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Meridian von Lenari

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Vorwort

Für alle, die diese Szene mindestens genauso süß fanden, wie ich oder einfach nur neuen Lesestoff brauchen. Wie auch immer, Feedback wäre dennoch nicht zu verachten. Ich verkrafte auch Kritik. Anmerkung 2: Ich gebe ganz offen zu, ich habe bei dieser Szene geflennt. OK, ich habe bei fast jeder traurigen Folge geheult wie ein kleines Schulmädchen (nur fürs Protokoll: ich bin längst aus der Schule raus), aber da kriegte ich mich gar nicht mehr ein. Ich weinte mich sozusagen in den Schlaf. Deswegen habe ich wohl auch dazu durchgerungen, diese Szene zu schreiben, so wie ich sie gedanklich aus Jacks Sicht interpretiert habe, nachdem ich sie mir weitere zwölf Mal hintereinander reingezogen hatte. Wenn jemand etwas gegen diese Sichtweise zu sagen hat, solle er mir Feedback schreiben oder für immer schweigen. Soviel dazu! Viel Spaß beim Lesen!!!!!!!
Meridian


„Bevor du begreifst,
Dass Kerzenlicht Feuer ist,
Ist schon das Mahl
Auf der Flamme bereitet.“


„Der Übelkeit folgen Zittern, Krämpfe und Koordinationsstörungen. Hautgewebe, Gehirnsubstanz und innere Organe fangen an, sich zu zersetzten. Es gibt nichts, das diesen Prozess aufhält. Unter Berücksichtigung der Strahlendosis, die ich abbekommen habe, wird das in den nächsten zehn bis fünfzehn Stunden passieren. Bis dahin würde ich wahrscheinlich innerlich verbluten und ich wüsste keine medizinische Behandlung, die das verhindern könnte.“, erläuterte Daniel Jackson seinen Zustand. Der sarkastische Unterton in der Stimme war nicht zu überhören. Es war seine Art, damit umzugehen. Auf jeden Fall solange ich dabei war. Ich wünschte mir, er würde das nicht tun, er würde nicht versuchen, den Harten zu spielen - so sein zu wollen, wie ich.

Lieber wäre es mir gewesen, wenn er geweint hätte, wenigstens wütend gewesen wäre. Dann hätte ich auch wütend sein können. Und ich war zornig. Stinksauer auf die beschissenen Wissenschaftler, die einfach nicht auf ihn hören wollten, Jonas, welcher ihn nicht davon abgehalten hatte, den Bürokraten, die ihm die Schuld an dem Unfall gaben und natürlich mir selbst. Ich hatte versagt, hatte ihn im Stich gelassen. Wenn ich nicht weggegangen wäre, wenn ich die Sache für ihn übernommen hätte... ich hatte doch nichts mehr zu verlieren. Nichts, außer ihn. Ich konnte doch nicht zulassen, dass er mir weggenommen wurde, dass auch noch ihn verlor.

Also entgegnete ich: „Möglicherweise keine, die wir kennen.“

„Wir können nicht jedes Mal unsere außerirdischen Verbündeten rufen, wenn irgendjemand in Gefahr ist.“, wehrte Daniel ab. Ich wusste, dass er so argumentieren würde, dass er sich keine bevorzugte Behandlung zugestehen lassen wollen würde, doch, verdammt noch mal, er hatte nicht das Sagen. Ich bin hier immer noch der Colonel und solange das der Fall war, würde ich alles in meiner Macht stehende unternehmen, ihn zu retten, ob ihm das nun passte oder nicht. Protestierend hob ich die Hand, doch er ließ mich nicht einmal zu Wort kommen. Er fügte ernst, als würde er meine Gedanken kennen - was durchaus der Fall sein könnte - hinzu: „Und es bringt auch nichts, zu sagen, bei mir wäre das etwas anderes. Ich bin auch nicht wichtiger als irgendwer sonst.“ OH Gott verdammt, das war er!

