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"Solitary Man" no more von Arielen

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Kapitel 8
Eine Zeit des Umbruchs
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“Mr. Sheppard war nach seinem Nervenzusammenbruch erst einmal für einige Stunden nicht wirklich ansprechbar“, erklärte Carson Beckett während Rodney mit der linken Hand – die rechte tat immer noch höllisch weh – die Aufzeichnung abschaltete. „Wir haben ihn deshalb in Ruhe gelassen und nur weiter beobachtet. Glücklicherweise ist er dann irgendwann von sich selbst aus eingeschlafen. Ich denke der arme Junge muss erst einmal verarbeiten, was er erlebt und gehört hat, dann ist können wir ihn auch wieder besser erreichen und ihm gut zureden. - Und um ihre erste Frage zu beantworten, General: Es gab und gibt keine Anzeichen einer Beeinflussung.“

„Ja, und laut Dr. Lee war es eine ganz normale, wenn auch leider defekte Energiezelle. Mit meiner Hilfe hat er dann heraus gefunden, dass es sich bei dem sogenannten ‚Ei des Benu’ ganz offensichtlich, um einen Datenspeicher der Antiker mit Abspielfunktion handelte. Mal sehen, ob wir die Geheimnisse des Kristalls nicht auf andere Weise knacken können, oder vielleicht noch eine vergleichbare Energiezelle finden.“
Vala Mal Doran nickte eifrig und nutzte die Gelegenheit, um ihren Teil zu der Geschichte beizutragen.
„Den Gerüchten zufolge, die Qetesch durch das Gerede einiger alter Männer aufgeschnappt hatte, handelte es sich bei dem Ding um eine Quelle größter Weisheit, die sich allerdings nur einem Auserwählten öffnen würde. Über die Art der Informationen stand allerdings nicht viel in den alten Tempelschriften, und mystisch-kryptische Äußerungen haben mir noch nie so gelegen.“

Sie lehnte sich wieder in den Sitz zurück. „Das ist alles, was ich darüber weiß und auch schon Daniel und Dr. McKay erzählt habe, die mehr damit anfangen konnten.“ Grinsend fügte sie hinzu: „Aber ich denke, im Mittelpunkt der Besprechung steht jetzt nicht das Artefakt, sondern der Mann, der es geöffnet hat.“
„Ganz recht“, erwiderte Daniel Jackson. „Ich bin immer noch erstaunt darüber, dass es einen Menschen gibt, der mit den Hinterlassenschaften der Antiker so selbstverständlich zurecht kommt, wie wir mit Mobiltelefonen und Computern“ Er legte den Kopf schief. “Man könnte fast meinen, er sei selbst ein Antiker.“

„Diese Möglichkeit ist durchaus schon in Betracht gezogen worden, nachdem wir ja schon mehrfach Besuch von dem ein oder anderen Aufgestiegenen hatten. Ich denke da nicht zuletzt nur an Orlin. Aber nein, dem ist leider nicht so“, warf General Landry mit einem trockenen Lächeln ein. „Nicht nur die Überprüfung von Mr. Sheppards Familie und Vergangenheit, auch die meisten der medizinischen Untersuchungen haben eindeutig erwiesen, dass er zu hundert Prozent ein Mensch ist.“ Er blickte zu Beckett hin, der zustimmend nickte. „Das macht die Sache um so schwieriger.“

„Was macht die Sache eigentlich so schwierig für Sie? Dass er ein Bürger dieses Landes ist, der auch Rechte hat, und kein Außerirdischer, der hier mit Einschränkungen als Gast weilen darf? Wir sollten ihn endlich einmal als Menschen mit einem eigenen freien Willen betrachten und nicht länger nur als Sicherheitsproblem“, warf Jennifer Keller ein. „Wenn er die Schweigepflichterklärung unterschrieben hat, dürfen Sie ihn ohnehin hier nicht mehr festhalten und er kann gehen wohin er will.“
„Ja, das ist wohl wahr. Aber Sie müssen zugeben, dass der Mann aufgrund seines Verhaltens in Vegas und seiner Vorgeschichte nicht gerade vertrauensselig ist. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Erklärung ihm für immer den Mund versiegelt.“

