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A Place Nearby von ZoeP

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Kapitel Bemerkung: Und hier der nicht zu vergessende Dank an LittleSGFreak. Grüß die Koalas von mir ;)
Ich hoffe, ihr nehmt mir die Sache mit Jack nicht übel. Ich vermute mal, dass viele von euch die Entwicklung eher nicht mögen, aber hey, Geschmäcker sind verschieden.
A Place Nearby - Teil 4


"Hey, das war gar nicht mal so schlecht!" Der junge Mann mit dem braunen Pferdeschwanz klatschte zufrieden in die Hände.
Sam grinste und wurde rot. "Danke, Harry."
Sie lehnte die Gitarre gegen die Wand und ging zu den anderen Jungs. Ben nickte ihr grinsend zu. Sie hatte ihre erste Probe bei den 'Deepers' hinter sich und war leicht nervös. Harry, der Schlagzeuger, klopfte ihr auf die Schulter.
"Da hat Ben ja wirklich nicht übertrieben. Wo hast du das gelernt?"
Sam zuckte mit den Schultern. "Ich hatte als kleines Mädchen Unterricht."
"Na, ein Dank an den Lehrer des kleinen Mädchens." Der Bassist Tommy, der Jüngste in der Truppe, grinste nun ebenfalls. "Ich denke, noch ein paar Proben, und du kannst mit uns ins O'Malleys kommen."
Sams Augen weiteten sich. "Ihr meint, zu einem Auftritt? Nein. Ich, ich..."
"Ach komm schon, du willst uns doch nicht weis machen, dass du nur mal eben so zu uns gekommen bist."
"Nein", meinte sie leise. Ein Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln und gewann schließlich die Oberhand. "Danke, Jungs."
"Hätte nie gedacht, dass wir mal 'ne Lady im Team haben würden." Harry kratzte sich an der Nase. Ben trat neben Sam und legte ihr einen Arm um die Schulter.
"Jah, wenn ihr mich nicht hättet..."
Sam grinste und stieß ihm einen Ellenbogen in die Seite, sodass er sie loslassen musste. Ben tat, als wäre er schwer verwunden und torkelte theatralisch durch den Raum. "Das versteht man also unter einer Powerfrau. Wow."
"Es ist schon ziemlich spät, Jungs. Machen wir für heute Feierabend." Tommy verstaute sein Instrument in einer schwarzen Tasche.
Sam stimmte ihm nickend zu. "Ich muss dann auch mal. Macht's gut Jungs." Sie hob zum Abschied die Hand und ging dann zum Ausgang. Draußen sog sie tief die frische Abendluft ein. Es war kalt. Der Herbst hatte sich längst verabschiedet und war dem Winter gewichen. Nicht mehr lange, und der erste Frost würde über die Gegend einbrechen. Sam beschloss, noch einen Abstecher ins O'Malleys zu machen und vielleicht einen Kaffee zu trinken.
In dem Steakhouse empfing sie eine angenehme Wärme. Um diese Zeit war es hier besonders voll und auch dementsprechend laut. Sam suchte sich einen Platz am Tresen, legte ihre Jacke über den Barhocker und setzte sich. Ihre Finger trommelten leicht auf der Theke, bis sich der Barkeeper an sie wandte, die Augenbrauen hochzog und ihre Bestellung abwartete.
"Einen Kaffee. Schwarz und ohne Zucker."
"Koffeinfrei?"
Sie schüttelte den Kopf. Der Mann drehte sich um und füllte drei Gläser mit Bier ab, um sich dann ihrem Kaffee zuwenden zu können.
Sams Gedanken schweiften ab. Zu ihrem Gespräch mit Lieutenant Johnson, dem Mitglied von SG-12, der Colonel O'Neill in seiner Wohnung gefunden hatte. Leider hatte sie von ihm auch nicht mehr erfahren, als sie bereits wusste. Bei ihrer letzten Sitzung mit Dr. Gray waren sie auf Sams Zweifel zu sprechen gekommen, die Ungereimtheiten, die sie im Zusammenhang mit Jacks Selbstmord sah. Doch die Ärztin hatte sie überzeugt, die Sache ruhen zu lassen. Die Zweifel waren lediglich ein Zeichen, dass ihr ihr Unterbewusstsein noch immer versuchte, den Tod ihres Vorgesetzten zu verdrängen.
Sam seufzte und nahm ihren Kaffee entgegen.


