Erinnerungen und Schicksale by Lenari
Summary: Jack kommt mit dem Tod seines Freundes nicht klar, bis ihm klar gemacht wird, dass damit nicht alles vorbei ist, sondern gerade erst beginnt.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Samantha Carter (SG-1)
Genre: Drama, Friendship, PoV, Vignette
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 10814 Read: 2819 Published: 02.01.12 Updated: 02.01.12

1. Kapitel 1 by Lenari

Kapitel 1 by Lenari
Author's Notes:
Anmerkung: Tja, was soll ich da sagen, wenn eine Idee da ist, sollte man sie aufschreiben, egal ob gut oder schlecht. Man könnte es später bereuen. Genauso war es bei dieser Geschichte.
Anmerkung 2: Daniel und Jack, welcher Stoff wäre besser für eine Geschichte.
Erinnerungen und Schicksale


Jack:

 

Daniel... Wo war er jetzt? Ich hatte ihn gespürt, neulich, im Gang und im Transportschiff, als wir Thor gerettet hatten. Ich war mir so sicher gewesen, dass er es war, doch jetzt war da nichts mehr. Er war fort. Er hatte mich einfach verlassen. Es war nicht endgültig, nicht so wie bei Charlie, dennoch war er tot. Ich fragte mich, warum er sich gerade von mir verabschiedet hatte. Schon, ich war sein Freund, fast so etwas, wie sein Bruder, dennoch hätte er mir diese Last, diese Schuldgefühle nicht aufbürden dürfen. Ich hatte Jakob sagen müssen, dass er aufhören sollte. Noch immer hallten meine Worte in stillen Momenten durch meinen Kopf. „Jakob, Stopp! Er will es so?“ Tief im innere sträubte sich alles dagegen, ihn gehen zu lassen, doch mir blieb nichts anderes übrig, als seinen Wunsch zu respektieren. Dann das Piepen des Monitors. Sein Herz hatte einfach aufgehört, zu schlagen. Jemand sprach mich verzweifelt an, ich glaubte, es war Janet. Ich nahm alles nur am Rande war. Daniel stand schließlich immer noch vor mir und sah mich mit aufmunterndem Lächeln an. Seit langem hatte ich ihn nicht mehr so glücklich gesehen. Gleichzeitig aber auch so voller Trauer, da er wusste, dass er uns verlieren würde. Er hatte sich entschlossen und zu verlassen, einen anderen Weg zu gehen. Ich hätte an seiner Stelle wahrscheinlich genauso gehandelt, besonders, wenn ich mich so gesehen hätte, wie er. Am Sterben, vollkommen verstrahlt und mit unbeschreiblichen Schmerzen. Trotzdem, es war einfach unfair von ihm gewesen. Er hätte doch wissen müssen, dass mich seine Entscheidung zerbrach. Ich starrte auf meine alte Dienstwaffe. Mit dieser hatte sich mein Sohn umgebracht. Immer, wenn ich sie ansah, überkam mich das Gefühl, dass ich mit ihr alles beenden könnte. Ein gezielter Schuss in die Schläfe oder in den Rachen und ich wäre endlich wieder bei Charlie, bei meinem Sohn, meinem Leben. Vielleicht sah ich auf meinem Weg Daniel noch ein letztes Mal. Nur noch ein allerletztes Mal. Ich würde alles dafür geben. Behutsam checkte ich die Waffe. Die Griffe waren Routine, zu oft hatte ich das schon getan in den letzten Jahren. Ich glaubte, es nie wieder verlernen zu können, nicht einmal nach dem Tod. Sie war geladen und entsichert. Eine Kugel steckte im Magazin. Das würde vollkommen ausreichen. Ich brauchte nur einen Schuss, nur einen Versuch. Jetzt musste ich nur noch den Mut dazu aufbringen, abzudrücken. Das war schon immer das Schwerste gewesen, schon damals nach Charlies Tod. Was würden meine Freunde wohl von mir denken? Würden sie mich für einen Feigling halten? Teal’c würde es verstehen. Er wusste, wie es mir ergangen war und er hatte auch einen John. Er würde damit klarkommen, er war stark und furchtlos selbst im Angesicht des Todes. Er würde weiter machen, er war Jaffa, er war Soldat! General Hammond und Jakob Carter würden es auch verstehen, hatten sie doch auch einen geliebten Menschen verloren. Ihre Frauen waren auch fort. Auch sie würden es verkraften. Sie waren Soldaten! Janet war Ärztin. Sie verlor auch mal Patienten genauso wie Freunde. Sie würde auch darüber hinwegkommen. Sie war Soldat! Samantha Carter war es, um die ich mir Sorgen machte. Sie hatte Daniels Tod, falls man es überhaupt so nennen konnte, noch nicht im Geringsten verkraftet. Sie würde es nicht verstehen. Sie würde zusammenbrechen. Vielleicht, wenn sie etwas mehr Zeit hätte, dann wäre es sicher leichter für sie, es zu akzeptieren. Sie war stärker als ich, viel stärker. Auch sie war Soldat?! Ich konnte ihr jedoch keine Zeit mehr geben. Mit jeder Sekunde starb ein Stück in mir, unaufhörlich begann meine Seele zu zerfallen. Bald würde es eh keinen Unterschied mehr machen, ob mein Herz noch schlug oder nicht. Ich wollte egoistisch sein. Ich musste egoistisch sein. Um meinetwillen. Um ihretwillen. Ich hielt mir die Waffe an die Schläfe, bereit abzudrücken. Etwas hielt mich zurück. Ein Gefühl, dass ich noch etwas vergessen hatte. Etwas Wichtiges. Ich sah auf den Schreibtisch, wo ein weißer Umschlag auf einem Stapel Kassetten lag. Mehr brauchte ich nicht. Das waren alle Erklärungen, die nötig waren. Die Alarmsirene ließ mich noch einen Moment innehalten. Eigentlich wäre es meine Pflicht gewesen, nachzusehen, da es schließlich um die Rettung der Erde ging, doch sie mussten lernen ohne mich auszukommen. Doch ich wollte wieder egoistisch sein. Nur noch einen kleinen Augenblick. Immer hatte ich Entbehrungen hinnehmen müssen, zum Wohle der Menschheit, wie Daniel es so schön ausgedrückt hatte, doch das konnte ich jetzt nicht mehr. Was war mit mir? Mit meinen Wünschen und Bedürfnissen? Ich wollte nichts weiter, als Vater sein, doch man nahm mir meinen einzigen Sohn. Ich wollte nichts weiter, als Ehemann sein, doch man nahm mir meine Frau. Ich wollte nur meiner Liebe freien Lauf lassen, doch ich musste sie verbergen, besonders vor der Frau, der sie galt. Ich würde wohl nie die Chance haben, es ihr persönlich zu sagen, aber durch die Kassetten und den Brief würde sie es wissen. Ich wollte sterben, doch auch das gelang nicht. Obwohl, einmal schon, doch die Nox mussten mich ja wieder beleben. Sam würde ich nie haben können, doch ich konnte meinem Leid ein für alle Mal ein Ende bereiten. Ich sah mich ein letztes Mal um. Da standen Fotos auf dem Nachttisch. Mein Sohn und Sarah. Das war an seinem zwölften Geburtstag aufgenommen worden. Sie sahen so glücklich aus. Damals hatte ich noch gedacht, dass sich das nie ändern würde. Daneben meine neue Familie, mein Team, als es noch mein Team war. Mit Daniel genau neben mir, da, wo er eigentlich hingehörte. Oder waren wir immer schon Daniels Team gewesen und ich gehörte eigentlich an seine Seite, nicht umgekehrt. Er war immer der gewesen, der uns zusammengehalten hatte, auch wenn ich mich mit ihm am meisten stritt. Er war halt so etwas wie mein kleiner Bruder. Doch das war jetzt nicht mehr, es war vorbei. Mein Blick schweifte langsam rüber zum Bett. Da saß er, jemand, den ich wohl am Wenigsten erwartet hätte. Ich musste ihn mir einbilden. Er konnte unmöglich real sein. Das ging nicht. Ich hatte ihn gehen sehen. Ich rieb mir die Augen und sah noch einmal hin. Er war immer noch da. Nein, ich hatte mich nicht geirrt, Daniel saß wirklich und wahrhaftig auf meinem Bett und lächelte mich an. Jemand stand neben ihm. War er beim ersten Mal auch schon da gewesen? Ich wusste es nicht. Es interessierte mich nicht. Hauptsache, auch er war da. Denn auch dieser junge Mann kam mir bekannt vor. Er hatte sich kein Stück geändert, nicht, seit ich ihn vor dreißig Jahren das erste Mal sah. Dante! Ich hatte ihn vergessen, doch jetzt fiel mir alles wieder ein. Damals, als mein Bruder starb, er war auch dort gewesen. Er hatte mir gesagt, dass alles wieder gut werden würde und ich hatte ihm geglaubt. Er hatte mich angelogen, doch ich war ihm deswegen nicht böse. Ich konnte es nicht. Beide sahen mich einfach nur an. Im Lautsprecher ertönte mein Name. Ich rührte mich nicht, als wäre nicht ich damit gemeint, sondern ein anderer Colonel Jack O’Neill.

