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A Place Nearby von ZoeP

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Kapitel Bemerkung: Direkter Anschluss an "A place nearby". Bitte wartet das Ende ab, bevor ihr mich deshalb beschimpft – wie gesagt, „es kommt alles anders“. Und der dritte Teil wird ein *klein* wenig optimistischer. Versprochen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz lieb bei meiner Betafee Saphy bedanken. Ein Kniefall gebührt auch allen, die mir Feedback zu dieser (und auch zu meinen anderen Storys) gegeben haben. Ich habe die FF zu einem Zeitpunkt begonnen (wie man vielleicht merkt), an dem es mir wirklich schlecht ging. Eure lieben Worte haben mir geholfen, die ganze Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Danke.
Ich widme diesen Teil Minnesota ;)
Nach all euren Bitten, diesen Stil und die Richtung des Plots beizubehalten, hoffe ich, ihr seid nicht enttäuscht, denn dieser Teil ist auf jeden Fall etwas anders, als der erste. Ich hatte überlegt, ihn komplett neu zu schreiben, aber mir war es wichtig, Sams Gefühle zu beschreiben. Ich hoffe, ihr lest trotzdem weiter.
A Place Nearby- Teil 2


”Major Carter, können Sie bitte kurz mal kommen?” Der laute Ruf von einem der Wissenschaftler holte sie in die Realität zurück. Wie schon so oft in den letzten Tagen, die sie auf diesem Planeten verbracht hatten, waren ihre Gedanken zu ganz anderen Dingen gewandert, als sie eigentlich sollten. Sie machte sich Sorgen um ihren Vorgesetzten und fand den Aufenthalt auf P3J-466 mehr als überflüssig. Seit SG1 vor zwei Wochen zu dem Forscherteam dazu gestoßen war, um Ihnen zu helfen, quälte sich Carter immer öfter mit Lustlosigkeit und Langeweile. Seufzend machte sie sich auf den Weg in die Richtung, aus der die Stimme kam. Doktor McWoyd, natürlich. Gab es eigentlich einen Tag, an dem er nicht irgendwelche Außerirdischen gesehen hatte?
"Was haben Sie denn heute gefunden, Doc?", meldete sich Carter und sah ihn fragend an.
"Nun ja...", druckste der Wissenschaftler herum. Er kannte das Getuschel seiner Kollegen, wenn er wieder etwas entdeckt hatte, dass sich dann doch nur als kleines Tier, herabfallendes Laubblatt oder einen seiner eigenen Männer entpuppte. "Ich glaube, es war doch nichts." Hastig schob er seine Brille auf der Nase zurecht und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Sam wandte sich von ihm ab und schickte Daniel einen genervten Blick zu, der ihm deutlich zu Verstehen gab, dass sie keinen Sinn in dieser gesamten Mission erkannte – sie und Teal’c waren die Einzigen, die hier nicht Archäologie studiert hatten. Daniel sah sie lächelnd an und stand dann auf, um zu ihr zu kommen.
"McWoyd?", erkundigte er sich. Sie nickte.
"Er treibt mich in den Wahnsinn mit seiner Paranoia." Die beiden gingen ein paar Schritte am Wald entlang, um sich die Beine zu vertreten. Daniel fand, dass es der richtige Zeitpunkt war, um sie auf diese Sache anzusprechen...
"Sagen Sie, Sam", begann er und zog seine Stirn in Falten. Ob er die richtigen Worte fand? Ein Versuch war es wert. "Kann es sein, dass Sie in letzter Zeit ein wenig... Hmm, abwesend sind?"
Sie blieb stehen und sah ihn fragend an. "Abwesend?"
"Na ja, ich meine, Sie arbeiten nicht mehr mit derselben Konzentration, wie früher." Als sie ihn seltsam anblickte, fügte er schnell hinzu: "Ich meine damit nicht, dass Sie ihre Arbeit nicht gut machen. Aber irgendetwas ist eben anders."
Carter nickte. "Ich habe ja auch ein Team anzuführen."
Daniel wiegte seinen Kopf hin und her. "Das meine ich nicht, Sam. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, Sie verhalten sich, als hätten Sie einen heimlichen Freund." So. Jetzt war es raus. Er rechnete wirklich mit Vielem. Vielleicht würde sie ihn auslachen, wütend und mit einem Was-geht-Sie-mein-Privatleben-an-Blick anblaffen oder wortlos alleine hier stehen lassen. Doch alles was Sam tat, war, ihn einfach nur ungläubig zu mustern.
"Daniel?"
"Ja?"
"Wann waren Sie das letzte Mal bei Doktor Fraiser?"
Daniel lachte. "Daraus schließe ich, dass ich mich geirrt habe? Das dachte ich mir schon... Es war ja auch nur so eine Vermutung." Er fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Wie hatte er auch nur auf so eine dumme Idee kommen können?
"Ist schon gut, Daniel", beruhigte ihn Sam und legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. "Ich bin wirklich etwas angespannt in letzter Zeit. Die letzten zwei Wochen auf diesem Planeten waren nicht gerade aufregend und ich fühle mich das erste Mal überflüssig zwischen all diesen Geschichtsexperten und Archäologen. Nichts für Ungut", fügte sie noch hinzu, während sie ihren Blick langsam über das Gelände wandern ließ. Er war ja schließlich auch einer von ihnen. Daniel lächelte sie warmherzig an.
"Es tut mir Leid, dass es nicht so schnell vorwärts geht, wie anfangs geplant. Aber vielleicht tröstet es Sie, zu wissen, dass Teal’c auch nicht gerade vom Tatendrang gepackt ist."
