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Nick von Jenny

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Vorwort



Spoiler: Der Kristallschädel

Anmerkung: Das ist eine Missing Scences zu „Der Kristallschädel“. Man muss bei der Folge schon aufmerksam zugehört haben, um den genauen Kontext zu verstehen.
Nick


„Alles in Ordnung?“, fragte Jack als sie sich auf den Rückweg zur Erde machten.

Die letzten Minuten waren hart für Daniel gewesen. Gerade erst hatten er und sein Großvater wieder zueinander gefunden, schon verließ ihn dieser erneut um bei den Riesengiganten zu sein.

Jack ahnte, wie sein Freund sich im Moment fühlte und legte ihm einen Arm um die Schultern.

Daniel ließ den Kopf gesenkt und starrte auf seine Füße, die sich Schritt für Schritt weiter von seinem Großvater entfernten, dem wahrscheinlich letzten Stück leiblicher Familie, das er noch hatte.

„Oh ja...“, hauchte er und versuchte die Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen, indem er lächelte. Doch Jack kannte ihn zu gut, um sich davon täuschen zu lassen.

Er tauschte einen besorgten Blick mit Sam aus, die auf der anderen Seite lief.

„Vielleicht erweisen sich die Riesengiganten als nützliche Allianzpartner.“, schlug sie dann vor, „Sie haben immerhin gesagt, der Feind ihres Feindes sei ihr Freund.“

Daniel nickte zustimmend und sah wieder auf. Sie waren kurz vor dem Stargate angekommen und er warf noch einen Blick zurück in der Hoffnung, Nick würde am Ausgang des Gebäudes auf ihn warten. Aber natürlich wurde er enttäuscht.

Jack hatte ihn schon lange nicht mehr so gesehen.

Als er sich von Nick verabschiedet hatte, wirkte er noch zuversichtlich, als würde er seinen Weggang akzeptieren, doch nun, so kurz vor ihrer Rückreise störte es ihn enorm.

„Wir können gern in ein paar Wochen wieder vorbei schauen und den alten Nick besuchen.“, schlug Jack vor und erreichte gerade das Gegenteil.

Daniels Augen weiteten sich für eine Sekunde so als glaubte er, sich verhört zu haben. Dann wurde er ganz still und schüttelte entschlossen den Kopf.

„Das wird nicht nötig sein.“

Jack blickte verwundert in Sams Richtung, die sich aber auch keinen Reim auf diese Reaktion machen konnte.

Daniel konnte manchmal launisch sein, doch das hier machte nicht einmal mehr für ihn Sinn. Gerade noch trauerte er um den Weggang seines Großvaters, aber schon im nächsten Moment wollte er die Gelegenheit nicht nutzen, ihn wiederzusehen.

Vielleicht hatte es damit zu tun, dass Nick kein minder schwieriger Mensch war als Daniel. Beide waren in den selben Lebensumständen gefangen gewesen und strebten ständig nach etwas, das sie nicht erreichen konnten.

Das ironische daran war, das beide die Theorien des anderen anzweifelten und eines besseren belehrt worden waren.

Jack ging das alles zu weit. Sich um Daniels seelischen Zustand Gedanken zu machen war schon einnehmend genug, da brauchte er nicht noch eine vierzig Jahre ältere Version des Archäologen.

„Na dann...lasst uns nach Hause gehen.“

+++

Das Debriefing war kurz gewesen.

Nachdem Hammond und Teal`c sich von dem Schreck erholt hatten, Jack und Sam könnten nun ebenfalls unsichtbar sein, besprachen sie zusammen mit Janet Fraiser den Auftritt der Riesengiganten und Nicholas Ballards Entscheidung.

Hammond war zwar nicht glücklich darüber, aber er akzeptierte es.

Zumindest hatte Ballard damit seinen Seelenfrieden gefunden.

Während der Besprechung behielt Jack Daniel im Auge, aber er ließ sich nichts mehr anmerken, beantwortete Hammonds Fragen fachlich neutral und spielte an seinem Kugelschreiber herum.

Jack hatte bereits Pläne für den Abend.

Janet erklärte, dass nach dem erneuten Kontakt mit der Strahlung- auch wenn es nur ein geringes Maß war- SG-1 vorsichtshalber für ein paar Tage ausser Dienst gestellt werden sollte, zumindest so lange, bis niemand mehr über Schwindelgefühle oder Kopfschmerzen klagte.

Das war die perfekte Gelegenheit, mit Daniel endlich eine halbe Woche fischen zu gehen, wie sie es schon seit zwei Jahren geplant hatten. Ausserdem würde er seinem Freund etwas auf den Zahn fühlen können, was Nick betraf.

Daniel hatte nie über ihn gesprochen und Jack wurde das Gefühl nicht los, das es dafür einen verdammt guten Grund gab. Und alles was ihn beschäftigte, wirkte sich immer auch auf das Team aus. Somit war es seine Aufgabe als Anführer, für das Wohl seiner Leute zu sorgen- vor allem für das seines besten Freundes.

Sie erhielten das Kommando zum wegtreten und standen auf. Während Sam und Daniel noch ihre Aufzeichnungen sortierten, schlenderte er langsam auf sie zu.

„Und Carter, was machen Sie am Wochenende?“

Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und sah sich beschäftigt um. Teal`c hatte sich neben ihn gestellt und verfolgte aufmerksam die Diskussion.

„Nun Sir, eigentlich bleibt ja nur Samstag. Ich werde wohl mit Cassie etwas unternehmen...Freuen Sie sich auch schon auf das Konzert?“

Jack hob verwundert die Augenbrauen.

„Konzert?“

Sam blickte ihn zweifelsvoll an. Doch schon bald ahnte sie, dass dies keiner seiner Scherze war. Er hatte es tatsächlich vergessen- oder verdrängt.

„Am Sonntag. Sonntag Abend. Wir wollten doch gemeinsam als Team dorthin fahren.“

„Ein Konzert?“, O’Neill wechselte Blicke mit Teal`c und Daniel aus, doch niemand sonst machte den Eindruck, als würde ihn die Frage überraschen.

„...Ah, das Flötenkonzert.“, fiel es ihm dann endlich ein.

„Sagen Sie mir nicht, dass Sie es vergessen haben! Teal`c ist schon ganz aufgeregt, er freut sich seit Wochen darauf.“

In Sams Stimme schwang Enttäuschung mit und er dachte nach, wie er die Situation retten konnte und es gleichzeitig schaffte, ein paar Tage für Daniel und ihn heraus zu schlagen.

„Ach, wissen Sie Carter, es...es ist etwas dazwischen gekommen.“, stammelte er verlegen.

„Aber wir haben doch erst vor zwei Tagen darüber geredet.“

„Ja, also sehen Sie...Daniel hier...“, er deutete demonstrativ in die Richtung seines Freundes, „Daniel und ich haben uns gerade dazu entschlossen, ein paar Tage angeln zu gehen, nur wir zwei.“

Der Archäologe blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und lehnte sich an die Tischplatte, die Arme vor der Brust verschränkt.

