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Spiel mit der Vergangenheit von Mac

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Teil 2: Rettung vor der Hölle

1991

Pete Thornton saß an seinem Schreibtisch in seinem Büro der Phoenix-Foundation in Los Angeles und ackerte sich durch den liegengebliebenen Papierkram, als es an seiner Tür klopfte.

"Komm rein!" rief er, es konnte nur seine Sekretärin Sandra sein, die sich wagte, ihn dabei zu stören. Es kam selten vor, daß Sonntags gearbeitet wurde, aber wichtige Termine hatten ihn und Sandra dazu verdonnert. Pete hasste Papierkram und wenn er einmal damit angefangen hatte, dann störte ihn niemand mehr, außer es war wirklich wichtig. Sandra kam herein und überbrachte ihm einen weißen Umschlag.

"Der ist von Mark Stewart. Er sagte, es würde Dich sicher interessieren."

Pete nahm das Kuvert entgegen und lächelte sie an. "Danke Sandra, ein bißchen Abwechslung kann ich jetzt gebrauchen." Er wartete, bis Sandra das Zimmer wieder verlassen hatte und öffnete es.

Heraus fielen ein Foto und ein Ausschnitt aus einer Zeitung von Colorado, die einen Mann zeigten, den er eigentlich sehr gut kannte. Aber die Frisur und der Gesichtsausdruck passten nicht zu ihm, außerdem schien er viel älter.

"Das gibt’s doch nicht" murmelte er und las den Zettel, der dabei mit herausgefallen war.

>Hallo Pete!

Dieses Foto habe ich in Colorado gemacht. Der Artikel wird Dich ein wenig aufklären. Die Ähnlichkeit fällt Dir sicher auf. Er befindet sich wegen Mordes in einem Polizeirevier in Colorado Springs und soll angeblich ein gefährlicher Terrorist sein. Vielleicht macht Dich das neugierig?

Alles Gute, Mark<

Thornton schaute sich die beigefügten Ausschnitte nochmals genau an, schüttelte verwirrt den Kopf und griff zum Telefon. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als einen Freund von seinem wohlverdienten Urlaub zu holen.

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Erst langsam wurde Jack O‘Neill bewusst, in welcher Lage sie sich befanden. Sein Gehirn weigerte sich, das gerade Erlebte richtig zu verarbeiten und er hatte Schwierigkeiten, die wesentlichen Zusammenhänge zu erkennen.

Doch bevor Daniel ihm etwas erklären konnte, wurden sie getrennt und das letzte, das Jack noch wahrnahm war ein erneuter Schlag, der ihn an der Schläfe traf und sein Bewußtsein wieder in eine gnadenlose Schwärze schickte.

Daniel sah seinen Freund in sich zusammensacken und drehte sich überrascht um. "Was soll das?" schrie er erbost und wollte ihm zu Hilfe eilen.

Ein großgewachsener schlanker Mann versperrte ihm jedoch den Weg. Daniel verstand nicht, warum man Jack nicht die kleinste Gelegenheit gab, sich zu erholen. "Tot nützt er Euch doch auch nichts! Das habt Ihr selbst zugegeben!"

Eine Schrotflinte presste sich in seine Rippen und mit erschreckend lauter Stimme vertrieb man ihn:

"Verschwinden Sie Jackson, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. Ein paar Meilen östlich ist eine Straße."

"Aber was haben Sie mit Jack vor?" Langsam wich der junge Mann vor der Waffe zurück.

"Der ist bald gut aufgehoben. In Florence wird es ihm sicher gefallen!" grinste der Mann, spannte den Hahn seiner Waffe und schoß eine Ladung Schrot vor Daniels Füße.

Widerwillig ging Daniel einige Schritte zurück, war jedoch immer noch nicht gewillt, den Colonel so einfach im Stich zu lassen. Doch als die Schrotflinte auf seine Brust zielte, blieb ihm nichts anderes übrig, als schnellstens das Weite zu suchen.

Er hetzte davon und hörte noch im Hintergrund das Lachen der Männer, die den bewusstlosen Jack aufhoben und in einen nahestehenden LKW verfrachteten.

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Los Angeles

>Ich denke, viele Menschen kennen das Gefühl der Erleichterung, wenn man nach längerer Abwesenheit seine Wohnung in demselben Zustand wiederfindet, wie man sie verlassen hat.

Schon zu oft wurde ich in dieser Hinsicht enttäuscht und so war die Freude um so größer, als ich die Appartementtür aufschloß und sah, daß alles da stand, wo es hingehörte. Alles was ich wollte war meine Ruhe für mindestens 48 Stunden. Dann war ich gewillt, der Welt und seinen Problemen wieder ins Auge zu sehn.<

Schon zum drittel Mal riß ein hartnäckiges Telefonklingeln MacGyver aus dem Schlaf. Zweimal hatte er es geschafft, es zu ignorieren und seinen Kopf unter dem Sofakissen zu vergraben. Jetzt wühlte er sich genervt aus seiner Decke heraus und blickte haßerfüllt auf den lärmenden Apparat. Hätte er nur den Anrufbeantworter eingeschaltet.

Erst vor wenigen Stunden war er von einem anstrengenden Auftrag aus Nepal zurückgekommen und er fragte sich, ob auf seiner Stirn ><Ich liebe die Kälte< stand. Er wurde in letzter Zeit so häufig auf die kalten Teile der Erde geschickt, daß ihm schon Handschuhe wuchsen.

Jetzt wollte er schlafen, schlafen und nochmal schlafen.

Nur zwei Personen fielen ihm ein, die hartnäckig genug waren, so oft anzurufen. Jack Dalton und Pete. Jack befand sich mit ziemlicher Sicherheit in Südamerika. Also blieb nur noch Pete. Ein weiteres Klingeln riß ihn aus seinen Gedanken. Mit einem Stöhnen nahm er den Telefonhörer ab.

"Ich bin nicht zu Hause, Pete!" bellte er, noch bevor sein Gesprächspartner einen Ton hervorbringen konnte.

"Woher.... ach was soll’s. Mac, ich hab‘ einen Auftrag für Dich in Colorado."

Für einen Moment sprachlos starrte MacGyver in die Luft.

"Du hast was?" legte er dann los. "Weißt Du eigentlich seit wann ich nicht mehr in meinem eigenen Bett geschlafen habe? Ganz zu schweigen von regelmäßigen Mahlzeiten und WÄRME! Ich bin jetzt noch steifgefroren und in Colorado ist es jetzt eiskalt! – Wieso bin ich Idiot eigentlich ans Telefon gegangen?"

Den letzten Satz sagte er eigentlich mehr zu sich selbst. An der anderen Leitung hörte man einen unterdrückten Seufzer.

"Ich weiß, MacGyver. Ich habe meine Gründe warum ich gerade Dich anrufe. Komm schon, hör Dir die Geschichte wenigstens an. Ich verspreche Dir, es gibt da was, das haut Dich von den Socken."

Pete wußte genau, daß Neugier eine von MacGyvers schwachen Seiten war.

"Sollte es auch, Pete. Denn wenn nicht, kannst Du auf meine weitere Mitarbeit demnächst verzichten!" Er knallte den Hörer auf die Gabel und im nächsten Moment tat es ihm schon wieder leid. Pete mußte schon einen triftigen Grund haben, ausgerechnet ihn um die Erledigung dieses Auftrags zu bitten.

Eigentlich mochte er den Winter und die Rocky Mountains waren allemal einen Ausflug wert. Aber erstens bezweifelte er, daß er Zeit zum Skifahren hatte und zweitens waren 10 Tage und Nächte im tiefsten Schnee von Nepal genug Kälte für mindestens 1 Jahr. Er hob seine Reisetasche auf, die noch immer unausgepackt neben der Couch stand und machte sich auf den Weg ins Bad. Zumindest eine schöne lange heiße Dusche würde er sich genehmigen.

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Daniel lief mit großen Schritten auf dem staubigen Boden Richtung Osten. Zumindest hoffte er, Richtung Osten unterwegs zu sein. Sein Orientierungsvermögen hielt sich in Grenzen, obwohl er es mit den Jahren gelernt hatte, sich so ziemlich überall zurechtzufinden.

Wieder glitten seine Gedanken ab zu O’Neill, für dessen Zukunft es scheinbar nicht so gut aussehen sollte. Der LKW war kurz nach seinem Aufbruch abgefahren, was die riesige Staubwolke vermuten ließ, die er von weitem noch gesehen hatte. Er hatte kaum Zeit gehabt, sich die Gebäude in der Nähe anzusehen, die wie verlassene Lagerhallen in der Einsamkeit der Wüste standen. Irgendwie sah alles anders aus, er war sicher, daß er sich nicht in Area 51 befand. Die Umgebung sah etwas anders aus. Doch er konnte sich keinen Reim darauf machen, wo er sich nun eigentlich befand. Er hatte gedacht, bei Zeitreisen wechselte nur die Zeit und nicht der Ort, doch anscheinend konnte dieses kleine außerirdische Gerät noch eine Menge mehr bewirken.

Endlich fand sein Blick die Straße, ein langes asphaltiertes Band, das sich kilometerlang durch die braune Landschaft zog. Automatisch setzte er einen Fuß vor den anderen, in der Hoffnung, daß ihn über kurz oder lang irgend jemand mitnehmen würde.

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Als Jack wieder erwachte, lag er auf einem flauschigen Teppich. Sein Kopf dröhnte und er öffnete langsam seine Augen. Gerade als er seine Umgebung auskundschaften wollte, hörte er eine scharfe Stimme hinter sich:

"Keine Bewegung – und legen Sie die Waffe weg!"

>Die Waffe?< Erst jetzt bemerkte er die Pistole, die er mit seiner rechten Hand festhielt. Sein Zeigefinger war noch immer am Abzug und er nahm zum ersten Mal die zwei Uniformierten wahr, die mit erhobenen Revolvern über ihm standen und auf ihn zielten.

"Waffe weg!" bellte dieselbe Stimme noch einmal. Schnell holte sich sein strapazierter Verstand einen Überblick seiner Situation.

Neben ihm lag ein Mann von ca. Mitte Vierzig, der augenscheinlich erschossen worden war. Wieder glitt sein Blick zurück zu seiner Hand. Er öffnete sie und die Pistole fiel mit einem gedämpften Geräusch auf den weichen Boden.

Im selben Moment stürzten sich die beiden Polizisten auf ihn, drehten ihn auf den Bauch und fesselten seine Hände mit Handschellen auf den Rücken. Endlich fand er seine Sprache wieder:

"Hey, was soll das alles?" beschwerte er sich, seine Stimme klang nach der langen Zeit seltsam fremd für ihn.

Einer der Beamten ratterte den auswendig gelernten ‚Sie haben das Recht zu schweigen...-Satz‘ herunter, doch Jack verlor mit einmal die Beherrschung. Trotz des starken Schwindels und seiner Desorientierung übernahm jahrelanges Training seine Reaktionen.

In vielen ausweglosen Situationen hatte ihn diese Fähigkeit schon oft gerettet und auch jetzt reagierte sein Körper noch bevor sein Verstand richtig arbeitete.

Er versetzte einem der Männer mit den Beinen einen Schlag und versuchte dann blitzartig aufzustehen. Doch es blieb bei dem Versuch. Nach dieser plötzlichen Anstrengung war ihm, als hätte man ihm den Energiehahn abgedreht. Seine gesamte Kraft war aus ihm gewichen und seine Arme und Beine fühlten sich an, als wenn sie mit Blei gefüllt wären.

Aber auch seine Gegner verstanden ihr Handwerk und so hatten sie ihn sofort wieder überwältigt und zogen ihn unsanft auf die Beine. Routiniert durchsuchten sie ihn nach weiteren Waffen und leerten seine Taschen.

Geldbörse, Schlüssel und einige andere ihm unbekannte Dinge kamen ans Tageslicht. Aus der Seitentasche seiner hellen Cargohose holten sie einen weißen Umschlag, der ein Foto und eine Adresse enthielt. Jack erkannte darauf den Mann, der neben ihm auf dem Teppich gelegen hatte.

"Das hab‘ ich noch nie gesehn" warf er kraftlos ein. "Keines dieser Dinge gehört mir!" Er wollte die Sachen selbst inspizieren, doch nach der ersten Bewegung spürte er einen kalten Gegenstand an seinem Hals.

"Noch so ein dummer Versuch und ich mache mir nicht mehr die Mühe, Sie festzunehmen!" Zur Salzsäule erstarrt blickte Jack in zwei eiskalte Augen.

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MacGyver parkte seinen Jeep auf dem großen Parkplatz der Phoenix-Foundation. Nur wenige Autos befanden sich um diese Zeit vor dem großen Gebäude. Mittlerweile war es fast sieben Uhr abends und in Petes Büro schien das Licht auf den Parkplatz herunter. Schnell ging er in das Hauptgebäude und Jimmy, dem Sicherheitsbeamten in der Eingangshalle zu. Er fuhr mit dem Fahrstuhl in das richtige Stockwerk. Das Vorzimmer war leer, Sandra war bereits nach Hause gefahren und so klopfte MacGyver kurz an und öffnete dann die Tür zum Büro seines Chefs und Freundes.

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Etliche Wagen waren bis jetzt an Daniel vorbeigebraust. Er wusste nicht, wie lange er schon automatisch einen Fuß vor den anderen setzte, doch langsam war er am Ende seiner Kräfte. Wahrscheinlich lag es am Streß der letzten 24 Stunden, daß sein Körper so schnell schlapp machte.

Er hatte jedes Zeitgefühl verloren, er trug keine Uhr und so war er aufgrund reiner Mutmaßungen zu dem Schluß gekommen, daß mindestens 24 Stunden seit ihrer Entführung vergangen waren. Die Sonne stand hoch am Himmel, brannte jedoch nicht so heiß herunter wie erwartet. Wahrscheinlich war es ein warmer Wintertag, denn im Sommer vermutete er hier Temperaturen weit über 40 Grad.

Wieder näherte sich ein Fahrzeug und er hielt den Daumen hoch und machte sich auf der Fahrbahn breit. Vielleicht hatte er dieses Mal Glück. Und tatsächlich verringerte der Wagen seine Geschwindigkeit und blieb neben ihm stehen.

Eine ältere Frau saß am Steuer, herausgeputzt wie eine Diva mit roten Haaren und einem grellen Lippenstift, der sich eigentümlich von ihrer blassen Haut absetzte. Sie trug eine blaue Rüschchenbluse, die einen großzügigen Einblick auf ihr Decollte gewährte. Das ganze Auto war aufgefüllt mit Unmengen von Schachteln und Gepäck und er befürchtete schon eine erneute Abfuhr.

"Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?" frage sie und entblößte übergroße regelmäßige Zähne, die sie wohl einem guten Zahnarzt zu verdanken hatte.

"Äh, ja. Könnten Sie mich vielleicht bis zur nächsten größeren Ortschaft mitnehmen?" Jackson kam sich vor wie ein Schuljunge, als sie ihn mit dem Finger zu sich winkte. "Aber natürlich! Kommen Sie, ein wenig Gesellschaft schadet nicht."

Nur seine hoffnungslose Lage brachte ihn dazu, das Angebot anzunehmen. Sie räumte eine große Tasche vom Beifahrersitz und klopfte einladend darauf. Daniel klemmte sich zwischen Kartons und Beutel voller Plunder und fragte sich, von wo die gute Frau wohl entsprungen war. >Aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen<, dachte er und lehnte sich seufzend zurück.

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O’Neill atmete langsam aus und versuchte wieder etwas zu Atem zu kommen. Er studierte den Mann, der nun direkt vor ihm stand und einen guten Kopf kleiner war als er.

Er trug einen schwarzen Anzug, ein dunkelblaues Hemd und eine hellgraue Krawatte. Er fixierte seinen Gefangenen aus zwei eng beieinanderliegenden grünen Augen, die buschigen Augenbrauen und die schwarzen Haare erinnerten ihn ein wenig an einen Griechen und Jack wußte, daß mit diesem Mann nicht gut Kirschen essen war. Wer ihn zum Feind hatte, hatte sicher nichts zu lachen. Er hatte schon mit vielen Typen dieser Art Bekanntschaft machen müssen und erkannte deshalb auch sofort dessen Kaltschnäuzigkeit.

"Schon gut" versuchte er die Situation zu entschärfen. Er konnte sich überhaupt keinen Reim darauf machen, wie er hierher gekommen war.

"Hören Sie, ich habe einen kompletten Blackout. Vielleicht sagen Sie mir einfach wieso wir hier sind – wieso ICH hier bin."

Seinem Gegenüber entwich ein geheimnisvolles Grinsen.

"Kommen Sie Mr. O’Neill, ich kenne Ihre Maschen. Sie sind ein skrupelloser Killer, der das Pech hatte, daß ihm eins seiner Opfer in die Quere kam."

Er deutete mit dem Handgelenk auf den Körper, der noch immer mit einer Schußwunde in der Brust auf dem Teppichboden lag.

