Homework

“Wie lange sitzt du denn schon vor der Kiste?”
Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte sie sich in den Türrahmen und starrte ihn fragend an.
„10… Minuten!?“ Hilflos zuckte er mit der Schulter. Eigentlich hätte er sie heimkommen hören sollen, damit er rechtzeitig seine Computer ausmachen konnte, doch sie hatte sich wohl ins Haus geschlichen, um ihn zu ertappen.
„10 Minuten?“ Ihre linke Augenbraue wanderte nach oben. „Du meinst wohl eher 10 Stunden, oder Eli!?“
Genervt verdrehte er die Augen, ehe er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und seine Mutter ansah.
„Mom, was willst du von mir?“ Seine Stimme hatte einen hohen Ton angenommen, welchen sie nur allzu gut kannte. Er verwendete diesen immer, wenn sie ihn auf die Palme brachte.
„Was ich von dir will?“, wiederholte sie, wobei sie ruhig in den Raum trat. Mit ihrem Fuß hob sie ein paar von seinen zerknüllten Klamotten auf und trat diese zur Seite. Er hatte nicht abgewaschen, sein Zimmer nicht aufgeräumt und das Gras im Garten war nach wie vor ungemäht…
„Ich will, dass du wie vereinbart die Hausarbeit machst und nicht ständig vor diesem dummen Bildschirm hängst! Außerdem will ich, dass du wie besprochen Jobbewerbungen schreibst und dich wie ein normaler junger Mann in deinem Alter verhältst!“
Empört verzog er das Gesicht, bevor er sich in seinem Sessel aufrichtete. „Ich bin ‚normal’!“
Okay, vielleicht saß er ein wenig mehr vor dem Computer als andere aber deshalb war man doch nicht sofort abnormal…
„So?“, bohrte seine Mutter nach. „Wo sind dann deine Freunde, Eli? Wo sind die Mädchen in deinem Alter? Ich hab bis jetzt noch nie jemanden gesehen und ich frage mich schön langsam, ob du nicht einmal ausgehen und Leute treffen solltest, anstatt hier zu sitzen!“
Desinteressiert zupfte er an seiner dünnen Jacke herum, ehe er leise murmelte: „Ich hab Freunde!“
Fragend riss sie die Augen auf. „Wo? ‚Online’?“
Genervt ließ er ein Stöhnen über seine Lippen gleiten. Warum brachte sie immer wieder dieses Thema auf? Freunde waren Freunde, egal woher die waren. Es War doch nicht abartig jemanden übers Internet zu kennen, oder?
Fordernd blickte sie ihn an, nach wie vor auf seine Antwort wartend. Manchmal fragte sie sich wirklich, was sie falsch gemacht hatte. Wie hatte er bloß so ein fauler Einzelgänger werden können?
Als Eli jedoch weiterhin nicht antwortete, stützte sie eine ihrer Hände auf der Hüfte ab.
„Dreh das Ding hier ab und hilf mir wenigstens beim Kochen!“
Protestierend verschränkte er die Hände. „Mom!“
„Nichts ‚Mom’, du hilfst mir zur Abwechslung einmal!“
„Aber Mom…“, begann er, wobei er auf seinen Bildschirm deutete. „Ich hab das Rätsel in dem Spiel fast gelöst!“
Stur hob sie seine Dreckwäsche vom Boden auf und drückte ihm diese in die Hand. „Das Selbe hast du mir gestern auch erzählt und du sitzt nach wie vor daran!“
Eifrig griff sie nach dem Mülleimer unter seinem Tisch, welcher voll mit leeren Chipspackungen und Schokoriegelpapier war. Mit einem leisen ‚Na komm schon’ verließ sie den Raum und ging in den Korridor.
Nachdenklich runzelte Eli die Stirn bevor er auf seinen Monitor blickte. Er hatte das Onlinespiel offen, was ihn somit wieder auf das Rätsel starren ließ. Er biss sich kurz auf die Lippen, ehe er den Wäschepack zu Boden schmiss und sich wieder seinem Spiel widmete.
„5 Minuten noch, Mom!“
Sie warf ihm einen scharfen Blick zu, während sie die Stufen hinab lief, um den Mülleimer zu leeren. Zufrieden grinste Eli, als seine Mutter kein Wort von sich kommen ließ.
Er war gerade dabei seine Finger au die Tastatur zu legen, als sein Bildschirm plötzlich schwarz wurde und sein Computergehäuse zu summen aufhörte. Panisch presste er den Startknopf, ehe er laut aufstöhnte.
Sie hatte ihm den Strom abgedreht. Klasse!
Zornig stand er vom Schreibtisch auf und gab dem Stuhl einen festen Stoß, sodass dieser mit einem lauten Geräusch gegen den Tisch knallte. Mit saurem Gesichtsausdruck griff er nach seinen Kleidern, um diese vor Ärger in kleine Bällchen zu formen.
Wieso musste er mit so einer uncoolen Mutter zusammenleben?
Stürmisch verließ er sein Zimmer, um ihr in der Küche zu helfen.
Manchmal fragte er sich wirklich, warum er noch bei ihr wohnte. Es wurde wirklich Zeit, dass er von hier wegkam. Am liebsten würde er sich in eines seiner Spiele oder in einer seiner Star Trek Serien verkriechen und nie wieder rauskommen. Doch da beides leider nicht möglich war, musste er wohl oder übel nach ihrer Pfeife tanzen, bis er endlich auszog.

- Fin -