„Haben wir das?“

„Ja natürlich, weißt du nicht mehr? Vorhin hab ich dich gefragt und du hast mit dem Kopf genickt.“

// Komm schon Daniel, du und ich! Zusammen können wir es schaffen, nicht auf dieses Konzert gehen zu müssen. Tu mir das nicht an Kumpel, ich flehe dich an! //

„Daran kann ich mich aber nicht mehr erinnern.“

// Großartig, danke auch! Warte nur, bis du das nächste Mal eine gute Ausrede brauchst, weil du das Briefing verschlafen hast! //

„Ja, Fraiser erwähnte, dass das eine Nachwirkung der Strahlung sein könnte.“

Wow, lobte sich Jack. Das klang wirklich überzeugend.

„Das gibt mir einen Grund mehr dich mitzunehmen. Wir können die Landschaft genießen und Kraft tanken. Wir könnten Bier trinken und bis in die später Nacht am Teich sitzen und angeln.“

„Und was wird dann aus dem Flötenkonzert?“, schaltete Sam sich wieder ein. Seit wann mochte sie Klassische Musik?

„Ich wollte eigentlich auch lieber dahin.“, murmelte Daniel, doch er hielt sich zurück, als Jack ihm einen bösen Blick zuwarf. Er hatte verstanden, dass hinter seinem Bestreben, ihn mit nach Minnesota zu nehmen mehr steckte, als reine Nächstenliebe.

„Daniel, du solltest dich ausruhen, nicht langweiligen Musikstücken lauschen. Und Carter, nehmen Sie doch einfach Siler und Harriman mit, sagen Sie ihnen, dass sei die Bezahlung für die Hockeywette.“

Sam gab auf und seufzte.

„Wie Sie meinen, Sir. Tut mir leid für dich, Daniel.“, damit legte sie ihm in Sympathie eine Hand auf den Arm und verschwand anschließend aus dem Besprechungsraum.

„Ja, danke. Ich tue mir auch schon leid.“, erwiderte Daniel halbherzig und rieb sich über die müden Augen. Er war gerade für zwei Tage unsichtbar gewesen und hatte obendrein seinen Großvater wiedergetroffen, nur um ihn im selben Atemzug wieder zu verlieren.

All das war zuviel für ihn gewesen und er brauchte Zeit, um seine Wunden zu lecken. Allerdings musste er das auf später verschieben...

„Na los, Daniel, wir müssen packen. Du hast eine Verabredung mit mir.“, Jack setzte sein breites Grinsen auf und deutete zur Treppe, „In einer halben Stunde auf dem Parkdeck, zieh dich warm an und lass die Bücher hier.“

+++

Sie würden die Nacht durchfahren und so hatte Daniel es vorgezogen, im Beifahrersitz ein Nickerchen zu halten.

Die ganze Geschichte mit Nick hatte an seinen Nerven gezehrt und ihm die Energie genommen, mit der er normalerweise durch den Tag ging. Er fühlte sich einfach ausgelaugt und zu viele schlechte Erinnerungen kamen wieder ans Tageslicht zurück, die in der Gegenwart überhaupt nichts zu suchen hatten.

Daniel erinnerte sich noch gut daran, wie er von seinen Klassenkameraden belächelt wurde, als er begeistert von Nick erzählte, der als Forscher in die entlegendsten Winkel der Erde vordrang, Schätze fand und wertvolle Entdeckungen machte.

Sie glaubten ihm nicht und beweisen, dass es seinen Großvater überhaupt gab, konnte er ebenfalls nicht.

Bis zu seinem achten Lebensjahr hatte er ihn nur durch die Schilderungen seines Vaters gekannt, der Nicks Ausflüge nach Südamerika als Thema für Gute- Nacht- Geschichten nutzte.

Immer wieder bekam er erzählt, was für ein toller Archäologe Nicholas Ballard war und welch bahnbrechende Entdeckungen auf sein Konto gingen. Daniel hatte immer gehofft, er würde eines Tages durch die Tür treten und für ihn da sein.

Doch Melburn Jackson vertröstete ihn immer, behauptete, dass es die letzte Expedition sei und Nick danach auf Besuch vorbei kommen würde. Hin und wieder rief er auch an, doch dann unterhielt er sich nur mit seinen Eltern und das Gespräch wich nie vom Thema Archäologie ab.

Nachdem seine Eltern starben hatte Daniel gehofft, Nick würde ihn adoptieren und mit auf seine Reisen nehmen. Immerhin war er erfahren. Mit acht Jahren hatte er schon fast alle Länder Afrikas und Europas bereist, hatte Ausgrabungen beigewohnt und konnte sogar schon einige Hieroglyphen entziffern.

Die Sozialarbeiterinnen machten ihm Hoffnung- doch Nick kam nie.

Eine Anfrage des Jugendamtes wurde zurückgewiesen und man schickte ihn in ein Waisenhaus.

Das sollte eine der größten Enttäuschungen seines Lebens bleiben.

„Daniel?“

Die ruhige Stimme holte ihn aus seinem Schlaf und er spürte Jacks Hand an seinem Arm.

„Daniel? Bist du okay?“

Er blinzelte gegen das Licht einiger Straßenlaternen an und rieb sich über die Augen. Sein Kopf schmerzte und zerstörte jeglichen Versuch der Konzentration.

Und diese ungeplante Nachtfahrt machte es nur noch schlimmer.

Alles was er wollte war, in seinem warmen Bett zu liegen, vielleicht vorher einen aromatischen Tee zu trinken und nachdenken. Zumindest würde er allein sein und konnte so seine Problemen selbst lösen.

„Denke schon. Warum?“, fragte er und sein Mund fühlte sich dabei staubtrocken an.

Er griff nach dem Becher Kaffee, den sie zuvor an einer Tankstelle geholt hatten und nahm einen großen Schluck. Er war fast kalt aber zumindest würde das Koffein seine Lebensgeister wieder wecken.

„Du hast im Schlaf gesprochen.“, erklärte Jack und riskierte einen kurzen Seitenblick.

Daniel hatte sich im Beifahrersitz zusammengerollt und seine Jacke als Kissen benutzt. Nun sah er aus, als hätte er drei Nächte lang nicht durchgeschlafen.

„Oh...“, gab er verlegen zurück und trank einen weiteren Schluck Kaffee.

„Der Name Nick fiel dabei ganz besonders oft.“, fuhr er fort und konzentrierte sich wieder auf die Fahrbahn.

Es war gerade drei Uhr Nachts und fast niemand war unterwegs. Es regnete und die Straßen waren nass, aber sie boten keine große Gefahrenquelle. Sie ließen eine Kleinstadt nach der anderen hinter sich und würden in vier Stunden bei seiner Hütte ankommen.

Jack nahm sich vor, Daniels Benommenheit auszunutzen, denn er selbst war hellwach.

„Hast du oft solche Träume?“

„Träumen wir nicht alle hin und wieder?“, gab der Archäologe genervt zurück, um das Thema abzuschließen, doch Jack ließ es nicht zu.

„Natürlich Kumpel, ich träume zum Beispiel von großen...richtig großen Barschen, die wild an meiner Angelschnur ziehen, während ich all meine Kraft einsetzen muss, um sie an Land zu bekommen. Ein Kampf, Mensch gegen Natur...“, Jack stoppte sich, eher er tatsächlich das Thema wechselte, „Aber ich rufe in meinen Träumen nicht verzweifelt nach meinem Großvater.“

Das traf genau ins Schwarze.

Jack sah im Augenwinkel, wie Daniel das Gesicht verzog und kurz die Augen schloss. Er wusste, dass er in der Falle saß.

Zumindest war so der Weg für eine offene Diskussion geebnet.

„Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte Daniel etwas vorwurfsvoll, weil Jack ihn nicht geweckt hatte. Wie viel mochte er wohl mitbekommen haben?

„Oh...knappe zwei Stunden würde ich sagen. Ich hab dir gerade erzählt, wie wichtig eine klare Kommandostruktur in einem SG- Team ist, aber als ich dich nach deiner Meinung fragen wollte, warst du schon weg.“

„Und du hast mir die ganze Zeit zugehört, wie ich vor mich hin gesprochen habe?“

Daniel blickte ihn gequält an, so als konnte er nicht glauben, dass er im Schlaf von Nick gesprochen hatte. Was sollte er jetzt bloß sagen?

„Naja, das Radio hatte keinen Empfang und ich habe etwas gebraucht, um mich wach zu halten...Du warst sehr unterhaltsam.“

Daniel stützte den Kopf in beide Hände und rieb sich anschließend wieder über die Augen. Warum fing das Koffein nicht langsam an zu wirken? Warum wurde er nicht wach?

„Eigentlich hast du erst gegen Ende von Nick gesprochen. Vorher hast du dich darüber beschwert, das in der Kantine immer der Zucker alle ist, wenn du ihn brauchst.“

„Das beruhigt mich.“, seufzte Daniel und versuchte das Autoradio anzuschalten. Noch immer hatte es keinen Empfang. Das war kein gutes Zeichen.

„Schlaf weiter, wir sind noch ein paar Stunden unterwegs.“, schlug Jack vor, doch er konnte es nicht. Zu viele Gedanken rasten durch seinen Kopf und ließen ihn keine Ruhe finden.

Erschöpft bettet er seinen Kopf gegen die Stütze des Sitzes und starrte minutenlang auf die menschenleere Straße. Der Regen peitschte gegen die Windschutzscheibe und sammelte sich an den Seiten.

Jack hatte die Klimaanlage wärmer eingestellt, damit er nicht fror, doch nun hatte die Temperatur die Eigenschaft, ihn langsam wieder einzuschläfern.

Schlaf- daran war nun gar nicht mehr zu denken.

Es gab keine Garantie, dass er nicht wieder anfangen würde, über Nick zu reden.

Gott, warum musste all das jetzt passieren? Warum tauchte er immer im ungünstigsten Augenblick auf?

Daniel erinnerte sich, wie er als Neunzehnjähriger nach Belize gereist war, um ihn bei einer Ausgrabung zu treffen. Vom Archäologischen Institut hatte er den Hinweis bekommen, Nick könnte sich dort aufhalten und sein Taschengeld zusammen gekratzt, um sich ein Flugticket zu leisten.

Seine Adoptiveltern waren nicht begeistert, aber es gab nicht viel, was sie dagegenhalten konnten.

Nick war immer noch der letzte leibliche Verwandte, den er hatte.

Daniel hatte sich an die Vorgaben des Instituts gehalten und ihn tatsächlich gefunden. Er war gerade dabei gewesen, seine Ausrüstung zusammen zu packen, als sein Enkelsohn plötzlich vor ihm stand.

// Großvater? //

Daniel hatte die Arme ausgebreitet und erhoffte eine feste Umarmung, doch stattdessen blickte Nick ihn nur genervt an und rollte mit den Augen.

// Was willst du denn hier? //

// Ich wollte dich besuchen. Weißt du denn nicht, was mit Mum und Dad passiert ist? Ich hatte gehofft, wir könnten uns mal treffen. //


Seine Arme fielen enttäuscht nach unten und er folgte entsetzt dem Verhalten seines Großvaters.

// Daniel, ich bin hier beschäftigt, siehst du das nicht? //

// Aber ich...ich bin den weiten Weg bis hierher gereist, nur um dich zu besuchen. Es ist so lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. //

// Dann hast du deine Zeit vergeudet. Ich kann mich jetzt nicht mit dir unterhalten, wir müssen aufbrechen, wenn wir vor morgen Abend wieder bei der Tempelanlage sein wollen.//


Damit hatte er ihn allein in dem Zelt zurückgelassen.

Noch am selben Tag war er enttäuscht zurückgereist und hatte niemandem jemals von dem Vorfall erzählt.

„Komm schon Daniel, wir sind da!“, riss ihn Jacks Stimme aus den Gedanken und er wurde vom Tageslicht begrüßt, als er die Augen öffnete.

Sie parkten bereits vor der Hütte und ihr Gepäck wartete auf der Veranda.

Jack hatte die Beifahrertür geöffnet und sah ihn amüsiert an.

War er tatsächlich wieder eingeschlafen? Aber er wollte doch wach bleiben! Eine halbe Tasse Kaffee und er war wieder eingenickt?

„Wir sind da?“, fragte er schläfrig zurück und spürte eine Gänsehaut an seinen Armen, als die kalte Morgenluft in das Innere des SUV eindrang.

Die Sonne war erst vor wenigen Stunden aufgegangen und leckte den Tau vom Gras. Sanfte Nebelschwaden bildeten sich über Jacks Fischteich und stiegen langsam nach oben.

„Wir sind schon seit einer halben Stunde da, aber ich wollte dich schlafen lassen, du hast es nötig.“, erklärte Jack und nahm sich seine Jacke. Er hatte sie auf Daniel ausgebreitet, um ihn während der Fahrt warm zu halten.

„Danke.“, murmelte dieser und schnallte sich ab. Die kühle Morgenluft tat Wunder und binnen weniger Minuten war er wieder hellwach. Vergessen waren seine Albträume der letzten Nacht, nun war er einfach nur dankbar dafür, mit Jack hier sein zu können.

+++

Daniel saß allein auf der Veranda und starrte gedankenverloren auf den Fischteich.

Nach der langen Fahrt gönnte Jack sich nun seinen wohlverdienten Schlaf und er hatte sich vorgenommen, die Notizen in seinem Journal zu vervollständigen.

Er wollte die letzte Mission noch einmal Revue passieren lassen und die wichtigsten Entdeckungen vermerken.

Tausend Fragen schwirrten durch seinen Kopf.

Wie funktionierte der Kristallschädel genau? Inwiefern nahmen die Riesengiganten Einfluss auf die Menschen? Warum gehörten sie nicht zu den fünf großen Rassen?

Warum hatten sie noch nie zuvor von ihnen gehört? Wussten die Tok`Ra von ihrer Existenz?

Wohin sonst führte der Kristallschädel? Wie sollte er jetzt an Nicks alte Aufzeichnungen kommen?

Er vermerkte seine Gedanken in dem Journal und schloss es zunächst wieder.

Im Moment war er einfach zu durcheinander, um seine Theorien fachlich richtig gebündelt niederzulegenschreiben. Gerade dieses Thema machte ihm schwer zu schaffen, denn wie sollte er den Kristallschädel und seine Wirkungsweise eingehend behandeln, ohne über Nick Ballard und seine Forschungsergebnisse zu stolpern?

Verdammt!

Warum war alles so schief gelaufen?

Warum hatte Nick ihn nie für die Person akzeptiert, die er war? Egal was Daniel je tat, es war nie gut genug, nie brillant genug, um aus dem Schatten seiner Eltern herauszutreten.

Wenn es nach seinem Großvater ging, säße er jetzt in Chicago und würde stinkend langweilige Vorlesungen über die Bedeutung der Entdeckung einzelner Tonscherben am Nil halten. Er würde wie seine Kollegen den Tag damit zubringen, an Artikeln zu arbeiten, die entweder die Amerikanische Archäologische Fakultät in den Himmel empor hoben, oder aber den Massentourismus an den Pyramiden in Gizeh kritisieren.