Für mich jedenfalls. Er bedeutete mir mehr als irgendwer sonst auf diesem gottverlassenen Planeten. Na ja, mal ganz abgesehen von Sam und Teal’c. Er war mein bester Freund, so etwas wie mein kleiner Bruder, mein Seelenklempner, der Mann, dem ich bedingungslos vertraute. Er konnte doch nicht ernsthaft in Betracht ziehen, mich einfach im Stich zu lassen. Wie konnte er nur mit dem Gedanken spielen, aufzugeben? Das würde ich nicht zulassen. Wenn er nicht kämpfen wollte, musste ich das halt für ihn übernehmen. Ich würde für ihn eintreten, das tun, was er auch für mich getan hätte. Das war ich ihm schuldig. Ich konnte ihn nicht sterben lassen. Vorher wollte ich jedoch von ihm hören, was genau geschehen war.

„Was ist passiert?“, fragte ich resignierend.

„Das spielt doch keine Rolle.“, antwortete Daniel. Er sah mich dabei nicht an. Sein Krankenhemd schien plötzlich hochinteressant auf ihn zu wirken, dass er begann, damit zu spielen. Wieso tat er nur so etwas? Was war nur mit ihm los? So kannte ich ihn nicht. So wollte ich ihn auch nicht sehen.

„Doch, das tut es!“, wandte ich energisch ein. „Sie haben nichts sabotiert, das ist Unsinn.“

„Es war ein Unfall. Die Wissenschaftler wollten nicht von ihrer Regierung dafür verantwortlich gemacht werden. Da war es wohl leichter, mir die Schuld dafür zu geben.“, gab er schließlich zu, aber wieder schwang Sarkasmus in seiner Stimme mit. Das war nicht fair von ihm. Immer, wenn es das tat, glaubte ich, mich selbst zu hören und das schmerzte. Ich wollte nicht, dass er wie ich reagierte, wollte nicht, dass er sein Leben als wertlos betrachtete, so wie ich es bei meinem für den Fall gehalten hatte. Ich hatte keine Angst zu sterben, er schon. Ich war aber auch nicht scharf darauf, draufzugehen, doch bei ihm war ich da nicht mehr so sicher. Wieso sonst hätte er so leichtsinnig sein sollen? Und jetzt schien er nicht einmal etwas gegen diese Ungereimtheit unternehmen zu wollen. Ich verstand ihn nicht mehr. Das war doch nicht der Daniel, den ich kannte.

Ich hakte ungläubig nach: „Und das akzeptieren sie?“

„Nein! Aber ich kann nicht viel dagegen unternehmen.“, gab Daniel ehrlich zurück. Normalerweise war er nicht der Realist von uns beiden. Diesen Part übernahm sonst immer ich. Es war, als hätten wir die Rollen getauscht. Ich der zuversichtliche Kämpfer, der immer einen Ausweg sah und alles darum gab, einen Freund zu retten und er der zynische, sich selbst aufgebende und sture Volltrottel, der nicht will, dass man ihm hilft. Vielleicht hatten wir einfach zu sehr aufeinander abgefärbt. Eventuell handelte ich aber auch nur so, weil er sich so daneben benahm. Wir konnten ihn doch nicht beide aufgeben, oder?

„Doch, das können sie!“, wehrte ich emphatisch ab. Ich wollte nicht glauben, dass alle Menschen auf diesem Planeten solche Ignoranten waren, wie die Wissenschaftler und Bürokraten. Es musste unter ihnen doch noch Menschen mit einem Gewissen und den dazugehörigen Schuldgefühlen geben. Dieser Jonas zum Beispiel. Er schien mehr sehr vernünftig und ehrlich. Vielleicht schaffte ich es ja, zu ihm durchzudringen. Einen Versuch war es wert. Ich konnte Daniel doch nicht mit diesem Vorwurf sterben lassen. Nicht, dass ich ihn längst aufgegeben hatte - nie würde ich das in Erwägung ziehen - aber ich konnte diese Anschuldigung nicht auf ihm sitzen lassen. Mein Daniel Jackson war kein Saboteur, er war nur ein Weltverbesserer.