Sam musste bei dem Gedanken an den Jaffa schmunzeln. Er saß seit zwei Tagen auf seinem Wachposten – einem kleinen Felsen, der etwas höher lag und einen guten Überblick gewährleistete. Seine Antworten fielen noch knapper aus, als sonst. Sam hatte das Gefühl, dass sie nicht die Einzige war, die den Colonel vermisste. Vermisste? Ja... Sie war inzwischen so weit, dass sie fast alles irgendwie mit ihm in Verbindung brachte. Und sei es eine ihrer Meinung nach fehlende sarkastische Antwort auf die teilweise wirklich dämlichen Fragen der Ausgräber.
Ohne, dass sie es bemerkt hatte, war sie zurück zum Lager geschlendert. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es Zeit war für den täglichen Bericht bei General Hammond.
Als sich der Ereignishorizont vor ihr aufgebaut hatte, stellte sie eine Funkverbindung zum Stargatecenter her und wartete auf Antwort.
"Hier Sergeant Siler. Funkt läuft auf dritter Frequenz und ist stabil. Übergebe an General Hammond."
Carter konnte das Gesicht ihres Vorgesetzten auf dem kleinen Monitor erkennen.
"Schön Sie zu sehen, Major Carter. Gibt es etwas Neues, von dem ich wissen müsste?"
"Nein, Sir. Die Arbeit geht nach wie vor schleppend voran. Weiterhin keine drohende Gefahr im Umkreis von hundert Meilen entdeckt, wie zu erwarten."
"Das dachte ich mir schon. Allerdings habe ich heute Nachrichten für das SG1 Team." Er räusperte sich kurz und bedachte sie mit einem Blick, den Sam nicht zu deuten wusste. Dann bemerkte sie, dass Daniel hinter ihr aufgetaucht war.
"General..." Er begrüßte ihn mit einem kurzen Nicken.
"Hallo Doktor Jackson. Dann kann ich Ihnen beiden zusammen die gute Nachricht überbringen." Ein erneutes Räuspern war zu hören. Sams Herz machte einen kleinen Hüpfer – eigentlich konnte es überhaupt nur eine einzige gute Nachricht geben...
"Sir?", hakte Sam vorsichtig nach, als der General zu zögern schien.
"Also, ich kann Ihnen beiden offiziell mitteilen, dass Colonel O’Neill heute Nacht von seiner Mission zurückgekehrt ist und auf die Ankunft seines Teams auf der Erde wartet." Erneut widmete er Sam einen undefinierbaren Blick. Sie musste sich zusammenreißen, um das Gefühl der Erleichterung, das über ihr hereinbrach, nicht allzu deutlich zu zeigen.
"Vielen Dank für die Mitteilung, Sir." Sam schenkte ihm ein warmes Lächeln, denn sie wusste, dass ihm ihre Besorgnis doch nicht verborgen geblieben war. Jedoch konnte es in seinen Augen nicht anders aussehen, als die durchaus menschliche Sorge, die sich ein Major um seinen Vorgesetzten macht.
Der General nickte den Beiden zu und brach die Verbindung ab.
Daniel löste sich aus seiner Hockposition und streckte sich. "Na, das sind doch mal wirklich gute Neuigkeiten."
Sam grinste und ein erleichtertes "Ja" kam über ihre Lippen.


***


Schleppende vier Wochen waren vergangen, bis Daniel endlich die Mitteilung machen konnte, dass sie aufbruchsbereit waren. Als hätte sie diese Szene in Gedanken schon tausendmal durchgespielt, erteilte Sam den Befehl, die Zelte zusammenzupacken, die Gerätschaften auf der F.R.E.D. zu verstauen und den Rückweg zum Tor anzutreten. Die letzten Minuten konnte es ihr gar nicht schnell genug gehen. Sie zog mit dem Fuß kleine Kreise in den staubigen Untergrund und biss sich ab und zu auf die Unterlippe, um nicht einen scharfen Kommentar von sich zu geben, wenn einer der Wissenschaftler ihrer Meinung nach bummelte. Sie konnten ja schließlich auch nichts dafür, dass sie so ungeduldig war.
Am Liebsten wäre sie als erste durch den Ereignishorizont gegangen, doch sie war der Kommandant dieser Mission und hatte die Pflicht als letzte zurückzukehren, um sicherzugehen, dass es auch alle geschafft hatten. Gespannt, als wäre es das erste Mal, beobachtete sie die F.R.E.D., wie sie in den blauen Wellen verschwand und die Wissenschaftler es ihr gleichtaten. Schließlich durchschritt auch Sam das Tor.
Auf der anderen Seite angelangt sog sie zwanghaft tief die Luft um sich herum ein, eines der weniger angenehmen Phänomene, die eine Reise durch das Gate mit sich brachte. Hinter ihr fiel der Ereignishorizont in sich zusammen.
"Willkommen zu Hause", begrüßte General Hammond seine Leute. Er ließ seinen Blick kontrollierend über die Ankömmlinge schweifen und blieb kurz bei Carter hängen, doch sie bemerkte es nicht. "Ich erwarte die Leiter der einzelnen Gruppen in einer Stunde zur Besprechung. Major Carter, Sie folgen mir bitte sofort in mein Büro."
"Aber Sir, ich wollte vorher noch...", widersprach Sam, wurde jedoch durch eine rasche Handbewegung des Generals unterbrochen.
"Sofort", betonte er und bahnte sich einen Weg durch die Wissenschaftler, die gerade dabei waren, ihre Instrumente von der F.R.E.D. zu laden. Carter seufzte und folgte Hammond. Als sie in seinem Büro angelangt waren, schloss er hinter ihr die Tür und wandte sich von ihr ab, den Blick starr auf die Glasscheibe gerichtet, die sie vom Besprechungsraum trennte. Er holte tief Luft, doch Carter kam ihm zuvor.
"Sir, bei allem Respekt, ich hatte erwartet, erst noch Duschen zu dürfen und..." Sie stockte.
"Sie wollten dem Colonel einen Besuch abstatten", vollendete der General ihren Satz. Er drehte sich zu ihr herum und erst jetzt bemerkte Sam die Ringe unter seinen Augen. Sie verlagerte unruhig ihr Gewicht und legte fragend die Stirn in Falten. "Sir?"
