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SG-27 von Hyndara71

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Ein Jahr zuvor:

Acastus Kolya senkte kurz das Fernrohr und lächelte. „Sieh an, Colonel, sieh an", murmelte er sehr zufrieden mit sich und dem Rest der Welt. Dann hob er das kleine Messingrohr wieder ans Auge und beobachtete die beiden Gestalten.
Ein hochgewachsener, schlanker Mann mit wirrem dunklem Haar hatte sich über eine, fast einen Kopf kleinere Frau mit schulterlangem, schwarzem Haar gebeugt und wisperte ihr offensichtlich etwas ins Ohr. Die Fremde begann zu lachen, wobei in ihren Augen ein gewisser Schalk aufblitzte.
„Wissen wir, wer sie ist?" fragte der ehemalige Anführer einer Spezialeinheit der Genii.
„Alles was wir wissen ist, daß sie die Kleidung der Atlanter trägt und mit ihnen gekommen ist", antwortete der mausgesichtige Mann neben ihm. „Sie sollen hier Verhandlungen über ein Handelsabkommen führen, aber das scheint ihn nicht sehr zu interessieren."
Kolya nickte, beobachtete das Paar weiter durch sein Fernrohr. „Colonel Sheppard wird angreifbar", sagte er. „Er hätte sich diese Gefühlsduselei sparen können. Aber offensichtlich ... Behaltet sie weiter im Auge. Sobald die beiden einmal getrennt sind, schlagen wir zu."
Mausgesicht starrte den hochgewachsenen Mann mit dem pockennarbigen Gesicht groß an. „Was wollen Sie tun?"
Kolya lächelte wieder. „Sheppard zerstören, das will ich."

***

Vashtu ließ sich auf dem Rand des Brunnens nieder, senkte eine Hand in das kühle, kristallklare Wasser. „Es tut gut, einmal ein bißchen Frieden genießen zu dürfen", sagte sie.
John Sheppard ließ sich neben ihr nieder, holte einen Energieriegel aus seiner Überlebensweste und öffnete die Verpackung. „Es ist schön, hier zu sein. In der Sonne und ohne eine ... Du weißt, was ich meine."
Die Antikerin nickte, strich sich das Haar hinters Ohr und sah ihn von der Seite an. „Es tut mir leid, daß ich dir nicht eher gesagt habe, daß ich zur Erde gehen werde."
Sheppards Gesicht verdüsterte sich. „Bitte verdirb uns diesen Tag nicht, Vashtu. Laß ihn uns einfach genießen. Er wird schon viel zu früh wieder ernst." Er seufzte.
„Führst du nicht gern Verhandlungen?" In ihrem Gesicht leuchtete es auf. „Wenn du möchtest, könnte ich das übernehmen."
„Bloß nicht!" Sheppard kaute auf seinem Riegel, sah sie nun ebenfalls an. Vorsichtig hob er seine Hand und strich ihr eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht. Als seine Fingerspitzen dabei ihre Haut berührten, war es, als fühle er einen elektrischen Schlag. Unsicher lächelte er.
Vashtu schloß die Augen, reckte das Gesicht der Sonne entgegen.
Es war kaum zu glauben, daß sie wirklich erst vor wenigen Tagen gegen eine Wraith-Königin gekämpft - und gewonnen - hatte. All die Schrammen und Blessuren waren verschwunden. Nur die gebrochenen Rippen behinderten sie noch ein wenig, doch auch diese Verletzung konnte er erst auf den zweiten Blick wahrnehmen.
„Ich hätte dich wirklich gern in meinem Team gehabt", sagte er leise.
Vashtu nickte stumm, hielt die Augen geschlossen und das Gesicht noch immer der Sonne zugewandt.
„Ich hätte dir auch ein eigenes Team gegeben, wenn du geblieben wärst."
„Das wäre nicht gut gegangen, John." Jetzt senkte sie den Kopf wieder, sah ihn offen an. „Dr. Weir hat recht. Zwei wie uns kann Atlantis nicht vertragen."
„Unsinn!"
Sie lächelte sehnsüchtig, richtete den Blick wieder nach vorn. „Ich glaube, Dr. McKay und Teyla kommen zurück."
John erhob und streckte sich. Vashtu glitt katzengleich vom Brunnenrand hinunter.
„Xanyandar möchte so schnell wie möglich mit Ihnen sprechen, Colonel Sheppard", meldete die Athosianerin. Ihr Blick fiel auf Vashtu und ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Aber ich fürchte, diese Einladung gilt nur für Sie und mich."
John warf der Antikerin einen Blick zu. „Dann ... Sieh dich hier um, Vashtu. Vielleicht gefällt dir ja etwas."
Sie nickte lächelnd. „Viel Glück."

***

Vashtu wanderte gedankenversunken den Basar entlang, blieb hier und dort stehen, um sich eine Auslage genauer anzusehen. Doch tatsächlich dachte sie wieder einmal über das nach, was zwischen John und ihr war.
Sie wußte noch immer nicht wirklich, ob es vielleicht doch noch Nachwirkungen ihrer Pheromone waren, die ihn so sehr aus seinem Alltag rissen, oder ob er ihre Gefühle teilte. Die wichtigen Worte waren nicht gefallen, und wenn sie es verhindern konnte, würden sie auch nicht fallen. Viel zu sehr würde sie dann ihren Weggang von Atlantis bedauern, viel zu sehr würde sie sich nach ihm sehnen.
John Sheppard, dieser Mann, der so deutlich Begabungen zeigte, über die auch ihr Volk geboten hatte. Sicher, er war noch immer nicht geübt in allem, aber vielleicht würde er mit der Zeit mehr lernen.
Vashtu lächelte, als sie an das dachte, was er ihr vor kurzem ins Ohr geflüstert hatte. Für einen zufälligen Beobachter mochte es ausgesehen haben, als lausche sie Zärtlichkeiten. Tatsächlich aber hatten sie beide einen kleinen Plan ausgeheckt. Vielleicht, in seinem Fall, um ihre Abwesenheit so kurz wie möglich zu gestalten. Für sie jedoch ... Nun, sie würde jede Chance ergreifen, Dr. Rodney McKay ein wenig auflaufen zu lassen.
John war eingefallen, daß der Hauptrechner von Atlantis auf ihre Daten reagierte. Seit sie durch die Aktivierung eines zehntausend Jahre alten Programms von Janus' Plan erfahren hatte, hatte sie den Menschen von der Erde jede einzelne Datei des Rechners zugänglich gemacht. Doch jetzt näherte sich ihre Zeit in der alten Heimat ihrem Ende. John hatte vorgeschlagen, sie solle doch den Steuerkristall, der ihr uneingeschränkte Macht über die Stadt verlieh, entfernen und mitnehmen. Und sie konnte ihm nur zustimmen.
Rodney würde nicht sehr begeistert sein, wenn er plötzlich Daten gesperrt fand, die er vorher noch hatte einsehen können. Eine Manipulation war nicht einmal nötig, so tief, wie er sich jetzt schon in das vormals verschlossene Wissen eingegraben hatte.
Vashtu würde den Kristall mit zur Erde nehmen und auf Nachricht warten. Und sie war sich sehr sicher, bald würde sie etwas erfahren. Vielleicht sogar doch die erlösende Antwort.
Langsam ging sie weiter die Straße hinunter, blieb dann an einem Stand mit bunt eingefärbten Stoffen stehen und betrachtete die Auslage.
Einige sehr schöne Farben waren dabei. Sie war zwar nicht sonderlich begabt in Dingen wie dem Anfertigen von Kleidung, aber genießen durfte sie schließlich auch so. Und ihre Gedanken schweifen lassen.
Da hörte sie einen kleinen Tumult in der Nähe ausbrechen. Stirnrunzelnd blieb sie stehen und reckte den Hals. Dabei fiel ihr auf, daß sie Rodney irgendwo vergessen hatte - oder vielleicht auch er sie. Wer konnte das schon sagen?
Sie konnte nichts sehen, runzelte die Stirn und trat vorsichtig näher an das Geschehen heran. Da traf sie ein Schlag an den Hinterkopf und ließ sie, einen Moment lang benommen, nach vorn taumeln.
Ohne zu überlegen riß sie die Beretta aus dem Holster und hob die Waffe zu dem vermeintlichen Angreifer hin, doch da war niemand mehr.
Vorsichtig entspannte sie sich und richtete sich wieder zu ihrer vollen Größe auf. Noch immer mißtrauisch sah sie sich um.
Der Tumult war offenbar abgeflaut, was auch immer es gewesen sein mochte. Sie beschloß, auf die Suche nach Dr. McKay zu gehen. Auch wenn sie den Wissenschaftler nicht sonderlich mochte, mußte sie zugeben, er war an für sich klüger als manch ein anderer. Und sie wollte nicht riskieren, daß die Gruppe ohne sie loszog, auch wenn sie sicher war, John allein würde schon dafür sorgen, daß das nicht geschah.
Noch immer ein wenig mißtrauisch trat sie den Rückweg zum Brunnen an. Irgendwo würde sie Rodney schon finden.