„Du solltest gehen. Vielleicht ist es wichtig.“, meinte Daniel ruhig und streckte mir die Hand entgegen. Er wollte sicher, dass ich ihm die Waffe gab, dessen lauf ich immer noch an meine Schläfe presste, doch ich konnte nicht. Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich zu bewegen.

„Ich kann nicht mehr!“, hauchte ich fast zu leise, um es zu verstehen. Meine Stimme war am Versagen, so wie der Rest meines Körpers. Seine Augen waren so warm, so voller Hoffnung und Vertrauen, genau wie an dem Tag, an dem er ging. Ich spürte neue Kräfte in mir aufsteigen, konnte mich jedoch immer noch nicht rühren. Seine bloße Anwesenheit gab mir Kraft.

„Doch, du kannst. Du warst von uns immer der Stärkste. Ich wäre an deinem Verlust zerbrochen. Sam und Teal’c ebenfalls, doch du nicht. Du hast es durchgestanden und sogar wieder begonnen, zu leben. Denke an das, was du gewonnen hast. Sam und eure Liebe. Ich bin nicht blind. Ich war es nie. Ich habe eure Blicke gesehen. Sie braucht dich. Besonders jetzt. Ohne dich wird sie es nicht schaffen.“, redete er eindringlich auf mich ein. Ich hatte seine Stimme so vermisst. Doch für seine Worte konnte ich ihn nur hassen. Nicht, weil er recht hatte, und das hatte er, sondern weil er der Grund war, warum sie es nicht schaffen würde.

„Du warst es doch, er uns das angetan hat. Du hast uns einfach verlassen.“, entgegnete ich anklagend und versuche erst gar nicht, meine Verachtung für seine Tat zu unterdrücken.

„Ja, das habe ich. Ich habe euch das angetan, weil es richtig war. Richtig für mich. Richtig für die Menschheit. Aber ich bin hier und ich werde immer hier sein.“ Noch mal wurde ich aufgerufen. Wieder ignorierte ich es. Ich musste jetzt egoistisch sein. Ich durfte mich jetzt nicht von Daniel abwenden. Ich hatte Angst, ihn noch einmal zu verlieren.

„Dein Schicksal erwartet dich, Jack. Du musst jetzt noch einmal stark sein, danach ist es vorbei.“ So etwas Ähnliches hatte Dante damals auch schon gesagt, als mein Bruder starb, meine Eltern und mein Sohn, doch jetzt klangen seine Worte leer. Durchhalten, Schicksal. Wusste er überhaupt, was er von mir verlangte? Ich konnte nicht immer wieder vertröstet werden. Das ging einfach nicht.

„Ich dachte, so zu enden, mit einer Waffe an meiner Schläfe, das wäre unweigerlich mein Schicksal.“, gab ich sarkastisch zurück. Sarkasmus. Wie brachte ich nur die Kraft dazu auf? Es machte es immer irgendwie leichter, doch irgendwann half es nicht mehr. Der Moment war jetzt. Ich konnte nicht mehr an andere denken, auch nicht an Sam. Ich wollte egoistisch sein. Ich musste egoistisch sein.

„Gib mir die Waffe, Jack. Ich schwöre dir, es wird alles wieder gut. Vertrau mir! Habe ich dich je angelogen? Du bist noch nicht an der Reihe. Es gibt für dich noch so viel zu tun. Du hast noch Zeit. Verdammt Jack, vermassle es nicht!“ Daniels Stimme klang wütend und gleichzeitig ängstlich. Er fürchtete sich davor, dass ich mir das Leben nehmen könnte. Schon komisch, dass man im Angesicht seines eigenen Todes nur halb so viel Angst hat, wenn man bedenkt, welche Qualen man durchstehen muss, wenn ein Verbündeter stirbt, ein Freund, ein Bruder. Ich fürchtete mich mehr davor, noch einen meiner Freunde zu verlieren als mein eigenes Leben. Schon wieder hatte er Recht behalten. Ich vermasselte gerade alles. Ich sah hinunter auf seine Hand. Bildete ich mir das nur ein oder zitterte sie wirklich. Angst stand in seinen Augen, Ungeduld, wann ich endlich die Waffe senken würde und Schuld, weil er mir das angetan hatte. Ich konnte nicht mehr wütend auf ihn sein. Er war mein Freund. Auf Freunde war ich nie wütend. Es war auch nicht seine Schuld gewesen. Ich hatte es einfach nicht verstehen wollen, doch er musste diesen Weg gehen. Es gab keine andere Möglichkeit für ihn. Er hatte mich nie belogen. Wenn er sagte, dass alles wieder gut werden würde, musste ich ihm das einfach glauben. Langsam, aber überzeugt, senkte ich meine Waffe. Ich legte sie Daniel in die Hand und sie verschwand. Mir rannen Tränen die Wangen hinunter und tropften auf meine zitternden Hände, doch ich bemerkte sie kaum. Noch immer ruhte mein Blick auf Daniel, welcher mich aufmunternd an. Genau wie beim letzten Mal, als er mit Ohma verschwand. Wie ich dieses markante Gesicht, die blauen, lebendigen Augen und dieses sanft, fast schon wieder spöttische Lächeln vermisst hatte. Auch seine Art zu reden, so überzeugt von dem, was er sagte und das er bei jedem Wort seine Hände benutzte, die ihn zwar verunsichert und aufgeregt erschienen ließen, er das aber im Grunde überhaupt nicht war. Es war eine perfekte Tarnung. Man sah ihm seine innere Kraft nicht an. Doch ich hatte sie gespürt. Schon auf Abydos, obwohl er auch mich zuerst hinters Licht geführt hatte. Ich hatte durch ihn gelernt, niemanden nach seinem Auftreten, sondern nach seinen Handlungen zu beurteilen. Die Erkenntnis kam spät, aber besser als nie. Auch ich musste jetzt lächeln, obwohl mir eigentlich nicht danach zumute war. Sein Lächeln war einfach ansteckend.

„Sie ist auf dem Weg hier her. Ich verschaffe euch etwas Zeit.“, rissen Dantes Worte mich aus den Gedanken und dann verschwand er, genau wie damals, als ich wieder Lebensmut gefasst hatte.

„Sam!“, dachte ich laut. Es tat gut, ihren Namen auszusprechen und ihn zu hören auch. Oh Gott, wie hatte ich das antun können. Sie hätte es nicht verstanden, sie hätte mich dafür gehasst. Und das wollte ich doch nicht. Ich wollte, dass sie glücklich war, wie konnte ich ihr dann so etwas antun. Mir wurde klar, dass sie es nicht verkraftet hätte, denn sie war zwar stark, aber auch nur ein Mensch. Sie war kein Soldat, sie konnte ihre Gefühle nicht verbannen, so wie ich es konnte. Nicht so.

„Ja, Sam. Sie liebt dich, das weißt du. Vielleicht wirst du sie nicht sofort haben können, aber die Zeit wird kommen. Selbst das Schicksal lässt sich beeinflussen, man muss nur wissen, wie. Und du weißt es.“, meinte Daniel ebenso nachdenklich, wie er aussah. Diesen Ausdruck in seinem Gesicht, wenn sein Hirn auf Hochtouren arbeitete, vermisste ich wohl am Meisten.

„Ich vermisse dich, Daniel. Oh Gott, ich vermisse dich!“, schluchzte ich. Immer hatte ich darauf geachtet, nicht vor meinen Freunden zu weinen, doch bei ihm war es so einfach, so natürlich. Er verstand mich. Den Tränenschwall hätte ich eh nicht stoppen können, wenn ich mich auch noch so zusammengerissen hätte. Ich griff nach seiner Hand, wollte ihn nur noch einmal berühren, doch meine Finger glitten einfach hindurch. Es war nur noch sein Geist, der da vor mir saß, nicht mehr sein Körper. Dennoch hatte ich etwas gespürt. Wohlige Wärme, die mir Hoffnung gab. Hoffnung, ihn irgendwann wieder berühren zu können. Ich würde warten. Ich konnte warten.

„Ich weiß. Ich euch auch. Aber ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst und dir immer zuhören. Ich mache mich auch ab und zu bemerkbar, versprochen.“, gab Daniel zuversichtlich zurück und verwandelte sich in diese Energiewesen.

„Wirklich versprochen?“, hakte ich ungläubig nach. Er legte mir die Hand, wenn man das so nennen konnte, auf die Schulter und mir wurde klar, dass meine Frage überflüssig war. Er war immer bei mir, solange ich nicht vergaß und ich würde nie vergessen.

„Ich muss jetzt gehen. Dante wird dich auf deinem Weg begleiten. Er wartet bereits auf dich. Habe keine Angst und denke an meine Worte: Selbst das Schicksal kann beeinflusst werden.“

„Was ist er? Ist er wie du?“ Ich konnte mir nicht helfen, aber dieser Dante war anders, auf so viele Arten.