„Das konnten und können wir bei niemandem, der hier arbeitet, das wissen Sie. Und wie oft ist es nicht schon vorgekommen, dass jemand mit Gewalt zum Reden gezwungen wurde oder werden sollte?“, entgegnete Jennifer Keller und erhielt ein zustimmendes Nicken von Vala Mal Doran. „Oder missfällt Ihnen, dass Dr. McKay mit allen Mitteln versucht, Mr. Sheppard für Atlantis anzuwerben? Was lässt Sie so kritisch sein?“
„Ich denke, dass sich dieses Problem nach dem Vorfall im Beobachtungsraum ohnehin erledigt hat“, wich Landry aus. „Man hat Sheppard den Widerwillen förmlich angesehen und ... ich denke nicht, dass er sich von Ihnen noch einmal umstimmen lässt, Dr. McKay.“

„Das wissen sie nicht wirk...“, protestierte Rodney.

„Aye, aber ich glaube auch nicht, dass er nach dem, was passiert ist noch irgend etwas von Mitarbeit hören will“, mischte sich Beckett ein, der offensichtlich nicht ganz mitbekommen hatte, auf was seine Kollegen eigentlich heraus wollten. „Ich kann Mr. Sheppard sehr gut verstehen, da ich sehr wohl weiß, wie leicht man von den Herren und Damen Physikern zu einem Versuchskaninchen degradiert werden kann. Gerade in den ersten Tagen auf Atlantis haben es einige mit ihren Wünschen und Forderungen übertrieben.“
Er sah Rodney McKay anklagend an.
„Ach kommen Sie, Carson, das war damals notwendig um unser aller Überleben zu sichern, das wissen auch Sie. Und dabei habe ich niemals Ihre Würde verletzt ... zumindest habe ich es immer versucht“, verteidigte sich Rodney und wich dem giftigen Blick des Mediziners aus „Außerdem geht es auch nicht um Sie ... sondern um Mr. Sheppard. Der Mann hat neben seinem Naturtalent in der Benutzung der Technik der Antiker, auch noch mehr Potential, und das versuche ich gerade aus ihm heraus zu kitzeln – ohne zu vergessen, dass er ein denkender und fühlender Mensch ist.“

„Ja, das hat man gesehen und gehört. Mit was haben Sie ihn gekitzelt? Dass muss wirklich eine sehr große und schwere Feder gewesen sein.“ Eine in den Raum geworfene und amüsiert klingende Bemerkung irritierte ihn, so dass er in seiner Rede innehielt.
Vala Mal Doran grinste irgendwie anzüglich, was ihn veranlasste, einen bezeichnenden Blick auf die junge Frau zu werfen.

Moment mal...

Er krümmte die Finger der Rechten um wie gewohnt zu Schnippen, wenn er einen Gedanken hatte, der sich noch nicht ganz fassen ließ. Denn der Anblick der schwarzhaarigen Frau brachte ihn auf eine Idee und zurück zum eigentlichen Thema. „Haben General O’Neill und Sie nicht immer wieder betont, dass das Stargate-Center außergewöhnliche Leute braucht, egal woher diese stammen und welchen Hintergrund sie haben? Und ich kann mich nicht erinnern, dass Sie eben Dr. Kellers Frage wirklich beantwortet hätten, General Landry.“

Der Angesprochene runzelte leicht verärgert die Stirn. Ehe er Rodney jedoch antworten konnte, hob Daniel Jackson die Hand und mischte sich ein. „General, ich vermute, die Tatsache, dass Sheppard ein ehemaliger Soldat ist, der auch noch unehrenhaft entlassen wurde, macht es für die Bürokraten in und um das Militär schwierig, ihn innerhalb des Stargate-Centers zu akzeptieren. Ich nehme an, dass Sie deshalb nicht ganz so begeistert über die Bemühungen von Dr. McKay sind, oder?“
Er sah den General scharf an. „Ich habe mir vorhin noch einmal Sheppards Akte genauer angesehen, dabei vor allem die Beurteilungen. Gewisse Dinge wie sein Drang, vieles selbst zu entscheiden und dabei mit seinen Vorgesetzten aneinander zu rasseln, sprechen natürlich nicht dafür, ihn wieder in den Militärdienst zurück zu holen. Selbst wenn er jetzt noch bereit sein sollte, für das SGC zu arbeiten.“
Nach einer bedeutungsschweren Pause sprach der Archäologe weiter. “Denn brauchen können wir ihn wirklich, allein schon zur Bedienung des Antiker-Kontrollstuhls in Area 51. Ich weiß, dass Jack froh wäre, wenn jemand diese Aufgabe übernehmen könnte, der genug Erfahrung mit Waffen hat, sollte die Erde noch einmal bedroht werden, damit er nicht immer seinen Kopf hinhalten muss, wenn Not am Mann ist. “