***

Kolya verbarg sich in der Menge und beobachtete die Fremde sehr genau. Er hatte geglaubt, seine Leute hätten leichtes Spiel mit ihr. Doch ihre Reflexe und ihre Widerstandskraft waren erstaunlich. Sie hatte den harten Schlag weggesteckt als habe man ihr eine leichte Backpfeife gegeben.
Etwas an dieser Frau stimmte nicht ...

***

Eine Stunde später saß Vashtu wieder am Brunnenrand und verspeiste mit wenig Genuß einen der Energieriegel, die sie in ihrer Überlebensweste gefunden hatte. Lieber hätte sie eine der Früchte probiert, die ein Händler auf dem Markt anbot, aber ihr war kein passender Handel eingefallen.
Rodney hatte sie nicht aufgespürt, und im Moment auch keine Lust mehr dazu. Zumindest hatte er sich bei ihr über Funk gemeldet und mitgeteilt, daß er zum Jumper zurückgekehrt wäre, um dort irgendetwas zu tun. John und Teyla waren noch immer mit den Verhandlungen beschäftigt, und der einzige Grund für sie, zum Puddlejumper zurückzukehren, wäre der gewesen, daß sie hätte fliegen dürfen. Doch das hatte der Lt. Colonel ihr strikt untersagt.
Ein Schatten verdunkelte ihre Sicht. „Guten Tag", sagte eine fremde Stimme.
Vashtu blinzelte, konnte aber nicht mehr als die Umrisse eines großgewachsenen Mannes erkennen, der schräg vor ihr stand. „Hallo." Sie lächelte blinzelnd.
„Sie gehören zu den Atlantern?"
Sie zuckte mit den Schultern. „Sozusagen, ja. Wollen Sie Verhandlungen über irgendetwas führen? Ich bin leider nicht dazu autorisiert. Tut mir leid."
Der Mann schüttelte leicht den Kopf. „Wo ist Ihre Heimatwelt? Kommen Sie von der Erde?"
Vashtu runzelte die Stirn. „Der Erde? Nein, ich komme nicht von der Erde. Warum?"
„Von wo dann?"
Dieses Gespräch war merkwürdig und trug ein paar Züge, die ihr nur allzu gut in Erinnerung waren. Sie erhob sich vom Brunnenrand, um dem strahlenden Licht der Sonne zu entkommen. Der Fremde bewegte sich ein kleines Stück zur Seite, gerade genug, daß die Sonne sie wieder blendete, versuchte sie in sein Gesicht zu sehen.
„Ich weiß nicht, was Sie das angeht", antwortete sie schließlich. All ihre Sinne waren plötzlich sehr gespannt, und ihre Hand berührte leicht die Beretta. Dabei stand sie so, daß der Fremde dies nicht sehen konnte, da ihr Körper Hand und Waffe verdeckte.
„Ich will Sie nur warnen. Sie haben sich da mit jemandem eingelassen, der nicht sonderlich angesehen ist bei vielen."
Jetzt war sie doch verblüfft. „Den Atlantern?"
Der Fremde nickte knapp. „Sie sollten sich von ihnen fernhalten, sonst könnte es auch Ihnen schlecht ergehen."
Sie ahnte die Bewegung mehr, als daß sie sie wirklich sehen konnte. Und sie reagierte in der Millisekunde, in der ihr Hirn diese Information noch verarbeitete. Sie riß die Beretta aus dem Halfter und entsicherte sie. Mit einer fließenden Bewegung legte sie auf den Fremden an und sah, wie auch er eine Waffe auf sie richtete.
„Ich würde sagen, wir haben ein Patt", bemerkte sie gelassen. Ihre Augen wurden hart und kalt wie Eis.
„Sie sind gut, wer auch immer Sie sind", meinte der Fremde. „Aber sind Sie gut genug?"
Verstehend riß sie die Augen auf, konzentrierte sich dann aber wieder mit einem kühlen Lächeln. „So dumm bin ich nicht! Pfeifen Sie Ihre Männer zurück."
Der Fremde trat endlich aus der Sonne, noch immer seine eigenartige Waffe in der Hand. Vashtu folgte ihm mit langsamen Schritten.
Der Lärm des Basars war verstummt, eine tödliche Stille hatte sich über die Stadt gesenkt. Vashtu nahm die anderen, die Waffen auf sie gerichtet hatten, aus den Augenwinkeln wahr. Doch sie war sich verdammt sicher, daß diese sahen, daß sie auf deren Anführer zielte, und daß niemand auf sie schießen würde, solange sie ihn bedrohte.
„Wer sind Sie?" zischte sie.
Der Fremde mit dem pockennarbigen Gesicht lächelte. Seine Augen waren kühl und berechnend auf sie gerichtet. „Acastus Kolya von den Genii. Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen."
Vashtu nickte. „Stehenbleiben, Acastus Kolya von den Genii. Sie werden nicht aus der Schußlinie ihrer Männer entkommen, solange ich es nicht bin."
Er tat, was sie gesagt hatte, neigte den Kopf ein wenig. „Sie sollten es sich wirklich überlegen, wer immer Sie sind", sagte er. „Meine Feindschaft ist nicht angenehm, glauben Sie mir."
„Ich gehe nicht davon aus, daß Sie die meine suchen, Kolya." Sie visierte noch immer sein Herz an. Auf diese Entfernung würde sie auf alle Fälle treffen, ein Blinder hätte getroffen.
„Nun, da Sie wissen, wer ich bin, wäre es nur fair, mir zu sagen, wer Sie sind und woher Sie kommen."
„Vashtu Uruhk, und ich komme aus Atlantis. Leider kann ich nicht behaupten, daß ich erfreut bin, Ihre Bekanntschaft zu machen", sagte sie endlich.
Kolya sah sie plötzlich sehr aufmerksam an. „Aus Atlantis? Sie sind eine Lantianerin?"
Sie antwortete nicht.
Der Genii hob den Kopf. „So ist das also. Irgendwie sind die Menschen von der Erde über Sie gestolpert und haben Sie wieder zurückgeholt. Eine echte Ahnin."
Noch immer schwieg sie.
Irgendetwas ging hinter ihr vor, irgendetwas ... Sie hatte nur noch nicht wirklich herausfinden können, was es war. Da waren nur ihre Sinne, geschärft durch die fremden Gene, die sie warnen wollten. Doch mit dieser Warnung konnte sie im Moment nichts anfangen.
„Dann sollten Sie sich erst recht überlegen, auf welcher Seite Sie stehen wollen, Vashtu Uruhk." Unvermittelt hob Kolya seine Arme und sicherte seine Waffe wieder. „Die jetzigen Bewohner der Stadt der Ahnen sind nicht überall gut angesehen. Sich der falschen Seite anzuschließen, könnte sehr schwere Folgen haben."
In diesem Moment hörte sie hinter sich Johns Stimme etwas rufen. Sie konnte nicht verstehen was, denn plötzlich drückten die Schützen um sie her ab, versuchten sie zu durchlöchern. Sheppards Stimme änderte sich.
Vashtu fühlte die Treffer, auch die Streifschüsse, die sich in ihren Körper und ihre Glieder bohrten. Sie duckte sich, um den Kugeln zu entkommen, die ihren Kopf hätten zerstören können und gab einen einzelnen Schuß auf Kolya ab.
Die Wraith-Zellen in ihr arbeiteten auf Hochtouren, heilten die Einschüsse fast ebensoschnell, wie sie ihr zugefügt wurden. Trotzdem wurde sie kräftig durchgeschüttelt und ließ sich zur Seite fallen, in den Brunnen hinein. Das Wasser schlug über ihr zusammen und spritzte auf den Vorplatz. Es färbte sich rasend schnell rosa.
Sie ließ sich ein Stück weit in die Dunkelheit absinken, den Kopf in den Nacken gelegt.
Was sollte das? Warum hatte dieser Genii sie angegriffen? Sie hatte keinen Streit mit ihm, sie wollte auch keinen.
Sie war wütend und hoffte irgendwie, daß sie ihn getroffen hatte. Doch sie meinte, sie hätte den Schuß verrissen, da sie selbst gerade zuviele Kugeln trafen. Sie hätte mit dieser Hinterhältigkeit rechnen müssen!
Das dumpfe Donnern der Schüsse über ihr verklang, und ihr wurde allmählich die Luft knapp. Den Kopf in den Nacken gelegt starrte sie in das helle Rund hinauf, in dem sich der Sonnenhimmel spiegelte.
Ihre Lungen verlangten nach Luft, und daran konnte keines ihrer fremden Gene etwas ändern. Vorsichtig näherte sie sich der Wasseroberfläche, als sie einen Schatten dort auftauchen sah. Einen Moment wollte sie sich wieder hinuntersinken lassen, bis sie Johns strubbeligen Haarschopf erkannte und doch auftauchte. Tief Atem holend trat sie Wasser.
„Du lebst!"
Sie packte die Mauer und machte sich daran, aus dem Brunnen zu klettern. „Ja, ich lebe. Dieser Kerl sollte seinen Leuten beibringen, wie man schießt." Mit Schwung hievte sie sich aus dem Brunnen. Dann aber versagten ihre Kräfte und sie sank zusammen.
„Bist du verletzt?" John beugte sich besorgt über sie.
Vashtu zog die Beine an und stützte ihren Kopf auf die Knie. „Nicht wirklich. Nur die Rippen tun mir wieder weh."
„Wie ein Wraith", hörte sie Teylas Stimme flüstern und runzelte die Stirn.
„Ich habe Wraith-Gene, Teyla. Natürlich heilen die mich!"
„Das hier ist kein sicherer Ort mehr für dich", sagte John leise. „Ich bringe dich zum Jumper zurück."
„Wer ist dieser Kolya, John? Warum wollte er mich töten, nachdem er erfahren hat, was ich bin?" Sie blickte nun doch wieder auf und sah ihm in die Augen.
Sein Gesicht wurde plötzlich hart. „Kolya? Dann ..." Er verstummte.
„Du hast seinen Namen gerufen, du hast ihn auch gesehen!"
John kniff die Lippen aufeinander.
„Dein persönlicher Feind macht sich an mich heran?" Vashtu lachte bitter. „John, dir dürfte klar sein, daß ich es nicht sonderlich schätze, von Kugeln durchlöchert zu werden. Das nehme ich persönlich!"
Er sah sie nur an.