"Genau darüber muss ich mit Ihnen reden, Major." Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. "Jack O’Neill beantragte unbegrenzten Urlaub, nachdem Doktor Fraiser ihn von der Krankenstation entlassen hatte. Ich genehmigte ihm eine Woche. Vor drei Tagen erreichte uns die Nachricht, dass..." Seine Stimme zitterte fast unmerklich und er griff mit den Händen nach der Tischplatte. Sam trat instinktiv einen Schritt auf ihn zu, doch er hob abwehrend die Hand, fasste sich und sah sie seufzend an. "Colonel Jonathan O’Neill von der United States Air Force hat vor drei Tagen Selbstmord begangen.”
Sams Augen weiteten sich. Sie fühlte, wie ihre Knie weich wurden, noch bevor sie die Worte wirklich begreifen konnte. Er hatte... sich umgebracht? Aber wieso...
"Das ist ein Scherz, Sir?" Sie wusste, dass es das nicht war, doch es kam ihr wie von selbst über die Lippen. Der General sah sie an und sie erfasste die Tragweite seiner Worte an dem Ausdruck in seinen Augen. Er war tot. Ihr Vorgesetzter Colonel Jack O’Neill war tot. Einfach so. Und er hatte es selbst gewollt... Gott, nein, das durfte nicht wahr sein. Sam spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Das musste ein schlechter Traum sein, es musste einfach.
"Und wie...?" Sie stand noch immer regungslos da, den Blick auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne gerichtet. General Hammond senkte seinen Blick, seufzte tief und sah sie dann unschlüssig an.
"Ein Mitglied von SG 12 wollte nach ihm sehen – sie kannten sich von früher. Der Leutnant hat ihn in seiner Wohnung aufgefunden... Erschossen, mit der eigenen Waffe."
Sam hatte das Gefühl, dass sich ihr Magen herumdrehen würde. Die Vorstellung, den Colonel so vorzufinden... Sie blinzelte ein paar mal, um das Bild loszuwerden.
"Und Sie sind sicher, Sir, das es Selbstmord war? Ich meine..." Sie brach ab, wollten den Gedanken gar nicht zuende führen.
"Der Fall wurde gründlich untersucht. Es steht eindeutig fest, dass er es so... gewollt hatte. Aus seinem Abschiedsbrief geht eindeutig hervor, dass..."
"Er hat einen Abschiedsbrief geschrieben?" Sams Stimme überschlug sich fast.
"Ja." Ein leichtes Nicken folgte seinen Worten, er holte ein Dokument aus einer seiner Schreibtischschubladen und reichte es ihr wortlos. Sam las sich die Zeilen durch und ihre Augen weiteten sich. Es war seine Handschrift. Es waren seine Worte, seine Art, zu sprechen... Und es tat weh. Sie ließ das Blatt sinken und nickte. Er war tot. Tot. Fort – einfach so. Und vor wenigen Wochen hatte sie noch um sein Überleben gekämpft. Alles nur dafür, das er sich jetzt das Leben nahm? Das machte doch keinen Sinn. Es... Es war egal, er war tot.
Wie in Trance verließ sie Hammonds Büro. Ihre Beine trugen sie zu den Umkleiden, sie tauschte ihre Uniform gegen Zivilkleidung ein und schloss den Spind. Ihre Augen brannten, doch seltsamerweise stiegen keine Tränen in ihr hoch. Auf dem Weg zu den Fahrstühlen begegnete ihr Janet.
Die zierliche Ärztin stand ihr eine Weile einfach nur gegenüber, ohne ein Wort zu sagen, dann trat sie einen Schritt auf Sam zu und nahm sie in den Arm. Als sie die Verspannung ihrer Freundin bemerkte, unterbrach sie die Umarmung und sah ihr zweifelnd in die Augen. "Gott Sam..."
Sam schüttelte den Kopf und senkte den Blick. "Ich glaube, ich muss jetzt alleine sein." Sie presste die Lippen aufeinander. Janet nickte und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.
"Ich werde Hammond sagen, dass ich Sie zwei Wochen krankschreibe. Wenn Sie reden wollen..."
"Danke, Janet. Aber ich möchte wirklich lieber alleine sein", wiederholte sie.
"Gut", meinte die Ärztin und beobachtete misstrauisch, wie Sam in den Fahrstuhl stieg und sich die Türen schlossen. Auch an ihr war die Sache natürlich nicht spurlos vorbeigegangen. Sie litt sehr unter dem Tod des Colonels. Aber Sam... Sie hatte immerhin drei Jahre lang direkt mit ihm zusammen gearbeitet. Und gerade in den letzten Monaten hatte sie deutlich gespürt, dass da noch mehr war als bloße Zuneigung. Irgendetwas, was nicht greifbar war. Was keiner von ihnen beiden ausgesprochen hätte. Wie Sam manchmal, als sie an seinem Bett eingeschlafen war, seinen Namen geflüstert hatte, sprach Bände. Und jetzt? Sie hatte nicht einmal geweint. Janet machte sich ernsthafte Sorgen. Sam war nicht der Typ, der sich etwas antun würde, dazu war sie zu vernünftig... Aber – das war der Colonel schließlich auch gewesen.
Nein. Sam würde Zeit brauchen. Zeit, alleine zu sein. Und später Zeit, um reden zu können. Janet würde ihr diese Zeit geben. Ein einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über die Wange des Doktors, doch sie wischte sie energisch fort und ging festen Schrittes in ihr Labor.


