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You deserve more than that von moonlight

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„Mensch, ich kann es gar nicht glauben. Zwei Mitglieder von SG-1. Wahnsinn!“ Lieutenant Roberts konnte anscheinend sein Glück nicht in Worte fassen. Sein Gesicht strahlte mit dem von Simmons um die Wette. Gemeinsam mit ihr verließ er als Letzte den Unterrichtsraum. Sam und Jack blieben allein zurück.

„Ist irgendetwas mit Daniel, Sir?“ Jetzt, wo sie allein waren, hatte sie auch aufgehört, ihre Unterlagen zusammenzusuchen.

„Nein“, Jack erhob sich schwerfällig. Sein Knie schmerzte. Sein Blick ruhte auf ihrem zitternden Körper und auf den gestrafften Schultern. „Ich dachte nur, dass es richtig wäre, wenn SG-1 als Team bei Daniel erscheint.“ Hoffnungsvoll schaute er zu ihr hinüber. Sam stand an ihrem Schreibtisch an der Fensterfront und er vor seinem Stuhl auf der anderen Zimmerseite. Mehr Abstand zwischen ihnen gab der Raum wirklich nicht mehr her.

Sam erlaubte sich für eine kleine Ewigkeit, ihn genauer anzuschauen und erwiderte seinen Blick trotzig und heldenhaft. Sie hatte nicht neun Jahre mit ihm zusammengearbeitet und würde jetzt plötzlich die Fähigkeit verlieren, in seinen Augen lesen zu können. Seine Gesichtszüge waren immer noch verhärtet, er hatte zu wenig oder überhaupt nicht geschlafen und wirkte plötzlich hier in dieser steifen Uniform älter, als in seinem grünen Feldanzug mit der Waffe im Anschlag. Sie ahnte, wie schwer es ihm fiel, hier her zu kommen und sie zu bitten, gemeinsam mit ihm nach Daniel zu sehen. Aber er hatte Recht. Ja, nach allem was zwischen ihnen beiden vorgefallen war, gehörten sie noch immer zu einem Team. Und ein Mitglied dieses Teams brauchte sie mehr denn je. Es ging nicht um sie oder ihn, es ging einzig allein um das Team. Und mehr hatten sie nicht. „Wo ist Teal’c“, wollte sie schließlich wissen.

„Er ist bereits bei ihm. Ich hatte nicht vor, hier komplett alles aus der Bahn zu werfen. Wollen wir?“ Er lächelte nicht.

„Ja, Sir.“ Sam klemmte die Tasche unter den Arm und ging durch die Tür, die er ihr aufhielt.

Sie nahm in dieser kleinen Sekunde, als sie an ihm vorbeiging, sein Aftershave, das sich mit seinem eigenen Duft vermischte, wahr. Schweigend gingen sie nebeneinander her, bis sie auf dem Parkplatz ankamen. „Mein Auto steht dort drüben.“ Sie zeugte in die Richtung.

„Wir sehen uns dann am Haupteingang des Krankenhauses. Ich weiß, wo sie Daniel hingebracht haben.“ Er lief zu seinem Wagen.

Sam wollte nicht überrascht sein, doch zu ihrem eigenen Missfallen war sie es. Er tat eigentlich nur das, worum sie ihn gebeten hatte. Sam schluckte gegen die Tränen an und machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen. Er reihte sich bereits in den fahrenden Verkehr ein, als sie den Motor startete.

Die Fahrt dauerte zwanzig Minuten und Sam war für diese Auszeit von ihm dankbar. Er hatte am Eingang auf sie gewartet und verfiel schweigend in ihren Schritt, als sie das Foyer betraten.

„O’Neill, Colonel Carter.“

Beide begannen zu rennen, ohne vorher einander anzusehen. Es war keine Abstimmung notwendig. Teal’cs Stimme hatte einen ungewöhnlichen Klang. Und meistens, wenn sie diesen Klang hatte, waren ihm mindestens zwanzig gegnerische Krieger auf den Fersen.

„Teal’c, was ist?“ Jacks Anspannung war nicht zu überhören.

„Es sieht nicht gut aus.“ Teal’c sah zuerst ihn, dann Sam an.

„Wo“, wollte sie zaghaft wissen, als Jack noch die Information verarbeitete und mit der Wahrheit kämpfte.

Als alle drei auf der Etage ankamen, hörte Sam bereits von weitem ein gleichmäßiges, maschinelles Geräusch. Es war leise und doch kroch es schreiend zu ihren Ohren vor. Und während Jack und Teal’c rennend in einem Zimmer ein paar Meter entfernt verschwanden, blieb Sam im Flur kerzengerade stehen. Ihre Beine versagten ihr den Dienst und sie hörte jetzt nur ihren eigenen, alles übertönenden Herzschlag. Gleichmäßig zu atmen, war ihr nicht mehr möglich. So griff sie Halt suchend mit der flachen Hand an die Wand. Tränen bildeten sich in ihren Augen und die Wirklichkeit verschwamm. Ohne, dass sie es wusste, fühlte sie bereits, dass das Unmögliche gerade eben passiert war. Er hatte sie alle verlassen und hinterließ ein unbeschreibbares Chaos, das zu sortieren unmöglich war. Jetzt hatten sie beide noch nicht einmal mehr das Team. Ihr Magen verkrampfte sich auf ungewöhnliche Weise, als Teal’c aus Daniels Zimmer herauskam und sich suchend nach ihr umsah. Ärzte in perfekt sitzenden, strahlendweißen Kitteln traten hinter Teal’c links und rechts an ihm vorbei. Sie hatten aufgegeben, sie hatten einfach aufgegeben! Sam war es nicht möglich, sich von der Stelle zu bewegen. Teal’c musste es ebenfalls bemerkt haben, denn er kam auf sie zu und führte seinen Arm behutsam um die Taille. Mit einer zitternden Hand griff sie schließlich in seine und stützte sich ab. Ganz langsam näherten sie sich. Sams Herz zersprang, als sie schließlich in das Zimmer sah. Jack setzte sich ungeschickt auf einen Stuhl neben dem Bett und nahm vorsichtig Daniels Hand. Er schloss seine Augen und sprach ganz leise mit ihm. Sam konnte nicht hören, was er sagte, aber Teal’c festigte latent seinen Griff um ihre Hüfte. Würde er sie nicht halten, Sam wäre auf der Stelle auf den Boden gerutscht. Die letzte verbliebene Schwester schaltete den piependen Apparat aus und notierte etwas in einer Akte. Sie ging schweigend hinaus und hielt ihren Kopf gesenkt.

„Colonel Carter“, erkundigte Teal’c sich besorgt, „möchtest du dich vielleicht setzen?“

Jack blickte nicht zu ihr auf. Er schaute stoisch auf Daniel und lächelte verständnisvoll. Seine Hand bettete er ruhig zurück auf die Matratze neben seinem Körper.

Sam hatte Teal’c nicht geantwortet, sondern griff nach vorn zu dem Bettgiebel. Der Jaffa ging mit ihr einen Schritt nach vorn, sodass sie ihn auch erreichen konnte. Noch immer schaute er auf die Frau in seinen Armen zurück.

„General“, wisperte sie. Die Tränen liefen ihr stumm über die Wangen. Sie atmete noch krampfhafter als zuvor. Fragend schaute sie zu ihm hinunter. Erst wenn er es aussprach, war es real. Erst wenn er es bestätigen würde, dass Daniel gestorben war, konnte sie es auch begreifen.

Jack erhob sich gemächlich und blickte starr auf seinen besten Freund zurück, der vor ein paar Minuten seinen letzten Atemzug tat. Sein Gesicht war aschfahl und schmerzhaft verzerrt.

Um sie herum war es mit einmal ganz still und es kostete sie ihre ganze Konzentration, nicht in Ohnmacht zu fallen. Ihre Beine versagten ihr immer noch den Dienst. Sam war nicht in der Lage, um das Bett herum zu gehen.

Jack sagte kein einziges Wort, sondern lief mit schnellen Schritten aus dem Zimmer, ohne auch nur irgendjemanden angesehen zu haben. Er nahm den letzten Anblick von Daniel mit sich.

Sam riss sich los und schaffte es mit übermenschlicher Kraft zurück auf den Flur. „Jack, wo willst du hin“, schrie sie ihm weinend hinterher. Teal’c war wieder schnell an ihrer Seite.

„Beruhige dich, Sam“, flüsterte er in ihr Ohr, nachdem er sie in seine starken Arme schloss. Alle Dämme brachen in dieser einzigen Sekunde gleichzeitig, in der er sie schützend hielt. Sie sank gegen ihn und schrie qualvoll ihre Verzweiflung aus, während Jacks Schritte auf dem gefliesten Boden immer leiser wurden.

Sam saß noch immer an Daniels Bett, als George Hammond eintraf. Das Pflegepersonal hatte bereits die Apparaturen abgebaut und das Licht im Raum gedämmt. Es mussten Stunden vergangen sein, als Teal’c mit Sams Handy in Colorado Springs den notwendigen Anruf getätigt hatte.

„Colonel Carter, wo ist General O’Neill?“ Seine Hand ruhte leicht auf ihrer Schulter. Er wollte sich bemerkbar machen, sie aber auch nicht unbedingt erschrecken.

Sam hatte auf niemanden reagiert, auch nicht auf die Menschen um sie herum, dass routiniert die notwendige Arbeit verrichtete. So hatte sie auch nicht mitbekommen, wie General Hammond mit Teal’c vor ein paar Sekunden das Zimmer betreten hatte. Sie hatte nicht einmal den Kopf gehoben, geschweige denn einen Gedanken an den notwendigen Respekt ihrem Vorgesetzten gegenüber verschwendet. Sam befand sich in ihrer eigenen Welt, abgeschottet von der Außenwelt hielten die Tränen das Tor fest verriegelt. Gemeinsam mit ihrer masochistischen Ader rief sie sich Erinnerungen der letzten gemeinsamen Jahre mit Daniel ins Bewusstsein. Sie war ganz und gar darin versunken.

„Wir wissen es nicht. Er hat das Gebäude vor drei Stunden verlassen.“ Teal’c antwortete an ihrer statt.

General Hammond nickte und sah auf Daniels leblosen Körper hinab. Auch an ihm ging der Tod nicht ohne weiteres vorbei. Sie waren eine Familie gewesen und in kürzester Zeit nacheinander zwei wichtige Menschen seiner Familie zu verlieren, war auch für den alten Mann schwierig, der eigentlich mit soviel Lebenserfahrung aufzuwarten hatte. Es war ungerecht. Ja, das war es. „Vielleicht ist er aufgestiegen?“ Er musste einfach fragen.

„Das glaube ich nicht. Wir waren hier, General Hammond. Ich sah keine Erscheinung.“ Teal’c blickte regungslos.

Jack saß in seinem Auto auf dem Parkplatz und krallte die Finger in das Leder des Lenkrades. Er hatte General Hammond beobachtet, wie er mit großen Schritten in das Gebäude eilte. Ein weiterer Wagen fuhr kurz daraufhin schnell vor und er konnte sehen, wie Colonel Langley fast aus dem Auto fiel. Er parkte mitten auf dem Weg und ließ die Fahrertür offen. Eine Schwester sprach ihn an, doch es kümmerte ihn nicht. Nach ein paar Minuten kam er mit Sam an seiner Seite wieder heraus. Und als sie eigentlich durch die Tür in den Regen treten konnten, stoppte Sam und Langley sah fragend zu ihr hinab. Sie schüttelte den Kopf und rührte sich nicht mehr. Langley machte kurzen Prozess und hob sie in seine Arme hinauf. Sie hielt sich an seinem Hals fest und ihr Kopf rutschte matt auf seine Schulter. Er konnte sehen, wie er leise mit ihr sprach. Sam schloss flatternd die Augen. Behutsam beugte er sich mit ihr in sein Auto und sie rollte sich augenblicklich auf der Rückbank zusammen. Er selbst hatte den Wagen schnell umrundet und startete unverzüglich den Motor. Mit quietschenden Reifen schaffte er sie so schnell wie möglich von hier fort und Jack war ihm dankbar, dass er den Job übernahm.