„Wenn die mir daran die Schuld geben wollen, wird meine Aussage daran nichts ändern.“, sagte er entmutigt. Ich musste zugeben, er könnte damit glatt Recht haben, doch einen Versuch war es wert. Wir konnten nicht einfach kampflos aufgeben. Das war doch sonst auch nicht unser Stil. Daniel fuhr fort, erläuterte mir, was er herausgefunden hatte: „Vor etwa 1000 Jahren hat ein Goa’uld das gleiche Experiment durchgeführt und er hat dabei den ganzen Planeten in die Luft gesprengt. Das habe ich ihnen erklärt, doch sie wollten nicht auf mich hören. Sie werden diese Bombe bauen und nichts was wir sagen, wird sie davon abbringen.“ Ich wusste nichts darauf zu erwidern. Uns waren bei diesen Tatsachen wirklich die Hände gebunden. Dir Betonung lag auf uns! Wir würden nicht an das Naquada herankommen, aber jemand anders konnte das. Jonas Quinn. Ich musste ihn nur wachrütteln. Daniel hatte ihm das Leben gerettet, er kannte die Wahrheit. Man musste ihn nur damit konfrontieren. Vielleicht war das die einzige Möglichkeit, sie aufzuhalten. Ich musste es zumindest versuchen.

Ich hatte mit ihm gesprochen, hatte ihm ins Gewissen geredet, doch wusste ich bis jetzt nicht, ob es überhaupt etwas gebracht hatte. Ich konnte es nur hoffen. Von Sam und Teal’c wusste ich, dass es Daniel nicht gerade blendend ging. Er blutete am ganzen Körper, so wie er es mir beschrieben hatte. Er musste höllische Schmerzen haben. Ich konnte nicht nachvollziehen, wie er sich jetzt fühlen musste, auch wenn ich schon oft bei einem Einsatz verletzt worden war. So schmerzhaft konnte es nie gewesen sein. Ich stellte es mir wie ein Bad aus hochkonzentrierter Salzsäure vor. Schlimmer kann man sich den Tod nicht vorstellen. Die Folter der Goa’uld war dagegen sicherlich ein Kinderspiel.

„He, Jack!“, begrüßte Daniel mich mit schwacher Stimme. Die Augen hielt er weiterhin geschlossen. Mittlerweile hatten sie seinen ganzen Körper in weiße Bandagen gewickelt. Erinnerte mich irgendwie an eine Mumie. Es hätte ein lustiger Gedanke sein müssen, doch er bereitete mir nur Schmerz. Es machte mich wütend, ihn so zu sehen und nichts dagegen unternehmen zu können. Bei Gott, ich würde mit ihm tauschen, wenn ich könnte.

„He!“, entgegnete ich ruhig und setzte mich zu ihm. Vielleicht schaffte er es ja so, mich anzusehen. Ich wollte ihn nicht überanstrengen. Er musste seine Kräfte sparen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es gab noch so viel, dass zwischen uns stand, dass ausgesprochen werden musste. In solchen Momenten hasste ich mich dafür, unfähig zu sein, meine Gefühle in Worte zu fassen. Dennoch versuchte ich es: „Ich... ich wollte nur... ich bin wirklich nicht gut in so etwas.“ Ich scheiterte kläglich. Ich konnte ihm nicht einfach sagen, dass ich ihn liebte, dass ich ihn schrecklich vermissen würde, dass er der mit Abstand wichtigste Teil in meinem Leben war. Ein herausragender Teil meiner Familie.

Ich konnte mir nicht vorstellen, ohne ihn zu sein, wusste nicht, was danach kommen würde. Ich wollte mich entschuldigen, ihm sagen, wie leid mir alles tat, was zwischen uns gesagt oder nicht gesagt wurde. Wollte mich für die Sache mit Reese, Kira, Shau’ri und all die anderen, die er verlor, entschuldigen, wollte ihm mich und mein Verhalten erklären, damit er verstand, warum ich so war, wie ich nun einmal war. Auch das brachte ich nicht über die Lippen. So sehr ich es auch wollte, ich konnte nicht über meinen eigenen Schatten springen. Daniel bedeutete mir mehr als mein eigenes Leben und das sollte er wissen. Ich musste einfach hoffen, dass ihm das klar war.

