie geht es dir?“, sagte ich im selben Tonfall wie Jakob es tat. Mich interessierte nicht wirklich, ob er etwas ändern konnte, mir war es egal. Ich würde damit klarkommen, ich würde es verkraften. Wieso sich also unnötig Hoffnung machen. Das hatte ich nie getan, auch wenn es oft so aussah.

„Gut, obwohl Sam die ganze Situation ganz schön mitnimmt, besonders die Tatsache, dass du dich nicht verabschiedet hattest. Sie wartet übrigens draußen im Wagen.“ Oh, ein Wink mit dem Zaunpfahl, wirklich gut Jakob, aber nicht gut genug. Glaubte er echt, ich würde so vor sie treten? So würde ich ihre Anwesenheit nicht ertragen, ob ihr das nun das Herz brach oder nicht. So tat es nicht ganz so doll weh.

„Habe ich mir fast gedacht.“, entgegnete ich nur und öffnete dabei den Kühlschrank, um mir ein kühles Bier zu holen. Davon hatte ich ein Glück immer genug vorrätig. Ich bot Jakob auch eines an, doch dieser lehnte dankend ab. Jedem das seine. Es herrschte Schweigen. Entweder wartete er darauf, dass ich ihn fragte oder er überlegte, wie er es mir schonend beibringen sollte, dass auch er mir nicht helfen konnte. Was es auch war, ich hatte nicht vor, den ersten Schritt zu tun. Meinetwegen konnten wir uns den ganzen Tag anschweigen, ich hatte eh nichts Besseres vor.

„Ich hörte, du hast gekündigt.“, hakte Jakob nach. Noch mehr sinnlose Konversation. Meinetwegen.

„Ich bin im Ruhestand mit einer saftigen Rente.“, korrigierte ich ihn und nahm einen Schluck aus meiner Flache. Wir hatten uns inzwischen auf die Veranda zurückgezogen. Die Sonne schien warm auf die Erde herab und das Gras leuchtete Grün. Der Tau vom Morgen war verschwunden und die Blüten der Blumen waren aufgegangen. Ein Bild für die Götter bat sich uns. Vögel zwitscherten in den Ästen der Bäume und verhießen einen angenehmen Tag. Ich würde jetzt viel Zeit haben, um den Garten zu pflegen und die Sonnenauf- und Untergänge zu bewundern. Zu viel Zeit für meinen Geschmack. Oft hatte ich es mir gewünscht, nur um mit Sam zusammen sein zu können, doch jetzt, wo es wahrscheinlich keine andere Wahl mehr gab, war es irgendwie trostlos und leer. Es hatte den Reiz verloren. Noch vor drei Jahren hatte ich es genossen, allein zu sein, aber es war zuviel passiert, um jetzt noch ruhig sitzen bleiben zu können.

„Sam würde dich gerne sehen.“, überlegte Jakob laut. Ich sah ihn nicht an, obwohl ich mich förmlich dazu zwingen musste. Ich konnte mir denken, wie sein Gesichtsausdruck aussah. Traurig und irgendwie betrübt. Er wusste, wie es um uns stand, er ahnte es zumindest. Ich hätte nur nie gedacht, dass er es gutheißen würde. Er als Samanthas Vater hätte doch viel lieber jemanden wie Martouf oder Daniel an Sams Seite gesehen, nicht so einen sarkastischen Vollidioten, wie ich einer war. Nun gut, ihn mag es ja nicht weiter stören und auch jeden anderen nicht, doch mich wurmte es geradezu. Ich würde ihr nur immer und immer wider wehtun. Mal ganz abgesehen von diesem Rollstuhl war ich nicht gerade pflegeleicht. Ich war stur, oft ziemlich egoistisch und immer leicht gereizt. All meine Liebe konnte das nicht aufwiegen. Bei Sarah war es doch auch nicht anders gewesen. Ich hatte mir immer vorgemacht, dass es eine heile Welt war, in der ich gelebt hatte, doch wir stritten uns im Grunde laufend, sei es nun um Charlies Erziehung oder meine Arbeit. Genauso würde es mit Sam laufen, das wusste ich sofort. Ich hatte es immer gewusst und deswegen meine Triebe zurückgehalten. Ich durfte ihr das nicht antun, dafür bedeutete sie mir zuviel.

„Ich weiß. Sicher laufen wir uns irgendwann mal über den Weg.“, wehrte ich ab und wechselte das Thema: „Und jetzt sag mir endlich, was los ist. Du bist schließlich nicht wegen Carter hier.“

„Doktor Fraiser hat mir alles erklärt. Ich könnte die Schwellung schneller abklingen lassen, doch wenn die Nerven wirklich geschädigt sind, könnte ich trotzdem nichts machen. Nur ein Sarkophag oder ein Symbiont könnten dir noch helfen. Vielleicht haben auch die Nox oder Asgard eine Lösung parat, schließlich konnten sie euch wiedererwecken und sind uns sowieso weit überlegen.“ Ein kläglicher Versuch meines Freundes, mir Mut zu machen. Ironie des Schicksals. Diejenigen, die ich verabscheute, könnten mir helfen. Als ob ich freiwillig ein Wirt werden würde. Ich dachte ja gar nicht dran. Lieber saß ich ewig in diesem Rollstuhl fest. Und das mit der Heilung der Schwellung konnte er auch gleich knicken. Ich hatte nicht vor, ihnen jetzt schon die Hoffnung zu nehmen, Hoffnung, die ich nicht besaß.

„Nein!“, war alles, was ich dazu sagte. Mehr war nicht nötig, meines Erachtens jedenfalls nicht.

„Nein? Jack, willst du es denn nicht einmal versuchen?“, stieß Jakob empört hervor.

„Nein!“ Ich rollte zurück ins Haus, ließ ihn einfach draußen sitzen. Ich wollte mich nicht rechtfertigen, es war schließlich mein Körper, meine Entscheidung. Niemand hatte sie anzuzweifeln. Eine reelle Chance würde ich in Erwägung ziehen, doch nicht ein vorzeitiges Aus. Lieber ließ ich alle im Ungewissen. Plötzlich durchfuhr mich ein stechender Schmerz. Er kam genau aus meiner Wirbelsäule in der Bandscheibengegend. Dort, wo die Schwellung war. Ich konnte es nicht unterdrücken und stöhnte laut auf oder schrie ich sogar. Er war auf einmal so unendlich betäubend, dass ich fast das Bewusstsein verlor. Ich hatte die Augen geschlossen, kämpfte mit dem Schmerz und versuchte, ihn irgendwie zu unterdrücken. Jakob war auf einmal neben mir und ich konnte nur noch einen Namen herauspressen, denn zu mehr war ich im Moment nicht im Stande: „Janet!“ Jakob schnappte sie sofort das Telefon und rief sie an.

 

„Gleich wird es ihnen wieder besser gehen, Sir.“ Janet rammte mir förmlich eine Spritze in den Rücken, obwohl es mir wahrscheinlich nur so vorkam. Der Schmerz ließ allmählich nach und ich konnte wieder halbwegs klar denken. „Ich hatte beinahe befürchtet, dass das passieren könnte. Einer der Nerven in ihrem Rückrat schien noch intakt zu sein und als die Schwellung ihn zusammendrückte, waren diese Schmerzen die Folge.“

„Und wieso hatte er gestern Abend keine Schmerzen?“, hakte Daniel nach. Er war mit ihr mitgekommen und saß nun neben mir auf der Couch, auf welcher ich lag. Erst jetzt merkte ich, dass ich seine Hand vor Schmerz fast zerquetscht hatte und ließ los. Dankbar sah ich ihn an und er gab mir zu verstehen, dass es nicht weiter wild war. Ich wollte auch gern wissen, warum das auf einmal so war.