Er selbst war zu sehr in seiner eigenen Hilflosigkeit gefangen, als dass er sich um sie hätte kümmern können. Er wusste, wie sehr sie ihn bereits dort oben gebraucht hatte. Er konnte sie ja noch nicht einmal ansehen, weil es auch ihm in diesem Moment das Herz zerriss. Sein eigenes Leid war unbeschreiblich und auch noch zu sehen, wie sie schmerzvolle Qualen erlitt, war zu viel für seine blutende Seele. Das Gefühl des Verlustes machte ihn schutzlos und dieser Zustand kam schleichend und würde lange anhalten. Es war schon immer so gewesen, wenn er verlassen wurde. Er nickte in die Dunkelheit. Er war wieder bereit, in den ihm viel zu bekannten, tiefschwarzen Tunnel einzutreten und was von seiner Seele am Ende wieder herauskam, dass wussten nur die Sterne allein.

~~~~~

Fünf Tage später.


‚Das setzt dem ganzen wirklich die Krone auf’, dachte Jack bizarr. Daniel hatte tatsächlich verfügt, dass seiner Beerdigung keinen einzigen militärischen Touch verliehen bekommen sollte. Noch nicht einmal Uniformen waren erwünscht. Und so saß Jack in zivil bekleidet bereits seit Stunden auf dem Friedhof, den Daniel ebenfalls bestimmt hatte. Er beobachtete träge die Vorbereitungen der Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens und stellte schließlich seinen Mantelkragen auf. Die ersten Schneeflocken dieses Jahres in Colorado Springs hatten sich ausgerechnet Daniels Tag ausgesucht. Jack trug eine Sonnenbrille und war sich sicher, dass seine nach außen getragene Stimmung dazu beitrug, nicht angesprochen zu werden. So ging sein Plan wenigstens in dieser Hinsicht auf.

Jack war so sehr in Gedanken versunken, dass er nicht gleich mitbekam, wie Sam eintraf. Sie war ebenfalls viel zu zeitig und allein. Sie nahm ihm gegenüber auf einer anderen Bank Platz, die sich allerdings näher an Daniels Grab befand. Auch sie trug eine Sonnenbrille und beobachtete mit blassem Gesicht, wie die Männer schließlich ihre Arbeit beendeten und sich zurückzogen.

Jack sah auf und bewegte kaum merklich den Kopf. Er sah sie an, aber Sam wich seinem Blick aus. General Hammond gesellte sich zu ihr und als er auf Jack zugehen wollte, hielt sie ihn mit schüttelndem Kopf auf. Er konnte erkennen, wie er widersprach, aber Sam setzte sich durch. General Hammond ließ von seinem Vorhaben ab und begrüßte stattdessen gemeinsam mit Sam die anderen, die nach und nach eintrafen. Cassie war auch gekommen und man konnte deutlich sehen, wie schwer ihr auch dieser Gang fiel. Es war nicht nur für sie zu wenig Zeit vergangen, seit sie Janet zu Grabe tragen mussten.

Als die Zeremonie begann, erhob sich Jack, trat aber nicht näher heran. General Hammond sprach ein paar Worte, doch Jack hörte sie nicht. Dafür hörte er, wie auf P3X-666 der Überfall der Jaffa über sie hereinbrach und er erinnerte sich an Daniels Gesicht, als er getroffen wurde. Nach all den Jahren war diese eine notwendige Zehntelsekunde nicht vorhanden gewesen.


„Ich scheine mich dauernd von dir zu verabschieden.“

„Ja, ist mir auch aufgefallen. Wieso bleibst du nicht einfach ein Weilchen?“

„Das geht nicht.“

„Hast du doch schon getan.“

„War auch ein besonderer Anlass.“

„Weihnachten?“

„Nein.“

„Irgendein Geburtstag?“

„Nein.“

„Ich habe meinen Weg und du deinen?“

„So in etwa, ja.“



Dieses Mal war es endgültig und sie wurden der Chance beraubt, sich zu verabschieden.

Sam stand erstarrt neben Teal’c und blickte nun doch besorgt zu ihm zurück. Sie biss sich auf die Lippen und nickte ergebend, als Jack sich nicht rührte. Stocksteif stand er da und machte auch ihr bewusst, dass er zu niemandem Kontakt wollte. Keine Gefühlsregung war zu erahnen. Sein Gesicht war unergründlich und die Sonnenbrille verdeckte den Rest.

Als Daniels Sarg nieder gelassen wurde, drehe sich Sam erneut zu ihm um, sah ihn aber nicht mehr. Ihr Blick huschte über den Friedhof, doch Jack war verschwunden.

Teal’c griff nach Sams Hand und drückte sie kaum merklich. „O’Neill weiß, was er tut.“

„Hoffentlich hast du Recht, Teal’c. Hoffentlich hast du Recht.“

Es waren Sam und Teal’c, die bis zuletzt an seinem Grab verweilten. Gemeinsam verließen sie den Friedhof und verabschiedeten sich. Teal’c lief zum Auto von General Hammond, der auf ihn gewartet hatte.

Marie kam auf Sam zu und musterte sie besorgt. Sie nahm sie tröstend in die Arme. „Sollen wir vielleicht deinen Freund mitnehmen?“

Sam atmete aus und setzte erschöpft die Sonnenbrille ab. „Nein. Er muss zur Basis zurück. Er verreist für eine Weile. Besucht seine Familie, bis wir wissen, wie es weiter geht.“

Marie öffnete die Autotür und Sam lief um den Wagen. „Mir ist nicht wohl dabei, dich allein im Hotel zurückzulassen, Sam.“ Marie biss sich auf die Unterlippe und überlegte sich Alternativen.

„Ich werde nicht allein sein. Richard wird bald kommen. Außerdem will er niemanden sehen. Bitte. Fahr zu ihm und gib ihm den Brief.“

„Und du glaubst im Ernst, er öffnet mir die Tür, wenn er niemanden sehen will?“ Ungläubig sah sie hinüber auf den Beifahrersitz, startete aber den Motor.

„Das trifft nicht auf dich zu. Er will niemanden von uns sehen.“ Sam faltete ihre Hände im Schoss.

„Also schön. Ich sehe nach ihm.“ Marie fädelte sich in den Verkehr ein.

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Es klopfte nicht zaghaft, aber dafür sehr rhythmisch. Insgesamt dreimal. „Ja, bin schon unterwegs.“ Mit einem großen Schritt war er vor der schweren Holztür angekommen und öffnete sie im weiten Bogen.

„Guten Tag, General.“

Jack sah eine in schwarz gekleidete Frau vor sich. Sie trug einen Wollmantel, der ihr bis zu den Knien ging und stand äußerst sicher auf sehr hohen Absätzen. Sie war vielleicht Mitte dreißig, sehr elegant und komplett in schwarz gekleidet.

„Ja“, fragte er nachdenklich. Dann fiel es ihm ein. Er hatte sie eben noch vor dem Friedhof gesehen.

„Ich bin Marie, Colonel Langley’s Frau und Sams Freundin“, erklärte sie und Jack vermutete, dass wohl die Frage auf diese Antwort in seinem Gesicht lesbar war.

„Mrs. Langley, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Irgendetwas strahlte diese Frau aus, das ihn friedlich stimmte.

„Ich möchte Ihre Zeit nicht länger beanspruchen, als ich es muss, aber ich würde gern drinnen mit Ihnen reden, General.“ Marie deutete mit dem Kopf in das Innere seines Hauses.

„Mrs. Langley, es ist sicherlich nicht gerade der richtige Zeitpunkt. Außerdem möchte ich heute Abend noch verreisen.“ Jack trat trotz seiner Worte zur Seite und ließ sie eintreten.

„Ich verstehe und ich kann mir sehr gut vorstellen, was Sie bewegt. Bitte, hören Sie mich kurz an.“ Marie stand im Flur und hatte sich ihm wieder zugewandt. Er bedeutete ihr, ins Wohnzimmer zu gehen. Grazil lief sie die drei Stufen nach unten und zog sich dabei die ledernen Handschuhe aus.

„Möchten Sie etwas trinken“, bot er an, als er ihr nachging.

„Nein.“ Marie legte ihre Handtasche auf den Couchtisch und zog ihren Mantel aus. „Ich vertrage momentan nur Tee und solange möchte ich nicht bleiben.“ Ihr Gesicht ließ keine Regung zu und ihr Mantel landete sicher auf seinem antiken Sessel.

Jack, der auf der letzten Stufe stand, merkte, wie sich sein Gesicht entkrampfte. Sie war schwanger und das schwarze Etuikleid betonte die Schwangerschaft sehr galant. „Meinen Glückwunsch“, er nickte zu ihrem Bauch.

„Vielen Dank, General und nennen Sie mich bitte Marie“, bat sie ebenfalls lächelnd. Und wie alle Schwangeren es taten, ruhte auch ihre Hand auf ihrem Bauch. Der goldene Ehering schimmerte zurückhaltend. „Ich bin hier, um Sie kennen zu lernen. Ich möchte wissen, ob Sam mir die Wahrheit erzählt hat“, ergänzte sie ruhig. Sie sah ihn aus ihren braunfarbenen großen Augen an, studierte ihn regelrecht. Sie hatte keine Angst, ihn unverwandt und länger als nötig anzusehen und Jack gefiel ihr Mut. „Ob es das alles wert ist“, fügte sie nachdenklicher an und legte den Kopf leicht schief.

„Nun,“ Jack kam von der letzten Stufe runter und lehnte sich an seinen Sessel. „Was auch immer Ihnen Colonel Carter offenbart haben muss, ich hoffe, es war es wert, zu hören.“

Marie lachte. „Colonel Carter“, fragte sie amüsiert. „General, ich habe mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich kenne, nein, muss Sie unweigerlich kennen, seit Sam Ihnen am ersten Tag erklären musste, dass es nicht darauf ankommt, wo sich die Reproduktionsorgane befinden. Sie konnten die letzten Jahre nicht einmal niesen, ohne dass ich es erfahren habe.“

Jack sah verwundert zu ihr hinüber. Worauf hatte er sich hier nur eingelassen? „Oh, das klingt … irgendwie bizarr.“ Er kniff die Augenbrauen zusammen.

Marie lief auf die bodenlangen Fenster zu und schaute in seinen Garten. „Sam und ich haben an der gleichen Universität studiert.“ Marie sah zu ihm hinüber. „Und nein, ich bin keine Wissenschaftlerin. Gott bewahre!“

Jack musste tatsächlich grinsen. „Sieht so aus, als ob Sie mich wirklich kennen und ich weiß noch nicht, ob mir der Gedanken gefallen soll.“ Wie zum Schutz steckte er seine Hände in die Hosentaschen.

„Ich habe Englische Literatur studiert“, erklärte sie. Sie wollte ihm etwas über sich erzählen. „Sam habe ich zum ersten Mal getroffen, als sie im Wohnheim eine ihrer übergroßen Pflanzen im Gemeinschaftsraum drapierte.“ Marie musste bei der Vorstellung unweigerlich schmunzeln. Dann fuhr sie ernster fort: „Ich verbringe, wenn es möglich ist und Sam nicht gerade auf irgendwelchen Dienstreisen weilt, die Tage im November mit ihr.“ Marie lächelte verlegen.

Jack ahnte, dass sie zwar nichts Genaueres wissen konnte, aber ihr völlig bewusst war, wie abstrus zu einer eventuellen anderen Version der Begriff ‚Dienstreise’ klingen musste.

„Novembertage bedeuten nichts Gutes. Sie bedeuten nichts Gutes für Sam“, fügte sie sichtlich traurig an. „Dieses Jahr ist es allerdings für uns alle schwerer.“ Sie strich mit der flachen Hand sacht über ihren Bauch und sah zu ihrer Bewegung hinunter.

Jack hatte einen Verdacht, dass sich ihr letzter Satz nicht nur auf aktuelle Geschehnisse bezog. Er konnte es nicht erklären, aber als sie nach wie vor schwieg, war es deutlicher zu erahnen.

„Mrs. Langley“, begann Jack, die Stille zu durchbrechen.

Marie sah auf und ihre Mundwinkel zuckten. „Also schön, bleiben wir förmlich, General. Ich hatte auch nichts anderes erwartet.“

Jack fühlte sich, als ob er eine Prüfung bestanden hatte. Ob er jetzt die Kraft für diese Art von Spielchen aufbringen konnte, wusste er nicht so recht. Er sah, wie Marie sich von dem Ausblick seines vernachlässigten Gartens losriss und aus ihrer Handtasche einen weißen Briefumschlag herausholte. Nun lief sie direkt auf ihn zu. Die Frau hatte wirklich Courage.

„Hier“, mit einem ausgestreckten Arm hielt sie ihm den Umschlag entgegen.

Schockiert riss er seinen Blick von seinem handschriftlich darauf geschriebenen Namen zu ihr. „Woher …“

„Sam räumt seine Wohnung aus“, antwortete sie ruhig und blickte ihn wieder länger als nötig an.

„Allein?“ Jack musste bei der Vorstellung gegen einen Würgereflex ankämpfen.

„Sie hat Hilfe“, versicherte sie ihm eine Spur sanfter. Ihr Arm war noch immer ausgestreckt.

Jack griff nach dem Umschlag. Er wollte nicht zittern und doch tat er es.

Marie ging noch einen weiteren Schritt auf ihn zu und hielt seinen Blick. Ihre dezent geschminkten Lippen spannten sich das erste Mal an. „General, ich bin nicht hier, um mich einzumischen. Ich werde niemals über Dinge sprechen, die mir Sam über viele Jahre hinweg anvertraut hat, denn dann wäre ich wohl eine ziemlich schlechte Freundin. Allerdings ...“ Sie hatte den Blick von ihm abgewandt und starrte schockiert auf das Foto seiner Familie an der Wand. „Das sind Sara und Charlie“, sprach sie gedankenverloren und wie Jack wusste, mehr zu sich selbst, denn sie war ihm eigentlich keine Erklärung schuldig.

„Mrs. Langley, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber …“, Jack verlor langsam seine von Natur aus höfliche Geduld. Diese Sache hier kostete ihn zu viel Kraft und weiß Gott, Kraft war für ihn ein Luxusgut geworden.

„Nein, nein. Ich bin ich es, die unhöflich ist. Und ich fürchte, ich muss noch eine Spur indiskreter werden“, fiel sie ihm irritiert ins Wort. Marie lief schnell um ihn und den Sessel und sah sich das Foto genau an. „Wie alt war Charlie …“ Marie brach ab und drehte sich zu ihm um. Diese Frage erforderte Augenkontakt.

Jack erkannte, dass sie das Bild extrem aus der Bahn geworfen hatte. In ihrem Gesicht war zu sehen, wie sehr es in ihrem Kopf arbeitete.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, General. Aber ich muss wissen, wie alt Charlie war, als das damals passiert ist? Neun? Zehn vielleicht“, schlug sie flehend vor.

„Elf.“ Er wunderte sich, warum er ihr überhaupt antwortete. Diese Frau konnte einem wirklich Angst einjagen.

Marie schloss qualvoll die Augen. Ihre Finger der linken Hand fuhren an ihre Lippen. Sie atmete hörbar und lange aus. „Das ändert alles. Alles! Sam, warum hast du nichts gesagt, warum hast du nichts gesagt?“ Marie hatte kombiniert und verstand endlich, was ihre Freundin hier tat. Sie erkannte die traurigen Beweggründe, die Sam seit Wochen die Luft zum Atmen nahmen.

Jack sah sie forschend an, sagte allerdings nichts.

„General, darf ich mich vielleicht kurz setzen“, bat Marie nachdenklich und kreidebleich.

„Ähm, sicher. Möchten sie einen Stuhl?“ Sara hatte sich die ganze Schwangerschaft über auf nichts Weichem wie zum Beispiel auf einem Sessel oder auf einem Sofa setzen können. Allein wäre sie da nie wieder herausgekommen und Jack war manchmal nicht da.

„Danke, machen Sie sich keine Umstände. Es geht.“ Sie wählte seinen alten Sessel. Bevor sie sich setzte, hatte sie ihren Mantel über die Rückenlehne gehangen.

Jack sah, wie sie aus der Handtasche ihr Handy herausholte und mit einer Schnellwahltaste einen Anruf tätigen wollte.

Jack, der sich auf dem Sofa niedergelassen hatte, wollte sich bereits wieder erheben, als Marie den Kopf schüttelte.

„Richard, ich bin es. Wo ist Sam?“ Nervös sah sie zu ihm hinüber und erkannte, wie sich sein Kiefer anspannte.

Jack ließ erst jetzt Daniels Umschlag aus seinen Fingern auf seinen Couchtisch gleiten und beobachtete ihn, wie er auf dem glatten Untergrund ein wenig weiterschlitterte.

„Wie? Nicht bei dir? Ich dachte, du wolltest mit ihr …“ Marie hörte ihrem Mann zu. „Richard, bitte sag mir, dass du sie nicht allein gelassen hast. Ich habe dir erzählt, was gestern passiert ist.“ Marie hatte sich für einen kurzen Moment abgewandt.

Jack, der eigentlich nicht Zeuge des Gespräches werden wollte, schaute jetzt alarmiert zu ihr auf.

Marie hatte seinen Blick bereits erwartet und hoffte, tröstend zu lächeln. „In Ordnung, Schatz, ich bin gleich auf dem Weg.“ Richard musste wohl noch etwas zu fragen haben, denn sie antwortete leiser: „Ich bin immer noch bei ihm.“ Wieder lächelte sie.

Jack erhob sich nun doch. Er wollte aus niederen Gründen nicht, dass sie sah, wie er sich sorgte.

„Ja, ich fahre vorsichtig und ja, ich melde mich. Bis später.“ Marie rollte die Augen und Jack, der es gesehen hatte, verspürte wieder den Drang, sein Gesicht zu entspannen.

„General, falls ich mich ungebührend verhalten habe, möchte ich mich entschuldigen.“ Marie hatte sich zu Jacks Verwunderung mit einer Leichtigkeit aus seinem Sessel erhoben, die ihn staunen ließ. Sie verstaute ihr Handy in der kleinen Tasche und griff nach ihrem Mantel und den Handschuhen. Marie zog allerdings nichts davon an.

„Nein, das haben Sie nicht, Mrs. Langley. Keine Sorge.“ Jack führte sie hinaus und öffnete die Tür. „Da gibt es etwas, was ich …. gerne wissen möchte.“ Er konnte sie nicht ansehen. Jack hatte das Gefühl, dass sie tief in seine Seele blicken und alle Mauern und Barrikaden spielend umgehen konnte.

Marie legte ihm ihre Hand auf seinen Unterarm. „Ich wäre ehrlich überrascht wenn nicht.“

„Ich denke mal nicht, dass es ihr sonderlich … gut geht.“ Jack sah nun doch von ihrer Hand in ihr Gesicht.

„Nein, ebenso wenig wie es Ihnen sonderlich gut geht, Jack. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich bei ihr sein werde. So wie immer.“ Sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Sie ist weniger streitlustig, seit hier drinnen jemand Tango tanzen lernt.“ Sie deutete mit dem Zeigefinger auf ihren Bauch. „Eigentlich schade, wenn man es genau betrachtet. Die Zeit vergeht zu schnell. Irgendwann muss ich es wieder ohne Schutzschild mit ihr aufnehmen.“

Und wieder zwang sie ihn zu einem Lächeln, wenn auch nur zu einem dünnen. „Ich wünschte, es wäre anders.“ Er wurde wieder trübsinnig.

„Oh, keine Sorge. Noch habe ich ein paar Monate vor mir und die werde ich nicht unnütze verstreichen lassen. Sie fahren nach Minnesota“, fragte Marie beiläufig und trat nach draußen.

Jack nickte und war nicht sonderlich überrascht, dass sie von seiner Hütte wusste.

Marie entgegnete nichts, sondern lief die Einfahrt hinunter. Sie hatte alle Informationen, die sie haben wollte und darüber hinaus sogar noch mehr.

Jack sah zum ersten Mal ihren Wagen. Der BMW war ebenso wie sie: mehr als geschmackvoll und komplett in schwarz gehalten. „Mrs. Langley“, rief er hastig. „Danke.“ Und Jack hoffte, dass alles, was er nicht sagen konnte, sie wissen würde.

Sie war an ihrem Auto angekommen. Nach dem piepsenden Geräusch öffnete sie die Fahrertür und hielt in der Bewegung inne. Marie suchte Halt an der Tür und sah zu ihm zurück. „General, bitte vergessen Sie niemals, dass Sam eine starke Frau ist, die sich ab und zu den Geistern der Vergangenheit stellten muss. Und manchmal kostet sie es mehr Kraft, als sie aufbringen kann. Dieses Jahr ist genau das passiert. Novembertage!“ Sie sah ihn noch eine zeitlang an, ohne weiter zu sprechen. Dann wandte sie sich von ihm ab, stieg ein, als ob sie nicht schwanger wäre, und brauste in die Dämmerung davon.

Jack schloss Stirn runzelnd die Tür und alles, an was er denken konnte, war einzig und allein Daniels Brief auf seinem Couchtisch. Ruhig griff er nach seinem Bier, das er im Flur abgestellte hatte, bevor Marie geklopft hatte. Schwerfällig lief er in sein Wohnzimmer zurück. Hier hatten sie alle zusammen gesessen, es waren nur Monate seit damals vergangen. Es würde nie wieder so sein. Die Last der Endgültigkeit traf ihn und zwang ihn wieder einmal mehr zu Boden. Daniel war tot und Sam wollte nichts mehr von ihm wissen.

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Sam, Marie und Richard waren wieder in Washington. Sam versuchte, sich in der Akademie auf ihre Arbeit zu konzentrieren, aber das war leichter gesagt als getan. Alles erinnerte sie an Daniel, Jack oder an SG-1. Je mehr ihre Schüler erfuhren, desto lernbegieriger und euphorischer wurden sie und Sam schaffte es sogar öfters als erhofft, sich einfach mitreisen zu lassen. Heute war der letzte Tag der theoretischen Unterweisung und morgen um 0700 würde ein Flugzeug ihre Schützlinge in die Hände von Colonel Marten bringen. Sie hatte vor ein paar Minuten mit ihm telefoniert und ihm ihre Meinung über die neuen Anwärter mitgeteilt.

Jetzt klingelte ihr Handy erneut. ‚Unterdrückte Nummer’, dachte Sam für einen kleinen Augenblick. „Hallo?“

„Colonel Carter, gut, dass ich Sie erreiche“, hörte Sam eine männliche erleichterte Stimme am anderen Ende der Leitung. Sie sah überrascht zu Marie, die sogleich ihre Teetasse auf dem Tisch abstellte. Von ihrem Gesichtsausdruck alarmiert, zuckte sie kurz fragend mit ihren Achseln und hielt dem Blickkontakt stand.

„General Hammond?“ Endlich hatte Sam ihre Stimme wieder gefunden.

Marie hörte angestrengt zu und erhob sich nun.

„Es tut mir Leid, Sie zu stören, vor allem um diese Uhrzeit.“ Er war noch immer im Stargate-Center und saß hinter dem Schreibtisch in seinem Büro.

„Ich bin überrascht, Sir.“ Sam schielte zu Marie hinüber.

„Das glaube ich Ihnen. Ich bin mir bis jetzt noch nicht ganz sicher, ob ich Sie überhaupt mit meinem Anliegen behelligen sollte, Colonel.“

„Sir, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Sam war froh, dass ihre Stimme keinen Zweifel zuließ.

„Nun, … es geht um General O’Neill.“

Sam zog die Augenbrauen fragend zusammen und als ihr bewusst wurde, dass General Hammond dies nicht sehen konnte, öffnete sie ihren Mund und wurde bereits von ihm am Weitersprechen gehindert.

„Er ist drei Tage überfällig. Wir können ihn nicht erreichen und langsam beginne ich, mir Sorgen zu machen.“

Er machte sich Sorgen? Irgendwie klang das aus seinem Mund ziemlich fremd. „Drei Tage?“ Unweigerlich begann sie, an ihrem Daumennagel zu knabbern.

„Ja, so ist es.“ General Hammond lehnte sich in seinem Stuhl ermattet zurück. Diese dunklen Tage wollten einfach nicht enden.

„Ist jemand bei seinem Haus gewesen“, fragte sie nervös.

Marie schüttelte gleich den Kopf. „Dort ist er nicht“, meinte sie leise.

„Ja, natürlich. Er ist nicht in Colorado Springs. Das Haus ist definitiv verlassen.“ Hatten sich General Hammond und Marie abgesprochen?

„Und in Minnesota“, fragte Sam hoffnungsvoll.

„Noch nicht. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich niemanden aus dem Stargate-Center zu ihm schicken. Deshalb rufe ich an.“

„Sir?“ Sie ahnte es bereits.

„Colonel, ich habe kein Recht, aber mir persönlich wäre es lieber, wenn Sie vielleicht …“, George brach ab.

Sam schluckte und überlegte. „Ja, Sir. Ich verstehe.“

„Ich denke, es ist besser, wenn Sie ihn finden. In welchem Zustand auch immer.“ Jepp, er wusste definitiv mehr, als ihrem Vorgesetzten gut tat.

Die Worte ‚In welchem Zustand auch immer.’ hallten unaufhörlich in ihrem Kopf. Und genau davor hatte Sam Angst. „Sir, ich melde mich umgehend, wenn ich etwas in Erfahrung gebracht habe.“

„Danke.“ General Hammond hielt kurz inne. „Vielleicht interessiert es Sie ja, dass Ihre Schützlinge morgen das erste Mal durch das Tor gehen werden.“

„Gut, dann haben sie die Feuertaufe bald hinter sich“, meinte sie abwesend. ‚Dann mussten sie also nur noch überleben’, dachte sie dafür bitter.

„Ja.“ George hatte betrübt festgestellt, dass sein Versuch, ihre Stimmung zu erhellen, fehlgeschlagen war. „Ich wünsche uns allen viel Glück, davon können wir ruhig ein bisschen mehr gebrauchen.“

„Ja, das stimmt allerdings. Danke, dass Sie mich angerufen haben, General.“ Sam legte auf und blickte zu Marie, die mittlerweile neben ihr stand.

„Er wird vermisst“, fragte die Schwarzhaarige ehrlich besorgt.

Sam nickte und biss auf ihrer Unterlippe herum.

„Wer wird vermisst?“ Richard betrat den Raum mit zwei Weingläsern in der Hand.

„Die kannst du gleich wieder zurückstellen, Schatz. Sam fährt heute Abend noch nach Minnesota“, erklärte Marie ein wenig zu aufgeregt.

„Warum“, fragte Richard und runzelte die Stirn.

„Jack“, erklärte Sam nachdenklich. Sie hielt noch immer das Telefon in der Hand.

„Er ist AWOL“, meinte Marie leise.
(Anm. der Autorin: absent without official leave - unerlaubt abwesend)

„Seit wann?“ Richard blickte Antwort erheischend zwischen den Frauen in seinem Wohnzimmer hin und her.

„Seit drei Tagen. Ich muss wissen, ob es ihm gut geht, Richard.“ Ihre Finger umschlossen nun fester das Telefon.

Er stellte die Gläser auf der Kommode ab. „Du musst nicht mich überzeugen“, er legte ihr seine Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich um, „wenn es für dich in Ordnung ist, dann fahr.“ Er blickte ihr tief in die Augen.

Marie hatte sich wieder gesetzt und beobachtete beide von ihrer Kissenhochburg auf dem Sofa aus. „Du musst endlich mit ihm reden, Sam. Ich denke, du würdest einen großen Fehler machen, wenn du ihm nicht erklärst, was damals passiert ist. Das ist eure Chance. Er ist es wert, Sam.“

Sam schluckte. „Marie, ich werde nachsehen, ob er in seiner Hütte ist und dann wieder verschwinden. Und ganz sicher nicht mit ihm reden. Ich weiß nicht, wie oft ich dir das schon gesagt habe. Ich werde ihm nicht erklären, was ich damals getan habe und wie du jetzt weißt, ausgerechnet auch noch in dem Jahr, als sich sein Sohn mit seiner Waffe erschossen hat. Herrgott noch mal! Hör endlich damit auf!“

„Er wird es verstehen, Liebes. Da bin ich mir ganz sicher“, fuhr Marie mit fester Stimme und völlig unbeirrt fort. Sie lächelte ermutigend.

Sam sah Hilfe suchend zu Richard, der schließlich mit den Schultern zuckte. „Ich habe dir damals schon gesagt, dass du mit ihm eine gute Wahl getroffen hast. Nun beeil dich, pack deine Sachen und fahr los. Verschwende keine Zeit. Hilf deinem Mann.“