Nick hatte seine Theorien nie akzeptieren können.

Er hatte ihm so ziemlich alle degradierenden Schimpfwörter an den Kopf geworfen, die in seinem Wortschatz vorkamen. Daniel sei ein Narr, seinen Ruf als Sohn von Melburn und Claire Jackson dermaßen aufs Spiel zu setzen. Was er sich überhaupt mit seinen wilden Behauptungen einbilde? Immerhin hatte er kaum einen fundierten Beweis und kein halbwegs rational denkender Wissenschaftler würde ihm glauben.

Nicks Worte waren verletzend gewesen und es gab keine Entschuldigung dafür. Bis heute konnte Daniel es ihm nicht verzeihen, dass er ihn damals in Belize zurückgewiesen hatte.

Wie konnte sich jemals eine vernünftige Großvater- Enkel- Beziehung zwischen ihnen entwickeln, wenn Nick ihn ständig abwies? Es sei denn...es war nie Nicks Wille, so etwas aufzubauen...

Es war eine Schande, denn von dem Tag an, an dem er allein in dem Camp stand, war jeglicher Stolz auf das, was sein Großvater geleistet hatte in Verachtung umgeschlagen.

Daniel entschloss, dass er nie so werden wollte und konzentrierte sich weiterhin auf sein Studium, war mehrfach Jahrgangsbester und erhielt Stipendien. Er lernte, lernte, lernte und lernte, nur um immer der beste zu sein, um irgendwann seinen Großvater an Popularität zu übertrumpfen.

Doch bald schon sah Daniel ein, dass das nicht der Hauptgrund für seine Berufung war. Seine Eltern hatten alles getan, um ihren Sprössling ein gesegnetes Leben zu schenken. Während andere Kinder gerade anfingen, das ABC zu lernen, las er fließend Texte in seiner Muttersprache, half seinem Vater beim Archivieren von Artefakten, besaß gute Grundlagen für das Erlernen duzender Sprachen und wurde mit jedem Monat der verging zu einem Allrounder heran gezogen.

Daniel sollte sich nie mit Problemen herumärgern müssen, die vor vielen Jahren für seine Eltern noch ein Thema waren.

Sein Vater hatte damals ständig im Nachtdienst gearbeitet, um sich seine Studium leisten zu können, seine Mutter musste sich ein zehn Quadratmeter Zimmer mit einer Kommilitonin für sieben Jahre teilen und all das dafür, dass sie nach wenigen Jahre Berufsleben und einem halbwegs geregelten Einkommen in dem verdammten New Yorker Museum sterben mussten.

Daniel kämpfte gegen die aufkommenden Emotionen an, doch die Welle war zu stark und riss ihn mit sich. Tränen stiegen in seinen Augen auf und er ließ ihnen freien Lauf. Wer sollte ihn hier schon sehen? Jack schlief und sonst war niemand in der Nähe.

Auf eine seltsame Weise fühlten sich die Tränen gut an. Sie gaben seiner Seele etwas Frieden nach all dem Tumult der letzten Tage. Es verschaffte ihm Erleichterung und der Druck, dem er seit Nicks Auftauchen ausgesetzt war, ebbte langsam ab.

Daniel weinte, bis die Kopfschmerzen ihn mit unbarmherziger Intensität wieder heimsuchten und stand dann auf, um sich eine halbe Vicodin Tablette zu gönnen.

Ausgelaugt lief er durch die gemütlich eingerichtete Stube, vorbei an der langen Couch und zu der offenen Küchenzeile hin, wo er seinen Rucksack deponiert hatte.

Zuvor war er zu müde gewesen, um seine Sachen auszupacken und jetzt wollte er Jacks Schlaf nicht stören, denn das Gästeschlafzimmer lag genau neben seinem.

Wie in Trance nahm er sich die halbe Tablette und schluckte sie mit einem Glas Wasser herunter. Er wollte nichts zu dem Schmerzmittel essen, seiner Meinung nach wirkte es dann schneller und besser.

Linderung war genau das, was er jetzt brauchte.

Mit zusammengekniffenen Augen lehnte er sich an den Küchentresen und vermied es, nach draußen zu sehen, denn die Helligkeit, die ihn anfänglich nicht gestört hatte, wirkte jetzt wie ein Hammer, der seinen Kopf spalten wollte.

Er rieb sich mit dem Arm über die Augen, wischte auch die letzten Spuren seiner Tränen weg und seufzte dann.

„Immer noch Kopfschmerzen?“, kam die Frage aus einer anderen Ecke der Hütte und ließ Daniel aufschrecken.

Er zuckte zusammen und drehte sich dann nach der Quelle um.

„Jack?! Ich dachte, du wolltest schlafen.“

Sein Freund hatte es sich auf einem Sessel neben dem Kamin gemütlich gemacht und beobachtete ihn von dort aus. Wie blind konnte Daniel sein, dass er ihn nicht bemerkt hatte?

Verlegen wischte er sich noch einmal über die Augen, wollte sicher gehen, dass nichts mehr auf seinen Gefühlsausbruch hindeutete. Aber wofür eigentlich?

Jack war nicht eben erst hierher gekommen, er saß wahrscheinlich schon eine ganze Weile in dem Sessel und beobachtete ihn, wollte ihm genug Distanz geben, um mit dem Schmerz klar zu kommen.

Betreten über die unangenehme Situation schenke Daniel sich ein weiteres Glas Wasser ein, nur um seinem Freund nicht in die Augen blicken zu müssen.

„Zu viele Dinge, die in den letzten Tagen vorgefallen sind.“, erklärte Jack ruhig und nahm einen Schluck Orangensaft aus seinem Glas.

Daniel spürte den stillen Vorwurf in seiner Stimme, die Angst, ihn um ein weiteres Mal verloren zu haben. Er verstand ihn nur zu gut, wusste selbst, wie sich dieses Gefühl der inneren Leere und Unruhe anfühlte.

Das Vicodin begann langsam zu wirken und breitete sich in seinem System aus. Wie ein dichter Schleier legte es sich um seine Wahrnehmung, vernebelte sein Gefühlszentrum und gab ihm die Ruhe, die er bitter nötig hatte.

Alles wollte er tun, nur nicht mehr über die Vergangenheit nachdenken.

„Fraiser hat gesagt, du sollst dich melden, wenn die Schmerzen nicht bis heute Abend etwas abklingen.“, bemerkte Jack dann, als er keine Antwort erhielt.

Daniel zog es vor, nur still zu nicken und genoss die Taubheit, die sich in ihm ausbreitete. So konnte er seinen Kurzurlaub doch noch etwas genießen...

Als er plötzlich eine Hand an seinem Arm spürte, öffnete er die Augen.

Hatte er sie geschlossen? Warum hatte er die Augen geschlossen? Er war doch längst nicht mehr müde!

„Komm schon, setz dich hin bevor du umfällst!“, mahnte Jack und schob in mit sanfter Gewalt in Richtung der Couch. Daniel ließ es über sich ergehen und setzte sich auf den bequemen Viersitzer. Das Material war fein verarbeitet und verbreitete eine erholsame Wärme, sobald man auf ihm saß.