„Anscheinend hat sich die Wirbelsäule zu sehr zusammengestaucht, da sie wahrscheinlich die ganze Nacht wach waren und die ganze Zeit saßen. Ihr Rücken war einfach nicht daran gewöhnt. Sie sollten sich schonen, das hatte ich ihnen doch gesagt.“, antwortete Janet Fraiser mit einem grimmigen Blick zu mir. Ich zuckte nur mit den Schultern. Dann war ich eben Schuld, was machte das schon. Ich war es schließlich auch gewesen, der diese Schmerzen hatte ertragen müssen und hier im Rollstuhl saß.

„Wäre es dann nicht besser, die Schwellung abklingen zu lassen?“, fragte Jakob scheinheilig. Dieser hinterlistige Fuchs hatte doch wirklich vor, mich gegen meinen Willen einer solchen Behandlung zu unterziehen. Janet würde ihm auch sicher noch zustimmen, es für äußerst sinnvoll erachten und mich wahrscheinlich höchstpersönlich irgendwo festbinden, damit ich nicht versuchte, zu fliehen. Als ob ich das könnte. Ich würde keine drei Meter weit kommen. Sollte ich es über mich ergehen lassen? Sollte ich ihre Hoffnungen zerstören? Ich sah in die Runde, sah die Gesichter, die versuchten, nicht traurig zu wirken und spürte, dass sie sich mit letzter Kraft an einen Strohhalm klammerten. So wollte ich nicht enden, so konnte ich nicht enden. Ich durfte ihnen das nicht antun, sie nicht enttäuschen, noch nicht. In ein paar Tagen, würde die Sache anders aussehen, auf jeden Fall hoffte ich das.

„Es würde ihm eine Menge Schmerzen ersparen und sicher würden wir viel schneller einen Befund haben. Wenn also unser Colonel damit einverstanden ist, können wir gleich beginnen. Ich habe das Heilungsgerät dabei.“ Janet sah mich erwartungsvoll an. Ich wusste, ich würde nicht ohne ein Ja davonkommen. Wieder zuckte ich nur mit den Schultern und bettete meinen Kopf wieder auf meinen Armen. Sollten sie doch machen, was sie wollten. Mich kümmerte es nicht. Vor morgen früh hatte ich eh nicht vor, wieder aufzustehen. Ich spürte, wie sie mich heilten, wie auch der letzte Schmerz aus meinem Rücken verschwand. Es war ein warmes und wohliges Gefühl. Ich fühlte mich auf einmal unendlich müde. Die Stimmen um mich herum wurden immer leiser, ich schloss meine Augen und ließ es einfach geschehen, ließ mich in einen traumlosen Schlaf fallen. Oder hatte ich doch geträumt? Wenn ja, konnte ich mich nicht mehr daran erinnern.

 

Als ich gegen Abend erwachte, musste ich feststellen, dass alle gegangen waren. Alle bis auf einen. Ich hörte jemanden in der Küche und sofort wusste ich, wer sich dort an meinem Herd zu schaffen machte. Daniel. Er wollte ja für uns kochen, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob ich das auch essen konnte. Auf jeden Fall duftete es hervorragend. Lasagne. Ich erkannte den Duft sofort. Ich liebte dieses Gericht aus Nudeln, Tomatenmark, Cremefrech und Hackfleisch. Ich behielt eine Weile die Augen geschlossen, wollte diesen Augenblick einfach nur genießen. Wie oft hatte man denn schon das Glück von einem Freund bekocht zu werden. Früher hatte Sarah oder ich das manchmal gemacht, wenn der andere lange arbeiten musste oder ich einige Zeit weggegessen war. So als kleine Geste des schlechten Gewissens. Sie hatte dann immer vergessen mit mir zu streiten, wenigstens für diesen Abend. Meist endeten sie mit einer leidenschaftlichen Nacht. Sex war so gut wie das Einzige, das zwischen uns funktionierte, wo wir uns einig waren. Ich erinnerte mich noch genau an unser erstes Mal. Unsere Küsse waren so schüchtern gewesen, denn wir beide wussten, worauf der Abend hinauslief. Ich hatte eine Berghütte gemietet, die, in der ich oft war, wenn ich nachdenken wollte. Im Kamin flackerte das Feuer und tauchte den ganzen Raum in ein schummriges Licht. Wir hatten es uns mit einem Glas Wein und einer Decke auf dem Fußboden bequem gemacht und die Holzscheide beobachtet, wie sie langsam vor sich hin brannten. Wir redeten nicht viel, aber als sich unsere Blicke dann trafen, war es um uns beide geschehen. Ich hatte sie sanft an mich gezogen und begonnen, sie zu küssen. Meine Hände hatten sich verselbstständigt, fuhren durch ihr dichtes Haar unter ihren flauschigen Pulver und streichelten ihre ach so zarte Haut. Langsam entkleideten wir uns gegenseitig, ich presste meine begierigen Lippen auf jede Stelle ihres Körpers bis sie mich zwang, ihr in die Augen zu sehen. Erst dann erkannte ich meist, wer eigentlich da unter mir lag. Das war immer die Stelle, wo sich Erinnerung und Phantasie vermischte, denn ich hielt nicht länger Sarah, sondern Samantha Carter in meinen Armen. Die Frau, mit der ich nur zu gern etwas anfangen wollte. Ich zwang mich zur Vernunft, versuchte ihr Bild aus meinem Kopf zu verbannen, so wie ich es schon so oft an diesem Tag versucht hatte. Dennoch wollte es nicht funktionieren, nicht dieses Mal. Ich hatte wieder begonnen, sie leidenschaftlich zu küssen und ihr dabei den Slip auszuziehen. Sie stöhnte leicht unter meinen Berührungen, bis ich in sie eindrang und sie zum Höhepunkt brachte. Ein Teil von mir sagte mir, dass es nie so weit kommen würde, doch der andere legte es geradezu darauf an. Ich riss mich mit letzter Kraft zusammen. Ich konnte froh sein, dass Daniel hier war und nicht Carter, ich hätte mich wohl kaum beherrschen können. In vielerlei Hinsicht nicht. Der Duft der Lasagne wurde intensiver. Ich öffnete zögernd die Augen und kehrte damit in die Realität zurück. Ich wollte Daniel schon für diese Köstlichkeit danken, als ich sah, wer sich da wirklich zu mir setzte. Das blonde, kurze Haar, die blauen, leuchtenden Augen und das unsichere Lächeln auf den Lippen. Samantha saß nur einige Zentimeter von mir entfernt auf meiner Couch und sah mich an. Hätte ich aufspringen können, ich hätte es getan. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich sah sie einfach nur an. Was zum Teufel wollte sie hier?

„Ich hoffe, du magst Lasagne. Daniel hatte bereits eingekauft und musste dann aber weg. Es macht dir hoffentlich nichts aus, dass ich dir etwas Gesellschaft leiste.“, brachte sie zögernd und in der Erwartung, rausgeworfen zu werden, hervor. Ich riss mich wieder zusammen, sah ich uns doch abermals wild knutschen.