~~~~~

Jack führte mit schwerer Hand das kaum noch gefüllte Glas an seinen Mund. Es war dunkel in seiner Hütte und noch nicht einmal der Kamin im Wohnzimmer konnte ihm ein wenig Licht oder Wärme schenken. Jack fror bereits seit einiger Zeit, schaffte es aber nicht, sich aufzuraffen, um es sich ein wenig gemütlicher zu machen. Der Winter zeigte in den letzten Stunden sein hässliches Gesicht: Der Wind heulte immer stärker auf und der fallende Schnee wurde dichter. Jack war sich sicher, dass die restliche Nacht auch nicht gerade friedlicher ablaufen würde. Er hatte hier viele Tage und Nächte im Kalten verbracht und die Erfahrung der letzten Jahre hatte ihn nie im Stich gelassen. Ein Blizzard war im Anmarsch.

Er trank den Rest in einem Zug aus. Das Glas erwischte gerade noch die sichere Tischplatte, bevor er sich träge in seinen Sessel zurückfallen lies. Er rutschte tief nach unten und schloss die müden Lider seiner Augen. Sein Kopf glitt leicht zur Seite und Jack gab sich völlig der ersehnten Wirkung des Alkohols hin, die langsam einsetzte. Der Whiskey brannte noch immer in seiner Kehle und während er dem Geschmack nachspürte, klingelte schroff sein Telefon. Jack öffnete langsam wieder seine Augen und fixierte das Fenster neben der Eingangstür. Er konnte sehen, wie hoch der Schnee mittlerweile lag. Der Anrufer war hartnäckig. Unaufhörlich schrillte das monotone Klingeln durch die leeren Räume seiner Hütte und störte ihn bei seinem Vorhaben, sich mit dem Rest der brauen Flüssigkeit in der Flasche, die zu seinen Füßen stand, zu betäuben und sich wieder einmal von der Realität zu verabschieden. Jack wusste, dass sein Kopf die gellende Störung mit jedem weiteren Ton nicht länger ertragen konnte. Und gerade dann, als er mit dem Gedanken spielte, aufzustehen, erstarb schlagartig das Geräusch hinter ihm. Jack schluckte zufrieden. Als plötzlich aus dem Nichts sein Telefon erneut läutete, entschloss er sich, sich langsam zu erheben. Es sollte wirklich verdammt wichtig sein; das Leben des Anrufers hing letztendlich davon ab.