„Er ist unser Schutzengel.“ Es klopfte an die Tür. Nur für einen kurzen Moment wandte ich meinen Kopf von Daniel ab, doch das hatte genügt, damit er verschwand. Doch er war noch im Raum. Ich wusste es einfach. Ich wusste, es war Sam. Wer auch sonst. Ich wagte nicht, zu sprechen, aus Angst, sie könnte meine tränenerstickende Stimme als solche erkennen. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und versuchte mich zu fassen.

„Colonel? Öffnen sie die Tür! Sir? Jack, mach schon auf, verdammt noch mal!“„, schrie Sam verzweifelt. Sie hämmerte jetzt mit der Faust auf die Tür ein, als würde es etwas bringen. Auch sie klang so, als würde sie weinen. Sie ahnte wohl, was ich mir hatte antun wollen. Ich erhob mich allmählich und öffnete die Tür. Samantha Carter fiel mir sichtlich erleichtert um den Hals und meine Uniform saugte ihre salzigen Tränen auf, denn sie vergrub ihr Gesicht in meiner Brust. Ich strich ihr zaghaft über ihr aschblondes Haar und drückte sie fest an mich, wie ich nur konnte. Ich wollte sie spüren. Wollte einfach nur wissen, wie es sich anfühlte, zu leben. Denn sie war mein Leben.

Sanft redete ich auf sie ein: „Schon gut! Alles in Ordnung! Es wird alles wieder gut. Beruhige dich! Ich bin ja da!“ Ich wusste nicht, ob ich ihr von Daniel erzählen sollte, doch es war wahrscheinlich besser, es für mich zu behalten. Sie würde mir wahrscheinlich eh nicht glauben. Plötzlich stieß sie mich weg. Ihre Augen funkelten mich wütend an. Mit dieser Reaktion hatte ich bereits gerechnet. Wie ich sie liebte, wenn sie wütend war. Es war auch berechtigt. Ich hatte mich mal wieder wie ein Vollidiot verhalten.

„Sag mal, spinnst du? Ich habe mir Sorgen gemacht. Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein, hast du verstanden. Ich wäre beinahe vor Angst...“, schrie sie mich hysterisch an.

„Sam!“, unterbrach ich sie und brachte sie so zum Schweigen. „Ssshhh!“ Meine Stimme klang immer noch ruhig. Ich legte ihr zwei Finger auf die Lippen, damit sie auch wirklich die Klappe hielt und hörte, was ich hörte.

Ein Luftzug streifte über uns hinweg und wir hörten Daniel leise flüstern: „Passt auch euch auf!“ Sam sah mich perplex an. Tränen standen ihr in den Augen, als sie endlich realisierte, wer da zu uns gesprochen hatte.

„Daniel?!“, hauchte sie fast unmerklich. Es war mehr eine Frage, als eine Feststellung. Ich nahm sie wieder schützend in die Arme. Es waren keine weiteren Worte nötig. Seit langem hatte ich mich nicht mehr so wohl gefühlt. Alte Erinnerungen kamen wieder hoch. Die Sache mit der Eiszeit, wo wir uns nicht an unsere wahre Identität erinnern konnten. Wie uns die Goa’uld die Zukunft vorgaukelten und ich sie auf dieser Barre hatte liegen sehen, nackt. Ihre Augen, als ich von der trojanischen Kugel durchbohrt wurde. Die Szene im Umkleideraum, als sie über mich herfiel, weil sie von einer Art Virus befallen war. Der Kuss in der Zeitschleife an den nur ich mich noch erinnern konnte. Die Geschichte mit dem Zat-Dingsbums, der uns für Verräter hielt, nur weil wir verschwiegen hatten, dass ich sie nicht sterben lassen wollte. Die Geschichte im Besprechungsraum, wo ich sie das erste Mal sah, obwohl ich eigentlich einen Mann erwartet hatte. Ich lächelte beim Gedanken daran.

„Wir müssen gehen.“, ertönte Dantes Stimme hinter uns und riss mich aus meinen Gedanken.

„Ich weiß.“ Ich ließ Sam los und sah ihr in ihre stahlblauen Augen.

„Was?“, fragte sie verwirrt. „Du willst mich auch verlassen.“

„Ich muss. Aber ich komme zurück. Versprochen.“

„Ich werde mit dir kommen.“

„Das kannst du nicht!“, meinte Dante trocken. „Er muss es alleine erledigen. Es ist sein Schicksal!“ Sam schüttelte entschieden den Kopf. Sie wollte mich nicht gehen lassen.

„Ich bin bald wieder da!“, versprach ich ihr nochmals. Ich gab ihr einen langen, leidenschaftlichen Kuss, eine Kuss, den ich wohl nie vergessen würde. Ich schwor mir, dass sich nach meiner Rückkehr alles ändern würde. Keine Lügen und kein Verschecken mehr. Das Schauspiel sollte ein Ende haben. Es zählte dann nur noch unsere Liebe.

„Ich liebe dich, Jack!“, hauchte sie und drohte wieder in Tränen auszubrechen.

„Ich weiß.“ Ich löste mich vollends von ihr und ging mit Dante in Richtung Stargateraum. Ich wagte nicht, mich noch einmal umzudrehen. Ich hätte sonst nicht gehen können.

„Du wirst nicht zurückkommen!“, meinte Dante ruhig. Ich hatte so etwas schon geahnt, doch ich würde es nicht zulassen, auch wenn es mein Schicksal sein sollte. Ich wusste, mein Schicksal lag hier, ich würde mein Versprechen halten.

„Das werden wir noch sehen!“ Wir betraten den Stargateraum. Das Stargate war aktiviert und die Iris war offen. General Hammond und Teal’c sahen mich verwirrt an, denn sie hatten wohl genauso gedacht wie Sam. Ich lächelte ihnen aufmunternd zu und stieg die Rampe hinauf. Ich sah zu Dante, welcher neben mir stand.

„Mein Schicksal?“, fragte ich noch mal nach, doch es bedarf nicht wirklich einer Antwort. Ich gab sie mir schon selbst. „Mein Schicksal.“ Ein letztes Mal ließ ich meinen Blick über meine Freunde schweifen, die wie angewurzelt dastanden und nicht fähig waren, irgendetwas zu sagen. Sie verstanden es, auch wenn sie es selbst noch nicht wussten. Dante trat durch den Ereignishorizont. Meine letzten Gedanken galten Sam, die wohl immer noch in meinem Quartier stand und meine Lippen auf ihren spürte, mit der Hoffnung im Herzen, dass ich zurückkommen würde, als ich durch das Stargate trat und meine Gedanken im Universum verstreut wurden...

 

Daniel:

 

Ich saß auf Jacks Schreibtisch, als er ins Zimmer kam. Er sah nicht gut aus. Seine Augen waren leer. Kein Sarkasmus, keine Freude, keine Sorge, keine Trauer und vor allem keine Liebe. Sie war sonst immer da gewesen. Egal wie schlimm die Situation auch war, wie tief wir auch in der Scheiße gesessen hatten, sie war immer da gewesen und sei es nur als Strohhalm, als letzter Funken Hoffnung. Diese Leere hatte ich vorher nur ein einziges Mal gesehen, kurz vor der Abydosmission, nachdem sein Sohn gestorben war. Charlie. Jack hatte nie viel von ihm gesprochen oder von sich selbst. Er war immer ganz Soldat gewesen. Auf jeden Fall vor den anderen. Mir hatte er von Charlie erzählt, wie er gestorben war und dass er sich die Schuld gab. Doch nun galt dieser Blick nicht dem Verlust von Charlie. Jetzt war es ich, der ihm das antat. Ich wusste, es würde nicht leicht werden und sie würden es vielleicht nicht verstehen, aber dass es so schlimm werden würde, das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Besonders nicht bei Jack, denn von ihm hatte ich mich verabschiedet, ihm hatte ich es erklärt. Vielleicht lag es auch gerade daran. Er hatte mich getötet, indem er Jakob den Befehl gab, aufzuhören und mich gehen zu lassen. Vielleicht hätte ich es nicht von ihm verlangen sollen, doch er erschien mir, der Richtige zu sein. Sam hätte meiner Bitte nie nachgegeben, genauso wenig, wie Janet oder Jakob. Sie hingen zu sehr an mir und ich war ihnen zu wichtig. Teal’c, er wäre sicher auch gegangen, doch ob jemand auf ihn gehört hätte, wäre fraglich gewesen. Also blieb nur Jack übrig. Ich dachte wirklich, er würde es verstehen. Ich hatte nicht mit seiner Sturheit gerechnet. Er ging zielstrebig zu seinem Nachttisch. Ich wusste, was er darin aufbewahrte. Ich hatte sie gesehen, die Waffe mit der sich sein Sohn erschossen hatte. Schon gestern hatte er sie sich angesehen und dann aber wieder weggepackt. Ich hoffte, er würde es diesmal wieder tun. Er war entschlossen. Zu entschlossen. Ich ahnte, dass er sie nicht in die Schublade zurück packen würde. Der kalte Stahl glänze matt im Lampenlicht. Sie sah so mächtig aus, so gewaltig, so endgültig. Jack setzte sich nicht aufs Bett, die Versuchung, sie zurückzulegen, war wohl zu groß, statt dessen nahm er im Sessel Platz, der in einer Ecke des Zimmers lag, wo nur wenig Licht hinfiel. Am Liebsten hätte ich sie ihm aus der Hand gerissen, ihn angeschrieen, was für ein Narr er doch sei, doch er würde mich nicht hören können. Ich war noch nicht ganz mit meiner jetzigen Situation vertraut und es war reiner Zufall gewesen, dass sie mich spüren konnten. Ich versuchte es noch einmal. Nichts geschah. Ich verfluchte mich selbst, für meine Ungeschicklichkeit und Unfähigkeit. Ich wollte ihm doch nur helfen, wieso ging das denn nicht. Immer noch starrte Jack die Waffe einfach nur an. Ich betete, er würde sie weglegen, doch er tat es nicht. Ich begann ihn anzuflehen, obwohl er mich nicht hören konnte.