***


Sam wusste später nicht mehr, wie sie die Fahrt nach Hause überstanden hatte. Sie wusste überhaupt nicht mehr, dass sie überhaupt nach Hause gefahren war. Lediglich das Auto, dass in der Einfahrt geparkt war, gab stumm Auskunft darüber. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Nur dagesessen und ins Leere gestarrt. War es möglich, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte? Und wenn sie heute zur Basis zurückkehren würde, kam ihr ein gutgelaunter Jack O’Neill entgegen und begrüßte sie mit einem seiner Sprüche. Seiner Sprüche, die sie nie mehr hören würde. Nein... Es war kein Traum. Es war real. Alles.
Sam stand auf und bemerkte, dass ihre Glieder völlig steif waren. Kein Wunder. Sie hatte ja auch nichts anderes getan, als mit dem Rücken zur Wand auf ihrem Bett zu sitzen und zu starren. Kein einziger Gedanke war da gewesen, nichts. Bloß kalte Leere. Ein Loch.
Müde und kraftlos ging Sam ins Bad und stellte die Dusche an, ließ das Wasser warmlaufen. Nach und nach landeten ihre Sachen auf dem Boden und sie stieg vorsichtig unter die Dusche. Das Wasser hatte eine angenehm warme, fast schon heiße Temperatur und hüllte sie sanft ein. Dampf füllte den Raum aus und brannte in ihren Augen, zwang Sam, sie zu schließen. Nachdem sie eine Weile einfach nur dagestanden und die reinigende, beruhigende Kraft der an ihr herabperlenden Tropfen zugelassen hatte, versuchte sie auch nicht mehr die Bilder zu verdrängen, die schmerzhaft einen Weg in ihr Gedächtnis zurück fanden. Sie sah den Colonel vor sich, wie er hustend und zusammengekrümmt in dem Krankenbett auf Ebene 17 lag und sie nichts tun konnte. Wie er sie ansah und sie darum bat, stark zu sein. Und jetzt hatte er sie alleine gelassen. Irgendetwas musste ihn doch dazu gebracht haben, sich ohne weiteres das Leben zu nehmen... In seinem Abschiedsbrief erklärte er in wenigen Worten, dass er keinen Sinn mehr darin sah. Es klang so ernst, so verzweifelt. Und sie fühlte sich dadurch so verletzt. Er sah keinen Sinn mehr darin, zu leben. Das bedeutete, dass auch sie ihm nicht hätte geben können, was er brauchte. Hätte er etwas für sie empfunden, dann würde er sie nicht einfach so zurücklassen...
Gott, er war weg. Erst jetzt, nachdem sie den Cheyenne Mountain Komplex hinter sich gelassen, eine schlaflose Nacht ohne Emotionen verbracht hatte und hier unter der Dusche stand, nichts um sich herum, als das monotone Rauschen des fließenden Wassers... Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nicht nur ihren Vorgesetzten, nicht nur Colonel O’Neill verloren hatte. Nein, auch der Mann, den sie liebte und um dessen Leben sie gekämpft hatte, war gestorben. Sie würde ihn nie wieder sehen. Sie würde nie wieder in seine wundervollen dunkelbraunen Augen blicken können oder eine von seinen sarkastischen Bemerkungen hören. Nie wieder. Das klang so unfair, so endgültig.
Sam schlug sich die Hände vor ihr Gesicht und begann hemmungslos zu schluchzen. Ihre Knie drohten, unter ihr nachzugeben und sie ließ sich langsam an der Wand entlang auf den kalten, gefliesten Boden sinken. Das Wasser rann ihren Rücken hinunter, während sie mit beiden Armen fest ihre Beine umschlang und ihre Stirn dagegen lehnte. Es vermischte sich mit den Tränen, die sie nun nicht mehr zurückhalten konnte. Sam begann, sich langsam vor und zurück zu wiegen. Sie wusste nicht, wie lange sie so dasaß und erfolglos versuchte, den Schmerz zu verbannen, auszusperren. Er war da und sie konnte nichts tun, als ihn zu ertragen. Hinzunehmen. Immer wieder wurde sie von neuen Weinkrämpfen geschüttelt, die ihr das Atmen erschwerten und ein Brennen in ihren Augen hinterließen. In ihrem Herzen.
Nach dem dritten Anlauf gelang es ihr, sich aufzurichten, das Wasser abzudrehen und sich in einen Bademantel zu wickeln. Er war weiß und wohltuend weich, schien nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre geschundene Seele sanft einzuhüllen. Sam rieb sich die Arme, um irgendwie wieder Wärme in ihren ausgekühlten Körper zu bekommen. Doch dann begriff sie, dass die Kälte tief aus ihrem Inneren kam. Erschöpft ließ sie sich auf das Sofa sinken und winkelte seufzend ihre Beine an. Es war vollkommen still in ihrem Haus. Keine Uhr tickte. Kein Wasserhahn tropfte. Kein Kühlschrank brummte. Die Dunkelheit wirkte nicht unheimlich, sie gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Sie wurde müde und hatte Mühe, ihre Augen offen zu halten.
Plötzlich sprang Sam auf. Sie kniff die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können. Da stand jemand im Türrahmen und starrte sie an. Nein, er starrte nicht, er sah sie an, sanft, warm – und Sam hätte schwören können, dass sie diesen Gesichtsausdruck unter Tausenden wiedererkennen würde.
"Jack?" Ihre Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen.
"Hey", war seine Antwort.
Sie standen sich eine Weile einfach nur gegenüber. Dann trat Sam einen Schritt auf ihn zu, doch seltsamerweise kam sie ihm nicht näher.
"Jack?" Ihre Stirn schlug Falten und sie bekam eine unerklärliche Angst, die sofort in Panik umschlug, als sich Jack von ihr entfernte.
"Jack!", rief sie, diesmal laut und verzweifelt. Wie von selbst streckte sie ihre Hand nach ihm aus, doch auch so konnte sie ihm nicht näher kommen. Er schien sich aufzulösen, wie in einem Strudel, der ihn aufsaugte. Sam konnte sich nicht bewegen, sie war wie gelähmt.