***

Acastus Kolya glaubte seinen Augen kaum, als er die Ahnin sah, wie sie aus dem Brunnen kletterte.
Das konnte nicht sein! Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie von den Kugeln seiner Männer durchsiebt wurde. Sie konnte nicht mehr leben!
Und doch saß sie jetzt auf dem Boden vor dem Brunnen, tropfnaß und wieder mit diesem kalten Gesicht.
„Kommandant?" Mausgesicht trat auf einen fast unsichtbaren Wink von ihm heran.
„Sie lebt noch." Kolya verzog das Gesicht und tastete nach der Schußwunde in seiner Seite. Sie hatte bereits aufgehört zu bluten.
„Sie lebt noch? Das ist unmöglich!"
Kolya starrte die Antikerin noch immer an. Haß brannte sich in seinen Geist hinein.
Wenn sie es so wollte, sollte sie es bekommen. Nicht hier und nicht heute, das war klar, aber irgendwann

...

„Wir ziehen uns zurück", entschied er endlich. „Aber eine Sache wäre da noch: Ich will, daß jemand die Kugeln einsammelt, die sie getroffen haben. Irgendwo muß Blut von ihr sein. Sie wurde mehrmals getroffen. Sorgen Sie dafür, daß ich eine Probe erhalte."
Steif erhob er sich und sah seinen mausgesichtigen Spion an. „Sie kennen die Adresse, unter der Sie mich finden können. Schicken Sie mir die Kugeln und das Blut so schnell wie möglich."
„Ja, Kommandant."
Kolya starrte wieder zum Fenster hinaus, während sein Spion den Raum verließ.
Vashtu Uruhk also, und sie war eine Ahnin. Eine Ahnin, die sich den Atlantern angeschlossen hatte. Nun, er würde dafür sorgen, daß die Menschen von der Erde nicht viel Spaß mit ihr haben würden, vor allem einer nicht.
Kolya ballte die Hände zu Fäusten, als wolle er die beiden Gestalten dort unten am Brunnen mit ihnen zerquetschen.
„Das ist nicht unser letztes Treffen, Colonel Sheppard, Ahnin Vashtu Uruhk."