"Das hier war ihr letzter Auftrag. Versuchen Sie erst gar nicht, sich herauszureden. Es hat gar keinen Zweck!"

In Jack machte sich ein Gefühl der Ratlosigkeit breit. Er versuchte sich krampfhaft an etwas zu erinnern, doch alles was sich in seinem Gehirn breitmachte, war eine bodenlose Leere, die ihn schwanken ließ.

"Sie müssen mich verwechseln. Ich weiß wirklich nicht was passiert ist."

"Es wird Ihnen sicher wieder einfallen" erwiderte der vermeintliche Chef mit einem ironischen Unterton und schubste O‘Neill durch die massive Eichentür aus dem luxuriösen Raum. Draußen wurde er von zwei weiteren Polizisten in Empfang genommen und er konnte gerade noch einen Blick zurück auf eine prunkvolle weiße Villa richten, bevor er vorbei an einer weinenden Frau und zwei Kindern in ein Polizeiauto verfrachtet wurde. Sogar Schaulustige und ein Journalist waren anwesend, der ein Foto von ihm machte, als man ihn abführte.

Seine Gedanken rasten. Wo zum Teufel war er hier und wo war Daniel? Er befand sich immer noch Colorado, das erkannte er an den Polizeiuniformen und den Polizeiwagen. Auch wenn alles etwas veraltet wirkte. Und man kannte seinen Namen, wenn auch in einem falschen Zusammenhang. Man drückte ihn in einen Wagen und nach einer zehnminütigen Fahrt brachte man ihn auf ein Polizeirevier.

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2001

Sam Carter und Teal’C saßen im Besprechungsraum des SGC und warteten ungeduldig auf den General.

Nachdem der Colonel und Daniel am Montag morgen nicht zum Dienst erschienen waren, hatte Sam sich doch ernstliche Sorgen um die beiden gemacht. Sam sah aus dem großen Fenster auf das Stargate hinunter und grübelte. Sie waren auf so vielen Welten und hatten es doch immer wieder geschafft, heil oder zumindest lebend wiederzukommen. Sollten die eigentlichen Gefahren auf der Erde liegen, die ihr Team zerstören könnten?

Jack war schon des öfteren übers Wochenende verschwunden, auch wenn es im Laufe der Jahre immer seltener vorkam und meistens wußten sie dann auch warum. Vielleicht hatten sie sich ja nur zu einem Kurzurlaub entschieden – obwohl ihr zumindest Daniel Bescheid gesagt hätte, wenn sie so Hals über Kopf verreisen würden.

Auch Teal’C wußte nichts über den Verbleib ihrer Teamkameraden und so hoffte Sam nun, daß General Hammond ihnen sagen könnte, wo sie waren. Sie wurde jedoch jäh enttäuscht, als er zur Tür hereinkam und sie an seinem Gesichtsausdruck die Überraschung ablesen konnte, nicht das gesamte Team vor sich zu sehen.

So folgte auch nach dem üblichen "Guten Morgen!" ein unvermeidbares:

"Wo sind der Colonel und Dr. Jackson?"

Carter starrte ihn etwas hilflos an und Teal’C übernahm für sie das Reden:

"Dr.Jackson und O’Neill sind seit Freitag nachmittag verschwunden. Wir hatten die Hoffnung, daß Sie uns etwas über ihr Verschwinden sagen könnten."

Auch Sam hatte nun ihre Stimme wiedergefunden:

"Sie wollten Cassie um drei von der Schule abholen und sie hierher bringen. Aber dort sind sie scheinbar nie gewesen."

"Sie wollen sagen, daß niemand die beiden seitdem gesehen hat?" General Hammond setzte ein besorgtes Gesicht auf. Normalerweise konnte er sich auf seine Leute hundertprozentig verlassen und ohne triftigen Grund wurde man von Jack nicht so einfach versetzt.

"Nein, Sir. Ich habe das ganze Wochenende versucht, sie zu erreichen. Auch auf die Nachrichten auf seinem Handy hat Colonel O’Neill nicht reagiert."

Der General verwarf den Gedanken, sich zu setzen und ging stattdessen in sein Büro und fing an zu telefonieren. Nach kurzer Zeit kam er zurück und schüttelte den Kopf. "Beide haben Freitag mittag des Gebäude verlassen. Der diensthabende Soldat war selbst anwesend und bestätigte die Unterschriften."

Nun setzte er sich doch zu den beiden Anwesenden und gemeinsam überlegten sie, was nun geschehen sollte. Sams Befürchtungen schienen sich jetzt zu bestätigen und sie hoffte inständig, daß die beiden Vermißten nicht in allzugroßen Schwierigkeiten steckten.

Trotz langer Überlegungen konnten sie sich alle keinen Reim darauf machen. Hammond beschloß, noch bis mittags zu warten, bevor er irgendwelche Schritte einleiten wollte und jeder suchte sich in der Zwischenzeit irgendeine Arbeit, um vom eigentlichen Problem abgelenkt zu werden.

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1991

Pete blickte von seinem Monitor auf und sein Gesicht hellte sich auf, als er MacGyver eintreten sah. Er saß noch immer vor den Berichten seines letzten Auftrags und ging die Spesenrechnung durch, die dieses Mal relativ niedrig ausgefallen war, da in Nepal keine Hotelkosten oder anderweitige Ausgaben möglich gewesen waren.

"Ich werde Dir die Arztrechnung schicken, weil ich meine Lungenentzündung nicht auskurieren kann, die ich mir dort sicherlich geholt habe" bemerkte Mac scherzhaft. Pete schaute ihn entschuldigend an.

"Tut mir wirklich leid, Mac. Aber ich denke, Du wirst mich verstehen, wenn ich Dir gezeigt habe, was ich heute von Mark Stewart erhalten habe."

MacGyver setzte sich auf den Stuhl vor den Schreibtisch und nahm den Brief und den Zeitungsartikel an, den Pete ihm entgegenhielt. Er starrte ungläubig auf das Foto , das Mark mitgeschickt hatte. Dann las er den Text, der als kleine Anzeige in einer Tageszeitung neben demselben Foto abgedruckt war:

Langjährig gesuchter Terrorist in Colorado Springs endlich gefasst. Der wegen mehrfachen Mordes gesuchte J. O’Neill wurde heute nach einem Blutbad, das das Leben von Senator Merril beendete, auf frischer Tat überwältigt. Die Verhandlung findet morgen früh um 10 Uhr im Südlichen Gerichtsgebäude von Denver statt. Die Polizei geht davon aus, daß O’Neill noch am selben Tag schuldig gesprochen wird . Da die meisten Morde im US-Bundesstaat Arizona verübt wurden, wird er in das Staatstssicherheitsgefängnis nach Florence, Arizona, überführt werden....

Daneben standen noch einige Ausschnitte aus den begangenen Verbrechen, die Vorstrafen und der Lebenslauf des Festgenommenen.

MacGyvers Augen blieben wieder an dem Zeitungsfoto hängen, das nochmals als vergrößerter Ausdruck beilag. Der Mann darauf sah ihm zum Verwechseln ähnlich, Frisur und Alter ausgeschlossen.

"Was soll das?" fragte er seinen Freund. "Wer ist der Mann?"

"Ich habe mit Mark telefoniert. Er war neugierig und hat sich über ihn erkundigt.

Der Mann heißt Jonathan O’Neill, genannt Jack und stammt aus Chicago. Es gibt keinen langgesuchten Terroristen mit diesem Namen. Der einzige Mann dieses Namens, der der Beschreibung nach passen könnte, ist Major bei der Air Force und in Deinem Alter. Er befindet sich zur Zeit bei einem Einsatz im Golfkrieg. Nicht zu erreichen. Aber sieh Dir dessen Foto auch einmal an."

Er reichte Mac ein weiteres Bild, das denselben Mann jünger und in Uniform zeigte. Wie erstarrt hielt MacGyver es in der Hand. Es zeigte sein Gesicht, sein Lachen. Verstört gab er es Pete zurück.

"Ich habe keinen Zwillingsbruder, komm mir nur nicht mit solchen Geschichten."

"Mark wird bei der Gerichtsverhandlung dabei sein. Er hat ein Gespräch belauscht, als der Mann abgeführt wurde. Er habe dauernd seine Unschuld beteuert, er sei Air Force-Colonel und wisse nicht, wie er hierher gekommen sei. Er habe sogar davon gesprochen, daß man ihn hereingelegt habe.

Senator Merril war ein einflussreicher Mann in Colorado. Er hatte vor, sich als Kandidat für die Präsidentschaft aufstellen zu lassen und er wollte drastische Maßnahmen ergreifen, was die militärische Aufrüstung betrifft."

MacGyver hatte sich alles in Ruhe angehört. In seinem Kopf schlugen die Gedanken Purzelbäume. Wenn er nicht schon selbst das Unglaublichste erlebt hätte, dann würde er es für einen schlechten Scherz halten.

"Was soll ich tun?" Fragend blickte er Pete an.

"Ihn da rausholen. Da ist etwas faul. Ich habe alles durch den Computer laufen lassen. Nicht in einem der Staaten wird ein Jack O’Neill als Terrorist gesucht. Wir konnten keinerlei Hinweise auf die Verbrechen finden, die der Mann begangen haben sollte. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Unschuldiger als Sündenbock eingesetzt wird. Merril war jemandem definitiv im Weg. Ich wette, wir bekommen in nächster Zeit einen neuen Kandidaten für das Präsidentenamt!"

MacGyver stand auf und blickte aus dem Fenster auf den Parkplatz hinunter.

"Ich glaube, dieser Mann sitzt ziemlich tief in der Tinte, Mac" hörte er Pete hinter sich sagen. "Vielleicht ist seine Geschichte wahr und wir sind die einzigen, die sich darüber Gedanken machen."

"Vielleicht ist er aber auch nur ein Spinner, der zufällig mein Gesicht hat. - Ich weiß nicht, Pete. Schon der Gedanke daran, daß jemand rumläuft, der so aussieht wie ich. Ich hab’ kein gutes Gefühl dabei. Es ist, als ob man sein zukünftiges Ich kennenlernen soll."

Er drehte sich wieder um und blickte seinen Freund an. "Es ist Deine Entscheidung" betonte der Phoenix-Chef. "Nimm die Unterlagen mit und überleg’s Dir zu Hause. Du kannst mich jederzeit anrufen."

MacGyver steckte den Umschlag ein: "O.K., Du hörst auf alle Fälle von mir."

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Jack stolperte durch den Eingang des Polizeireviers, wurde durch den großen stimmenüberfüllten Raum zu einem kleineren geführt.

"Hey, ich hab‘ Anspruch auf ein Telefongespräch!" fuhr er den vor ihm gehenden Polizisten ungeduldig an.

"Wenn Sie mir schon kein Wort glauben, dann glauben Sie vielleicht jemandem von der Air Force."

Ein Polizist öffnete ihm die Handschellen und Jack rieb sich die Handgelenke. Wortlos führte man ihn zu einem Münzfernsprecher, der an der Wand befestigt war und er kramte in seinen Hosentaschen nach Kleingeld. Schnell wählte er die Nummer von General Hammond. Grimmig dachte er an seinen resoluten Vorgesetzten, der das Verhalten dieser Vorstadtbeamten sicher nicht dulden würde.

"Militärische Forschungsabteilung" meldete sich eine ihm unbekannte Frauenstimme, die ihn sofort stutzig werden ließ.

"General Hammond, bitte!" verlangte er trotzdem. Nach einer kurzen Pause erklang dieselbe Stimme nochmals.

"Bitte wiederholen Sie den Namen noch einmal." Jack bekam wieder dieses ungute Gefühl in der Magengegend und wiederholte Hammonds Namen.

"Tut mir leid, aber ein General dieses Namens ist hier nicht stationiert."

"Aber..." Jacks Kopf hämmerte. "Welcher General ist zuständig?"

"General Hopkins ist der Leiter dieser Einrichtung."

O’Neill lehnte den Kopf gegen die Wand und schloß die Augen. Er mußte sich in der Aufregung verwählt haben. Schon schoben ihn kräftige Hände weiter und ohne Widerstand ließ er sich weiterleiten.

Man führte ihn ohne große Unterbrechungen in einen der Verhörräume. Soviel O’Neill auch Fragen stellte, Beteuerungen seiner Unschuld von sich gab und verzweifelt versuchte Gehör zu finden – keine Menschenseele interessierte sich dafür. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß und er war allein mit sich selbst und einem Haufen unbeantworteter Fragen.

Langsam aber sicher zählte O’Neill 1+1 zusammen. Er saß ganz schön in der Klemme und das einzige Telefonat, das er führen durfte, hatte er in den Wind geschossen. Nach einigen Minuten erschien ein Mann mit einer Arzttasche und untersuchte Jack. Er verarztete die relativ frische Platzwunde an der Schläfe und ließ ihn dann wieder allein, ohne eine seiner vielen Fragen und Aussagen zu kommentieren. Das einzige was Jack noch übrig blieb war warten.

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2001

Zum wiederholten Mal an diesem Montag klopfte Sam Carter an die Tür zu General Hammonds Büro. Sie wartete nicht einmal auf das obligatorische "Herein", sondern öffnete die Tür und blickte fragend zu dem älteren Mann.

"Was Neues?" fragte sie erwartungsvoll. Ein erneutes Kopfschütteln zerstörte ihre Hoffnungen, doch noch etwas von den beiden gehört zu haben.

"Ich habe mit Gott und der Welt telefoniert, keiner weiß etwas oder hat Kontakt mit den beiden gehabt."

Sam blieb unentschlossen im Türrahmen stehen. Dann musste sie ihren Vorgesetzten fragen, was ihr schon die ganze Zeit durch den Kopf ging.

"Glauben Sie, man hat sie entführt oder gar umgebracht?" Schon der Gedanke allein ließ sie frösteln. Es waren jetzt volle drei Tage ohne irgendein Lebenszeichen von ihnen vergangen.

"An Entführung glaube ich nicht. Es sind keine Lösegeldforderungen eingegangen." Hammond stand von seinem Sessel auf . Er trat auf Sam zu und schaute sie fast väterlich an.

"Ich habe eine Vermisstenanzeige aufgegeben."

Sam preßte die Lippen zusammen und schluckte hart. Hammond blickte Carter offen und verständnisvoll an:

"Es ist meine Pflicht als Leiter dieser Basis, die zuständige Polizei von ihrem Verschwinden zu unterrichten. Dr.Jackson ist Zivilist und als solcher unterliegt er den öffentlichen Behörden. In seinem Fall sind der Air Force die Hände gebunden.

Was Col. O'Neill betrifft, so laufen bereits die Untersuchungen." Major Carter nickte und nach einigen Sekunden des Schweigens sagte sie tonlos:

"Ich werde mich noch einmal in Daniels Labor umsehen, vielleicht finde ich irgendeinen Hinweis."

"Wir finden Sie, Major!" Der General lächelte ihr noch einmal aufmunternd zu und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. Mit sorgenvollem Gesicht wandte er sich erneut an seine Berichte. Trotz allem hatte er eine Basis zu führen und die normalen Arbeiten durften nicht vergessen werden.

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1991

Jack ging in seiner Untersuchungszelle wie ein Panther hin und her. Seine Uhr war verschwunden, aber er hatte einen flüchtigen Blick auf die Zeit werfen können und es war bereits nach 19:00 Uhr. Sein Magen knurrte wie verrückt und er konnte sich schon gar nicht mehr an seine letzte Mahlzeit erinnern.

Wieviel Zeit war vergangen, seit sie Cassie von der Schule abholen wollten? Sein Blick fiel auf einen kleinen Schreibtisch, auf dessen Schreibfläche sich ein Jahreskalender befand. Doch als er näher trat erkannte er, daß es sich um einen alten Kalender von 1991 handelte.

Ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Dieses Jahr würde er am liebsten aus seinem Leben streichen. Zehn Jahre waren seitdem vergangen, doch es weckte immer noch viele unangenehme Erinnerungen in ihm.

1991 - fast ein halbes Jahr war er damals von Zuhause weg gewesen, als er im August zurückkehrte. Und ab diesem Zeitpunkt hatte sich sein Leben verändert – er hatte sich verändert. Als vier Jahre später Charlie ums Leben kam, brach eine Welt für ihn zusammen. Abydos sollte seine allerletzte Mission sein.

Doch als er wider Erwarten zurück kam, war Sarah verschwunden. Er hatte sie zurückgewiesen, als sie ihn brauchte und Abydos war der Auslöser gewesen, ihn zu verlassen.

Er hatte sich erst viel später wieder richtig gefangen, als ihn General Hammond aus dem Ruhestand zurückbeordert hatte. Seit damals schlug sein Leben Kapriolen und er hatte wenig Zeit, sich Gedanken zu machen. Seine Augen suchten den Schreibtisch weiter ab, fanden aber nichts weiter von Bedeutung. Er legte sich auf die Pritsche und schloß die Augen, versuchte seine rasenden Kopfschmerzen unter Kontrolle zu bringen und seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.