„Genau so sieht die Zwickmühle aus, in der wir stecken, Dr. Jackson. Als Offizier der Air Force ist Mr. Sheppard leider untragbar geworden, so gut seine fachlichen Beurteilungen auch sein mögen“, stimmte der General zu. „Und man muss keine besonders blühende Phantasie haben, um sich vorzustellen, dass Colonel Sumner ihn doppelt so streng wie jeden anderen beurteilen und vermutlich schon bald wieder in Handschellen auf die Erde zurückschicken wird. Die unvermeidlichen Folgen, möchte ich ehrlich gesagt von vorne herein für ihn und uns vermeiden.“

„Und daraus machen Sie ein solches Problem?“ Vala Mal Doran schüttelte den Kopf und lachte. „Also, bei Teal’c und mir hatten Sie ja auch keine Probleme uns nach einer gewissen Probezeit hier fest aufzunehmen. Und da war doch vor ein paar Jahren auch noch dieser Jonas Quinn .... Niemand von uns dreien hat jemals offiziell zum Militär gehört. Dennoch waren und sind wir vollwertige Mitglieder von SG-1 und tragen Waffen, hantieren wie selbstverständlich mit geheimem militärischem Gerät. Dabei sind wir nicht einmal wirklich Bürger der Erde. Sie vertrauen uns, obwohl wir, so wie Teal’c, auch noch andere Loyalitäten haben, denen wir oft genug gefolgt sind.“
Sie warf das Haar zurück..
„Warum denken Sie immer so kompliziert, wenn es doch viel einfacher geht und gar nicht erst zu einem Problem werden müsste? Und nun behandeln Sie den armen Kerl schon die ganze Zeit wie einen Kriegsgefangenen“, empörte sie sich. „Schließlich hat er eigentlich gar nichts unrechtes getan, sondern nur das Pech gehabt, im falschen Moment aufzufallen und auch noch nebenbei die Welt zu retten.“
Dann drehte sich die schwarzhaarige Frau halb um und zwinkerte wissend zu Rodney hinüber. „Lassen Sie den guten Doktor mal machen, denn ich denke, der hat eigentlich die ganze Zeit eine ganz andere Lösung im Kopf als die, Sheppard wieder zum Soldaten zu machen, auch wenn er vermutlich noch nicht genau weiß, wie er es anstellen soll.“

Dann tippte Vala Mal Doran Daniel Jackson an. „Und wenn das mit Atlantis nicht klappt, bist du doch selbst ganz wild darauf, endlich auch einmal einen Mitarbeiter zu bekommen, der die Artefakte der Antiker ganz anders anpacken kann als der Rest der Bande hier.“
„Sicher, aber davon sollten wir erst einmal absehen“, wand sich Daniel Jackson aus der Falle, die ihm seine Teamkollegin gestellt hatte. „Der Mann braucht jetzt erst einmal Zeit für sich selbst und so neugierig ich auch bin, Vala, ich mag es auch nicht wenn ich bedrängt werde.“

Rodney indes nickte nur und war etwas zufriedener. Auch wenn er so nicht selbst zu dem gekommen war, was er zur Sprache hatte bringen wollen, hatte die Angehörige des SG-1-Teams sein Anliegen doch genau auf den Punkt gebracht. Vielleicht gab es ja noch die Gelegenheit, nach der Besprechung mit General Landry ein paar Worte unter vier Augen zu wechseln.

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John umklammerte den Becher und spürte, wie die Wärme des heißen Kaffees in seine Hände zog. Nicht, dass ihm wirklich körperlich kalt war, aber dann und wann rann ein unangenehmes Frösteln durch seinen Körper. Das jedenfalls war keine Spätfolge des energetischen Schlages, sondern ein Ausdruck seiner Anspannung, die ihn seit dem Aufenthalt im Beobachtungsraum nicht wirklich verlassen hatte, obwohl er insgesamt ruhiger geworden war.

Er trank einen Schluck und versteckte sein Gesicht hinter dem Becher, damit niemand seine Unsicherheit und Nervosität bemerkte.