***

Jetzt:
Vashtu Uruhk trat aus dem geöffneten Wurmloch und runzelte die Stirn. Es war Nacht um sie her. Sterne glommen am Himmel, ihre Umgebung konnte sie nur schemenhaft wahrnehmen.
Irgendetwas aber war anders.
Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, verließ die direkte Umgebung des Sternentores und blickte sich aufmerksam um. Allmählich gewöhnten ihre Augen sich an die Dunkelheit.
„Was war das denn?" Dr. Peter Babbis, der hinter ihr aus dem Wurmloch gekommen war, stolperte neben ihr her. „Ist Ihnen auch aufgefallen, daß das Wurmloch plötzlich eigenartig war?"
Vashtu sah sich weiter aufmerksam um, während sie hörte, wie auch die letzten beiden Mitglieder von SG-27 aus dem Gate traten.
Irgendetwas war ihr seltsam vertraut, obwohl es ihr fremd sein sollte. Nur wußte sie selbst noch nicht genau was. Vorsichtig, die P-90 im Anschlag, ging sie weiter, verursachte kaum ein Geräusch.
„Mam? Dieses DHD sieht eigenartig aus. Vollkommen anders als die, die ich kenne", rief ihr Dr. James Wallace zu.
Und da ging es ihr auf. Ihr Kopf ruckte zum Himmel. Die Sterne!
„Zurück zum Gate! Sofort!" befahl sie mit harter Stimme und wirbelte herum. Und da sah sie die Kabel, die noch am Stargate angebracht waren.
Sie waren nicht in der Milchstraße, sie waren in der Pegasus-Galaxie!
„Was?"
In diesem Moment hallten die ersten Schüsse durch die Nacht.
„Dorn, sofort Rückzug zum SGC, nehmen Sie Wallace mit. Peter, rennen Sie!" Sie hob die P-90 an die Wange und gab die erste Salve ab. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Babbis seine Automatik zog. „Zurück zum Tor, solange es noch offen ist. LOS!" bellte sie ihn an und gab ihm einen unsanften Stoß mit der Schulter.
„Mam?" rief Dorn ihr zu.
Vashtu warf einen kurzen Blick über die Schulter. „Vertrauen Sie mir, Serge. Es wird gehen. Durch das Tor, schnell!"
Endlich schien auch Babbis aufzugehen, daß die Situation sich vollkommen verändert hatte und hastete, an ihrer Seite, zurück zu dem noch aktivierten Gate. Dorn hatte sich Wallace geschnappt und zerrte den Wissenschaftler gerade durch den Ereignishorizont.
Vashtu gab blind Salve um Salve nach hinten ab und bildete inzwischen das Schlußlicht. Babbis rannte vor ihr her.
Sie waren fast am Gate, sie waren fast da.
Da traf sie der erste Schuß, riß sie herum und ließ sie torkeln. Die P-90 wurde ihr fast aus der Hand gerissen, weil ihre Finger sich um den Abzug gekrallt hatten. Eine letzte Salve bohrte sich in den Boden zu ihren Füßen, während sie versuchte, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Babbis blieb stehen und wirbelte herum. Seine Waffe hatte er im Anschlag und ließ die Mündung aufleuchten.
„Laufen Sie, Peter. Zurück zur Erde, schnell!"
Sie war auf der Höhe des DHD angelangt, ließ die P-90 endgültig fallen und versuchte, zu einem letzten Spurt anzusetzen, als sie nach vorn gerissen wurde. Heißer Schmerz brannte sich zwischen ihre Schulterblätter, fast überschlug sie sich wegen der Wucht des Schusses noch.
„Vashtu!"
Ihre Finger krallten sich in die Erde vor dem Tor.
Dieser Schuß war anders, wie auch der erste. Irgendetwas war anders. Sonst hatte sie nicht solche Schmerzen.
Das Licht des Wurmlochs erlosch, noch während sie versuchte, sich wieder auf die Beine zu kämpfen. Kraftlos ließ sie sich auf den Boden zurücksinken und hörte Schritte.
„Vashtu, was ist mit Ihnen?"
Das war eine Falle! Das mußte eine Falle sein.
Mit letzter Kraft griff sie nach der Kette um ihren Hals und zerrte daran. Es fiel ihr so verdammt schwer, die fremden Gene in ihrem Inneren zu aktivieren. Doch dann gelang es ihr wenigstens, auch wenn eine zweite Flammenspur in ihrem Nacken leckte, die Silberkette zu sprengen. Mühsam wechselte sie den Kristall in die andere Hand, während sie auf die näherkommenden Schritte achtete, und warf ihn zum DHD hinüber. „Ich habe doch gesagt, Sie sollen durch das Gate verschwinden!" stöhnte sie dabei.
„Keine Bewegung!"
Sie konnte hören, wie Waffen entsichert wurden. Ihre Finger krallten sich wieder in den Boden, vor Schmerz kniff sie die Augen zusammen.
„Schon gut, schon gut", hörte sie Babbis beschwichtigend sagen. Vorsichtig und langsam, die Arme so weit wie möglich abgespreizt, mühte sie sich, sich auf den Rücken zu rollen. Ein Fuß kam ihr unsanft zu Hilfe.
Und als sie die Augen öffnete, sah sie in ein Gesicht, von dem sie gehofft hatte, es niemals wiederzusehen. Ihre Miene erstarrte.
„Kolya!"

***

Lt. Colonel John Sheppard trat mit erhobener Waffe durch das Gate, Teyla an seiner Seite wissend. Kurz überprüfte er mit seinem Detektor die Umgebung, ehe er die Waffe sinken ließ.
„Hier ist nichts, Rodney", sagte er.
Dr. Rodney McKay, der inzwischen ebenfalls den Ereignishorizont durchquert hatte, tippte auf seinem tragbaren Rechner herum. „Hier war aber etwas. Es war nicht die erste Energiespitze, die wir gemessen haben."
Sheppard tauschte einen hilflosen Blick mit der Athosianerin, ging dann zum DHD hinüber. „Beeilen Sie sich, Rodney", murrte er dabei.
Das Licht seiner P-90 fiel auf einen glänzenden Fleck am Boden. Es schimmerte dunkelrot.
Sheppard ließ sich auf die Knie nieder und beleuchtete die Lache, die sich vor ihm ausbreitete. „Blut ..." murmelte er dabei und runzelte die Stirn, während er etwas von der Flüssigkeit zwischen seinen Fingern verrieb.
„Colonel Sheppard, hier liegt eine Leiche", rief Teyla ihm zu.
Offensichtlich war hier doch etwas gewesen, und das konnte noch nicht allzu lange her sein. Hing es mit der Energiespitze zusammen, die die Tiefraumscanner von Atlantis gemessen hatten?
Er wußte es nicht, doch auf jeden Fall war sein Argwohn wieder geweckt. Er richtete sich auf und hob seine Waffe.
„Rodney, beeilen Sie sich. Hier stimmt etwas nicht", sagte er und leuchtete in die Umgebung. Wieder ein Blutfleck, ein kurzes Stück weiter vom DHD entfernt.
Was war hier los gewesen?
Sheppard wollte zu dem zweiten Fleck gehen, als er einen Widerstand an seinem Fuß wahrnahm. Als er die Lampe senkte, erstarrte er.
Zwischen seinen Füßen schimmerte ein bläulicher Kristall an einer Kette. Diese war zerrissen und hatte sich an sein Hosenbein geheftet. Und der Kristall ...
Er beugte sich vor und hob ihn auf. Sein Gesicht war sehr ernst, als er ihn untersuchte.
„Vashtu", wisperte er schließlich fragend.
Aber wie konnte das sein?

***

Die Antikerin ließ es zu, daß sie auf einen Stuhl gefesselt wurde. Noch immer brannten Schmerzen in den Schußwunden, aber sie bemerkte auch, daß ihre Fremdzellen inzwischen doch beschlossen hatten, sich der Verletzungen anzunehmen. Noch ein wenig benommen vor Schmerz blickte sie auf, als der Genii den Raum betrat.
„Acastus Kolya", sagte sie mit gepreßter Stimme. „Ich hatte die Hoffnung, Sie niemals wieder zu sehen."
Kolya blieb vor ihr stehen, gab seinen Männern einen Wink, die daraufhin hinter der Antikerin Aufstellung nahmen. „Vashtu Uruhk, die Ahnin, die sich den Erdenmenschen angeschlossen hat. Ich bin überrascht. Man erkennt Sie kaum wieder. Oder vielleicht doch, wenn man Ihren Umgang hier bedenkt?"
Ein bitteres Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Es haben sich ein paar Dinge geändert. Wo ist Dr. Babbis? Und was haben Sie mit dem Stargate angestellt?"
Kolya lächelte zufrieden. „Dr. Babbis, so heißt er also."
„Ja, das ist sein Name. Und wo ist er?"
Kolya winkte desinteressiert ab. „Sie werden ihn bald wiedersehen. Ich habe an für sich keine Verwendung für ihn, aber vielleicht ist er doch noch nützlich."
Vashtu stemmte sich gegen die Fesseln und versuchte sich aufzurichten. Sofort hörte sie das Klicken zweier Waffen hinter sich. Sie kniff die Lippen fest aufeinander und funkelte den Genii mit dem pockennarbigem Gesicht an.
„Was das Sternentor angeht ... das ist meine Sache." Kolya wandte sich ab und sah sich aufmerksam in dem schlecht beleuchteten Raum um. „Sie brauchen nicht zu wissen, was genau getan wurde. Es reichte, um Sie herzulocken."
„Ich bin kein Druckmittel mehr für Sie, Kolya. Ich lebe auf der Erde und arbeite für das dortige Stargate-Command. Das wird Ihnen nichts nutzen!"
„Vielleicht doch? Ihre Gefühle für Colonel Sheppard, beziehungsweise seine für Sie. Außerdem ... Ich habe da etwas sehr interessantes erfahren durch einen meiner Informanten. Und ich würde Ihnen gern einen Handel vorschlagen." Kolya drehte sich wieder zu der Antikerin um und musterte sie. „Ihr Leben gegen den Steuerkristall von Atlantis. Ist doch fair, oder?"
Sie starrte ihn entgeistert an.
Woher wußte er von dem Kristall? Wieso ... ?
Sie schluckte und zwang sich, sich nichts anmerken zu lassen. Also war ihre rein instinktive Handlung, den Kristall zu verstecken, doch richtig gewesen. Sie konnte nur hoffen, daß Kolya die kleine Wunde in ihrem Nacken nicht aufgefallen war und er eins und eins zusammenzählte.
„Der wird Ihnen nichts nutzen, der Kristall ist auf mein Genom geeicht", entgegnete sie.
Kolya hob eine Braue und kreuzte die Arme vor der Brust. „Tatsächlich?" fragte er.
Sie nickte.
„Dann haben sich die Bedingungen gerade geändert, Vashtu Uruhk."
Es überlief sie eiskalt bei diesen Worten, doch wieder zwang sie sich, sich keine Regung anmerken zu lassen. Was hatte Kolya mit ihr vor?