Depressionen und alte Erinnerungen waren das Letzte, das er jetzt gebrauchen konnte.

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Zum hundertsten Mal drehte MacGyver das Foto in seinen Händen und schaute auf das Gesicht des Unbekannten. Jetzt vermisste er seinen Großvater noch mehr als sonst. Vielleicht hätte er ihm helfen können, schließlich wusste er einiges mehr von seiner Familie. Er war der einzige Verwandte, den er noch gehabt hatte.

Es mußte ein Zufall sein, daß dieser Mann sein Gesicht hatte. Auch eine Fotomontage war schon ausgeschlossen. Schließlich hatte Mark den Mann ja selbst gesehen.

Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit. Was, wenn Pete recht hatte und er die Möglichkeit hatte, ihm zu helfen? Er steckte das Foto in die Innentasche seiner Jacke und griff zum Telefon. Nach langem Überlegen hatte er seine Entscheidung gefällt.

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Nach einer Weile hörte O’Neill sich nähernde Schritte und eine Stimme, mit dessen Besitzer er sich sicher nie anfreunden würde. Die Tür wurde aufgeschlossen und Jack erkannte sofort den Mann, der ihn in diese Situation gebracht hatte.

"Mein Name ist Sgt. Scott" begann er ohne Umschweife. "Ich habe gehört, Sie stellen hier die unmöglichsten Fragen und ich möchte Ihnen hiermit die Gelegenheit geben, sich zu Ihren Verbrechen zu äußern."

"Welche Verbrechen? Verdammt noch mal, ich weiß doch nicht einmal wie ich hierhergekommen bin!" Aufgeregt begann Jack wieder hin und her zu laufen.

Scott winkte dem vor der Tür stehenden Beamten zu und dieser schloß die Tür, um sie allein zu lassen.

"Sie stellen sich also immer noch dumm." Er drückte den Colonel auf den einzigen Stuhl im Raum und stellte sich vor ihn.

"Was haben Sie für ein Problem? Sie sind ein gesuchter Mörder und ich habe Sie erwischt. Was ist daran nicht zu verstehen?"

Höhnisch grinsend blickte er auf Jack herunter, der die Zähne zusammenbiß, um seinen Zorn im Zaum zu halten. Am liebsten würde er jetzt aus dem Mann Hackfleisch machen. Doch das war es ja gerade, was er provozieren wollte.

"Ich habe niemanden umgebracht, wie oft soll ich das noch wiederholen. Ich bin bei der Air Force, seit fast 30 Jahren. Warum überprüfen Sie das nicht einfach und lassen mich gehen."

Seine Hand fuhr unter den Kragen seines Hemdes und er wollte seine Erkennungsmarke hervorholen. Doch sie griff ins Leere – die Kette, die er schon gar nicht mehr spürte, war dieses Mal tatsächlich nicht vorhanden.

"Tatsächlich?" Höhnisch grinsend sah ihn Scott an.

Die Verzweiflung kroch in ihm hoch und er fragte sich, wie lange es dauern würde bis er langsam aber sicher seinen Verstand zu verlor.

"Wir haben alles überprüft, was es zu überprüfen gibt" fuhr der Polizist laut fort. "Morgen früh ist ihre Verhandlung. Wenn Sie kein Geständnis ablegen wollen, dann haben wir uns nichts mehr zu sagen!"

Jack glaubte, wahnsinnig zu werden. Erregt sprang er auf:

"Verflucht, warum hören Sie mir nicht zu. Ich bin nicht Ihr Terrorist. Ich weiß nicht, wie ich hierher gekommen bin. Ich weiß doch nicht einmal, welcher Tag heute ist! Man hat mir eine Falle gestellt und mich hereingelegt!"

Verzweifelt fuhr er sich durch die grauen Haare und setzte sich auf die Liege.

"Das gibt’s doch nicht. Sie können mich tagelang verhören und ich kann immer nur daßelbe sagen."

Sgt. Scott sah ihn kalt an und sagte dann so leise, daß nur er es verstehen konnte. "Das brauche ich nicht, Colonel O’Neill. Ich weiß alles, doch das nützt Ihnen nichts. Sie werden bezahlen für Ihre Taten. Was mit Ihnen geschieht, wird eine Warnung sein für alle anderen, die Ihrer Ansicht sind."

Er drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen. Kurz vor der Tür drehte er sich noch einmal um:

"Übrigens. Heute ist der 9. Februar 1991. Nur zu Ihrer Information."

Ein sadistisches Lächeln umspielte seine Lippen, bevor er hinter sich die Tür ins Schloß fallen ließ.

O’Neill saß wie vom Blitz getroffen auf der Pritsche. Der 9. Februar 1991. Ganz langsam sickerte das Datum in sein Inneres. Es gab Tage, die er nie in seinem Leben vergessen würde – und das war einer davon. An diesem Tag begann seine Gefangenschaft im Irak.

Kreidebleich stützte er den Kopf auf die Hände und ließ sich auf die Seite fallen. Vieles wurde ihm jetzt klar. Die alten Autos, die Abwesenheit von General Hammond.

Jetzt wußte er, was sein Entführer angedeutet hatte. Indem man ihn in die Vergangenheit schickte, hatte man ihn in seiner Zeit ausgelöscht.

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Seit Stunden fuhren sie dieselbe öde Straße entlang ohne anzuhalten. Scheinbar war das Wort Gaspedal ein Fremdwort für die Rothaarige. Daniels Ohren glühten von den unglaublichen Geschichten, die ihm seine Reisebegleitung erzählte. Nach ihren Ausführungen war sie schon um die ganze Welt gereist und Daniel traute ihr zu, die ganzen Städte und Länder ohne Punkt und Komma aufzählen zu können.

Gelangweilt starrte er aus dem Seitenfenster auf die braune, keine Abwechslung bietende Landschaft und hoffte, bald in eine Stadt oder zumindest in eine bewohnbarere Gegend zu kommen.

Jackson hatte schnell erfahren, daß er sich im Jahr 1991 befand. Doch seine Vermutung, daß er noch in Nevada war, bewahrheitete sich nicht. Er fuhr durch Arizona und jetzt, da er das wußte, bemerkte er auch die unterschiedliche Vegetation.

Bald hatte er die Freude an der doch sehr einseitigen Unterhaltung verloren und hing seinen eigenen Gedanken nach.

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Langsam begannen die Geräusche vor O’Neills Zellentür zu verebben. Die Nacht brach an und es hatte sich keiner der Polizisten bei ihm blicken lassen. Nur einmal hatten sie etwas zu essen gebracht, ihm seinen Gürtel und die Schnürsenkel abgenommen und wieder allein gelassen. Als ob es nicht noch andere Methoden gab, um sich umzubringen. Aber von solchen Maßnahmen hatte Jack schon vor langer Zeit Abstand genommen.

Immer wieder kehrten seine Gedanken zurück zu dem toten Mann in der Villa. Wenn er sich doch nur erinnern könnte. Hatte er ihn tatsächlich umgebracht und wenn ja, wieso. Alles ergab keinen Sinn, doch je länger er darüber grübelte, desto sicherer wurde er sich, daß er niemanden getötet hatte. Es gehörte alles zu ihrem ach so fabelhaften Plan, ihn loszuwerden. Wenigstens wollten sie ihn nicht verhungern lassen. Er setzte sich auf seine schmale Pritsche und fing an lustlos in seinem Teller herumzustochern. Doch schließlich gab er sich einen Ruck und verschlang das vor ihm stehende undefinierbare Menü. Wer wußte schon, wann er wieder etwas Genießbares zwischen die Zähne bekam und zum Grübeln hatte er noch lange genug Zeit.

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Fliegen ist heutzutage etwas völlig normales. Das stetige Brummen der Motoren, die Geräusche der Stewardessen und das Geplapper der Passagiere hat etwas Beruhigendes an sich – und solange sich solide Wände um mich herum befinden, macht es sogar Spaß. Ich war gespannt, auf welch abenteuerliche Aktionen ich mich noch einlassen würde, bevor ich meinem unbekannten Ebenbild gegenüberstehen würde.

MacGyver nutzte den Inlandflug, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf nachzuholen. Dabei verpasste er allerdings das Mittagessen und als er in Denver aus dem Flugzeug stieg, knurrte sein Magen wie ein mittleres Erdbeben. Schnell erledigte er die Formalitäten und holte sich seine Reisetasche, die er zu Hause aus- und sofort wieder eingepackt hatte. Dann marschierte er Richtung Ausgang.

Eigentlich sollte ihn Mark Stewart hier treffen, der Mann von dem Pete die interessanten Informationen erhalten hatte. Doch Mac konnte ihn nirgends entdecken. So machte er sich erst einmal auf den Weg zum Taxistand, um in sein von der Phoenix-Foundation bereits gebuchtes Hotelzimmer zu gelangen und sich zu allererst etwas zu Essen zu besorgen. Als er die Ausgangstüren aufdrückte, schlug ihm der kalte Wind des coloradischen Winters entgegen und er zog sich den Reißverschluß seiner schwarzen Fliegerjacke bis unters Kinn hoch und steckte seine Hände in die Taschen. Dann trottete er zum nächstgelegenen Taxi, immer umherschauend, ob er Mark nicht doch noch irgendwo entdecken konnte.

Ohne Erfolg setzte er sich in einen Wagen und nannte die Adresse seines Hotels. Das Taxi reihte sich in den recht regen Verkehr ein und nach ca. 20 Minuten, die MacGyver wiederum fast nur schlafend verbrachte, waren sie am Ziel angekommen. Er bezahlte den Taxifahrer und ging in das kleine Haus, das sich inmitten einer belebten Straße an anderen Häusern unscheinbar einfügte.

Es war absichtlich eine etwas einfache Pension ausgewählt worden, um es notfalls auch als Unterschlupf zu benutzen. Der Portier war ein freundlicher alter Herr, der ihnen bereits des öfteren ein Zimmer gegeben hatte, das nicht unbedingt zum Hotel gehörte.

Die Phoenix-Foundation hatte ihre Mittelsmänner überall und MacGyver wunderte sich immer wieder, warum gerade er das Glück gehabt hatte, Pete damals zu treffen, um hier seine wahre Bestimmung zu finden. Anderen Menschen zu helfen, wenn sie es selbst nicht mehr konnten.

Als er an die etwas abgegriffene Anmeldung kam, blickte er in das Gesicht eines ca. 70-jährigen kleinen Mannes mit wenigen weißen Haaren und einer dicken Brille. Er lächelte ihn freundlich an:

"Ah, ich habe Sie bereits erwartet. Mr. MacGyver?" "Einfach MacGyver" lächelte er zurück und steckte den Schlüssel ein, den ihm der Alte entgegenhielt.

"Zweiter Stock links. Und ich habe eine Nachricht für Sie." Der Portier gab ihm einen weißen Umschlag mit seinem Namen darauf und wartete bis Mac die Treppe hinaufging, bevor er sich wieder in seinen Schaukelstuhl zurücklehnte und die Zeitung las.

Mac ging die knarrenden Holztreppen zwei Stockwerke nach oben. Er blickte auf den Zimmerschlüssel, in dessen Mitte eine verschnörkelte 7 zu erkennen war. Er lächelte und wusste, daß das sicher Petes Verdienst war. 7 war seine Glückszahl und er erkannte Petes subtile Art, sich auf diese Weise für diesen Einsatz zu entschuldigen.

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Am nächsten Morgen wurde Jack ohne weitere Erklärungen nach Denver gebracht. Kurz vor der Verhandlung lernte er seinen Pflichtverteidiger kennen.

Der schmalgesichtige Anglo-Amerikaner erklärte ihm in einer 5-Minuten-Sitzung, daß er wenig Chancen hatte und von Anfang an ein Geständnis ablegen sollte.

Doch O’Neill war nicht der Typ, der sich in seiner Meinungsfreiheit beeinflussen ließ – schon gar nicht, wenn es um seine eigene Zukunft ging. Er würde alles versuchen, um das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Doch er wusste auch, daß er das Stargate-Programm nicht erwähnen durfte.

Zwei Stunden später wurde er von drei Polizisten regelrecht aus dem Gerichtssaal gezerrt. Er konnte nicht glauben, daß sich sogar sein Verteidiger auf die Seite der Staatsanwaltschaft geschlagen hatte. Die Anklagen erstreckten sich ins uferlose und umspannten ein weites Feld, von Morden in ganz Amerika bis hin zur Entführung von Staatspersonen. Der Richter war korrupt und als Jack sich nicht mehr zu helfen wusste, wollte er dem Staatsanwalt am liebsten den Hals umdrehen. Man brachte ihn zurück ins Denver Polizeirevier, wo ihm sein Pflichtverteidiger dann nicht gerade diplomatisch das Urteil mitteilte:

"Zweimal lebenslänglich im Hochsicherheitsgefängnis von Florence, Arizona."

Irgendwie hatte er das Gefühl, daß er wahrscheinlich mit dem hochkarätigsten Staranwalt von Amerika kein anderes Urteil bekommen hätte.

Der Rest des Tages zog sich wie Kaugummi dahin. Jack drehte sich auf seinem schmalen Bett unruhig hin und her. Draußen war es schon seit Stunden dunkel. Wie sollte er auch Schlaf finden, wenn ihn andauernd seine innere Stimme an das Urteil erinnerte.

Er hatte schon lange keine Alpträume mehr gehabt, doch in den paar Minuten, die er eingenickt war, fühlte er den Horror der Vergangenheit in neuer Intensität aufflammen. Immer dringlicher wurde sein Verlangen, sich aus dem Staub zu machen. Die einzige Möglichkeit bestand darin, irgendwie hier herauszukommen. Vielleicht auf die Krankenstation. Das war zwar der älteste und bekannteste Trick, doch etwas Besseres fiel ihm im Moment nicht ein.

Außerdem lief ihm die Zeit davon. Wenn er erst einmal nach Florence unterwegs war, gab es kein Zurück. Seine jetzige Unterkunft hatte das typische Aussehen einer Gefängniszelle und er hatte Stunden damit verbracht, sich den Kopf über Daniel und seine Chancen, ihn je wieder zu sehen, zu zerbrechen. Hoffnungsvolle Gedanken wechselten sich mit aufkeimender Panik ab und jetzt war er soweit, daß er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.

Seine Chancen waren gleich Null und in der Dunkelheit der Nacht wurde ihm das nur zu klar. Ab morgen, bzw. heute früh war sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Er rollte sich zusammen und verbarg seinen Kopf in der rauhen Wolldecke – und dann tat er etwas, das er schon seit Jahren nicht mehr bewußt getan hatte: beten.

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Colorado Springs- Hotel

Die Tür zu seinem Zimmer war nicht abgeschlossen. MacGyver trat ein und sah einen einfach eingerichteten Raum. Tisch, Stuhl, eine Couch und ein Wandschrank waren die einzigen Möbel. Eine geöffnete Tür ließ ein großes Bett im Nebenraum erkennen. Vom Fenster aus hatte man eine gute Sicht auf die Straße und den Eingang. Auch ein Telefon stand auf dem Tisch und daneben lag ein Telefonbuch. Das Badezimmer war winzig aber sauber.

Er warf seine Reisetasche auf das Bett und öffnete den Umschlag. Eine kurze Nachricht von Mark und eine Diskette war darin. Er teilte ihm mit, daß er verhindert war, ihn vom Flughafen abzuholen. Er sollte sich um 17 Uhr in einem kleinen Cafe mit ihm treffen.

Mac sah auf seine Armbanduhr. Er hatte noch knapp zwei Stunden Zeit, um sich frisch zu machen, etwas zu essen und sich einen Leihwagen zu organisieren.

Er schaltete den kleinen Computer ein, der auf dem kleinen Tisch an der Wand stand und wohl von dem Journalisten geordert worden war. Er schob die Diskette ins Laufwerk und betrachtete den Inhalt. Es waren die wichtigsten Daten der inzwischen stattgefundenen Gerichtsverhandlung darauf gespeichert.

Keiner der Beteiligten kam ihm dem Namen nach bekannt vor. Der Richter war ein kleiner, gedrungen wirkender Mann ohne Ausstrahlung – von Autorität ganz zu schweigen. Stattdessen hatte der Staatsanwalt das Gemüt eines Fleischerhundes. Er hatte einen Auszug der Verhandlung auf dem Computermonitor und ging die Aussagen nochmals durch. Anscheinend hatte der Mann seit seinem Auftauchen in der Villa eine Gedächtnislücke, die mindestens 24 Stunden betrug. Alles andere war wirres Zeug und der Richter hätte ihn eigentlich statt zu lebenslanger Haft in einem Sicherheitsgefängnis in eine Psychiatrische Anstalt einweisen müssen. Keine einzige logische Erklärung gab es für die sinnlosen Erzählungen des Fremden. In seiner Verzweiflung behauptete er, sogar aus der Zukunft zu stammen, konnte oder wollte aber keinerlei Angaben machen, wie denn das geschehen sei. Nach ca. 2 Stunden, in denen der Verteidiger die Ansicht des Staatsanwaltschaft eher bekräftigte, verlor der Angeklagte die Beherrschung und beschuldigte den hiesigen Polizeichef, von der ganzen Angelegenheit zu wissen, wurde sogar handgreiflich, als man ihm seine Aussagen negativ auslegte.