„Zieh deine Schuhe aus und leg dich hin, ich hole eine Decke und Wasser.“

Jacks Stimme war voller Sorge, doch Daniel nahm sich vor, ihm bei nächster Gelegenheit davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. Er war nur etwas...schlapp.

Und schwindelig. Und auch ein bisschen unwohl.

Ein paar Stunden Schlaf und er würde wieder ganz der Alte sein.

Mühsam beugte er sich nach unten, musste aber gleichzeitig schlucken, um sich nicht auf dem Teppich erbrechen zu müssen. Bittere Gallenflüssigkeit war nach oben geschossen und wartete nur auf den richtigen Augenblick, um nach draußen zu kommen.

Also schön, starke Schmerzmittel ohne Nahrung zu sich zu nehmen, war nicht eine seiner brillantesten Ideen gewesen...

Er schaffte es mühsam, gegen den Brechreiz anzukämpfen, schluckte immer wieder, atmete tief durch und machte nur langsame Bewegungen.

Warum fühlte er sich plötzlich so schlecht? Warum drehte sich alles? Wieso zitterten seine Hände?

Endlich streifte er seinen linken Schuh ab, als Jack sich neben ihm kniete.

„Um Herrgott’s Willen Daniel, wirst du dich wohl hinlegen! Lass mich das lieber machen.“

Er richtete sich langsam wieder auf, ständig darauf bedacht, seinen Magen nicht weiter zu reizen.

Jack zog ihm den anderen Schuh aus und half ihm, sich vorsichtig hinzulegen. Er bettete mehrere Kissen unter seinen Kopf und deckte ihn mit einer dicken Veloursdecke zu.

Daniel mochte es generell nicht, dermaßen umsorgt zu werden, doch die Schmerztablette entfaltete ungeahnte Nebenwirkungen und sein Magen fühlte sich an, als hätte er fünf Achterbahntouren hinter sich.

Mit dem Übelkeitsgefühl kam auch Schüttelfrost auf und ein dünner Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. Daniel spürte, wie seine Arme und Beine klamm wurden und die Kleidung bald an seiner Haut klebte.

Aber das war ihm im Moment egal.

Solange er sich noch so elendig fühlte, wollte er einfach nur daliegen und nichts tun.

„Ich werde Fraiser anrufen.“, verkündete Jack besorgt und lief zu dem schnurlosen Telefon, das auf dem Küchentisch lag.

Daniel schloss die Augen und versuchte, seinen Geist abzulenken.

Er träumte sich auf eine einsame Insel, wo er gemütlich am Strand lag, hin und wieder eine Kokosnuss suchte, um ihre leckere Milch mit einem Strohhalm zu trinken und einfach nur das Leben zu genießen.

All die Probleme waren verschwunden, seine Vergangenheit war ausgelöscht, es zählte nur noch das hier und jetzt.

Er machte einen kleinen Spaziergang am Strand, zählte die Wellen, als sie über seine nackten Füße hinwegglitten und sie angenehm abkühlten. Das Meer glitzerte verführerisch und zog ihn in seinen Bann.

„...sagt, dass du für die nächsten Stunden erst mal liegen bleiben sollst.“, erklärte Jack und riss ihn aus den Gedanken.

Mühsam öffnete er die Augen und konzentrierte sich wieder ganz darauf, dem Übelkeitsgefühl nicht nachzugeben.

„Sie meint, dass du einer höheren Strahlung als wir ausgesetzt warst und daher die Nachwirkungen stärker sind. Und nur fürs Protokoll, Vicodin kannst du die nächsten Tage vergessen. Ab jetzt gibt’s nur noch Tee und Tylenol, Anordnung vom Doc.“

Daniel versuchte Jacks Worten zu folgen, doch er driftete wieder seine imaginäre Welt zurück. Wenigstens war dort alles in Ordnung...

+++

Jack seufzte, als er den Waschlappen ein weiteres Mal unter das kalte Wasser hielt, auswrang und ihn auf Daniels Stirn legte.

Seit einer halben Stunde schon hielt sich das hohe Fieber, doch Fraiser hatte ihm versichert, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis es wieder durch Schüttelfrost ersetzt wurde

Das war ja ein schöner Urlaubsauftakt!

Er hatte Daniels Schmerztabletten vorsichtshalber in seinem Küchenkabinett versteckt, nur um sicher zu gehen, dass sein Freund nicht noch einmal etwas dummes tun konnte. Fraiser meinte, dass Morphine in seinem derzeitigen Zustand alles nur noch schlimmer machen würden.

Es war einfach das beste, die Nachwirkungen auf natürliche Weise ausklingen zu lassen, statt sie mit Medikamenten zu bekämpfen.

Das bedeutete für Daniel nun viel Ruhe, eine warme Decke und einen guten Freund, der sich um ihn sorgte.

Jack legte ihm eine Hand auf die Wange und fühlte sich bestätigt, als sie nicht länger heiß, sondern kühl war.

Mit dem kalten Lappen wischte er ihm den Schweiß vom Gesicht und beobachtete ihn für eine Weile.

Daniel war komplett weggetreten, er hatte seine Arme schützend um seinen Oberkörper geschlungen und atmete ruhig und gleichmäßig.

Jack entschloss, sich eine Pause zu gönnen und schaltete den Fernseher an. Stehend suchte er nach einem interessanten Kanal und drehte die Lautstärke herunter. Er wollte Daniel jetzt bloß nicht wecken.

Als er ein Hockeyspiel fand, legte er die Fernbedienung auf den Tisch, zerrte den Sessel neben die Couch und setzte sich erschöpft hin. So konnte er sich entspannen und gleichzeitig hin und wieder nach Daniel sehen.

+++

Daniel erwachte, als die Kuckucksuhr zwölf schlug.

Das hohe, wiederkehrende Geschrei des Holzvogels nahm seinem Geist die nötige Ruhe und holte ihn zurück in die Realität.

Zumindest ging es ihm bedeutend besser.

Als er die Augen öffnete, war das Übelkeitsgefühl fast komplett verschwunden. Seine Arme und Beine fühlten sich steif an und die Nebenwirkungen der Schmerztablette hatten ihn ausgelaugt- aber es ging ihm besser. Sogar die Kopfschmerzen waren auf ein erträgliches Maß gesunken.

„Tut mir Leid, das ist ein Erbstück von Grandma O’Neill.“, erklärte Jack und blickte ihn an.

Daniel fragte sich, ob der Sessel vorher auch schon dort gestanden hatte, er kam ihm nun so deplaziert vor.

„Hm?“

Sein Hals war trocken und sobald er wieder komplett bei Sinnen war, wollte Daniel unbedingt etwas trinken. Das Fieber hatte ihm viel Flüssigkeit entzogen und er war nun sehr durstig.

„Nicht weiter wichtig. Wie geht’s dir? Ist es besser?“

Jack schaltete den Fernseher aus, um sich wieder seinem Freund zuzuwenden.

„Glaub schon...“, antwortete er und kuschelte sich tiefer in die Decke. Die Luft von draußen kühlte ihn in den durchgeschwitzten Klamotten ab und er sah ein, dass der Gang in die Dusche früher oder später nötig sein würde- wahrscheinlich früher.

„Carter hat auch schon angerufen, sie lässt dir ausrichten, dass du auf dich Acht geben sollst und vor allem auf mich hören sollst.“

„Hat sie nicht.“, entgegnete Daniel und genoss die abklingenden Kopfschmerzen. Er konnte fast schon wieder klar denken.