***


Die Wochen vergingen.
Sam hatte ihren ersten Auftritt mit den Deepers, und trotz ihrer starken Nervosität wurde es ein wunderbarer Abend. Es war ein seltsames Gefühl, plötzlich nicht mehr unter den Zuschauern zu sitzen, sondern selbst ein Teil von dem zu sein, was sie früher nur aus der Ferne betrachtet hatte. Doch es fühlte sich gut an.
Tagsüber arbeitete sie in der Basis an mehr oder weniger wichtigen Projekten. Abends traf sie sich zur Probe mit den Jungs. Hätte sie früher vierundzwanzig Stunden im Stargatecenter verbracht, um einen Reaktor zu verbessern, Experimente zu überprüfen oder sonst etwas Lebenswichtiges zu tun, so war sie jetzt froh, auch mal abschalten zu können. Sie wusste nicht, ob der Tod von Jack oder die Erkenntnis, dass ihr Leben bisher nur aus Arbeit bestanden hatte, dafür verantwortlich war, aber sie hatte sich verändert. Sie hatte sich ein Leben neben dem Stargateprojekt aufgebaut. Und sie musste zugeben, dass ihr dieses Leben gefiel.
Bei den Auftritten wurde sie von mal zu mal routinierter. Je mehr Zeit verging, umso stärker wuchs sie in die Band hinein. Und sie fühlte sich wohl. Mit den Jungs verband sie eine lockere, unverbindliche Freundschaft und die gemeinsame Leidenschaft für Musik. Nicht mehr, und nicht weniger.
Dr. Gray befürwortete es, dass sie diesen Schritt gewagt hatte. Es war an einem grauen Februartag, als sie Sam mitteilte, dass sie in Zukunft auf die Medikamente verzichten konnte.
"Vielen Dank." Sam schenkte der Ärztin ein warmes Lächeln.
Die schüttelte den Kopf. "Danken Sie nicht mir. Es war Ihr Verdienst, dass Sie die Sache so schnell in den Griff bekommen haben. Es kann durchaus passieren, dass diese Einbildung noch einmal auftaucht, doch dagegen müssen Sie ganz allein ankämpfen. Die physischen Ursachen für die posttraumale Synapsenstörung sind beseitigt. Jetzt liegt es an Ihnen, wie stark ihre Psyche ist und wie lange sie braucht, um endgültig loszulassen. Dass es in den letzten Wochen nur noch selten geschah, ist ein gutes Zeichen. Ich glaube, ich kenne keinen Patienten der diese Nervenstörung in fünf Monaten losgeworden ist."
Sam nickte.
"Und was soll ich tun, wenn... es wieder passiert?"
"Versuchen Sie, sich mit ihm - stellvertretend für Ihr Unterbewusstsein - auseinander zu setzen. Beschimpfen Sie Ihn, streiten Sie. Wenn er beginnt, Sie auch anzuschreien, dann sind Sie auf dem besten Weg, denn das bedeutet, dass Ihr Unterbewusstsein sich davon trennt."
Ein erneutes Nicken war Sams Antwort. "Also dann."
"Wir sehen uns in zwei Wochen wieder. Viel Glück, Samantha."
"Danke. Bis dann."