Der Rest war Geschichte. Das Urteil wurde nach 10 Minuten ohne große Beratung und aufgrund der Indizien verkündet. Morgen früh würde er in Florence, Arizona sein neues Zuhause kennenlernen.

MacGyver schaltete den Rechner ab und legte das Foto daneben. Er musste versuchen, den Unbekannten noch vor der Verlegung sprechen zu können. Doch als erstes musste er Pete Bescheid geben, daß er in Colorado angekommen war. Er griff nach dem Telefon und legte sich aufs Bett.

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Irgendwie war die Nacht dann doch vorbeigegangen und die ersten Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch das vergitterte Fenster. Eine Lösung war O’Neill jedoch immer noch nicht eingefallen. Alles hatte sich gegen ihn gestellt und dann kam noch die Sorge um Daniel. Sollte er auch noch sein Leben auf dem Gewissen haben? Lange lag er einfach nur so auf seinem Bett und starrte Löcher in die Luft.

Dann endlich wurde es auf dem Gang laut, ein Polizist kam, um ihn für seine Fahrt ins Gefängnis vorzubereiten. Sie gaben ihm einen orangefarbenen Overall und schickten ihn in einen Waschraum, der natürlich keine Fenster und keinerlei Fluchtmöglichkeiten aufwies. Nicht einmal ein Spiegel befand sich an der Wand. Eine sterile Leuchtstoffröhre verbreitete ein kaltes weißes Licht, das von den dunklen Fließen reflektiert wurde.

O’Neill fuhr sich mit der Hand über seinen Dreitagebart und seufzte. Er stieg in die Duschkabine und sog die Energie des heißen Wassers in sich auf. Mit geschlossenen Augen lehnte er den Kopf an die Wand und ließ die prickelnden Strahlen über sein Gesicht laufen.

Am liebsten wäre er nie wieder auf den Gang zurückgekehrt, doch nach 10 Minuten klopfte es an der Tür und ein ungeduldiger Beamter drängte ihn zur Eile.

Draußen legte er ihm Handschellen an und führte ihn den noch leeren Korridor entlang, der sie wieder das Revier durchqueren ließ.

Der Zufall verhalf ihm dieses Mal zu einer vielleicht letzten Chance, seinem Schicksal zu entgehen. So früh am Morgen waren noch nicht viele Leute im Raum.

Auf einem Schreibtisch lag ein achtlos vergessenes Jagdmesser mit einem weißen Zettel daran. Ein Beweismittel, das jemand dort vergessen hatte.

Doch für Jack war es der Rettungsanker. Zu allem entschlossen stürzte er sich nach vorne, griff das Messer und packte sich den nächstbesten Polizisten, um seine gefesselten Arme um dessen Hals zu legen.

Keiner hatte damit gerechnet und so hatte er ein paar Sekunden Zeit, sich einen Vorteil zu verschaffen.

"Alle die Hände nach oben und keine Bewegung!" brüllte er. Mit seiner um einen Kopf kleineren Geisel bewegte er sich rückwärts Richtung Ausgang, vorbei an einem großen Fenster. Aus diesem Grund bemerkte er auch nicht den jungen Beamten, der aus einer Nische trat und sich von hinten an ihn heranschlich.

Das Klicken eines gespannten Hahnes erregte seine Aufmerksamkeit und er drehte sich mit seinem Opfer blitzschnell um. Er blickte in die Mündung einer Polizeiwaffe, der einzige Fluchtweg war verstellt. Mit einem kräftigen Stoß beförderte er den Festgehaltenen Richtung Pistole, gehetzt blickte er sich um. Das Fenster bot den einzigen Ausweg. Ohne lange nachzudenken hechtete er auf das Fenster zu. Er versuchte, es in fliegender Hast zu öffnen, was mit den Handschellen und dem Messer, das er immer noch in den Händen hielt, ein schwieriges Unterfangen war.

Ein Schuß zerriss die Stille und es kam Leben in die geschockten Menschen, die von seiner Aktion völlig überrascht worden waren.

Panik verhinderte sein normales Denken und er versuchte mit den Ellbogen die Scheibe zu zertrümmern, was ihm jedoch außer blauen Flecken nichts einbrachte.

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Zwei Tage waren vergangen, seit Daniel und Jack hierher geschickt worden waren. Daniel hatte sich gleich nach Ankunft in Gleeson, einem kleinen Nest in der Nähe der Mexikanischen Grenze von der aufdringlichen Frau losgesagt. Auch wenn er ihr unendlich dankbar war, daß sie ihn aufgelesen hatte, so war er doch froh gewesen sie wieder losgeworden zu sein. Einen anstrengenderen Menschen hatte er wirklich noch nicht kennengelernt.

Die hiesige Bücherei hatte nicht viel zu bieten und er hatte einen ganzen Tag damit vergeudet, Informationen zu sammeln, die ihm vielleicht helfen konnten. Jetzt war er auf der Suche nach einem weiteren Transportmittel, das ihn in die nächste größere Stadt bringen sollte, die eine etwas umfangreichere Bibliothek hatte. Vielleicht hatte er Glück und er konnte irgendwie in Erfahrung bringen, wohin man Jack gefahren hatte.

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O‘Neill drehte sich um und umklammerte mit beiden Händen das Messer, noch immer nicht bereit aufzugeben. Noch im Drehen hörte er den zweiten Schuß, der neben ihm die Scheibe des Fensters zertrümmert. Auf diese Gelegenheit hatte er nur gewartet. Mit der Schulter drückte er auf das Loch im Glas und warf sich dann mit aller Kraft dagegen.

Mit samt den Scherben flog er aus dem Fenster und landete unsanft zwischen Mülltüten und Abfalltonnen, die dort auf ihre Abholung warteten. Als er auf den Boden stürzte, hätte er sich beinahe noch das Messer in den Bauch gerammt. Fluchend rappelte er sich auf und sah sich um.

Außer einigen geparkten Wagen war niemand auf der Straße. Es war ja auch erst früh am morgen und der Arbeitsverkehr würde ja auch erst beginnen. Doch auch die Polizeibeamten war nicht tatenlos. Es dauerte nur ein paar Sekunden und schon hörte er ihr Brüllen.

Er hetzte über die schneebedeckte Straße auf die geparkten Fahrzeuge zu und versuchte die Türen zu öffnen. Beim dritten Wagen hatte er Glück, die Fahrertür öffnete sich und sogar der Schlüssel steckte im Zündschloß.

Doch gerade als er sich auf den Sitz zwängte erschall ein dritter Schuß. Von der Wucht des Aufpralles wurde er in das Auto geschleudert, wo er für einen Moment benommen liegen blieb. Die Schmerzen stellten sich fast augenblicklich ein, doch den Luxus ihnen einfach nachzugeben konnte er sich nicht leisten. Schon hörte er wie sich die Tür des Polizeireviers öffnete.

Er zwang sich dazu, halb im Liegen den Zündschlüssel zu drehen und den Motor anzulassen. Dann lugte er über das Lenkrad hinweg und gab Gas, rammte das vor ihm stehende Auto und preschte die Straße entlang – weg von seinen Verfolgern, deren Schüsse die Reifen des Wagens Gott sei Dank verfehlten.

Erst nach mehreren hundert Metern wagte er es, sich stöhnend hinter dem Lenkrad aufzurichten.

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MacGyver war zeitig unterwegs. Er wollte den Unbekannten unbedingt noch vor seiner Überführung nach Florence sprechen, ihm zumindest noch ein paar ermutigende Worte mit auf den Weg zu geben und sich seine Geschichte anzuhören. Sein Aussehen war von Vorteil für ihn, konnte er doch behaupten, ein Verwandter des Verurteilten zu sein.

Er saß in seinem Leihwagen, einem blauen Ford, der ihm im Fußraum genug Platz für seine langen Beine bot, und fuhr auf dem kürzesten Weg zu dem Polizeirevier in einem dicht besiedelten Stadtteil von Denver. Dicke Wolken verhangen den Himmel und es sah so aus, als würde es jeden Moment schneien.

Gerade als er einen Parkplatz ergattert hatte, hörte er das Klirren einer Fensterscheibe, sah einen Mann aus der Öffnung fallen und über die Straße hetzten. Sofort erkannte er den Overall eines Gefangenen und gebannt blieb er im Wagen sitzen.

Selbst von der Entfernung konnte er die Ähnlichkeit in der Statur und Bewegung des Fliehenden erkennen. Auch wenn er noch keine Gelegenheit hatte, das Gesicht zu sehen, wusste er wer dort gerade zu fliehen versuchte. Der Mann hatte einen offenen Wagen gefunden. Da zerriß ein Knall die Stille und er wurde direkt in das Fahrzeug hineingewuchtet. Kurz darauf setzte sich der Wagen in Bewegung.

MacGyver folgte dem Mann. Ein seltsames Gefühl der Verbundenheit machte sich in ihm breit. Auch er musste schon mehrmals vor den Gesetzeshütern Reißaus nehmen und eine Landung in Mülltonnen war ihm nichts Unbekanntes.

Was, wenn er tatsächlich unschuldig war. Kurzentschlossen gab er seinem Gefühl nach und folgte dem davonrasenden Wagen. Vielleicht konnte er sich ein paar Antworten beschaffen.

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Die Straßen füllten sich mit Leben. Immer mehr Autos bewegten sich stadtauswärts und Jack fügte sich in den Verkehr ein. Die verfolgenden Polizeiwagen hatten sich schnell in dem Verkehrsgewühl verloren, zu groß war die Gefahr eines Unfalls.

Seine gesamte linke Seite schmerzte, ausgehend von einer Schusswunde in der Schulter, wo ihn die Kugel irgendwie doch erwischt hatte. Sein Hemd war bereits blutdurchtränkt und er konnte den linken Arm nur noch mit Mühe bewegen. Durch die Handschellen blieb ihm jedoch nichts anderes übrig, als ihn in derselben Höhe wie den rechten zu halten und so klammerte er sich krampfhaft am Lenkrad fest.

Sein einziger Gedanke galt der Straße, die ihn aus der Stadt führte. Er hoffte, irgendwo eine Möglichkeit zu finden, sich auszuruhen. So fuhr er Kilometer um Kilometer dahin, wie ein Autopilot, der seinen Kurs eingestellt hatte.

Es hatte leicht zu Schneien begonnen und auf der Straße sammelte sich der Schnee. Doch Jack bemerkte die Kälte nicht, die durch den Wagen kroch. Es schien das Einzige, das ihn noch aufrecht hielt, war der Gedanke an seine wiedergewonnene Freiheit, die er um keinen Preis wieder verlieren wollte.

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Zuerst raste der Geflohene wie ein Irrer über den Asphalt. Seltsamerweise konnte er im Rückspiegel keine Polizeiwagen ausmachen. Nach einigen Minuten verlangsamte der Wagen vor ihm sein Tempo, so daß es Mac leichter fiel ihm zu folgen. Nach ca. 20 Minuten wurde der Fahrstil unruhig. Er kam mehrmals über den Mittelstrich und MacGyver wunderte sich, was in den Mann vor ihm wohl vorging. Er war mit Sicherheit verletzt und brauchte über kurz oder lang Hilfe.

Der Schnee fiel jetzt sehr dicht und die Straße wurde rutschiger. Trotzdem sah er an dem Fahrzeug kein Licht. Mac überlegte, ob er ihn zum Anhalten bringen sollte, doch er entschied sich dagegen. Er hoffte, die Vernunft des Unbekannten würde siegen und er würde bald eine Pause einlegen.

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Die Schneeflocken tanzten vor O’Neills Augen wie weiße Federn und die Straße wurde zu einem endlosen weißen Band. Fast kam es ihm vor, als würde er einige cm über der Erde fahren.

Das Drängen die Augen zu schließen wurde fast übermächtig und er wusste, daß sich langsam aber sicher der Blutverlust bemerkbar machte. Seit einiger Zeit schon hielt er Ausschau nach einem Parkplatz, doch es bot sich nirgends die Möglichkeit einer Rast. Außerdem wusste er, daß sich bestimmt eine ganze Horde Polizisten an seine Fersen gehängt hatten.

Seit seiner Flucht folgte ihm bereits ein Wagen und auch wenn sich der Verfolger recht geschickt anstellte, hatte ihn Jack schon kurz danach bemerkt. Er umklammerte das Messer, seine einzige Waffe, fest entschlossen sich auf keinen Fall zurückbringen zu lassen. Mit aller Gewalt versuchte er seine Gedanken auf der Straße zu halten und doch war es dann soweit.

Er schreckte hoch und trat reflexartig auf die Bremse, was ein Schlingern und Schleudern des Autos zur Folge hatte. Er musste für einige Sekunden das Bewusstsein verloren haben. Mit einem satten Plumps rutschte sein Fahrzeug in den Straßengraben und er stöhnte, als er mit der Schulter gegen die Rückenlehne prallte. Er ließ sich auf die Seite fallen und konzentrierte sich auf das Rauschen in seinen Ohren. Der Adrenalinsschub hielt sicher nicht lange an und er musste auf sein ganzen Glück hoffen, daß sich sein Verfolger, der mit Sicherheit gleich auftauchen würde, durch Drohungen verscheuchen ließ. Zu mehr war er sicher nicht imstande.

Schon hörte er, wie sich eine Gestalt an der Autotür zu schaffen machte. Er nahm seine ganz Kraft zusammen und wartete.

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Dunkle Schneewolken hingen über der Straßen und dichte Flocken wurden von einem immer stärker werdenden Sturm hin und her getrieben.

MacGyver hatte Schwierigkeiten, die Straße vor sich zu erkennen und er dachte mit Schrecken daran, daß der Wagen vor ihm nicht einmal den Vorteil hatte, frischen Spuren folgen zu können.

Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gebracht, kam der braune Plymouth auch schon ins Schleudern und rutschte seitlich in den schmalen Graben, der an der Straße entlanglief. Mit einem dumpfen Geräusch blieb er darin liegen.

Mac hatte Mühe, seinen eigenen Wagen zum Stehen zu bringen und schlitterte neben das liegengebliebene Fahrzeug. Der Innenraum war dunkel. Das Licht, das durch die Wolken kam, war diesig wie in der Abenddämmerung, obwohl es erst früh morgens war. Schnell stieg er aus und lief auf die Fahrerseite zu.

Keine Bewegung war im Inneren zu erkennen und Mac gab sich einen Ruck und öffnete die Tür.

Der Mann darin lag zusammengekrümmt über dem Schaltgetriebe, halb auf dem Beifahrersitz und um ihn sich anzusehen, mußte er sich hineinbeugen.

Doch kaum hatte er seinen Oberkörper in das Wageninnere gesteckt, packte ihn eine blutige Hand und drückte ihn gegen das Wagendach.

"Keine falsche Bewegung!" warnte ihn eine raue zittrige Stimme und er spürte das kalte Metall eines Messers an seinem Hals. Langsam streckte er beide Hände nach vorne und sah in das Gesicht, das er schon von den Zeitungsfotos her kannte, nun blaß und blutverschmiert, die braunen Augen halb geschlossen und vom Fieber glänzend.

Für einige Sekunden starrten sie sich nur an. Ungläubiges Erstaunen zeichnete sich im Blick des Mannes ab und Mac fühlte den Griff des Mannes lockerer werden. Dann löste sich die Hand vollständig von seinem Hemdkragen und das Messer fiel zu Boden, als der Unbekannte mit einem Seufzer die Augen schloß und ohnmächtig wurde.

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"Verdammt das ist doch nicht möglich!" fluchte Scott und trommelte mit den Fäusten auf den Schreibtisch ein, der vor ihm stand. Die Nachricht von Jacks Flucht hatte ihn vollkommen aus dem Konzept gebracht.

Vier Polizeiwagen konnten den Flüchtenden nicht ausfindig machen. Zu groß war bereits der Vorsprung gewesen und zu dicht der morgendliche Berufsverkehr. Schon nach mehreren Straßenkreuzungen verloren sie den braunen Wagen aus den Augen. Der blaue Ford, der sich sofort an dessen Hinterräder geheftet hatte, war von allen unbemerkt geblieben.

Scott knallte den Telefonhörer auf die Gabel und fuhr sich durch die dichten Haare. Sein Auftraggeber würde ganz sicher nicht vor Freude an die Decke springen, wenn er seinen Bericht ablieferte. Zuviel an Vorbereitung war nötig gewesen, um die Rache besonderer Art umzusetzen.