„Schon OK. Hätte mir eigentlich denken müssen, dass Janet ihre Anatomiestudien an Daniel gerne weiter vertiefen würde. Im wahrsten Sinne des Wortes.“, gab ich sarkastisch zurück und baute wieder die Mauer der Unnahbarkeit um mich herum auf. Ich durfte ihr einfach nicht zeigen, wie sehr ich sie wollte. Ich setzte mich auf, so gut es eben ging und betrachtete das Essen. Es sah einfach göttlich aus. Hätte ich gewusst, dass sie so gut kochen konnte, hätte ich mich wahrscheinlich schon früher mal bei ihr zum Abendessen eingeladen. Es war ja nicht so, dass sie mich fragen würde. Sie hatte ja auch keinen Grund dazu. Sie war es schließlich nicht, die hier scharf auf mich war, auch wenn sie angeblich mehr für mich empfand, als angebracht. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, ich sah es genau und tadelte mich selbst für meine heimlichen Blicke. In ihren Augen war nicht wie angenommen Mitleid und Traurigkeit zu sehen gewesen, sondern lediglich Sorge. Sie war mir anscheinend nicht böse, doch bei Carter wusste man nie. Sie wusste genauso gut zu schauspielern wie ich. Wir schwiegen während wir aßen. Keiner wagte die Stille zu stören, die zwischen uns herrschte. Keine beklemmende Stille, wie sie manchmal über einen kam, wenn man alleine war, sondern eine wohltuende Ruhe, die einen nicht allein sein und trotzdem Raum zum Nachdenken ließ. Ich genoss es, einfach neben ihr zu sitzen und sie neben mir zu spüren. Das war alles, was ich brauchte. Am Liebsten hätte ich jetzt Musik angemacht und einfach mit ihr getanzt, doch ich konnte meine Beine immer noch nicht bewegen. Ich fragte mich, welche Diagnose Janet wohl gestellt hatte, ob ich wieder laufen könnte oder nicht. Bis jetzt spürte ich jedenfalls noch nichts. Aber wahrscheinlich war sie noch genauso ratlos wie ich. Carter hätte sicher auch schon etwas verlauten lassen. Ich kannte sie einfach zu gut. Schlechte Nachrichten konnte sie einfach nicht geheim halten, genauso wenig gute. Es war also noch alles offen. Auch wenn nicht, ich beließ es einfach dabei.

„Wieso haben sie nicht auf wieder sehen gesagt?“, platzte es plötzlich aus Samantha heraus, als hätte sie die Frage nicht länger zurückhalten können. Ich wusste, dass das irgendwann kam, ich hatte nur gehofft, dass es nicht so bald sein würde. Wie sollte ich ihr erklären, dass es zu ihrem Besten war, wenn sie es für das Schlimmste hielt, was ich ihr antun konnte.

„Ich konnte nicht.“, war alles, was ich herausbrachte.

„Du konntest nicht. Ich wusste nicht, dass auch deine Stimme gelitten hatte.“, gab sie zynisch zurück. Sie war jetzt sichtlich sauer. Ich hatte mit so etwas gerechnet, also war ich nicht allzu verwundert, als sie es aussprach.

„Es war besser so. Für uns beide. Du hättest nicht herkommen sollen. Ich wollte nicht, dass du mich so siehst.“, gab ich ruhig zurück. Auch wenn ich wollte, ich konnte sie nicht anlügen.

„Aber bei Daniel und den anderen war das kein Problem, was?“ Ihre Stimme klang noch anklagender als vorher. Es zerriss mir fast das Herz. Ich hatte sie verletzt und dass in mehr als nur einer Hinsicht. Ich war nicht nur ohne ein Wort gegangen, ich hatte sie ausgeschlossen, sie spüren lassen, dass sie mir nicht helfen konnte und sie mit sich allein gelassen. Dennoch konnte sie sich nicht mit Daniel vergleichen. Sie waren so unterschiedlich, allein, was meine Gefühle zu ihnen anging. Daniel war mein bester Freund, er verstand mich und er akzeptierte, dass ich so war, wie ich nun einmal war. Sam hingegen versuchte immer mit mir darüber zu reden, dabei war sie das Problem, das war sie immer gewesen, das würde sie immer sein. Ich fühlte mich zu ihr hingezogen, doch das konnte ich nicht sagen, jetzt noch weniger als vor meinem Unfall.

„Das ist etwas anderes. Er kennt mein Problem, er versteht mich. Du nicht.“

„Und welches ist dein Problem?“, hakte sie ungeduldig und gereizt nach. Irgendwann musste sie es wissen, besser jetzt als später.

„Du. Du bist mein Problem. Ich kann nicht mit dir über Dinge reden, die dich betreffen. Besonders, wenn es um meine Gefühle für dich geht.“, antwortete ich und es klang sogar etwas Verzweiflung in meiner Stimme mit, was ich zu unterdrücken versucht hatte.

„Versuch es doch mal.“ Ihre Stimme klang jetzt ruhiger, als würde sie beinahe verstehen, was ich meinte. Ging es ihr etwa genauso? Sicher nicht. Wieso auch. Wer war schon so blöd und verliebte sich in mich? Klar, die Frauen, die mich nicht kannten, aber Carter wusste zuviel über mich, um so naiv zu sein.

„Das würde alles nur noch komplizierter machen.“, gab ich offen zu. „Als ob es das nicht so schon ist. Ich meine, dich zu sehen und dich nicht berühren zu können, tut mir immer wieder aufs Neue weh. Ich bin einfach verrückt nach dir. Und jetzt, wo du es weißt, solltest du gehen, bevor ich mich vergesse.“ Ich schallte mich im selben Augenblick dafür, dass ich es überhaupt gewagt hatte, das auszusprechen. Ich hatte mich doch vollkommen blamiert, mich bloßgestellt und sicher würde sie mich jetzt noch mehr hassen, weil ich es ihr gesagt hatte. Ich, ihr Vorgesetzter, ihr Colonel und einer ihrer besten Freunde. Ich würde sie für immer verlieren, aber es war wahrscheinlich sogar besser so. Für alle. Wenn auch nicht für uns.

„Und was ist, wenn ich nicht gehe? Was ist, wenn ich das Selbe fühle und keine Lust habe mich mehr zu verstecken? Was ist, wenn ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen würde? Was wäre dann?“ Hatte ich mich grade verhört. Nein, das konnte nicht sein. Das war ausgeschlossen. Sie konnte doch ernsthaft nicht so dumm sein und sich in mich verliebt haben. Mal ganz abgesehen von meinem Handicap war ich ein Vollidiot. 

„Dann müsste ich dich rauswerfen, wenn ich das überhaupt kann.“ Welch eine Ironie. Ich, der Schrecken aller Goa’uld, derjenige, der Ra tötete und viele andere mehr, der es gewagt hatte, eine Sonne zu sprengen, wenn ich mit etwas Hilfe, und der von den Toten auferstanden war, schaffte es nicht einmal, eine Frau aus meiner Wohnung zu schmeißen. Keine gewöhnliche Frau, aber dennoch nur eine Frau.

„Dann wirst du es wohl versuchen müssen, denn ich werde nicht gehen. Ich habe Daniel und Janet versprochen, bei dir zu bleiben. Allein schon, um zu sehen, ob du etwas spüren kannst oder nicht. Und ich werde nicht eher gehen, bevor du nicht wieder mit beiden Beinen auf dem Boden stehst und mich rauswerfen kannst.“ Wieso musste sie nur immer so stur sein? Sie glaubte wirklich, ich würde wieder laufen können. Sie war wirklich naiver als ich dachte.