"Jack!" Sie schnellte hoch und saß plötzlich senkrecht auf der Couch. Ihr Atem ging schnell und ihr Herz schlug hart gegen ihre Brust. Es war ein Traum. Sam versuchte, sich zu beruhigen, ihren Atem zu kontrollieren und ihren Puls zu senken. Nach einer Weile, in der sie einfach nur da gesessen und sich auf das Geräusch des Luftholens konzentriert hatte, ließ sie sich langsam wieder zurücksinken. Ihr Blick schweifte durch den Raum. Es war eindeutig ein Traum gewesen – da war niemand in ihrem Haus. Sie musste auf dem Sofa eingeschlafen sein. Es hatte doch so realistisch gewirkt... So wirklich. Seufzend versuchte sie, sich einzureden, dass es lediglich ein Versuch ihres Unterbewusstseins war, die schreckliche Nachricht über den Tod des Colonels zu verarbeiten. Doch dann begriff sie, dass das Gefühlschaos in ihr nicht nur aus Verzweiflung, Schmerz und Hilflosigkeit bestand. Da war noch ein anderes Gefühl, das gegen ihren Willen stärker zu werden drohte. Wut. Sam war wütend auf Jack, dass er es sich so einfach gemacht hatte. Dass er vor seinen Problemen weggelaufen war uns sie jetzt damit klar kommen musste. Er hatte dabei nicht einmal an sie gedacht, wie es ihr gehen könnte, was sie fühlen würde – wie schwer das für sie war. Er konnte gar nicht an sie gedacht haben. Und genau das gab ihr das Gefühl, dass sie ihm nichts bedeutete, dass ihre Zuneigung die ganze Zeit über einseitig gewesen war. Sam versuchte, den Ball aus Wut, der sich in ihrem Magen festgesetzt hatte, zu bekämpfen. Vergeblich. Aber sie wollte ihn nicht dafür hassen. Dazu waren ihre Gefühle für ihn zu stark. Sie durfte nicht zulassen, dass ein anderes Bild ihre Erinnerungen an ihn überdeckte.
Sam traf eine Entscheidung. Sie stand auf, ging in ihr Schlafzimmer und zog sich an. Irgendetwas musste sie tun.


***


Sein Haus war leer. Die Dunkelheit schien sie wie ein schweres Schild zu umgeben. Sam tastete nach dem Lichtschalter, fand ihn und war für einen kurzen Moment von der plötzlichen Helligkeit geblendet. Ihr Weg führte sie durch das Wohnzimmer hindurch in sein Schlafzimmer. Irgendwie war ihr seltsam zumute bei dem Gedanken, einfach so in sein Haus einzudringen. Doch dann hatte sie das Gefühl, Jack würde sie verstehen. Die Schlafzimmertür war noch immer mit dem Absperrungsband eines Sonderkommandos der Air Force versehen. Sam beachtete es nicht weiter, duckte sich darunter durch und stand eine Weile unschlüssig im Türrahmen. War es wirklich eine gute Idee gewesen, hierher zu kommen? Ein tiefes Durchatmen unterbrach für einen Moment die Stille. Dann durchquerte Sam mit wenigen Schritten den Raum und setzte sich auf die Bettkante. Noch immer wehrte sich etwas in ihr dagegen, seine Sachen zu durchsuchen, doch ihr Verstand gewann den Konflikt und sie zog die unterste Schublade aus seiner kleinen Kommode. Sie war gefüllt mit Akten. Sam nahm die oberste von dem Stapel. Missionsbericht P3X-797 stand in gedruckten Lettern auf der Mappe. Sam überlegte kurz. Das war ihre zweite Mission gewesen – die, auf der sich die Mitglieder von SG1 und beinahe das gesamte Stargatecenter an einer Seuche angesteckt hatten und während der sie... Sam holte tief Luft. Okay, sie war über ihn hergefallen. Aber es war nicht ihre Schuld gewesen. Na gut, ein bisschen hatte sie es vielleicht wirklich gewollt. Na schön, sie hatte es gewollt. Aber ohne unter dem Einfluss dieser verstärkten Hormone zu stehen, hätte sie das mit Sicherheit nie getan. Die zweite Mappe enthielt den Missionsbericht von P3X-995. Diesmal brauchte Sam nicht zu überlegen, um welche Mission es sich handelte. Der Colonel hatte sie oft genug damit aufgezogen, dass sie sich in betrunkenem Zustand beinahe in aller Öffentlichkeit ihrer Kleider entledigt hatte. Nach der dritten Mappe – Missionsbericht P3X-593, Planet der Shavadai – fiel Sam auf, dass es auf all diesen Missionen zu mehr oder weniger persönlichen Vorfällen zwischen ihr und dem Colonel gekommen war. In ihren Händen hielt sie die Berichte über ihren versehentlichen Aufenthalt in der Antarktis, den Vorfall als sie auf P8X-987 Cassandra gefunden hatten und sie schließlich mit ihr im Atombunker geblieben war, der Mission auf der Daniel in eine Parallelwelt geriet in der sie und Jack verheiratet waren. Sam nahm sich weitere Akten aus der Schublade und auch diese bestätigten ihre Vermutung. Ihr unfreiwilliger Einsatz als Sklaven in einem Bergbau, den Sam vielleicht nicht überlebt hätte, wenn Jack sie nicht immer wieder ermutigt, ihr geholfen und sie gestützt hätte, während Daniel unter dem Einfluss des Sarkophages stand und ihnen auch keine Hilfe war. Die trojanische Kugel die Jack beinahe das Leben gekostet hätte. Und schließlich der Bericht ihrer letzten gemeinsamen Mission, bevor Jack zu seinem Sonderauftrag aufgebrochen war: Ihre Gefangenschaft auf einem Goa'uld Schiff von Hathor, die Jack zu einem Wirt machen und die Erde angreifen wollte und dazu die Gedanken der SG1 Teammitglieder angezapft hatte. Jack hatte von allen Missionsberichten, in denen sie mehr miteinander zu tun hatten, als nur durch das Militär, in denen sie eine Freundschaft aufgebaut hatten, ein Exemplar aufgehoben. Sam war gerührt. Das konnte kein Zufall sein.