Seit einem halben Jahr arbeiteten eine Menge Menschen an diesem Projekt "O’Neill". Alle hatten nur kurze Auftritte, so daß niemand über längere Zeit mit diesem Fall verwickelt war. Nur er und zwei seiner Männer waren über den gesamten Plan aufgeklärt.

Sie hatten das Sternentor von Waschington nach Arizona verfrachtet, ungestört und ohne, daß es jemand bemerkt hatte. Noch war das Tor keine Attraktion und es war nicht bewacht gewesen. Dort stand es nun und diente als Verbindung zur Zukunft, versteckt in grauen verlassenen Lagerhallen, die seit Jahren niemanden mehr interessierten.

Scott schüttelte den Kopf. Sie mußten diesen O’Neill ausfindig machen, bevor er die Gelegenheit hatte, irgend etwas Fatales zu unternehmen.

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Der Straßenlärm suchte sich langsam seinen Weg in Jacks Gedanken und es dauerte eine Weile, bis er die Geräusche richtig einordnen konnte. Er lag in einem Bett, seine Schulter war fachmännisch verbunden und der auffällige Overall verschwunden.

Viele Fragen gingen durch seinen Kopf und auf keine einzige wusste er momentan eine Antwort.

Plötzlich hörte er aus dem Nebenzimmer eine leise Stimme:

"Pete, was soll ich machen. Ich kann ihn hier nicht ewig verstecken! Die setzen hier Himmel und Hölle in Bewegung, um ihn zu finden."

Angestrengt lauschte O’Neill, die angelehnte Zimmertür dämpfte die ohnehin schon leise Stimme, so daß er fast nichts verstehen konnte.

"Nein, er schläft jetzt. Aber ich glaube nicht, daß er dazu in der Lage ist."

Scheinbar telefonierte jemand. Jemand, der ihn nicht unbedingt sofort an die Polizei ausliefern wollte.

Jack wusste nicht so recht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Immerhin gab es genug Gauner auf der Welt, die aus seinem Pech noch Geld machen wollten. Aber hätten die sich die Mühe gemacht, ihn erst aufzupäppeln?

Er versuchte sich, den Unbekannten vorzustellen. Obwohl er eigentlich ein gutes Gedächtnis für Gesichter hatte, konnte er sich nicht daran entsinnen. Seine Erinnerung schien ihm einen schlechten Scherz zu spielen, hatte er doch tatsächlich geglaubt, sein eigenes Gesicht zu sehen.

Er versuchte aus dem Fenster zu schauen, das direkt auf die Straße gerichtet war. Vielleicht wäre es das Beste, ganz einfach zu verschwinden. Gesagt – getan. Leise schlüpfte er unter der Decke hervor und stand auf.

Doch er hatte die Rechnung ohne seinen angeschlagenen Kreislauf gemacht. Ein Schwindelgefühl ließ ihn schwanken und ihm wurde schwarz vor Augen. Schnell setzte er sich zurück auf das Bett.

"Ich halte das für keine so gute Idee!"

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2001

Cassie saß in ihrer Schule und freute sich auf den einmal in der Woche stattfindenden Zeichenunterricht. Sie traf hier eine ihrer Freundinnen, die sie seit mehreren Tagen schon nicht mehr gesehen hatte. Mit Lucy hatte sie schon die verrücktesten Dinge angestellt. Sie war ein verrücktes Huhn und unendlich abenteuerlustig. Kaum daß sie den Kopf in den Unterrichtssaal gesteckt hatte, fing sie auch schon an zu erzählen:

"Cassie, stell Dir vor, was ich am Freitag gesehen habe – aber denk jetzt nicht, es ist gelogen. Nein, ehrlich. Es ist bestimmt die Wahrheit. "

Cassie kannte Lucys Art, sie redete ewig herum, bevor sie auf den eigentlichen Punkt zu sprechen kam.

"Was denn, Lucy. Hast Du zwei Lehrer beim Knutschen erwischt?"

Kichernd schubste Cassie ihre Freundin an. "Nein, viel aufregender."

Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. "Einen richtigen Krimi hab’ ich gesehn. Zwei Männer wurden in einen Lieferwagen gezerrt und entführt. Direkt vor der Schule. Ich habe es natürlich Mr.Parker erzählt, aber er hat nur gelacht und gemeint, ich solle nicht soviel Romane lesen."

Cassie bekam große Augen. Janet hatte ihr natürlich vom Verschwinden ihrer beiden Freunde erzählt und daß es bis jetzt keinerlei Hinweise gab. Lucy flunkerte gern und erzählte die haarsträubendsten Geschichten. Aus diesem Grund hatte der Lehrer ihr auch nicht geglaubt.

Doch Cassie wurde hellhörig und völlig ernst, als sie Lucys Worte vernahm. Sie packte ihr Freundin am Arm und zog sie zur Seite.

"Was weißt Du genau, Lucy? Du musst mir alles erzählen!" Bereitwillig gab das Mädchen Auskunft. Die Beschreibung paßte auf Jack und Daniel und scheinbar hatte sie wirklich gesehen, wie sie verschleppt wurden. Als Cassie ihr sagte, daß es sich vielleicht um ihre Freunde handelte, war sie wahnsinnig stolz auf sich. Ohne sich um die beginnende Schulstunde zu kümmern, rannten sie aus dem Klassenzimmer zum nächsten Telefon.

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1991

O’Neill erschrak, als er plötzlich diese Worte hinter sich vernahm.

"Da draußen laufen eine Menge Leute herum, die gerne berühmt werden wollen."

Jack drehte sich extra langsam um, um einen erneuten Schwindelanfall zu vermeiden. Er wollte zu einer Antwort ansetzen, doch als er den anderen Mann im Zimmer anblickte, verschlug es ihm die Sprache.

"Ging mir genauso!" sagte MacGyver und trat näher an Jack heran. "Man muß sich erst daran gewöhnen. Wie geht es Ihnen? Die Kugel ist über dem Schlüsselbein glatt durchgegangen. Sie hatten Glück, daß es ein so kleines Kaliber war."

Er beobachtete O’Neill wachsam und wartete auf eine Reaktion seines Gegenübers. Jack schluckte schwer und schaute den Fremden misstrauisch an.

"Wie komme ich hierher?"

"Ich habe Sie bei Ihrer Flucht gesehen und bin Ihnen gefolgt. Nach Ihrem Unfall konnte sich Sie nicht so einfach zurücklassen. Sie sind in meinem Hotelzimmer in Denver."

"Und wer sind Sie?"

"Mein Name ist MacGyver. Ich habe Ihr Bild in der Zeitung gesehen und war, nun sagen wir, neugierig."

Er machte eine kleine Pause. "Um ganz ehrlich zu sein," fuhr er fort, "ein Freund hat mich gebeten, Ihnen zu helfen. Er hat ein paar Recherchen angestellt und kam zu dem Schluß, daß Sie vielleicht Hilfe bräuchten."

Jack lachte trocken und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück.

"Hilfe, das ist nicht das richtige Wort. Ich bräuchte ein Wunder" sagte er dann mehr zu sich selbst.

"Wenn ich Ihnen erzähle, was mir passiert ist, dann liefern Sie mich nicht an die Polizei aus, sondern ins nächste Irrenhaus!" wandte er sich an Mac.

"Lassen Sie’s drauf ankommen" forderte dieser ihn auf. Er packte einen Stuhl und setzte sich rücklings darauf.

"Sie sind schon in großen Schwierigkeiten, schlimmer kann es doch nicht mehr kommen."

O’Neill musste ihm Recht geben. Aus einem unerklärlichen Grund begann er langsam, dem Fremden zu vertrauen, der mit seinem Gesicht vor ihm saß. Auch wenn ihn die langen Haare etwas irritierten. Vielleicht war es auch der Schock, sich selbst gegenüberzusitzen, der ihn gesprächig machte. Aber er war froh, daß er jemanden gefunden hatte, der ihm zumindestens zuhörte – und das konnte MacGyver sehr gut. Er unterbrach ihn nur einige Male, um gezielte Fragen zu stellen und nach etwa ¼ Stunde wusste Mac das Wichtigste, das Jack seit seiner Entführung zu erzählen hatte. Dabei hatte der Colonel das Stargate mit keinem Wort erwähnt.

Er beobachtete seinen Doppelgänger dabei ganz genau, hoffte nicht in irgendeine Falle geraten zu sein. Als er geendet hatte, schüttelte MacGyver den Kopf:

"Klingt alles sehr unglaubwürdig, das muß ich zugeben. Aber ich habe auch schon das Verrückteste erlebt."

Er stand auf und verließ das Schlafzimmer des kleinen Appartements, das er Jack überlassen hatte.

"Sie sollten sich ausruhen. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns, wenn wir Ihren Freund finden wollen."

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Endlich hatte Dr. Jackson es bis Tucson geschafft. Hier saß er vor einem Stapel Bücher und ackerte eines nach dem anderen durch. Er nutzte die Möglichkeiten der hiesigen Bücherei so gut es ging – das Computerzeitalter war leider bis hierher nur beschränkt durchgedrungen, zumindest konnte man noch nicht vieles auf Disketten finden.

Sein vorrangiges Ziel war es jetzt, so schnell wie möglich Jack ausfindig zu machen. Zusammen würden sie schon eine Möglichkeit finden, hier wieder herauszufinden. Er klammerte sich an die Worte des Mannes, der erwähnt hatte, man würde in Florence gut für Jack sorgen.

Er hatte neun verschiedene Florence ausfindig gemacht, die sich in den Staaten befanden. Das italienische Florence ließ er außer acht, er glaubte nicht, daß man Jack nach Europa bringen würde. Außerdem war er bei einem ziemlich sicher, das richtige gefunden zu haben.

Es handelte sich um eine Stadt in der Nähe von Phoenix, in der ein bekanntes Hochsicherheitsgefängnis stand. Dort hatten sie den Colonel bestimmt untergebracht. Er konnte sein Glück fast nicht fassen. Er befand sich in Arizona und brauchte nur noch jemanden, der ihn in die Nähe des Komplexes brachte.

Doch als er die Beschreibung des Gefängnisses gelesen hatte, verlor er fast den Mut. In dieses Gefängnis kamen nur die Schlimmsten. Terroristen, Massenmörder und dergleichen. Die Methoden der Wachhabenden waren dementsprechend ruppig, um sich den nötigen Respekt zu verschaffen, ganz zu schweigen von den Gefangenen untereinander.

Jack hatte ihm einmal erzählt, jedes Gefängnis habe seine eigenen Regeln. Dieses hatte sicher keine angenehmen. Wer ein einigermaßen akzeptables Leben haben wollte, musste zurückstecken. Er kannte O'Neills irischen Sturkopf gut genug, um zu wissen, daß es nicht lange dauern würde, bis er sich dort Feinde machte. Auch wenn er sich noch keinen Reim darauf machen konnte, was das alles zu bedeuten hatte, würde er alles versuchen, Jack dort herauszuholen.

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Das Wenigste, daß Pete Thornton für seinen Freund machen konnte, war, ihm einen ungestörten Platz zu verschaffen, wo er sich in Ruhe ein paar Tage verstecken konnte. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Schließlich war er es, der ihn überredet hatte, auf diese Exkursion zu gehen.

Das Telefon war zur Zeit sein meistgebrauchtes Hilfsmittel und schon wieder griff er zum Hörer, um sich mit MacGyvers Hotel verbinden zu lassen. Er hoffte, daß es noch nicht zu spät war, um sie gefahrlos aus Colorado verschwinden zu lassen.

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Ein energisches Klopfen ließ MacGyver aus seinem leichten Schlaf aufschrecken. Er wälzte sich von der kleinen Couch und öffnete vorsichtig die Appartementtür.

Der alte Mann aus der Rezeption stand vor ihm und Mac ließ ihn eintreten.

"Sie müssen hier verschwinden. Ihr Freund hat eine Menge Aufregung verursacht und überall werden Fotos von ihm verteilt."

Mac wusste, daß das kein leicht zu lösendes Problem war. Er hatte daßelbe Gesicht und das bedeutete, daß sie auch hinter ihm her waren. Fast bereute er, daß er nach Colorado gekommen war, doch dann dachte er an den hilflosen Blick des Mannes im Schlafzimmer, als er zu sich gekommen war. Seine Geschichte war so unglaublich, daß er sie im wirklich abnahm.

Der Portier hielt ihm einen Autoschlüssel hin:

"Im Hinterhof steht ein alter Nissan. Auf dem Rücksitz finden sie eine Landkarte. Dort ist ein Weg eingezeichnet, der sie über die Berge nach Utah führte. Dauert zwar etwas länger, doch es ist sicherer. Auf halbem Weg können sie in einer Berghütte in den Rocky Mountains übernachten"

Dankbar nahm Mac die Schlüssel und verabschiedete sich. Er steuerte das Telefon an, um sich nochmals mit Pete abzusprechen, als er Jack in der Türe stehen sah.

Er war weiß wie die Wand und stützte sich mit der gesunden Schulter im Türrahmen ab.

"Sie stürzen sich wegen mir in Schwierigkeiten, warum machen Sie das?"

"Sagen wir, mir gefällt Ihr Gesicht?!"

Ein gequältes Lächeln stahl sich auf Jacks Lippen. "Ich habe eine Idee, wo sich Daniel aufhalten könnte."

"Dazu haben wir später noch Zeit. Zuerst müssen wir von hier verschwinden." MacGyver holte einige Kleidungsstücke aus seiner Reisetasche und gab sie dem Colonel. "Die müssten eigentlich passen", meinte er, "oder möchten Sie wieder in Ihren schicken Overall?"

O’Neill entspannte sich ein wenig und verschwand mit den Sachen im Schlafzimmer. Mac packte all seine Sachen zusammen und verstaute Jacks Gefängniskleidung in einer Plastiktüte. Der alte Mann an der Rezeption würde sie garantiert spurlos verschwinden lassen.

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2001

Carter war völlig aus dem Häuschen, als ihr Janet von den Neuigkeiten erzählte. Endlich hatte sie eine Spur.

Sie saß mit Teal’C wieder im Besprechungsraum und wartete auf Hammond, der hoffentlich gute Nachrichten hatte. Kurz darauf kam er auch schon durch die Tür, doch das erhoffte Lächeln auf seinem Gesicht fehlte. Ohne lange Umschweife kam er zum Thema.

"Es tut mir leid. Wir haben die Aussage des Mädchens aufgenommen und es sieht auch so aus, als ob sie die Wahrheit sagt."

Das ABER lag direkt in der Luft und Sam sah Hammond ratlos an.

"Aber den weißen Lieferwagen, der erwähnt wurde gibt es nicht. Er hatte keine Nummernschilder, keine auffälligen Details. Es ist unmöglich, diese Spur weiterzuverfolgen."

Er endete mit einem resignierenden Schulterzucken. Teal’C durchbrach mit seiner sonoren Stimme die Stille:

"Jetzt wissen wir aber wenigstens, daß sie entführt wurden. Vielleicht bringt uns das weiter." Sam konnte diesem Hinweis nichts Positives abgewinnen und stützte ihren Kopf in die Hände. Die gerade aufgebaute Hoffnung war zerstört und die Enttäuschung umso größer.

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1991

Man mag es vermessen nennen, aber ich glaube es gibt Menschen, die die kleinen und großen Katastrophen im Leben richtiggehend anziehen. Anscheinend gehöre ich zu diesen Unglücklichen oder wie sonst ist es zu erklären, daß ich mit einem Doppelgänger mitten in den Rockys unterwegs bin, um ihn vor dem Gefängnis zu bewahren. Als ob ich in den letzten Jahren nicht schon genug Unglaubliches und Verrücktes erlebt hätte.

MacGyver studierte die Landkarte, die er auf dem Rücksitz des roten Vans gefunden hatte. Der Weg, der darauf verzeichnet war, schlängelte sich jetzt in schneebedeckten Serpentinen die Rocky Mountains hinauf.

Sie waren jetzt ca. 9 Stunden unterwegs, was zumeist die Schuld des schlechten Wetters war. Inzwischen war es bereits dunkel geworden. Der letzte Halt war vor ca. 7 Stunden in Lakewood gewesen, wo er in einer kleinen Tankstelle etwas zu essen, Reserve-Benzin und für den Colonel Schmerztabletten besorgt hatte.

Die Lichtkegel der Scheinwerfer durchdrangen die Dunkelheit nur spärlich, da die Sicht wegen des stetigen Schneefalles fast Null war. Im Wagen hatten sie ,Anoraks und noch einige nützliche Kleinigkeiten gefunden, ohne die sie die Flucht hierher nicht durchführen hätten können. Wieder bewunderte Mac die Zusammenarbeit so vieler Leute über so weite Strecken.

O’Neill hatte sich auf dem Rücksitz ausgestreckt. Er hatte die meiste Zeit schlafend verbracht, zu erschöpft, um gegen die Schmerzen anzukämpfen. Erst die Tabletten ließen ihn ein wenig entspannen. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, so hatten ihn die letzten Tage doch sehr geschafft.