„Naja, sie hat es vielleicht nicht ganz so ausgedrückt, aber sie hat es so gemeint...Kannst du dich hinsetzen?“

Jack hatte ihm ein Glas Wasser hingestellt, daneben stand ein kleiner Teller mit Crackern. Diesmal würde er sich einhundertprozentig an Fraisers Vorschriften halten.

„Keine Ahnung...“

Daniel schob die Decke beiseite und setzte sich langsam auf. Sofort spürte er seinen gereizten Magen, aber das Übelkeitsgefühl war minimal, verglichen mit dem vor einigen Stunden.

Erschöpft fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht und seufzte.

So einen Urlaubsanfang hatte er sich nicht unbedingt gewünscht.

„Wenn du irgendetwas brauchst, lass es mich wissen.“, bat Jack und erhob sich von dem Sessel. Mit eiligem Schritt lief er in die Küche, um sich ein Thunfischsandwich aus dem Kühlschrank zu holen.

Seit Daniel fast zusammengebrochen war, war ihm der Appetit vergangen. Doch nun sah er bedeutend besser aus und auch Jack bekam die Lust am Essen zurück.

„Kaffee.“

O`Neill zog eine Grimasse und stellte demonstrativ eine Packung Kamillentee auf den Küchentresen.

„Wasser oder Tee.“

Er hielt sich kurz, damit Daniel gar nicht erst auf die Idee kam, mit ihm zu diskutieren. Wenn es um Gesundheitsfragen ging, kannte Jack kein pardon.

Auch der Archäologe hatte das schnell begriffen und schloss resigniert die Augen.

„Tee.“

Jack grinste in sich hinein, als er den Wasserkocher anstellte. Eine solche Debatte zu gewinnen war eine Meisterleistung, denn für gewöhnlich fand Daniel sehr schnell haufenweise Gründe, warum er dies oder jenes unbedingt brauchte. Ganze Bände konnte er mit solchen Weisheiten füllen bis er schließlich das bekam, was er wollte.

Wahrscheinlich war er einfach noch zu müde, um wegen einer Tasse Kaffee eine Diskussion anzufangen.

„Warum nennst du deinen Großvater eigentlich Nick?“, fragte er anschließend und bereitete den Tee vor.

Im Augenwinkel beobachtete er, wie Daniel unruhig mit der Fernbedienung spielte, obwohl der Fernseher überhaupt nicht angeschaltet war. Stoisch blickte er zu Boden und legte sich die richtigen Worte zurecht.

„Lange Geschichte.“, erwiderte er dann, doch Jack ließ sich nicht mehr abwimmeln. Er hatte Lunte gerochen und wollte das Thema endlich klären.

„Wir haben Zeit.“

Hastig schnappte er sich den heißen Tee für Daniel, leerte zwei Zuckerbeutel in der Tasse und nahm wieder neben ihm Platz. Die ruhige Atmosphäre in der kleinen Hütte und das Gefühl der Privatsphäre war unvergleichlich.

Der Archäologe wusste, dass es jetzt keinen Ausweg mehr gab. Aber dennoch fühlte er sich nicht ertappt.

Er teilte ein Stück seiner Vergangenheit mit Jack. Das war nicht irgendein Fremder- oder viel schlimmer- ein Psychiater. Nein, es war sein bester Freund. Und sein Geheimnis war bei ihm sicher aufgehoben, das war ohnehin klar.

Also begann er ihm vom Tod seiner Eltern zu erzählen, seiner Enttäuschung, als Nick die Adoptionspapiere abwies.

Die spätere Reise nach Belize. Die jahrlange Funkstille zwischen ihnen nach dem Vorfall.

Daniel gab ihm einen Eindruck, wie Nick reagierte, als er damals erfuhr, dass Daniel mehrere Artikel über seine Theorie, die ägyptischen Pyramiden seien Landeplätze für ausserirdische Raumschiffe, publiziert hatte.

„Normalerweise war ich es, der ihn hin und wieder mal anrief, aber an dem Abend hat er mich aus der Psychiatrie angerufen. Eine ganze Stunde brachte er damit zu, mir klarzumachen, dass mein gesamtes bisheriges Leben ein einziger Fehlschlag war und welch eine Schande ich über den guten Ruf unserer Familie bringe.“

„Ziemlich engstirnig, der gute Nick.“, fügte Jack hinzu, „Vor allem wenn man bedenkt, dass er Bücher über seine Treffen mit Riesengiganten in Belize geschrieben hat.“

„Nick hat schon immer hohe Ansprüche an sich selbst und alle anderen gestellt.“, wechselte Daniel das Thema, „Die Forschung ging vor und so lange nicht alle notwendigen Fakten zu einem Thema, das ihn beschäftigte gesammelt waren, gönnte er sich keine Pause. Nick konnte ganze Nächte durcharbeiten.“, er nahm einen Schluck Tee und rollte dann mit den Augen, „Ziemlich ironisch, oder?“

Jack wusste, worauf er hinaus wollte und nickte leicht mit dem Kopf.

„Die Ähnlichkeiten in eurer Arbeitsweise sind verblüffend.“, entgegnete er gespielt überrascht und lehnte sich in dem Sessel zurück. Es war gut, Daniel über seine Vergangenheit sprechen zu hören. Es gab ihm das Gefühl der Verbundenheit, das Wissen, das sie ihren Schmerz und ihre Enttäuschung teilten und somit den alten Wunden die Möglichkeit gaben, zu heilen.

„Aber Nick war kein Familienmensch.“, fuhr er dann fort, „Er konnte von einen auf den anderen Tag verschwinden und tauchte erst Monate später wieder auf...niemand aus seinem Umfeld hat das lange mitgemacht. Und so ist er zum Einzelgänger geworden.“

Daniel erzählte, wie er hin und wieder eine Geburtstagskarte seines Großvaters erhielt. Meist waren es die, in denen der Text schon vorgegeben war und darunter schrieb er einfach seinen Namen. Nicht mal zum Geburtstag war er ihm ein paar Zeilen Text wert, obwohl Nick doch ganze Bücher über seine Arbeit schreiben konnte.

„Ich nannte ihn Nick, weil er für mich nie ein Großvater war. “, fasste Daniel es bitter zusammen.

Er hielt inne, als die Wut über all die Enttäuschungen wieder hoch kam. Wie oft hatte er auf Post von ihm gehofft? Wie oft hatte Nick ihn am Telefon zurückgewiesen, weil er glaubte, seine Probleme seien schwerwiegender als die seines Enkels?

„Du solltest etwas essen.“, unterbrach Jack ihn und deutete auf die Cracker, „Anordnung von ganz oben.“

Daniel lächelte und nahm einen vom Teller. Sein Magen war noch immer gereizt, doch er hatte seit letzter Nacht kaum etwas gegessen. Ein bisschen Nahrung würde nicht schaden.

„Ich hatte den Eindruck, dass Nick die Fehler der Vergangenheit bereut.“

Jacks Einwurf zeigte Wirkung und während Daniel einen Cracker mit etwas Tee herunterschluckte, sah er ihn durchbohrend an.