„Ja, das ist wahr!“, gab er zurück und ich wusste, dass er mich verstand, dass ihm längst klar war, was ich für ihn empfand. Zwischen uns bedurfte es nie vieler Worte. Wir verstanden uns fast blind. Lag wohl an unserem bedingungslosen Vertrauen untereinander. Dann wechselte er das Thema. „Ich habe gehört, wie Sam gesagt hat, das Naquadria könnte eine wichtige Entdeckung sein.“

„Ja, offensichtlich.“, erwiderte ich wenig interessiert. Dieser Umstand war mir so ziemlich scheißegal. Meinetwegen könnte es ein Heilmittel gegen Krebs sein oder etwas, das den Hunger der Welt stoppen konnte - solange es Daniel nicht half, wieder gesund zu werden, beschäftigte es mich nicht. Außerdem waren diese Arschgeigen ziemliche Egoisten und das stellte ich auch klar. „Falls wir was bekommen könnten.“ Wir schwiegen. Ich hasste die Stille zwischen uns. Ich glaubte, etwas zu verpassen, ihm einen letzten, wichtigen Moment zu stehlen. Also berichtete ich ihm, was sich zugetragen hatte, als ich weg war. „Ach übrigens, ich habe versucht, Jonas ihren Standpunkt noch mal zu erklären.“

Wie erwartet verteidigte Daniel ihn: „Er ist in einer schwierigen Situation.“ Für jeden konnte er Rechtfertigungen finden, warum dessen Leben so wertvoll war, wieso dann nicht für sich selbst? Erwartete er wirklich, dass ich Partei für ihn ergriff? Er war ein Genie auf seinem Fach, ein großherziger und vertrauensseliger Mensch und wahrscheinlich der einzige hier, der mich verstand und akzeptierte, wie ich war. Sam und Teal’c taten das auch, doch das war etwas anderes. Wir drei waren Soldaten, wir wussten, wie es war, Krieg zu führen - er nicht. In all den Jahren hatte er eine Menge darüber lernen müssen - das Meiste auf die harte Tour - aber er wusste längst nicht alles. Ich hatte ihm nicht von dem Reporter erzählt, der in Washington getötet wurde. Ich hielt es für unklug.

Bis heute hatte ich keine Ahnung, wer diesen Befehl gegeben hatte, aber Hammond schon. Er würde es jedoch niemals zugeben. Er verabscheute diese Handlungsweisen selbst, auch wenn er sie nicht immer unterbinden konnte, wie man sah. Sie gehörten dazu, wenn sich Militär und Politik miteinander vermischten. Das machte alles so kompliziert, irgendwie verkehrt. Es passte einfach nicht zusammen. Vielleicht war es besser, sich darüber keine Gedanken zu machen, aber nur das allein bewahrte einen davor, herzlos und kalt zu werden. Das hatte er mir bereits auf unserer ersten Mission beigebracht und immer wieder über die Jahre hinweg unter Beweis gestellt.

„Sie werden nicht die Schuld auf sich nehmen und es ist mir egal, was geschieht.“, gab ich ihm unmissverständlich zu verstehen. Meinetwegen sollten diese Ärsche ihren Planeten doch in die Luft jagen, vielleicht lernten sie ja dann, dass er Recht behalten hatte. Mir hatte der kalte Krieg auf der Erde schon gereicht. Man sollte meinen, dass sich nicht jede Welt so verhalten würde. Man würde doch immer wieder eines Besseren belehrt.

„Wieso ist das wichtig?“, wollte Daniel verwundert wissen. Was war das denn für eine bescheuerte Frage? Kann er sich das denn nicht denken? Er war mein Freund, deswegen! Er stellte all das dar, was ich sein wollte. Er gab mir die Kraft, jeden Morgen aufzustehen, weiterzumachen, mich meinen Dämonen zu stellen und sogar wieder Freude am Leben zu empfinden. Weil ich ihn liebte, verdammt! Aber ich konnte ihm das so nicht sagen. Das hätte mein Mund nicht zugelassen.

Also versuchte ich anders, es ihm begreiflich zu machen: „Abgesehen von der Tatsache, dass sie in den letzten fünf Jahren eine ziemliche Nervensäge gewesen sind, habe ich... ich... ich hatte gelernt, sie zu bewundern... ein wenig... sozusagen.“ Das war so ziemlich das Unzutreffendste, was ich über die Lippen bringen konnte. Ich bewunderte ihn nicht nur, ich vergötterte ihn dafür, was er war. Ja, ich Colonel Jack O’Neill vergötterte jemanden. Vielleicht war ich sogar neidisch. Ganz sicher sogar! Meine Schroffheit, meine Unaufmerksamkeit, meine Distanziertheit - all das rührte aus dem Verlangen, ihm ähnlich sein zu können, und der Tatsache, dass es mir nicht gelang.