Auf dem Heimweg erledigte Sam ein paar Einkäufe. Heute Abend war keine Probe, sie konnte sich also einen gemütlichen Fernsehabend gönnen. Vielleicht sollte sie auch mal wieder zeitig schlafen gehen, die letzten Wochen war sie erst spät ins Bett gekommen. Sie entschied sich gegen den Schlaf und nachdem sie die Einkäufe im Kühlschrank verstaut hatte, suchte sie im Wohnzimmer nach der Fernsehzeitung.
Die Medien mussten sich gegen sie verschworen haben. Neben drei Reality-Soaps und einer Kochsendung liefen jede Menge Comedyshows, ein Western und eine Romanze. Sam schaltete eine Weile zwischen den beiden Spielfilmen hin und her und als sie feststellte, dass sie den Western bereits kannte, blieb sie schließlich auf dem anderen Kanal. Sie war eigentlich kein Fan von Liebesfilmen, aber dennoch war ihr irgendwie danach. Vielleicht hätte sie das lieber nicht tun sollen, denn irgendwann begann ein Funken Selbstmitleid, sich in ihr Bewusstsein zu schleichen. Zuerst unterdrückte sie ihn, doch dann wurde er dominanter und zog eine Welle der Einsamkeit mit sich. Sam bemerkte, dass sie leicht zitterte. Eigentlich war es nicht kalt in ihrem Haus, doch ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie zog ihre Beine zu sich und angelte nach der Fernbedienung, um umzuschalten.
"Du bist ein kleiner Dummkopf, Sam."
Die Angesprochene fuhr erschrocken herum. "Verdammt, musst du mich immer so erschrecken?"
Die Einbildung zuckte mit den Schultern.
"Warum bist du hier?"
"Du warst einsam."
"War ich nicht", protestierte Sam, wusste jedoch genau, dass es stimmte.
Ein erneutes Schulterzucken seinerseits war die Antwort.
"Verschwinde", meinte Sam nur.
"Das hatten wir inzwischen zur Genüge."
"Eigentlich solltest du nicht mehr da sein. Meine Nervenbahnen sind in Ordnung."
"Aber hier drin", Jack deutete auf sein Herz, "stimmt noch nicht alles."
War der echte Jack jemals so kitschig gewesen? Wohl eher nicht. "Du musst es ja wissen."
"Du bist noch lange nicht darüber hinweg."
Sam sprang auf. "Ach, und was soll ich deiner Meinung nach noch alles tun? Ich bin zu Janet gegangen, habe eine Therapie gemacht. Nein, falsch, ich mache eine Therapie. Ich bin aus dem aktiven Dienst zurückgetreten, um mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Ich habe mit anderen Leuten über deinen Tot gesprochen, ich..."
"Du warst nicht einmal bei meiner Trauerfeier", meinte Jack, lauter, als sie es erwartet hätte.
Sam stand mit offenem Mund vor ihm, unfähig etwas zu erwidern. Eine Weile sah sie ihn nur an. Hatte er geschrieen, oder bildete sie sich das jetzt auch bloß ein? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Sie musste weiterkämpfen.
"Die Feier war zwei Wochen nachdem ich davon erfahren hatte. Ich war einfach nicht in der Lage, dahin zu gehen."
"Weil du es leugnest. Du verdrängst es, so wie du schon immer alles Schlechte verdrängt hast."
"Das ist nicht wahr", meinte sie, den Tränen nahe. "Ich leugne es nicht. Ich... ich habe nur meine Zeit gebraucht, um damit umzugehen."
"Aber du hast es noch nie ausgesprochen. Und solange du es dir nicht wieder und wieder bewusst machst, verdrängst du es."
Sams Augen weiteten sich. Sie wusste, was er meinte, und sie wusste ebenso genau, dass er Recht hatte.
"Sag es."
Sie ballte die Hände zu Fäusten. "Nein. Du bist nur eine Einbildung. Und ich werde nicht die Kontrolle verlieren."
"So, wie du nie die Kontrolle verlierst? Genau das ist doch der Grund, weshalb ich immer noch hier bin. Weil du es kontrollierst, weil du es nicht an dich heranlässt, weil du es verdrängst!"
"Nein! Jack ist tot und da gibt es nicht zu verdrängen..." Noch während sie es aussprach, drang es das erste Mal wirklich tief in ihr Bewusstsein. In ihrem Kopf hallten ihre eigenen Worte wider. 'Jack ist tot.'
Sie ließ die Hände sinken, mit denen sie eben noch wild gestikuliert hatte, und Tränen rannen über ihre Wangen. Es war, als wäre in ihr eine Mauer eingestürzt, die sie errichtet hatte, um den Schmerz nicht an sich heran zu lassen.
"Und... und jetzt?" Sie sah zu Jack auf, mit einem Ausdruck der Hilflosigkeit in den Augen.
"Jetzt werde ich gehen."
Sie nickte.
"Für immer. Du brauchst mich nicht mehr."
Sie wusste es, noch bevor er es ausgesprochen hatte. Ein zartes, fast kaum erkennbares Lächeln versuchte, die Tränen zu überdecken. "Doch. Aber ich denke, ich bin jetzt soweit, es auch ohne dich zu schaffen."
"Ja." Jack nahm ihre Hand in seine. "Lass los, Sam."
Es war eine so einfache Geste, und doch trug sie so viel Macht in sich, dass Sam für einen Moment glaubte, Jack würde tatsächlich vor ihr stehen. Sie schüttelte den Gedanken ab und löste langsam ihre Hand aus seiner. Und dann war er verschwunden.
Sam wusste, dass es endgültig war. Irgendetwas in ihr hatte sich verändert, war zu ihr zurückgekehrt und gab ihr das Gefühl, wieder vollständig zu sein.