Bewusst hatte er sich in die hinterste Ecke der Kantine verkrochen. Von hier konnte er eine Menge sehen, hatte aber selbst die Wand im Rücken. Ein weiterer Vorteil war, dass nur wenige hier auf der Suche nach einem Platz vorbei kamen und ihm einen neugierigen Blick zuwarfen. Die meisten Anwesenden ignorierten ihn, wie sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren oder anderen unterhielten.
Er beobachtete eine Gruppe von Wissenschaftlern, die ganz offensichtlich ihre Debatte mit in die Mittagspause genommen hatten. Die beiden Männer und die Frau diskutierten heftig miteinander. Eine Gruppe weiblicher Soldaten tauschte sich offenbar über die Qualität von Pflegeprodukten aus, die eine von ihnen ganz offensichtlich aus ihren Urlaub mitgebracht hatte. Dabei machten die jungen Frauen Scherze und lachten ungeniert.
Zwei Männer am Nebentisch spielten Schach, als hätten sie zu viel Freizeit und damit Langeweile. Leider waren sie nicht besonders gut. John stellte fest, dass er den beiden um Züge voraus sein konnte, verzichtete aber darauf, irgendeinem von ihnen einen Tipp zu geben, denn er wollte nicht absichtlich Aufmerksamkeit erregen.
Wieder andere zogen es vor alleine zu bleiben, um ihr Essen in Ruhe zu verspeisen oder sich hinter einer Zeitung oder Zeitschrift zu verstecken. John las zwar die Schlagzeilen der „Colorado-Springs-Gazette“ mit, aber es interessierte ihn nicht wirklich, ob der kürzlich und unter noch ungeklärten Umständen verstorbene „King of Pop“ nun ein viertes Kind hatte oder warum sich ein ortsansässiger Gynäkologe wieder einmal der Attacken religiös-fundamentalistischer Bürgerrechtsgruppen erwehren musste. Oder dass man bei der Senkung der Verbrechensrate im Landbezirk eine neue Höchstquote erreicht hatte.

Es war ein seltsames Gefühl hier sitzen zu können und nicht in seiner „Zelle“ – er verbesserte sich - dem Gästezimmer, dass man ihm nun zur Verfügung gestellt hatte.
John konnte immer noch nicht wirklich fassen, dass sich in den letzten vier Tagen einiges für ihn verändert hatte. Ob zum besseren oder schlechteren, dass wusste er nicht einmal. Ein Teil seines Ichs wollte dem Frieden auch weiterhin nicht trauen und blieb argwöhnisch.

Nach dem Vorfall hatte er noch knapp zwei Tage im Beobachtungsraum verbringen müssen, damit man sich wirklich sicher sein konnte, dass ihn keine fremde Entität übernommen hatte. Dr. Keller und Dr. Beckett hatten ihn mehrfach gründlich untersucht und ihm die Gründe dafür erklärt. Dabei hatten sie angenehmerweise festgestellt, dass der Energiestoß die restlichen Naniten in seinem Körper zerstört und zum größten Teil zersetzt hatten. Er hatte dem unfreiwilligen erhaltenen „EMP“ zu verdanken, dass er in dieser Hinsicht „clean“ geworden war.

Ansonsten behandelte man ihn so, als sei in dem Beobachtungsraum nichts Besonderes vorgefallen und bedrängte ihn auch nicht mehr mit irgendwelchen Wünschen oder Forderungen. Selbst Beckett hatte weitestgehend auf den Einsatz seines Scanners verzichtet, um Johns Gedanken nicht wieder auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren.

Sie nahmen in allem was sie taten Rücksicht auf ihn.
Sie sorgten sich um ihn und seinen seelischen Zustand.
Sie versuchten ihn auf unaufdringliche Art und Weise nervlich und seelisch wieder aufzubauen.

Das hatte John geholfen, Luft zu holen und die Kontrolle über sich zurück zu gewinnen, auch wenn die Unsicherheit und eine unterschwellige Angst in ihm brodelte, denn er verstand immer noch nicht, warum sie das taten und konnte die aufkommenden Erinnerungen nicht unterdrücken.

Das letzte Mal, als er auf einer Krankenstation gelegen hatte, war nach der Entlassung die Militärpolizei auf ihn zugekommen und hatte ihn in ein Gefängnis überführt. Und ein kleiner Teil von ihm erwartete, dass es wieder geschah.