„Richtig rührend!“, bemerkte Daniel zynisch und zwang sich zu einem leichten Lächeln. Jede noch so kleine Bewegung musste ihm schreckliche Schmerzen zufügen. Ich wünschte, wenigstens das könnte ich ihm abnehmen. Ich fühle mich so verdammt hilflos. Ich hasse es, so zu empfinden. Ich hasse mich, ihm nicht helfen zu können. Ich verfluche das Leben, dass es diese Grausamkeiten zulässt. Meinen Zorn lasse ich mir jedoch nicht anmerken, denn er verkörpert alles, was ich nicht verabscheue. Im Gegenteil. Wie schon erwähnt, ich liebe ihn!

Ich stellte klar: „Ich will nicht, dass in ihren öffentlichen Unterlagen davon etwas steht.“ Ob Daniel diesen Satz überhaupt noch gehört hatte, war fraglich. Vollkommen geschafft fielen ihm die Augen zu. Sofort schien er zu träumen, als hätte er die anderen Schlafphasen einfach übersprungen.

„Ohma!“, flüstert er kaum hörbar.

„Was?“, fragte ich verwirrt. Ich hatte gehofft, er würde mir antworten, noch etwas mit mir reden, doch das tat er nicht. Unter seinen Lider huschten seine Augen hin und her. Er schien bereits wirklich zu träumen. Ich beschloss, ihn schlafen zu lassen. Das war weitaus besser für ihn, so verspürte er wenigstens keine Schmerzen.

Ich merke, wie mich etwas an der Schulter berührt. Es ist nicht mehr als ein Windhauch, als würde jemand mich mit einem seiden Tuch leicht streifen, doch diese sanfte Berührung hatte eine unvorstellbare Wirkung. Ich wurde abgrubt, aber doch mit seichter Gewalt aus der Realität gerissen. Das Bild, welches sich mir bot, veränderte sich fast sofort. Da war nicht mehr die Krankenstation, nicht mehr Daniels lebloser Körper, nicht mehr die anderen - meine Freunde. Dieser Raum hier war leer, bis auf das Sternentor und...

„Daniel?“, sprach ich meinen Gedanken laut aus. Ich klang für meinen Geschmack zu ruhig, wenn man bedachte, was hier gerade passierte. Es sollte mich beunruhigen - ja das sollte es wirklich - aber wenn Daniel hier war, konnte es doch unmöglich so schlecht sein. Seine Hand lag immer noch auf meiner Schulter, fühlt sich jetzt anders an, als zuvor. Fester, wärmer - wie eine richtige Hand, nicht wie der Wind.

„Ja.“, entgegnete er nüchtern und entfernte sich ein Stück vom mir, stellte sich mir gegenüber. Sofort glaubte ich frieren zu müssen. Ich wollte nicht, dass er mich losließ, dass er von mir ging, doch in diesem Augenblick war einem Teil in mir längst bewusst, dass ich es nicht mehr verhindern konnte. Das niemandem dies gelingen würde. Dieser entschlossene Blick in seinem Gesicht brachte mich darauf. Nie zuvor war er von etwas so überzeugt gewesen, wie jetzt. Doch was war es, das ihn so eingenommen hatte? Fürchtete er den Tod nicht länger? Da musste noch etwas anderes sein. Ich spürte es - instinktiv. Ich konnte nicht beschreiben, was es war. Eine Mischung aus Verstehen und Glauben, durchtränkt mit den unterschiedlichsten Gefühlen, wie Trauer, Schmerz, Liebe, Vertrauen...

Sein Vertrauen zu mir! Seine Liebe! Ich spürte es ganz deutlich. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, ehe er sich mir entzog, doch es war da gewesen. Er hatte es auch gespürt, gefühlt, was ich für ihn empfand. Es waren keine Worte mehr nötig, auszudrücken, was unsere Herzen stumm in uns brüllten. Er würde mit der Gewissheit gehen, dass ich es wusste und ich konnte mit dem Gedanken weiterleben, dass er es wusste. Dass er es immer gewusst hatte. Doch ich war nicht nur hier, um dies zu erfahren und weiterzugeben, da war noch ein anderer Grund. Jakob war dabei, ihn zu heilen. Daniel würde leben, dem ungeachtet schien er es nicht zu wollen. War das mein Part? Verlangte er das von mir, was ich glaubte? Er wusste, ich würde jede seiner Bitten erfüllen, ich würde alles für ihn bewerkstelligen, worum er mich bat. Doch könnte ich das mit meinem Gewissen vereinbaren?