***

John Sheppard nahm im Laufschritt die Treppe in die Kommandozentrale von Atlantis. Von seiner Faust baumelte der Steuerkristall der Antikerin an den Resten der Kette.
Irgendetwas ging hier vor. Irgendetwas eigenartiges. Und um seinen Verdacht zu zerstreuen mußte er so schnell wie möglich Kontakt zum SGC auf der Erde aufnehmen.
Dr. Elizabeth Weir trat ihm entgegen, als er in die Zentrale kam.
„Was war los, John? Warum haben Sie den Einsatz abbrechen lassen?" verlangte die Expeditionsleiterin zu erfahren.
In Johns Gesicht arbeitete es, dann hob er die Faust und präsentierte ihr den Kristall. „Ich habe Blut gefunden und den hier. Erkennen Sie ihn, Elizabeth?"
Sie wurde ernst. „Das ist unmöglich. Atlantis ist das einzige Tor mit Verbindung zur Erde. Wir hätten bemerkt, wenn ..." Sie stockte, als sie in sein Gesicht sah.
„Irgendetwas ist da vorgefallen, denn ich glaube nicht, daß Vashtu den Kristall in andere Hände gibt. McKay meint, die Energiespitze hätte ausgereicht für ein Wurmloch in die Milchstraße. Und ich möchte mit dem SGC sprechen. Vielleicht ..."
In diesem Moment ging der Alarm los und ein Wurmloch entstand. Sofort reagierte der zuständige Techniker und zog den Energieschild von Atlantis hoch.
„Eingehende Audioübertragung", meldete er verwirrt.
„Schalten Sie es laut", befahl Elizabeth.
John sah sie stirnrunzelnd an.
Die Erde konnte Atlantis nicht anwählen, dazu fehlte ihnen die Energie. Aber ...
Dann hörte er die Stimme. Seine ganze Gestalt spannte sich an, sein Blick wurde eiskalt.
„Dr. Weir, ich hoffe, Sie können mich hören." Die Stimme gehörte niemand anderem als Acastus Kolya.
John trat an den Lautsprecher heran. In seinem Innersten brodelte kalter Zorn wie ein Vulkan. „Kolya!" zischte er.
„Colonel Sheppard, schön, Ihre Stimme zu hören." Der Genii klang sehr selbstzufrieden. „Ich hätte Dr. Weir ohnehin gebeten, Sie kommen zu lassen. Ich habe da etwas für Sie, falls Sie es sehen wollen."
„Eingehende Videodaten. Soll ich sie auf den Bildschirm legen?" fragte Chuck.
Kurz darauf flammte der Monitor auf und zeigte den pockennarbigen Genii.
John war es, als sei er plötzlich in einem beängstigenden Deja Vú gefangen. Zwar hatte er diese Szenerie nie aus dieser Perspektive gesehen, doch alles andere ...
Die Erinnerung drohte ihn zu übermannen. Die Erinnerung an etwas, das er am liebsten weit von sich gewiesen und für immer tief in seinem Geist verschlossen hätte. Er wollte nicht mehr daran denken. Es hatte ihn schon genug Alpträume gebracht.
„Nun, ich denke, wir können uns jetzt ganz entspannt unterhalten." Kolya lächelte.
„Was wollen Sie?" zischte John zwischen zusammengepreßten Kiefern vorher.
Der Genii hob leicht den Kopf, als müsse er der Stimme und ihrem Klang nachlauschen. „Colonel, ich habe da etwas für Sie. Das wird Sie sicher interessieren." Er trat zur Seite.
John holte tief und ruckhaft Atem, als er die verschwommene Gestalt auf dem Stuhl sitzen sah. Wieder eine Erinnerung, die er nur zu gern abgelegt hätte.
Die Kamera zoomte etwas an das Gesicht heran, so daß er erkennen konnte, wer da saß.
Sie hatte sich inzwischen die Haare noch kürzer schneiden lassen, das wußte er von Beckett. Und er wußte auch, daß sie im SGC mit einem Team arbeitete, was die fremden Uniformteile erklärte. Sie jedoch so zu sehen ...
John wandte sich mit einem Ruck ab. Er konnte das nicht ertragen.
„Ich höre gar nichts, Colonel", sagte Kolya. „Erkennen Sie sie nicht wieder? Möchten Sie mit ihr sprechen?"
Elizabeth legte ihm eine Hand auf die Schulter, als er nicht antwortete. Er sah sie kurz an, drehte sich dann wieder um und sagte: „Ja, ich will mit ihr sprechen."
Er konnte beobachten, wie einer der beiden Wächter sich über sie beugte und den Knebel entfernte.
„John!" schrie sie los. „Laß dich auf nichts ein! Tu nichts, was dieser ..." Weiter kam sie nicht.
„Sie ist noch etwas ungestüm. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen, nicht wahr? Charmant wie Sie, Colonel." Kolya trat wieder ins Bild.
„Und was jetzt? Haben Sie wieder einen ... Wraith gefangen?" preßte John zwischen den Zähnen hervor.
Kolya sah sinnend in die Kamera. „Ich bitte Sie, Colonel Sheppard, ein bißchen mehr Einfallsreichtum dürfen Sie mir schon zutrauen."
„Was dann? Was wollen Sie?"
Kolya sah in die Kamera und schien ihn anzustarren, noch immer dieses Lächeln auf den Lippen. „Was ich will? Die Kontrolle über Atlantis, das will ich."
„Wir werden das niemals zulassen, Kolya!" entgegnete nun Elizabeth.
Kolya nickte. „Sie nicht, das ist sicher. Aber unsere reizende Ahnin hat ja selbst ihre kleinen Geheimnisse. Nicht wahr, Colonel?"
Johns Augen weiteten sich. „Was haben Sie vor, Kolya?"
„Ich möchte, daß Sie beide Zeuge von etwas werden, Sie und Dr. Weir, Colonel Sheppard. Sie werden mitansehen, wie die letzte verbliebene Ahnin stirbt, ganz langsam und sicherlich ziemlich schmerzhaft. Sie erinnern sich doch sicher noch an die Impfung der Hoffaner, nicht wahr?"
Vashtu sah, wie Kolya eine Ampulle in die Kamera hielt und runzelte die Stirn.
Was sollte das? Was ging hier vor?
Sie wußte es nicht. Aber sie spürte, daß ihre Kräfte ganz allmählich wieder zurückkehrten. Noch ein wenig und sie würde die Fesseln sprengen und Kolya den Hals umdrehen können. Dann aber erstarrte sie.
„Ich habe das Blut ihrer hübschen Freundin untersuchen lassen, Colonel Sheppard. Was, denken Sie, wird geschehen, wenn ich sie mit dem Mittel impfen lasse? Wie lange werden die Wraith-Zellen in ihrem Inneren dem wohl standhalten, mh?"
Mit einer Mischung aus Schreck, Begreifen und Entsetzen beobachtete die Antikerin, wie Kolya die Ampulle öffnete, eine Spritze mit deren Inhalt füllte und dann an einen anderen Genii weitergab. Sie hatte keine Möglichkeit, sich zu wehren. Noch waren die Wunden nicht ganz verheilt, noch war da eine gewisse Schwäche in ihr.
„Tun Sie es nicht!" hörte sie Elizabeth Weir sagen, während der Mann mit der Spritze zu ihr kam.
„Kolya", Johns Stimme klirrte und schien vollkommen empfindungslos, „sollten Sie ihr auch nur ein Haar krümmen, ist das nur ein Grund mehr für mich, Sie zu töten!"
Die Spritze berührte ihre Haut, stach hindurch.
Vashtu war plötzlich starr, ihr Atem ging hektisch, während sie fühlte, wie dieses merkwürdige Zeug ihr injiziert wurde. Es brannte in ihren Adern wie Feuer.
„Kolya!" Johns Stimme schien überzuschnappen.
„Beruhigen Sie sich. Es braucht ein paar Minuten, dann können wir alle uns davon überzeugen, ob Vashtu Uruhk auf die Impfung anspricht. Und ich denke, inzwischen sollte sie sich so weit erholt haben, daß Sie noch einmal mit ihr sprechen können. Das möchten Sie doch, oder?" Unvermittelt drehte Kolya sich zu ihr um und sah sie fragend an.
Vashtu atmete tief ein, dann nickte sie.
Sie hatte keine Ahnung, was da gerade mit ihr passiert war, aber sie spürte die Auswirkungen. Flammenzungen leckten durch ihren Arm, bittere Galle stieg in ihren Mund.
Der Knebel wurde ihr wieder abgenommen und sie sah, wie die Kameralinse auf sie einschwang.
„John, hör zu!" Ihre Stimme klang heiser. „Ich gehöre nicht zu euch. Ich gehöre zur Erde, hast du das verstanden?"
„Wie geht es dir?" John klang besorgt.
Sie runzelte die Stirn und versuchte angestrengt in die Kamera zu lächeln. „Es wird gehen. John, tu nichts, hörst du?"
„Miss Uruhk, wissen Sie von der Impfung der Hoffaner?" fragte nun Elizabeths Stimme.
Ihr Mund war trocken. Sie wollte jetzt sicher keine schlechten Nachrichten hören, ganz sicher nicht. Sie biß sich auf die Lippen und konzentrierte sich wieder auf Kolya, der neben der Kameralinse stand und sie genau beobachtete.
„Miss Uruhk, diese Impfung tötet Wraith", sagte Elizabeth endlich.
Vashtu schloß die Augen, öffnete sie dann wieder. „Es geht mir gut. Ich gehöre nicht zum SGA, ich gehöre zum SGC. Also handelt danach. Ich bin sicher, General Landry ..." Sie stockte, als sie unvermittelt in den Lauf einer Waffe starrte.
Dann riß die Wucht der Kugel sie gegen den Stuhl, während sie noch das Mündungsfeuer sah und das heisere Bellen hörte. Mit Mühe kämpfte sie um ihre Besinnung, doch die Schmerzen waren zu stark. Nach einem letzten Blick in die Kamera sank ihr Kopf auf die Brust.
Kolya trat wieder ins Bild. „Eine Wunde, nicht einmal schwer", sagte er. „Aber daran werden wir kontrollieren können, wie die Impfung wirkt. Colonel Sheppard, Dr. Weir, Sie werden Zeuge werden, wie die Ahnin stirbt. Es sei denn, Sie überlassen mir Atlantis."