***


Die Bar war heute Abend völlig überfüllt, und das obwohl sie gar keinen Auftritt hatten.
"Na, schöne Frau, so allein heut' Abend?"
"Hallo Ben." Sam grinste und drehte sich um. "Was verschlägt dich denn hierher?"
Er beantwortete ihre Frage mit einem Schulterzucken.
"Und du? Hast du Freitag nach Feierabend nicht Besseres zu tun, als einsam und verlassen durch die Kneipen zu ziehen?" Er setzte sich auf den freien Barhocker neben sie.
"Dreimal daneben", meinte Sam und nahm einen Schluck von ihrem Bier. Als sie Bens irritierten Gesichtsausdruck bemerkte, musste sie lachen. "Ich bin weder einsam, noch verlassen, noch ziehe ich durch die Kneipen. Dreimal daneben."
Ben erwiderte ihr Grinsen und wandte sich dann an den Barkeeper, um sich auch ein Bier zu bestellen. Eine Weile schwiegen sie sich an, jeder seinen Gedanken nachhängend. Als Ben sein Bier bekommen hatte, meinte Sam schließlich: "Und warum verbringst du den Freitag Abend nicht zu Hause bei deiner Frau und den Kindern?"
"Weiberabend", meinte Ben mit einer abfälligen Geste und verzog die Mundwinkel. "Die beiden Mädchen übernachten bei Freundinnen und meine Frau hat zwanzig Hühner zu uns eingeladen. Vielleicht auch nur fünf, auf jeden Fall ergreife ich da schleunigst die Flucht."
Sam schüttelte amüsiert den Kopf.
"Du hast es uns immer noch nicht erzählt", meinte Ben plötzlich unvermittelt und sah sie ernst an.
"Was?"
"Weshalb eine Frau wie du sich ganz plötzlich dazu entscheidet, in einer Band spielen zu wollen."
"Da gibt es nicht viel zu erzählen", erwiderte Sam und senkte den Blick. Bei einem weiteren Schluck ihres herben Getränkes überlegte sie es sich jedoch anders. Sie hatte seinen Tot für sich akzeptiert. Also dürfte es doch auch kein Problem sein, darüber zu reden. Leichter gesagt, als getan.
"Na ja, bis auf..." Sie stockte. Aber warum sollte er es eigentlich nicht wissen? Sie hatte ihn sehr gern, er war ein bisschen wie ein großer Bruder für sie geworden.
Er sah sie fragend an, nicht drängend, aber mit einem Blick, der sie wissen lies, dass er ihr zuhören würde wenn sie etwas auf dem Herzen hatte.
"Ein Mensch, der mir sehr viel bedeutet hat, ist vor sieben Monaten gestorben."
"Oh." Ben sah verlegen zu seinem Bier und drehte es zwischen den Fingern hin und her. "Das.. das tut mir Leid."
Sam schüttelte den Kopf. "Ich komm' schon klar."
Er sah sie erneut an, jetzt mit einer Mischung aus Mitleid und Achtung im Blick. "Aber... na ja... vielleicht bin ich blind, aber wieso bist du deshalb zu uns gekommen?"
Sam lächelte leicht. "Das ist eine längere Geschichte. Du solltest dir noch ein Bier bestellen."
"Klar." Er deutete ihr Lächeln als Zeichen, dass es in Ordnung war, bei diesem Thema zu bleiben.
"Es hat damit begonnen, dass mein Vorgesetzter von einer Mission schwer verletzt zurückkehrte."
"Ach ja, richtig. Die geheimen Sachen, die du tagsüber treibst."
Sam nickte. Und dann begann sie, zu erzählen. Von den Stunden, die sie an Jacks Bett verbracht, den schlaflosen Nächten, in denen sie um sein Leben gekämpft und den Sorgen, die sie sich gemacht hatte. Und schließlich, wie sie auf eine andere Mission musste, die Nachricht erhielt, dass es ihm besser ging und dann zurückkam und von seinem Selbstmord erfuhr. Auch wenn sie Ben aus Sicherheitsgründen keine Namen, Orte oder Details nennen konnte, spürte er, wie sehr sie die Sache mitgenommen haben musste.
Als Sam ihm dann von den Halluzinationen und den Therapieversuchen erzählte, und wie ihr die Psychologin schließlich geraten hatte, ihre Gefühle vor einem Publikum zu verarbeiten, da begriff er.
"Mein Gott, Sam... Und wir haben dich behandelt, wie..."
"Nein", unterbrach sie ihn. "Ihr habt mich behandelt, wie einen ganz normalen Menschen. Und genau das hab' ich gebraucht. Ohne euch hätte ich das nie so schnell geschafft. Ihr habt mir geholfen, den Bezug zur Realität wiederzufinden, zu merken, dass es mehr gibt im Leben."
"Wow." Ben wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte immer gewusst, dass diese Frau stark war, aber dass sie soviel Kraft besaß...
"Mensch, du solltest einen Song darüber schreiben", meinte er grinsend, um die leicht bedrückend wirkende Stimmung ein wenig aufzulockern. Sam ging darauf ein.
"Klar. Und den nenne ich dann 'Freitag Abend in der Kneipe'. Das wird ein Hit."
"Sicher." Er prostete ihr zu.
Sam warf einen Blick auf ihre Uhr.
"Verdammter Mist."
"Was?"
Sie winkte ab, begann jedoch, ein paar Münzen aus ihrer Hosentasche zu sammeln und legte sie auf den Tresen. "Eine Freundin wollte heute Abend noch bei mir anrufen. Ich hab völlig die Zeit vergessen. Ich werde dann mal nach Hause fahren, vielleicht erreiche ich sie noch." Wie hatte sie Janet nur vergessen können? Sam biss sich auf die Lippe, und obwohl sie wusste, dass die Ärztin ihr das nicht übel nehmen würde, ärgerte sie sich über sich selbst.
"Na gut." Ben hob kurz die Hand.
"Es war schön, mal mit jemandem zu reden." Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Ben nickte nur. "Jederzeit wieder."


