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In den Händen des Feindes von Lorien

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Vorwort

Spoiler: zwischen 1.06 "Childhoods End" und 1.07 "Poisoning the Well"
In den Händen des Feindes


Teil 1 – Mitten im Nirgendwo


Dunkelheit.

Er trieb in vollkommener Dunkelheit. Ohne Anfang und Ende, einfach nur im Nichts. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon so trieb. Genauso wenig wie er wusste, wer oder gar was er war. Es kümmerte ihn nicht. Instinktiv wusste er, sich zu erinnern würde nur Unannehmlichkeiten bedeuten. Doch als würde ihn sein eigenes Ich hintergehen, trieb sein Bewusstsein langsam an die Oberfläche.

Es begann damit, dass dem herumwaberndem Etwas, das sein Ich war, Grenzen gesetzt wurden. Gerade eben noch schwerelos dahin treibend, war er nun zurück in dem Gefängnis, das man Körper nannte. Eine Hülle, einzig dazu da ihn an einem bestimmten Ort zu halten.

Ein Zucken machte ihn auf einmal darauf aufmerksam, dass er Finger besaß. Er konzentrierte sich direkt darauf und versuchte seine rechte Hand zu bewegen. Schlechte Idee, denn plötzlich hörte er jemanden stöhnen – sich selbst. Mit der Wiederentdeckung seines Körpers kehrten auch die Schmerzen zurück. Er hatte es geahnt, im Nichts zu treiben, wäre doch die angenehmere Alternative gewesen. Aber gleichzeitig kam ihm von irgendwoher der Gedanke, dass vor etwas davonzulaufen nicht zu ihm passen würde. Innerlich aufseufzend, machte er sich an die mühsame Aufgabe endgültig in die Wirklichkeit zurückzukehren.


Schmerzen.

Sein Körper schien nur noch aus einem einzigen pulsierenden Schmerz zu bestehen. Um nicht wieder davon überwältigt zu werden, versuchte er sich nur auf einzelne Teile zu konzentrieren.

Dass mit seiner rechten Hand etwas nicht stimmte, hatte er ja schon auf die harte Tour mitbekommen. Sie fühlte sich so an, als ob jemand mit dem Vorschlaghammer darauf eingeschlagen hätte. Im Gegensatz dazu schien seine linke Hand in Ordnung zu sein, wie er erkannte, als er sie vorsichtig zur Faust ballte. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee zunächst eine Bestandsaufnahme zu machen, damit er dann entscheiden konnte, ob sich zu bewegen wirklich klug wäre.

Als er mit seinen Beinen begann, stellte er zunächst fest, dass er nicht wie angenommen irgendwo lag, sondern mehr oder weniger aufrecht stand. Doch irgendwie fühlten sich die Schmerzen in seinem rechten Fußgelenk anders an. Gebrochen? Nein, so schlimm schien es nicht zu sein. Verstaucht?


Er rannte durch einen Wald. Vor sich konnte er zwischen den Bäumen bereits die Lichtung erkennen, auf der das Stargate stand. Seine Begleiter liefen alle vor ihm und der Erste hatte fast das DHD erreicht. Hinter sich hörte er dagegen, wie sich ihre Verfolger rücksichtslos einen Weg durch das Unterholz bahnten und Stück für Stück aufholten. Aus diesem Grund drehte er sich im Weiterlaufen kurz um und gab ein paar schnelle, ungezielte Feuerstöße aus seiner P90 ab, in der Hoffnung sich und den Anderen wenigstens ein paar zusätzliche Sekunden Zeit zu verschaffen.

Als er wieder vorwärts lief, stand unvermittelt ein Strauch in seinem Weg. Indem er sich unter einem tief hängenden Ast hinwegduckte, wollte er diesen umrunden, als sein rechter Fuß ohne Vorwarnung im Erdboden einbrach. Nachdem er sich überschlagend zu Boden gegangen war, versuchte er so schnell wie möglich wieder aufzuspringen – nur um dank des stechenden Schmerzes in seinem Fußgelenk gleich noch einmal zu Boden zu gehen. Doch es blieb keine Zeit Kräfte zu sammeln. Er spürte wie die Verfolger mit jedem Moment den er zögerte näher kamen und versuchte ein zweites Mal aufzustehen. Diesmal hielt sein Knöchel und während er die Schmerzen ignorierte, humpelte er weiter. Dabei fluchte er heftig über lästige Kaninchen oder was auch immer das entsprechende Äquivalent auf diesem Planeten war.



Er schob die plötzlich auftauchende Erinnerung beiseite und versuchte sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Vielleicht doch keine so gute Idee, da ihm auf einmal bewusst wurde, wie anstrengend Luft holen war. Jeder Atemzug sandte Schmerzwellen durch seinen Brustkorb. Seine Rippen… So wie sich das anfühlte, war bestimmt die ein oder andere gebrochene dabei. ‚Wie war das schon wieder passiert?’ Ihn beschlich das Gefühl, dass er im Laufe seines Lebens schon einige Erfahrung mit dieser Art von Verletzung sammeln konnte. Nur was war das für ein Leben? Irgendwie bezweifelte er, dass er ein einfacher Farmer und Familienvater war. Familie… ohne es erklären zu können, verspürte er bei diesem Wort einen Stich in seinem Herzen, was ihn sich fragen ließ, ob es da draußen überhaupt jemanden gab, dem er wichtig war, der ihn vermissen würde.

Genug! Er sollte sich lieber um dringendere Dinge kümmern. Zum Beispiel seine Augen. Vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt sie endlich zu öffnen. Allerdings fühlte sich sein Gesicht auch nicht so an, als ob es zu ihm gehören würde, alles schien wund und geschwollen. ‚Hatte jemand seinen Kopf mit einem Punchingball verwechselt?’ Keine Chance das linke Auge zu öffnen, also konzentrierte er sich auf das Rechte. Das Lid schien durch eine getrocknete Flüssigkeit verklebt zu sein, ließ sich letztendlich aber öffnen, auch wenn er zunächst nur hellere und dunklere Schatten um sich herum erkennen konnte. Er blinzelte und versuchte Einzelheiten auszumachen, als ihn an den Schatten etwas vertraut vorkam. ‚Verdammt!’ Mit einem Mal wurde ihm bewusst, wo er sich befand.


In dem Moment als er den Waldrand erreichte, sah er, wie sich das Wurmloch etablierte. „Lauft!“ schrie er seinen Begleitern zu, während er versuchte schneller zu humpeln. ‚Nur noch 50 Meter’, sagte er sich. ‚50 Meter! Die wirst du auch noch schaffen!’ Das Stargate fixierend, als ob er es durch bloßes Wunschdenken näher heranbringen könnte, bemerkte er mit grimmiger Zufriedenheit, wie die Athosianerin ihren älteren Teamkollegen kurzerhand in den Ereignishorizont schob. Doch anstatt diesem zu folgen, drehte sie sich um und zielte auf den Waldrand hinter ihm. Auch der junge Marine, der gerade das Stargate erreichte, ging nicht hindurch, sondern drehte sich um und zielte mit seiner P90 auf ihre Verfolger. Am liebsten hätte er ihnen erneut „Lauft!“ zugerufen, unterdrückte den Impuls jedoch. So sehr er sich auch wünschte, seine Teammitglieder in Sicherheit zu wissen, wusste er, dass er ohne ihre Unterstützung kaum Chancen hatte selbst zu entkommen.

Mittlerweile bis auf 25 Meter an das Stargate herangekommen, wagte er einen Blick über die Schulter zurück - gerade als die ersten Gestalten zwischen den Bäumen auftauchten. Sofort eröffneten seine Begleiter das Feuer, um ihm die Zeit zur Flucht zu verschaffen. Doch da fiel ihm ein neues Geräusch auf: ein hohes, ziemlich unangenehmes Summen - fast schon ein Kreischen - welches sich schnell näherte. Unwillkürlich sah er im Laufen nach oben und suchte den Himmel mit seinen Augen nach Anzeichen für die zusätzliche Bedrohung ab. Ein Schatten raste über die Lichtung hinweg, nur um in einiger Entfernung zu wenden und gleich darauf direkt auf ihn zu zuhalten.

Er versuchte nochmals das Tempo anzuziehen und schneller zu humpeln. Dabei übersah er jedoch, nur noch zehn Meter vom rettenden Stargate entfernt, einen halb im Erdreich vergrabenen Stein. Zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit landete er mit einem harten Aufprall, der ihm die Luft aus den Lungen trieb, auf dem Boden. Gerade als er sich wieder aufgerafft hatte, sah er, wie sich die Augen seiner Begleiter entsetzt weiteten und sie ihre Waffen auf etwas über ihm richteten. Ein verzweifeltes „Neeeeiiiiin!“ in den Ohren löste sich die Welt um ihn herum plötzlich auf.



Wraith.

Es waren die Wraith, die ihn gefangen genommen hatten, was ihm der erneute Erinnerungsfetzen endgültig klarmachte. Mit großer Wahrscheinlichkeit befand er sich in einem ihrer Basisschiffe. Und mit dieser Erkenntnis kamen auch alle anderen Erinnerungen zurück. Wie eine alles überwältigende Flut stürzten die Bilder auf ihn ein und ließen ihn für einen Moment hilflos zittern. Doch danach wusste er endlich wieder, wer er war und wohin er gehörte. Nach Atlantis, seinem neuen Zuhause.

Den kleinen Raum um sich herum betrachtend, wurde ihm bewusst, dass er sich in einer dieser Kammern befand, die die Wraith benutzten, um ihre menschlichen Vorräte bei Kräften und frisch zu halten. Von dieser aus konnte er nur einen kleinen Teil des Ganges überblicken, als er plötzlich Schritte hörte, die sich seiner Kammer näherten. Drei Gestalten kamen in sein Blickfeld und hielten direkt vor ihm an. Es waren Wraith. Okay, eigentlich nicht wirklich überraschend, aber man darf doch noch hoffen, versuchte er sich selbst aufzuheitern.

Mit nur einem Auge studierte er die drei und erkannte, dass er es mit zwei dieser gesichtslosen Drohnen und einem der höher entwickelten Wraith zu tun hatte. Dieser beugte sich mit einem bösartigen Grinsen zu ihm hin und zischte mit offenkundiger Vorfreude: „John Sheppard. Heute wirst du uns endlich verraten, wie wir zur Erde kommen.“





Teil 2 – Ein Frühstück mit Folgen


Einige Tage zuvor:

Major John Sheppard plante gerade seinen Tag, als er sich auf dem Weg zur Kantine befand, wo er hoffte, ein entspanntes Frühstück genießen zu können. Nicht, das es da so viel zu planen gab: ihn erwartete ein weiterer ereignisloser Tag, an dem er begeisterte Wissenschaftler dabei beaufsichtigen musste, wie sie neu entdeckte Geräte ausprobierten und dabei sicherzustellen, dass niemand in seinem Enthusiasmus aus Versehen die Stadt in die Luft jagte.

Das ging jetzt schon eine Woche so und obwohl er es liebte, Atlantis zu erkunden, zu sehen, wie die Stadt nach und nach zum Leben erwachte, hatte er die Nase voll, weiterhin den Babysitter zu spielen. Und schuld daran war nur McKay, der es einfach nicht lassen konnte, an fremder Technologie herumzuspielen! Okay, genau genommen war das ja eigentlich auch seine Aufgabe, aber nach der Beinahekatastrophe mit dem ZPM auf dem Planeten mit den Kindern vor einer Woche, hatte Weir entschieden, das der gute Doktor mal über seine Handlungen nachdenken sollte.