„Na dann! Bad und Schlafzimmer sind oben. Viel Spaß.“ Ich zwängte mich in meinen Rollstuhl, ohne sie auch nur einmal anzusehen. Sie hätte mich dann wohl bestimmt gefragt, ob sie mir helfen sollte, doch so, verkniff sie es sich. Ich brauchte keine Hilfe, nicht bei so etwas. Ich hatte oft genug ein gebrochenes Bein oder sogar zwei, dass ich wusste, wie man damit umgehen musste. Ich konnte sogar kleine Kunststücken, doch mir war nicht danach, sie vorzuführen. Mir war in der ganzen Zeit nicht danach gewesen. Wahrscheinlich, weil ich noch genügen Zeit haben würde. Ich machte einen Umweg über die Küche, um mir ein Bier zu holen, dann fuhr ich nach draußen. Ohne es wirklich zu realisieren hatte ich zwei mitgenommen. Wollte ich etwa insgeheim, dass sie sich zu mir setzte oder hatte ich einfach nur vor, mich wieder einmal zu besaufen. Wohl eher Letzteres.

Als sie sah, wohin mich mein Weg führte, rief sie mir hinterher: „Vergiss nicht, was Janet sagte. Du sollst dich schonen.“ Bla, bla, bla! Als ob ich auf Janet hören würde. Sie war auch nur eine Ärztin. Was konnte sie schon großartig tun, mich verklagen?

„Die Schwellung ist weg, ich scheiß auf das, was Janet gesagt hat.“, entgegnete ich ebenfalls rufend und verschwand dann auf die Veranda.

 

Erst jetzt stellte ich fest, dass ich immer hier war, wenn ich mal eine Nacht zu Hause verbrachte. Ich liebte den Ausblick. Die Sonne war gerade untergegangen und am Horizont hatte der Himmel noch eine lila Färbung. Die Sterne zeichneten sich deutlich vom nächtlichen Blau des Firmamentes ab. Ein leichter Wind wehte, doch er war warm und so fror ich selbst in meinem T-Shirt nicht. Gestern war es kälter gewesen. Man merkte, dass es Sommer wurde. Ich öffnete mein Bier und nahm einen großen Schluck. Im Haus wurde meine Stereoanlage angeschaltet und zu allem Überfluss mussten sie auch noch Backstreet Boys spielen. Als ob ich nicht schon genug leiden musste. Ich kannte es: „Show me the meaning of being lonely“ Ich kannte nur zu gut die Gefühle, die sie darin beschrieben und Sam höchstwahrscheinlich auch, sonst hätte sie es nicht lauter gedreht. Charlie. Ich erinnerte mich noch genau an sein erstes Baseball-Spiel, seine erste Niederlage und seinen ersten Sieg. Wie hatte er sich gefreut. Sie waren so aus dem Häuschen gewesen, dass ich erst alle zu einem Eis einladen musste, damit sie endlich ruhig im Minivan saßen. Dementsprechend sahen auch die Sitzpolster aus und ich musste ihn wieder abgeben. Ich habe fast den ganzen Tag gebraucht, um die Eisflecken aus dem Stoff zu bekommen und wer hatte mir geholfen, keiner. Nicht mal Sarah. Sie hatte nur daneben gestanden und gelacht. Ich nahm es ihnen aber nicht übel. War schließlich meine Schuld, dass ich mich bereiterklärt hatte, sie zu fahren und das an meinem einzigen freien Tag in diesem Monat. Früher war mein Leben geregelter gewesen. Ich wusste, wann ich frei hatte und es kam nur selten etwas dazwischen. Seit ich jedoch im Stargatecenter angefangen hatte, suchten sich unsere Gegner sowohl Verbündeten immer meinen Urlaub aus, um uns zu nerven. Aber was sollte man sich aufregen, es war schließlich mit Abstand das Einzige, was ich zu tun hatte. Alleine angeln gehen, war schließlich auch nicht das Wahre. Am Meisten vermisste ich, dass nicht mit Charlie machen zu können. Genau wie ich liebte er angeln. Er saß oft schon früh am Morgen am Ufer des kleinen Sees in der Nähe unseres Campingplatzes und angelte. Ich wusste, warum er das tat. Nicht, weil die Fische um diese Uhrzeit besser bissen, sondern weil ihm gefiel, wie die Morgenröte auf der Wasseroberfläche tanzte und die ersten Sonnenstrahlen wie an einem Spiegel zerbrachen. Es war dann nicht mehr länger Wasser, welches dort vor sich hin floss. Es waren Diamanten, unzählige und sie waren nur dazu geschaffen, um bewundert zu werden. In diesem Anblick hatten wir uns schon so manches Mal verloren. Nur noch leise hörte ich die Klänge der Musik. Sie schienen um diese Uhrzeit nur solche verdammten Lieder zu spielen, denn es folgten „Dangerous mines“ von Snopp Dogg, „Without you“ von was weiß ich und viele mehr. Wenn das eine CD war, dann musste Sam oft traurig sein. Vielleicht sollte ich mir auch so eine besorgen. Ich könnte sie gut gebrauchen. Andererseits war es in solchen Stunden nicht gerade angebracht, allein zu sein. Man kam dann immer so schnell auf dumme Gedanken, wie sich das Hirn wegpusten, zum Beispiel. Nicht, dass Sam je auf solch eine Idee gekommen wäre, aber ich hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt. Besonders nach Charlies Tod, aber auch schon davor. Als ich zum Beispiel mit ansehen musste, wie meine besten Freunde im Golfkrieg starben oder als ich am Krankenbett meines Vaters gesessen hatte. Ich war damals nicht älter als Elf gewesen, als mein Vater diesen Autounfall gehabt hatte. So ein betrunkener Saftsack war im frontal ins Auto gekracht. Er war jedoch mit einem blauen Auge davon gekommen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn mein Bruder hatte ihm aus lauter Wut fast verprügelt. Das war schon immer die Art gewesen, wie wir mit unserer Trauer klarkamen. Mein Bruder schlug die Säufer und ich trat dafür den Goa’uld in den Arsch. Mit Dads Tod verlor ich zugleich meinen besten Freund, meinen Bruder. Er musste meinen Vater ersetzten und vergaß darüber, dass er selbst noch ein halbes Kind war. Er hatte mich immer vor den älteren Jungs aus der Schule beschützt, hatte mir soviel beigebracht und war immer für mich da gewesen, wenn ich ihn gebraucht hatte. Ich konnte mich kaum noch an ihn erinnern, doch einmal, das wusste ich noch ganz genau, hatte er die halbe Nacht mit mir an meinem Physikprojekt gearbeitet. Ich hatte damals schon nicht sehr viel für Mathematik übrig. Mir waren Sport und fernsehen einfach wichtiger. Ben hingegen war ein Genie, egal worum es ging. Er bekam fast nur Einsen. Sam würde ihn wirklich sehr mögen. Das erste Bier war alle und irgendwie hatte ich keine große Lust, mein Zweites alleine zu trinken, also rollte ich wieder in die Wohnung. Sam lag auf der Couch und las. Oder nein, sie war eingeschlafen. Ich musste unwillkürlich schmunzeln. Ich wäre wahrscheinlich auch bei einem solchen Buch eingeschlafen. Ich sah auf den Umschlag. „Die Schatzinsel“ Ich hatte etwas Anspruchsvolleres von ihr erwartet, aber von mir nicht. Das Buch gehörte nämlich mir. Genauer gesagt gehörte es Charlie. Er hatte es von mir zu seinem zwölften Geburtstag bekommen. Es war das einzige Buch gewesen, das ich freiwillig und bis zum Ende gelesen hatte. Ich nahm es ihr vorsichtig aus der Hand, wollte ich sie doch nicht wecken und deckte sie dann mit einer Decke zu. Sam würde nicht frieren, draußen war es ja warm und sie hatte auch so genügend an. Sanft streichelte ich ihr über die Wange. Ich musste sie einfach berühren. Ihre Haut war so zart und weich, anders als Sarahs. Sie war jung und so voller Leben. Vielleicht war Sarahs Haut auch mal so gewesen, aber das war dann schon lange her und ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. An so Vieles konnte ich mich nicht mehr erinnern, sosehr hatte ich die Erinnerungen aus meinen Gedanken verdrängt. Ich wusste nicht mehr, wie Dads oder Charlies Stimme klang, was sie am Liebsten gegessen hatten oder wie sie lachten. Ich glaubte sogar, dass es dasselbe Lachen war, doch konnte ich mich einfach nicht mehr erinnern. Vielleicht wollte ich es auch nicht. Ein Schutzmechanismus musste all das zurückhalten, wie auch die Bilder ihres Todes, obwohl ich diese noch manchmal sah. Charlie in seinem eigenen Blut, von meiner Waffe erschossen in unserem Schlafzimmer und Dad blass in den weißen Laken des Krankenhauses, als sein Herz aufhörte zu schlagen und nur noch ein Piepton mein Wimmern übertönte. Mir war nach Weinen zumute, doch anscheinend hatte ich verlernt, wie das ging. Ich öffnete das zweite Bier, welches ich nun doch alleine trinken musste und beobachtete Sam beim Schlafen. Ab und zu bewegte sie sich oder murmelte im Schlaf vor sich hin. Einmal vernahm ich sogar meinen Namen. Sie nannte mich mal nicht Colonel oder Sir, sondern einfach nur Jack. Mein Name klang so fremd aus ihrem Mund. Ich hatte mir oft gewünscht, ihn von ihr zu hören, doch jetzt, wo sie ihn aussprach, lief mir ein Schauer über den Rücken. Vielleicht lag es auch an dem Bier, von welchem ich zur selben Zeit einen Schluck genommen hatte.