Nachdem sie die Akten wieder an ihren ursprünglichen Platz gelegt hatte, wandte sie sich der nächsten Schublade zu. Gepflegte und in einer für den Colonel unerwarteten Ordnung angeordnete National Geographics Hefte nahmen den gesamten Raum ein und ließen kein Platz für andere Dinge. Also schloss sie sie wieder und zog die oberste auf. In ihr befanden sich nur wenige Dinge. Ein kleiner Stapel Fotos und Jacks Armymarke – das war alles. Sam nahm die Fotos heraus und streifte das Gummiband ab, mit dem sie zusammengehalten waren. Die ersten Bilder zeigten Charlie, seinen Sohn. Er lächelte in die Kamera und zeigte stolz seinen Baseballschläger. Auf einem umarmte er einen Hundemischling und strahlte soviel kindliche Fröhlichkeit aus, dass Sam ihn sich lebhaft vorstellen konnte. Ihm folgten Bilder des SG1 Teams – in Zivilkleidung auf einer Feier in Jacks Garten. Sam konnte sich gut erinnern. Sie hatten gegrillt und Janet wollte unbedingt ein Foto von ihnen haben. Als Erinnerung. Um niemals die schönen Zeiten zu vergessen. Sam hatte damals nicht annährend geahnt, wie viel Wahrheit in ihren Worte steckte. Jetzt wusste sie es. Ein weiteres zeigte sie in etwas festlicherer Kleidung auf dem Geburtstag des Generals. Erinnerungen kamen in Sam hoch, lachende Gesichter, Scherze, ein Kompliment des Colonels über ihre Frisur und das Kleid, welches sie trug.
Das letzte Foto ließ Sam stutzen. Es zeigte sie, wie sie in einem Frühlingskleid und mit etwas längeren Haaren an einen Baum gelehnt stand und befreit in die Kamera lächelte. Sie brauchte eine Weile, um sich daran zu erinnern, wo diese Aufnahme gemacht worden war – während ihres letzten Urlaubs hatte sie die Basis für einen Tag verlassen, um etwas mit Cassandra zu unternehmen. Bei einem Spaziergang durch den Park holte Cassie dann ihre Kamera hervor und sie hatten aus Spaß ein paar Bilder gemacht. Doch wie kam der Colonel an dieses Foto?
Sam fand keine Erklärung. Sie drehte das Bild herum, um sich an das Datum zu erinnern. Doch stattdessen standen dort vier Zeilen und sie erkannte, dass es eindeutig Jacks Handschrift war.

Heaven is a place nearby, so I won't be so far away.
And if you try and look for me, maybe you'll find me someday.
Heaven is a place nearby, so there's no need to say goodbye.
I wanna ask you not to cry, I'll always be by your side.

Sam presste ihre Lippen aufeinander und schluckte. Das waren die Worte, die er auch schon auf der Krankenstation zu ihr gesagt hatte, kurz bevor sie zu dieser verdammten Mission nach P3J-466 aufbrechen musste. O Gott, vielleicht hatte er damals schon darüber nachgedacht, sich... Nein. Sam unterdrückte den Gedanken. Wenn es so gewesen wäre, dann hätte er doch nicht so sehr darum gekämpft, wieder gesund zu werden. Was machte das für einen Sinn? Sam seufzte resignierend und legte das Foto zurück zu den anderen. Sie zögerte kurz, doch dann nahm sie sich Jacks Armymarke und streifte sie sich über den Kopf. Es war nur ein unendlich kleiner Trost, aber vielleicht konnte sie so anfangen.
Anfangen, diesen Tag zu überstehen. Und wenn sie am nächsten Morgen aufwachen würde, dann konnte sie anfangen über den nächsten Tag nachzudenken. So würden die Tage vorbei gehen, einer nach dem anderen. Und was danach kam, war nicht wichtig, noch nicht. Nicht jetzt.


***


Verdammt, wo war sie?
Ihre Augen fühlten sich schwer an und es dauerte eine Weile, bis sie ihrem Gehirn wieder scharfe Bilder schickten. Sam blinzelte ein paar Mal und erinnerte sich dann. Sie musste eingeschlafen sein. Vorsichtig, als könnte plötzlich etwas Unvorhergesehenes passieren, ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Die Schublade stand noch immer offen, die Decke unter ihr war zerwühlt. Sonst sah alles genauso unberührt aus, wie vor... Sam sah auf die Uhr. Wie vor 7 Stunden. Hatte sie wirklich so lange geschlafen? Na ja, sie hatte immerhin einiges an Schlaf nachzuholen. Durch das Fenster fielen die ersten Sonnenstrahlen und tauchten einen Teil des Raumes in verwaschenes Gold. Noch etwas benommen stand Sam auf, strich die Tagesdecke glatt und schob die Schublade wieder ran. Dann verließ sie Jacks Haus, ohne sich noch einmal umzudrehen, fast schon fluchtartig. Sie schalt sich selbst für den Gedanken, dass sie das nicht gedurft hätte. Wer würde es ihr verbieten? Colonel O’Neill mit Sicherheit nicht. Und doch war es ihr, als hätte sie ihn verraten. Sam konzentrierte sich krampfhaft auf die Straße, weniger um keinen Fahrfehler zu machen. Vielmehr wollte sie mit aller Macht verhindern, an Jack zu denken.
Ihr eigenes Haus wirkte erschreckend kalt, als Sam ihr Auto davor parkte und es anschließend betrat. Sie war doch früher nicht so sentimental gewesen... Trotzdem kam es ihr vor, als hätten sich ihre Gefühle auf das Haus übertragen, würden es ausfüllen und jeden damit infizieren, der es betrat.