„Jack, bitte, tu es nicht. Leg sie weg. Das ist es nicht wert!“ Meine Stimme zitterte. Ich wusste gar nicht, dass sie das noch konnte. Angst erfüllte mich. Jack checkte seine Waffe. Oh Gott, wie routiniert er das doch tat und dennoch gründlich und ohne Fehler. Jeder griff saß. Eine Kugel war im Magazin. Mehr würde er nicht brauchen. Er hatte es also wirklich vor, er wollte seinem Leben ein Ende machen und ich sollte stummer Zeuge werden. Wieder diese Entschlossenheit, diesmal sogar in seinen Augen, als er sich langsam den Lauf der Waffe an die Schläfe presste. Wieder schrie ich ihn an, doch auch diesmal half es nichts.

„Er kann dich nicht hören.“, vernahm ich plötzlich eine Stimme neben mir. „Dein Gebettel nützt gar nichts.“ Ich fuhr herum, sah genau in seine Augen. Das war unmöglich. Das konnte unmöglich war sein. Doch ich wusste, dass nichts unmöglich war. Seit der Abydosmission vor sechs Jahren wusste ich das. Ich selbst war tot und doch lebte ich. Ich sollte es lieber als bizarr als unmöglich bezeichnen. Wann hatte ich das letzte Mal in dieses Gesicht gesehen? Vor fast zwanzig Jahren. Ja, als meine Eltern starben. Damals war er da gewesen. Er hatte mir wieder neuen Lebensmut gegeben, mich über den Verlust hinweggetröstet und mir eine neue Familie gegeben. Ich hatte ihn völlig vergessen oder erinnerte ich mich etwa nur an ihn, weil er vor mir stand. Er hatte sich nicht verändert. Immer noch dieses jugendliche Aussehen, kaum älter als achtzehn, ein Teenager und doch strahlte soviel Weisheit aus seinen Augen. Ich wollte sein wie er, als ich ihn zum ersten Mal sah, doch ich würde es wohl nie. Er war nicht wie ich und dennoch konnte er mich hören. Sicher konnte er mir helfen, er war vielleicht sogar deswegen hier. Allein, um mir zu helfen.

„Dann mache, dass er mich sieht. Ich bin mir sicher, du kannst das. Hilf mir! Ich kann und darf ihn nicht sterben lassen.“, flehte ich ihn an. „Dante, bitte!“ Meine Stimme überschlug sich fast und die Angst breitete sich immer weiter aus. Ich hatte sie nicht mehr unter Kontrolle. Ich war dabei meinen besten Freund zu verlieren und das durch dessen eigene Hand. Langsam ahnte ich, wie es in Jack aussehen musste. Oh Gott, was hatte ich ihm angetan. Jack wandte sich zu mir. Es war wirklich, als würde er mich ansehen, doch in Wirklichkeit blickte er durch mich hindurch auf den Schreibtisch. Erst jetzt bemerkte ich den Umschlag. In großen, schwarzen Lettern und in Jacks Handschrift stand darauf der Name der Frau, die er am Meisten liebte: Samantha Carter. Er tat sich nicht nur sich selbst was an, auch den anderen. Sam würde seinen Tod nie verkraften. Sie war bei meinem schon so gut wie am Ende und ich war mehr wie ein kleiner Bruder als wie ihre große Liebe. Jack würde ihr den Rest geben. Sie würde vollends daran zerbrechen. Wahrscheinlich sein Tod allein würden sie zur Verzweiflung treiben. Ob ich ebenfalls tot war, spielte dabei keine Rolle. Ich hatte ihre Augen gesehen, damals bei der Geschichte mit der trojanischen Kugel. Die pure Angst stand ihr in den Augen. Dann, als er auf Edora verschwunden war. Sie hatte nicht viel geschlafen, all die Zeit und dann hatten sie nicht einmal darüber geredet. Und dann immer wieder die alternativen Realitäten, in denen sie zusammen waren. Es brach ihr das Herz. Es brach auch ihm das Herz. Nur die Gewissheit, dass es irgendwann anders sein könnte, hielt sie davon ab, Dummheiten zu begehen.

Dante riss mich aus den Gedanken: „Ich werde dich für seine Augen sichtbar machen. Du musst ihn überzeugen, sonst ist es zu spät. Nicht nur für ihn. Menschen, wieso könnt ihr euer Schicksal nicht einfach akzeptieren. Immer müsst ihr euch dagegen wehren. Besonders Jack, dieser sture Hund.“ Ich ging zum Bett. Ich hoffte, sein Blick würde auf mich treffen. Dann, er blieb wirklich mit seinen Augen an mir haften. Als könnte er es nicht glauben, rieb er sich die Augen. Die Bestätigung, dass er mich sah. Doch das reichte noch nicht. Noch immer hatte er die Waffe an seiner Schläfe und ohne mein Zutun würde er sie wohl nicht senken. Ich lächelte ihn aufmunternd an und versuchte mir meine eigene Sorge nicht anmerken zu lassen. Es ging erstaunlich gut. Wir hatten halt gelernt, zu schauspielern. Dante stand immer noch neben mir und ich wusste einfach, dass Jack ihn auch sehen konnte. Sein Name ertönte durch die Lautsprecher. Es war General Hammonds Stimme. Er zitierte ihn zum Stargate. Jack rührte sich nicht und ich wagte nicht, meinen Blick von ihm zu wenden, aus Angst, er könnte genau in diesem Moment abdrücken. Dennoch musste ich etwas tun. Diese Stille, dieses gegenseitige Anstarren, es konnte nicht ewig zu weitergehen.

Deswegen brach ich das Schweigen und meinte ich so ruhig, ich beben konnte: „Du solltest gehen. Vielleicht ist es wichtig.“ Ich streckte die Hand auf und erwartete, dass er die Waffe darauf legte, doch er rührte sich immer noch nicht. Es reichte noch nicht, dennoch zog ich meine Hand nicht kampflos zurück. Ich durfte ihn jetzt nicht aufgeben. Nicht, wo er sich schon aufgegeben hatte. Er hatte den Sprung einmal geschafft. Er würde ihn auch ein zweites Mal schaffen. Ich war mir da sicher.

„Ich kann nicht mehr!“, hauchte Jack fast zu leise, um es zu verstehen. Seine Stimme war am Versagen, so wie der Rest seines Körpers. Seine braunen Augen waren jetzt fast schwarz und in ihnen vermischte sich Verzweiflung mit Traurigkeit. Ich musste alles seinem Blick entgegensetzten, ihm Hoffnung geben und ihm einfach Vertrauen. Ich musste ihm zeigen, dass es auch anders ging. Tränen traten ihm in die Augen und ergossen sich letztendlich wie Wasserfälle über seine Wangen. Ich hatte ihn nie weinen sehen, all die Jahre nicht und auch nach meinem Tod hatte er nie eine Träne vergossen, doch jetzt liefen ihm die Tränen unaufhaltsam über die Wangen und er schien es nicht einmal zu bemerken.

„Doch, du kannst. Du warst von uns immer der Stärkste. Ich wäre an deinem Verlust zerbrochen. Sam und Teal’c ebenfalls, doch du nicht. Du hast es durchgestanden und sogar wieder begonnen, zu leben. Denke an das, was du gewonnen hast. Sam und eure Liebe. Ich bin nicht blind. Ich war es nie. Ich habe eure Blicke gesehen. Sie braucht dich. Besonders jetzt. Ohne dich wird sie es nicht schaffen.“, redete ich eindringlich auf ihn ein. Ich hatte nie gedacht, dass ihn etwas noch einmal so aus der Bahn werfen konnte. Er war immer gefasst gewesen, auch als dieses Energiewesen sich in Charlie verwandelt hatte oder die Samantha aus der anderen Realität ihn küsste. Selbst bei den Begegnungen mit Skaara hatte er sich kaum etwas anmerken lassen. Immer hatte er die Hoffnung bewahrt. Doch jetzt half sie ihm nicht mehr. Sie war einfach nicht mehr da. Ich saß vor ihm und trotzdem ging es ihm immer noch nicht besser. Es war halt nicht so, dass ich immer bei ihm bleiben konnte. Ich musste wieder gehen und das bereitete ihm diesem Kummer. Mit Sam hatte ich jedoch den entscheidenden Schritt in die richtige Richtung gemacht. Allein der Gedanke an sie, würde ihn nichts Dummes tun lassen. Es verschaffte mir wenigstens Zeit, auf ihn einzureden und ihn zu überzeugen.