Das Ergebnis war, dass das gesamte Team auf Atlantis festsaß, da McKay so etwas wie „Hausarrest“ bekommen hatte. Nur brachte diese Aktion rein gar nichts, wie John frustriert hatte feststellen müssen und auch versucht hatte Elizabeth klarzumachen. McKay verschwand einfach in dem Raum, den er sich als Labor ausgesucht hatte und murmelte dabei etwas von „jetzt hab ich endlich mal Zeit für…“. Und dort steckte er jetzt schon seit einer Woche!

Während er den Transporter betrat, überlegte John, wie er Weir am besten davon überzeugen konnte, sein Team wieder auf Missionen zu schicken. Abwesend berührte er mit einem Finger die Stelle auf der Anzeige des Transporters, die in unmittelbarer Nähe zur Kantine lag. Noch immer in Gedanken bekam er gar nicht das leichte Ziehen mit, welches den Vorgang begleitete. Als sich die Türen öffneten, ging er einfach los und stieß dabei mit einer unmittelbar vor dem Transporter stehenden Person zusammen. Es kümmerte ihn nicht, wen er da eigentlich über den Haufen gerannt hatte, also murmelte er nur kurz eine Entschuldigung und ging weiter in Richtung Kantine.

Teyla, die sich gerade bei ihrem Volk befand und beim Aufbau eines neuen Zuhauses half, würde heute Abend zurückkommen. Vielleicht würde sie ihm helfen Dr. Weir zu überzeugen. Sicher war er sich auf jeden Fall der Unterstützung von Lieutenant Ford. Der junge Marine hatte ihn die letzten Tage begleitet und war ebenso begierig darauf den Wissenschaftlern zu entkommen wie er selbst.

Wir könnten doch anstelle von McKay diesen tschechischen Wissenschaftler mitnehmen, kam John auf einmal in den Sinn. Der könnte einerseits ein wenig Erfahrung mit Außeneinsätzen gebrauchen und war andererseits um einiges pflegeleichter. Genau genommen war Zelenka sogar richtig nett und in der Regel immer höflich. Außerdem könnte er dann endlich einige der tschechischen Flüche lernen, die der Doktor so gern von sich gab. John hatte bereits ein paar coole Sprüche der russischen Wissenschaftler aufgeschnappt und auch ein paar interessante spanische Wendungen. Wenn er so weitermachte, hatte er in einigen Monaten alle Sprachen der internationalen Expedition durch. Wenn mich jemand fragt, was ich in einer anderen Galaxie so alles gelernt habe, dachte er belustigt, kann ich voller Stolz erzählen, in über 20 Sprachen fluchen zu können.

Es gab nur einen Haken an diesem Plan: Zelenka war zu nett. Da machte es absolut keinen Spaß ihn aufzuziehen. Mit McKay war das etwas anderes. Der hatte so viele Allergien, ständig irgendwelche Wehwehchen und ging immer so schnell an die Decke, dass es eine Freude war, ihn zu ärgern. John kam ein erschreckender Gedanke: Er vermisste den eigensinnigen Wissenschaftler doch nicht etwa?! Der Kerl war arrogant, selbstgerecht und verdammt nervig! Und trotzdem, wenn er mit ihm zusammen war, wurde es nie langweilig.

Während er lautlos aufseufzte, betrat er endlich die Kantine und wurde vom Duft von frisch gebrühtem Kaffee begrüßt, von dem er sich gleich einmal eine Tasse besorgte. Er hatte sich gerade ein Tablett mit seinem Frühstück beladen, als ihn jemand rief.

„Major Sheppard!“, schallte es durch den Raum. „Major Sheppard!“

Wenn man vom Teufel sprach, oder in seinem Fall: dachte. Sich in Gedanken von einem ruhigen und entspannten Frühstück verabschiedend, wandte er sich dem Rufer zu. Dr. Rodney McKay saß im hinteren Teil der Kantine allein an einem Tisch und winkte John enthusiastisch zu sich her. Dabei hätte er beinahe die Thermoskanne vom Tisch gewedelt, die vor ihm direkt neben einem reichlich beladenem Tablett stand.

Er fügte sich in das Unvermeidliche, ging auf den Wissenschaftler zu und setzte sich ihm gegenüber hin. Mit hochgezogener Augenbraue und einem schiefen Blick auf die Thermoskanne fragte er: „Angst, nicht genug Kaffee abzubekommen?“

„Ich sag Ihnen was, Major. Es ist echt ungeheuerlich, wie viel Kaffee die anderen Wissenschaftler so in sich hineinschütten!“

Und dies von dem Mann, der mehr als zehn Tassen pro Tag von diesem Gebräu trank. Johns Augenbraue machte sich schon wieder auf den Weg nach oben, auch wenn er auf einen Kommentar verzichtete. McKay schien jedoch nichts von der Ironie in seiner eigenen Aussage zu bemerken.

„Außerdem muss ich dann nicht so oft aufstehen, um mir Nachschub zu besorgen“, fügte dieser hinzu und leerte die halbvolle Tasse in seiner Hand in einem Zug. Gleich darauf füllte er sie wieder mit frischem Kaffee aus der Thermoskanne.

Sheppard konzentrierte sich auf sein eigenes Tablett und begann endlich mit seinem Frühstück. Als es nach fünf Minuten jedoch immer noch verdächtig ruhig war, stutzte er. Moment mal, dachte er beunruhigt, irgendetwas stimmt hier nicht. Seit wann ist McKay fünf Minuten lang ruhig? Vorsichtig schielte er hinüber und sah, wie ihn der Kanadier nachdenklich anschaute.

„Was?“

„Wie?“ McKay zuckte leicht zusammen.

„Was ist los?“

„Äh… nichts… Ich habe nur nachgedacht.“

Noch nicht wirklich überzeugt, trank John einen Schluck aus seiner Tasse und sah den Wissenschaftler herausfordernd an, welcher sein eigenes Frühstück auf einmal viel interessanter zu finden schien.

„Kommen Sie schon, Rodney! Sie wollen doch etwas von mir“, bohrte er nach.

Auf einmal schaute McKay aus wie ein Kind, dass mit der Hand in der Keksdose ertappt wurde. Doch dann schien er sich zu etwas durchzuringen. „Haben Sie heute schon was Wichtiges vor, Major?“

„Sie meinen etwas Wichtigeres als Dr. Weir davon zu überzeugen, uns endlich wieder auf Außenmissionen zu lassen?“, kam die Antwort doch etwas eisiger als beabsichtigt. Wenigstens hatte Rodney den Anstand schuldbewusst zusammenzuzucken und noch etwas geknickter drein zuschauen.

„Hätten Sie vielleicht Lust einen Ausflug zu machen? Ich habe den Jumper repariert, mit dem wir letzte Woche bei den Kindern die Bruchlandung gemacht haben. Jetzt wären ein paar Tests nötig, um sicherzustellen, dass alles wieder funktioniert.“

„Und was kriege ich dafür?“ John war nicht bereit, es seinem Gegenüber allzu einfach zu machen.

Doch der Kanadier hatte sich bereits erholt und schien sich wieder an sein normales Selbst zu erinnern. Er grinste siegesbewusst, bevor er sagte: „Na wenn Sie weiterhin Wissenschaftler beaufsichtigen wollen, kann ich auch gern Markham um Hilfe bitten.“

„Schon gut. Ich mach es ja“, kam schnell die einlenkende Antwort.

„Schön, dann sehen wir uns in einer halben Stunde im Hangar.“ McKay wirkte mit sich selbst zufrieden, schnappte sich sein Tablett und die Thermoskanne und verließ den Tisch.

Mit einem Stirnrunzeln sah ihm John hinterher und fragte sich unwillkürlich, ob es eine so gute Idee gewesen war, diesem Ausflug zugestimmt zu haben. Schließlich war er dann für einige Stunden mit dem Wissenschaftler ganz allein in einem Jumper eingesperrt. Man sollte wirklich vorsichtig sein, mit dem was man will. Vielleicht würde er sich noch wünschen, einen weiteren Tag Babysitter gespielt zu haben.

~~~~~

Dr. Rodney McKay begab sich auf direktem Weg zum Jumperhangar, sein restliches Frühstück und die Thermoskanne mit dem für das Überleben so notwendigen Kaffee hatte er einfach mitgenommen. Ihm war siedendheiß eingefallen, dass er vor dem Start unbedingt noch ein paar kurze Tests und ein paar Feineinstellungen machen musste.

Denn eigentlich hatte er gar nicht vorgehabt den Major zu einem Testflug zu überreden, sondern nur versucht ein Gespräch anzufangen, in dessen Verlauf er dann irgendwann sein eigentliches Anliegen erwähnen konnte. Aber er hätte es besser wissen müssen als ihm den Trip mit dem Jumper vorzuschlagen, denn schließlich kannte er Sheppard mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass der einfach jede Gelegenheit zum Fliegen nutzen würde.

Da war er wohl selbst schuld, wie er sich mit einem Seufzen eingestand. Er hätte ja auch gleich zum Punkt kommen können, nur hätte das die Worte ‚ZPM’, ‚anderer Planet’ und ‚vermutlich verlassene Ruinen’ in einem Satz bedeutet. Wer wusste schon, wie der Major nach der Sache mit den Kids darauf reagiert hätte, vor allem wenn man dessen Reaktion auf seine harmlose Frage vorhin beim Frühstück bedachte. Allerdings hatte er jetzt ein paar Stunden Zeit, Sheppard von seinem Plan zu überzeugen.

Als Rodney den Hangar erreicht hatte, machte er sich mit neu erwachtem Enthusiasmus an die Arbeit und ließ die letzten Diagnoseprogramme durchlaufen. Auch wenn er es sich nie eingestehen würde, gab es noch immer viel zu viel an der Technologie der Antiker, dass er gar nicht oder nur zum Teil verstand. Deswegen machte er die Tests bereits zum dritten Mal. Nur zur Sicherheit und eigentlich gar nicht nötig!, wie er in Gedanken bestimmt hinzufügte.

Pünktlich mit dem Eintreffen des Majors war der letzte Test abgeschlossen. Alle Werte lagen im grünen Bereich, weshalb er schnell zusammenpackte und nur einen Computer für die Tests unterwegs draußen ließ. Auf einen fragenden Blick Sheppards hin antwortete er mit „Es kann losgehen!“





Teil 3 – Testflug



Sich richtig auf den Ausflug freuend, ging John Sheppard zur verabredeten Zeit zum Jumperhangar. Auch wenn er das Rodney gegenüber niemals offen zugeben würde, war er erleichtert, nicht mehr den Babysitter spielen zu müssen. Und eine Gelegenheit zu fliegen, würde er niemals ausschlagen. John fühlte sich jedes Mal erst wirklich gut, wenn er fliegen durfte, wenn er sich in der Luft befand und auf die Landschaft unter sich immer neue Blickwinkel erhaschte. Für ihn war es ein besonderes Gefühl der Freiheit, sich losgelöst von der Erde zu bewegen. Und dann war er hierher in die Pegasus-Galaxie gekommen und hatte zum ersten Mal in einem Jumper gesessen. Er liebte die kleinen Maschinen. Auch wenn sie vielleicht nicht sonderlich elegant aussahen, war es ein überwältigendes Gefühl sie zu fliegen. Der Jumper reagierte auf jeden seiner Gedanken schneller, als er mit seinen Händen jemals die Kontrollen erreichen würde.

Als er den Hangar betrat, bemerkte John wie McKay im hinteren Teil des Jumpers stand, auf seinem Computer herumtippte und zufrieden etwas Unverständliches vor sich hinmurmelte. Während er sich der offenen Rampe näherte, begann der Kanadier zusammenzupacken. Auf einen fragenden Blick hin, bekam John ein „Es kann losgehen!“ zu hören.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen betrat er den Jumper und ging zum Pilotensitz, wo er zufrieden Platz nahm, während es sich McKay auf dem Copilotensitz gemütlich machte.

„Ich wusste doch, dass Sie nur nach einer Entschuldigung gesucht haben, um diese Dinger fliegen zu können!“, äußerte dieser in einem selbstzufriedenen Tonfall.

Unauffällig verdrehte John die Augen. Manchmal war der Wissenschaftler echt nervig! Dinge, die ihn unmittelbar betrafen und direkt vor seiner Nase geschahen, bekam er nicht mit, aber Dinge, die ihn nichts angingen, fielen ihm mit frustrierender Regelmäßigkeit auf.

Doch er hatte nicht vor, sich davon das kommende Vergnügen zu vermiesen und entschied sich lieber dafür McKay zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Jumper, der ohne zu zögern auf seine gedachten Befehle reagierte und die hintere Ausstiegsluke schloss, während er gleichzeitig sacht vom Boden abhob. Dann steuerte er das kleine Gefährt durch das geöffnete Hangardach und ließ Atlantis innerhalb von nur ein paar Minuten weit hinter sich.

Als sie die Atmosphäre des Planten verlassen hatten, wandte sich John an McKay. „Und, irgendwelche besonderen Wünsche womit ich beginnen soll?“

„Nein, nein… toben Sie sich ruhig ein wenig aus und fliegen Sie einfach nur ein paar verschiedene Manöver.“