Mac faltete die Karte zusammen und setzte das Gefährt wieder in Bewegung. Der Schnee kam in dichten Flocken angeflogen und setzte sich auf die eisbedeckte Fahrbahn. Je höher sie kamen, desto glatter und gefährlicher lag die Straße vor ihnen. Der Phoenix-Mann wollte die kleine Hütte, welche mit einem roten Kreuz markiert war, so schnell wie möglich erreichen. Sie konnten beide ein bequemes Bett und eine heiße Suppe gebrauchen und nach seinen Berechnungen dürften sie nur noch wenige Kilometer davon entfernt sein.

"Soll ich Sie ablösen?" Jack schälte sich aus seiner Decke und setzte sich auf.

"Nein, ich denke es ist nicht mehr weit."

Die Reifen des Allradwagens drehten durch und Mac brauchte sein ganzes Fußspitzengefühl, um auf der ebenen Fläche der Straße zu bleiben. Er hatte keine Ahnung, wie die Landschaft neben ihnen aussah, so sehr konzentrierte er sich auf das weiße Band vor ihm. Langsam fuhren sie die vereiste Straße entlang, jeder in Gedanken versunken.

O’Neill beobachtete die fahrende Gestalt, wohl bewußt, daß der Mann vor ihm über den Rückspiegel wahrscheinlich daßelbe tat. Er hatte lange Zeit gehabt, sich über seine Situation klar zu werden. Seine Sorge galt vor allem Daniel, der irgendwo in dieser Zeit versuchte, wieder zurück zu kommen. Den Gedanken, sein Freund könnte von denselben skrupellosen Gangstern getötet worden sein, hatte er schnell verdrängt. Dieser großkotzige Polizist hätte das sicher erwähnt, um seine diesbezüglichen Hoffnungen im Keim zu ersticken.

Der Archäologe hatte lange gebraucht, um im SGC ein neues Zuhause zu finden, nach Sha’res Tod ein neues Leben zu beginnen und Jack hatte ihm die erste Zeit über den Schmerz hinweggeholfen. Zu genau wusste er, was in dem jungen Mann vorgegangen war.

Seine Erinnerung brachte ihn erneut zurück zu Charlie. Hier war sie. Die Möglichkeit ihn und seine Ehe zu retten. Was hätte er damals dafür gegeben, diese Chance zu bekommen. Er könnte sogar sich selbst retten, doch er wusste, daß er keine Gelegenheit dazu haben würde - und daß er nichts von alledem je tun dürfte, um die Zukunft, die seine eigene Zeit war, nicht zu verändern Alles war so verwirrend, er hatte immer noch Schwierigkeiten, der Realität ins Gesicht zu sehen. Sollte er sein gerade in den Griff bekommenes Leben wegen eines Racheaktes wieder verlieren? Sein letzter Gedanke galt wieder Daniel, den er unbedingt finden mußte, bevor seine Lider wieder schwer wurden und er zurück in einen unruhigen Schlaf fiel.

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2001

Sam saß in ihrem Quartier auf dem Bett und kämpfte mit den Tränen. Sie hatte sich die ganzen Tage so zusammengerissen, niemandem ihre wahren Gefühle gezeigt. Doch seit diesem verhängnisvollen Freitag hatte sie nicht mehr richtig geschlafen.

Ihre Gedanken wanderten wieder zu ihren Freunden. Sie malte sich die schrecklichsten Dinge aus, was mit den beiden passiert war. Was ihr jedoch noch mehr Gedanken machte, war die Tatsache, daß sie sich einfach ein Leben ohne Jack an ihrer Seite nicht mehr vorstellen konnte. Sie vermißte ihn und seine Witze, die Wärme seiner braunen Augen bei einem Lächeln, das er viel zu selten zeigte. Erst jetzt wurde ihr wieder bewußt, was es ihr bedeutete, in seiner Nähe zu sein.

Sie wusste, sie konnte es ihm nie zeigen, aber das war ihr im Moment egal. Wenn er nur wieder auftauchen würde.

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1991

Auch MacGyvers Konzentration ließ merklich nach. Nach weiteren zehn Kilometern kam er fast ins Zweifeln, ob sich seine Kartenlesekunst in Luft aufgelöst hatte, als er an eine kleine Kreuzung kam, welche ihm den direkten Weg zu ihrem kurzfristigen Aufenthaltsort zeigte.

Er fuhr mit neuem Elan durch den kniehohen Schnee, froh darum, daß das Fahrzeug eine so gute Haftung hatte. Plötzlich tauchte vor dem Auto ein Schatten auf. Überrascht trat er auf die Bremse, kam auf der unter dem Schnee vorhandenen Eisschicht sofort ins Rutschen.

Der Van kam von der Straße ab und der schwere Wagen sank sofort in den tiefen Schnee, rutschte seitwärts weiter und kippte vornüber. Lautes Ächzen verriet, daß das Gewicht allein von der Vorderachse gehalten wurde. Vor ihnen ging es steil bergab, die Strahler bohrten sich durch die Nacht und beleuchteten einige schneebedeckte Bäume, die als stumme Zeugen des Unfalls gen Himmel ragten. Mac starrte mit weit aufgerissenen Augen aus der Windschutzscheibe, die Hände hielten das Lenkrad immer noch fest umklammert.

O’Neill war völlig unvorbereitet nach vorne zwischen Fahrer- und Beifahrersitz gerutscht. Fluchend preßte er die Hand an seine Schulter, die durch den ungebremsten Aufprall auf den Schalthebel wieder zu bluten begonnen hatte. Die beinahe schon geschlossene Verletzung sandte erneute Schmerzwellen aus und er versuchte, sich aufzurichten. Der Wagen kam bedrohlich ins Schaukeln und kippte merklich vornüber, als zusätzliches Gewicht nach vorne drängte.

Mac brauchte ein paar Sekunden, um sich von seinem Schreck zu erholen. Trotz der geringen Fahrgeschwindigkeit war er gehörig in den Gurt gedrückt worden und er bereute, den schlafenden Jack aus Rücksicht auf seine Verletzung nicht angegurtet zu haben.

"Nicht bewegen! Denken Sie nicht mal dran!"

O’Neill erkannte am Tonfall die Ernsthaftigkeit der Worte. Er blieb in seiner ungemütlichen Position liegen und erstarrte, wagte kaum zu atmen obwohl im speiübel war.

Langsam beruhigte sich der Van. Vor ihnen lag ein steiler Abhang mit vereinzelten zugeschneiten Bäumen und einer normalerweise grandiosen Aussicht ins Tal, die jedoch von dichten Schneewolken verhangen war.

MacGyver entledigte sich seines Gurtes und öffnete langsam die Fahrertür. Dann rutschte er aus dem Sitz und hielt den Wagen so gut es ging mit seinem Oberkörper in Balance. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht nach draußen, hielt die Fahrertür heruntergedrückt und deutete Jack an, sich aus seiner verkeilten Lage zu befreien. O’Neill, der sich schon zu dreiviertel im vorderen Wagenanteil befand, schob sich ganz langsam zurück, um sein Gewicht in den hinteren Teil des Vans zu verlagern. Er lehnte sich zurück und öffnete dann die Schiebetür.

MacGyver hing inzwischen mit seinem ganzen Gewicht an der Fahrertür und hoffte, daß Jacks Aussteigen nicht zum Abrutschen des Autos führte. Der Wind war stärker geworden und wehte ihm frischen Pulverschnee ins Gesicht. Mit angehaltenem Atem stieg Jack aus dem schaukelnden Gefährt, dessen Hinterräder sich leicht vom Boden abhebten. Ein letzter schneller Schritt brachte ihn in Sicherheit und Mac ließ die Fahrertür los und sprang zurück.

Beide hörten das Knarren und Schaben, als sich der Untergrund unter dem Lieferwagen löste und erwarteten schon dessen Absturz. Doch nach etwa ½ Meter blieb er mit der Motorhaube im tiefen Schnee stecken. Mit einemmal war es stockdunkel, da das Licht von den dichten Schneehaufen fast völlig verschluckt wurde. "Sind Sie in Ordnung?" fragte Jack, der den jüngeren Mann aus den Augen verloren hatte. MacGyver nickte und dachte nicht daran, daß man das im Dunkeln gar nicht sehen konnte. Erst nach der zweiten Anfrage fand er seine Sprache wieder:

"Ja, ja ich bin ok. Und Sie?" Ein brummender Laut war die Antwort und Mac hörte, wie O’Neill sich in den Schnee setzte.

"Das war knapp. Was machen wir jetzt?" MacGyver holte eine kleine Taschenlampe aus der Jackentasche und leuchtete in Jacks blasses Gesicht. Er hielt sich die Schulter und zwischen seinen Fingern sah man etwas Blut. Es war Stunden her, seit der Verband angelegt worden war und die raue Behandlung von vorhin tat ihr übriges. Außerdem hatte Jack keinen Anorak an und zitterte merklich.

"Die Hütte ist höchstens noch 3-4 km entfernt. Das müssten wir auch zu Fuß schaffen." MacGyver hatte seine Jacke ausgezogen und reichte sie Jack.

"Morgen früh versuchen wir, den Wagen zu bergen."

Widerwillig nahm Jack das angebotene Kleiderstück und folgte MacGyver die Straße entlang.

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Jackson hatte nie gedacht, daß der Weg nach Florence so anstrengend sein konnte. Die paar Dollar, die er noch bei sich hatte, reichten kaum für Übernachtung und eine Zugfahrkarte nach Phoenix. Keine seiner Kreditkarten hatte Eindruck auf die Geldautomaten gemacht. Kein Wunder, sie waren ja alle in der Zukunft ausgestellt. Er war nun schon den 4. Tag unterwegs und hatte es endlich bis hierher geschafft. Doch das Gefängnis selbst war unerreichbar für ihn. Die Sicherheitsvorkehrungen so verschärft, daß kein Unbefugter in die Nähe kommen konnte.

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Gemeinsam stapften O’Neill und MacGyver durch den kniehohen Schnee und nur Macs kleine Taschenlampe ließ sie die stetig bergan führende Straße erkennen. Der Wind blies ihnen kalte Luft entgegen und die zurückgelegte Strecke kam ihnen schon als endlos vor, obwohl noch keine zehn Minuten vergangen waren.

"Ob das so eine gute Idee war?" keuchte Jack, der sichtlich Mühe hatte mit MacGyver Schritt zu halten. Bei jeder Bewegung schmerzte seine Schulter und ein brennendes Gefühl, soviel Erfahrung hatte er mittlerweile, kündigte eine Entzündung der Wunde an.

"In den Wagen zu klettern, wäre zu gefährlich gewesen. Es könnte schon ein Anstoßen genügen und er rutscht den Hang hinunter. Im Tageslicht und mit einem Seil könnten wir es schaffen, ihn zu sichern und auf die Straße zurück zu bekommen."

Mac wartete, bis der Air Force-Offizier zu ihm aufgeschlossen hatte. Keuchend blieb Jack neben ihm stehen und nickte.

"Dann machen wir, daß wir weiterkommen. Sie haben nicht zufällig ein Paar Ski in Ihrer Hosentasche?"

MacGyver mußte trotz ihrer mißlichen Lage grinsen und ging dann mit hochgezogenen Schultern weiter. Skifahren, ja. Wenn die Umstände ein wenig anders wären, dann würde es ihm hier wirklich gefallen.

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2001

In einem dekadent eingerichteten Büro in Washington klingelte das Telefon. Der Mann hinter dem Schreibtisch nahm den Anruf entgegen.

"Was soll das, Manuel. Ich sagte Ihnen, Sie sollen mich nicht über diese Leitung anrufen!"

Ärgerlich hörte er der Stimme am anderen Ende zu und sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr.

"Dann leiten Sie die nötigen Schritte in die Wege. Suchen Sie diesen Journalisten, er wird wissen, wo sich der Mistkerl aufhält."

Er knallte den Telefonhörer auf den Apparat und lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. Er fragte sich auf einmal, ob es eine so gute Idee war, seinen Widersacher am Leben gelassen zu haben. Wenn sie Pech hatten, würde er in der Vergangenheit einen ganz schönen Wirbel verursachen. Doch er wußte auch, daß seine Geschichte zu verrückt war, als daß sie ihm jemand glauben würde. Mit einem unguten Gefühl nahm er erneut das Telefon zu Hand und wählte eine Nummer. Er mußte selbst mit seinen Hintermännern Kontakt aufnehmen.

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1991

Nach einer weiteren halben Stunde betraten die beiden Männer völlig durchnäßt die Veranda einer stattlichen Hütte. Der Wind hatte zugenommen und schwere Schneeflocken wehten ihnen ins Gesicht. Vor der Türe hatte sich ein beachtlicher Schneeberg angesammelt und es bedurfte ihrer beider Kraft, sie aufzuziehen.

Erst einmal im Inneren lehnten sie sich beide an die Wand und standen in einem geräumigen Wohnraum mit einem steinernen Kamin, an dessen Wand sogar schon Holz gestapelt war. Es dauerte dann auch nicht lange und das Knistern eines Kaminfeuers durchdrang die Stille.

"Ob wir es je nach Utah schaffen?" fragte O’Neill, der seit dem Eintreffen in der Hütte geschwiegen hatte. Erst jetzt bemerkte Mac das blasse Gesicht seines Begleiters und die steifen Bewegungen.

"Ich denke, so weit sollten wir noch gar nicht denken. Für den Augenblick sind wir hier sicher."

Er drängte Jack auf das Sofa und half ihm beim Ausziehen. Der angelegte Verband war blutverkrustet und ließ sich nur schwer entfernen. Um die Schußwunde war eine leichte Rötung zu erkennen, die Verletzung selbst sah jedoch weniger schlimm aus als erwartet.

"Die Kälte hatte durchaus auch ihr Gutes" bemerkte Mac und suchte die Kästen nach brauchbarem Verbandsmaterial durch. Schnell wurde er fündig. Der Besitzer der Hütte hatte scheinbar für alle Eventualitäten vorgesorgt. An Vorräten fand er Fertigsuppen und Dosen, die Mac sofort willkommen hieß. Sein Magen hatte sich schon vor einer geraumen Weile beschwert.

Er kehrte zur Couch zurück und wickelte die verletzte Schulter gekonnt erneut ein. "Die Wunde wurde gut gekühlt und vielleicht kommen Sie um eine stärkere Infektion herum." "O’Neill fiel es sichtlich schwer, sich so bedienen zu lassen."

"Mr.... MacGyver?" In der langen Zeit seit sie zusammen waren hatte er den Mann nie mit seinem Namen angesprochen. "Aus welchem Grund lassen Sie sich in meine Probleme ein?" Er konnte nicht verstehen, daß sich jemand aus reiner Hilfsbereitschaft in eine solche Situation bringen ließ.

MacGyver war mit Verbinden fertig und setzte sich O’Neill gegenüber.

"Lassen Sie das Mr. weg. MacGyver reicht vollkommen!" meinte er lächelnd. "Ich arbeite bei einer Organisation, die sich um spezielle Fälle kümmert – ohne große Bürokratie. Politisch Verfolgte, Entführungen, Staatsbesuche u.s.w. – und ab und zu auch unschuldig Verurteilte." Bei dem letzten Zusatz sah er Jack aufmunternd an. "Was macht Sie so sicher, daß ich unschuldig bin?" Neugierig sah er MacGyver zu, der sich an den Fertigsuppen vergriff und ein buntes Durcheinander kochte.

"Eine Portion Menschenkenntnis und gute Beobachtungsgabe. Sie hatten genug Gelegenheiten, mich umzubringen und sich aus dem Staub zu machen."

Mac stellte einen dampfenden Topf und zwei Teller auf den Tisch.

"Ich hoffe, Sie sind nicht wählerisch, was das Essen betrifft."

Jack schüttelte den Kopf und schöpfte sich einen großen Löffel auf sein Teller.

"Das hab‘ ich mir schon vor Jahren abgewöhnt."

MacGyver blickte ihn über den Löffelrand hinweg an. "Erzählen Sie mir ein wenig. Haben Sie eine Ahnung, wer Ihnen ans Leder will?"

Jacks Gesicht nahm einen abweisenden Ausdruck an. "Ich möchte Sie nicht noch weiter hineinziehen als nötig. Vielleicht versuchen wir nur einmal von hier wegzukommen. Je weniger Sie wissen, desto besser."

MacGyver akzeptierte die Antwort. "Ich habe im zweiten Raum ein Funkgerät gesehen. Wie wär’s wenn wir nach dem Essen versuchen, jemanden zu erreichen?"

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2001

Es war schon lange dunkel, als General Hammond in seine Limousine stieg und nach Hause fuhr. Fast eine Woche war es her, daß sein zweithöchster Offizier und Dr. Jackson entführt wurden. Mittlerweile war es allen klar geworden, daß es niemand auf Geld oder einen Tauschhandel abgesehen hatte. Die Entführer hätten sich schon längst melden müssen.