"Sam!", ermahnte sie sich halblaut. Sie musste etwas tun. Sie musste irgendetwas tun, um sich abzulenken. Ein leises Knurren ihres Magens unterbrach ihre Gedankengänge und erinnerte sie daran, dass sie schon ewig nichts mehr gegessen hatte. Eigentlich könnte sie sich mal wieder etwas kochen. Vielleicht war das für’s erste Ablenkung genug.
Sam war gerade dabei, einen Topf mit Wasser zu füllen und ihn auf den Herd zu stellen, als sie hinter sich plötzlich ein seltsames Geräusch vernahm. Sie drehte sich um und ließ vor Schreck den Topf fallen. Das laute Scheppern ließ sie erneut zusammenzucken.
"Nein." Sie sprach das Wort deutlich und klar aus, wie um sich selbst damit zu schützen. Ein paar tiefe Atemzüge ließen sie für einen winzigen Moment schwindlig werden – obwohl sie nicht sicher wusste, ob die Ursache nicht doch eher ihr Gegenüber war.
"Sam", meinte eine Stimme ruhig. Sie klang seltsam weich.
"Sir?", fragte sie unsicher. Sie musste träumen, so wie schon in der letzten Nacht. Sam versuchte krampfhaft, sich zu wecken. Wenn sie schon erkannt hatte, dass sie noch schlief, konnte es doch nicht so schwer sein aufzuwachen. Als sie sich jedoch auf die Unterlippe biss, weil nichts geschah, konnte sie den Schmerz spüren. Empfand man im Traum Schmerzen? Solche Schmerzen? Der rationale Teil in ihr schrie förmlich nach einem Nein.
"Sir?", wiederholte sie leise, fordernd, fragend. Dann begriff sie. "Das ist nicht echt, oder?"
"Nein", meinte der Jack, der dort vor ihr stand, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. "Das ist es nicht."
"Aber wieso..." Unbewusst suchte sie mit den Händen halt an der Tischplatte, auf der sich noch immer das Paket Nudeln befand, welches sie vor wenigen Minuten dort hin gelegt hatte. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
Jack schüttelte den Kopf. "Hör auf zu grübeln." Er kam einen Schritt auf sie zu. Sam wusste nicht, ob er tatsächlich ging oder ob er nicht vielmehr durch den Raum glitt, in einer einzigen fließenden Bewegung. "Hör auf nachzudenken."
Ihr Gesicht verzerrte sich zu einem Ausdruck von Verwirrung und Verzweiflung. Was war das hier, wenn es kein Traum war? Litt sie jetzt schon unter Halluzinationen? Ohne dass sie es wollte, wurden ihre Augen feucht. Erneut drohten Gefühlswellen, sie zu überrollen.
"Warum sehe ich Sie. Ich meine..." Sie stockte. Wie sollte sie einer Einbildung etwas beschreiben – oder andersherum, wie sollte eine Einbildung ihr eine vernünftige Antwort geben können?
"Gott, was ist hier los?"
Jack sah zu eine Weile Boden. Dann hob er seinen Kopf und blickte ihr direkt in die Augen. Es wirkte so echt. Sie konnte seinen Atem fühlen. Oder bildete sie sich das auch bloß ein? Seine Augen schienen sie zu fixieren, jeden Gedanken einfach aufzulösen. "Ich bin einfach da. Und ich kann nicht gehen."
"Das sollst du auch nicht!", meinte Sam plötzlich, lauter als sie gewollt hatte. "Sir", fügte sie rasch hinzu, als müsse sie sich vor ihm entschuldigen. Es war absurd. Sie entschuldigte sich bei... einer Halluzination!
"Ich dreh' durch", stellte sie fest. "Samantha Carter, Major der United States Air Force, dreht durch! Ich fass' es nicht!" Ihre Stimme wirkte hysterisch und sie fuhr sich hektisch mit einer Hand durch die Haare. Dann begann sie zu nicken und ihr kam eine Idee.
Janet. Sie würde ihr sicherlich helfen können. Vielleicht konnte sie ihr etwas dagegen verschreiben. Sie würde es sogar mit sehr großer Wahrscheinlichkeit können, aber... wollte sie, dass er verschwand? Sam blinzelte und sah ihn an. Er sah so echt aus. Vorsichtig streckte sie ihre Hand nach ihm aus. Ihre Fingerspitzen strichen über den Stoff seines T-Shirts. Sie zuckte zurück. Verdammt, sie konnte ihn fühlen! Hier stimmte etwas nicht.
"Colonel?"
Ein weiterer Blick traf sie. "Geh zu Janet", meinte er.
"Woher..." Sam beendete ihre Frage nicht. Er wusste, was sie dachte? Natürlich wusste er es.
"Und wenn nicht?" Oh, fein. Jetzt fing sie schon an, mit ihrer Einbildung zu diskutieren. Wie sie es mit Jack früher getan hatte, fügte sie bitter hinzu. "Na schön", seufzte Sam resignierend. Das musste sie erst einmal verarbeiten. Sie atmete mit geschlossenen Augen erneut tief durch. Als sie sie wieder öffnete, war er verschwunden. Sam zog fragend ihre Augenbrauen nach oben, wusste jedoch, dass es sinnlos war. Nachdem sie das verschüttete Wasser aufgewischt und den Topf zurück in den Schrank gestellt hatte, schnappte sie sich ihre Jacke und machte sich auf den Weg ins Stargatecenter.
Die Straßen waren erstaunlich voll um diese Zeit. Kreuzung für Kreuzung musste Sam anhalten und darauf warten, dass sich die Schlangen vor ihr langsam auflösten. Zu viel Zeit, um nachzudenken. Zu viel Zeit, sich um zu entscheiden. Mit quietschenden Reifen wendete Sam den Wagen und beschleunigte stark. Sie wollte gar nicht zu Janet. Wollte sich nicht untersuchen lassen. Noch nicht. Vielleicht tauchte diese... Halluzination auf, damit sie den Schmerz verarbeiten konnte. Vielleicht war es eine Chance, die sie nur nutzen musste?