~~~~~

Etwa zwei Stunden später blickte McKay zufrieden von seinem Computer auf. „Ich denke, das reicht, Major. Alle Werte sind im grünen Bereich, lassen Sie uns nach Atlantis zurückkehren.“

„Ach Schade… es fing gerade an Spaß zu machen!“

Rodney schaute zweifelnd zu John. „Aber wir sind doch nur Kreise geflogen, haben ein paar Schlangenlinien gemacht und getestet, ob sich der Tarnmodus und die Waffensysteme aktivieren lassen.

„Genau was ich meinte! Viel Spaß!“

Der Kanadier glaubte sich verhört zu haben, als ihm Sheppards verschmitztes Grinsen auffiel. War ja mal wieder typisch! Der Kerl wollte ihn nur aufziehen. Diesmal falle ich nicht drauf rein, sagte er sich. Laut sagte er: „Wenn es so toll ist, könnten Sie mich doch auch mal ans Steuer lassen.“

„Kommt gar nicht in Frage! Sie würden noch was kaputt machen.“

„Aber ich war doch derjenige, der ihn gerade repariert hat“, schnappte Rodney gereizt. „Sie dagegen waren derjenige, der den Jumper beim letzten Mal zu hart gelandet hat.“

„Ja, aber es war Ihre Idee gewesen, so nah an dieses Energiefeld heran zufliegen.“ Auch John war nicht bereit so schnell aufzugeben.

„Wieso haben Sie sich so? Das hier ist schließlich nicht Ihr persönliches Spielzeug.“

„Sie sehen doch auch jedes neue Gerät, welches wir in Atlantis finden, als Ihr Eigentum an. Sie gehen sogar so weit, dass Sie Leute anschreien, nur weil sie Dingen zu nahe kommen, die Sie noch nicht begutachtet haben.“

„Aber ich bin nun mal die Person, die am besten dafür qualifiziert ist“, versuchte sich der Wissenschaftler zu rechtfertigen. „Es wäre äußerst dumm, wenn die Geräte kaputt gehen würden, bevor wir überhaupt herausgefunden haben, wofür sie da sind.“

McKay bemerkte zu spät, dass er soeben genau das gleiche Argument angebracht hatte, wie Sheppard kurze Zeit zuvor. Dieser schaute ihn nur mit seiner unnachahmlich hochgezogenen Augenbraue an. Also versuchte Rodney seine Taktik zu ändern.

„Es wäre doch von großem Vorteil für unsere Missionen, wenn ich den Jumper auch fliegen könnte. Gesetzt den Fall Sie werden verletzt und sind deshalb nicht in der Lage selbst zu steuern, dann muss Sie doch jemand retten können.“

„Ach, und das wären dann Sie?“ Der Major schien belustigt. „Seit wann halten Sie sich denn für einen Helden, Rodney?“

„Und Sie wollen nur den Ruhm nicht teilen“, antwortete McKay beleidigt, gerade als sie wieder in die Atmosphäre des Planeten eintauchten. Er konnte es sich nicht verkneifen, noch ein geflüstertes „Kirk“ anzufügen.



John stimmte Rodney eigentlich zu, dass es durchaus nützlich war, wenn sie einen zweiten Piloten im Team hätten. Nur genoss er dieses kleine Streitgespräch viel zu sehr, um einfach nachzugeben. Gerade als er zu einer Antwort ansetzen wollte, gab es einen dumpfen Knall und der Jumper schüttelte sich.

„Was war das?“, fragten beide gleichzeitig.

Als Antwort darauf begann sowohl McKays Computer wie auch die Anzeige auf dem Cockpitfenster vor Sheppard rot zu blinken.

„Nicht gut.“

„Gar nicht gut.“

Rodney blickte auf und sagte mit entsetztem Gesichtsausdruck: „Der rechte Antrieb ist ausgefallen.“

Wie um seine Worte noch zu unterstreichen, fing der Jumper immer stärker an zu vibrieren.

„Das habe ich auch schon gemerkt.“ Verbissen umklammerte John die Steuergriffe. „Ich dachte, Sie hätten alles repariert.

Mittlerweile reagierte das kleine Gefährt kaum noch auf seine Befehle. Es versuchte immer wieder in eine Richtung auszubrechen, so dass es all seiner Konzentration bedurfte, um einen halbwegs geraden Kurs beizubehalten. Allerdings verloren sie jetzt auch noch viel zu schnell an Höhe. Ein kurzer Blick zu Rodney zeigte John, dass der Kanadier sich an seinem Sitz festklammerte und entsetzt nach draußen starrte.

„Ich glaube nicht, dass wir es bis nach Atlantis schaffen werden.“ Das brachte McKay dazu, seine Augen noch weiter aufzureißen und wenn möglich noch entsetzter auszuschauen, während er jetzt den Piloten anstarrte.

„Das Festland liegt um einiges näher. Ich werde versuchen, da zu landen.“ Oder zumindest irgendwie in einem Stück herunterzukommen, fügte er in Gedanken hinzu.

„Wir werden das schon überleben.“ Allerdings schien Rodney seine Zuversicht nicht zu teilen, sondern starrte ihn weiterhin an. „Sie sollten versuchen Atlantis zu erreichen und Weir von unserem kleinen Problem berichten, damit jemand kommt um uns abzuholen.“

John hatte keine Gelegenheit mehr darauf zu achten, ob McKay auf seine Worte reagierte, da die Steuerung seine gesamte Konzentration erforderte. Durch die doppelte Belastung heulte das linke Triebwerk immer öfters auf. Dann setzte es auf einmal ganz aus…

Nein! Nicht! Geh wieder an du dummes Ding!
Mit seinen Gedanken versuchte er das Triebwerk dazu zu überreden sich wieder einzuschalten. Komm schon! Als ob der Jumper die Dringlichkeit spüren würde, ging das Triebwerk mühsam wieder an. Und obwohl es alles andere als rund lief, verspürte John ein wenig Erleichterung. Allerdings nur bis er entsetzt feststellte, dass sie jetzt wie ein Stein vom Himmel fielen.

Auch wenn sie sich mittlerweile über dem Festland befanden, würde ein Aufprall auf dem Erdboden – mit dieser Geschwindigkeit und in diesem Winkel – nur ihren Tod bedeuten. Er spürte, wie Schweiß seine Handflächen glitschig machte und verstärkte den Griff um die Kontrollhebel. Gleichzeitig versuchte er vorsichtig das verbliebene Triebwerk dazu zu überreden, ihnen ein wenig Vorwärtsschub zu geben.

Unter sich konnte John bereits sich abwechselnde Wald- und Wiesenflächen unterscheiden, als er spürte, wie der Jumper quälend langsam auf seine Befehle gehorchte und ihr gerader Fall in eine Kurve überging. Jetzt mussten sie nur noch langsamer werden. Vor Anspannung vergaß er fast das Atmen, meinte jeden Aussetzer des Triebwerks körperlich zu spüren. Doch endlich zeigten seine Bemühungen Erfolg und er bemerkte, wie sie an Geschwindigkeit verloren. Nur waren sie jetzt schon so tief, dass er unter sich einzelne Bäume ausmachen konnte.

Der Jumper war zwar langsamer geworden, würde mit dieser Geschwindigkeit aber immer noch zwischen den Bäumen zerschellen, weshalb er sich anstrengte, den Sinkflug noch mehr abzuflachen und gleichzeitig hoffte, dass der Wald endete. Gerade als sie die ersten Baumspitzen streiften, öffnete sich vor ihnen eine größere Lichtung.

Jetzt oder nie, dachte John, als er die Nase des Jumpers etwas herunterdrückte, nur um ihn kurz vor dem Aufprall abzufangen und möglichst flach knapp über dem Erdboden dahinzurasen. Bei dem gewagten Manöver stöhnte Rodney neben ihm erschrocken auf. Diese letzte Anstrengung war zuviel für das ohnehin stark geschwächte Triebwerk, das nach einem letzten Aufheulen endgültig versagte.

Dann berührten sie den Erdboden und prallten gleich darauf wieder ab. Wie ein flacher Stein auf der Wasseroberfläche hüpfte der Jumper über die Lichtung, die auf einmal viel zu klein schien. Nun endgültig auf dem Boden und immer noch viel zu schnell dahinrutschend, versuchte John verzweifelt das Triebwerk zu einem kleinen Gegenschub zu überreden. Mehr als ein kurzes Stottern konnte er jedoch nicht erreichen. Nur allmählich verloren sie an Geschwindigkeit und der Waldrand kam immer näher.

„Halten Sie sich gut fest, Rodney! Das wird ziemlich heftig werden.“

John selbst umklammerte noch immer die Steuerkontrollen, nicht bereit auch nur eine Sekunde in seinen Bemühungen nachzulassen, den Jumper doch noch abzubremsen.