„Meintest du damit den Teil seiner Aussage, dass er nach 29 Jahren die Chance ergreifen muss, um wieder aus meinem Leben zu verschwinden, so wie jedes Mal?...Oder sein Versprechen, dass wir uns wiedersehen? Wenn ich einen Dollar dafür bekäme, wie oft er seine Versprechen gebrochen schon hat...“

„Das ist einfach sein Charakter, Daniel. Und du kannst ihn nicht ändern.“, Jack versuchte einfühlend zu klingen, doch es gelang ihm nicht besonders gut, „Dreißig Jahre lang hat er auf eine Chance gehofft, sein Erlebnis mit den Riesengiganten zu wiederholen und nun bot sie sich an- hättest du dich anders entschieden

+++

Sie verbrachten den Nachmittag zusammen im Wohnzimmer.

Nachdem Daniel ausgiebig geduscht hatte und die Couch wieder neu hergerichtet war, schauten sie sich zusammen ein paar Sportsendungen an und genossen die Ruhe und Abgeschiedenheit von Jacks Hütte.

Sie hatten noch zwei freie Tage und konnten tun und lassen, was sie wollten.

Es gab keinen Plan, der Terminkalender war weit weg und die nächste Bibliothek ebenfalls.

Während Daniel sich duschte hatte Janet noch einmal angerufen und wollte wissen, wie es ihrem Lieblingspatienten ging. Jack gab ihr die Werte der Fiebermessungen durch und informierte sie stolz, dass Daniel all seine Vorschriften ohne Debatten befolgte.

Die Ärztin zeigte sich überrascht und zufrieden. Sofern sich sein Zustand nicht drastisch änderte, durfte er weiterhin in Minnesota bleiben.

Mittlerweile saßen sie zusammen am Tisch und spielten eine Partie Schach.

Daniels Geist war noch nicht wieder voll da, denn das Vicodin brauchte vierundzwanzig Stunden, um seinen Körper endgültig zu verlassen und so nutzte Jack die Schwäche seines Gegenübers aus und gewann ein Spiel nach dem anderen.

Immerhin hatte Daniel ihn in den letzten Monaten um einige Scheine gebracht, denn er überredete ihn doch immer wieder zu einer Schachwette, die Jack dann natürlich verlor.

Aber andererseits war das auch einer der Gründe, warum er Daniel so mochte.

Der Archäologe überraschte ihn immer wieder von neuem und anders herum war es ähnlich.

Zwar führte das manchmal zu Meinungsverschiedenheiten, aber auch wenn ihr Umgangston hin und wieder eine ungewohnte Lautstärke annahmen, verband sie ein tiefer Respekt und bedingungslose Loyalität.

„Schach Matt.“, verkündete Daniel plötzlich und grinste überlegen.

Nein, das durfte nicht wahr sein!

Sollte seine Glückssträhne etwa schon wieder vorbei sein?

Jack starrte erschüttert auf das Brett und musste sich schon bald die Niederlage eingestehen. Ganz unbemerkt hatte Daniel seine Spielfiguren in Position gebracht, um seinen König hoffnungslos zu umzingelt und so zu gewinnen.

Wie schaffte Daniel das nur immer?

„Du verdammter...“, Jack verzog beleidigt das Gesicht, “Na schön, du hattest Glück. Jetzt steht es eins zu drei.“

„Wusstest du, dass General Hammond zwei Enkeltöchter hat?“, wechselte der Archäologe unerwartet das Thema und stellte die Figuren für ein weiteres Spiel auf.

„Ja, natürlich...du etwa nicht?“

Jacks Blick blieb auf sein Gegenüber fixiert.

„Nein.“

Daniel ließ sich nichts anmerken, sondern stellte jede Spielfigur wieder liebevoll an ihrem angestammten Platz.

„Sollte ich fragen, wie du das herausgefunden hast?“, fuhr Jack die Unterhaltung fort und plötzlich hielt Daniel inne. Er nahm den Bauer, den er gerade platzieren wollte in die Hand und spielte damit herum, während er langsam aufblickte.

„Ich war in General Hammonds Büro, als seine Enkeltochter Kayla anrief...“, entgegnete er melancholisch.

Jack traf seinen Blick.

Er wusste von Hammond, dass es in dem Telefonat darum ging, dass er nicht zu ihrer Schulaufführung gehen konnte, weil Daniel vermisst wurde. Aber ganz offensichtlich hatte der General auch Dinge gesagt, die seinem Freund nahe gegangen waren, sonst würde Daniel es jetzt nicht erwähnen.

„Ja...so kennt man den alten George gar nicht, wenn er die Großvaterrolle übernimmt.“

Jack behielt ihn im Auge, schob aber gleichzeitig die Cracker näher an ihn heran. Fraiser hatte klar gesagt, dass Daniel soviel Wasser und Nahrung zu sich nehmen sollte, wie nur irgend möglich. Bisher sah seine Bilanz mit einem Cracker allerdings mager aus.

Daniel starrte wieder auf den kleinen Bauer in seinen Händen. Vorsichtig rollte er ihn von einer Hand in die andere und versank in einen nachdenklichen Ruhezustand. Jack ließ ihn gewähren, denn nur so konnte er tief in sich gehen und über das sprechen, was ihn bedrückte.

„Er hat mich als einen sehr engen Freund bezeichnet.“, sprach er dann bedrückt und setzte den Bauer zurück auf das Schachbrett.

Jack nahm einen Schluck Orangensaft. Erst musste er seine Gedanken ordnen, bevor er irgendetwas sagte. Ihr Gesprächsthema war sehr sensibel und er wollte bei Gott keinen Fehler machen.

„Das bist du für uns alle.“, entgegnete er dann und Daniel nickte einsichtig.

„Das weiß ich...es ist nur so, ich...“, er brach ab und suchte nach Worten, doch nichts schien ihm einzufallen.

„Du wünschst dir, dein Großvater wäre so wie Hammond.“, warf Jack ein. Vielleicht nahm das Daniel die Scheu, über seine Gefühle zu reden.

Der Archäologe schien überrascht und zuckte dann mit den Schultern.

„Ich...vielleicht wünsche ich mir einfach nur, dass mein Großvater mich als den Menschen akzeptiert hätte, der ich war-und bin.“

Diese Erkenntnis war bitter und Daniel nahm einen langen Atemzug, bevor er wieder aufsah.

Jack wusste, es war unnütz, ihm zu erzählen, dass seine Freunde aus dem SGC ihn akzeptierten und achteten, denn das entkräftete nicht den Vorwurf. Stattdessen schlug er einen anderen Weg ein.

„Hast du mal daran gedacht, dass ihm der Tod deiner Eltern genauso wehgetan hat wie dir?“, diese Strategie beruhte auf hauchdünnem Eis, doch er riskierte es trotzdem. Jack kannte nur einen Bruchteil der Dinge, die vorgefallen waren. Vielleicht trug Daniel noch viel schlimmere Erinnerungen mit sich herum, die er noch nicht zu teilen bereit war.

In diesem Fall würden seine Worte wie der blanke Hohn klingen.

Daniel hielt den Blickkontakt, auch als er einen Schluck Tee trank.

Er wusste, Jack sprach aus Erfahrung.

Es kam äußerst selten vor, dass der Colonel mal über Themen wie Tod oder Familie sprach, und wenn es es tat, dann nur in speziellen Fällen.

Daniel war klar, dass die Albträume um Charlies Tod Jack niemals verlassen würden. Das war ganz einfach eine Tatsache, mit der er leben musste. Oft schon hatte er versucht, ihm Trost zu spenden, doch Jack ging nicht darauf ein. Wie konnte man jemanden trösten, der sein eigenes Kind verloren hatte?