 

Als auch dieses alle war, rollte ich ins Bad. Unten war ebenfalls eines, was es für mich durchaus einfacher machte. Ich ertränkte mein Gesicht in kaltem Wasser, um den letzten Funken Müdigkeit aus meinem Körper zu verbannen. Ich wollte nicht schlafen. Ich konnte nicht schlafen. Sam lag schließlich auf meiner Couch. Langsam wurden meine Gedanken wieder klarer und die Traurigkeit aus meinen Augen verschwand. Als ich in den Spiegel sah, der an der Wand hin, erschrak ich fast zu Tode. Wie sah ich nur aus. Ich konnte doch wohl kaum der abgemagerte, ungewaschene und unrasierte Mann dort im Spiegel sein, mit Augenringen tiefer als der Grand Canion und mit vollkommen zerzaustem Haar. Das letzte Mal, als ich so ausgesehen hatte, war ich drei Tage im Jungle eingeschlossen gewesen, eh mich meine Männer da raus holten. Ich hatte damals keine Zeit zum Schlafen gehabt und essen war auch nie genügend vorhanden gewesen, um einigermaßen satt zu werden. Aber ich hatte es überlebt und das allein deswegen, weil ich nach Hause wollte, zu meiner Familie, zu meiner schwangeren Frau und meinem ungeborenen Baby. Ich wusste, ich konnte so nicht weiter machen. Ich musste etwas ändern. Doch ich wusste nicht, was. Ich hatte keine Hoffnung auf Heilung und war immer noch im Ungewissen, ob ich wieder laufen können würde oder nicht. Ich musste es einfach herausfinden. Ich sah auf die Uhr. Es war schon nach elf. Ich hatte keinen Schimmer, ob Janet noch wach war und wenn ja, ob sie es nicht gerade hemmungslos trieben. So eine Abwechslung hätte ich wohl auch gut gebrauchen können. Vielleicht sollte ich George bitten, mich zu den Auserwählten zu schicken. Die würden sich sicher freuen, mich wieder zu sehen. Besonders eine. Dort würde ich sicher auch Sam vergessen können, hoffte ich zumindest. Erst wollte ich jedoch Gewissheit haben. Janet arbeitete morgen wieder, das wusste ich genau. Ich würde sie morgen früh gleich aufsuchen. Ich hoffte nur, sie hatte nicht vor, ihre Doktorspielchen auch noch an ihren Arbeitsplatz zu verlegen. In Daniels Büro sollten sie es meinetwegen treiben, das betrat ich eh nur selten, aber wenn ich mir vorstellte, dass sie es auf einem Krankenbett... nein, dass wollte ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Ich begann erst einmal, mich zu rasieren, dann ließ ich mir Wasser ein, zog mich aus und stieg in die Wanne. Das war an sich nicht das Problem, nur wieder raus zukommen, war etwas anderes. Ein Glück hatte ich alles Behinderten freundlich eingerichtet. Man wurde schließlich auch nicht jünger. Das heiße Wasser umspielte sanft meinen Körper. Ich setzte mir die Walkmankopfhörer auf und vergaß für einen Moment alles um mich herum. Bush mit „Chemicals between us“ drang aus den kleinen Lautsprechern und die Klänge strömten auf mich ein. Ich hätte das schon gestern machen sollen, doch ich hatte ja nicht wissen können, wie entspannend es doch war. Ich schloss die Augen und ging ganz in der Musik unter. Kein anderes Geräusch drang zu mir heran. Es hätte eine Schiesserei geben können, ich hätte es nicht einmal gemerkt. Als die Wanne bis zum Rand voll war, stellte ich den Wasserhahn ab. Das Wasser war fast schon wieder zu heiß. Ich spürte es am ganzen Körper, es heizte ihn auf und reizte meine Haut bis aufs Äußerste. Ich spürte es sogar an meinen Beinen. Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte, es habe etwas zu bedeuten. War das etwa ein Anzeichen, dass ich wieder laufen könnte. Vorher hatte ich nie etwas gespürt, auch nicht, als ich mir ausversehen den heißen Kaffee über die Beine gegossen hatte. Doch jetzt spürte ich etwas. Ich versuchte, sie zu bewegen, nur ein bisschen, vielleicht auch nur einen der Zehn, doch es gelang mir nicht. Ich zwang mich zur Geduld, schöpfte doch tatsächlich Hoffnung. Doch was, wenn das kein gutes Zeichen war. Ich musste erst mit Janet reden, doch jetzt war es zu spät. Sie hatte zwar gesagt, ich könne sie jeder Zeit anrufen, doch ich wusste, dass ich das nicht wirklich in Anspruch nehmen musste. Morgen würde alles anders aussehen. Vielleicht bildete ich mir das alles auch nur ein. Woher wusste ich das schon. Ich verdrängte den Funken Hoffnung, erstickte ihn im Keim, damit ich nicht enttäuscht wurde. Sam würde ich davon wohl nichts sagen. Sie würde sich nur unnötig Hoffnung machen. Ein einzelner Vers erregte meine Aufmerksamkeit. „Silence is not the way. We need to talk about it. Haven is on the way.“ Vielleicht sollte ich wirklich mit Sam über die ganze Sache reden. Deswegen ist sie sicherlich auch hier. Sie macht sich Sorgen um mich und ich habe nichts Besseres zu tun, als mich Selbst zu bemitleiden. Wie tief bin ich nur gesunken? Aber ich hatte schließlich auch das gute Recht dazu. Oder etwa nicht? Ich hatte auch Verantwortung ihr gegenüber, ich war ihr Freund, ihr Vorgesetzter, eine Liebe in ihrem Leben. Doch ich Idiot hatte sie verletzt. Wahrscheinlich vermasselte ich gerade alles, als ob es nicht schon kompliziert genug wäre. Immer, wenn ich sie sah, schlug mein Herz schneller und meine Hände begannen zu schwitzen. Was natürlich kein Anzeichen dafür war, dass ich sie liebte. Ich begehrte sie, zugegeben, aber lieben. Das wäre von mir zu viel verlangt. Nie hatte ich eine Frau lieben können, wieso sollte es gerade bei Samantha, meinem Major, meiner besten Freundin, anders sein. Es war halt das Verbotene, das mich anzog, mehr nicht. Ich versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren und später mit ihr zu sprechen. Fast eine Stunde später hievte ich mich aus der Wanne. Ich fand, ich hatte genug Zeit verschwendet und zuviel Reinlichkeit war auch ungesund. Ich zog mir frische Sachen an, nachdem ich mich abgetrocknet hatte und öffnete die Badezimmertür. Dabei stieß ich mir das Knie und fluchte natürlich gleich laut auf, aber leise genug, damit Sam mich nicht hörte und vielleicht noch wach wurde. Erst hinterher wurde mir richtig klar, woher der Schmerz kam. Ich spürte wieder etwas. Wieder versuchte ich, meine Zehe zu bewegen, aber auch diesmal versagte ich kläglich. Vielleicht war es ja nur Einbildung gewesen, tat ich es ab und dachte nicht mehr weiter darüber nach. Den Rest der Nacht verbrachte ich damit, Sam zu beobachten. Sie sah einfach göttlich aus, wenn sie schlief.