***

Dr. Peter Babbis bewegte gerade vorsichtig den Kiefer, als sich die dicke Stahltür zu dem Raum öffnete, in dem er sich befand. Erschrocken und auch ein wenig verängstigt erhob er sich, drückte sich gegen die Wand.
Zwei Männer in Uniform schleiften eine dritte Gestalt in den Raum, ließen sie dann einfach fallen. Der zweite sah ihn kurz an, während er eine kleine Kiste neben den am Boden liegenden Körper warf. Dann waren die beiden auch schon wieder verschwunden.
Babbis wagte endlich auszuatmen, trat vorsichtig näher.
Die Antikerin lag, sich halb ohnmächtig windend, mit auf dem Rücken gefesselten Händen am Boden, die Augen geschlossen. Blut rann aus einer Wunde an ihrem Schlüsselbein.
„Vashtu!" Babbis fiel auf die Knie, beugte sich über sie.
Mühsam öffnete sie die Augen, hob dann den Kopf. „Peter", flüsterte sie heiser. „Schön, daß Sie noch leben." Ihr Gesicht wirkte angespannt bei diesen Worten. „Aber gut sehen Sie nicht gerade aus."
„Sie auch nicht, wenn Sie mich fragen." Vorsichtig griff er zu und zog sie auf die Beine. „Was ist mit Ihnen passiert?"
Sich auf ihn stützend kämpfte Vashtu sich zur Wand, an der er gestanden hatte, ließ sich mit einem erleichterten Seufzen daran zu Boden sinken. Ihr Atem ging keuchend, wie er ihn noch nie gehört hatte.
„Ein bißchen Folter, würde ich behaupten", antwortete sie schließlich, streckte die Beine aus und lehnte den Hinterkopf an die Wand. Aus schmalen Augenschlitzen sah sie ihn wieder an. „Wie bei Ihnen wohl auch, was?"
Babbis betastete sein Gesicht. „Sie haben mich nur verprügelt. Aber Sie sehen ... sehen ..."
„Nicht gut aus, ich weiß." Sie schloß die Augen wieder und schluckte.
„Was ist mit Ihren Fremdzellen? Warum heilt die Wunde nicht?" Babbis ging plötzlich auf, daß er den Kasten vergessen hatte, den der Genii zurückgelassen hatte. „Moment." Er erhob sich und holte den metallenen Gegenstand. Als er ihn öffnete, fand er einiges an Verbandsmaterial darin. „Ein Erste-Hilfe-Kasten. Zumindest sind sie so human, ihn uns zu überlassen."
Vashtu warf dem Gegenstand nur einen schmalen Blick zu. „Damit ich nicht so schnell sterbe, schätze ich." Ihre Brauen zogen sich zusammen, kurz zuckte es in ihrem Gesicht. „Das hat er also gemeint."
„Wer?" Babbis fand ein paar Kompressen und einige Mullbinden, aber keine Schere. Überhaupt keinen scharfen Gegenstand.
„Kolya." Vashtu beobachtete ihn bei seinem Tun. „Verarzten Sie sich erst einmal selbst, Peter."
Unwillig sah er auf. „Ich will Ihnen helfen", entgegnete er, kroch näher. Etwas unsicher verhielt er und blickte sie etwas hilflos an. „Ich muß ... Ich meine ..."
„Tun Sie, was Sie müssen, Peter. So feinfühlig bin ich beileibe nicht." Sie versuchte sich an einem Lächeln, doch das mißlang gründlich.
„Vielleicht klappt es auch so." Vorsichtig griff er nach dem Kragen ihres T-Shirts und zerrte an ihm, damit er nachgab.
Vashtu sog hart Luft in die Lungen, als sich das Baumwollgewebe von der Schußwunde löste. Die Blutung mußte doch etwas zum Stillstand gekommen sein, damit der Stoff an der Wunde festklebte.
„Warum tragen Sie Handschellen?" Babbis zupfte weiter an dem Kleidungsstück, bis er endlich halbwegs an die Wunde gelangte.
„Woher soll ich das wissen? Ich bin Kolya nur einmal begegnet."
Er fühlte ihren Blick auf sich und versuchte sich zu konzentrieren auf das, was er tun mußte. „Ich kann kein Blut sehen", murmelte er nach einigem Zögern, während er die Kompressen auf die Wunde drückte.
Vashtu richtete sich unvermittelt wieder auf und erstarrte. „Verdammt! Peter!" quetschte sie zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Entschuldigung." Sofort nahm er seine Hand von der Wunde. „Die Kugel ..."
„Die Kugel steckt noch in der Wunde, ich weiß. Und wie es sich anfühlt, ist der Knochen gebrochen. Es wäre wirklich sehr nett von Ihnen, wenn Sie ein bißchen vorsichtiger wären, wenn Sie schon an mir herumdoktern müssen." Wieder kam ihr Atem keuchend.
„Und wer ist dieser Kolya?" Babbis bemühte sich, nicht allzu viel Druck auszuüben, während er jetzt vorsichtig begann, den Verband anzulegen.
„Meine Meinung oder das, was ich von ihm weiß?" fragte sie.
Babbis sah ihr ins Gesicht. Das war schweißnaß. In ihren Augen stand deutlich Schmerz und ihre Lippen wirkten verkniffen.
„Warum sollte dieser Kolya uns gefangennehmen?"
Vashtu beugte sich ein wenig vor, damit er sie besser verbinden konnte. „Weil er meinen Kristall haben will", antwortete sie. „Und, nebenbei als Zuschuß sozusagen, will er auch noch John und mich ein bißchen quälen."
„John?" Etwas hilflos sah Babbis sich nach etwas um, womit er den Verband befestigen konnte.
„Colonel John Sheppard von Atlantis", antwortete sie. „Eigentlich sind die beiden sich Spinnefeind. Aber schon beim letzten Mal bin ich in die Schußlinie geraten."
Babbis stutzte und richtete sich auf. „Sie kennen den Colonel?"
Vashtu nickte. Wieder verzog sich ihr Gesicht zu etwas, was man mit viel Geduld als ein Lächeln bezeichnen konnte. „Ja, ich kenne ihn. Ich kenne ihn sogar recht gut, zu gut für Kolya. Er denkt, ich bin seine Schwachstelle."
Babbis sah sie groß an. „Das ist also diese geheimnisvolle Bindung, über die Sie nicht reden wollen. Sie haben ein Verhältnis mit Sheppard."
Trotz der Schmerzen, die sie zu haben schien, wurde ihr Lächeln zu einem Grinsen. „Oh, Peter. Sind Sie etwa eifersüchtig?" Dann wurde sie wieder ernst. „Nein, ich habe kein Verhältnis mit ihm. Aber wir beide verstehen uns sehr gut, da kann der eine oder andere auf die falsche Idee kommen."
Babbis sah sie skeptisch an. Er konnte beinahe fühlen, daß sie ihn anlog, doch er sagte nichts. Vielleicht war es zwischen den beiden auch wirklich nie zu mehr gekommen, wer konnte das schon sagen?
Er wandte sich wieder dem Verbandskasten zu und kramte in ihm herum, auf der Suche nach etwas, mit dem er sich selbst verarzten konnte.
Vashtu lehnte sich wieder gegen die Wand und seufzte. Ihr Blick glitt ins Leere.
„Nicht einschlafen!" mahnte Babbis. „Ich könnte Ihren Grips gebrauchen."
„Diesmal nicht meinen überlegenen Intellekt? Sie steigern sich."
Eine Salbe. Vorsichtig schraubte er den Verschluß ab und roch daran. Konnte durchaus eine Eissalbe sein. Er gab ein bißchen auf seine Fingerspitze und tupfte damit an der Schwellung an seinem Wangenknochen herum.
„Warum will er diesen komischen Kristall?" fragte er nach einiger Zeit.
Vashtu sah ihm amüsiert zu. Im Moment schienen ihre Schmerzen nachgelassen zu haben. „Sie ahnen es nicht einmal, oder?"
Babbis runzelte die Stirn. „Was soll ich ahnen?"
„Dieser Kristall ist der Steuerkristall des Hauptrechners von Atlantis", erklärte sie nach einigem Zögern. „Er wurde mir sozusagen aus alter Zeit herübergereicht. Mit diesem Kristall hat man die absolute Befehlsgewalt über die Stadt."
Babbis starrte sie an. „Und Sie tragen das Ding die ganze Zeit mit sich herum?"
„Ich habe ihn damals mitgenommen, als ich auf die Erde kam. Es war ein Spiel mit dem Colonel, ein dummer Gedanke von uns beiden. Darum habe ich ihn immer bei mir getragen. Er ist zu wertvoll. Wenn der Trust erfahren würde ..."
„Wo ist er jetzt?" Babbis sah sie an. „Hat dieser Kolya ihn Ihnen abgenommen?"
Sie schüttelte leicht den Kopf. „Nein, hat er nicht. Ich weiß nicht, wo er ist, Peter. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich hoffe, daß er in Sicherheit ist."