„Wir haben nie darüber gesprochen.“, gab er dann offen zu.

Daniel biss sich auf die Unterlippe. Die Möglichkeit, dass Nick der Tod seiner Eltern näher gegangen war, als er es ihn wissen ließ, fühlte sich wie ein tonnenschwerer Stein auf seiner Brust an.

Jack bemerkte seine Nachdenklichkeit und legte ihm einen aufmunternden Arm auf die Schulter.

„Er hat in dir seinen Sohn gesehen und konnte es nicht akzeptieren, dass du dich nicht so entwickelt hast, wie dein Vater. Deshalb hat er nach einen anderen Weg gesucht, um damit klarzukommen.“

„Indem er mich ignoriert hat.“, fuhr Daniel fort. Diese Erkenntnis tat immer wieder von neuem weh. Kein Kind sollte je das Gefühl haben müssen, nicht erwünscht zu sein. Vor allem nicht kurz nachdem seine Eltern gestorben sind...

Daniel konnte seinem Blick nicht mehr standhalten und wandte sich ab. Jack tat so, als hätte er seine aufkommenden Tränen nicht gesehen.

„Dann soll ich deiner Meinung nach so tun, als wäre nie etwas gewesen? Von vorne anfangen und all seine Beleidigungen vergessen, all die gebrochenen Versprechen?“

Seine Stimme war voller Schmerz und Jack wollte ihm den Ballast irgendwie abnehmen, aber er war sich nicht sicher wie. Die Narben der Vergangenheit würden immer da sein, egal ob Nick zurückkehrte und endlich die Verantwortung seiner Großvaterrolle übernahm oder nicht. Doch er wollte Daniel die Kraft geben, von den Erinnerungen an die schlechten Zeiten loszukommen, sie tief in sich zu vergraben, um sie unter Kontrolle hervorzuholen, statt sich von ihnen kontrollieren zu lassen.

„Nein...du sollst nur damit aufhören, dir dafür die Schuld zu geben.“

Daniels Wangenmuskulatur spannte sich an und er schloss kurzzeitig die Augen.

// Es tut mir leid.//

//Was denn?//

//Das ich dich nicht adoptiert habe, als deine Eltern starben.//

//Du warst doch immer nur unterwegs.//

//Es war nicht deine Schuld.//

//Ich war acht Jahre alt, wie hätte es meine Schuld sein können?//

//Es tut mir einfach wahnsinnig leid, dass mich meine Besessenheit in den Wahnsinn trieb...Kannst du mir verzeihen? //


Nick hatte gewusst, wie er sich fühlte, deshalb die Bitte, dass er sich nicht selbst die Schuld dafür geben sollte. Die ganze Zeit über hielt er ihn für einen starrköpfigen, eigensinnigen, egozentrischen alten Mann, doch Nick schien eingesehen zu haben, wie sehr seine Taten Daniel beeinflusst hatten.

Er hatte erkannt, welch schwerwiegenden Fehler er damals in Belize begangen hatte, als er ihn wegschickte.

All die jahrzehntelangen Forschungsarbeiten, der Drang, immer mehr zu finden. Und was blieb ihm am Ende?

Sein Sohn und seine Schwiegertochter waren tot und er hatte nur einen Enkelsohn, für dessen Fürsorge er sich nicht zuständig fühlte.

Als Daniel ihn am meisten gebraucht hatte, ließ Nick ihn im Stich...

Erst nach vielen Jahren hatten sie sich nach seiner Einweisung in die psychiatrische Klinik wiedergetroffen und versucht, die verlorene Zeit aufzuholen. Zumindest ging dieser Gedanke von Daniel aus.

Nick hingegen nutzte die Zeit, um ihm von seinen Forschungserfolgen zu berichten und Daniels Theorien zu degradieren.

Vielleicht hatte er tief in seinem Inneren genauso wegen ihren Streitereien gelitten, weil er wusste, dass Daniel im Grunde genommen dasselbe tat wie er. Doch sein Stolz war zu stark, um seinem Enkelsohn die Kraft zu geben, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen.

Ein gebrochener Mann, der einsah, dass er aufgrund seiner Besessenheit alles verloren hatte, was ihm jemals etwas bedeutete.

“Wie kannst du all das wissen?”

Jack atmete tief durch und blickte dann an die Wand über seinem Kamin. Dort hing ein Bild von Charly zusammen mit ihm beim Baseballtraining.

„Weil ich es selbst durchgemacht habe. Ich weiß, wie es ist...“

Daniel folgte seinem Blick und nickte dann verstehend.

Einmal mehr teilten sie ein gemeinsames Schicksal. So unterschiedlich ihre Vergangenheit auch sein mochte, sie hatten beide genauso unter den Ereignissen gelitten und taten es bis heute.

Ein ewiger Teufelskreis, den sie ohne ihre tiefe Freundschaft nie hätten überwinden können.

Daniel wollte noch etwas sagen, doch bevor die Unterhaltung tiefer gehen konnte, reichte Jack ihm eine Hand.

„Komm schon, setzen wir uns an den Fischteich. Ich bin nicht hierher gekommen, um den ganzen Tag lang Schach zu spielen. Du sollst doch endlich lernen, wie man richtig angelt!“

Damit half er ihm auf und lief anschließend in die kleine Abstellkammer, um seine Ausrüstung zusammen zu suchen.

Daniel folgte ihm für ein paar Schritte, blieb dann aber vor dem Bild über dem Kamin stehen und dachte über das Gesagte nach.

Jack hatte recht mit seiner Andeutung, warum Nick ihm gegenüber immer so distanziert war. Sein ganzes Leben lang hatte Daniel versucht, für ihn ein guter Enkelsohn zu sein, nur um am Ende festzustellen, dass er das, was Nick in ihm suchte niemals erreichen konnte.

Egal was er tat, er hätte seinen Vater nicht ersetzen können.

Rechtfertigte das Nicks Handeln?

Sicherlich nicht.

Aber zumindest schwächte es den Zorn ab, den er noch immer mit sich herum trug.

Die Beziehung zwischen ihm und Nick war schon vor Jahrzehnten zerbrochen und egal wie sehr man sie kitten wollte, die Scherben hinterließen weiterhin tiefe Spuren und es brauchte nicht viel, um dieses fragile Gefüge wieder zu zerstören.

Vielleicht würde Nick irgendwann zur Erde zurückkehren, Daniel wusste es nicht. Er verließ sich auch nicht darauf, denn dann konnte er nur enttäuscht werden.

Aber wenn er es tat, war nun der Weg für ein offenes Wort geebnet. Er würde zumindest versuchen, über die Fehler der Vergangenheit zu sprechen und vielleicht, so hoffte er, würden sie beide endlich damit beginnen, ihren Schmerz gemeinsam zu lindern, statt die Wunden weiter zu vergrößern.

Und was Charly betraf...

Er konnte ihn nicht mehr zurückbringen, konnte Jacks Wunden nicht heilen und so tun, als sei nie etwas geschehen.

Aber er konnte für ihn da sein, wenn er ihn brauchte, würde ganze Berge versetzen, um seinem Freund zu helfen.

Und vielleicht...vielleicht konnte er ihn damit sogar für kurze Zeit vergessen lassen...

Dazu waren Freunde schliesslich da.

+++

Ende

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