Ich musste sichergehen und fragte: „Kann ich irgendwas tun?“

„Ja, sagen sie Jakob, er soll aufhören!“, bat er mich, ganz wie ich vermutet hatte. Er wollte gehen, er wollte mich im Stich lassen - uns alle. Wir brauchten ihn, weil wir ihn liebten, und er wollte einfach aus unseren Leben verschwinden, obwohl er uns liebte. Das war nicht fair von ihm. Das konnte er uns nicht antun. Was brachte ihn nur dazu, solch eine Entscheidung zu treffen?

„Wieso?“, hakte ich ruhig nach. Ich wollte jetzt nicht auch noch mit ihm streiten. Nicht in unseren letzten Augenblicken. Er sollte mich als liebenden, verständnisvollen Freund in Erinnerung behalten, nicht als störrischen, verletzenden Colonel, der ich zu oft hatte sein müssen. Er verabschiedete sich von Jack nicht von Colonel O’Neill, das musste ich dabei immer bedenken.

„Weil ich bereit bin, weiter zu gehen.“, antworte Daniel. Es legte sich sogar ein Lächeln auf seine Lippen. Was hätte ich darum gegeben, diesen Moment einfangen und festhalten zu können, um ihn ewig so strahlen zu sehen. Ich würde ihn so in Erinnerung behalten, egal, wann er ging.

„Sie wollen einfach aufgeben?“, erkundigte ich mich, wahrscheinlich nur um sicher zu gehen, dass dem nicht so war. Das war nicht Daniels Art - so war mein Doktor Jackson nicht. Sein Willen war fiel zu stark, als das er hätte alles hinschmeißen können. In diesem Punkt waren sie sich ähnlicher als in jedem anderen, doch gingen sie diese Tatsache vollkommen unterschiedlich an. Daniel diplomatisch und zu Kompromissen bereit, ich mit dem Kopf durch die Wand, ohne Rücksicht auf Verluste. Wir ergänzten uns einfach prima.

„Nein!“, wehrte er kopfschüttelnd ab. „Nein, ich gebe nicht auf, glauben sie mir.“ Ich glaubte ihm. Ich hätte ihm alles abgenommen. Er hatte oft genug keine Ahnung, wovon er überhaupt sprach, nichtsdestotrotz wäre ich ihm in die Hölle und zurück gefolgt. Wir alle drei wären das. Er hatte diese Art, jemanden von der Wichtigkeit und Bedingtheit einer Sache zu überzeugen - ich folgte ihm blind überall hin, wenn ich es in Bezug auf die anderen verantworten konnte. Jemand stand plötzlich neben uns. Das Gesicht der Frau kam mir seltsam bekannt vor, als hätte ich sie schon einmal gesehen. Sie wies eine gewisse Ähnlichkeit mit Janet auf, war aber eindeutig mein Jahrgang. Ihre Augen strahlten unendliches Wissen aus, als verstünde sie den Sinn im Universum, als kenne sie unser aller Schicksal.

Erst als diese sich mit einem hellen Leuchten in eines dieser Glühwürmchenwesen verwandelte, wurde mir wieder bewusst, woher sie mir so bekannt vorkam. Ich hatte sie schon einmal gesehen. Vor längerer Zeit, in einem Tempel, als wir Shau’ris Jungen suchten, Bra’tak diese Sterbesache in Erwägung zog und Daniel sich wie David Cooperfield aufführte, um mir zu demonstrieren, dass der Glauben Berge versetzten konnte. Als hätte ich das nicht schon längst gewusst. Wie hieß sie noch, ich kam einfach nicht auf ihren Namen. Daniel half meinem Gedächtnis auf die Sprünge, indem er fragte: „Erinnern sie sich noch an Ohma?“

„Sicher!“, bemerkte ich gelassen. Ich war immer noch zu ruhig für diese Szenerie. Woher nahm ich nur diese mir vollkommen unvertraute Sanftheit her. Vielleicht war es einfach seine Gegenwart, die Tatsache, dass wir beide alleine waren und es ein Gespräch zwischen ihm und mir bleiben würde. Für immer!