Gedankenverloren steuerte er die dreispurige Autobahn entlang, seinem Haus entgegen. Seit seine Frau vor 8 Jahren gestorben war, bewohnte er es alleine. Seine Kinder kamen oft zu Besuch und dann erschallte in dem großen Gebäude wieder Kinderlachen, wenn seine Enkel durch die Räume tobten. Doch manchmal kam es ihm richtig feindselig vor, als ob es ihn hämisch angrinste und seine Einsamkeit entgegenflüsterte – wie heute.

Er ließ den Wagen an der Auffahrt stehen und schloß die Haustür auf. Im Dunkeln ging er durch den Flur in das große Wohnzimmer, blickte durch das große Panoramafenster auf den schneebedeckten Garten. Seine Gedanken kreisten um die Ereignisse der vergangenen Woche. Nichts war wie vorher, sein bestes Team war zerstört und er wusste nicht, wie er die Lücken füllen sollte.

Er seufzte und trat zurück in den Gang, zog seinen Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Dann knipste er das Licht an und wollte schon seinen Weg in die Küche fortsetzen, als er einen weißen Umschlag vor der Tür auf dem Boden liegen sah. Neugierig hob er ihn auf.

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1991

Jack beendete seine Mahlzeit und ging in das Nebenzimmer, das gleichzeitig das Schlafzimmer der Hütte war. Ein großes Bett war an einer Wand aufgestellt und ein breiter Wandschrank bedeckte fast die gesamte Wand der anderen Seite. Auf einem kleinen Tisch stand tatsächlich ein Funkgerät. Er begutachtete die vielen Knöpfe und Tasten und schaltete es schließlich ein. Welche Frequenz er wohl brauchte? Er wollte auf keinen Fall die falschen Leute erwischen.

Schlagartig wurde ihm bewußt, daß er außer MacGyver wirklich niemanden hatte, der ihm helfen würde. Ein seltsames Gefühl des Ausgeliefertseins überkam ihn und sein natürliches Mißtrauen kam an die Oberfläche. Er war plötzlich unglaublich müde, wollte sich am liebsten in ein Eck verkriechen und nie wieder denken müssen. MacGyver trat neben ihn und riß ihn aus seinen Gedanken. Er stellte eine Frequenz ein und versuchte, eine Verbindung aufzubauen.

"Ich weiß vielleicht eine Möglichkeit, wie wir meinen Freund finden können" sagte Jack leise. "Kann Ihr Freund eine Zeitungsanzeige aufgeben, die man in ganz Amerika zu lesen bekommt?" Mac blickte den Air Force-Colonel aufmunternd an.

"Kein Problem für Pete. Sagen Sie mir den Text!"

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Müde lehnte sich Daniel an eine Hauswand. Er versuchte schon seit geraumer Weile, ein Fahrzeug anzuhalten, doch die Leute hier schienen sehr misstrauisch gegenüber Fremden zu sein. Er hatte sich den Kopf zerbrochen, wie er Jack aus der Festung des Gefängnisses befreien könnte, doch war zu keinem Ergebnis gekommen.

Jetzt wollte er versuchen, zurück zum Stargate zu gelangen. Es bestand ja noch die Möglichkeit, auch wenn er sich in der Vergangenheit befand, trotzdem zu einem ihrer außerirdischen Freunde zu reisen, auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wie.

Er beobachtete die Autos, dessen stetiger Strom nie zu enden schien. Da fiel sein Blick auf den Arizona Daily Star – eine verbreitete Tageszeitung, die in durchsichtigen Plastikkästen angeboten wurde. Auf der Titelseite zwischen den verschiedenen Schlagzeilen prangte in einem rot umrandeten Feld eine Anzeige, die sofort seine Aufmerksamkeit erlangte:

>SPACEMONKEY – BRAUCHST DU EIN WUNDER ODER SUCHST DU EINEN FREUND? DANN WÄHLE LA 555-230150<

stand dort in Großbuchstaben. Jack machte sich einen Spaß daraus, ihn mit diesem Spitznamen aufzuziehen. Daniel schluckte, warf eine Münze in den Kasten und holte sich ein Exemplar heraus.

Sollte Jack tatsächlich in der Lage sein, eine Anzeige aufzugeben oder war alles nur ein riesiger Zufall? Vor allem stellte sich Daniel noch eine Frage.

Wie kam O'Neill nach Californien?

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O’Neill lag auf dem Rücken und starrte in die Dunkelheit. Neben ihm hörte er die gleichmäßigen Atemzüge seines Retters. Nach langem Diskutieren hatte er sich überreden lassen, das große Bett mit MacGyver zu teilen. Die rustikale Couch war wirklich etwas zu kurz, um bequem darauf schlafen zu können. Außerdem brauchten sie am nächsten Tag ihre gesamten Kräfte, um den Wagen aus dem Schnee zu holen.

Pete Thornton, der Boß der Phoenix, hatte nicht nur die Anzeige in die Wege geleitet, er hatte auch versprochen, sich um Daniel zu kümmern, falls er sich melden würde. Jack hoffte, daß der Archäologe den Strohhalm erkannte, an den er sich klammern könnte.

Obwohl Jack todmüde war, wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Immer wieder kehrten seine Gedanken zurück ins SGC, zu seinen Freunden, zu Sam. Er schätzte seine Chancen als sehr gering ein, sie je wiederzusehen und es fiel ihm schwer, das zu akzeptieren.

Welche Möglichkeiten sie wohl hatten, die Wahrheit herauszufinden? Er war Realist und es brauchte kein Abitur um zu erkennen, daß selbst wenn sie das Stargate in dieser Zeit erreichen würden, es keine Möglichkeit gab, die Zukunft anzuwählen. Über all die Grübeleien schlief er dennoch ein, doch wirre Träume und die schmerzende Schulter hielten ihn von einem erholsamen Schlaf ab.

Nach dem Frühstück machten sie sich auf den Weg zurück zum Van. Die Hütte war gut ausgerüstet, eine Kletterausrüstung und viele nützliche Dinge befanden sich im Wandschrank. MacGyver hatte außerdem ein stabiles Abschleppseil, Werkzeug und Schneeschaufeln gefunden und sie hofften, den Wagen zu zweit befreien zu können. Der Sturm der Nacht hatte sich gelegt und die Sonne schien auf sie herunter. Der Anblick war wunderschön, die schneebedeckten Bäume glitzerten im Licht und der blaue Himmel hob ihre Stimmung.

Jack war den ganzen Morgen recht einsilbig gewesen und MacGyver hatte ihm seine Ruhe gelassen. Das war ein weiterer Punkt, den er an diesem Mann schätzte. Er konnte auch den Mund halten und mußte nicht wie viele andere unentwegt reden. Schweigend kam der Kastenwagen in Sicht. Er war zur Hälfte eingeschneit, lag fast auf der Seite und machte einen leider ganz und gar instabilen Eindruck.

Die beiden wechselten einen vielsagenden Blick und begannen, den Schnee rund um das Auto wegzuschaufeln. Nach ca. 1 Stunde hatten sie es geschafft ohne größere Schwierigkeiten, den hinderlichen Schnee zu entfernen. Die kalte Luft stach in ihren Lungen und MacGyver holte eine Thermoskanne mit heißem Tee aus dem Rucksack. Dankbar nahm Jack einen Schluck und setzte sich auf einen Stein. Er verzog das Gesicht, als seine malträtierte Schulter zur Ruhe kam und sich zurückmeldete. "Brauchst Du eine Pause?"

Irgendwann nachts waren beide automatisch ins Du übergegangen.

"Nein, geht schon!" winkte er ab. Er wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden und war auch viel zu stolz, seine Schwäche einzugestehen.

"Machen wir weiter."

Nach weiteren zwei Stunden lagen dann jedoch beide atemlos im Schnee. "Verdammter Mist!" keuchte O’Neill und schlug mit der Faust auf den gefrorenen Boden. MacGyver hatte mindestens einmal sein gesamtes Repertoire an Flüchen gehört und ihn zum Teil kräftig unterstützt. In der ganzen Zeit hatten sie es nicht geschafft, das Transportmittel auch nur einen Meter weiter zur Straße hin zu bewegen. Stattdessen rutschte der Wagen immer weiter dem Tal entgegen, obwohl sie ihn mit Seilen gesichert hatten. Langsam aber sicher kamen sie zu dem Ergebnis, daß sie hier wohl tatsächlich festsaßen.

Gegen Mittag waren sie wieder an der Hütte angekommen. Jack taten alle Knochen weh und er setzte sich mit einem Seufzer auf die Couch. Jeder Atemzug den er tat kam ihm vor wie eine Strafarbeit. Müde schloß er die Augen und wurde nach einiger Zeit von dem Geruch frischen Kaffees und einer erneuten Suppen-Kreation von MacGyver aus seinem Nickerchen geholt.

"Eigentlich bin ich dran mit Kochen" bemerkte er mit einem Gähnen.

"Wenn uns nichts einfällt, dann werden wir uns das Mittagessen selber besorgen müssen – und das überlasse ich dann gerne Dir!"

Grinsend servierte Mac das Menü. Nach dieser langen Schufterei waren beide ausgelaugt, aber bei Jack wollte sich der Hunger nicht so recht einstellen. Seine Schulter brannte wie die Hölle und er hielt seinen linken Arm fest an den Körper gepreßt. Mac stand auf und holte erneut den Erste Hilfe-Kasten. Wortlos steckte er O’Neill ein Thermometer in den Mund und fing an, seinen Verband zu wechseln.

"Mr ght’s gt!" murmelte dieser mit halb geschlossenem Mund. Kommentarlos ließ er das Verbandwechseln über sich ergehen. Dann nahm er das piepsende Thermometer heraus und legte es auf den Tisch.

"Nicht einmal Fieber!" "Jaja, das seh ich" bemerkte Mac.

"Du schläfst Dich jetzt aus und ich versuch, Pete zu erreichen."

"Wenn Du mir jetzt noch mit einer Lampe in die Augen leuchtest, werde ich ungemütlich. Du bist ja der reinste Medizinmann." Mac grinste ihn an, ohne auf sein Argument einzugehen: "Mal sehn, ob er eine Idee hat, wie wir hier verschwinden können."

Mit diesen Worten drückte er Jack ein Paar Aspirin in die Hand und deutete zum Schlafzimmer. Einige Stunden ungestörter Schlaf konnte Wunder bewirken. Schon allein die Tatsache, daß Jack nichts dagegen einzuwenden hatte, bekräftigte seine Vermutungen hinsichtlich O’Neills Verfassung und er schaltete das Funkgerät ein, um die Phoenix zu kontaktieren. Pete war nicht da, aber er konnte eine Nachricht für ihn hinterlassen. Sie mussten warten, bis er sich meldete. In der Zwischenzeit hatte MacGyver genug Zeit, sich etwas genauer in der Hütte umzusehen. Vielleicht konnten sie ja etwas brauchen.

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In einem kleinen Hotelzimmer in Los Angeles läutete das Telefon. Ein bulliger Dunkelhaariger nahm gelangweilt den Hörer ab. Zum wievielten Male war ein Verrückter am Telefon, der von Außerirdischen quatschte. Der Mann hatte Anweisungen, den Anruf sofort zu Pete durchzustellen, falls sich ein Anrufer mit dem Namen Daniel melden sollte. Was auch immer der Phoenix-Chef damit meinte. "Hallo?" sprach er mit nasaler Stimme in den Telefonhörer.

"Hallo. Mein Name ist Daniel Jackson, äh – und Ihre Anzeige hat mich neugierig gemacht." Der Dunkelhaarige setzte sich auf:

"Darf ich Ihren Namen noch mal hören?" "Äh, ja. Daniel Jackson. Ich habe Ihre Anzeige gelesen."

"Bitte bleiben Sie am Apparat. Sie werden weitergeleitet."

Aufgeregt stellte er die Verbindung zu Thorntons Büro her. Nach dem zweiten Leuten meldete sich Pete.

"Hallo, Mr.Thornton. Hier ist ein Daniel in der Leitung."

Pete machte ein erfreutes Gesicht. Vielleicht hatten sie doch Glück.

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Früh morgens gab Pete ihnen einen neuen Fluchtplan über Funk durch. Hinter der Hütte ging ein schmaler Pfad einige Kilometer bergan bis an eine Felswand. Diese Wand war ein Kletterparadies. Der Besitzer der Hütte hatte dort schon etliche Klettertouren absolviert und viele Kletterhaken hinterlassen. Über der Wand befand sich ein weites Schneefeld, auf dem sogar ein Hubschrauber landen konnte. Von dort wollte er sie abholen lassen. Er hatte außerdem noch die gute Nachricht, daß sich Daniel doch tatsächlich bei ihnen gemeldet hatte. Man sah Jack den Riesenstein direkt an, der ihm vom Herzen fiel.

Nach dem Frühstück suchte MacGyver die Kletterausrüstung zusammen, die er am Tag zuvor in den Schränken gefunden hatte. Zum Glück hatten sie beide schon etwas Klettererfahrung, auch wenn es sich nicht um ihre Lieblingsbeschäftigung handelte. Doch zuerst mussten sie einige Kilometer durch den Schnee stapfen.

Mac steckte die Karte in die Tasche, auf der er den Weg markiert hatte. Bis zum frühen Nachmittag müssten sie es eigentlich bis zu dem Plateau geschafft haben. Frisch gestärkt marschierten sie los. Die lange Ruhepause hatte ihnen beiden gut getan, vor allem Jack war wieder mit vollem Elan unterwegs. Rückte er doch seinem Ziel, so schnell wie möglich wieder zu Daniel zu kommen, mit jedem Schritt näher. Gegen 11 Uhr kamen sie an der steilen Felswand an und MacGyver schaute in die Höhe.

Jack erkannte in seinem Gesicht eine gewisse Unsicherheit und trat entschlossen nach vorn.

"Klettern ist nicht Deine Stärke, oder?" bemerkte er. "Ich geh’ voran, dann fall ich wenigstens weich, wenn Du unter mir bist!"

Grinsend nahm er MacGyver das Seil aus den Händen und hängte es sich um die rechte Schulter. "Klettern wäre nicht das Problem, ich hab’s nur nicht so mit Höhen."

"Jeder hat seine Grenzen" meinte Jack und fing an, die Wand hochzusteigen.

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Pete hatte Paul Forrester, einen Hubschrauberpiloten auf den er sich 100 % verlassen konnte, damit beauftragt, die beiden aus den Rocky Mountains zu holen. Er war schon sehr gespannt auf den Doppelgänger von MacGyver. Außerdem wartete er immer noch auf diesen Daniel Jackson, der bald hier eintreffen würde. Er hatte kurzerhand Nicki damit beauftragt, ihn aus Florence abzuholen. Sie würde ihn sicher noch vor Einbruch der Dunkelheit herbringen. Vielleicht konnte er ihn schon einmal ein wenig über den Fremden ausfragen.

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O’Neill konnte sich nicht erinnern, daß ihm das Klettern jemals so schwer gefallen war. Er war erst ca. 15 m über dem Boden und die kalte Luft brannte in den Lungen. Etwa 2 m unter ihm kletterte MacGyver. Immer wieder sah er nach oben und wartete, bis Jack 1-2 m weitergeklettert war, um ihm dann zu folgen. Obwohl O‘Neill keinen Rucksack trug und das Seil durch den Karabiner an seinen Hüften glitt, kam es ihm vor als hinge alles an seinen Schultern.

Er blickte nach oben, noch immer konnte er das Ende der Felswand nicht erkennen. Ca. alle 50 cm waren die eingeschlagenen Haken zu erkennen. Zumindest brauchte er sie nicht selbst anzubringen. Ein eisiger Luftstrom erfasste ihn und er drückte sich in die Wand. Schnaufend suchte er einen sicheren Stand auf dem vereisten Gestein. Der Wind rüttelte an seinem Anorak und er verfluchte sein Schuhwerk, das sicher nicht zum Klettern ausgelegt war. Durch die dicke Sohle hatte er fast kein Gefühl, wo er hintrat. Seine Hände klammerten sich an scharfe Kanten und er hielt die Luft an und schickte ein Stoßgebet gen Himmel.

Von unten hörte er MacGyver etwas Rufen, aber er konnte es wegen des starken Windes nicht verstehen. Er blickte nach unten, versuchte das Gesagte erneut von den Lippen abzulesen und sah, wie der jüngere Mann sich abkämpte. MacGyver hatte ihn jetzt fast erreicht, war mit seinen Fingerspitzen schon bei seinen Schuhen angekommen und kämpfte sich neben ihn.

"Dachte nicht, daß es so schwierig wird?" brüllte er ihm ins Ohr.

Jack nickte und kletterte dann langsam weiter, das schlechte Wetter ignorierend. MacGyver blieb jetzt ganz dicht hinter ihm, vermied es nach unten zu blicken, um kein Schwindelgefühl heraufzubeschwören. Er hatte gerade wieder einen festen Standplatz ergattert, da hörte er über sich das Rieseln von Steinen und einen unterdrückten Schrei.