***

John Sheppard beobachtete mit leeren Gesicht das Treiben auf dem Bildschirm vor sich. Ein Mann in der Militäruniform der Erd-SG-Teams versorgte Vashtu. Kurz schienen ihre Schmerzen zuzunehmen, als er ihre Schußwunde versorgte, dann sank sie wieder in sich zusammen.
Die Übertragung war in schlechter Qualität, und doch glaubte er sehen zu können, daß es ihr bereits schlechter ging.
Die Impfung der Hoffaner! Das Todesurteil für jeden Wraith, der auch nur einmal kurz an der Lebenskraft eines Menschen nippen wollte. Und dieses Todesurteil floß jetzt durch Vashtus Adern, wurde mit jedem Herzschlag mehr in ihrem Körper verteilt. In dem Körper, der zu einem Drittel aus Wraith-Zellen bestand!
„Sobald die Verbindung abbricht, wählen Sie auf der Stelle die Erde an", hörte er Elizabeth befehlen.
Vashtu!
Er hatte geglaubt, allmählich über sie hinweggekommen zu sein. Doch als er sie vorhin wiedersah ...
Mit einem Ruck wandte er sich ab. Kalte, bittere Wut brodelte in ihm. Wenn er gekonnt hätte, er wäre sofort zu dem Planeten gegangen, auf dem Vashtu und ihr Begleiter sich befanden, und hätte Kolya eine ordentliche Ladung Blei verpaßt.
Dieser Mistkerl sollte zahlen! Er sollte für das zahlen, was er ihm angetan hatte. Er sollte für das bezahlen, was er Vashtu gerade antat. Und er würde irgendwann bezahlen, das schwor John Sheppard sich. Und wenn es das letzte wäre, was er in seinem Leben tun würde. Acastus Kolya würde sterben, und er würde sein Henker sein!
„John?" Elizabeth drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Wir werden uns beim SGC erkundigen, ob Miss Uruhk tatsächlich verschwunden ist. Vielleicht ..."
Er sah sie nur an und sie verstummte. „Geben Sie mir Ihr Einverständnis, Elizabeth. Sobald wir wissen, wo sie sich aufhalten, holen wir sie da heraus." Seine Stimme klang beherrscht.
Elizabeth Weir sah ihn besorgt an. „Sie haben selbst gehört, was Vashtu gesagt hat. Wir sind der Pflicht entbunden, John. Die Erde ist für sie zuständig, nicht wir."
„Das ist mir egal!"
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht zulassen, John. Es tut mir leid. Wir sind nicht zuständig."
„Das ist mir gleich! Vashtu hat mehr für Atlantis getan als manch ein anderer. Sie hätte vor einem Jahr mehr als einmal draufgehen können. Wir schulden ihr etwas!"
„Sie hat Sie aus der Pflicht genommen, John. Noch deutlicher konnte sie nicht werden. Das müssen Sie akzeptieren", versuchte Elizabeth ihn zu beschwichtigen.
John trat drohend einen Schritt näher. Seine Augen glühten beinahe vor Haß. „Ich werde sie nicht Kolya überlassen, Elizabeth! Es ist mir gleich, was sie gesagt oder nicht gesagt hat. Ich lasse niemanden zurück in den Händen des Feindes."
Elizabeth wich nicht vor ihm zurück, sondern erwiderte seinen Blick. „Ich habe es auch gesehen, und ich bin entsetzt über das, was ich gesehen habe. Aber wir können nichts tun, John, gar nichts. Vashtu wußte, was sie sagte. Was, denken Sie, wird passieren, wenn ich Sie jetzt da hinauslasse, auf einen Planeten zusammen mit Kolya? Er will Sie provozieren, John. Sie sollen zu ihm kommen. Begreifen Sie das denn nicht? Vashtu hat die einzige Lösung gefunden, die Ihnen hilft."
„Ich werde nicht mitansehen, wie sie verreckt!" Wieder war seine Stimme hart und laut. Sein Gesicht war starr, doch seine Kiefer arbeiteten. Seine ganze Gestalt war angespannt.
„Wir wissen doch noch gar nicht, ob das eintritt", versuchte Elizabeth ihn zu beschwichtigen. „Es kann doch auch sein, daß die Impfung nicht anschlägt."
„Dann holen Sie Beckett her, auf der Stelle! Er soll sie sich ansehen, solange wir noch ein Bild haben."
Sie sah ihn immer noch an, als könnten allein ihre Augen ihn vor einer Dummheit bewahren. Langsam nickte sie, aktivierte ihr Funkgerät. „Carson, kommen Sie bitte umgehend zur Kommandozentrale", sagte sie, schaltete den kleinen Apparat wieder ab. „Er kommt her und sieht sich an, was wir haben. Und Sie, Colonel Sheppard, werden ebenfalls hierbleiben. Haben Sie das verstanden?"