„Ich kann auf diese Weise mehr erreichen und das will ich auch!“, erklärte Daniel inbrünstig. An seinem Entschluss war nichts mehr zu rütteln, dass wurde jetzt nicht nur meinem Verstand voll bewusst, sondern auch meinem Herzen. „Ich muss jetzt gehen. Alles wird gut.“, versprach er mir. Ich vertraute ihm, hoffte, er würde mich nicht belügen. Er hatte mich noch nie belogen - geflunkert ja, es musste auch sein - doch nie belogen. Ich ihn schon des Öfteren und dafür schämte ich mich, doch in diesen Situationen blieb mir keine andere Wahl. Mein Job hatte mich letztendlich dazu gebracht. Noch einmal bat er mich: „Bitte sagen sie Jakob, er soll aufhören.“ Ich dachte mir, dass ich ihm das schuldig sei. Er wollte es und ich wäre der einzige von uns, der ihm diesen Wunsch auch erfüllen würde.

So unerwartet, wie ich aus der Realität gerissen wurde, genau wart ich auch wieder in diese zurückgeschleudert. Jetzt war da wieder die Krankenstation, das Bett in dem Daniels Körper lag - immer noch von den Auswirkungen der Strahlung geschunden - Jakob, die Hände über dessen Körper ausgestreckt und das Heilungsgerät bedienend, Sam und Teal’c - der Rest unseres Teams - hoffnungsvoll wartend, Hammond, welcher so voller Zuversicht war und Janet, die immer wieder einen prüfenden Blick auf den Monitor warf, nur um sicherzugehen, dass ihr Freund auch wirklich noch lebte, dass er sich auch, wie angekündigt, erholte. Ich würde sie alle enttäuschen. Ich würde lernen, damit zu leben. Ich war es ihm schuldig. Ich verdankte ihm so viel, da blieb mir keine andere Wahl, als ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Wenn er gehen wollte, dann ließ ich ihn gehen.

Er würde nicht für immer weg sein - das hoffte ich zumindest. Ich würde schon einen Weg finden, dafür zu sorgen. Wir waren Freunde. Als Freund war genau das meine Pflicht. Aber auch die anderen waren wie meine Familie. Sie würden mich dafür hassen oder mir zumindest nicht verzeihen, was ich jetzt durchziehen würde. Ich kannte sie gut. Ich wusste, dass es so kommen würde. Sie würden sich äußerlich nichts anmerken lassen - Sam genauso wenig wie Teal’c - doch der Gedanke wäre in ihrem Hinterkopf. Immer! Überall! Egal wohin uns das Schicksal verschlagen würde! Unabänderlich! Unumstößlich! Bis sie selbst erkannten, dass es so - nur so - richtig sein konnte. Daniel wusste schließlich, was er tat.

Mit gefasster Stimme, irgendwie abwesend, wies ich meinen Tok’rafreund an: „Jakob, Schluss damit!“

„Ist das ihr Ernst?“, gab er verwundert zurück, glaubte doch tatsächlich, sich verhört zu haben. Doch das hatte er nicht. Ich wünschte tief in meinem Herzen, es wäre so, doch die Tatsachen ließen sich nicht verleugnen. Nicht vor meinem Gewissen, nicht vor der Realität.

„Er will es so.“, gab ich nur zurück. Mehr wusste ich dazu nicht zu sagen. Es war nur die reine Wahrheit. Daniel wollte es, was ich begehrte, interessierte hier nicht. Ich steckte immer wieder gerne für ihn zurück.

„Kann mir irgendjemand sagen, was ich tun soll?“, wandte er sich ratlos an die anderen im Raum, doch auch diese wussten nicht, wie sie reagieren sollten. Sie waren genauso verzweifelt wie er selbst. Es lag allein an mir - nein, es lag ganz allein an Daniel. Ich war nur Mittel zum Zweck - seine Stimme für die Außenwelt. Ich war es gern.