Dann hatten sie den gegenüberliegenden Waldrand erreicht. Die ersten Bäume gingen noch links oder rechts an ihrem Gefährt vorbei. Doch das Glück hielt nicht lange an und auf einmal stand ein Baum mitten in ihrem Weg. Durch den Aufprall wurde er mit dem Kopf voran gegen die Konsole vor sich geschleudert. Er verspürte einen stechenden Schmerz, dann wurde die Welt um ihn herum schwarz. Aber kurz bevor er endgültig in der Bewusstlosigkeit versank, sah er noch wie der Baum, der sie gestoppt hatte, langsam auf den Jumper niederstürzte.

~~~~~

Im Kontrollraum von Atlantis gingen alle ruhig ihrer Arbeit nach, als auf einmal das Funkgerät knisternd zum Leben erwachte. Der Dienst habende Techniker konzentrierte sich darauf und versuchte zu verstehen, wer sich da meldete, aber alles was er ausmachen konnte, waren statische Störungen. Dann brach die Verbindung genauso plötzlich wieder ab, wie sie zustande gekommen war.

Irritiert wollte der Techniker schon fast die Sache auf sich beruhen lassen, aber er wurde einfach das Gefühl nicht los, etwas überhört zu haben. Deshalb rief er die bei jedem Funkspruch automatisch angelegte Aufzeichnung auf und hörte sie sich wieder und wieder an. Und tatsächlich konnte er sie mit Hilfe einiger Filter verbessern und so etwas wie eine Nachricht erkennen.

Mit den Ergebnissen seiner Arbeit ging er zu Dr. Weir und spielte ihr die Aufnahme vor. „Atlantis hi… Jum… … Wir haben … Pro… … …tzen ab… …tis, bitte mel…“ Auch wenn man nicht jedes Wort verstehen konnte und alles von Rauschen überlagert war, konnten sie deutlich heraushören, dass die Stimme panisch klang.

„Das klingt gar nicht gut“, meinte Elizabeth, die mit wachsender Besorgnis zugehört hatte. „Wann kam das herein? Und warum bin ich nicht sofort informiert worden?“

„Vor zehn Minuten, aber ich musste die Aufnahme erst bearbeiten, damit man überhaupt etwas verstehen kann“, rechtfertigte sich der Techniker.

„Ich verstehe“, lenkte sie ein. „Wissen wir schon, von wem das kam?“

„Nein, aber es hört sich so an, als ob das eine Wort Jumper bedeuten könnte und…“

„…und im Moment sind nur Major Sheppard und Dr. McKay mit einem Jumper unterwegs.“ Weir konnte einen besorgten Tonfall nicht unterdrücken. Die beiden zogen Probleme aber auch jedes Mal geradezu magisch an. „Haben sie…“

Doch auch Elizabeth wurde unterbrochen, als man sie plötzlich in den Kontrollraum rief.





Teil 4 – Vermisst


Teyla Emmagan hatte einen anstrengenden Vormittag hinter sich, den sie mit endlosen Gesprächen mit Mitgliedern ihres Volkes verbracht hatte. Sie hatte versucht, sich alle Probleme und Beschwerden vorurteilslos anzuhören und für jeden Einzelnen eine angemessene Lösung zu finden. Zum Glück waren die meisten vernünftig geblieben und hatten in Ruhe mit ihr diskutiert. Das Ergebnis war eine lange Liste mit Dingen, nach denen sie entweder Dr. Weir fragen musste oder die sie auf einer der nächsten Handelsmissionen eintauschen wollte. Nur hatten die Athosianer im Moment leider nicht allzu viel übrig, was sie entbehren konnten, um es im Austausch dafür anzubieten.

Nachdem die dringendsten Fragen geklärt waren, entschied Teyla, dass es Zeit für eine Pause war, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Während sie sich streckte, damit sich ihre vom vielen Sitzen verspannten Muskeln wieder lockerten, verließ sie das Zelt, in dem sie die letzten Stunden verbracht hatte. Kaum war sie jedoch ins Freie getreten, als sie schon von einer Horde lärmender Kinder umringt war, die sie anflehten, mit ihnen zu spielen. Nach kurzem, eher vorgetäuschtem Zögern stimmte sie zu und ließ sich widerstandslos fortziehen.

Es tat gut mit den Kindern unbeschwert zu lachen und wenigstens für eine kurze Zeit alle Sorgen zu vergessen. Sie war gerade mit Fangen dran und rannte nun den davonlaufenden Kindern hinterher. Doch selbst wenn sie mal in die Nähe eines von ihnen kam, ließ sie es unauffällig jedes Mal knapp entkommen. Genauso wie das kleine Mädchen, dem sie folgte, ihr gerade noch so entwich und vergnügt quietschend davon rannte.

Teyla wandte sich gerade einem neuen Opfer zu, als sie feststellte, dass die Kinder plötzlich abgelenkt waren. Einige zeigten aufgeregt auf etwas, was sie am Himmel entdeckt hatten. Als sie den ausgestreckten Armen mit ihrem Blick folgte, sah auch sie es: ein Jumper, der eine Rauchfahne hinter sich herziehend vom Himmel fiel.

Vor Entsetzen erstarrt verfolgte sie, wie das kleine Gefährt, noch immer viel zu schnell an Höhe verlierend, langsam eine Vorwärtsbewegung aufnahm und der senkrechte Fall in eine Kurve überging. Während sie alle Geister um Beistand anflehte, sah sie dem Jumper nach, bis er nur wenige Kilometer vom Camp entfernt im Wald verschwand. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf eine Explosion. Als stattdessen nur eine Staubwolke über den Bäumen aufstieg, holte sie erleichtert wieder Luft.

Jetzt konnte sich Teyla endlich aus ihrer Erstarrung lösen und übergab kurzerhand dem ältesten Jungen die Aufsicht über die Kinder. Dann beauftragte sie einige ihrer Leute damit, schnellstmöglich Verbandsmaterial, Werkzeuge und für den Notfall auch Wasser und Nahrung zusammenzusuchen und sich dann bereitzuhalten, damit sie sofort los konnten, nachdem sie sich mit Atlantis in Verbindung gesetzt hatte.

Teyla rannte regelrecht zu dem Zelt, in dem das von den Atlantern zur Verfügung gestellte Funkgerät aufgebaut worden war und wartete ungeduldig darauf, dass eine Verbindung zustande kam.

„Hier Atlantis Kontrollraum“, meldete sich endlich ein Techniker.

„Hier ist Teyla. Ich muss dringend mit Dr. Weir sprechen, es gibt einen Notfall.“

„Moment…“

Einige quälend langsam verstreichende Sekunden vergingen, bis die Leiterin der Atlantis-Expedition endlich am Mikrofon war. „Was ist passiert, Teyla?“

„Wir haben gerade beobachtet, wie ein Jumper etwa drei bis vier Kilometer von unserem Lager entfernt in den Wald gestürzt ist. Es war keine Explosion zu sehen, aber er war viel zu schnell, als dass er unbeschadet zu Boden gegangen sein kann.“

„Oh mein Gott“, sagte Weir gepresst. „Das können nur Major Sheppard und Dr. McKay gewesen sein. Die beiden sind vor einigen Stunden zu einem Testflug aufgebrochen.“

„Ich habe bereits einen Rettungstrupp aufgestellt und werde gleich aufbrechen. Wahrscheinlich wäre es gut, wenn sie auch ein Team und Dr. Beckett schicken würden.“

„Natürlich. Ich werde das sofort veranlassen, allerdings wird es bestimmt eine Stunde dauern, bis sie da sind.“

„Verstanden.“ Nach kurzem Nachdenken fügte Teyla noch hinzu: „Wir werden die Absturzstelle, sobald wir da sind, mit einer dieser Rauchgranaten markieren, damit Sie sie schneller finden können.“

„Gut, Teyla. Und viel Glück! Weir Ende.“

Nachdem die Verbindung unterbrochen war, verließ die Athosianerin das Zelt und begab sich zu ihren wartenden Leuten. Zufrieden stellte sie fest, dass in der Zwischenzeit alles Wichtige zusammengepackt worden war, so dass sie unverzüglich aufbrechen konnten. In Begleitung von vier weiteren Athosianern machte sich Teyla auf den Weg zur Absturzstelle.

~~~~~

Er war tot.

Er war sich ganz sicher, dass sie das nicht überlebt haben konnten. Aber warum tat ihm dann alles weh?

Mit einem Stöhnen öffnete Rodney McKay seine Augen und richtete sich mühsam von der Konsole auf, auf die er beim Aufprall geschleudert worden war. Zuerst vergewisserte er sich, dass alles an ihm noch in einem Stück war. Und auch wenn er jeden Knochen in seinem Körper spürte, schien die ernsthafteste Verletzung eine aufgeplatzte Lippe zu sein.

Oh nein! Ist das etwa ein lockerer Zahn? dachte Rodney erschrocken und wackelte daran, als ihm etwas einfiel. Locker… ein Baum, der umkippte… Ein Blick nach oben zeigte ihm, dass er sich bei den Antikern für die sichere Bauweise der Jumper bedanken musste. Trotz des Alters von mindestens 10.000 Jahren hatte das Dach gehalten und war durch den Aufprall des Baumes nur ein wenig eingedellt. Der Major hatte recht gehabt, als er behauptete, dass sie das überleben würden.

Der Major! Er hatte Sheppard ganz vergessen! Mit einem bangen Blick zum Pilotensitz hin entdeckte er ihn reglos auf der mit Blut verschmierten Steuerkonsole liegen.

Rodney spürte ganz genau, wie sich sein Herz krampfhaft zusammenzog. Nein. Bitte nicht! Er nahm all seinen Mut zusammen, ging zu dem Piloten und tastete nach dessen Puls. Gleichmäßig und kräftig. Vor Erleichterung bekam er ganz weiche Knie.

Als das Zittern endlich aufhörte, hob er den Major vorsichtig von der Konsole und ließ ihn auf den Boden des Jumpers gleiten. Dann holte er den Verbandskasten und schaute sich die Wunde näher an. Beruhigt erkannte er, dass es viel schlimmer ausgesehen hatte, als es tatsächlich war. Nur ein hässlicher Schnitt über dem linken Auge, der allerdings heftig blutete.

Nachdem er diesen gesäubert hatte, legte er einen Verband an und gerade als er fertig war, fing Sheppard an sich zu rühren und öffnete blinzelnd die Augen.

Rodney konnte sich ein erleichtertes Grinsen nicht verkneifen, als er sagte: „Sie haben mir aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“

„Was… was ist passiert?“ Sheppard klang noch immer ziemlich benommen.

„Sie hatten das Bedürfnis die Steuerkonsole mit ihrem Kopf kurz und klein zu schlagen.“

„Genauso fühlt es sich auch an“, meinte John, während er vorsichtig den Verband betastete.

„Finger weg!“ Rodney gab ihm einen Klaps auf die Hand. „Ich habe mir so eine Mühe gegeben!“

„Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, wie ein Baum direkt auf uns zukippte.“

„Warum mussten Sie auch unbedingt eine neue Art des Holzfällens ausprobieren?“

„Wenn Sie den Jumper richtig repariert hätten, wäre das nicht nötig gewesen.“

„Ich hatte ihn richtig repariert“, versuchte sich McKay beleidigt zu verteidigen. „Es war bestimmt nicht meine…“

„Schon gut.“ Ein Stöhnen unterdrückend richtete sich Sheppard auf. „Lassen Sie uns lieber herausfinden, wo genau wir mit dieser Blechbüchse gelandet sind.“

Während er die offensichtlichsten Schäden wie das eingedellte Dach und auch das leicht verzogene, aber immer noch intakte Cockpitfenster betrachtete, redete John weiter. „Haben Sie vor unserem Absturz eigentlich Atlantis erreichen können?“

„Ich habe es versucht, aber ich weiß nicht, ob ich durchgekommen bin. Es gab keine Rückmeldung.“ Rodney klang ziemlich verunsichert. „Und was jetzt?“

Er beobachtete, wie der Major an die Steuerkonsole trat und versuchte das Funkgerät einzuschalten, doch ohne eine sichtbare Reaktion. „Alles tot, wir sollten erst einmal hinausgehen und uns draußen umschauen.“

Erleichtert sich beschäftigen zu können, ging der Kanadier zur hinteren Luke, nur um den nächsten Schock zu erleben. Sie ließ sich nicht öffnen, weshalb er frustriert mit der Faust auf sie einschlug. Allerdings war das einzige Ergebnis, dass seine Hand jetzt auch noch schmerzte. Soviel Pech kann doch niemand haben, dachte Rodney ungläubig. Dann wandte er sich Sheppard zu. „Durch den Aufprall des Baumes muss sich das gesamte Gehäuse des Jumpers verzogen haben. Wir sitzen hier fest.“ Dabei konnte er einen leicht panischen Tonfall nicht unterdrücken.

Im Gegensatz dazu war Sheppard die Ruhe selbst, wie er mit einem bewundernden Blick feststellte. Der Major schien in jeder Situation einen klaren Kopf zu behalten und sogar noch die Zeit für den einen oder anderen Witz zu finden. Auf diese Weise hatte er es bisher geschafft, ihr Team durch jede brenzlige Situation zu bringen.