„O’Neill!“ Jack räusperte sich anschließend. Die raue Stimme, die er hörte, war seine eigene.

„Jack? Hier ist Paul.“

„Wer?“ Jack versuchte, sich zu konzentrieren. Er schloss seine Augen, als er mit zwei Fingern seinen Nasenrücken bearbeitete.

„Nun hör … auf, … Junge!“ Wie hätte Paul ahnen sollen, dass Jack die Frage im ersten Augenblick durchaus ernst gemeint hatte?

„Nun … Paul, was gibt’s?“ Jack lehnte sich sicherheitshalber mit dem Rücken an die Wand, an der das Telefon hing. Seine Hütte samt Inventar drehte sich immer schneller.

„Ich … nur auf Nummer … gehen“, erklärte Paul aufgeregt, der der Besitzer der Tankstelle einige Kilometer entfernt von Jacks Hütte war. Paul war weit und breit die einzige Menschenseele, die für die wenigen Hüttenbewohner hier in der Gegend alles Mögliche zur Verfügung stellte. Er hatte sich dem Bedarf seiner Kunden angepasst und so stellte er Lebensmittel, Hygieneartikel, Werkzeug und andere nützliche Dinge bereit, ohne die man hier draußen aufgeschmissen wäre.

„Paul, die Leitung ist beschissen, der Schneesturm!“ Jack verdrehte die Augen. Er war kurz davor, einfach aufzulegen, nur um seinen Frieden zu haben.

„Ich … nur wissen, ob die ... Frau es bis zu dir … hat. Sie … nach dem Weg …“

Jack war plötzlich klarer, als er es für heute Abend geplant hatte. „Paul, wiederhol das!“

„Blonde, verdammt gutaus … Frau. Mensch Jack, ich … Zimmer … aber sie wollte …, heute … deiner Hütte ...“

„Paul! Paul! Hörst du mich?“ Jack sprach lauter, stierte auf den alten Telefonhörer in seiner Hand und hing schließlich frustriert ein. Die Leitung war nun völlig zusammengebrochen. Langsam kroch eine Ahnung seinen Verstand hinauf und die verursachte ein schweres Gefühl in seiner Magengegend.

Jack atmete einmal tief ein und aus. Schwankend kam er zu seinem Sessel und hätte am liebsten die Flasche neben ihm mit dem Fuß quer durch den Raum befördert. Ein denkbar ungünstiger Moment, um sich volllaufen zu lassen.

„Denk nach“, befahl er sich. Er drehte sich für seinen Mageninhalt gefährlich schnell und griff nach seiner Jacke. Während er nach seinem Handy wühlte, atmete er ein weiteres Mal tief ein und aus. Im nächsten Moment hatte er es in der Hand, sah darauf und beförderte es im hohen Bogen auf die Couch: Er hatte keinen Empfang. Fast belustigend hüpfte das kleine Ding auf den weichen Polstern einige Zentimeter weiter und fiel schlussendlich auf den Boden.

Jack fuhr sich mit der flachen Hand über den kratzigen Bart und das zerzauste Haar und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Selbst wenn es Sam gewesen wäre, die sich bei Paul nach dem Weg zur Hütte erkundigt hatte, hätte sie die Gefahr mit großer Wahrscheinlichkeit erkannt und sich Schutz gesucht. Carter war vernünftig. Carter überstürzte nie etwas. Carter konnte auf sich aufpassen. Und wenn es nicht Carter war?

Jacks Gedanken überschlugen sich und doch bedachte er bereits alles Wesentliche für eine Suchaktion, während er sich darauf konzentrierte, seinen Körper unter Kontrolle zu bekommen. Plötzlich hörte er ein Klopfen an seiner Tür, die sich bereits kurz danach öffnete. Ruckartig schoss sein Kopf nach oben. Jack blieb sprichwörtlich sein „Herein“ in der Kehle stecken. Samt Wind, viel Schnee und einer extremen Kälte stand Samantha Carter vor ihm, die sichtliche Mühe hatte, die Tür gegen den Sturm wieder zu schließen.

Sie hatte es wenige Augenblicke später tatsächlich geschafft und drehte sich schwer atmend zu ihm um. Halt suchend lehnte sie ihren steifen Körper gegen die schwere Holztür.

Jack blieb wie angewurzelt stehen und ließ seine Augen über die Person vor sich wandern. Sam war in zivil. Sie trug einen schwarzen langen Wollmantel, der vollkommen mit Schnee bedeckt war. Die Lederstiefel waren völlig durchnässt, ihr Kopf und ihr Haar waren schutzlos dem wütenden Wetter ausgesetzt gewesen. Einzig allein Handschuhe waren neben einem Schaal auszumachen, die ihren Körper vor dem Blizzard schützten.

„Carter! Was um Himmels Willen?“ In Anbetracht der letzten Minuten, in denen er sich sorgte, war es ihm einfach nicht möglich, seine Frage friedlicher zu formulieren.

Sam antwortete nicht. Sie lehnte ihren Kopf zurück, bis sie das Holz hinter sich spüren konnte und rutschte daran hinunter. Sie atmete flach und schloss erschöpft die Augen.

Jack dachte, für einen Moment Erleichterung darin gesehen zu haben. Er konnte den Reflex, auf sie zuzugehen, gerade unterdrücken, als er sah, was sie tat.

„Colonel Carter hier.“ Sam zitterte am ganzen Körper, was auch in ihrer Stimme zu hören war. Sie sah ihn noch immer ernst und unverwandt an. „Ich möchte mit General Hammond sprechen.“ Sie hielt ein Satellitentelefon in ihren Händen und hatte mit steifen Fingern einige Tasten betätigt.

Jack fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht. „Ah, Hammond!“ Er nickte beiläufig und stemmte seine Hände in die Hüften. Jetzt war es ihm klar.

„Die Leitung ist mir scheißegal!“ Sie schrie beinahe. Stille, Unverständnis und vor allem ein Hauch Wut wanderte zwischen ihnen durch den Raum hin und her. Während allerdings ihr Gesicht ernstere Züge annahm, schaute er mittlerweile enttäuscht auf sie hinab. „Ich bin angekommen, Sir. Er ist hier.“ Sam war redlich bemüht, ihre augenblicklichen Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Sie spannte den Kiefer an. „Nein, nein, der Sturm ist nicht das Problem, Sir.“

Jack kehrte ihr den Rücken und lief auf seine Couch zu.

Sam beendete das Gespräch mit einem gezielten Tastendruck und ließ das Gerät neben sich auf die Holzdielen fallen. Im gleichen Augenblick befreite sie sich schnell von ihrem völlig durchnässten Mantel und dem Schal um ihren Hals. Einige Knöpfe flogen im hohen Bogen gen Boden. Den zweiten Handschuh zog sie mithilfe ihrer Zähne aus.

„Wenn ich warmes Wasser hätte, würde ich Ihnen jetzt eine Dusche anbieten, Carter.“ Jack setzte sich schwerfällig und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.

„Kein warmes Wasser? Ich bin im Paradies gelandet!“ Sam wusste genau, dass er nicht scherzte. Sie zog ihre Stiefel aus. Die Socken waren ebenfalls durchnässt.

„Nun, wie ich sehe, haben Sie wenigstens in Sachen Humor dazugelernt.“ Jack erhob sich schwerfällig und Sam beobachte, wie er in ein anderes Zimmer verschwand.

Als er zurückkam, saß sie noch immer auf dem Boden an der Eingangstür. Er hatte einen grauen Strickpullover und ein paar Socken in der Hand und reichte ihr beides. „Hier!“ Für einen kleinen Augenblick war er von ihren weichen und allzu vertrauten Gesichtzügen wie gelähmt.

Sam konnte deutlich riechen, das und vor allem an seinem Gang erahnen, wie viel er getrunken hatte. Sie seufzte und stand behäbig auf. „Danke.“

Jack presste die Zähne aufeinander und riss sich von ihrem Anblick los. Gott, wie viel Macht sie immer noch über ihn hatte! Er fand es in seinem Sessel und somit mit etwas Abstand zu ihr sicherer.

Mit klappernden Zähnen hatte sie sich den übergroßen Pullover über ihren eigenen gezogen. Beinahe andächtig strich sie sich über den Arm und spürte die weiche Wolle. Sie nahm auf der Couch unter dem Fenster Platz und streifte die weichen Socken über ihre eisigen Füße. Instinktiv massierte sie sie. Als sie sah, dass unter dem Tisch sein Handy lag, streckte sie sich, hob es auf und legte es schließlich auf den Tisch. „Was tun Sie hier, Sir?“

Jack lehnte sich zurück und drehte den Kopf zum schweigenden Kamin. Er hatte ihre Frustration gehört.

Sam schloss enttäuscht ihre Augen, als sie erkannte, dass er ihr eine Antwort schuldig bleiben würde. Sie hätte wissen müssen, dass seine Mauern höher und dicker als üblich waren. Mit Daniel war auch in jedem von ihnen etwas gestorben und Sam erkannte seinen Schmerz. Fühlte sie ihn doch jede Minute selbst.

Beide schwiegen sie für ein paar Minuten und hingen ihren eigenen trägen Gedanken nach. Und dann war Sam überrascht, dass er es war, der sprach: „Hammond hätte mein Rücktrittsgesuch bereits erhalten müssen.“ Seine dunklen Augen mieden es nach wie vor, in ihre sehen zu müssen.

„Und das soll entschuldigen, dass wir“, kurz hielt sie inne, schloss ihre müden Augen und war über ihren eigenen aufkeimenden Mut überrascht, „dass ich mir keine Sorgen mache?“ Sam konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. „Mal ganz davon abgesehen, dass“, setzte sie deutlich an, „General Hammond den Brief erst bekam, nachdem Sie bereits drei Tage überfällig waren, Sir.“ Sam hatte es einfach nicht glauben können, als General Hammond sie auf der Fahrt hier her anrief. Leiser fuhr sie fort: „Seit … Daniels Tod …“

Jack unterbrach sie barsch. „Das war nicht das, was ich wollte.“ Er beugte sich vor und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln ab. „Es tut mir Leid. Ich hatte nicht vor …“ Jack stoppte. Er hatte in einem unbedachten Moment mit heroischem Leichtsinn zu ihr hinüber gesehen und konnte Tränen in ihren Augen ausmachen. Er schluckte und schüttelte trivial seinen Kopf. Es half nichts; er konnte seine Gedanken und Gefühle ihr gegenüber nicht verscheuchen.

„Die Beerdigung ist Tage her“, merkte sie missbilligend an und zog die Beine weiter auf die Sitzfläche hinauf.

Er zog seine Augenbrauen zusammen und sein Blick verfinsterte sich. „Nicht, Carter“, bellte er. Es klang beinahe wie ein Befehl. Blitzartig erhob er sich und blieb erst, als er an seiner Kücheinsel ankam, stehen. Seine Hand suchte Halt an der kalten Arbeitsfläche. Ihm fehlte schlichtweg die Kraft, mit ihr über Daniels Tod zu reden. Er senkte den Kopf. „Bitte.“ Es war ein sanftes Flüstern, als wolle er seine harten Worte abmildern.

Sam schaute auf seinen angespannten Rücken und ihr fehlten schlichtweg die Worte. Leise stahl sich eine Träne den Weg über ihre Wange. Irritiert darüber, dass sie über sie die Kontrolle verloren hatte, wischten ihre Fingerkuppen das Nass aus ihrem Gesicht. Langsam nickte sie mehrfach nacheinander. Als ihr bewusst wurde, dass er diese subtile Geste nicht sehen konnte und sich ihre Lippen nicht bewegen wollten, seufzte sie leise.

Ihr Blick streifte durch sein kleines Reich, in das er sie so oft schon entführen wollte. Und nun war sie hier. Sie wünschte sich, es gäbe einen anderen Anlass. Sam war nicht freiwillig hier. Quälende Sorgen hatten sie zu seinem Zufluchtsort getrieben. Er trauerte und plötzlich fühlte sie sich nicht gewollt. Die Hütte war kalt, dunkel und ungemütlich und Sam ahnte, dass es in seinem Herzen nicht anders aussah. Jack hatte sich lange nicht rasiert und seine Kleidung entsprach auch nicht dem, was sie sonst von ihm gewohnt war. Ihm ging es nicht gut und er tat nichts, um das zu ändern.

Sie schaltete zusätzlich eine kleine Lampe neben der Couch ein und konnte so mehr erkennen. Die Hütte hatte im Wohnbereich einen Kamin und ihm gegenüber stand die Couch mit den Sesseln. Unweit davon war die offene Küche und von dort aus schien es in den ebenfalls offenen Schlafbereich zu gehen. Neben dem Kamin war die einzige Tür zu sehen, die neben der Eingangstür vorhanden war. Sam schlussfolgerte, dass dahinter das Bad sein würde.