Deshalb war er mehr als erstaunt gewesen, zu erfahren, dass man ihn von dem abgeschlossenen Raum in ein Gästezimmer umquartiert hatte und nun sogar erlaubte, sich in einem gewissen Rahmen frei zu bewegen. Natürlich hatten die Soldaten den Befehl, ihn zurück zu halten, wenn er in einen Bereich kam, in dem er nichts zu suchen hatte, aber das taten sie auch mit jedem anderen, der sich nicht entsprechend ausweisen konnte.
Sein Essen wurde ihm nicht mehr gebracht, er konnte es nun im Rahmen der Öffnungszeiten der Kantine einnehmen, also wann und was immer er wollte. Wenn er Langeweile hatte, konnte er sich durch die Radiosender und Fernsehkanäle zappen, die für den kleinen Empfänger frei geschaltet waren ...

Er seufzte und drehte den Becher nachdenklich in seiner Hand.

... oder in der Akte las, die ihm Mackenzie gestern vorbei gebracht hatte. Der Psychologe hatte ihm auch noch ein Gespräch angeboten und seine Nummer da gelassen, wenn ihm irgendwann doch nach Beistand war. Aber John hatte das Angebot dankend abgelehnt, weil er mit sich selbst und alleine ins Reine kommen wollte.

Die Akte selbst hatte er einen Tag lang ignoriert. Erst heute morgen, nachdem er die halbe Nacht um den schmalen Ordner herum geschlichen war, hatte er sie sich zu Gemüte geführt und festgestellt, dass sie sorgfältig gefilterte Informationen über das Stargate-Center und Atlantis enthielt. Das hatte ihn neugierig gemacht, aber gleichzeitig auch geärgert, weil er darin auch wieder nur einen Versuch sah, ihn auf einen Weg zu lenken, über den er selbst nicht bestimmen konnte.

‚Andererseits ...’, grübelte er stumm weiter. ‚Ist es wirklich so, wie ich denke? Oder mache ich mir vielleicht in dieser Hinsicht nur etwas vor. Bilde ich mir vielleicht einfach nur zu viel ein?’ Er verzog das Gesicht. Früher habe ich über so paranoide Gedankengänge doch nur gelacht!’

Natürlich lag sein Schicksal in den Händen dieser Menschen. Und wenn er die negativen, von Furcht geprägten Gedanken weiter spann, wäre es für die Verantwortlichen natürlich ein leichtes, ihn einfach für tot zu erklären zu lassen, um ihm alle Rechte zu nehmen. Dann konnten sie ihn einfach umbringen oder seinen Geist mit Drogen und Medikamenten zerstören und dann auf Nimmerwiedersehen mit einer falschen Identität in ein Hochsicherheitsgefängnis oder eine geschlossene Klinik verfrachten und für den Rest seiner Tage dahin vegetieren lassen ...

... auf der anderen Seite würde das aber ganz sicher nicht geschehen, weil es zum einen den Aufwand nicht wert war und immer die Gefahr bestand, dass solche Machenschaften heraus kamen. Er spürte zudem , dass es hier Menschen gab, die das nicht zulassen und dafür kämpfen würden, dass die Verantwortlichen seine Rechte als Bürger der vereinigten Staaten achteten. Und er kannte ihre Namen: Dr. Beckett, Dr. Keller und McKay. Und – er mochte es kaum selbst zugeben - vielleicht sogar dieser General, der kurz nach ihrem Erwachen mit ihm gesprochen hatte. Denn auch wenn er den Mann seither nicht wieder gesehen hatte, war es ihm doch, als könnte dieser O’Neill ihn und sein Verhalten irgendwie verstehen ...

John schluckte, als er sich dies eingestand. Also musste er in erster Linie mit sich ausmachen, wie er seine Zukunft nun gestalten wollte. Und doch war es nicht gerade einfach darüber nachzudenken.

Die Zweifel, dass er wirklich und wahrhaftig eine freie Wahl hatte, blieben präsent und ermahnten ihn, nicht all zu blauäugig zu sein: Warum sollten man ihm jetzt auf einmal so viele Freiheiten gewähren, wenn man ihn letztendlich doch in die Pflicht nehmen würde, nun da sie und er seinen Wert für diese beiden streng geheimen Projekte kannten?

John musste zugeben, dass ihn die Worte McKays im Fahrstuhl und im Beobachtungsraum doch tiefer getroffen hatten, als er zugeben wollte. Doch die Vergangenheit war unveränderlich geschrieben und er hatte nur noch die Zukunft, die er gestalten konnte. Doch wo sollte er anfangen?
Es war nicht leicht das zu entscheiden. Nicht nach einem verpfuschten Leben wie dem seinen und den vielen Irrwegen, die er gegangen war. Und im Angesicht seiner größten Schwäche, die er nun einmal nicht leugnen konnte: Seinem Drang alles selbst in die Hände nehmen und so entscheiden zu wollen, wie er es für richtig hielt.