Und auch jetzt gelang es dem Piloten, McKay mit nur einem einzigen Satz abzulenken. „Dann haben wir ja genug Zeit, damit Sie mir endlich erzählen können, warum ich meinen Tag wirklich mit Ihnen verbringe.“

„Wie meinen Sie das?“ Rodney fühlte sich sofort in die Defensive gedrängt.

„Kommen Sie schon, McKay. Glauben Sie etwa, ich hätte nicht bemerkt, dass Sie mich heute früh etwas ganz anderes fragen wollten?“

„Sie haben Recht“, gab der Wissenschaftler nach. „Ich brauche ihre Hilfe.“

„Hab ich es doch gewusst.“ John grinste ihn an.

„Wie können Sie nur in so einer furchtbaren Situation so gut gelaunt sein?“

„Rodney, Sie lenken ab!“

„Sie sollen mir helfen, Dr. Weir von einer Mission zu überzeugen“, gab McKay schicksalsergeben zu. „Ich habe in der Antiker-Datenbank einen Hinweis auf eine verlassene Stadt gefunden, in der es noch ein ZPM geben soll.“

„Und was ist jetzt das Problem daran?“, fragte John überrascht. „Elizabeth weiß doch genau, wie dringend wir zusätzliche Energie brauchen. Sie wird der Mission bestimmt zustimmen.“ Doch dann sah er Rodneys leicht gequälten Gesichtsausdruck. „Sie haben doch nicht etwa Angst vor ihr? Oder haben Sie vielleicht doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen wegen der Sache mit dem ZPM der Kinder?“

Während McKay ihn beleidigt anschaute, machte sich Sheppard nicht die Mühe sein Lachen zu verbergen. Und deswegen sitzen wir schon wieder in der Klemme?, fassungslos schüttelte John den Kopf. Doch anstatt wütend zu werden, musste er nur noch lauter lachen. In diesem Moment fiel ihm durch das Fenster hindurch eine Bewegung auf.

~~~~~

Obwohl sie noch nicht so lange auf dem Festland zu Hause waren, hatten die Athosianer die letzten Monate genutzt, um sich mit der Umgebung rund um das Camp herum vertraut zu machen. Davon profitierte Teyla jetzt, da ihre Gefährten vor allem auf der Jagd erkundete Wege kannten, auf denen sie schneller das Gebiet erreichen konnten, in dem der Jumper abgestürzt war.

Zunächst folgte die kleine Gruppe dem Verlauf des Flusses, in dessen Nähe das Camp errichtet worden war. Am Ufer entlang flussabwärts gehend, kamen sie schneller voran, als wenn sie sich durch das Unterholz kämpfen müssten. Erst als der Fluss nach etwa einem Kilometer fast rechtwinklig abbog, drangen sie in den Wald ein.

Die Sorge um ihre Teamkollegen trieb Teyla dazu, ein zügiges Tempo vorzulegen, dem sich die übrigen Athosianer widerspruchslos anpassten. Sie weigerte sich, daran zu denken, dass sie zu spät kommen könnten und versuchte dagegen, ihr Vorgehen zu planen, sobald sie den Jumper erreicht hätten. Obwohl das letztendlich davon abhing, was sie an der Absturzstelle vorfanden, konnte sie sich so wenigstens etwas ablenken.

Nach einem Marsch von rund 45 Minuten erreichten sie eine Lichtung, die sich unvermittelt vor ihnen öffnete. Sie hatte eine in etwa elliptische Form und war mit Gras und flachen Büschen bedeckt. Die kleine Gruppe hatte die Wiese etwa in der Mitte der längeren Seite betreten und sah direkt vor sich eine deutliche Furche im Erdboden.

Als sie zunächst in die eine Richtung schaute, sah Teyla wie die Spur immer wieder aussetzte. Dann drehte sie sich mit bangem Herzen um, nicht sicher was sie erwarten würde und entdeckte sofort den Jumper zwischen den Bäumen, auch wenn einer umgestürzt war und mit seiner Krone fast alles verdeckte. Ohne auf ihre Begleiter zu achten, rannte sie los.

Sie verlangsamte ihre Schritte erst wieder, als sie den Jumper erreicht hatte. Weil der umgestürzte Baum ihr den Zugang zur hinteren Luke versperrte, umrundete sie diesen und ging zur Vorderseite des kleinen Fluggerätes. Nur würde es wahrscheinlich nirgendwo mehr hinfliegen. Mit Entsetzen betrachtete sie die völlig deformierte Vorderseite und das eingedellte Dach des Jumpers. Dabei fragte sie sich verzweifelt, wie das jemand überlebt haben konnte.

„Nein!“, sagte sie mit einer Bestimmtheit, von der sie nicht wusste, woher sie kam. „Sie leben!“

Genau in diesem Moment sah Teyla eine schattenhafte Bewegung hinter dem Fenster. Es war Sheppard, der sie trotz eines Verbandes um seinen Kopf mit seinem unglaublichen Grinsen anschaute. Dabei winkte er fröhlich. Vor Erleichterung atmete sie auf und merkte erst jetzt, wie groß die Anspannung tatsächlich gewesen war. Ihr fiel nichts besseres ein, als ebenfalls zu winken und zurück zu grinsen. Hinter dem Major sah sie Dr. McKay stehen.

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Während die anderen Athosianer damit begannen, den umgestürzten Baum zu zerlegen, damit man die Ausstiegsluke erreichen konnte, markierte Teyla wie versprochen die Absturzstelle. Und schon kurze Zeit später landete der von Dr. Weir gesandte Jumper.

Nachdem die hintere Luke zugänglich war, konnte sie mit den mitgebrachten Werkzeugen aufgeschweißt werden und heraus kam der sichtlich erleichterte McKay. Selbst Sheppard konnte beim Aussteigen ein tiefes Durchatmen nicht unterdrücken.

Ihre vier Begleiter schickte Teyla in das Camp zurück, während sie selbst zusammen mit den anderen in den Jumper stieg und nach Atlantis zurückkehrte. Obwohl sich Dr. Beckett bereits an der Absturzstelle davon überzeugt hatte, dass die beiden nicht plötzlich tot umkippen würden, steckte er Rodney und John zu einem gründlichen Check in die Krankenstation.





Teil 5 – Nur eine weitere Mission


Auf Dr. Elizabeth Weirs Gesicht stahl sich ein leises Lächeln, als sie die guten Nachrichten hörte, dass man Major Sheppard und Dr. McKay mehr oder weniger unbeschadet gefunden hatte. Da konnte sie es auch verkraften, dass der Jumper wahrscheinlich nicht mehr zu retten war. Nicht auszumalen, was es bedeutet hätte, wenn sie ihren Chefwissenschaftler und – dann schon zum zweiten Mal – den ranghöchsten Militär der Expedition verloren hätte.

Aber die beiden schafften es auch immer wieder in Schwierigkeiten zu geraten. John hatte ihr auf eine entsprechende Frage mal erklärt, dass er den Problemen gar nicht hinterher zu rennen bräuchte, sondern das die immer schon genau wüssten, wo er hinwollte und da bereits auf ihn warten würden. Und obwohl es schon da eher wie etwas klang, das er mal irgendwo gehört hatte, war es zu dem Zeitpunkt ganz lustig gewesen. Nur was würde passieren, wenn sie das Glück einmal verließ und die Schwierigkeiten zu groß waren?

Sie schob die eher düsteren Gedanken beiseite und begab sie sich in die Krankenstation, wo sie auf einen ziemlich geschafften Carson Beckett traf. Den Stimmen nach zu urteilen, die aus dem Nachbarraum zu hören waren, konnte sie sich ganz genau vorstellen, was seine Erschöpfung verursacht hatte.

„Wie geht es den beiden, Carson?“, fragte sie mit einem mitfühlenden Lächeln.

„Ich glaube, dass sind die schlimmsten Patienten, die man sich vorstellen kann.“ Der Arzt konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. „Major Sheppard muss ständig beobachtet – oder gefesselt – werden, damit er nicht im Handumdrehen hier verschwunden ist und Rodney jam… nun ja… Rodney ist eben Rodney.“

Dem konnte Weir nur zustimmen. „Und wenn die beiden auch noch in einem Raum zusammen sind.“

Becketts verzweifeltes Auflachen zeigte ihr, dass sie da einen empfindlichen Punkt getroffen hatte. „Aber abgesehen davon geht es den beiden den Umständen entsprechend gut.“

„Das hört sich doch gut an.“

Wieder ganz der professionelle Arzt, wurde Carson ausführlicher: „Ich behalte die beiden wirklich nur vorsichtshalber über Nacht hier um sicherzugehen, dass sie etwas Ruhe bekommen.“

Wie um seine Worte Lügen zu strafen, wurden die Stimmen im Nebenraum deutlich lauter und hitziger.

„Ruhe?“

„Wenigstens bleiben sie so im Bett.“ Anscheinend hatte er einen ganz eigenen Weg gefunden, mit den beiden umzugehen. „Beide haben ziemliches Glück gehabt. Vor allem Sheppard. Rodney hat nur eine aufgeplatzte Lippe und sich die Zähne etwas angeschlagen. Er sollte die nächsten Tage nur Suppe oder Brei zu sich nehmen. Der Major hat eine Schnittwunde über dem linken Auge und durch den Aufprall ziemliche Kopfschmerzen. Glücklicherweise ist es keine Gehirnerschütterung. Außerdem hat er ein paar Prellungen auf dem Brustkorb, die zwar durchaus schmerzhaft sind, ihn aber nicht wirklich beeinträchtigen dürften. Zwei Tage Ruhe und er müsste seinen Dienst wieder aufnehmen können.“

„Danke, Carson.“ Beruhigt verließ Weir die Krankenstation. Gerade als sie an der Tür war, hörte sie ein Scheppern. Ein Blick über die Schulter zeigte ihr Beckett, der sie mit einem gequälten Augendrehen anlächelte, bevor er nach nebenan ging. Froh, die beiden einem anderen überlassen zu können, begab sie sich in ihr Quartier.

~~~~~

Drei Tage später:

Endlich wieder eine Außenmission, dachte John Sheppard mit freudiger Erregung, als er vor dem Stargate stand und auf dessen Aktivierung wartete. Neben ihm standen seine Teamkollegen ebenfalls in Bereitschaft. Lieutenant Aiden Ford, der genauso erleichtert aussah, wie er sich fühlte und Teyla, die wie immer die Ruhe in Person zu sein schien.

Hinter den beiden bemerkte er Rodney McKay, der mit einer Hand die letzten Ausrüstungsgegenstände in seinen Rucksack stopfte, während er in der anderen Hand einen seiner geliebten Powerriegel hielt. John konnte sehen, wie er genüsslich kaute. Die letzten Tage mussten für den Kanadier fast unerträglich gewesen sein – genauso wie für diejenigen, die das Pech hatten, in seine Nähe zu geraten. Kein festes Essen zu sich nehmen zu dürfen, hatte Rodney anscheinend nie richtig satt gemacht und ihn immer an der Grenze zu einem hypoglykämischen Schock treiben lassen. Ob nun real oder nur eingebildet, hatte es den Wissenschaftler in eine derart schlechte Laune versetzt, dass sich niemand mehr in seiner Nähe aufhalten wollte.