***


Sieben Monate war er jetzt schon hier. Jack fuhr sich mit der Hand über Kinn und Stirn und seufzte auf. Was würde er jetzt für eine Dusche und Rasierzeug geben... Nicht mehr lange. Jack schwang sich seinen Rucksack über die Schulter, sah sich ein letztes Mal in dem Rattenloch um, in dem er die letzten zwei Monate gelebt hatte und schloss dann die verrostete Tür. Endlich konnte er den sechs Quadratmetern Dreck den Rücken kehren. Er musste weiter nach Westen. In weniger als einer Woche war ihr großer Einsatz, er hatte alles herausgefunden, was notwendig war, um die Basis der Organisation ausfindig zu machen. Und jetzt würden sie zuschlagen. Diesmal konnte es keinen Verräter geben, denn er war alleine gewesen, hatte sich nur auf sich selbst verlassen. Ein Seufzen begleitete seine ersten Schritte. Er wollte nach Hause. Sieben Monate in der Einsamkeit mit dem Gedanken, dass fast alle einen für tot hielten, waren die reinste Folter. Und er musste zurückkehren, um seine Freunde zu erlösen. Gott, sein Gewissen plagte ihn, weil er es nicht wenigstens sie eingeweiht hatte.
Doch er durfte kein Risiko eingehen. Er hatte richtig gehandelt, das wusste er, und dennoch nagte dieser Gedanke an seinen Nerven und drängte ihn, die Mission so schnell wie möglich zuende zu bringen.