Sam erhob sich zitternd und lief zu dem Kamin hinüber. Ein paar Sekunden später hatte sie es geschafft und es loderte das Feuer auf. Schweigsam blieb sie davor stehen und wärmte sich die steifen Hände. Draußen pfiff der Wind.

~~~~~

Jack fühlte seinen Körper auf etwas weichem und warmen liegen. Seine Muskeln hatten sich im Schlaf vollends entspannt und waren noch nicht bereit, ihm zu gehorchen. Er hätte schwören können, dass er von irgendetwas Schwerem nieder gedrückt wurde. Jack zwinkerte mehrfach und schaffte es dann, seine Augen zu öffnen. Überrascht stellte er fest, dass es noch mitten in der Nacht sein musste. Alles um ihn herum war in Grautöne gebettet und still. Die Vorhänge waren nicht völlig geschlossen und Jack sah den Schnee im seichten Mondlicht glitzern. Erleichtert darüber, dass der Sturm nicht mehr wütete, drehte er seinen Kopf auf die andere Seite und sah nun sie. Sam saß am Fußende auf seinem Bett, hatte die Beine an den Körper herangezogen und ihre Arme darum geschlungen. Sie schaute zu ihm. Er registrierte, wie sie intensiv ein- und ausatmen musste.

Jack wühlte seinen Arm aus seiner Wolldecke und reckte ihn ihr entgegen. Sam reagierte nicht sofort. „Komm“, bat er sie liebevoll und untermalte seine Geste mit einem einzigen Wort. Sam löste ihre Haltung und kroch an seine Seite. Seine Arme hießen sie zärtlich willkommen und mit einem gezielten Wurf von ihm landete die Wolldecke über ihren beiden Körpern, die nicht aufhörten, sich eng aneinander zu drücken. Sam konnte seinen warmen Atem an ihrem Hals spüren, als er den Kopf näher an ihren bewegte. Seine Nase streichelte sanft die empfindliche Haut hinter ihrem Ohr, während seine Beine sich zwischen die ihrigen schmuggelten. Bereitwillig griff Sam nach seiner Hand auf ihrer Hüfte und zog sie um ihren Oberkörper zu ihrem Gesicht hinauf. Jack verlagerte unmerklich sein Gewicht auf ihren Rücken und Sam seufzte leise und zufrieden. „Bleib ein paar Tage hier“, murmelte er mit geschlossenen Augen.

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Sam musste unweigerlich lächeln, als sie noch einmal zurück blickte und ihn immer noch tief schlafend in den Kissen fand. Er hatte sich inzwischen bewegt. Jack lag auf dem Bauch, ein Arm hing über die Matratze und sein Kopf war in das Innere der Hütte gerichtet. Er sah friedlich aus, die Gesichtszüge waren entspannt und die Hände einmal nicht zu Fäusten geballt. Sam griff nach ihrem Mantel und legte einen Zettel auf ihr Kopfkissen.

Ich sehe nach dem Mietwagen und bin eine Weile weg. Er steht unweit eines Ladens in der Nähe des Flusses.

Sie war bereits seit einiger Zeit wach, denn eigentlich hatte sie nicht tief geschlafen. Die ruhigen Atemzüge des Mannes neben ihr waren wie Balsam für ihre traurige Seele. Vorsichtig hatte sie sich aus seiner Umklammerung gestohlen und blickte unsicher zurück, als die Matratze unter ihr nachgab. Sie wollte ihn nicht geweckt haben, denn obwohl er soviel Kraft aufwandte, es zu verbergen, litt er unermesslich; genau wie sie. Sam wusste, dass es noch ein langer, sehr langer Weg sein würde, bis sie beide ansatzweise Daniels Tod verarbeitet hatten. Schlaf tat ihm gut und mit Sicherheit war das momentan auch das einzige, was einigermaßen über diese Zeit hinweg tröstete.

~~~~~

„Oh, dem Himmel sei Dank!“ Paul stand hinter dem kleinen Tresen seines Geschäftes und schlug die Hände betend zusammen. „Ihnen ist nichts passiert. Meine Frau und ich haben uns sehr große Sorgen gemacht“, meinte Paul sichtlich erleichtert, während er den Tresen, der eigentlich nur ein einfacher Holztisch war, umrundete und auf sie stürmisch zuging.

„Das war nicht nötig. Es ist alles in Ordnung.“ Sam musste über den Mann, der nur ein wenig älter als Jack war, lächeln. Er trug eine schwarze Wollhose, ein weißes Hemd und war ein wenig untersetzt. Das vollkommen ergraute Haar wurde langsam lichter. Sams Menschkenntnis verließ sie nicht. Er hatte ein gutes Herz und seine Fürsorge war echt. „Dank Ihrer Beschreibung habe ich die Hütte von General O’Neill schnell finden können.“

„Trotz des Schneesturmes?“ Paul sah nicht sonderlich überzeugt aus.

„Ja“, meinte sie schlicht und schloss die Tür hinter sich. Die kleine Glocke über der Tür ertönte abermals.

„Als ich den Wagen entdeckte und mir denken konnte, dass Sie zu Fuß unterwegs sind, wollte ich einen Suchtrupp losschicken.“ Paul erinnerte sich an diese Schrecksekunden. „Meine Frau hat Ihre Reisetasche reingeholt. Sie hat es wirklich nur gut gemeint.“ Paul musterte sie aufmerksam. „Sie dachte, wir könnten vielleicht jemanden anrufen“, schloss er entschuldigend.

„Gut, sie ist hier“, meinte Sam erleichtert. „Ich war ehrlich gesagt ziemlich erschrocken, als ich eben den Wagen leer vorfand. Wie sind Sie da rein gekommen?“ Sam zog die Handschuhe aus.

Über Pauls Gesicht huschte eine Spur Stolz. „Ich habe mich bemüht, keine Schadspuren zu hinterlassen. Ein Kinderspiel bei diesem Fabrikat.“ Jetzt lächelte er vielsagend. „Die lernen einfach nicht dazu!“

Sam verstand und war eher amüsiert als verärgert. „Ich müsste kurz telefonieren. Geht das von hier aus?“ Das Satellitentelefon hatte sie vorsorglich in Jacks Hütte gelassen. Sam war nicht wohl bei dem Gedanken gewesen, ihn ohne Kontaktmöglichkeit zurückzulassen.

„Sicher, sicher.“ Paul bedeutete ihr, ihm zu folgen. „Jacks Telefon geht noch nicht wieder“, fragte Paul etwas irritiert. „Ah, kann auch nicht“, fiel ihm ein, „seine Hütte ist einfach zu weit oben und die haben heute Morgen erst begonnen, aufzuräumen. Er wird sich wohl noch ein wenig länger gedulden müssen“, meinte Paul nickend. „Hier“, er deutete auf einen Wandapparat und wie Sam vermutete, wohl bereits zwanzig Jahre alt sein musste. „Als ich hörte, dass Sie noch nicht bei ihm angekommen waren … Mein Gott, rutschte mir da das Herz in die Hose.“ Pauls Hand ruhte auf seinem Brustkorb.

„Sie haben mit General O’Neill gesprochen?“ Sie hatte ihn nicht erreichen können, was wohl an der defekten Leitung lag. Sam schloss resignierend die Augen und ignorierte somit Pauls Stimmung. Sie hätte nicht fragen müssen. Jack hatte sich gesorgt, dass hatte sie gesehen und jetzt wusste sie auch warum. Das war eigentlich genau das, was sie nicht gewollt hatte.

Paul nickte wortlos und sich keiner Schuld bewusst. „Aber jetzt telefonieren Sie erst einmal in Ruhe.“ Er führte sie mit einer Hand auf dem Rücken näher zum Telefon. „Ich hole meine Frau, damit sie Ihnen Ihre Tasche geben kann.“ Paul eilte hinter einer Seitentür ein paar Stufen nach oben und ließ Sam allein.

Seufzend wandte sie sich dem Telefon zu. Sam hatte schnell eine junge Frau im Callcenter der Mietwagenfirma am Apparat, der das Auto gehörte. Die freundliche Stimme versicherte ihr, umgehend jemanden zu schicken, der sich vor Ort ein Bild machen sollte. Die Aussicht auf einen Tausch des Wagens war tröstlich. Sam hatte nicht vor, auf dem Rückweg Zeit zu verlieren, nur weil das Auto nicht so wollte wie sie. Langsam lief sie in den Laden zurück und besah sich Pauls gefüllte Regale.

Paul erschien kurz darauf und meinte zuvorkommend: „Meine Frau wird gleich hier sein.“

„Danke. Ähm …“ Ihr fiel jetzt erst auf, dass sie eigentlich nicht wusste, wie der Mann hieß.

Paul begriff und lächelte. „Nennen Sie mich einfach Paul. Das tun hier eh alle.“ Aufgeschlossen streckte er seine Hand vor.

„Paul“, nickte Sam und schlug ein. „Ich bin Sam Carter.“

„Ich weiߓ, sagte er und zuckte mit den Achseln. „Anna, meine Frau,“, stelle er klar, „hielt mich ab, den Suchtrupp zusammenzutrommeln, als sie in ihrem Ausweis las, dass Sie Colonel der United States Air Force sind. Sie waren also nicht ganz schutzlos. Ich meine …“ Paul versuchte angestrengt, seine Äußerung abzumildern. „Überlebenstraining und so“, meinte er schließlich verschwörerisch.

Sam lachte, als sie den Gesichtsausdruck des Mannes vor sich sah. Was hatte Paul eigentlich für Vorstellungen? Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass Jack wohl nicht ganz unschuldig an Pauls Meinung sein konnte. Er hatte ein sicheres Talent, Offensichtliches unkommentiert zu lassen und somit lieber die Personen zu verunsichern. Sicher, so ganz einfach war es nicht gewesen, zu der Hütte zu gelangen. Aber dass sie bereits in aussichtsloseren Situationen noch dazu auf fremden Planeten feststeckte, konnte sie ihm nicht wirklich erklären.

Plötzlich wurde die kleine Nebentür geöffnet und eine hübsche, dunkelhaarige Frau betrat Pauls heilige Halle. „Ah, ich konnte es gar nicht glauben, als Paul meinte, Sie wären hier!“ Sie trug eine graue Jeans und ein einfaches T-Shirt mit einer schwarzen Strickjacke. Sie war schlank und in Pauls Alter. In ihrer rechten Hand hielt sie die kleine Reisetasche. „Hallo, ich bin Anna“, sagte sie, als sie an Paul vorbei und auf Sam zulief. „Schön, dass Sie wohlauf sind.“ Anna reichte Sam die Hand zur Begrüßung. „Bitte entschuldigen Sie. Wir wollten nicht indiskret sein.“ Anna schenkte Sam einen gütigen Augenaufschlag.

Auch wenn Sam die Aktion der beiden nicht verstanden hätte, wäre dieser Blick entwaffnend gewesen. „Sam, guten Tag.“ Sie stellte sich ebenso freundlich vor, auch wenn das eigentlich nicht mehr notwendig war. „Ist schon gut. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.“

„Immer wieder gern. Wir kennen Jack schon eine ganze Weile und er hat nicht sehr oft Besuch hier oben, wissen Sie.“ Paul stellte sich neben seine Frau.

„Ja, ich denke, dass hat sie nun verstanden, Paul.“ Jack betrat das Geschäft. Er trug eine blaue Jeans, einen grauen Pullover und darüber eine dicke Jacke, die offen an seinen Seiten wedelte. Jack hatte geduscht und war rasiert und wirkte insgesamt aufgeräumter als gestern Nacht.

Alle sahen zu ihm zurück.

„Hey, Jack, Kumpel. Geht’s dir gut? Du warst kaum hier!“ Paul klopfte ihm auf die Schulter.

Sam blickte ihn an. Er hatte Paul nicht geantwortet, was ihr wiederum Antwort genug war.

Paul musste Jacks Schweigen nicht zu deuten gewusst haben, denn er drängte weiter: „Brauchst du irgendwas? Ich könnte dir …“

„Schon gut, Paul. Ich habe alles. Carter“, Jack sah zu ihr, „was ist mit dem Wagen?“

„Er springt immer noch nicht an, Sir.“ Sam senkte den Blick.

Jack presste die Lippen zusammen und fuhr sie finster an. „Den ganzen Weg zu Fuß? Bei dem Wetter? Carter!“

Sie nickte und sah schließlich zu Paul. Ja, auch Paul hatte es dieses Mal mitbekommen. Das eben war General Jack O’Neill.

„Ja, das habe ich ihr auch gesagt, Jack. Sie hat einen ziemlichen Dickschädel.“ Paul hatte das dringende Bedürfnis, sich entschuldigen zu müssen.

„Anscheinend muss man ihr Befehle erteilen, damit sie vernünftig bleibt“, meinte Jack eine Spur sanfter, presste aber immer noch die Zähne zusammen. Seine Wut war noch nicht vollends verflogen.

Sam räusperte sich unmerklich und hielt es für besser, nicht darauf einzugehen. Ja, sie war unvernünftig gewesen. Aber dafür gab es auch einen Grund. „Die Mietwagenfirma wird jemanden vorbeischicken. Wäre es möglich, dass ich den Schlüssel bei Ihnen lassen könnte, Paul? Dann müssen Sie nicht wieder Ihre verborgenen Kenntnisse anwenden.“

Paul hatte sich wieder gefangen und lächelte nun bübisch. Eifrig begann er zu nicken. Es war offensichtlich, dass er unbedingt helfen wollte.

„Ich komme dann morgen Früh einfach noch einmal vorbei und sehe nach dem Rechten“, schlug sie vor.

„Nein, nein. Das wird nicht nötig sein“, beeilte Anna sich zu sagen. „Wir sind doch hier. Der Weg von Jacks Hütte und zurück ist viel zu weit. Geben Sie mir den Schlüssel. Ich kümmere mich. Soll ich dem Monteur Beine machen? Wann wollen Sie eigentlich wieder zurück?“

Sam schielte zu Jack, der sie ausdruckslos musterte. Er schien auf ihre Antwort gespannt zu sein – und das seit gestern Abend. „Ich bin mir noch nicht sicher, Anna. Nein, ich denke nicht, dass Sie ihn hetzen müssen. Hier ist der Schlüssel und nochmals danke“, stimmte sie Annas Vorschlag schließlich zu.

Jack, der hinter ihr stand, griff, bevor sie überhaupt die Möglichkeit zum Bücken hatte, nach der Tasche und war in Richtung Tür unterwegs.

Anna meinte plötzlich: „Moment, Colonel Carter. Das wichtigste hätte ich fast vergessen.“ Sie rannte in die Wohnung zurück. Ihre eiligen Schritte auf dem Holz der Treppe waren deutlich zu hören.

Jack hatte nicht vor, draußen in der Kälte zu stehen und somit schloss er wieder die Tür.

Sam wartete gespannt und plötzlich fiel ihr Blick auf das, was die wieder herannahende Anna in der Hand hielt. Sam hatte es längst erkannt. So sehr sie sich auch bemühte, sie schaffte es nicht, rechtzeitig aus ihrer Starre zu erwachen und Anna zu stoppen, bevor es Jack sehen konnte.

Und so meinte Anna schließlich freudestrahlend: „Ich habe das Ultraschallbild auf dem Beifahrersitz gefunden. Hier, ihm ist nichts passiert. Haben Sie eine Tochter oder einen Sohn, Sam?“

Stille. Absolute, erdrückende, quälende Stille. Sam fühlte seinen eingefrorenen Blick ganz genau auf ihrem Rücken und doch schaute sie nicht zu ihm, sondern griff wortlos, aber zitternd nach dem Bild. In einer einzig fließenden Bewegung steckte sie das alte und vergilbte Ultraschallbild in ihre Manteltasche. „Ich habe kein Kind, Anna“, wisperte sie gegen den Drang der Übelkeit an.