 

Am nächsten Morgen rief ich sofort Janet an. Ich musste unbedingt loswerden, was gestern geschehen war. Obwohl ich den Rest der Nacht keinen Gedanken mehr daran verschwendet hatte, kam es mir nach Sams Erwachen und ihren Gang ins Bad gleich wieder in den Sinn. Janet wollte noch am selben Morgen zu mir kommen, was ich jedoch ablehnte. Ich musste raus aus dem Haus und wenn es nicht anders ging, würde ich mich sogar von Samantha Carter ins Stargatecenter fahren lassen. Kaum war mein Kaffee fertig, klingelte es auch schon an der Tür. Eigentlich hatte ich keinen Besuch erwartet, was mich etwas stutzig machte, dennoch sah ich nach, wer mich so früh am Morgen schon beehrte. Am Liebsten hätte ich die Tür gleich wieder zugeschlagen, als ich diejenige erblickte, die mich da besuchen kam.

„Sarah.“, hauchte ich verwundert und auch etwas unsicher. Sie war die zweite Person, welche mich unter keinen Umständen so hätte sehen sollen. Selbst mit dem Lächeln auf den Lippen sah ich doch ihr Mitleid in den Augen. Sie hatte schon immer schlecht ihre Gefühle zeigen können. Sie hatte irgendwoher von meinem Unfall gehört und nun stand sie vor mir. In all den Jahren war sie eine gute Freundin geworden und ich fand mich auch langsam mit dem Gedanken ab, dass sie wieder heiraten wollte, doch dass sie mich jetzt so sah, dass konnte ich nicht akzeptieren. Sie würde diesen Anblick nie vergessen, sie würde sich unnötig Sorgen um mich machen. Komisch, wir waren nicht mehr verheiratet und doch hatten wir eine bessere Beziehung zueinander als in unserer Ehe. Vielleicht hätten wir nie heiraten sollen. Das hätte beinahe alles kaputt gemacht. Für Charlie wäre es sicher auch besser gewesen. Vielleicht hätte er dann nicht mit meiner Dienstwaffe gespielt und sich umgebracht.

„Kann ich reinkommen?“, fragte Sarah zögernd. Ich rollte ein Stück zur Seite, öffnete die Tür noch ein Stück und schloss sie hinter ihr wieder. Lavendel, sie roch nach Lavendel. Ein eindeutiges Zeichen, dass es ihr nicht gut ging. Das letzte Mal trug sie den Duft von Lavendel als Charlie beerdigt wurde. Sicher auch an seinen Geburtstagen, an welchen ich auch immer völlig fertig war, doch davon wusste ich ja nichts. Ich ging zu den unmöglichsten Zeiten zum Friedhof, so dass wir uns nicht über den Weg liefen. Nun stand sie in meinem Wohnzimmer und keiner von uns wusste, was er sagen sollte. Langsam setzte Sarah sich auf die Couch. Sie war wirklich eine bezaubernde Frau noch nach all der Zeit. Ich hatte solch ein Glück mit ihr gehabt, ihr verdankte ich einige der schönsten Stunden meines Lebens, aber auch viele traurige. Charlies Tod war auch bei ihr nicht spurlos vorübergegangen, denn tiefe Augenringe zeichneten sich unter ihren Augen ab, welche von schlaflosen Nächten herrührten und Sorgenfalten entstanden bereits auf ihrer Stirn. Am Liebsten hätte ich ihr den ganzen Kummer erspart, doch ich konnte es nicht. Was geschehen war konnte ich nicht rückgängig machen. Endlich brach sie das Schweigen: „Dein Bruder hat mich angerufen. Er hat sich Sorgen gemacht. Du warst doch mit ihm verabredet gewesen und ihm wurde lediglich mitgeteilt, dass du einen Unfall hattest. Also hat er mich geschickt.“ Das Essen hatte ich total vergessen. Ben war nicht oft in der Stadt, meist waren es nur Zwischenstopps, wenn er mal wieder in der Weltgeschichte herumreiste. Er hatte extra einen Umweg gemacht, um mich zu sehen und ich hatte ihn auch noch versetzt. Sonst hatte ich mich von nichts in der Welt davon abhalten lassen, ihn zu sehen. Nicht einmal von den Goa’uld. Doch diesmal war es ein blöder Unfall gewesen, der mich dazu gebracht hatte.

„Ich werde ihn noch heute anrufen. Wo ist er im Moment?“ Ich legte eine Hand auf die Ihrige, denn sie schien zu zittern. Ich wollte ihr einfach nur mit dieser Geste zeigen, dass es mir gut ging und ich das schon schaffen würde. Sie sollte sich nicht auch noch um mich Gedanken machen müssen.

„Ägypten. Er sagte, er bringt dir was mit.“

„Mir würde ein Sarkophag gefallen, so in Lebensgröße.“, versuchte ich zu scherzen und entlockte ihr sogar ein Lächeln. Im Grunde meinte ich es aber ernst, denn zu gerne hätte ich meine Verletzung in einem Sarkophag einfach geheilt, doch leider gab es weder einen Sarkophag noch irgendeine andere Wundermaschine, die mich wieder laufen lassen würde. Ich musste mich wohl oder übel auf den steinigen Weg einlassen und so wieder laufen lernen. Vielleicht würde ich es, denn es stand immer noch nicht fest. Nur weil ich mir einbildete, etwas zu spüren, musste es lang noch nicht sein.