Nicht, das für John die letzten Tage soviel angenehmer gewesen waren. Er war einfach nicht sonderlich gut darin nichts zu tun und hatte sich nur noch mehr gelangweilt, als während der Beaufsichtigung der Wissenschaftler. Gut, er war mal wieder etwas zum Lesen gekommen, aber er hatte noch nicht mal mit Teyla trainieren dürfen. Auch wenn sie ihn immer besiegte, wäre das wenigstens eine interessante Abwechslung gewesen, aber Beckett hatte ganz genau definiert, was er mit „ausruhen“ meinte. Für einen so sanften Menschen konnte der gute Doktor seine Anordnungen ziemlich bestimmt durchsetzten. Sheppard fragte sich, ob Carson die Drohung, ihn in der Krankenstation auf eine Liege zu schnallen und ruhig zu stellen, wirklich wahr gemacht hätte, wenn er ihn bei irgendetwas erwischt hätte, dass nicht seiner Definition von Ausruhen entsprach.

Oben im Kontrollraum sah er Dr. Weir, die mit einem Nicken den Techniker aufforderte, das Stargate zu aktivieren. Wie es John vermutet hatte, war sie relativ schnell mit der Mission einverstanden gewesen. Atlantis brauchte nun mal dringend ein ZPM, wenn sie sich gegen die Wraith verteidigen wollten. In Gedanken musste er schmunzeln, als er sich daran erinnerte, wie sie Rondey vor versammelter Truppe extra ermahnt hatte, das Energiemodul nur zu entnehmen, wenn sicher gestellt war, dass die Entfernung für niemanden eine Gefahr darstellte. Egal ob der Planet im Moment unbewohnt schien.

Die Daten des MALP hatten gezeigt, dass M8L-412 einer der vielen erdähnlichen Planeten dieser Galaxie war. Nichts, was sich signifikant von ihrem Heimatplaneten unterschied: ähnliche Luftzusammensetzung, ähnliche Strahlungswerte und die Vegetation entsprach in etwa der gemäßigten Zone der Erde. Da die Ruinen in denen sie das ZPM vermuteten nur ein paar hundert Meter vom Stargate entfernt waren, hatten sie entschieden, zu Fuß zu gehen.

Als sich das Wurmloch etabliert hatte, schaute John ein letztes Mal zu Elizabeth. Ihr Blick schien ihnen Glück zu wünschen, doch konnte er auch noch etwas anderes ausmachen. War das etwa Besorgnis?, fragte er sich überrascht. Tatsächlich konnte man nie alles im Voraus planen und immer wieder ging etwas schief, aber sie hatten sich so gut wie möglich vorbereitet und das MALP hatte nichts Auffälliges gezeigt.

Mit der Waffe im Anschlag durchschritt Sheppard, gefolgt von seinem Team, den Ereignishorizont, auf dessen anderer Seite sie strahlender Sonnenschein erwartete. Nachdem er sich seine Sonnenbrille aufgesetzt hatte, schaute sich John vorsichtig um und sah, dass das Stargate auf einer kleinen Lichtung stand, die auf drei Seiten von dichtem Wald umgeben war. Auf der vierten Seite führte ein überwachsener, aber noch deutlich erkennbarer Weg zu den nicht weit entfernten Ruinen. Die Architektur wies die verfallende Stadt eindeutig als von den Antikern gebaut aus. Auch wenn die in der Morgensonne glitzernden Türme nicht genauso aussahen wie die von Atlantis, kam der Anblick Sheppard irgendwie vertraut vor.

„Athos“, sagte Teyla auf einmal neben ihm. „Es ist mir vorhin auf den Bildern des MALP nicht aufgefallen, aber die Silhouette der Stadt ähnelt sehr der Stadt der Vorfahren auf Athos.“

John gab ihr im Stillen Recht. Auch wenn er sie auf Athos nur ein einziges Mal gesehen hatte, fiel auch ihm auf, wie ähnlich die Umrisse der Ruinen dort dem Anblick auf diesem Planeten waren. Besorgt erinnerte er sich aber auch daran, was passiert war, nicht lange nachdem Colonel Sumner befohlen hatte die Stadt zu erkunden.

„Rodney“, sagte er deshalb. „Wie wäre es, wenn Sie den Lebenszeichendetektor herausholen und einen Blick darauf werfen würden?“

Während McKay in seinen Taschen kramte, trat Lieutenant Ford mit einem jungenhaften Grinsen im Gesicht zu Sheppard. „Sir, Sie haben ja doch den Namen behalten, den ich diesem Ding gegeben hatte. Heißt das jetzt, ich darf mir doch wieder Namen ausdenken?“

„Bestimmt nicht!“, sagte John schnell. „Nur weil Sie einmal einen Glückstreffer gelandet haben, befähigt Sie das noch lange nicht, Namen zu vergeben. Und wir werden die Stadt da vorn auch auf keinen Fall Troja nennen.“

Der junge Marine sah überrascht aus. „Woher wussten Sie das, Sir?“

McKay ersparte Sheppard eine Antwort, so dass dieser Aiden nur geheimnisvoll angrinste, bevor er seine Aufmerksamkeit dem Kanadier zuwandte. Dieser sagte gerade: „Nichts zu sehen. An Lebensformen gibt es hier abgesehen von uns nur die Tiere im Wald. Allerdings scheinen einige davon nicht gerade klein zu sein.“ Mit einem misstrauischen Blick zum Waldrand fügte er ängstlich hinzu: „Die kommen doch bestimmt nicht raus, oder?“

„Ich halte das eher für unwahrscheinlich“, konnte sich John nicht verkneifen. „Aber wenn nicht, würden die Tiere Sie bestimmt in Ruhe lassen. Die haben sicherlich einen stark ausgeprägten Überlebensinstinkt und würden schon aus weiter Ferne Ihre Ungenießbarkeit erkennen.“

Während Rodney noch nach einer angemessenen Erwiderung suchte, wandte sich der Major Teyla zu, die noch immer wie hypnotisiert auf die Stadt starrte. „Teyla? Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.

Aus ihrer Erstarrung erwachend, wandte sie sich ihm zu. „Ich weiß nicht.“

„Spüren Sie Wraith?“ Sheppard schaute sich alarmiert um.

„Ich glaube nicht, aber irgendetwas fühlt sich komisch an. Es tut mir leid, aber ich kann es nicht genauer benennen. Es scheint sich immer nur gerade so am Rande meines Bewusstseins herumzutreiben und es… es…“, hilflos brach sie ab.

„Schon gut“, versuchte John sie zu beruhigen. „Wir werden ganz einfach unsere Augen offen halten und vorsichtig sein.“

Mit diesen Worten begann er auf die Ruinen zuzugehen und den Anderen blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.





Teil 6 – Die verlassene Stadt


Nach einem Fußmarsch von etwa 15 Minuten hatten sie die Stadt erreicht. Und schon beim Näherkommen war deutlich geworden, dass an dieser nicht nur der Zahn der Zeit genagt hatte. Viele der Zerstörungen waren durch gewaltsame Eingriffe entstanden. Bei einer großen Anzahl von Gebäuden waren Teile durch Explosionen weggesprengt worden, andere wiesen dagegen selbst nach so langer Zeit noch unverkennbare Brandspuren auf.

‚Hier muss ein heftiger Kampf stattgefunden haben’, kam es Sheppard ins Bewusstsein. Nicht unwahrscheinlich, dass es die Wraith gewesen waren, gegen die sich die ehemaligen Bewohner dieser Stadt hatten wehren müssen. Er ertappte sich dabei, wie er hoffte, dass nicht alle bei diesem Kampf getötet worden waren, sondern einige sich hatten retten können – vielleicht nach Atlantis. Doch oft genug waren die Wraith die absoluten Sieger und leerten ganze Welten. Selbst die Antiker hatten letztendlich aufgeben müssen und diese Galaxie verlassen.

John riss sich von diesen Gedankengängen los und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Diese war in genauso schlechtem Zustand wie der Rest der Stadt. Bombenkrater wechselten sich mit Schuttbergen ab und selbst relativ ebene Flächen waren oftmals mit Glasscherben bedeckt.

„Passt auf, wo ihr hintretet“, ermahnte er sein Team, wobei er sich besonders auf McKay konzentrierte.

Doch anstelle des üblichen Protestes nickte Rodney nur und ging vorsichtig weiter. Wahrscheinlich spürt er ebenfalls die eigenartige Stimmung hier, überlegte sich Sheppard. Während rund um das Stargate die üblichen von einer vielfältigen Natur kündenden Geräusche zu hören gewesen waren, war die Stadt geradezu unheimlich still. Nicht ein Vogel war zu hören, nur der Wind, der durch die Straßen strich. John konnte nicht verhindern, dass er eine Gänsehaut bekam. Ein Blick zu Teyla zeigte ihm, dass es der Athosianerin ganz ähnlich ging. Selbst Ford war ungewöhnlich still.

Sie hatten beschlossen, mit ihrer Suche zunächst beim höchsten Turm zu beginnen, da dieser an offensichtlich zentraler Stelle in der Stadt stand. Da war es nicht unwahrscheinlich, dass sich dort so etwas wie ein Kontrollraum, ähnlich dem in Atlantis, befand. Allerdings gestaltete sich der Weg dahin um einiges schwieriger als angenommen. Immer wieder gerieten sie in Sackgassen und mussten umkehren und nicht selten größere Umwege in Kauf nehmen.

Nachdem sie ein paar Stunden unterwegs waren, meldete sich plötzlich Rodney zu Wort. „Können Sie mir vielleicht noch mal erklären, warum wir nicht den Jumper genommen haben?!“ Sein nörgelnder Tonfall machte klar, dass er fast wieder der Alte war.

Aus diesem Grund konnte sich John auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, ihn aufzuziehen. „Wissen Sie, Dr. Beckett ist vor kurzem an mich herangetreten und meinte, dass Sie dringend etwas mehr Bewegung gebrauchen könnten.“

„Ha-ha… hören Sie mich lachen?!“

„Er sagte auch noch, Sie würden viel zu viel Zeit in ihrem Labor verbringen und müssten dringend mal wieder an die frische Luft.“

„Sie sind ein Witzbold, Major!“ Doch der Sarkasmus in seiner Stimme zeigte, dass McKay ganz und gar nicht amüsiert war.

„Aber so verstehen Sie doch, wir machen uns doch nur Sorgen um Sie!“

Aus den Augenwinkeln heraus sah Sheppard, wie sich Teyla wegdrehte um ihr Lächeln zu verbergen. Ford dagegen schien einen leichten Erstickungsanfall zu erleiden und ihm liefen bereits Tränen über das Gesicht.

„Wenn Sie nicht netter sind, werde ich Ihren Computer nicht mehr reparieren, wenn er das nächste Mal abstürzt.“ Typisch Rodney, der die Reaktionen seiner beiden Teamkollegen gar nicht mitbekam.

„Kein Problem, Dr. Zelenka macht das bestimmt gern für mich.“ John grinste McKay frech an.

„Pah…!!!“ Der Kanadier drehte sich um und stapfte beleidigt davon. Dabei konzentrierte er sich jedoch nicht genug auf den Untergrund. Auf einmal krachte es und von einem Moment auf den anderen war der Wissenschaftler einfach verschwunden.

Die anderen starrten eine Sekunde wie betäubt auf die Stelle, von der eine kleine Staubwolke aufstieg. Dann löste sich Sheppard aus seiner Erstarrung und rannte zu dem Ort, wo nur noch ein schwarzes Loch den Punkt markierte, an dem Rodney verschwunden war.

„McKay!“, rief er besorgt.

Dann hörten sie, wie aus dem Loch ein Husten erklang, dem ein deftiger Fluch folgte, der John überrascht eine Augenbraue heben ließ. Als er über die Kante nach unten schaute, sah er den Kanadier etwa anderthalb Meter tiefer auf einem Haufen undefinierbar verrotteter Teile liegen. Wohl hauptsächlich in seinem Stolz verletzt, fing Rodney an sich zu rühren und versuchte sogar aufzustehen, was den Major erleichtert aufatmen ließ.