„Aber … das ist doch … Ihr Name …“, erwiderte Anna stotternd und verstummte augenblicklich, als sie verstand. „Oh. Oh, Sam, es tut mir Leid. Sam, bitte, es tut mir Leid. Ich wollte nicht …“

Sam schluckte kräftig und unterdrückte die Tränen. Sie lief, ohne Jack zu beachten oder auch nur zu zögern, an ihm vorbei. Sam flüchtete schnellen Schrittes und ignorierte auch seinen parkenden Truck. Sie lief stoisch den Weg zurück, den sie zu Fuß vor ein paar Stunden angetreten hatte. ‚Was nun’, dachte sie hilflos.

„Jack, ich wollte wirklich nicht ... Tut mir Leid.“ Anna war am Boden zerstört. Paul hatte schützend den Arm um seine Frau gelegt und versuchte sie zu trösten. Seine Hand strich ihr seicht und kontinuierlich den Oberarm auf und ab.

Jack, der Sam aufgewühlt und vor allem besorgt nachsah, rieb sich mit der flachen Hand, die nicht die Tasche hielt, übers Gesicht und beeilte sich zu sagen: „Schon gut, Anna. Dich trifft keine Schuld. Mach dir keine Sorgen. Sie kann ne Menge vertragen.“ Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass ein Nachlaufen nicht erfolgversprechend war.

„Das mag wohl sein. Aber eine Frau …“ Anna schüttelte betrübt ihren Kopf.

Das klare Glockenläuten über der Eingangstür verstummte leise und ließ drei verwirrte Personen zurück.

~~~~~

Jack trommelte mit seinen Fingern seit gut und gerne fünf Stunden auf den Küchentresen, auf die Fensterbank, auf die Lehne seines Sessels, auf den Couchtisch und schließlich auf die Türklinke seiner Hüttentür. Unentschlossen und zähneknirschend drückte er sie nicht herunter, sondern setzte sich auf seinen Posten. Kurz darauf stand er wieder auf, lief im Wohnzimmer auf und ab und nahm schließlich wieder Platz. Er hatte den Sessel so ausgerichtet, dass er von dort aus gleichzeitig die Tür und Sam durch das verschneite Fenster beobachten konnte, ohne den Kopf zu drehen. Sam war zwei Stunden nach ihm bei seiner Hütte angekommen. Sie lief direkt auf den Steg am See zu und stoppte erst auf dem letzten Holzbalken ihren Schritt. Dort verharrte sie stehend seit nunmehr fünf Stunden. Mittlerweile was es dunkel und, obwohl er das Licht ausgeschaltet hatte, konnte er sie draußen nicht mehr erkennen.

„Das reicht jetzt“, meinte er bestimmt und stand auf. Bevor er hinaustrat, schaltete er das Licht wieder ein und zog die Tür schnell hinter sich ins Schloss. Das Licht flutete harmonisch durch die Fenster und erhellte nur geringfügig die Umgebung um die Hütte herum. Der Kamin knisterte vor sich hin und verbreitete eine angenehme Wärme. Was auch gut war, denn es war eisig kalt geworden. Bei jedem seiner eiligen Schritte, die er auf sie zu tat, knirschte der gefrorene Schnee unter seinen Füßen. Jack hatte es nicht anders erwartet: Sam stand noch immer kerzengerade auf seinem kleinen Holzsteg und zitterte wie Espenlaub. Er stoppte nah bei ihr und hob sie ohne lange zu überlegen in seine Arme hinauf. Er lief mit ihr geradewegs in die warme Hütte zurück. Als ob er nie etwas anderes getan hatte, hatte er die Tür geschickt geöffnet und ihr schließlich von der anderen Seite mit der Hacke seines Stiefels einen schroffen Tritt verpasst. Jack setzte Sam auf seine Kücheninsel und begann mit geschulten Fingern, sie aus dem steifgefrorenen Mantel zu befreien. Alarmiert hatte er registriert, dass sie noch immer keinen Widerstand leistete. Sie beobachtete ihn träge und hielt sogar seinem forschenden Blick stand, den er besorgt über ihr Gesicht schweifen ließ. Nachdem er den Mantel von ihren Schultern streifte, griff er nach den Schnürsenkeln ihrer Stiefel. Die Schuhe plumpsten geräuschvoll zu Boden. Als nächstes zog er ihr den Pullover aus. Wie bei einem Kleinkind befreite er erst den einen, dann den anderen Arm. Sam ließ ihn gewähren und als er den Pullover über ihren Kopf streifen wollte, trat er zwischen ihre Beine, um ihr dabei nicht wehzutun. Er konnte die Kälte spüren, die von ihrem noch immer zitternden Körper ausging und entschied schnell, sie auch von ihrer Hose befreien zu müssen. Er hätte gar nicht erst so lange warten sollen. Er hätte der Sache früher ein Ende bereiten müssen.

Sam, die mittlerweile vor ihm nur in einem dünnen Seidenhemd und BH mit Jeans auf dem Mantel, dessen Stoff sich malerisch auf der Kücheninsel drapierte, saß, hielt seine Hand an der Knopfleiste auf.

Sie sprach nicht, aber Jack verstand. Er schaute schnell zu ihr nach oben und auf direktem Wege in die Augen. Beinahe schmerzte die Stelle, wo sie ihn mit ihren kalten Fingern berührte. „Ich hole dir eine Decke“, murmelte er schließlich und war mit großen Schritten wieder schnell bei ihr.

„Was hast du zu Daniel gesagt“, wollte sie wie aus dem Nichts wissen, die Augen fest verschlossen.

„Wann?“ Jack glaubte, sich verhört zu haben. Was fragte sie da? Er achtete darauf, dass die am Kamin gewärmte Wolldecke auf ihren Schultern blieb und entfernte sich wieder.

„Du weißt wann“, blaffte sie zurück und stierte zu ihm hinüber.

Jack war bereits auf halbem Wege in sein Badezimmer, um sein Vorhaben, ihr ein warmes Bad einzulassen, in die Tat umzusetzen.

„Was.Hast.Du.Ihm.Mitgegeben“, drängte sie schreiend.

Er hielt in der Bewegung inne und benetzte sich die Lippen mit seiner Zunge. Jack schätzte die Situation ab, denn er wusste genau, dass sie das Thema nicht fallen lassen würde. Schließlich wandte er sich ihr zu und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich sagte, dass ich ihm verzeihe.“ Er wich ihrem bohrenden Blick zum ersten Mal seit langer Zeit aus. „Die Zeit damals … Ba’al und Kanan. Das war das einzige, was zwischen uns ungeklärt blieb.“

Sam hatte den Bourbon gerochen, den er getrunken haben musste, und wischte sich kapitulierend mit beiden Handflächen über das Gesicht. Dort hielt sie sie über ihren Augen und atmete zitternd hinter ihren Handflächen.

„Was passiert hier“, fragte er, als er sich mit beiden Händen durch das Haar fuhr.

Sam konnte eindeutig die Ratlosigkeit heraushören und nun war sie es, die seinen Blick suchte.

Jack hatte sich nicht merklich von der Stelle gerührt. Nur jetzt lehnte er gegen die Wand neben der Badezimmertür. Die Hände waren in seinen Hosentaschen unter Kontrolle.

„Wir haben Daniel verloren und alles fällt mit seinem Verschwinden auseinander“, wisperte sie leise und verlor den Kampf mit den Tränen.

Jack schwieg und sah sie beharrlich an. Er sank an der Wand hinunter auf den Boden, winkelte die Beine an und senkte den Kopf zwischen seinen Schultern. Seine Unterarme lagen ruhig auf den Knien.

Seufzend rutschte Sam schließlich von der Kücheninsel und wühlte in ihrem Mantel nach dem Bild. Sie kniete sich vor ihn hin und reichte es ihm. „Es liegt bei uns, ob wir das akzeptieren.“

Er hob den Kopf und überlegte kurz. Nach einem abschätzenden Blick zu ihr tat er es schließlich. Er schlug seine Augen nieder und besah sich das alte Bild von vor über zwölf Jahren. Anna hatte Recht, Sams Name stand darauf und vermutlich das Krankenhaus, in dem es aufgenommen wurde. Es war nicht amerikanisch.

„Dreh es um“, forderte sie angespannt.

Jack tat es und las ein Datum. Er erkannte ihre Handschrift und er erkannte das Jahr. In diesem Jahr zerstörte ein Schuss sein ganzes Leben.

„An diesem Tag habe ich abgetrieben“, erklärte sie ruhig, als ob sie nicht von sich selbst, sondern von einer anderen Frau sprach.

Er bewegte ruckartig den Kopf zu ihr und presste die Kiefer zusammen.

Sam ließ keine Pause entstehen und sprach weiter. „Mein Flugzeug stürzte damals ab. Ich hatte als einzige überlebt, nur damit man mich sechs Wochen in einem irakischen Gefängnis festhalten konnte. Wir waren ohne Kennmarken in diesem gottverdammten Krieg unterwegs und du weißt, was … was“, sie drohte, jetzt schon den Faden zu verlieren. Sam schaute schnell auf den Teppichboden.

Jack gab ihr und sich die Zeit zum Sammeln. Er wusste es, was sie nicht aussprechen konnte und so musste er dann doch mehrfach tief ein- und ausatmen. In ihm wirbelte Glut auf und drohte, alles in einem einzigen Feuersturm nieder zu brennen. Was hatte sie durchgemacht?

„Es war Richard, der sich schließlich ohne Befehl mit ein paar Männern auf die Suche nach mir machte. Sie haben dieses verdammte Loch zur Hölle gebombt und nachdem sie selbst zehn Tage unterwegs waren, kamen nur … drei von ursprünglich sieben mit mir zurück.“ Sam setzte sich im Schneidersitz ihm gegenüber. Ihre Hände langen ineinander. „Ich brauchte keine medizinische Untersuchung, um zu wissen, dass ich nach den Vergewaltigungen“, Sam stoppte kurz, als Jack scharf die Luft einzog und sich mit schmerzverzogenem Blick abwandte, „schwanger war.“ Sam weinte still, aber erzählte tapfer weiter. „Als Richard davon erfuhr, betrank er sich so stark, dass er in der Nacht im Krankenhaus auftauchte und dort ein Zimmer nach dem anderen verwüstete. Daher die Narbe an seinem rechten Auge.“ Sam wischte sich mit den Fingern die Tränen aus dem Gesicht. Sie schwieg für einen weiteren Moment und Jack tat es ihr wieder gleich. Sie sahen sich an. „Ich habe vier Tage danach abgetrieben, Jack. Es war schließlich Marie, die mir von damals an nicht mehr von der Seite wich. Mit der Zeit wurden diese Wochen des Novembers eine bittere Erinnerung. Als ich ein paar Monate später im Pentagon vom Stargate-Projekt erfuhr, wusste ich, dass das mein Licht am Ende eines langen schwarzen Tunnels ist. Nicht danach zu greifen, hätte bedeutet, meinen Untergang zu akzeptieren. Zwei Jahre später trafen wir uns zum ersten Mal im Besprechungsraum, bevor es wieder nach Abydos gehen sollte. Ich war auf alles vorbereitet.“ Sam schaute zur Decke der Hütte und ließ den Kopf in den Nacken fallen. „Auf alles, nur nicht auf dich; nicht auf den Unfall deines Sohnes, der im gleichen Jahr stattfand wie ... Ich war nicht auf deine Liebe vorbereitet, die mich abhielt, zu akzeptieren, dass alles endlich ist.“ Sam erhob sich und positionierte die Decke, die sie immer noch um ihre Schultern hatte, neu. Sie sah aus einem der Fenster. Es hatte wieder angefangen zu schneien. „Ich kann keine Kinder mehr bekommen“, sagte sie leise, aber so laut, dass Jack es hören konnte.

Jack saß noch immer regungslos neben der Badezimmertür auf dem Boden. Nur das Knistern des Kamins und ihr Schluchzen erfüllten den Raum. Sam schwieg seit einer Weile und Jack hoffte inständig, dass das bedeutete, nun alle grausamen Details zu kennen. Jack stützte sich ab und kam ungeschickt auf die Beine. Sein Knie schmerzte.

Von seiner ersten Reaktion nach ihrer Geschichte veranlasst, drehte sie sich zu ihm um. „Und nun“, fragte sie erschöpft, als sie ihn auf sich zukommen sah.

Jack stand dicht vor ihr und nahm sie tief in seine schweren Arme. „Ich liebe dich“, flüsterte er mit fester Stimme.

Sam spürte die Erleichterung in sich hochkriechen und krallte die Fingernägel in den Stoff seiner Kleidung. Schließlich weinte sie hemmungslos und drängte sich noch tiefer in seine Umarmung. Ihre wärmende Decke rutschte von ihren Schultern und landete unbeachtet auf dem Boden.

~~~~~

Sam schreckte panisch auf und versuchte, sich zu orientieren und dabei ihre Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Sie schwitze und ihr Herz raste vor Angst.

Jack saß mit überschlagenen Beinen auf der Couch und schaltete die Lampe in seiner Nähe ein. Die Hütte war ebenso trivial erleuchtet wie sein Wohnzimmer damals. Er schaute zu seinem Bett hinüber und ihre Blicke begegneten sich.

Sam warf die Decke über ihrem Körper und blieb an der Bettkante sitzen. Sie fuhr sich mit bebender Hand durch das Haar.

Er richtete sich nachdenklich auf, stellte sein Bier zur Seite und entschied sich dagegen, zu ihr zu gehen. Sam hatte gerade erst zwei Stunden in seinem Bett geschlafen, seit ihr in seinen Armen die Augen zugefallen waren.

Leise stand sie ein paar Sekunden später auf und griff in ihrer Handtasche nach einem kleinen Fläschchen. Sie nahm einen tiefen Atemzug und beruhigte sich merklich.

„Zu viele Erinnerungen“, fragte Jack behutsam nach, der sie beobachtet hatte.

„Ja“, flüsterte sie und setzte sich zu ihm.

Jack reichte ihr sein Bier und Sam nahm dankbar einen großen Schluck.

„Willst du mir davon erzählen“, fragte er unsicher nach.

Sam spielte mit dem Etikett der Flasche und ihr Blick war fest darauf gerichtet. „Ich habe für eine Sekunde gedacht, ich würde ihn riechen können.“

Jack, der sich nun mit den Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln abstützte, fuhr sich langsam mit seiner Zunge über die Oberlippe. „Möchtest du, dass ich hier schlafe“, überlegte er laut, ohne sie anzusehen.