Sam wusste es nicht. Alles was sie wusste war, dass sie es wollte, diese Einbildung wollte – IHN wollte. Auch wenn er nicht echt war.
Ein schwacher Regen setzte ein und zwang Sam, sich stärker auf die Straße zu konzentrieren. Die Scheinwerfer schoben mit einem leisen Geräusch in monotonen Bewegungen das Wasser von der Scheibe und verdeutlichten ihr, wie schnell der Regen heftiger wurde. Eine einsame Papiertüte wurde vom Wind vor ihr über die Straße geweht und brachte sie instinktiv zum Bremsen. Es war nicht mehr weit, bis zu ihrem Haus. Als das Auto hielt und Sam ausstieg, wurde sie von einer kräftigen Windböe empfangen. In den paar Metern, die sie bis zu ihrer Tür zurücklegen musste, war sie vollkommen durchnässt. Doch es störte sie nicht, im Gegenteil. Sie hatte das Gefühl, sich zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr wieder verstanden zu fühlen.
"So ein Unsinn", murmelte sie halblaut. Als ob man sich vom Wetter verstanden fühlen konnte. Und doch war es, als würde das Unwetter ihre Stimmung widerspiegeln und ihr jegliches Gefühl rauben, sodass nichts als Leere zurückblieb. Und Leere war besser als Schmerz.
Hastig schloss Sam die Tür hinter sich und schaltete das Licht ein. Auf ihrem Weg ins Badezimmer hinterließ sie dunkle, nasse Spuren auf dem Teppich. Wasser trocknete. Die schweren, vollkommen durchweichten Sachen landeten achtlos in der Badewanne, um nicht auch noch Pfützen auf dem Badezimmerboden entsehen zu lassen, und wurden von einem weichen Flanellbademantel abgelöst, in den Sam sich einwickelte. Barfuß ging sie ins Wohnzimmer und blieb mitten im Raum stehen. Jetzt, wo das Licht die unwirkliche Stimmung der Dunkelheit nahm, kam ihr alles schon viel leichter vor. Sam entspannte sich. Sie war vollkommen ruhig. Und mit der plötzlichen Entspannung überkam sie auch die Kraftlosigkeit. Es hatte keinen Sinn, weiterhin die Nächte durchzumachen, nur, um nicht von Alpträumen geplagt zu werden. Ihr Körper verlangte Ruhe, er brauchte den Schlaf. Leise seufzend löschte Sam im Wohnzimmer das Licht und schloss die Schlafzimmertür hinter sich. Ihr Bett war einladend weich, ihr Rücken würde es ihm danken. Gerade, als sie ihren Arm nach der Nachttischlampe ausstreckte, tauchte er wieder auf.
"Hey."
Sam erschrak kurz, hielt in ihrer Bewegung inne und sah in die Richtung, aus der die Stimme kam. Er stand am Fußende ihres Bettes, die Hände in den Hosentaschen. Sam ließ den Arm sinken und seufzte tief.
"Darf ich jetzt nicht einmal mehr schlafen, ja?"
"Und ich dachte immer, Sarkasmus wäre mein Spezialgebiet." Er zuckte gleichmütig mit den Schultern und schlenderte, den Blick zu Boden gerichtet, zu ihr.
"Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, mich mit dir... mit einem Hirngespinst zu streiten."
"Nein, macht es nicht. Und du tust es trotzdem."
"Ach?"
"Siehst du." Er grinste. Für einen Moment vergaß Sam, dass er nicht echt war, und lächelte zurück. Dann wendete sie ihren Blick von ihm ab und biss sich auf die Unterlippe. Es entstand eine angespannte Stille.
"Warum bist du hier?" Ihre Worte waren nicht laut, und doch schienen sie die Luft wie ein scharfes Messer zu zerreißen.
"Ich weiß es nicht." Wieder zuckte er mit den Schultern. Dann setzte er sich zu ihr an die Bettkante und legte einen Arm auf ihre Schulter. Es war ihr unangenehm. Weniger die Berührung selbst, als vielmehr der Gedanke, dass es sich gut anfühlte. Er war ihr Vorge... Nein. Er war tot. Und niemand konnte ihr vorwerfen, dass sie die Berührung einer Einbildung genoss. Auch wenn es verrückt war.
Ein Seufzer entwich ihr und sie sah ihn mit einem schmerzverzerrtem Blick an.
"Ich kann das nicht."
"Doch." Er sah sie liebevoll und durchdringend an. Sam schüttelte den Kopf.
"Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ich meine, wir haben jetzt drei Jahre zusammengearbeitet – Tag für Tag. Wir waren zusammen auf gefährlichen Missionen, haben mehr als einmal in Lebensgefahr geschwebt und es überstanden. Gemeinsam. Und jetzt soll ich einfach weitermachen? Ich..." Ihre Stimme versagte.
Jack sagte nichts. Er zog Sam zu sich und streichelte ihr sanft über die Haare, strich ihr mit dem Daumen die Tränen aus dem Gesicht, wiegte sie beruhigend hin und her.
Nach einer Weile löste sie sich von ihm und nickte stumm. Jack stand auf und sie wusste, dass er jetzt gehen würde. Sie hatte verstanden. Er würde da sein, immer dann, wenn sie ihn brauchte. Er war nicht echt. Es war auch kein Weg, über den Schmerz hinweg zu kommen. Aber es fühlte sich gut an. Und das war alles, was sie jetzt brauchte.
Sam ließ sich in ihr Kissen zurücksinken und atmete tief durch. Als sie sich noch einmal nach ihm umdrehte, war er verschwunden.

Ende Teil 2
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