Short-Cut: "Da bin ich wieder", sagte sie lächelnd und diese Worte rüttelten etwas in ihm wach.Es war ein eigenartiges Gefühl, nach einem Jahr wieder hier zu stehen. Nichts hatte sich verändert, alles war noch an seinem Platz, unversehrt, und doch kam es ihr gleichzeitig fremd und vertraut vor.
Der Gateraum lag im Dunkeln, nur schwach beleuchtet vom Mondschein und dem gedämpften Licht aus dem Kontrollraum. Aber selbst wenn absolute Schwärze vorgeherrscht hätte, sie hätte trotzdem mit Leichtigkeit die Treppen hinaufsteigen und in ihr Büro gehen können. Ihr altes und nun wieder neues Büro.
Sie hatte lange mit sich ringen müssen, ob sie zurückkehren sollte oder nicht. Auch in diesem Moment fühlte sie sich zweigespalten, obwohl es an ihrer Entscheidung nichts mehr zu rütteln gab. Dieser Raum, diese Stadt, erweckten lang vergrabene, dunkle Erinnerungen, mit denen sie nun schon seit über einem Jahr leben musste.
Wie oft hatte sie um ihr eigenes und das Leben ihrer Leute bangen müssen?
Und dieses eine Mal hatte das Glück nicht auf ihrer Seite gestanden.
Bilder ihres Unfalls und der ungewissen Zeit danach kamen ihr in den Sinn. Anfangs war ihr Leben auf Messers Schneide gestanden, um ein Haar wäre sie gestorben und nicht dem Tod noch in letzter Sekunde von der Schippe gesprungen. Danach hatte sie die Diagnose bekommen, dass sie sich vielleicht nie wieder vollständig von diesem Sturz erholen würde. Noch immer fühlte sie ihre Angst, ihr Entsetzen darüber und auch ihre Scham über ein Gefühl, dass sie damals erfasst hatte: Erleichterung.
Erleichterung darüber, dass sie nun in Sicherheit war, weit weg von den Wraith und fremden Naniten, die ihren Körper zerstören wollten. Auch wenn sie versucht hatte, diese Empfindung zu unterdrücken - immerhin waren ihre Freunde noch immer in Gefahr - ihre erste Erinnerung nach ihrer Rückkehr auf die Erde war ihre unermessliche Erleichterung gewesen.
Im Nachhinein war ihr klar, dass diese Reaktion angesichts ihres traumatischen Unfalles durchaus natürlich war, dennoch konnte sie die langgehegten Gewissensbisse nicht gänzlich unterdrücken. Vielleicht hatten diese Schuldgefühle ebenfalls zu ihrer Entscheidung beigetragen, genau wie ihre Sehnsucht nach ihren Freunden und ihr Drang nach großen Herausforderungen, aber letztendlich war für sie ein einziger Grund ausschlaggebend gewesen: Gutes zu tun.
Den vielen Völkern in dieser Galaxie bei ihrem Kampf gegen die Wraith zu unterstützen, wichtige Beziehungen zu ihnen aufzubauen, einander zu helfen, all das hatte sie nun wieder hier her geführt.
Nach Hause zu Kollegen, die all die Jahre über zu guten Freunden geworden waren und sie selbst das letzte Jahr über - so gut es eben über eine Distanz von mehreren Millionen Lichtjahren möglich gewesen war - mit all ihrer Kraft unterstützt hatten.
Sie war Col. Caldwell dankbar dafür, dass er ihre Rückkehr vorerst für sich behalten und sie gleich nach ihrer Ankunft in den Gateraum gebeamt hatte. So konnte sie sich in Ruhe erst einmal sammeln und sich über ihre Entscheidung ein letztes Mal klar werden.
Langsam ließ sie den Blick durch den Raum schweifen, über die hohen Fenster, vorbei am Stargate und dem schwach beleuchteten Kontrollraum.
Nein, dachte sie erleichtert, sie bereute es nicht, wieder zurückgekehrt zu sein.
***
Wieso hatte ihn niemand rechtzeitig davon unterrichtet, dass der neue Leiter soeben eingetroffen war?
John marschierte rasch zum Gateraum, wo sich der Unbekannte laut Caldwell aufhalten sollte. Er fand es mehr als nur ärgerlich, dass es bis jetzt niemand für nötig befunden hatte, ihm den Lebenslauf oder wenigstens den Namen seines neuen Vorgesetzten zu verraten, einschließlich Caldwell.