McKay ... Im Beobachtungsraum hätte er den Kanadier, der so hemmungslos auf seine Schutzmauern eingedroschen und dabei mit einem Messer aus Worten die empfindlichsten Stellen getroffen hatte, am liebsten umgebracht, um diese lästige Stimme zum Verstummen zu bringen. Aber etwas hatte seine Wut schließlich massiv ausgebremst. Und es war nicht nur der Zusammenbruch gewesen.

John lehnte sich zurück und starrte in den Becher. Er sah an der dunklen Flüssigkeit, wie sehr er innerlich bebte, während sein Geist um so klarer und ruhiger wurde.

Jetzt endlich konnte er es auch gegenüber sich selbst zugeben: Es waren nicht die Vernunft, der klare Menschenverstand und seine Selbstkontrolle gewesen, die ihn davon abgehalten hatten, einen Mord zu begehen, sondern etwas anderes.

Das Bild eines alten Mannes in archaischer Kleidung kam ihm in den Sinn. Und die schlichte Geste - Die Stimme deines Herzens ist alles was zählt. Dieser Bra’tac hatte ihn durchschaut, ohne jemals mit ihm gesprochen zu haben. Und er hatte eine weitere Erinnerung wach gerufen. Plötzlich schob sich das Bild einer nachdenklich lächelnden dunkelhaarigen Frau vor seine Augen. Die Geste stammte vielleicht von dem alten Mann, die Worte, die in seinem Geist erklungen waren, jedoch von ihr – seiner Mutter!

Warum hatte er das nur vergessen können!

Intuition war für sie alles gewesen und damit hatte sie ihren Mann so manches Mal zur Weißglut getrieben, weil sie ihrem Herzen folgte, indem sie das aussprach, was andere nicht einmal zu denken wagten, ohne auf ihren Ruf zu achten einfach handelte und nicht den gesellschaftlichen Konventionen oder dem Verstand gehorchte...
Und trotz ihrer unzähligen Streits hatte Patrick Sheppard seine Frau mehr als alles andere dafür geliebt und oft genug zu ihr gestanden, wenn sie die bessere Gesellschaft, vor allem die von ihr so gehassten „wohltätigen“ Damen mit ihrer offenen und direkten Meinung brüskiert und manchmal regelrecht beleidigt hatte, weil sie alle Bemühungen nur für Selbstinszenierung und keine wirkliche Menschenfreundlichkeit gehalten hatte. Dann hatte sein ach so souveräner und berechnender Vater auch seine andere Seite gezeigt, die sonst immer unter der Maske des berechnenden Konzernchefs verborgen gewesen war.

Als sei es gestern gewesen und nicht fast dreißig Jahre her hörte er wieder ihre Stimme in seinem Geist: Johnny, ich gebe dir nur einen Rat. Wenn du einfach nicht weiter weißt, dann schließe die Augen, hole dreimal tief Luft und stelle dich dem Ruf deines Herzens. Höre darauf, was es zu dir sagt und vergiss, was dein Verstand dir sagt.

Getreu der Worte seiner Mutter ging John unwillkürlich in sich und gestand sich mit dem ersten Atemzug ein, was sein Verstand nicht wahr haben wollte: Sein Herz hatte sich zusammen mit dem Sternentor dem Abenteuer geöffnet. Wann immer er daran dachte, dass er vielleicht die Chance hätte, Dinge zu sehen, die den meisten Menschen ihr ganzes Leben lang verschlossen bleiben würden, dann erfüllte ihn ein angespanntes Kribbeln. Es war warm und gab Kraft, die er schon lange nicht mehr verspürt hatte. Und es war ihm egal, dass er keine zwanzig mehr war.