„Ich hatte Ihnen doch befohlen, vorsichtig zu sein!“

„Ach, jetzt bin ich wohl wieder Schuld!“, kam es trotzig von unten herauf. „Immer auf die, die schon am Boden liegen!“

Nachdem sich der Wissenschaftler aufgerichtet hatte, konnte er gerade noch so über die Kante des Loches hinausschauen. Er streckte seine Arme aus und Sheppard und Ford zogen ihn vorsichtig hinauf. Wieder festen Boden unter den Füßen, ließ sich McKay erstmal erleichtert niedersinken.

„Wie geht es Ihnen“, fragte John ehrlich interessiert.

Zu erschöpft für eine schnippische Antwort, entgegnete Rodney: „Fragen Sie mich das noch mal, wenn mein Herz aufgehört hat so zu rasen. Aber zumindest fühlt es sich so an, als ob noch alles in einem Stück ist.“

„Sie haben sich verletzt“, stellte Teyla besorgt fest.

„Oh…“ McKay schaute verdutzt auf seine Hand, so als ob er selbst überrascht wär, dass es ihm noch nicht aufgefallen war. „Das ist doch nur ein Splitter.“

Sheppard wechselte einen überraschten Blick mit Ford. Der Sturz schien den Kanadier doch schwerer mitgenommen zu haben, da diese Reaktion dann doch eher untypisch für ihn war. Sie schauten zu, wie Teyla das Verbandsmaterial hervorholte, vorsichtig den gar nicht so kleinen Splitter entfernte und die Wunde verband. Die ganze Zeit über hatte Rodney ruhig dagesessen und nicht einen Ton gesagt.

Danach machten sie sich endlich wieder auf den Weg. Durch den kleinen Zwischenfall und auch aufgrund der vielen Umwege fing es schon an zu dämmern, als sie endlich an ihrem Ziel ankamen. Nachdem sie einen letzten Schutthaufen umrundet hatten, sahen sie vor sich einen relativ freien, mittlerweile mit Gras bewachsenen, Platz liegen, in dessen Mitte sich der Turm erhob. Das Erste, was John auffiel, war, dass dieses Gebäude genau wie der Bereich ringsherum, weit weniger Zerstörungen aufwies, als der Rest der Stadt. Seltsam…

Sie beschlossen die Nacht am Fuße des Turmes zu verbringen und diesen erst bei Tageslicht zu erkunden. Rodneys Unfall hatte ihnen deutlich vor Augen geführt, wie gefährlich hier jeder Schritt sein konnte. Nach einem schweigsamen Essen legten sich alle bis auf Sheppard hin, der die erste Wache übernahm.

Im Dunkeln empfand er die unheimliche Stimmung der Stadt noch viel stärker. Er hatte das Gefühl, sie wären irgendwie in eine verbotene Zone eingedrungen, nur das jemand vergessen hatte, die Warnschilder aufzustellen. Mit angehaltenem Atem lauschend, konnte er keine anderen Geräusche ausmachen, als die seiner schlafenden Teamkollegen. Selbst das Heulen des Windes war nicht mehr zu hören.

Teyla schien schon die ganze Zeit schlechte Träume zu haben, da sie sich immer wieder hin und her warf. Ab und zu murmelte sie etwas flehend vor sich hin, nur war es zu leise, als dass er es hätte verstehen können. Nachdem seine Wache um war, ging John zu ihr hin, um sie zu wecken. Als er sie an der Schulter berührte, fuhr sie erschrocken hoch und unterdrückte nur mit Mühe einen Schrei.

„Es ist alles in Ordnung“, redete er beruhigend leise auf sie ein. „Nur ein böser Traum.“

Teyla holte tief Luft, bevor sie antwortete: „Ja, Sie haben wohl recht. Ich kann mich nur nicht an einen Traum erinnern. Alles was ich verspüre, ist das dringende Bedürfnis von hier wegzurennen.“ Sie schaute ihn aus ihren dunklen Augen an. „Es geht mir gut. Gehen Sie ruhig schlafen.“