„Lassen sie ihn einfach gehen.“, erwiderte ich stoisch. Jakob hadert offensichtlich mit sich selbst und seinem Gewissen. Er wird es irgendwann verstehen, da bin ich sicher. Letztendlich senkt er seine Hände, deaktiviert das Heilungsgerät, welches durch seine Gedanken gesteuert wurde. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Daniel würde erlangen, wonach er verlangte - ich hatte es ihm beschafft. Ich vertraute darauf, dass ich das Richtige getan hatte, dass er das einzig Vernünftige von mir gefordert hatte. Mit etwas anderem könnte ich unmöglich leben. Ein gleichmäßiger Piepton erfüllt den Raum – Daniels Herz hatte aufgehört zu schlagen. Es war längst zu spät, umzukehren.

„Colonel?“, stieß Janet alarmierend hervor. Tränen standen ihr in den Augen. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass sie mir das niemals verzeihen würde. Ich hatte alles, woran sie glaubte, wofür sie jeden Tag kämpfte, mit einem Schlag zunichte gemacht. Ich konnte ihr nicht einmal verübeln, dass sie jetzt so für mich empfand. Ich konnte wieder nur lernen, damit zu leben. Ein inneres Leuchten erfüllte Daniels Körper, als er begann, auch zu einem dieser Lichtwesen zu werden. Es war strahlend und rein - so wie er. Es würde das Richtige sein, da war ich mir jetzt sicher. Im Augenblick dieser Erkenntnis kehrte ich zu ihm zurück. Er lächelte mich immer noch an, sein Grinsen war sogar noch etwas breiter geworden.

„Ihr werdet mir alle fehlen!“, gestand er, hatte Tränen in den Augen, was seine blauen Augen unverwandt glänzen ließ. Ob es Freudentränen waren oder eher aus Trauer über den Abschied aufgetreten waren, konnte ich nicht sagen. Eventuell etwas von Beidem. Auch ich litt unter unserer Trennung, kaschierte es nur weitaus effektiver. Er brauchte das aber auch gar nicht. Er sollte mich so verlassen, wie er im tiefsten Inneren war und diesen Gefallen tat er mir auch.

Ich entgegnete wahrheitsgemäß: „Ja, sie uns auch!“ Wieder hatte ich das Gefühl, noch soviel sagen zu müssen, ihm zu gestehen, wie sehr ich ihn doch liebte, doch ich unterließ es. Er wusste es bereits. Er hatte es immer gewusst. Wir waren ein Freunde, eine Familie, ein Team - wir verstanden uns auch ohne Worte und blind.

„Danke... für alles!“, fügte er hinzu. Daniel musste sich nicht bedanken. Ich sollte es tun. Doch auch das bringe ich nicht fertig. Es ist nicht nötig. Wir sind jetzt quitt. Jeder hat seine Schulden dem anderen gegenüber gezahlt. Nichts steht mehr zwischen uns. Wir haben das höchste Maß der Freundschaft erreicht. Zu meinem Bedauern leider etwas zu spät, aber immer noch besser als nie.

„Also, dann... was jetzt? Sieht man sich?“, fragte ich und es schwang sogar ein Funken Hoffnung in meiner Stimme mit.

Daniel offenbarte mir: „Ich weiß es nicht.“ Ich nickte kaum merklich. Vielleicht war es besser so. Die Ungewissheit würde uns beide vorantreiben. Er folgte der Rampe Richtung Sternentor.

„He!“, rief ich ihm hinterher, dass er sich noch einmal zu mir umdrehte. Ich wollte noch ein letztes Mal in seine blauen, strahlenden Augen sehen, bevor er endgültig aus meinem Leben verschwand. „Wo geht die Reise hin?“

„Ich weiß es nicht.“, wiederholte er seine Antwort. Wieder senkte ich meinen Kopf verstehend und auch er nickte mir zum Abschied zu. Noch einmal schenkte er mir ein Lächeln, ehe er durch den leuchtend weißen Ereignishorizont des Tores trat und aus meinem Leben verschwand. Ich sah ihm einfach nur nach, unfähig, mich zu bewegen, den Blick abzuwenden. Ich wurde kurz darauf in die Realität zurückgeworfen. Es war ein schleichender und doch auch irgendwie plötzlicher Übergang, als sich alles um mich herum wieder in die mir bekannten Formen rückte und ich mit ansah, wie er durch die Decke davon schwebte. Allein die Bandagen, die ihn eingehüllt hatten, lagen noch auf der Liege. Er war verschwunden. Endgültig! Unwiederbringlich! Für lange Zeit!


Ende

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