Selbst wenn der Neue ihn unbedingt im Gateraum empfangen wollte, so hatte er doch das Recht, ein klein wenig vorbereitet zu sein. Elizabeths Büro, das er nun das letzte Jahr über für sich beansprucht hatte, um die anfallenden Verwaltungsaufgaben zu bewältigen, musste noch aufgeräumt werden, fiel ihm ein. Er hatte es nicht so mit Ordnung halten.
Ihm gefiel diese Geheimhaltung nicht. Das konnte nur bedeuten, dass sie einen Schwachkopf vor die Nase gesetzt bekamen, der den mittlerweile reibungslosen Arbeitsablauf in dieser Stadt empfindlich stören würde. Es war schon eine enorme Umstellung gewesen, als nicht mehr Elizabeth sondern er für die Leitung verantwortlich geworden war. Zugegeben, John hatte diesen Job gehasst und gewusst - nein, regelrecht gehofft - dass er nur vorübergehend auf dem Chefsessel sitzen würde, aber nun für jemanden arbeiten zu müssen, der vielleicht überhaupt nicht zu ihnen passte', gefiel ihm noch weniger.
Seiner Meinung nach, war nur eine Person für diesen Job qualifiziert, dieselbe Person, die diesen Job drei Jahre lang innegehabt hatte.
Endlich erreichte er den Gateraum und blieb verdutzt am oberen Ende der Treppe stehen. Der Raum lag im Dunkeln und ein Blick in den Kontrollraum bestätigte ihm, dass der diensthabende Offizier nicht mehr anwesend war.
Kaum zu glauben, erst fünf Minuten hier und schon werden Leute von ihren Posten verscheucht, schoss es John durch den Kopf.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er hinter dem Stargate eine Bewegung, was ihn neugierig die Treppe hinuntersteigen ließ.
"Entschuldigen Sie die Verspätung, aber ich wurde erst vor ein paar Minuten darüber informiert, dass Sie mit der Daedalus angekommen sind. Ich hoffe, Sie..."
Er traute seinen Augen nicht, als sein neuer Expeditionsleiter aus dem Schatten hervortrat.
"Hallo, John."
Elizabeth ging zögerlich auf ihn zu und blieb einen Meter vor ihm stehen. Nur ein leichtes Hinken zeugte noch von ihren schweren Verletzungen, die sie vor einem Jahr erlitten hatte. Ansonsten wirkte sie vollkommen gesund.
Er konnte nicht anders, er musste sie einfach anstarren. Erinnerungen an Besuche im Krankenhaus fielen ihm ein, als sie an diverse medizinische Geräte angeschlossen völlig entkräftet auf dem Bett gelegen hatte. Als sie ihm, den Tränen nahe, gestanden hatte, dass sie sehr wahrscheinlich nie nach Atlantis zurückkehren würde. Er hatte sie nur kurz besuchen können, aber anschließend hatte er den Kontakt mit ihr aufrecht erhalten, immer wieder Nachrichten geschickt und ihr Mut zugesprochen. Wie alle anderen hier in dieser Stadt, hatte er sich gefreut, wenn sie über Fortschritte hatte berichten können. Aber sie nun jetzt vor sich zu sehen, als wäre dieser Unfall, dieses schreckliche Jahr niemals geschehen, machte ihn einfach sprachlos.
"Da bin ich wieder", sagte sie lächelnd und diese Worte rüttelten etwas in ihm wach.
Natürlich, er hatte das damals nach seiner überraschenden Rettung durch die Daedalus zur ihr gesagt, als er wieder nach Atlantis zurückgekehrt war! Unheimlich erleichtert und froh darüber, sie in einem so guten Zustand zu sehen, erwiderte er ihre Worte auf die ihm in diesem Moment einzige Möglichkeit. Er trat auf sie zu und umarmte sie, drückte sie fest an sich, genoss einfach die Rückkehr einer guten Freundin.
"Ja, das bist du", antwortete er pflichtbewusst in Erinnerung an ihre damalige Situation und löste nach - seiner Meinung nach - viel zu kurzer Zeit die Umarmung. Ihre Augen glänzten freudig und sie standen sich noch kurz schweigend gegenüber.
Eine kleine Bemerkung konnte er sich jedoch nicht lange verkneifen.
"Wurde aber auch Zeit."
Lachend gab Elizabeth ihm einen Kuss auf die Wange. Bevor er sich von dieser Überraschung erholen konnte, hängte sie sich bei ihm ein und angeregt unterhaltend schlenderten sie auf ihren Balkon.
46%