„Du warst es doch, er uns das angetan hat. Du hast uns einfach verlassen.“, entgegnete Jack anklagend und versuche erst gar nicht, seine Verachtung für meine Tat zu unterdrücken. Oh Gott, er hatte recht. Ich hatte ihnen das angetan. Jetzt war es auch an mir, seine Schmerzen zu lindern.

„Ja, das habe ich. Ich habe euch das angetan, weil es richtig war. Richtig für mich. Richtig für die Menschheit. Aber ich bin hier und ich werde immer hier sein.“ Noch mal wurde er aufgerufen. Wieder ignorierte er es. Seine Augen ruhten immer noch auf mir. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass ich nicht mehr da sein könnte, wenn er sich nur einen Augenblick von mir abwandte. Ich konnte ihn verstehen, mir ging es ähnlich.

„Dein Schicksal erwartet dich, Jack. Du musst jetzt noch einmal stark sein, danach ist es vorbei.“ So etwas Ähnliches hatte Dante damals auch schon gesagt, als meine Eltern starben, doch jetzt klangen seine Worte irgendwie leer und überflüssig. Durchhalten, Schicksal. Wusste er überhaupt, was er von ihm verlangte? Was ich schon von ihm verlangte? Jack wollte nicht immer wieder vertröstet werden, doch es ging doch nicht anders. Das Leben war halt so und nicht anders.

„Ich dachte, so zu enden, mit einer Waffe an meiner Schläfe, das wäre unweigerlich mein Schicksal.“, gab mein Freund sarkastisch zurück. Sarkasmus. Wie brachte er nur die Kraft dazu auf? Es machte es immer irgendwie leichter, doch irgendwann half es nicht mehr. Der Moment war jetzt. Ich wünschte, er würde es lassen. Nur einmal in seinem Leben, doch es gehörte zu seinem Wesen dazu und ich hatte gelernt, damit auszukommen. Vielleicht hatte gerade seine Art mich das alles überstehen lassen. Rührseligkeiten passten halt nicht zu dem Jack O’Neill, den ich kannte. Er konnte ja noch nicht einmal gerade heraus sagen, dass ich ihm fehlen würde. Nein, Offenheit war nie seine Stärke gewesen. Nie, wenn es um seine Gefühle ging. Ich musste ausnutzten, dass ich ihn besser kannte, als jeder andere und umgedreht.

„Gib mir die Waffe, Jack. Ich schwöre dir, es wird alles wieder gut. Vertrau mir! Habe ich dich je angelogen? Du bist noch nicht an der Reihe. Es gibt für dich noch so viel zu tun. Du hast noch Zeit. Verdammt Jack, vermassle es nicht!“ Meine Stimme klang wütend und gleichzeitig ängstlich. Ich fürchtete mich davor, dass er sich das Leben nehmen könnte. Schon komisch, dass man im Angesicht seines eigenen Todes nur halb so viel Angst hat, wenn man bedenkt, welche Qualen man durchstehen muss, wenn ein Verbündeter sterben könnte, ein Freund, ein Bruder. Ich fürchtete mich mehr davor, noch einen meiner Freunde zu verlieren als meine eigene Existenz. Meine Hand zitterte leicht und so sehr ich es auch zu unterdrücken versuchte, es gelang mir nicht. Selbst Jack schien es bemerkt zu haben. Ich ahnte, was er jetzt in meinen Augen lesen konnte: Angst, dass er sich doch etwas antun könnte, Ungeduld, wann er endlich die Waffe senken würde und Schuld, weil ich ihm das angetan hatte. Ich wollte wütend auf ihn sein, weil er überhaupt mit dem Gedanken gespielt hatte, sich etwas anzutun. Doch ich konnte nicht. Er war mein Freund, so etwas wie mein großer Bruder. Ich hatte ihm nie böse sein können. Ich so, wie ich es gewollt hätte. Dieses seltene Lächeln, das er mir immer schuldbewusst zugeworfen hatte, machte alles wieder weg. Er hatte sich auch bemüht, meinen Ausführungen zu folgen. Was konnte er schon dafür, wenn er sich nicht für Archäologie begeistern konnte. Es war halt nicht sein Ding. Ich verzieh es ihm, so wie ich ihm alles andere nicht nachtrug. Er schien mir zu glauben. Langsam, aber überzeugt, senkte Jack seine Waffe. Er legte sie mir in die Hand und sie verschwand. Auch mir kamen die Tränen, doch ich unterdrückte sie. Ich musste jetzt für ihn stark sein. Noch immer ruhte sein Blick auf mir und ich hatte keine andere Wahl, als ihn aufmunternd anzulächeln. So, wie ich es getan hatte, bevor ich mit Ohma ging. Ich hatte gedacht, ich hätte alles gesagt, doch dem war wohl nicht so oder er hatte mal wieder nur mit einem Ohr zugehört. Typisch Jack eben. Er hatte mir aber auch sehr viel beigebracht. Das ich nicht alles als selbstverständlich hinnehmen sollte, dass jeder Schmerz einmal verging, nicht ganz, aber ein wenig, so das man damit leben konnte, dass es an guten Tagen leicht war, zu lächeln und man es auch an Schlechten ruhig mal versuchen sollte, um nicht ganz zu verzweifeln und das ein bisschen Sarkasmus half, die Hoffnung zu bewahren. Nur hatte es selbst nicht daran gehalten. Auch er musste jetzt lächeln, obwohl ihm eigentlich nicht danach zumute war. Mein Lächeln war einfach ansteckend gewesen. Vielleicht hatte er sich auch einfach an seine eigenen Überzeugungen erinnert. Was es auch war, es war gut so. Nun bestand keine Gefahr mehr. Vorerst nicht. Aber ich konnte noch nicht gehen. Nicht, ohne vollkommen sicher zu sein.

„Sie ist auf dem Weg hier her. Ich verschaffe euch etwas Zeit.“, rissen Dantes Worte mich aus den Gedanken und dann verschwand er, genau wie damals, als ich wieder Lebensmut gefasst hatte.

„Sam!“, dachte Jack laut. Langsam schien ihm klar zu werden, was er ihr beinahe angetan hatte, dass sie die Erste gewesen wäre, die seinen leblosen Körper in seinem Quartier entdeckt hätte. Nach mir versteht sich, doch ich zählte nicht. Nicht für die Allgemeinheit. Ich zählte nur für ihn. Langsam kam die Erleichterung über mich. Erst jetzt realisierte ich, dass ich es wirklich geschafft hatte, ihn aufzuhalten. Vielleicht sogar für immer oder wenigstens bis Dante mit ihm fertig war.

„Ja, Sam. Sie liebt dich, das weißt du. Vielleicht wirst du sie nicht sofort haben können, aber die Zeit wird kommen. Selbst das Schicksal lässt sich beeinflussen, man muss nur wissen, wie. Und du weißt es.“, meinte ich ebenso nachdenklich, wie ich sicherlich aussah.

„Ich vermisse dich, Daniel. Oh Gott, ich vermisse dich!“, schluchzte ich. Nie hatte er so offen ausgedrückt, was er fühlte. Nicht mir gegenüber. Ich war ihm dankbar dafür. Das gab mir Kraft. Es würde auch ihm Kraft geben. Da war ich mir einfach sicher. Ich kannte ihn zu gut, um mir nicht sicher zu sein. Mir ging es ja auch nicht ähnlich.

„Ich weiß. Ich euch auch. Aber ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst und dir immer zuhören. Ich mache mich auch ab und zu bemerkbar, versprochen.“, gab ich zuversichtlich zurück und verwandelte mich in meine jetzige Gestalt. Die Gestalt eines Energiewesens.

„Wirklich versprochen?“, hakte Jack ungläubig nach. Ich legte ihm die Hand, wenn man das so nennen konnte, auf die Schulter und ihm wurde klar, dass seine Frage überflüssig war. Ich war immer bei ihm, solange er nicht vergaß und er würde nie vergessen. Mich vielleicht verdrängen, für einige Zeit höchstens, aber nie vergessen. Zu eng waren wir dafür verbunden.

„Ich muss jetzt gehen. Dante wird dich auf deinem Weg begleiten. Er wartet bereits auf dich. Habe keine Angst und denke an meine Worte: Selbst das Schicksal kann beeinflusst werden.“

„Was ist er? Ist er wie du?“

„Er ist unser Schutzengel.“ Es klopfte an die Tür. Nur für einen kurzen Moment wandte er seinen Kopf von mir ab, doch das hatte genügt, damit ich verschwand. Doch ich war noch im Raum und beobachtete das geschehen. Vor der Tür stand Samantha Carter. Ich wusste, es war Sam. Wer auch sonst. Jack wagte nicht, zu sprechen, aus Angst, sie könnte seine tränenerstickende Stimme als solche erkennen. Er wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte sich zu fassen, was ihm nach ein paar Augenblicken auch gelang.