Mit dem zweiten sprach er gegenüber seinem Geist die verborgene Sehnsucht aus, die seit Tagen in ihm wühlte: ‚Ja verdammt, ich will daran teilhaben, fremde Welten zu erforschen und uralte Geheimnisse zu ergründen. Nicht allein nur, weil ich die Abenteuerlust in mir spüre und das Leben auf der Erde mir nichts mehr geben kann, sondern weil es meinem Leben einen neuen Sinn geben könnte, und ich vielleicht so meinen Teil dazu beitrage, der Allgemeinheit zu helfen, ohne dass ich ständig beurteilt und gemaßregelt werde. Weil dort draußen vielleicht andere Regeln gelten und nicht nur die starren, in die ich bisher ... ich will frei sein.’
Um sein heftiges Zittern zu verbergen, umklammerte er die Tasse fester.
Diese brennende Sehnsucht und Begeisterung hatte er bereits als junger Mann verspürt – damals als er seine ersten Flugstunden absolviert hatte. Aber auch noch als Testpilot und wann immer er hinter den Kontrollen eines Flugzeuges oder Hubschraubers gesessen hatte, war er frei von allen irdischen Beschränkungen gewesen.

Seine Gedanken glitten ab.
Selbst in den brenzligsten Situationen hatte er einen klaren Kopf behalten und einfach das getan, was er in diesem Moment für richtig hielt, wenn er sich an diesen Leitsatz gehalten hatte. Und auch wenn er nicht immer mit heiler Haut davon gekommen hatte oder sich Ärger einhandelte, in den meisten Fällen hatte er doch recht behalten.
Mit dem Abschuss in Afghanistan waren ihm jedoch die Flügel gebrochen worden. Danach hatte er niemals wieder davon geträumt, sich in die Lüfte zu erheben und schon gar keine Mühe gemacht, zumindest einen zivilen Flugschein zu erwerben.

Aber stimmte es wirklich, dass er nicht mehr fliegen konnte und wollte? Redete er sich da nicht nur etwas ein und hatte sich eigentlich eher in seinem Selbstmitleid und seinen Schuldgefühlen vergraben?

‚Vielleicht sollte ich die Vergangenheit endlich ruhen lassen. Diese Leute hier haben mir ein zweites Leben geschenkt, das ich nicht mit Jammern und Klagen über verlorene Chancen vergeuden sollte.’ John holte ein drittes Mal tief Luft. ‚Das ist auch früher nicht meine Art gewesen.’

Er rekapitulierte die Erlebnisse der letzten Tage. Vor allem rief er sich die Aufzeichnungen auf dem Laptop ins Gedächtnis und sah wieder sein Ebenbild aus einer anderen Dimension vor Augen.
‚Ich bin nicht er und ich will es auch nicht sein’, dachte er nüchtern und entschlossen ‚Aber ich werde jetzt endlich meinen eigenen Weg aus diesem ganzen Schlamassel finden, egal was noch für Enthüllungen auf mich zukommen werden.’
Mit diesen Worten, dieser Entscheidung geschah auch noch etwas anderes, das er deutlich spüren, aber nicht wirklich in Worte fassen konnte.

Wenn jetzt etwas in ihm zerbrach ...
... dann waren das nur das Gefühl der Schuld und Schande, die Ängste und die Zweifel, die sein Herz und seine Seele in den letzten Jahren in Fesseln geschlagen hatte. So wie auch die Ohnmacht ... nein , die Hillflosigkeit, in die er sich selbst manövriert hatte.

Zum ersten Mal, seit er hier aufgewacht war, kehrte Stille in seinem aufgewühlten Inneren ein und nahm ihm auch den letzten Groll gegenüber sich selbst.
John spürte, dass er nun endlich wieder dazu bereit war, sich bewusst im Spiegel anzusehen und nicht nur wenn es zum Rasieren notwendig war. Er wollte nicht mehr länger den einfachsten Weg gehen und seine Ruhe vor allen Ärgernissen haben, weiter im Selbstmitleid baden und hilflos herum trudeln sondern sich endlich seiner Verantwortung für sein Leben und damit auch neuen Herausforderungen stellen. Vielleicht war es gut, seine Schutzmauern weiterhin aufrecht zu erhalten und den anderen nur wenig von sich selbst zu zeigen. Aber er war nun bereit, eine Tür in sie einzubauen.

So lächelte John versonnen und spürte, wie ihm das Herz leichter wurde und neue Kraft in seine Seele strömte. Das machte es ihm endlich leichter, in die Zukunft zu sehen, auch wenn die im Moment ungewisser als je zuvor war.

Im nächsten Moment riss ihn jedoch eine vertraute Stimme aus seinen Gedanken und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. „Entschuldigen Sie, Mr. Sheppard? Ist an ihrem Tisch noch ein Platz frei?“
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