„Nein“, meinte sie schnell und ziemlich laut. Sam war so schockiert, dass sie das Atmen vergas. Sie wollte noch etwas sagen, öffnete ihren Mund und schloss ihn aber sogleich wieder. Mit den Fingerkuppen fuhr sie sich über die Stirn und sammelte ihre Gedanken. „Sitzt du deshalb hier?“ Sam bekam nur einen abschätzenden Blick. „Jack“, fuhr sie nachdenklich fort, „ich habe Jahre nicht über das gesprochen, was du vorhin erfahren hast und ich habe auch nicht vor, diese Wörter noch einmal in den Mund zu nehmen. So lange ich lebe“, meinte sie bestimmt. „Ich liebe dich und ich möchte nicht, dass meine Vergangenheit ein unüberwindbarer Brocken wird“, wiederholte sie eindringlich. „Du könntest mich nicht verletzen.“

Jack lächelte milde und griff nach ihren Händen.

~~~~~

Sam krabbelte wieder zu ihm und schmiegte sich dicht an ihn. Das Feuer im Kamin loderte neu auf, denn sie hatte gerade eben einen weiteren Holzbrocken nachgelegt. Seit einer Weile lag er nun mit ihr seitlich auf seiner schmalen und viel zu kurzen Couch. Sein Kinn ruhte auf ihrem blonden Schopf und sie drücke ihr Gesicht an seinen Hals. Streichelnd berührten sie sich und lagen in den Armen des jeweils anderen.

„Hat Daniel davon gewusst“, fragte Jack konzentriert. Die Augen hatte er geschlossen und gab sich ganz der Ruhe nach dem Sturm hin.

Sam nickte und hörte seinem pochenden Herzen zu. „Damals, nach Penau.“

„Teal’c?“

„Nein.“

„Pete Shanahan?“

„Nein.“

„Hast du dir Sorgen gemacht, weil du glaubtest, ich möchte wieder Kinder?“

Es lag nicht in seiner Natur, Dinge ungeklärt zu lassen. Sam wusste das. Sie wusste auch, dass er nicht lange warten konnte, bis er Fragen stellen musste. Er wollte verstehen und dazu gehörten sie nun einmal. „Ja, aber nicht nur deswegen.“

„Was noch?“

Sam überlegte, wie sie es am besten formulieren sollte. „Wir haben nie über Charlie gesprochen. Ich wusste, dass du es nicht wolltest und somit schwieg auch ich. Als ich dann erfuhr, wann Charlie starb, konnte ich nicht mehr mit dir reden.“ Sam hob den Kopf. „Ich hatte eine Wahl, Sara und du nicht.“ Sie bettete ihren Kopf zurück.

Jack verdaute die Informationen und schwieg wieder. Er positionierte sein Bein, das über ihrer Hüfte lag, neu und übte mehr Druck aus. Ein paar Minuten später meinte er leise: „Ich kann nicht glauben, dass mir in all den Jahren nie etwas aufgefallen ist. Gerade ich hätte doch …“

Sam rutschte zu ihm nach oben. Er öffnete seine Augen. „Fang nicht damit an, dir darüber Gedanken zu machen. Niemand, auch nicht General Hammond hat irgendetwas Genaueres gewusst. Und ich wollte es auch nicht.“

„Noch nicht einmal er?“

„Nein. Na ja, jetzt schon – die neue Beförderungsstufe“, erklärte sie nachdenklich.

„Was habt ihr dort unten nur gemacht“, fragte er gedankenverloren, als Sam wieder ihre Position an seiner Halsbeuge einnahm und er mit seiner Hand über ihren Kopf fuhr.

Sam schwieg und er auch - jedenfalls für eine Weile. „Marie gab mir Daniels Abschiedsbrief.“

„Ich weiß.“

„Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht nur deswegen kam.“

„Ich weiß.“

„Du hast dir wirklich eine sehr mutige Freundin ausgesucht. Sie steht dir in nichts nach.“

„Ich weiß.“

„Sie hat mein Familienfoto gesehen. Das, was im Wohnzimmer hängt.“

„Ich weiß.“

„Sam.“

Obwohl es ruhig klang, hörte sie die kleine mitschwingende Warnung. Sie schmunzelte. „Wie lange wolltest du eigentlich hier bleiben“, wollte sie ehrlich interessiert wissen.

Jack war über den plötzlichen Richtungswechsel verunsichert. „Eigentlich für den Rest meines Lebens. Warum?“

„Ich denke nicht, dass General Hammond uns beiden das erlauben würde.“

„Uns beiden“, fragte er schmunzelnd, aber überglücklich nach. Sein Gesicht zersprang vor Freude.

„Oder … nicht“, fragte sie schnell und schaffte es nur, bis zu seinem Mund aufzusehen. Sie hatte den Humor nicht gehört.

Jack hob ihr Kinn an, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Er küsste sie lang und innig. „Ich lasse dich nie wieder gehen, Sam.“

Und jetzt war es Sam, die ihn küsste und das Tempo ein wenig steigerte. Sie hatte befürchtet, er würde sich zurückhalten und genau das tat er auch. Seine Berührungen waren zögerlich und befangen. Sie wusste, dass ihre Vergangenheit ihn unnötigerweise bremste und das war falsch. Sie presste ihre Stirn an seine. „Jack, hör nicht auf, bitte. Ich sehne mich nach deinen Berührungen. Hör nicht auf.“

Sam konnte die unausgesprochene Frage in seinen Augen lesen und nickte daraufhin noch einmal kaum merklich. Obwohl die Bewegung so subtil war, war sie doch auch eindrucksvoll. Oft hatten sie sich auf Missionen nur mit Blicken verständigen können. Sam lächelte bei dem Gedanken, dass sie beide diese vertraute Art des Kommunizierens nie verlernt hatten.

Und Jack hörte nicht auf. Der Damm brach explosionsartig und spülte ihn und sie in einer einzig großen Welle der Erlösung fort. Die über Jahre verleugneten Gefühle, die Angst und die trüben Erinnerungen der letzten Zeit entluden sich in diesem einen Moment und beide hatten die Kontrolle über ihr Handeln verloren. Er war hektisch, wild und ungestüm, aber Sam lächelte unentwegt. Seine Hände rannten über ihren Körper und er atmete die ganze Zeit über stoßweise gegen ihre Haut. Ungeniert hatte sie schnell auf ihn reagiert und ihn ohne langes Zögern willkommen geheißen. Beide klammerten und zitterten und doch hätte sie es nicht anders gewollt. Und während sie noch in der süßen Erlösung ihres ersten Males schwamm, begann er bereits erneut, ihren Verstand zu entführen.

Das zweite Mal war leidenschaftlicher, langsamer, ernster. Sanft hatte er sie mit seinen Lippen berührt, wo nur er es durfte. Sie hatte nicht im Entferntesten mit dieser Zärtlichkeit gerechnet. Er hatte soviel gesehen und getan und er war so sinnlich. Sam war in seinen rhythmischen Bewegungen gefangen, die er gekonnt steigerte. Er kannte ihren Körper gut, berührte sie vertrauter als je ein anderer und zögerte den Moment hinaus. Sie ließ sich fallen, überließ ihm gern die Führung. Stumm rief sie seinen Namen und las in seinen dunklen Augen, was sie selbst empfand. Seine schmalen Finger ließen nicht von ihr ab. Und als er schließlich keuchend auf sie nieder sank, flehend ihren Namen rief, folgte Sam ihm nur ein paar Sekunden später.

~~~~~

Es begann ganz langsam zu dämmern und wie bei einem Kaleidoskop zierten kleine Schatten ein abenteuerliches Muster auf sein Gesicht und auf seinen Körper. Jack schlief und Sam beobachtete ihn von einem Stuhl neben seinem Bett aus. Sie hatte ein Bein auf die Sitzfläche gezogen und die Arme darum geschlungen. Sam trug sein weich fallendes, graumeliertes Flanellhemd und ihren Slip. Die Kissen, Decken und Laken ließen die letzten Stunden der Nacht erahnen und Sam verlor sich in der Erinnerung. Mit ihren Fingern strich sie sich durch das Haar und lächelte, als sie unweigerlich seinen Berührungen nachspürte. Jack murmelte leicht im Schlaf etwas Unverständliches und forderte so wieder ihre Aufmerksamkeit. Er schlief auf dem Rücken und die Zudecke lag tief auf seiner Hüfte. Er bewegte sich und seine rechte Hand fuhr zu dem leeren Platz neben ihm. Er seufzte. Suchend griffen die Finger über den Stoff der Laken und der Decken. Sams Lächeln wurde breiter und schließlich stand sie auf.

„Was muss ich eigentlich noch tun, damit du dich nicht ständig aus meinem Bett stielst“, fragte er vorwurfsvoll und schläfrig. „Das ist schon das zweite Mal und ich würde sehr gern einmal mit dir gemeinsam aufwachen.“

Sam lief zu seiner Bettseite hinüber und setzte sich. Sie beugte sich leicht nach unten und küsste ihn federleicht. Schnell stand sie wieder auf, bevor er ihn intensivieren konnte. Seine Hände hatten bereits den Weg unter das kaum zugeknöpfte Hemd gefunden.

Unzufrieden warf er sich wieder in die Kissen zurück und sah ihr mit hinter dem Kopf verschränkten Armen nach, wie sie die Küche betrat.

Plötzlich schwankte sie, hielt in der Bewegung inne und griff Halt suchend nach der Arbeitsplatte. Ihr war schwindelig und sie musste die Augen schließen.

Jack war sofort an ihrer Seite und stützte sie. „Whoaou, langsam! Was ist los“, fragte er besorgt und musterte sie.

„Nichts Besonderes“, sagte sie sarkastisch und berührte streichelnd seine Hand auf ihrem Oberarm, „ich müsste nur mal wieder versuchen, etwas zu essen.“ Sam kämpfte bereits jetzt schon gegen die Übelkeit an und dabei hatte sie das Wort nur erwähnt.

Jack überlegte kurz. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie gestern nichts gegessen hatte und am Vortag ihrer Anreise wohl auch nicht besonders viel. Kurzentschlossen hob er sie auf die Kücheninsel hoch und lief in das offene Schlafzimmer zurück. Er zog sich nicht mehr als eine schwarze warme Hose über den nackten Po und begann dann, ein paar Eier mit Speck in der Pfanne herzurichten. Die Kaffeemaschine gluckerte fröhlich und Sam sah ihm von ihrem zugedachten Posten aus zu. Es hatte keine zehn Minuten gedauert, als er ihr einen Teller in die Hand drückte. „Iss“, befahl er konzentriert.

Sam sah von ihm, auf den großen Haufen Rührei auf dem Teller und wieder zu ihm zurück. Seine Augen hefteten auf ihrem Gesicht. Gern hätte sie zu seinem geschmetterten Befehl etwas gesagt, ließ es dann aber doch sein. Also stocherte sie ein wenig ratlos in dem Ei. Sam schaffte es schließlich, und das war ihrer Willenskraft zu verdanken, ein bisschen zu essen.

Jack lehnte ihr gegenüber mit verschränkten Armen an der Küchenzeile und studierte sie. Schließlich griff er nach seiner Tasse und nahm einen großen Schluck Kaffee.

„Mir fällt das Essen schwer“, meinte sie unnötigerweise, als sie bereits überlegte, den Teller neben sich zu stellen und ihm damit zu erklären, dass sie einfach nicht mehr konnte.

Jack nickte und kräuselte die Stirn ein wenig. „Schritt für Schritt, Sam. Und jeden Tag ein bisschen mehr.“ Jetzt reichte er ihr eine Tasse Kaffee.

„Danke“, meinte sie. Das warme Porzellan fühlte sich gut in ihren Händen an. „Hat“, begann sie vorsichtig und senkte schuldbewusst den Blick, „Janet je mit dir über meinen Gewichtsverlust gesprochen?“

„Nein.“ Er stellte seine eigene Tasse ab und trat zu ihr. „Das war auch gar nicht nötig, ich habe es mitbekommen.“

Natürlich hatte er das. Sam sah ihn still an. „Hammond?“

„Nein, natürlich nicht“, meinte er ernst. „Mir wäre es von nun an lieber, wenn du zukünftig die Dinge nicht mehr mit dir allein ausmachen würdest.“

Ihr stiegen bei seinen liebevollen Worten Tränen in die Augen.

„Ich meine … wer könnte dich besser verstehen … als ich.“ Jack erwartete ihren Blick und als ihr Kopf sich wie vorausgesehen hob, versuchte er sich an einem Lächeln. „Sam, ich verspreche dir, wir überstehen diese, unsere Novembertage und wir werden Daniels …“ Jack brach ab und blickte zur Seite.

„Gemeinsam, so wie immer“, sagte sie schließlich und nickte ihm aufmunternd zu. Ihre Hand griff nach seiner und er verstärkte den Druck.