„Wann wirst du endlich erwachsen?“

„Ich hoffe gar nicht. Aber genug von mir. Wie geht es Jason?“, wechselte ich das Thema. Ich hasste es über mich zu reden, besonders, wenn mich jemand so gut kannte wie sie.

„Ganz gut. Er war etwas eifersüchtig, weil ich unbedingt zu dir fahren musste. Er meinte, ich würde dich immer noch lieben.“, antwortete Sarah und verdrehte genervt die Augen.

„Ist es denn nicht so?“, hakte ich nach, ohne wirklich eine Antwort von ihr zu erwarten. Stattdessen fuhr ich fort: „Also, bei mir ist das so. Ich liebe dich noch.“ Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, der nicht wirklich so gemeint war, wie Samantha ihn verstanden hatte, erblickte ich sie auch schon. Sie hatte mitten in ihrer Bewegung innegehalten und sah mich erst ungläubig, dann vorwurfsvoll an. Tränen sammelten sich in ihren Augen, doch sie schien es nicht einmal zu merken. Ich wollte etwas sagen, es ihr erklären, doch verließ kein Wort meine Lippen. Ich wusste einfach nicht, wie ich es ihr in ein paar Worten sagen sollte, was mein Herz in ein ganzes Buch fassen könnte. Es musste für sie so eindeutig ausgesehen haben, ihre Hand in meiner, ich ihr näher als Sam in der letzten Zeit und mit den drei magischen Worten in den Ohren, die eigentlich für meine große Liebe, nicht für Sarah gedacht waren. Als ich Sam da so stehen sah, wurde mir schlagartig klar, dass ich sie wirklich liebte. Es war nicht nur meine Lust, die mich zu ihr zog, nicht nur gute Freundschaft, die Sehnsucht nach dem Verbotenen, dem Unerreichten, es war sie. Einfach nur das, was sie ausmachte, mit ihren kleinen Fehlern und Macken. Ich liebte sie. Doch ich konnte es ihr nicht sagen. Meine Stimme hatte versagt und weigerte sich strickt, die Funktion wieder aufzunehmen. Sam fasste sich wieder, drehte sich auf der Stelle um und rannte wieder nach oben. Am Liebsten wäre ich ihr hinterhergelaufen, doch mit dem Rollstuhl wäre ich ja nicht einmal die erste Stufe hinaufgekommen ohne umzukippen. Also blieb ich ruhig sitzen, wagte nicht, mich zu bewegen. Ich musste es ihr erklären, doch nicht jetzt. Jetzt war dazu der falsche Augenblick und ich hatte auch keine richtige Lust durch das ganze Haus zu schreien. Sie würde mir jetzt eh nicht zuhören.

„Wieso hast du sie nicht aufgehalten?“, fragte Sarah vorwurfsvoll. Ich sah sie wieder an.

„Was hätte ich denn tun sollen, ihr nachlaufen. Ich komme ja nicht einmal die verdammten Treppen hoch.“, fuhr ich sie wütend an, obwohl ich es eigentlich gar nicht wollte. Ich war auch nicht sauer auf sie, sondern vielmehr auf mich. Ich vermasselte alles, machte jedem nur Kummer und war ständig zu denen abweisend, die eigentlich zu mir durchdringen wollten. Solche Phasen hatte ich des Öfteren, doch noch nie so stark. Ich kapselte mich völlig ab, stieß jedem vor den Kopf und das nur, weil ich nicht wahrhaben wollte, dass ich sie brauchte, dass ich auf sie angewiesen war, dass ich sie liebte. Besonders Samantha tat ich damit weh, was ich eigentlich überhaupt nicht wollte. Verzweifelt fuhr ich mir durchs Haar. Sarah kannte diese Geste und würde sie als Entschuldigung akzeptieren, doch damit war lang noch nicht alles vom Tisch. Leider musste das klärende Gespräch mit Sam warten. Erst musste ich mir sicher sein, dass es auch erfreuliche Neuigkeiten gab. Dazu musste ich jedoch ins Stargatecenter, welches für mich in diesem Zustand unmöglich zu erreichen war. Sam würde mich mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht fahren, Daniel würde nicht extra herkommen, besser gesagt, ich würde es ihm nicht zumuten und Janet konnte schlecht ihr Röntgengerät in die Handtasche stecken. Also musste wohl oder übel Sarah herhalten. Als sie meinen leicht bettelnden Blick sah, wusste sie schon Bescheid.

„Wo soll ich dich hinfahren?“, fragte sie geschlagen.

 

Ich sah auf den riesigen Ring aus Naquada, eigentlich waren es sogar zwei, aber wer wollte denn pingelig sein. Der innere Ring begann sich zu drehen, jemand wählte also raus oder rein. Eher Letzteres, denn statt einem Team postierten sich Marines mit schwerer Bewaffnung vor dem sich stabilisierenden Wurmloch. Der Energiewirbel zog mich förmlich mit sich, als er zur seichten Oberfläche zurückschnellte. Selbst hier oben im Konferenzsaal spürte ich noch die Anziehungskraft, welche es auch meinen Körper jedes Mal ausgeübt hatte. Man konnte sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr dagegen wehren und ich legte es geradezu darauf an, ihn zu überschreiten. Es dauerte zwar immer nur ein paar Sekunden, doch das Gefühl von Freiheit hielt auch danach noch ein paar Augenblicke an und ich kostete sie aus, solange ich es vermochte. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als aufzuspringen und hindurch zu laufen. Wo mich meine Reise auch hinführen würde, es war mir egal. Ich würde alles auf mich nehmen, sogar die Hölle mit allen Goa’uld des Universums. Ich war ihr schon einmal entkommen, wer sagte, dass ich es nicht wieder konnte. Die Iris, unser stählerner Schutzschild, schloss sich nicht, was bedeutete, dass es eines unserer Teams oder ein Verbündeter war. Alles ging seinen gewohnten Gang, als wäre nichts geschehen und irgendwie war das auch gut so. Ich hatte ja gewusst, dass nicht gleich die Welt stillstehen würde, wenn ich mich verletzte, aber irgendwie fühlte ich mich auf einmal fehl am Platze. Ich gehörte hier nicht mehr her, nicht so, nicht mit diesem Handicap. Ich fühlte mich irgendwie ausgeschlossen und einsam. Einsamer als sonst, selbst wenn ich wirklich in meinem Haus alleine war und mir fast die Decke auf den Kopf fiel. Es war aber keine erdrückende, sondern mehr beruhigende Einsamkeit. Sie tat mir gut. In letzter Zeit hatte ich nicht gerade fiel Zeit für mich gehabt, nicht so wie sonst. OK, oft war ich tagelang nur unter Menschen gewesen, dennoch war es nicht das Selbe. Lag wahrscheinlich daran, dass ich mir dauernd Gedanken um die Zukunft gemacht hatte. Ich musste damit aufhören, sofort. Es zählte nur das Hier und Jetzt. An mehr durfte ich nicht denken. Lange würde ich diesen Anblick eh nicht mehr ertragen müssen, bald würde ich aus diesem Stützpunkt raus sein. Ich brauchte nur noch das OK von General Hammond und das würde ich schon bekommen. Diesen Wunsch konnte er mir nicht verbieten, selbst wenn er es noch so wollte. Ich hatte tatkräftige Unterstützung, nicht nur von Janets Seite, auch von Daniel, Teal’c und sogar Jakob. Einer von ihnen würde bald hier auftauchen und dann würde auch ich durch das Wurmloch auf einen anderen Planeten gelangen, um dort einige Zeit zu verbringen. Wir waren schon mal dort gewesen vor circa einem Jahren. Sam und ihr kleines Spielzeug, der Naquadareaktor, waren seither unzertrennlich und die Kinder lernten wieder auf normalem Wege, genau wie wir es taten. Das wäre wahrscheinlich nicht so gewesen, wenn ich eines der Kinder nicht mit in eine Schule genommen hätte, die ich öfter mal besuchte. Nur so zum Spaß. Charlie war früher dort zur Schule gegangen und seitdem angagierte ich mich dort sehr stark. Eines mache ich jedoch nie wieder, mit einer Klasse Campen fahren. Das hatte ich einmal getan und das war zu viel des Guten. Auf jeden Fall würden mich die Kinder auf diesem Planeten ablenken, mich auf Trapp bringen, mich auf andere Gedanken bringen und mir vielleicht wieder beibringen, wie man herumtobte. Noch eine Weile starrte ich auf den Ring, denn das Wurmloch hatte sich bereits wieder geschlossen, dann kam ein Soldat herein um mich zu holen und ich folgte ihm bereitwillig in den Stargateraum. Ach übrigens, meiner Gesundheit stand nur noch ich im Wege.