„Colonel? Öffnen sie die Tür! Sir? Jack, mach schon auf, verdammt noch mal!“„, schrie Sam verzweifelt. Sie hämmerte jetzt mit der Faust auf die Tür ein, als würde es etwas bringen. Auch sie klang so, als würde sie weinen. Sie ahnte wohl, was er sich hatte antun wollen. Jack erhob sich allmählich und öffnete die Tür. Samantha Carter fiel ihm sichtlich erleichtert um den Hals und seine Uniform saugte ihre salzigen Tränen auf, denn sie vergrub ihr Gesicht in seiner Brust. Es war ein Bild für die Götter. Voller Trauer und Schmerz, aber auch Liebe und Hoffnung. Wie oft hatte ich mir schon gewünscht. Sie so zu sehen. Das sie endlich einsahen, dass sie ohne den anderen nicht leben konnten. Jetzt konnte ich beruhigt gehen. Nicht für immer, aber für eine Weile. Dante würde gut auf die beiden Acht geben. Das hatte er immer getan. Mit Jack hatte er noch etwas vor, dass ahnte ich, aber dieser würde es überleben. So wie er alles meisterte. Selbst der Tod war nicht das Ende für ihn. Für niemanden von uns. Ich war das mehr oder weniger lebende Beispiel. Jack strich Sam zaghaft über ihr aschblondes Haar und drückte sie so fest an sich, wie er nur konnte. Er wollte sie spüren. Wollte einfach nur wissen, wie es sich anfühlte, zu leben. Denn sie war sein Leben. Sie war es immer gewesen. Hätte sie an meiner Stelle die Menschen gerettet, ich hätte ihm nicht verübeln können, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hätte. Ich hätte ihm wahrscheinlich Gesellschaft geleistet. Sie war es immer gewesen, die uns zusammengehalten hatte. Ohne sie wären wir nie so weit gekommen. Sie war ein Engel, ein wunderschöner und hochbegabter Engel.

Sanft redete er auf sie ein: „Schon gut! Alles in Ordnung! Es wird alles wieder gut. Beruhige dich! Ich bin ja da!“ Er rang mit sich, ob er ihr von unserem Gespräch, von mir, erzählen sollte oder besser doch nicht. Er entschied sich fürs Letztere. War ja auch zweifelhaft, ob sie ihm überhaupt glauben würde. Plötzlich stieß Samantha ihn von sich weg. Ihre Augen funkelten ihn wütend an. Mit dieser Reaktion hatte ich bereits gerechnet und Jack schien auch nicht allzu überrascht zu sein. Wie ich sie liebte, wenn sie wütend war. Ja, ich liebte sie, aber auf eine rein schwesterliche Art und Weise. Nicht so wie Jack, mehr wie Sams Bruder. Sie war meine beste Freundin und die einzige, die halbwegs nachvollziehen konnte, was ich empfand. Ihre Leidenschaft war die Astrophysik, doch auch dafür hatte Jack nie ein Ohr gehabt. Es war auch berechtigt, Jack hatte sich mal wieder wie ein Idiot benommen. 

„Sag mal, spinnst du? Ich habe mir Sorgen gemacht. Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein, hast du verstanden. Ich wäre beinahe vor Angst...“, schrie sie ihn hysterisch an.

„Sam!“, unterbrach Jack sie und brachte sie so zum Schweigen. „Ssshhh!“ Seine Stimme klang immer noch ruhig. Er legte ihr zwei Finger auf die Lippen, damit sie auch wirklich die Klappe hielt und hörte, was ich sagte.

Ich streifte als Luftzug über sie hinweg und flüsterte leise: „Passt auch euch auf!“ Sam sah Jack perplex an. Tränen standen ihr in den Augen, als sie endlich realisierte, wer da zu ihnen gesprochen hatte.

„Daniel?!“, hauchte sie fast unmerklich. Es war mehr eine Frage, als eine Feststellung. Jack nahm sie wieder schützend in die Arme. Ich musste lächeln, als ich meinen Namen mit dem Klang ihrer Stimme vernahm. Allein, ihn aus ihrem Mund zu hören, reichte mir, um über meine Einsamkeit hinwegzukommen. Irgendwann würden wir vier wieder vereint sein. Ich hoffte, dass es nur nicht allzu bald geschehen würde. Um Jack und Sams Willen...

 

Sam:

 

Jack war nach der Besprechung ziemlich schnell verschwunden. Ich machte mir langsam Sorgen um ihn. Sonst hatte er immer gewartet bis alle anderen den Besprechungsraum verlassen hatten, doch heute war er als Erstes aus dem Raum gestürmt. Vielleicht hatte er ja eine dringende Verabredung, doch das hätte er sicher erwähnt. Er bemerkte so etwas immer mal so nebenbei. Wahrscheinlich nur um zu sehen, ob ihm überhaupt jemand zuhörte. Leider war es schon die ganze Zeit so komisch gewesen, seit Daniel... Ich wagte es nicht, den Satz zu Ende zu denken, auch wenn es halt nur ein Gedanke war. Daniel war zwar Auslöser derzeitiger Probleme, aber Jack war es, der mir Kummer bereitete. Das Daniel gegangen war, hatte ihn mehr mitgenommen, als er zugeben würde. Daniel war sein bester Freund gewesen, nein, mehr noch, ein kleiner Bruder. Ich hätte mir von Anfang an Denken müssen, dass er noch so einen schweren Verlust nicht verkraftete, auch wenn er die ersten Tage seine Rolle gut gespielt hatte. Sicherlich gab er sich auch die Schuld daran, dass Daniel fort gegangen war. Er hatte den Befehl gegeben. Noch immer hallten seine Worte durch meinen Kopf: „Jakob, Stopp! Er will es so.“ Seine Stimme hatte sich noch nie so brüchig und gleichzeitig so abwesend angehört. Als hätte er gar nicht wirklich mitbekommen, wie er es gesagt hatte. Auch sein Blick hatte sich verändert. So vollkommen leer, so ausdruckslos und nur noch ein Funken Zuversicht darin. Ich hatte Jack gefragt, mehr als einmal, was denn genau passiert sein, was Daniel gesagt hatte, doch er wollte nie darüber sprechen. Er hatte einfach abgeblockt und so getan, als wäre nichts gewesen. Doch es war etwas vorgefallen. Denn immer, wenn ich Daniels Namen erwähnte, schaltete er ab und hörte nicht mehr zu, als würde es ihn nichts angehen. Wieso redete er nicht darüber? Das würde ihm helfen und es würde mir helfen. Doch er war so stur, so stolz und tat so stark. Dinge, für die ich in schwierigen Situationen bewunderte und wir waren oft in solchen Schwierigkeiten. Doch bei solchen Sachen waren diese Eigenschaften fehl am Platz, sie verschlimmerten nur noch alles. Jack hatte sich vollkommen in sich zurückgezogen. Mehr als er es bei Charlie tat. Zum Beispiel, als dieses Energiewesen sich in seinen Sohn verwandelte, hatte er sich auch von uns abgekapselt. Nein, nicht ganz, Daniel hatte er an sich heran gelassen, ihm hatte er den Zugang zu seinen Gefühlen gewährt. Jack war sogar mit ihm zu Charlies Grab gefahren, das erste Mal seit dessen Tod. Mit mir hatte er wohl nie über so etwas reden können, obwohl ich ihm zugehört hätte. Zu gerne hätte ich gewusst, was in ihm vorging, doch es sollte wohl nicht sein. Mir kam die Geschichte mit der Eiszeit wieder in den Sinn, wo wir einfach nur so dagesessen hatten und er mir sagte, dass er sich an Gefühle erinnern könnte. Er sagte nicht genau, welches es sei oder wem es galt, aber ich wusste, er meinte die Liebe zu mir. Ich hatte es einfach gewusst. Auch damals, als ich in diesem Energiefeld gefangen war. Aber da hatte er es mir ganz deutlich gezeigt. Er hatte nicht ohne mich gehen wollen. Nur aus einem Grund, weil er mich liebte. Wir hatten uns jedoch nie richtig berührt, oder doch? Ja, zwei Mal. Als er von einem Goa’uld gefallen wurde und ich ihn aus diesem Kyrogenbecken geholt hatte und als wir in der Antarktis festsaßen. Beide Male hatte er mich nicht mehr loslassen wollen und um ehrlich zu sein, ich auch nicht. Ich hatte schon oft Angst um ihn gehabt. Zum Beispiel, als ihm die trojanische Kugel die Schulter durchbohrte, als er fast durchdrehte, weil ihm dieses Wissen eingepflanzt wurde, als er im Körper von Teal’c steckte und krank wurde, weil er das Kel’no’rem nicht durchgeführt hatte, als Harthor ihn als ersten Jaffa auserkor und ihn zu den Larven in die Wanne setzte, als er auf Edora verschollen war oder als ihn erst neulich die Jaffa vor dem Energieschild folterten. Besonders bei der Edorasache hatte sie sich Vorwürfe gemacht, dass sie ihn hatte gehen lassen, doch er hatte schon damals immer seinen eigenen Kopf gehabt. Unvernünftiges Handeln war eine seiner größten Schwächen, aber das liebte ich auch so an ihm, denn nur dadurch, war er bei mir geblieben, als ich zu sterben drohte. Ich wünschte, er hätte ihn ein paar Mal mehr zum Denken benutzt. Das hatte er meist mir oder Daniel überlassen. Er war immer nur der Soldat gewesen, nicht der Diplomat und Erfinder. Für ihn hieß es nur, Befehle befolgen und Anweisungen geben. Nicht selten brachte uns das in Schwierigkeiten. Dennoch hätte ich diese Abenteuer nicht missen wollen. Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken, zu sehr tat es mir im Herzen weh. Ich konzentrierte mich wieder auf meinen Reaktor. Wie lange arbeitete ich jetzt schon daran? Fast zwei Jahre? Jetzt, wo wir das Naqudria hatten, wollte ich es natürlich auch gleich damit versuchen. Es hatte mich wenigstens etwas von Daniel abgelenkt, von seinem bevorstehenden Tod und der Zeit danach. Daniel... Warum schweiften meine Gedanken immer wieder zu ihm? Ich vermisste ihn einfach viel zu sehr. Ich musste unwillkürlich schmunzeln, als ich an all die Namen dachte, mit welchen Jack ihn betitelt hatte: Spacemonkey, Freak, Spinner, etc. Auch Daniel hatte diese Angewohnheit gehabt, sich in Gefahr zu bringen, doch bei ihm hatten wir oft genug gedacht, er sei tot. Er hatte uns immer wieder überrascht. Doch diesmal war es endgültig. Das wussten wir alle. Und es hatte uns schwer getroffen. Ich schüttelte den Gedanken ab und stand auf. Heute würde ich wahrscheinlich nichts mehr schaffen. Ich wollte mir aus der Cafeteria einen Kaffee holen, denn an Schlaf war heute auch nicht mehr zu denken, so wie auch in den letzten Tagen. Doch kaum hatte ich den Flur betreten, ging auch schon der Alarm los. Sofort rannte ich in Richtung Kontrollraum, welcher nicht weit von meinem Labor entfernt war. Ein Vorteil, wenn es ernst wurde. Teal’c war bereits dar, als ich in den Raum gestürzt kam und neben ihm stand General Hammond. Die Iris war offen und das Wurmloch etabliert. Dennoch ging der Alarm los und Soldaten versammelten sich im Stargateraum. Irgendetwas stimmte also nicht. Bei Sha’ris Sohn war es ähnlich gewesen.