„Ja“, stimmte er zu, „denn, wenn nicht … ich wüsste ...“

Sam legte ihm den rechten Zeigefinger auf seine Lippen. „Shh“, nuschelte sie leise und küsste ihn. „Gemeinsam“, bestätigte sie noch einmal.

~~~~~

Nach drei Tagen funktionierte Jacks Telefon wieder. Dieser Umstand wurde ihnen schrillend mitgeteilt, als ein Anruf kam. Es waren Anna und Paul und ließen Sam wissen, dass ihr Auto fahrbereit hinter ihrem Haus stehen würde. Sam sprach noch ein paar beruhigende Worte mit Anna und Paul hatte Jack gebeten, seine letzte Bestellung abzuholen. Jack machte sich dann zwei Tage später endlich auf den Weg. Es schien die Sonne und Sam glaubte, dass, wenn die Lebensmittel nicht zu neige gegangen wären, er nie die Hütte verlassen hätte. Sie hatten bislang jede Minute zusammen verbracht und versuchten, die versäumte Zeit nachzuholen. Stunden, gemeinsam zu verbringen, hatte oberste Priorität und war auch nötig. Sam hatte keine Schuldgefühle und fühlte plötzlich eine Leichtigkeit, die sie von damals kannte, bevor sie im Irak mit dem Flugzeug abstürzte.

Sam wusste, dass er sich nicht lange aufhalten wollen würde. Also nutzte sie die Gelegenheit, um noch einmal bei Marie und Richard anzurufen. Beide waren über die Neuigkeiten glücklich und Marie versicherte ihr, dass mit dem Baby alles in Ordnung war. Sam wollte hier ihren restlichen Urlaub der ursprünglichen sechs Wochen verbringen und gemeinsam mit Jack entscheiden, wie es von nun an weiter gehen sollte.

Jack war seit Mittag von Paul zurück und nun war es später Nachmittag. Sam hatte nach dem Telefonat mit ihren Freunden etwas aufgeräumt und abgewaschen und vor allem den Kamin angezündet. Gemeinsam hatten sie sich nun davor niedergelassen. Sie trank Tee, er einen Kaffee. Jack hatte sich als erster hingelegt und bettete seinen Kopf in ihrem Schoß.

„Hey, Sam“, flüsterte er. Er strich ihr federleicht eine Strähne hinter das Ohr und streichelte sacht über ihre Wangenpartie. Er sah, wie sie langsam erwachte.

„Ich dachte, du wolltest duschen gehen“, murmelte sie völlig schlaftrunken. Sie lag in den Kissen und Decken vor dem Kamin.

„Das war ich, vor zwei Stunden.“ Jack lächelte amüsiert.

Erst jetzt schien Sam die Decke über ihrem Körper zu spüren und befreite schließlich ihre Arme daraus. Sie schluckte schwer und versuchte sich zu orientieren.

„Komm, ich bring dich ins Bett.“ Jack fuhr mit seinem linken Arm unter ihre Knie und mit dem rechten um ihren Oberkörper.

Sam fielen die Augen an seiner Brust erneut zu. „Einverstanden“, stimmte sie mit dem Tonfall eines Kleinkindes zu.

Jack lachte leise. Wie oft hatte er Zeit und Raum in seiner Hütte vergessen? Wie oft konnte er sich einfach fallen lassen, wenn er hier zur Ruhe kam? Jack konnte völlig von dieser und von anderen Welten abschalten, seine Erinnerungen ausblenden und Kraft schöpfen. Diese Gegend hatte etwas Magisches oder vielleicht war es auch nur die Bequemlichkeit, die sein geschundener Körper nach einer anstrengenden Mission suchte.

Sam fühlte noch im Halbschlaf, wie er sie auf das Bett legte und sorgfältig zudeckte. Es kostete sie viel Kraft, um ihre Augen zu öffnen und doch tat sie es, nur um wage seine Gestalt erkennen zu können. „Bleib“, befahl sie ihm erschöpft, als sie in dem dunkeln Raum seine Silhouette schwinden sah.

Jack zögerte nicht wirklich und ging dann wieder zurück. Ein paar Sekunden später fand er an ihrem Rücken ebenfalls Ruhe.

Sie griff blind nach seiner Hand und führte sie um ihre Hüfte herum.

Er rutschte mit seinem Becken näher an sie heran und übte auf ihrem flachen Bauch einen seichten Druck aus.

Sam korrigierte ihre Position leicht in seine Richtung und er kuschelte sein Gesicht in ihr Haar.

~~~~~

Jack war nicht von seiner Entscheidung abzubringen. Er wollte den Rücktritt und Sam verstand nach ein paar Diskussionen auch warum. Er hatte schon zuviel gesehen, dass es für mehrere Leben reichte und jetzt brauchte er diese Zeit in seinem Leben. Nach Daniels Unfall war etwas in ihm zerbrochen und auch Sam konnte ihn nicht überzeugen, wieder in den aktiven Dienst einzusteigen. Über beratende Möglichkeiten wollte er mit General Hammond sprechen, wenn sie beide wieder nach Colorado Springs zurück fahren würden. Dies sollte aber noch ein paar Wochen dauern.

Sam begann, abzuschalten und sich zu erholen. Die Ruhe hier oben war gerade zu Beginn so laut, dass sie das Gefühl hatte, es nicht länger ertragen zu können. Sam joggte dann meistens durch den Wald und Jack hatte schnell eingesehen, dass sie sich durchaus noch „im offenen Feld“, wie er es nannte, bewegen konnte, ohne sich zu verirren. Sie genoss die Zeit mit ihm und hatte ihre anfänglichen Befürchtungen, Jack eigentlich nur auf dienstlicher Ebene zu kennen, schnell über Bord geworfen. Er war immer noch er.

Jack hingegen hatte zu kämpfen. Er fühlte sich noch immer für Daniels Tod verantwortlich und auch Sams Erlebtes nagte an ihm. Jedes Mal, wenn Sam und er sich über die letzten neun Jahre im Stargate-Center unterhielten, durchwühlte er seine Erinnerung und hinterfragte gedanklich all ihre Entscheidungen. Ab und zu kam er ihr sogar auf die Schliche.

„Du hast damals gesagt, du wusstest es, dass Cassies Bombe nicht hochgehen würde, als wir alle in diesem beschissenen Bunker warteten.“ Jack war wirklich sauer. Seine Faust landete auf der Tischplatte und ließ Sams Tee überschwappen. Sein jetziges Wissen ließ ihr Bleiben in einem anderen Licht erscheinen.

„Jack, ich konnte sie dort unten nicht allein sterben lassen.“ Sam erhob sich und lief ihm nach.

„Gott verdammt, Sam.“ Er rieb sich resigniert über die Augen.

„Cassandra stolperte genauso unerwartet in mein Leben wie du. Und damals dachte ich wirklich, sie wäre mein Schicksal. Gerechter Ausgleich, wenn du so willst.“ Sam legte ihre Handfläche über sein Herz und Jack atmete daraufhin tief durch.

~~~~~

Wenn Sam einmal nicht bei ihm war, setzte er sich vorwiegend an seinen zugefrorenen See und schaute in die Ferne. Hier drifteten seine Gedanken ab und meistens vergaß er die Zeit. Einmal war es sogar vorgekommen, dass Sam nach dem Joggen bereits geduscht war und er sich immer noch nicht zu ihr gesellte. Nachdem sie sich mit einer Decke und einer Flasche Bier bewaffnet hatte, ging sie zu ihm nach draußen. Sie wollte ihn im Gesicht berühren. Nie im Leben hätte Sam gedacht, dass er so erschrocken zusammenfahren würde. Seine große Hand schnellte zu ihrem Handgelenk hoch und umfasste es kräftig. Sams Körper geriet in Alarmbereitschaft. Während sie reflexartig die Umgebung taxierte, rutschte ihr ein unangebrachtes „Sir?“ heraus. Kurz darauf besann sie sich und nahm schweigend seine Hand. Sie lotste ihn in die von nun an stets warme Hütte zurück.

Der Tag war wieder einmal wie alle anderen auch schnell verflogen und so sehr Sam auch versuchte, die Stunden mit ihm festzuhalten, rann ihr die Zeit ungehindert durch die Finger. Die Sonne ging langsam unter, als sie gerade beschloss, sich wieder von ihm zu erheben. Er griff an ihre Hüfte. „Hier geblieben.“ Jack lag mit dem Rücken auf seinem Bett.

„Aber dein Knie“, protestierte sie ohne Aussicht auf Erfolg und verlagerte ihr Gewicht auf ihre Kniescheiben.

„Nicht so schlimm. Also weiter“, bat er freundlich und drückte sie auf sich zurück.

„Wir werden ein Umzugsunternehmen brauchen“, meinte sie.

Sam hatte mangels an Alternativen schließlich doch eingewilligt, erst einmal in Colorado Springs zu ihm zu ziehen. Die Mieter in ihrem Haus hatten es sich erst vor ein paar Wochen bequem gemacht und würden jetzt nicht wirklich ans ausziehen denken wollen. Ihre Wohnung in Washington wäre definitiv zu klein und zu weit weg gewesen und so hatte Jack, dessen Augenbrauen daraufhin gefährlich zuckten, Recht bekommen.

„Das denke ich auch. Langley wird nicht noch einmal helfen wollen, nehme ich an“, fragte er grinsend.

„Wie kommst du darauf, dass Richard mir beim Umzug geholfen hat?“

Jack atmete entwaffnend aus. „Ich habe ihn gesehen.“

Sam überlegte kurz und setzte sich neben ihn. „Du warst da draußen“, schlussfolgerte sie.

„Natürlich!“ Er hatte fest einen Balken seiner Decke taxiert.

„Du hättest klingeln können.“ Sie sah angespannt zu ihm hinüber und schüttelte sogleich den Kopf. Sie senkte den Blick. Natürlich hätte er das nicht gekonnt.

„Sam“, sprach er beschwichtigend und schaute nun ebenfalls zu ihr, „was hätte ich sagen sollen?“

„Woher wusstest du eigentlich von dem Treffen?“ Sam kreuzte die Beine.

„Daniel“, antworteten sie gemeinsam und nickten sich geknickt zu.

„Er hat immer an uns geglaubt“, meinte Sam nachdenklich.

Jack presste die Lippen aufeinander und schaute gebannt zu ihr. „Als ich Langley sah, dachte ich wirklich, dass es vielleicht an der Zeit wäre, dich loszulassen. Du solltest in Washington glücklich werden.“

~~~~~

In Colorado Springs hatte es zur Abwechselung mal länger nicht geschneit, als Jack und Sam bei seinem Haus ein paar Wochen später ankamen. Beide hatten sich so an eine schneebedeckte Umgebung gewöhnt, dass es hier schon etwas sonderlich aussah.

„Wenn du nicht augenblicklich deine Hüfte still hältst, garantiere ich dir, werden wir uns beide heute bei Hammond verspäten.“ Jack griff nach ihrer Hand, die sich obendrein auf seinem Bauch streichelnd abwärts bewegte. Während er mit ihr auf seinem Bett im Schlafzimmer lag, befand sich Sam halb auf ihrem Bauch liegend dicht an ihn gedrückt. Sie hatte ein Bein in seinen Schritt gelegt und ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter.

Sam öffnete ihre Augen und lachte angesichts seiner Bemerkung leise. „Wie spät ist es?“

Jack drehte seinen Kopf, um die Uhr sehen zu können. „Gleich elfhundert“, meinte er und verschränkte seine Finger mit ihren. Langsam schloss er wieder die Lider, als er ihr einen Kuss auf das Haar gab.

„Wir haben noch viel Zeit“, flüsterte sie müde gegen seine Brust.

„Von nun an zu wenig. Wir hätten Minnesota nicht verlassen sollen. Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern.“

Sam stützte sich auf seinem Oberkörper ab und richtete sich auf, um ihn ansehen zu können. Er streichelte nun ihren Rücken und Sam küsste sein Kinn.

Jack lächelte ruhig und schob die Frau in seinem Arm nun ganz auf seinen Körper hinauf. Gemeinsam atmeten sie im Takt und sahen sich an.

Sam überlegte kurz. „Wie geht es dir?“ Sie faltete ihre Hände auf seiner Brust und stützte ihr Kinn darauf ab.

„Wieso fragst du?“ Jack senkte stutzig seinen Blick.

Sam zählte auf: „Rücken, Knie, Schnittwunden … Willst du noch mehr?“

„Bloß nicht!“ Jack faltete seine Hände auf ihrem Rücken. „Klingt so, als ob du dich in einen ziemlich alten Mann verliebt hast, Sam“, sinnierte er.

„Das stimmt nicht.“ Sam küsste genüsslich seine Unterlippe.

Augenblicklich öffnete er seine Augen. „Dass du dich verliebt hast“, fragte er unbegreiflich nach.

„Dass du alt bist“, antwortete sie schnell und lächelte erneut, als nun er sie küsste.

~~~~~

General Hammond wirkte nicht sonderlich überrascht, als Jack gemeinsam mit Sam in seinem Büro erschien. Jack erklärte ihm, wie er sich seine Zukunft vorstellte und dass Sam darin eine zentrale Rolle spielen würde.

George Hammond hatte sich lediglich nach dieser Ansprache in seinen Stuhl zurückgelehnt und lächelte milde. „Ihr Vater, Sam, hätte es nicht anders gewollt. Glauben Sie mir. Er sagte immer, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis beide von Ihnen erkennen würden, auf was es ankommen sollte.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er an Jack gewandt weitersprach: „Jack, mir schwebt da etwas ganz Spezielles vor, was ich genauer mit Ihnen diskutiere möchte. Lassen Sie mich ein paar Anrufe erledigen.“

„Keine Missionen mehr, Sir“, bekräftige Jack noch einmal seinen Wunsch.

Sam hingegen hatte sich mit dem Gedanken angefreundet, wieder einem SG-Team beizutreten. Sie wehrte sich aber vehement, SG-1 anzuführen, was George Hammond ihr durchaus in der Zukunft in Aussicht stellte.

Teal’c war zwei Tage zuvor wieder auf der Erde angekommen und er und Sam waren nun Mitglieder von SG-2. Es sollte nie wieder ein SG-1-Team geben und das versprach General Hammond Sam in die Hand.

Mit verschränkten Fingern und festem Schritt liefen sie durch die Gänge des Cheyenne Mountains und traten in den Fahrstuhl, der sie an die Oberfläche bringen sollte. Als die Türen sich schlossen, zog er Sam in seine Arme und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Danke. Danke hierfür.“

~~~~~

Richard blieb mit Marie an seiner Seite stehen und beide sahen Jack und Sam zu, wie sie auf Daniels Grab zuliefen.

Sam ließ seine Hand los und nickte ermutigend. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf den Mundwinkel. Ernst sah sie ihn an. „Na los“, meinte sie sicher.

Jack ging die letzten Meter allein und Sam hatte alle Mühe, ihn auch allein gehen zu lassen.

Marie trat schnell an ihre Seite und legte eine Hand um ihre Taille. Beide Frauen sahen zu, wie Jack an Daniels Grab in die Knie ging. Sam begann zu zittern und unweigerlich stiegen Tränen in ihren Augen auf. Ihre Hand schnellte an den Mund.

Ihre Freundin festigte den Griff und hielt sie auf. „Nein, Sam. So und nicht anders ist es richtig.“

Sam nickte unsicher, ließ aber Jack nicht aus den Augen.

Ein paar Minuten später kam er zurück, zog seinen Handschuh der rechten Hand aus und wischte Sam mit seinem Daumen eine Träne aus dem Gesicht, gefolgt von einem federleichten Kuss auf ihre kalten Lippen.

Marie hatte sich zurückgezogen und wartete nun neben Richard, der noch immer an dem großen Eisentor stand.

„Daniel hatte Recht“, meinte er und fuhr mit einem traurigen Lächeln fort, „wie immer - meistens jedenfalls.“

Sam sah zu ihm auf und wartete, dass er sich erklären würde.

„Man hat immer eine Wahl“, sagte er dann und führte Sam in seinem Arm vom Friedhof.


~~~~~ ENDE ~~~~~
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