***


Als Sams Blick am nächsten Morgen auf die Uhr fiel, erschrak sie. Es war bereits halb zehn durch. Erst langsam konnte der Gedanke in ihrem Kopf auf sich aufmerksam machen, dass Sonnabend war und sie heute nicht in die Basis musste. Ihr Blick wanderte vom Wecker zu dem Bilderrahmen, der noch immer auf ihren Nachttisch stand.


Heaven is a place nearby, so I won't be so far away.
And if you try and look for me, maybe you'll find me someday.
Heaven is a place nearby, so there's no need to say goodbye.
I wanna ask you not to cry, I'll always be by your side.

Und plötzlich, ganz leise, formte sich eine Melodie in Sams Kopf. Als sie sie greifen wollte, schien sie ihr zu entgleiten, also versuchte Sam sich von ihr tragen zu lassen.

Mensch, du solltest einen Song darüber schreiben.

Bens Worte fielen ihr wieder ein. Wieso eigentlich nicht? Dr. Gray hatte gemeint, sie solle ihren Gefühlen ein Ventil schaffen. Und wie sollte das besser gehen, als mit ihren eigenen Worten, Gedanken, Gefühlen. Sicher konnte sie andere Songs spielen und versuchen, sich darin wiederzufinden. Aber das hier, das war etwas anderes. Das war sie selbst.
Sam sprang auf und holte sich einen Notizblock und einen Bleistift. Sie begann, die Melodie ansatzweise zu notieren. Als ihr das nicht richtig gelingen wollte, tapste sie barfuß ins Wohnzimmer und nahm sich ihre Gitarre. Nachdem Sam ein paar Saiten angeschlagen hatte, fand sie nach und nach die Töne, die sich in ihrem Kopf geformt hatten und sie konnte sie aufschreiben.
Den ganzen Vormittag verbrachte sie damit, immer wieder Noten und Akkorde auf das Papier zu kritzeln, ab und zu ein paar Worte daneben zu schreiben und sich nur zu unterbrechen, um einen Kaffe zu kochen und ein Toast in den Toaster zu tun.
Am späten Nachmittag musste sie zur Probe mit den Jungs. Sie versuchte krampfhaft, sich zu konzentrieren, doch irgendwie gelang es ihr nicht. Immer wieder formten sich wie von selbst neue Zeilen oder Melodiestücke in ihren Kopf. Tommy, Harry und Ben bemerkten schnell, dass sie heute irgendwie nicht bei der Sache war, doch Ben schob es auf den letzten Abend. Vielleicht hatte das Gespräch alte Wunden wieder aufgerissen. Vielleicht war sie auch nur übermüdet, weil es gestern so spät geworden war.
Sie beendeten die Probe auf Bens Wunsch vorzeitig und Sam war unglaublich froh, wieder nach Hause zu kommen. Todmüde, als hätte sie den ganzen Tag hart gearbeitet, und zugleich aufgewühlt und den Kopf voller Gedankenfetzen schlief sie schließlich ein. Morgen war auch noch ein Tag. Und der gehörte ihr allein.