„Was ist los?“, fragte ich leicht irritiert.

„Irgendjemand hat sich rausgewählt. Wir können das Tor nicht mehr schließen.“, meinte Teal’c tonlos. Ich wusste, dass ihm durchaus unbehaglich war, wie wohl jedem hier, doch sah man ihm das kaum an. Nur eine Augenbraue hatte er gehoben. Ich jagte den Sergeant von seinem Stuhl und versuchte es selbst, doch nichts geschah. Wer auch immer das war, er hatte ganze Arbeit geleistet. Letztendlich gab ich auf.

„Ich schaffe es nicht, Sir! Nichts reagiert!“, gab ich enttäuscht zu.

„General!“, meldete sich Teal’c und zeigte aufs Stargate. Mein Blick fiel auf einen jungen Mann, der mir seltsam bekannt vorkam.

„Wer sind sie?“, fragte General Hammond gereizt durch das Mikrophon. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Fremden. Mich ließ einfach das Gefühl nicht los, dass ich ihn kannte. Dieses Grinsen, die grünen Augen und das markante Gesicht. Ich durchforstete meine Vergangenheit und langsam kamen die Erinnerungen wieder. Ich kannte ihn tatsächlich und er hatte sich kein Stück verändert. Immer noch dieses jugendliche Aussehen, obwohl unsere Begegnung bereits fast 20 Jahre her war und diese unergründliche Zuneigung, die ich schon beim ersten Mal verspürt hatte. Damals, als meine Mutter gestorben war. Sie hatte ihm einfach vertraut, sie konnte nicht anders. Es war unglaublich aber wahr. Ich sah ihn doch, also musste es wahr sein.

„Dante!“, dachte ich laut und war vollkommen perplex. General Hammond sah mich entgeistert an.

„Unmöglich! Er sieht zwar so aus, wie der Mann, der mir das Leben rettete, aber dieser starb vor über vierzig Jahren.“ Jetzt war ich die Überraschte. General Hammond kannte ihn also auch. Das wurde ja immer merkwürdiger. Was zum Teufel ging hier vor und wieso war gerade Dante derjenige, der hier war. Vielleicht wegen Daniels Tod, falls man es so nennen konnte oder ging es um Jack? Das ungute Gefühl setzte schlagartig wieder ein und eine schreckliche Vision bot sich vor meinem inneren Auge. Noch einmal starrte ich auf das Stargate, Dante war verschwunden. Das bedeutete nichts Gutes.

„General, lassen sie Colonel O’Neill ausrufen, schnell!“, rief ich gehetzt und meine Stimme überschlug sich fast. Ich war bereits aufgesprungen und im Begriff die Treppe hinauf zu rennen. Er folgte meiner Bitte, obwohl es mehr eine Art Befehl war. Ich hatte nicht noch eine Sekunde länger warten können. Mir war klar geworden, dass er nicht kommen würde und ich wollte einfach nur sichergehen, dass ich mich irrte. Zielstrebig rannte ich auf kürzestem Weg zu den Quartieren, denn ich wusste, dass er hier auch lang kommen würde. General Hammond ließ ihn nach endlosen Minuten noch einmal ausrufen. Ich war bereits auf halbem Weg. Nur noch der Fahrstuhl, welcher sich heute im Schneckentempo zu bewegen schien und den  langen Flur zu den Quartieren. Eigentlich hätte ich ihm jetzt schon begegnen müssen, doch er war nirgends zu sehen. Ich hämmerte schon ungeduldig auf den Knopf ein, als die Lifttüren sich endlich öffneten und ich hineintrat. Nur ein Gedanke hallte durch meinen Kopf: Lass ihn nicht tot sein, oh Gott, bitte lass ihn nicht tot sein. Ist schon komisch, wenn man so darüber nachdachte, ich hatte mehr Angst vor dem Tod meiner Freunde, meiner großen und wahrscheinlich sogar einzigen Liebe, als vor meinem eigenen Dahinscheiden. Jack zu verlieren wäre noch tausendmal schlimmer als der Abschied von Daniel. Denn ich hatte Jack nie wirklich gesagt, was ich fühlte. Er ahnte es, aber das reichte doch nicht. Ich musste es ihm sagen, sofort! Die Regel, so sinnvoll sie auch sind, waren mir egal, mein Job war mir egal, alles war mir gleich, alles außer er. Er musste es wissen. Ich durfte ihn nicht ohne dieses Wissen gehen lassen. Ich hätte es ihm schon viel früher sagen sollen, viel früher. Ich war feige, dumm und abweisend. Das durfte ich jetzt nicht mehr sein. Ich musste es ihm sagen, er musste es wissen. Jack musste wissen, dass ich ihn liebe. Es hatte schon so viele Gelegenheiten gegeben und nie hatten wir auch nur eine genutzt. Wir waren solche Idioten gewesen. Daniel hatte mir mal gesagt, ich sollte jeden Moment auskosten, egal wie oder mit wem. Ich hätte auf ihn hören sollen, denn er sprach von der Zeit mit Jack. Ich hätte unsere Zweisamkeiten besser verbringen können, als mit Schweigen oder um den heißen Brei herum zureden. Jetzt schien es fast zu spät zu sein. Der Fahrstuhl hielt an, öffnete jedoch nicht die Türen. Oh Gott, nicht jetzt. Nicht gerade jetzt. Musste dieser bescheuerte Fahrstuhl gerade jetzt feststecken?

„He! Hört mich jemand! Öffnet diese verdammte Tür. Ich will hier raus!“, schrie ich aus vollem Hals und trat gegen den massiven Stahl des Lifts.

„Dich wird niemand hören. Es nützt also nichts, wenn du schreist, Sammy.“, meinte eine männliche Stimme hinter mir. Ich fuhr herum und starrte verblüfft in Dantes jugendliches Gesicht.

„Dante, was zum Teufel willst du hier? Ich muss zu Jack. Du darfst mich jetzt nicht aufhalten.“, fuhr ich ihn wütend an. Wie konnte er mir das nur antun, gerade jetzt. Ich wollte nicht noch einen meiner Freunde verlieren. Schon gar nicht Jack. Er bedeutete mir einfach alles.

„Du kannst ihm im Moment nicht helfen.“, gab er bloß kühl von sich.