Sheppard schaute sie noch einen Moment prüfend an, bevor er nickte und sich hinlegte. Der Rest der Nacht verlief ruhig.

~~~~~

Am nächsten Morgen, bei Tageslicht, schien alles schon wieder um einiges normaler zu wirken. Aber vielleicht lag das auch daran, dass McKay sein gestriges Abenteuer überwunden hatte und wieder ganz der Alte schien. Jedenfalls beschwerte er sich während des gesamten Frühstücks über seine pochende Hand. „Wie soll ich damit nur vernünftig arbeiten? Was, wenn sich die Wunde entzündet? Das Pochen fühlt sich gar nicht gut an! Ich brauche die Hand doch aber noch, um diese Galaxis zu retten“, wiederholte er in leichten Variationen wieder und wieder.

John war viel zu erleichtert darüber, dass sich Rodney wieder „normal“ verhielt, als dass er sich am Monolog des Kanadiers gestört hätte. Deswegen verzichtete er auch auf seine üblichen bissigen Bemerkungen.

Dann brachen sie auf. Sheppard ging voran, McKay und Teyla folgten ihm, während Ford die kleine Gruppe nach hinten absicherte. In dem Moment als der Kanadier das Innere des Gebäudes betrat, begann die Anzeige des Detektors in seiner Hand zu blinken. Um sicherzugehen, dass das kein Zufall war, ging er noch einmal einen Schritt zurück. Außerhalb des Turms zeigte das kleine Gerät nichts Ungewöhnliches, erst nachdem er die Tür durchschritten hatte.

„Das Gebäude ist abgeschirmt“, teilte er den anderen mit. „Von außen konnte ich nichts empfangen, aber im Inneren wird mir eine deutliche Energiesignatur angezeigt. Die Quelle liegt schätzungsweise zehn Stockwerke über uns.“

Das Team betrat nun endgültig den Turm und gelangte zunächst in einen hohen offenen Raum. Genau gegenüber dem Eingang lag eine repräsentative Treppe, die zu einer den Raum zur Hälfte umgebenden Galerie führte. Nicht unähnlich dem Stargate-Raum in Atlantis. An den Wänden links und rechts gab es verschiedene Türen. Gerade als John sich fragte, ob sie auf der Suche nach einem Weg nach oben hinter jede dieser Türen würden schauen müssen, wandte sich McKay nach rechts und ging zielstrebig auf eine der Türen zu. Obwohl sie ganz genauso aussah wie all die anderen Türen, gelangten sie beim Hindurchgehen direkt in ein kleines Treppenhaus.

Sheppard überholte schnell den Wissenschaftler, um als Erster hinaufzusteigen. Selbst nach all der Zeit sah die Betonkonstruktion relativ stabil und sicher aus und sie erreichten ohne Schwierigkeiten die zehnte Etage.

Diesmal betraten sie einen kleineren Raum, der allerdings nicht weniger vertraut wirkte, vor allem aufgrund des Antiker-Kontrollstuhles, der auf einem kleinen Podest in der Mitte des Raumes stand. Auch an den Wänden konnten sie verschiedene Geräte und Kontrollpulte stehen sehen.

Während das Team einen Moment überrascht am Eingang stehen blieb, drängelte sich Rodney an John vorbei und kniete sich vor das Podest des Kontrollstuhles. Nach einem zufriedenen Blick auf den Detektor drückte er einen verborgenen Knopf und das ZPM fuhr heraus.

„He!“, warf Sheppard ein. „Sollten Sie nicht erstmal alles genau prüfen, bevor Sie das ZPM so einfach entnehmen?“

„Also, erstens ist es bisher noch immer an alles angeschlossen, ich wollte es mir nur mal näher ansehen. Und zweitens glauben sie doch nicht etwa wirklich, dass es hier noch irgendjemanden auf diesem Planeten gibt?“

Während McKay redete, fiel Johns Blick auf Teyla. Erschrocken sah er, dass die Athosianerin gar nicht gut aussah. Sie war ziemlich blass und auf ihrer Stirn glänzte Schweiß. Ich sollte sie dringend von hier wegbringen, dachte er besorgt.

„Das ZPM scheint immerhin halbvoll zu sein“, redete McKay weiter. „Ich denke, ich werde… Moment… Was ist das?“ Irritiert stand er auf und ging zu einem der Kontrollpulte an der Wand hinter dem Podest. „Oh nein!“

Auf einmal fing Teyla an zu reden. „Wraith“, stieß sie gepresst zwischen ihren Zähnen hindurch. „Die Wraith kommen!“





Teil 7 – Der Hinterhalt


Fast gleichzeitig mit Teyla rief auch McKay: „Wraith! Die Wraith waren hier! Sehen Sie sich das an! Das ist eindeutig Wraithtechnologie. So etwas wie eine Alarmanlage, den Energiesignaturen nach zu urteilen.“

„Okay, wir müssen hier sofort weg.“ Sheppard schnappte sich McKay, der noch schnell nach dem ZPM griff, scheuchte sein Team wieder die Treppe hinunter und aus dem Turm heraus. Während Rodney das Energiemodul in seinen Rucksack stopfte, versuchte er gleichzeitig einen Blick auf die Anzeige des Lebenszeichendetektors zu werfen.

„Oh nein, die sind schon überall. Wo kommen die denn auf einmal her?“, fragte er nervös.

„Das sah mir doch stark nach einem Hinterhalt aus“, erklärte Sheppard daraufhin. „Auch wenn sie es nicht benützen können, ahnten die Wraith wohl, dass es immer wieder welche geben könnte, die nach dem ZPM suchen würden.“

„Natürlich! Sie haben es mit einem Warnsystem gekoppelt, damit sie diejenigen, die dumm genug waren, hierher zu kommen, einfach aufsammeln können.“ McKay schnappte entsetzt nach Luft. „Warum können Missionen nicht auch mal friedlich und ohne Probleme ablaufen?“

„Aber das würde auch bedeuten, dass sich immer Wraith auf diesem Planeten aufgehalten haben“, fügte Ford hinzu. „Vielleicht sogar ein Basisschiff.“

„Ein Grund mehr, schnell von hier zu verschwinden“, trieb John die Anderen zu mehr Eile an.

„Aber warum hat das MALP dann nichts Verdächtiges aufgezeichnet?“, bohrte der junge Marine weiter.

„Wahrscheinlich haben sie noch ihren Winterschlaf gehalten und sind erst durch uns erwacht“, kam es von Teyla. „Das würde auch erklären, warum ich sie nicht eher gespürt habe.“ Sie schien sich selbst die Schuld für die Gefahr zu geben, in die sie alle geraten waren.

Doch bevor Sheppard etwas darauf erwidern konnte, hörte er ein hohes Summen. Während er „In Deckung!“ schrie, schnappte er sich im Weiterrennen McKay und tauchte im nächsten Hauseingang ab. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie Ford und Teyla ebenfalls in einer offenen Tür auf der gegenüberliegenden Straßenseite verschwanden. Nur kurz bevor der Wraith-Dart genau über die Stelle hinweg flog, an der sie gerade eben noch lang gelaufen waren.

Ein Stöhnen erinnerte den Major daran, dass er immer noch auf Rodney lag. Er richtete sich auf und reichte dem Kanadier eine Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen.

„Wenn Sie das nächste Mal das Bedürfnis haben, mir zu helfen, sollten Sie vielleicht versuchen, mich nicht mit ihrem Gewicht zu erdrücken“, murrte McKay. Als er jedoch Sheppards freches Grinsen sah, konnte er vor Erleichterung nicht anders als zurückzugrinsen. „Danke“, fügte er sogar noch leise hinzu.

Sie warteten noch einen Moment und rannten erst weiter, als sie sicher waren, dass der Dart vorerst nicht zurückkommen würde. Das sie bei diesem Tempo nicht genug auf den Untergrund achten konnten, nahmen sie dabei in Kauf. Vorbei an zerstörten Gebäuden, um Schuttberge herum oder wenn nicht anders möglich auch darüber hinweg. Dabei beteten sie jedes Mal, dass der Haufen nicht ins Rutschen geriet.

Der nächste Dart kam in genau dem Augenblick, als Sheppard oben auf einem dieser Schutthaufen war. Vor sich sah er Ford und Teyla, die gerade unten angekommen waren, Rodney war zumindest schon halb hinunter. Keine Chance, dass man sie diesmal übersehen würde, trotzdem versuchten sie nochmals schneller zu laufen.

Im Näherkommen schaltete der Dart seinen Beamstrahl ein, so dass John nichts anderes übrig blieb, als eine Warnung für sein Team auszustoßen und sich zur Seite fallen zu lassen. Geschwindigkeit aufnehmend rollte er den Haufen hinunter, wobei der halbe Hügel zusammen mit ihm ins Rutschen geriet. Erst eine Hauswand stoppte ihn abrupt und trieb die Luft aus seinen Lungen. Sheppard hatte nur noch Zeit, seine Arme hochzureißen, um seinen Kopf wenigstens ein wenig zu schützen, bevor er von der Schuttlawine begraben wurde.

Als Rodney den Warnruf des Majors hörte, versuchte er noch schneller zu laufen. Er war den Hügel fast hinunter und bemühte sich angestrengt ein Straucheln zu verhindern, als er spürte, dass der Dart direkt hinter ihm war. Doch anstatt von dem Beamstrahl erfasst zu werden, wurde er im letzten Moment zur Seite gerissen. Ford zerrte ihn hinter einen großen Stein in Sicherheit, wo auch schon Teyla Deckung gefunden hatte.

Nachdem die unmittelbare Gefahr vorbei war, suchten sie fieberhaft nach dem Major. Ohne auf sich selbst zu achten, gruben sie mit ihren bloßen Händen im Schutt.

„Hierher! Ich habe ihn gefunden!“, rief Teyla erleichtert. Sie hatte Sheppards rechten Arm entdeckt. Doch da sie jetzt wussten, wo sie graben mussten, hatten sie ihn schnell heraus geholt und halfen ihm auf die Beine, während er von Hustenkrämpfen geschüttelt wurde und versuchte allen Dreck auszuspucken, den er unfreiwillig geschluckt hatte. Unter all dem Staub konnten sie zudem zahlreiche Schürfwunden ausmachen.

Beim ersten Versuch alleine zu stehen, wäre John fast wieder zusammengeklappt, hätten ihn nicht Ford und Teyla festgehalten. Verdammt! Mir tut alles weh!, fluchte er in sich hinein. Laut beeilte er sich jedoch zu behaupten: „Es geht mir gut!“ Da nichts gebrochen schien, machte er einfach einen schmerzerfüllten Schritt nach dem anderen. Mühsam zog er die Luft zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hindurch und versuchte die besorgten Blicke seiner Freunde zu ignorieren. Glücklicherweise wurde es mit jedem Schritt besser und bald rannten sie wieder fast so schnell wie vorher durch die Straßen.

Die nächste Warnung kam von McKay, als sie etwa die Hälfte des Weges aus der Stadt heraus geschafft hatten. Er hatte gerade noch rechtzeitig auf den Detektor geschaut und entdeckt, dass eine Gruppe Wraith hinter der nächsten Ecke auf sie wartete. Um diese zu umgehen, gingen sie ein Stück zurück und bogen in eine andere Straße ein.

Stur mit den anderen mitlaufend, spürte Rodney, dass er langsam Seitenstechen bekam. Bitte nicht!, flehte er inbrünstig. Er wusste genau, dass die anderen ihn niemals zurücklassen würden, aber er wollte auch nicht der Grund für eine Gefangennahme des Teams sein, nur weil er nicht mehr konnte. Deshalb versuchte er die aufkommenden Schmerzen so lange wie möglich zu ignorieren. Doch irgendwie schlichen sie sich mit jedem Schritt mehr in sein Bewusstsein. Zunächst nur eine kleine Unannehmlichkeit, hatte er jetzt bei jedem Atemzug das Gefühl, jemand würde ihm ein glühendes Eisen in die rechte Seite stoßen.

Derart abgelenkt übersah der Kanadier die nächste Gruppe Wraith und das Team rannte fast in sie hinein, als sie um ein eingestürztes Gebäude herum hasteten. Im Bruchteil einer Sekunde hatte Sheppard die Situation erfasst und noch bevor er ganz zum Halten gekommen war und einer der sechs Wraith reagieren konnte, hatte er seine P90 hochgerissen und drückte ab.

Gerade als der erste Wraith zusammenbrach, fingen auch Ford und Teyla an zu feuern. Während er sah, wie die Kugeln seiner Begleiter ihr Ziel fanden, legte John auf einen weiteren Wraith an. Die beiden verbliebenen Wraith hatten sich mittlerweile gefasst und feuerten nun ihrerseits mit ihren Stunnern, doch bevor sie irgendjemanden treffen konnten, gingen auch sie getroffen zu Boden.

Nach nur wenigen Sekunden war alles überstanden und Sheppard ging zu der Stelle, an der McKay japsend auf dem Boden hockte. „Es tut mir leid, Rodney“, sagte er mit sanfter Stimme. „Aber wir müssen weiter. Jeder Wraith im Umkreis von einer Meile dürfte die Schießerei gehört haben und jetzt auf dem Weg hierher sein.“

Der Kanadier blickte ihn derart verzweifelt an, dass John weiter sprach. „Habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, dass wir das hier überleben werden?“, meinte er zuversichtlich und wiederholte damit absichtlich den Satz, den er ihm bereits während des Absturzes gesagt hatte. Das schien jedoch genau das Richtige gewesen zu sein, denn auf einmal straffte sich Rodneys Körper und als der Major seine Hand ausstreckte, ergriff McKay diese und ließ sich aufhelfen. „Geben Sie mir zumindest Ihren Rucksack.“

Zusammen rannten sie weiter. Noch zweimal hörten sie Wraith-Darts näher kommen, konnten jedoch jedes Mal rechtzeitig in Deckung gehen. Auch die Wraith-Suchtrupps wurden frühzeitig entdeckt und konnten so umgangen werden. Endlich hatten sie die Stadt durchquert – in einer viel kürzeren Zeitspanne als am Tag zuvor – und erreichten den Stadtrand. Indem sie den Wraith weites gehend ausgewichen waren, hatte es sie jedoch ein ganzes Stück vom Weg abgebracht und sie kamen ein paar hundert Meter rechts des Hauptweges aus der Stadt heraus.

Sie hatten gerade beschlossen, zu versuchen, sich durch den Wald zum Stargate durchzuschlagen, als sie hinter sich Geräusche hörten. Die Wraith hatten sie gefunden. Sheppard nickte Teyla zu, die sich McKay griff und mit ihm zusammen losrannte, während der Major und Ford nach hinten absicherten. Nachdem sie einige Salven aus ihren P90 abgegeben hatten, drehten auch sie sich um und rannten los.

Nach und nach näherten sie sich dem Stargate. John hoffte inbrünstig, dass sie etwas Glück haben würden und die Wraith dort nicht schon auf sie warteten. An ihrer Stelle, wäre das Stargate zu umstellen, das Erste gewesen, was er gemacht hätte. Schnell schob er den Gedanken von sich. Damit konnte er sich immer noch befassen, wenn es soweit war. Außerdem war das Tor nun mal ihre einzige Chance von diesem Planeten herunterzukommen.

Endlich konnte Sheppard zwischen den Bäumen die glücklicherweise leere Lichtung mit dem Stargate erkennen. Ford, der vor ihm lief, verließ gerade den Wald und Rodney hatte, mit Teyla nur wenige Meter hinter sich, schon fast das DHD erreicht. Um ihnen noch ein wenig zusätzlich Zeit zu verschaffen, drehte sich John noch einmal um, um rückwärts rennend auf ihre Verfolger zu feuern und so ihren Vormarsch zu verzögern.

Doch als er wieder vorwärts weiterlaufen wollte, stand auf einmal unvermittelt ein Strauch in seinem Weg. Um diesen zu umrunden, musste er sich auch noch unter einem tief hängenden Ast hinwegducken. Dabei brach sein rechter Fuß ohne Vorwarnung in den Erdboden ein und John ging sich überschlagend zu Boden. Er wollte sofort wieder aufspringen, stürzte dank eines stechenden Schmerzes in seinem Fußgelenk jedoch gleich noch einmal.

Aber er hatte keine Zeit, um Kräfte zu sammeln. Mit jedem Moment den er zögerte, spürte er die Verfolger näher kommen. Sheppard versuchte deshalb ein zweites Mal aufzustehen. Diesmal hielt der Knöchel und er begann die Schmerzen ignorierend weiterzuhumpeln. Gleichzeitig fluchte er heftig über lästige Kaninchen oder was auch immer das entsprechende Äquivalent auf diesem Planeten war.

McKay musste das DHD benutzt haben, denn in dem Augenblick als John den Waldrand erreichte, sah er, wie sich das Wurmloch etablierte. „Lauft!“, befahl er seinen Freunden, während er versuchte schneller zu humpeln. Nur noch 50 Meter!, versuchte er sich selber anzutreiben. 50 Meter! Das wirst du doch schaffen!

Er fixierte das Stargate, als ob er es durch bloßes Wunschdenken näher heranbringen könnte. Dabei bemerkte er mit grimmiger Zufriedenheit, wie Teyla Rodney kurzerhand durch den Ereignishorizont schubste. Doch anstatt diesem zu folgen, drehte sich die Athosianerin um und zielte auf den Waldrand hinter Sheppard. Auch Ford ging nicht durch das Tor, als er das Stargate erreichte, sondern zielte mit seiner P90 auf ihre Verfolger.

John musste sich beherrschen, um ihnen nicht erneut „Lauft!“ zu zuschreien. Obwohl er sich fast verzweifelt wünschte, alle Teammitglieder in Sicherheit zu wissen, war ihm durchaus bewusst, dass er ohne ihre Unterstützung kaum Chancen hatte, selbst zu entkommen.

Mittlerweile bis auf 25 Meter an das Stargate herangekommen, wagte er einen Blick über die Schulter zurück – gerade als die ersten Wraith zwischen den Bäumen auftauchten. Sofort eröffneten Ford und Teyla das Feuer, doch gleichzeitig glaubte Sheppard ein weiteres Geräusch auszumachen. Unwillkürlich sah er im Laufen nach oben und suchte den Himmel danach ab. Ein Dart raste über die Lichtung hinweg, nur um in einiger Entfernung zu wenden und direkt auf ihn zuzuhalten.

Er versuchte nochmals das Tempo anzuziehen und schneller zu humpeln. Dabei übersah er jedoch, nur zehn Meter vom rettenden Stargate entfernt, einen halb im Erdreich vergrabenen Stein. Erneut landete John mit einem harten Aufprall, der ihm die Luft aus den Lungen trieb, auf dem Boden. Gerade als er sich wieder aufgerafft hatte, sah er wie sich die Augen seiner Freunde entsetzt weiteten und sie ihre Waffen auf den Dart über ihn richteten.

Ein verzweifeltes „Neeeeiiiiin!“ in den Ohren spürte er, wie ihn der Beamstrahl erfasste und sich die Welt um ihn herum plötzlich in nichts auflöste.


weiter: Kapitel 2

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