 

Drei Monate später kehrte ich auf die Erde zurück. Ich war wieder vollkommen genesen und fühlte mich wie neu geboren. Die Kinder der Orbaner hatten bei meiner Heilung wunder bewirkt und der Abstand zu meinen Freunden hatte mir gut getan. Die Zeit zum Nachdenken, die ich brauchte, fand ich auch und mir wurde klar, dass ich nicht so weiter machen konnte. Ich konnte mich nicht länger verstecken. Wir konnten es nicht. Ich hatte nicht mit ihr gesprochen, seit ich gegangen war, hatte versucht, sie aus meinem Gedächtnis zu verdrängen, aber es gelang mir einfach nicht. Ich hatte nur an sie denken können, an Samantha Carter, die große Liebe meines Lebens. Ich hatte gelernt zu laufen. Erst ging es nur schleppend voran und ich war auch schon kurz davor gewesen, aufzugeben, doch als ich dann endlich wieder auf meinen eigenen Füßen stand, wusste ich, dass ich es geschafft hatte. In diesem Augenblick hatte ich meine Freunde vermisst. Sie waren nicht da gewesen, um sich mit mir zu freuen und das hatte wehgetan. Doch nun würde ich sie wiedersehen, würde sie in die Arme schließen und mich für all das entschuldigen, was ich zu ihnen gesagt oder auch nicht gesagt hatte. Ich würde mich vielleicht nicht von heute auf morgen ändern, aber mit der Zeit könnte man es vielleicht mit mir aushalten. Der Ereignishorizont lag erwartend vor mir, flüsterte mir förmlich zu, ich solle meinem Verlangen endlich nachgeben und hindurchschreiten, doch ich hatte noch etwas zu erledigen. Ich musste mich erst noch von Merrin verabschieden. Sie stand genau neben mir und sah mich aus ihren großen blauen Augen erwartungsvoll an. Ich hockte mich hin und betrachtete sie lächelnd.

„Ich komme dich bald besuchen!“, versprach ich ihr. „Ich hoffe, dass du bis dahin noch ein paar Meisterwerke gezaubert hast.“ Sie lächelte mich nur an. Nur langsam lernten die Orunenkinder sprechen, was jedoch nicht bedeutete, dass sie nicht weniger lebhaft waren als andere. Sie hatte mich manchmal echt geschafft. Oft erzählte ich ihnen Geschichten von der Erde, über Missionen, Filme oder meiner eigenen Kindheit. Zu meinem eigenen Erstaunen hörten sie mir zu und konnten nicht genug davon bekommen. Sie würden mir sehr fehlen. Ich streichelte Merrin über die Wange und erhob mich dann wieder. Am Liebsten hätte ich sie mitgenommen, doch leider ging das nicht. Sie hatte hier ihre Familie und ihre Freunde. Ich konnte sie jetzt unmöglich ihrer Heimat entreißen, aber vielleicht würde sie uns irgendwann mal besuchen kommen. „Mach es gut!“ Ich trat durch den Ereignishorizont und stand einige Augenblicke später vor meinem Team, vor meinen Freunden, vor meiner Familie. Langsam schritt ich die Eisenrampe hinunter und sah sie einfach nur der Reihe nach an und unsere Blicke trafen sich. Ich blieb vor Daniel stehen und nahm ihn dann fest in die Arme. Ich wusste, es würden keine Worte nötig sein, er würde es auch so verstehen, doch ich wollte, dass er es aus meinem Mund hörte. „Ich danke dir!“

„Schon OK.“, wehrte Daniel Jackson ein. „Das nächste Mal erwarten wir jedoch, dass du dich wenigstens richtig verabschiedest.“

„Mach ich!“ Teal’c gab ich die Hand. „Sollte ich noch einmal ein solcher Idiot sein, schlage mich kräftig ins Gesicht.“

„Natürlich, O’Neill.“, meinte er nickend und gab mich wieder frei. Vor General Hammond salutierte ich knapp und reichte dann auch ihm die Hand.

„Melde mich zurück, Sir. Ich hoffe, sie haben meinen Launen nicht nachgegeben.“ Ich spielte damit bewusst auf das Rücktrittsgesuch an, welches ich Daniel mitgegeben hatte.

„Ähm Jack, ich habe es ihm nicht gegeben.“, gestand Daniel zögernd.

„Wenn das so ist, vergessen sie, was ich sagte.“

„Es freut mich, dass sie wieder da sind, Colonel.“, sagte Hammond und klopfte mir auf die Schulter. Jetzt war nur noch Sam übrig. Sie sah toll aus. Diese Uniform stand ihr einfach phantastisch. Unsere Blicke trafen sich, verschmolzen ineinander und enthüllten die Gefühle, die wir so tief in uns vergraben hatten. Die Konsequenzen waren mir egal, dass General Hammond genau neben mir stand, spielte keine Rolle mehr und dass sie mich dafür vielleicht sogar hassen würde, würde ich auch verkraften. Ich musste es einfach tun. Ich konnte nicht anders als sie zu küssen. Ihr Gesicht hatte ich in meine Hände genommen, um dann meine Lippen auf die Ihrigen zu pressen. Sie wehrte sich nicht, sie erwiderte es sogar. Ihr schien es genauso zu gehen, auch wenn ihr die Situation nicht wirklich bewusst zu sein schien. Als ob das bei mir etwas anderes gewesen wäre. Ich würde vielleicht meinen Job verlieren, womit ich mich auch schon angefreundet hatte, ich müsste mich höchstwahrscheinlich vor dem Militärgericht verantworten und auf eine saftige Rente würde ich dann auch verzichten müssen. Es könnte sicher auch anders kommen. General Hammond würde darüber hinwegsehen und uns eine Lösung finden lassen. Vielleicht müssten wir nicht einmal unsere Jobs aufgeben und alles würde so sein wie früher, na ja fast. War das Leben nicht großartig. Was dann noch blieb... Eine ungewisse Zukunft!


ENDE
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