„Wie meinst du das? Ist er etwa tot? Das darf nicht sein. Lass mich sofort zu ihm!“ Meine Stimme überschlug sich und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich schlug hysterisch auf Dantes Brust ein und dieser nahm mich in die Arme. Ich fing bitterlich an zu weinen. Ich kam zu spät. Ich hatte versagt.

„Er ist nicht tot, keine Sorge, aber er ringt mit sich selbst um sein Leben. Du musst jetzt stark sein und auf ihn vertrauen. Mehr kannst du nicht tun. Ich werde dich erst zu ihm lassen, wenn er sich entschieden hat.“ Dantes Stimme klang sanfter als zuvor, fast so, wie nach dem Tod meiner Mutter. Jack war also noch am Leben. Wieso durfte ich dann nicht zu ihm. Ich wollte ihm doch helfen. Ich wollte es mehr, alles andere. War ich vielleicht der Grund, warum er diesen Entschluss gefasst hatte und nicht Daniel. Wenn ja, wieso? Was hatte ich getan, dass er sich so etwas antat, dass er mir so etwas antat? War es vielleicht dieses ganze Herausreden, die Distanz, die ich zwischen uns gewahrt hatte, dieses ganze Ausweichmanöver, immer wenn er meinem Herzen noch näher kam, als er es zuvor schon vermochte? Was?

„Und wenn er sich gegen das Leben entscheidet?“, schluchzte ich, obwohl ich Antwort bereits kannte.

„Dann ist er ein größerer Idiot als ich angenommen hatte.“ Ich sah ihn an, er grinste. Auch ich musste lächeln. Jack hatte sich richtig entschieden. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Oder war es doch nur die Bemerkung, die ihn schmunzeln ließ? Wieso sagte Dante nichts? Ich wollte es doch wissen, er sah es mir an. Jeder würde es mir ansehen.

„Er hat sich entschieden. Wie?“, fragte ich, als er nach einer Weile immer noch nichts sagte.

„Finde es selbst heraus.“ Die Lifttür glitt auch und ich trat auf den Flur. Als ich mich umdrehte, war Dante verschwunden. Ich hasste es, wenn er das tat. Ich hatte es damals schon gehasst. Er war immer so verschwunden, auch wenn es mir nicht gepasst hatte. Er kam und ging, wie er es für richtig hielt. Wie das Schicksal es vorherbestimmt hatte. Ich rannte den Flur entlang. Es waren nur noch ein paar Meter. Da, ich sah sie schon, die Tür zu Jacks Quartier. Sie kam mir dicker und undurchdringlicher vor, als jemals zuvor. Ich blieb genau davor stehen. Einmal atmete ich tief durch und betete immer und immer wieder: Bitte, lass ihn am Leben sein. Oh Gott, bitte! Ich drückte die Klinge hinunter, die Tür war verschlossen. Ich hätte es wissen müssen. Panik stieg in mir hoch. Ich wusste im ersten Moment nicht, was ich tun sollte. Ich konnte einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Also hämmerte ich an die Tür und schrie verzweifelt: „Colonel? Öffnen sie die Tür! Sir? Jack, mach schon auf, verdammt noch mal!“ Ich hämmerte jetzt mit der Faust auf die Tür ein, als würde es etwas bringen. Ich klang verweint, meine Stimme war brüchig und schon wieder rannen mir Tränen über die Wangen. Endlich, die Tür öffnete sich und ich sah in Jacks Gesicht. Er hatte geweint, seine Augen waren gerötet. Ich war so glücklich, dass er noch lebte. Ich fiel ihm sichtlich erleichtert um den Hals und seine Uniform saugte meine salzigen Tränen auf, denn ich vergrub mein Gesicht in meiner Brust. Ich saugte seinen Duft ganz tief in mich ein, hörte, wie sein Herz schlug, ruhig und gleichmäßig, spürte den Atem auf meiner Haut, seine Finger an meinem Rücken, in meinem Haar und vernahm seine sanfte Stimme, die mir beruhigend zuflüsterte. Ich hörte seine Worte nicht. Sie waren nicht wichtig. Es zählte nur, dass er noch lebte. Er drückte mich noch fester an sich, als wolle er mich nie wieder loslassen und ich krallte mich an seiner Uniformjacke fest, aus Angst, ich könnte ihn doch noch verlieren. Ich wollte ihn einfach nur spüren. Wollte einfach nur wissen, wie es sich anfühlte, zu leben. Denn er war mein Leben.

Sanft redete er weiter auf mich ein: „Schon gut! Alles in Ordnung! Es wird alles wieder gut. Beruhige dich! Ich bin ja da!“ Wie hatte er mir das antun können? Wie hatte er mit diesem Gedanken nur spielen und dann zu mir so etwas sagen können? Als wäre nichts gewesen. Er war so ein Vollidiot. Wut stieg in mir hoch. Zorn vermischt mit Angst. Er war so ein Idiot gewesen und hatte mir das Schrecklichste angetan, dass er hätte machen können. Ich stieß ihn von mir weg. Meine Augen funkelten ihn wütend an, das wusste ich. Er schien mit dieser Reaktion bereits gerechnet zu haben, denn er war nicht sehr überrascht. Er kannte mich halt. Ich sah etwas in seinen Augen, etwas, dass schon öfter da gewesen war. Immer, wenn er mich ansah. Immer. Es war Liebe. Ich wollte ihm nicht mehr böse sein, aber ich musste ihn zur Rede stellen. So leicht würde er mir nicht davonkommen. Ich würde ihn nie mehr aus den Augen lassen, das schwor ich mir. 

„Sag mal, spinnst du? Ich habe mir Sorgen gemacht. Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein, hast du verstanden. Ich wäre beinahe vor Angst...“, stieß ich hervor.

„Sam!“, unterbrach er mich und brachte mich so zum Schweigen. Der Klang seiner Stimme genügte, um mich verstummen zu lassen. „Ssshhh!“ Seine Stimme klang immer noch ruhig. Er legte mir zwei Finger auf die Lippen, damit ich auch wirklich die Klappe hielt und hörte, was er hörte.

Ein Luftzug streifte über uns hinweg und wir hörten Daniel leise flüstern: „Passt auch euch auf!“ Ich sah Jack perplex an. Tränen standen mir in den Augen, als ich endlich realisierte, wer da zu uns gesprochen hatte.

„Daniel?!“, hauchte ich fast unmerklich. Es war mehr eine Frage, als eine Feststellung. Jack nahm mich wieder schützend in die Arme. Seit langem hatte ich mich nicht mehr so wohl gefühlt. Alte Erinnerungen kamen wieder hoch. Die Sache mit der Eiszeit, wo wir uns nicht an unsere wahre Identität erinnern konnten. Wie uns die Goa’uld die Zukunft vorgaukelten und Jack mich auf dieser Barre hatte liegen sehen, nackt. Seine Augen, als er von der trojanischen Kugel durchbohrt wurde. Die Szene im Umkleideraum, als ich über ihn herfiel, weil ich von einer Art Virus befallen war. Der misstrauische Blick, den er draufhatte, als wir bei den Jaffarebellen waren. Die Geschichte mit dem Zat-Dingsbums, der uns für Verräter hielt, nur weil wir verschwiegen hatten, dass er mich nicht sterben lassen wollte. Die Geschichte im Besprechungsraum, wo ich ihn das erste Mal sah und mich sofort vor ihm beweisen musste. Ich lächelte beim Gedanken daran.

„Wir müssen gehen.“, ertönte Dantes Stimme hinter uns und riss mich aus meinen Gedanken.

„Ich weiß.“ Jack ließ mich los und ich sah ihm in seine dunkelbraunen Augen.

„Was?“, fragte ich verwirrt. „Du willst mich auch verlassen.“

„Ich muss. Aber ich komme zurück. Versprochen.“

„Ich werde mit dir kommen.“

„Das kannst du nicht!“, meinte Dante trocken. Für diesen Ausspruch hätte ich ihn umbringen können. „Er muss es alleine erledigen. Es ist sein Schicksal!“ Ich schüttelte entschieden den Kopf. Ich wollte Jack nicht gehen lassen.

„Ich bin bald wieder da!“, versprach er mir nochmals. Er gab mir einen langen, leidenschaftlichen Kuss, eine Kuss, den ich wohl nie vergessen würde. Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Ich schwor mir, dass sich nach meiner Rückkehr alles ändern würde. Keine Lügen und kein Verschecken mehr. Das Schauspiel sollte ein Ende haben. Es zählte dann nur noch unsere Liebe.

„Ich liebe dich, Jack!“, hauchte ich und drohte wieder in Tränen auszubrechen.

„Ich weiß.“ Jack löste sich vollends von mir und ging mit Dante in Richtung Stargateraum. Ich sah ihm nach, doch er drehte sich nicht mehr um. Wahrscheinlich wäre er dann nicht gegangen. Ich sah mich verloren in seinem Zimmer um. Auf dem Schreibtisch lag ein großer Umschlag mit meinem Namen darauf. Ein Abschiedsbrief. Ich nahm ihn in die Hand und beschloss ihn zu lesen und mir auch die Kassetten anzuhören.


ENDE
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