Den Bruchteil einer Sekunde später rutschte Jack an ihm vorbei und krallte sich neben ihn in festgefrorenen Schnee. Keuchend kam er zum Stillstand, hing am Seil, das straff gespannt durch einen Kletterhaken an der Wand gehalten wurde. Der Schreck war ihm deutlich anzusehen. Weiß, fast wie der Schnee, in den er sein Gesicht jetzt drückte.

MacGyver packte ihn mit der rechten Hand am Anorak und verhalf ihm wieder zu einem einigermaßen gesicherten Stand. Jack blickte nach unten, wo immer noch lose Steine und Schnee in die Tiefe rieselten. Sie warteten einige Minuten, bis sich das Zittern in seinen Armen verringert hatte.

Dann übernahm MacGyver die Führung. Sie waren mittlerweile fast vier Stunden geklettert und so ziemlich am Ende ihrer Kräfte angekommen. Doch gemeinsam schafften sie es, ohne weitere Zwischenfälle bis an den Rand zu gelangen. Mit letzter Kraftanstrengung hievte MacGyver Jack über den Rand des Felsens.

Keuchend blieben beide einige Minuten liegen, bis sich Jack aus dem Seilgewirr befreite und einige Meter auf die schneebedeckte freie Fläche stolperte, die sich leicht nach oben wölbte. MacGyver packte die Kletterausrüstung zusammen und folgte ihm.

Vor ihnen lag ein weißes unberührtes Plateau aus glitzerndem hartgefrorenen Schnee, der durch ihr Gewicht kaum nachgab. Er schloß zu O’Neill auf und beide blickten auf die in der Ferne erkennbaren Berggipfel der Rocky Mountains.

Jack zog tief die reine Luft in seine Lungen. Er versuchte seinen hämmernden Herzschlag etwas zu beruhigen und schaute auf den gut 10 Jahre jüngeren Mann. Er unterdrückte das deprimierende Gefühl, das sich einstellte. Obwohl er sicherlich durchtrainierter war als manch einer in seinem Alter, spürte er diese 10 Jahre nur allzu deutlich in seinen Knochen. Vielleicht wurde er langsam wirklich zu alt und sollte sich zur Ruhe setzen.

Eine aufkommende Bö blies ihm kalten Wind ins Gesicht und er steckte seinen Kopf tiefer in den roten Anorak, den sie in der Hütte gefunden hatten.

"Bis wann wollte der Hubschrauber kommen?" fragte er laut, um den anschwellenden Sturm zu übertönen.

MacGyver warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. "Er müsste eigentlich schon da sein. 15 Uhr war ausgemacht. Wir haben länger gebraucht als vermutet." "Am besten wir suchen uns einen geschützten Platz, bevor uns der Wind die Ohren abfriert. Vielleicht verspätet er sich wegen des Sturms."

Gemeinsam wanderten sie über das Plateau bis zu ein paar verkrüppelten Bäumen, die von den kleineren Felsen am Weiterwachsen gehindert wurden. Sie suchten sich einen schneefreien Unterschlupf und warteten schweigend.

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2001

Major Carter saß mit Teal’C gerade beim Abendessen, als das Telefon klingelte.

Der Jaffa hatte sich in den letzten Tagen des öfteren bei Sam einquartiert. Es war zur Routine geworden, jeden Tag aufs Neue in Krankenhäusern und Polizeistationen anzurufen. Außerdem sollte Sam nicht alleine sein. Sie wollte das Geschehene nicht wahrhaben und so suchte sie ständig nach einer Gelegenheit, nicht Grübeln zu müssen. Wenn Teal’C die Menschen auf Tau’ri auch noch nicht vollständig verstand, so wusste er doch, daß Gesellschaft da die besten Medizin war. Auch ihm fehlten seine Teammitglieder, waren sie doch so etwas wie eine neue Familie für ihn.

Sam ging an den Apparat und ihr Gesichtsausdruck wechselte von sorgenvoll in erstaunt, als der Anrufer ihr den Grund für die späte Störung nannte. Sie packte ihre Jacke und rief:

"Wir müssen zur Basis, der General hat eine Spur!"

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1991

Es dauerte noch über 1 Stunde, bis der Sturm nachließ und sich die Sonne wieder zeigte. So schnell das schlechte Wetter gekommen war, war es auch wieder verschwunden.

Trotz der unbequemen Lage waren Jack und MacGyver in einen leichten Schlaf gefallen. Die Sonne berührte schon fast die Bergkette und tauchte den Berg in ein rötliches Licht, als O’Neill plötzlich erwachte. Automatisch wußte er, daß etwas nicht in Ordnung war. Auf seine Instinkte konnte er vertrauen und er wünschte, er hätte seine Waffe bei sich.

Er richtete sich vorsichtig auf und schüttelte MacGyver, der mit dem Rücken an einem Baum lehnte. Gerade als sich Mac alarmiert zu ihm umdrehte, schoß aus dem Hinterhalt ein dunkler Schatten auf sie zu.

Ein Fauchen und Knurren erfüllte die Luft und wurde dann jäh von einem Schmerzensschrei übertönt, als sich messerscharfe Krallen durch MacGyvers Daunenjacke gruben und seinen Rücken aufschlitzten. Er fiel nach vorne, stützte sich mit beiden Händen ab und wand sich hin und her, um das ausgehungerte Tier in den Griff zu bekommen. Scharfe Zähne versuchten an die Kehle zu gelangen, während sich die Pfoten des großen Pumas schwer gegen seinen Brustkorb stemmten und die Jacke zerfetzten.

O’Neill hatte nicht die Zeit, sich um eine brauchbare Waffe zu kümmern. Mit dem Mut des Verzweifelten wuchtete er sich gegen den Berglöwen, lenkte ihn von seinem eigentlichen Opfer ab und brachte ihn dabei aus der Balance. Mit seinem gesamten Gewicht drückte er die um sich schlagende Raubkatze nach unten, grub seine Hände in das Fell und versuchte, den großen Tatzen auszuweichen.

MacGyver versuchte seine malträtierten Lungen mit Luft zu füllen, als das Gewicht von seiner Brust verschwunden war. Er ignorierte das Brennen des Rückens und holte sein Taschenmesser aus der Hosentasche. Mit aller Kraft stieß er es in den Körper des Tieres und erregte somit dessen erneute Aufmerksamkeit. Mit einer blitzschnellen Bewegung schlug er seine Krallen in Macs Arm und dieser ließ die lächerlich wirkende Waffe in den mittlerweile rötlich verfärbten Schnee fallen.

Mac hörte O’Neill röchelnd atmen und husten, hechtete sich zu Seite und bot der Großkatze somit keine Gelegenheit, ein zweites Mal zuzuschlagen. Stattdessen sprang sie ihn elegant an, bereit ihr Ziel mit einem einzigen tödlichen Biß in den Hals zu töten.

Wie erstarrt blickte MacGyver auf den Puma - unfähig sich zu bewegen. Mitten im Sprung bäumte sich der braune Leib auf einmal auf. Jacks roter Anorak wurde von den braunen Fellhaaren fast völlig bedeckt, als der schlaffe Körper auf den des Colonels sackte.

Als O’Neill den Angriff des Tieres auf MacGyver sah, hatte er das offene Taschenmesser ergriffen und es bis zum Anschlag in den Leib gestoßen, hatte offenbar zu ihrem Glück das Herz getroffen. Der abgemagerte Zustand des Tieres hatte es ihm ermöglicht, es zu töten.

Doch es hatte auch seinen Tribut gefordert. Völlig erschöpft blieb Jack liegen, brauchte einige Sekunden bis er das tote Tier von seinem Körper herunterschob. MacGyver saß im Schnee, kaum fähig einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Langsam fand er in die Realität zurück und setzte sich neben Jack.

"Danke!" sagte er und er half ihm sich aufzurichten. Sein Rücken brannte, als hätte jemand Salz in die Wunden gerieben. Beide hatten sie mehr oder weniger tiefe Fleischwunden davongetragen, doch zum Glück nichts Ernstes. "Wo zum Teufel bleibt der verdammte Hubschrauber!" fluchte Jack und schaute MacGyver erschöpft an.

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Daniel bestellte seine 3.Tasse Kaffee und starrte ungeduldig aus dem Fenster auf die Straße. Er war in einem Cafe und wartete auf einen Mann, der ihn von hier nach Los Angeles bringen sollte. Er konnte es kaum glauben, als er hörte, der Mann habe Kontakt zu Jack und könnte sie zusammenbringen. Jetzt war er vor Spannung fast am Platzen und nicht einmal sein Kaffee schmeckte ihm.

Eine Dreiviertelstunde über der vereinbarten Zeit war bereits verstrichen, als er einen dunkelgrünen Jeep vor dem Lokal parken sah. Eine schlanke modisch gekleidete Frau in Cowboystiefeln stieg aus, ihre braunen Haare fielen locker auf die Schultern und sie lächelte ihn durch das Fenster freundlich an, als ob sie wusste, daß er auf sie wartete. Beschämt musste er feststellen, daß er sie angestarrt hatte wie auf dem Jahrmarkt. Sie trat durch die Eingangstür und steuerte direkt auf ihn zu. Außer ihm waren nur noch sehr wenige Personen anwesend, die neugierige Blicke auf die junge Dame warfen.

"Hallo, Dr.Jackson?" fragte sie ihn geradeheraus.

"J... Ja. Entschuldigen Sie bitte. Ich habe einen Mann erwartet." Er stand auf und bot ihr einen Stuhl an, den sie dankbar annahm.

"Mein Name ist Nicki. Ich komme im Auftrag von Pete Thornton. Sie haben mit ihm telefoniert."

Daniel stieß einen erleichterten Seufzer aus. "Dann ist es also wahr? Sie haben mit Jack gesprochen? Geht es ihm gut?" Die Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus. "Tut mir leid, Dr.Jackson. Ich weiß leider nichts von ihrem Freund oder wo er sich aufhält. Ich soll sie lediglich nach LA bringen."

Sie sah die Enttäuschung in seinem Gesicht und ergänzte:

"Aber ich bin sicher, Pete kann Ihnen mehr sagen." Daniel nickte und trank seinen Kaffee aus.

"Möchten Sie mit mir eine Tasse trinken?" fragte er dann und Nicki nickte lächelnd. Nach dem langen Flug tat es sicher gut, sich ein wenig auszuruhen, bevor es zurück nach Californien ging.

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Kaum hatte Jack die Worte gesprochen, hörten sie ein Brummen, das die Luft erfüllte. MacGyver stand auf und ging auf die freie Fläche des Platzes hinaus. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und ein wieder aufkommender starker Wind zerrte an Macs Kleidung.

Seine Gestalt hob sich vom leicht abschüssigen weißen Feld ab. In der Mitte blieb er stehen und winkte dem sich nähernden Hubschrauber zu, der helle Suchscheinwerfer eingeschaltet hatte und versuchte, direkt über dem Mann in der Luft stehenzubleiben. Er hatte sichtlich Schwierigkeiten, die Maschine ruhig zu halten.

O’Neill sah eine Person, die sich aus der geöffneten Tür zu Mac hinunterbeugte. Gerade als er sich mühsam auf den Weg machen wollte, um sich zu MacGyver zu gesellen, machte der Helicopter eine plötzliche Schlingerbewegung und ein Schuß hallte durch die angebrochene Nacht.

MacGyver wurde durch den Aufprall nach hinten geworfen und blieb reglos auf dem Boden liegen. Der Hubschrauber kam erneut ins Trudeln, eine weitere Salve fegte über den Platz und ein Kugelhagel schlug in den Schnee ein. Die Hubschraubertür schloß sich und der Pilot wollte den Schauplatz des Geschehens verlassen.

Doch der Wind drehte sich und eine starke Bö drängte ihn von seinem ursprünglichen Kurs ab und er flog in eine steile Aufwärtskurve über ein Schneebrett, dicht über die Gipfel der Bergtannen, die dort spärlich besiedelt waren. Die Turbulenzen der Rotorblätter hatten fatale Folgen. Die überhängenden Schneemassen lösten sich und mit einem gewaltigen Donnern fing der ganze Berg an zu beben.

O’Neill beobachtete erstarrt wie MacGyver nach dem ersten Schuß zu Boden ging und liegenblieb. Nachdem der Hubschrauber verschwunden war, lief er so schnell er konnte zu dem Mann, der reglos auf dem gefrorenen Schnee lag.

Macs Anorak war auf der rechten Seite von einer Kugel zerfetzt und dunkel verfärbt. Beim Sturz hatte er sich eine Platzwunde an der Stirn zugezogen, die ziemlich stark blutete.

Gerade als er sich die Wunden genauer ansehen wollte, spürte Jack ein Zittern des Bodens, das sich rapide verstärkte und ein donnerähnliches Geräusch begleitete. In fliegender Eile packte er MacGyver unter den Achseln und zog ihn über den Schnee zu einem großen überhängenden Felsen, der einsam am Rand des Platzes aufragte. Er schob ihn ganz nah an die Wand und ignorierte die Schmerzenslaute, als er MacGyver auf den Rücken drehte und an die Felswand preßte.

Das Beben wurde heftiger, die ersten Schneebrocken rieselten über den Hang und Jack hob den Kopf und sah über den Felsrand. Was er sah, raubte ihm den Atem. Eine gewaltige Lawine brach über sie herein und er zog blitzschnell den Kopf ein und warf sich schützend über seinen neu gewonnenen Freund.

Das Getöse war unbeschreiblich, als die Schneemassen über den Vorsprung hinwegrasten und alles neben und über ihnen mitrissen. Jack vergrub seinen Kopf zwischen den Armen und betete. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sich der Berg beruhig hatte. Nach scheinbar endlosen Minuten kehrte Stille ein und O’Neill rutschte von MacGyver herunter.

Völlige Dunkelheit hüllte sie ein und der typische Geruch von Schnee und eingeschlossener Luft erfüllte den entstandenen Hohlraum. Immer noch hörte er das Rieseln von der weißen Masse, die sich seinen Platz in die kleine Höhlung suchte, die sich unter dem Felsen gebildet hatte. Er suchte in MacGyvers Taschen nach der kleinen Lampe.

Ein lautes Stöhnen lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Verletzten.

"MacGyver" flüsterte er, die eigene Stimme klang seltsam hohl in ihrem kleinen Gefängnis. Ein erneutes Stöhnen war die Antwort und er setzte seine Suche erfolgreich fort. Schnell knipste er das Licht an und begutachtete die Wände aus weißen Kristallen. Ein Hohlraum mit ca. 2x2 Metern war entstanden.

Jack holte tief Luft und bemerkte beruhigend, daß er frische Luft in seine Lungen sog, gefiltert durch weiß Gott wieviel Schnee. Jetzt, nachdem der Adrenalinschub sich senkte, spürte er alle Knochen einzeln, konnte sich kaum bewegen.

Er beleuchtete MacGyvers Körper. Die Spuren des Puma-Angriffs waren deutlich zu sehen. Doch größere Sorgen bereitete ihm der größer werdende Fleck auf der rechten Seite. Er zog den Reißverschluß des Anoraks auf und leuchtete den Bauch ab. Das Hemd darunter war blutdurchtränkt und ein Einschußloch in der rechten Flanke war zu erkennen. Als er das Hemd hochzog, konnte er zu seiner Erleichterung feststellen, daß die Gewehrkugel MacGyver nur gestreift hatte. Eine ca. 1 cm tiefe Fleischwunde zog sich in Höhe der Nieren von vorn nach hinten entlang. Es war eine sicherlich schmerzhafte, aber nicht lebensgefährliche Verletzung. Doch unter den gegebenen Umständen war das eher nebensächlich.

"Warum hast Du mir bloß geholfen, Mac?" O’Neill zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und preßte es gegen die noch leicht blutende Wunde. Er zog den Anorak zurück an seinen Platz und verlor auf einmal allen Mut. Müde legte er sich zurück, zu müde um der Panik entgegenzuwirken, die sich langsam in ihm ausbreitete.

Nun hatte er ein weiteres Leben auf dem Gewissen – einen Mann, der sicher eine Familie und Freunde hatte, die er jetzt nie wieder sehen würde. Hysterisches Lachen erklang in seinem Inneren. Sogar in der Vergangenheit gelang es ihm noch, andere Menschen ins Unglück zu stürzen. Das altbekannte Gefühl der Schuld kam mit voller Wucht zurück und er blickte ein letztes Mal in Macs zerkratztes Gesicht, bevor er die Lampe ausknipste. Er wußte von MacGyver gar nichts – nicht einmal den Vornamen. Schließlich fiel er in einen albtraumhaften Schlaf. Draußen strahlte ein leuchtender Mond auf das vom Schnee überflutete Plateau und wachte über die Natur.


weiter: Kapitel 3

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