***

"Sie wollen WAS?" Hammond, der eben noch an seinem Schreibtisch gesessen hatte, war blitzschnell aufgesprungen, ob vor Überraschung oder vor Entsetzen wusste Sam nicht zu deuten.
"Ich möchte den Dienst quittieren, Sir."
"Ich darf doch annehmen, dass dies keine entgültige Entscheidung ist, sondern ebenfalls mit dieser... Sache zusammenhängt?"
"Indirekt, Sir." Sam verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. "Darf ich mich setzen, Sir?"
"Sicher. Bitte sprechen Sie offen, Major." Der General setzte sich wieder, langsam und vorsichtig, als könnte sich ein unsichtbares Nadelkissen auf seinem Sessel befinden.
Sam tat es ihm gleich, jedoch ohne zu zögern. Sie räusperte sich kurz und suchte nach den richtigen Worten.
"Sir, als ich vor längerer Zeit aus dem aktiven Dienst zurücktrat, dachte ich tatsächlich, es sei nur für solange, wie ich brauche, um wieder vollständig... gesund zu werden. Jedoch habe ich in dieser Zeit im Rahmen der Therapie sowie einiger anderer Einflüsse begonnen..." Sie seufzte. Irgendwie fiel es ihr doch schwerer, als sie gedacht hatte. "Andere Dinge in meinem Leben zu entdecken."
Der General nickte. "Ich weiß von dieser Band, Major."
Sam sah ihn erst leicht erschrocken an, senkte dann ihren Blick und wurde rot.
"Woher..." Zwei fragende Augen ruhten auf ihrem Vorgesetzten.
"Wir haben nach ihrem vorläufigen Rücktritt einige Sicherheitsmaßnahmen getroffen."
"Sie haben mich beschatten lassen?"
"Major, es war zu ihrem eigenen Schutz!"
Sam kniff ungläubig die Augen zusammen. Als ihr Blick den des Generals traf, dämmerte es ihr plötzlich.
"Sie dachten, ich würde Selbstmord begehen?"
Hammond öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, doch dann schien er nicht die richtigen Worte zu finden. Eine Weile lag eine geladene Spannung im Raum. Dann nickte Sam und Hammond sah sie stumm um Verzeihung bittend an.
"Ich kann verstehen, dass Sie sich Sorgen gemacht haben, Sir. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es mir gut geht. Ich habe die Therapie vor zwei Wochen abschließen können."
"Und was bewegt Sie dann dazu, ihre Laufbahn bei der Air Force beenden zu wollen?
"Das Stargateprojekt füllte, wenn ich das so sagen darf, mein Leben aus, seit ich das erste Mal davon erfuhr. Zu diesem Leben gehörten ein festes Team und Forschungsarbeiten in der Basis. Nach Colonel O'Neills Tod blieb mir für eine Weile nur die Forschung. Und in dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich ein Leben neben dem Stargate brauche, Sir. Ich möchte gern ein Teil des Programms bleiben, weiterhin an neuen Technologien arbeiten und forschen, vielleicht auch andere Planeten besuchen. Aber ich möchte nicht mehr die Verantwortung über ein Team tragen müssen. Ich möchte nach Hause kommen können, ohne daran zu denken, dass morgen wieder mein Leben in der Hand von anderen, oder das Leben von Soldaten in meiner Hand liegt."
Hammond nickte. "Ich denke, Sie haben mir Ihren Standpunkt verdeutlicht und ich kann Sie durchaus verstehen. Es fällt mir jedoch nicht leicht, Ihre Entscheidung zu akzeptieren. Dennoch", fügte er hinzu und unterdrückte mit einer knappen Handbewegung eine Bemerkung, die sie gerade machen wollte. "Dennoch bleibt mir wohl nichts Anderes übrig und ich werde mit dem Pentagon sprechen, ob wir Ihrer Bitte, als Wissenschaftlerin im Programm zu bleiben, nachkommen können. Wegtreten."
Sam stand auf und lächelte dankbar.
"Danke, Sir."
Hammond nickte nur und wartete, bis sie sein Büro verlassen hatte. Ein Seufzen entwich ihm und blieb eine Weile im Raum hängen, als würde es darauf warten, zurückgezogen zu werden. Natürlich konnte er nachvollziehen, was in ihr vorging. Wie oft hatte er selbst schon überlegt, das alles hier aufzugeben und endlich in den Ruhestand zu treten? Unzählige Male. Und dennoch blieb er.
Aber Sam? Das letzte halbe Jahr war hart gewesen. Sie hatte in fast drei Jahren Vertrauen zu einem Team und zu ihrem Vorgesetzten aufgebaut, nur um dann zu erfahren, dass er sich das Leben genommen hatte. Und nun sollte sie erneut Vertrauen aufbauen, zu einem neuen Team, einem neuen Colonel? Mit ihrem letzten Satz hatte sie ihm unmissverständlich klar gemacht, dass sie auch kein eigenes Kommando wollte. Sie wollte nicht Schuld sein, wenn andere Menschen durch ihre Fehler starben. Hammond war sich sicher, dass man ihre Entscheidung im Pentagon akzeptieren würde. Sam besaß unheimlich viel Wissen über das Stargate. Sie war unersetzbar, auch nur aus wissenschaftlicher Sicht. Vielleicht würde es ihr schwerer fallen, sich auf Missionen zu behaupten, da sie jetzt nicht mehr Major, sondern nur noch Frau war, aber darüber würde er sich Gedanken machen, wenn es soweit war.


***


"Heute wurden im südafrikanischen Golela vier Männer zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Sie waren die Köpfe einer gefährlichen Organisation, die seit Jahren als Verantwortliche Gruppe für Terroranschläge und Mordversuche an afrikanischen Politikern in Verdacht waren. Nachdem US-Amerikanische Geheimagenten ihnen monatelang auf den Fersen waren, ist es vor fünf Wochen gelungen, die Basis der Hauptgruppe ausfindig zu machen und die Täter zu stellen. Über vierhundert weitere Zivilisten aus südafrikanischen sowie südamerikanischen Staaten hat man inzwischen als Anhänger der Organisation identifizieren können. Noch immer laufen die Prozesse wegen Mordes, Hochverrat und diversen anderen Straftaten. Die Männer der Spezialeinheiten, deren Namen hier aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden dürfen, können nach fast einem Jahr Arbeit endlich nach Hause zu ihren Familien zurückkehren. Das war Anette Masters für BBC News."
Sam stand im Bad vor dem Spiegel und versuchte, ihre Haare zu bändigen, die inzwischen schon fast schulterlang waren. Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, da sie eigentlich auf die Wettervorhersage wartete. Der Teil in ihr, der noch immer irgendwo Soldat war, schien erleichtert aufzuatmen, bei dem Gedanken, dass eine Terroristengruppe zerschlagen werden konnte. Der Teil in ihr, der seit einigen Wochen mehr und mehr die Frau in ihr zum Vorschein gebracht hatte, schimpfte leise darüber, dass ihr Fön kaputt war und sie deshalb regelmäßig mit nassen Haaren ins Bett ging, die dann früh zwar trocken, aber unglaublich widerspenstig waren.
Während sie sich noch zähneknirschend mit einem groben Kamm durch das Gewirr kämpfte, ging sie ins Wohnzimmer, lehnte sich an den Türrahmen und seufzte schließlich laut auf, als man leichte Regenschauer und ab und zu aufklärenden Himmel voraussagte.
"Das reinste Aprilwetter. Und dabei hat er gerade erst angefangen", murmelte sie und schmiss schließlich entnervt den Kamm in die Ecke. Sie würde sich gleich heute einen neuen Fön kaufen. Immerhin bekam sie - auch als Wissenschaftlerin - ein ziemlich gutes Gehalt. Da sollte ein einfacher Fön schon drin sein.
Wenige Stunden später stand Sam erneut vor dem Spiegel, die Haare diesmal gefönt und gekämmt, ohne dass auch nur eine einzige Strähne aus der Reihe tanzte. Sie begutachtete ihre Kleidung, drehte sich zweimal prüfend hin und her und nickte nach einer Weile zufrieden. Das rote Shirt und die schwarze Jeans hatte sie schon oft zu ihren Auftritten getragen, warum also nicht auch heute Abend.
Sam verließ das Haus und machte sich auf dem Weg ins O'Malleys. Der Wetterbericht hatte sich geirrt, zumindest was den ersten Teil der Vorhersage anging. Es war mild, selbst jetzt am Abend noch, und der leichte Wind strich nur sanft über ihre Haut, hinterließ ein angenehm kühles Kribbeln. Kein Zeichen von Regen, die wenigen Wattewolken die der Tag zustande gebracht hatte zogen friedlich über den violettgefärbten Himmel.
Als Sam in der Bar ankam, waren die Jungs bereits damit beschäftigt, ihre Instrumente aufzubauen.

Ende Teil 4
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