***

Vashtu war in eine Art Schlummer gefallen. Ihr Gesicht zuckte ab und an, dann öffnete sie kurz die Augen, doch sie schwieg.
Babbis beobachtete die Antikerin genau. Irgendetwas war mit ihr passiert, was sie ihm noch nicht gesagt hatte. Es ging ihr schlechter, und die Wunde an ihrem Schlüsselbein wollte nicht heilen. Nicht wie sonst.
Seine Finger trommelten leise auf dem Metallkasten herum.
„Lassen Sie das, Peter."
Er blinzelte. Vashtu hatte die Augen einen Spaltbreit geöffnet und sah ihn an. „Lassen Sie das, sonst breche ich Ihnen die Finger."
Ein kurzes Lächeln zuckte über sein Gesicht. „Hohles Geschwätz!"
Sie atmete tief ein, ihr Gesicht wurde wieder starr. Die Wunde mußte ihr Schmerzen bereiten, wahrscheinlich der gebrochene Knochen, vielleicht aber auch die in ihm steckende Kugel.
„Wenn wir hier heraus sind, habe ich ein Wörtchen mit Ihnen zu reden, Peter", sagte sie. „Und dabei wird es auch um Ihre Angewohnheit gehen, auf allem herumzutrommeln oder mit den Fingern zu schnippen."
„Ich denke nach", entgegnete er.
„Das tue ich auch. Aber ich muß nicht um mich herum Lärm veranstalten." Sie schloß wieder die Augen.
Babbis setzte sich auf. „Warum geben Sie Kolya nicht irgendetwas und behaupten, es sei der Steuerkristall. Dann wird er uns sicher hier herauslassen. Danach können wir immer noch überlegen, wie es weitergeht."
„Er wird nicht darauf hereinfallen. Kolya ist klüger als Sie denken, Peter", antwortete sie und schüttelte leicht den Kopf.
Sie hatte schon selbst daran gedacht, wurde ihm klar. Doch sie hatte diesen Gedanken sehr schnell wieder verworfen.
Babbis senkte den Kopf.
„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er uns hier herauslassen würde, wenn ich geben könnte, was er will", sagte sie plötzlich. „Ich glaube eher, es ist ... anders."
Geräusche von der Tür.
Babbis drehte sich um, Vashtu hob den Kopf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ihr Gesicht sich anspannte.
Die Tür öffnete sich, die zwei Bewaffneten traten ein. „Mitkommen!" befahl der eine und winkte ungeduldig mit seiner Waffe.
Vashtu nickte, preßte sich gegen die Wand und stemmte sich mühsam und ächzend auf die Beine. Ihre Schritte wirkten schleppend, als sie auf die beiden Wächter zuging.
Babbis sah jetzt das erste Mal ihren linken Arm. Der war gerötet und sehr angeschwollen. Die Haut glänzte ungesund. Er schluckte, als ihm klar wurde, daß da noch etwas vor sich ging, von dem er noch keine Ahnung hatte. Sie hatte es ihm nicht mitgeteilt.
Grob packte der andere Wächter die Antikerin, die sichtlich zusammenzuckte, und stieß sie vor sich her. Der mit der Waffe in der Hand folgte den beiden und schloß die Tür wieder.
Babbis blieb allein zurück. Und ihm ging auf, daß es wirklich nicht gut aussah für sie beide.

***

„Sie und Dr. Babbis sind nicht zurückgekommen, das ist wahr." General Landry schien besorgt. „Sergeant Dorn berichtete uns von einem Schußwechsel. Als wir ein Rettungsteam auf den Planeten schickten, fanden wir nicht eine Spur von den beiden."
„Weil sie in der Pegasus-Galaxie sind." Johns Stimme klang kalt und beherrscht.
„Und Sie sind sich sicher? Es kann keine Verwechslung gegeben haben?"
„Sir, bei allem Respekt, aber ich erkenne Vashtu, wenn ich sie sehe", gab John zurück.
„Sie sagte uns, wir sollten nicht handeln, da sie nicht zu Atlantis gehört", setzte Elizabeth hinzu. „Wir handeln nach der Direktive. Kolya gilt auch in der Milchstraße als Terrorist."
„Ich habe die letzten Berichte über ihn gelesen." Landry klang wirklich beunruhigt. „Bleiben Sie dabei. Keine Verhandlungen mit Terroristen."
„Er wird sie umbringen!" entfuhr es John.
„Das wissen wir noch nicht. Er will etwas von ihr, Colonel, und er will etwas von Atlantis. Er wird seine Geisel nicht töten, solange die Chance besteht, daß er vielleicht doch bekommt, was er will."
Elizabeth seufzte. „General, ich glaube, Sie kennen Acastus Kolya nicht wirklich. Er will sie töten, weil sie eine Antikerin ist und sich mit uns und nicht mit den Genii eingelassen hat."
„Keine Verhandlungen, Dr. Weir. Miss Uruhk hat Sie aus der Verantwortung entlassen und diese der Erde übertragen. Und wir werden nichts tun", entschied Landry.
„Wir lassen niemanden in den Händen des Feindes zurück, General, bei allem Respekt!" Johns Stimme klang gepreßt, seine Kiefer mahlten wieder.
„Colonel Sheppard, als höherrangiger Offizier gebe ich Ihnen den strikten Befehl nicht einzugreifen. Haben Sie das verstanden?" Landrys Stimme hatte bei diesen Worten an Autorität gewonnen. „Miss Uruhk hat einen erstaunlichen Überlebenswillen, das sollten Sie ebenfalls wissen. Und sie hat Ihnen die Anweisung gegeben, ihr nicht zu helfen. Sie werden sich daran halten, sonst werden Sie die Konsequenzen tragen."
John starrte auf den leeren Bildschirm, sagte jetzt aber nichts mehr.
Elizabeth beobachtete ihren militärischen Leiter sehr genau. „Ich habe den Eindruck, Acastus Kolya will gerade provozieren, Colonel Sheppard auf diesen Planeten zu locken. Er würde sich zweier Feinde auf einem Schlag entledigen können."
„Und eben darum werden Sie nichts unternehmen, Colonel", stimmte der General zu. „Halten Sie uns auf dem laufenden, Dr. Weir. Erwarten sie eine weitere Übertragung?"
John hatte sich abgewandt und starrte den blauen Datenkristall in seiner Hand an.
„Wenn Kolya weiter so handelt ..." Elizabeth stockte und atmete tief ein. „In wenigen Minuten, General. Dann laufen die ersten drei Stunden ab."
„Gut, senden Sie uns die Daten zu, sobald Sie sie haben und die Verbindung wieder abreißt", entschied Landry. „Und, Dr. Weir, wir alle sollten auch Dr. Babbis nicht unterschätzen. Er und Miss Uruhk haben schon Probleme gelöst, die wir alle für unlösbar gehalten haben. SGC Ende." Die Verbindung brach ab.

***

Vashtu atmete beherrscht aus. Ihr Hals kratzte. Sie schluckte ein wenig Speichel, doch das Kratzen verging nicht. „Was wollen Sie?" Ihre Stimme klang rauh.
Kolya, der aus der Dunkelheit aufgetaucht war und sich vor ihr aufgebaut hatte, zog eine Ampulle aus seiner Manteltasche und hielt sie ihr hin. „Informationen und Zusammenarbeit. Dann könnte ich mich dazu überreden lassen, Sie laufen zu lassen, Vashtu Uruhk."
„Noch eine Dosis?" Sie grinste gequält. „Sparen Sie es sich. Die erste Ladung reicht vollkommen aus."
„Ein Gegenmittel", entgegnete Kolya ruhig.
Vashtu starrte ihn an. „Was?"
Der Genii nickte, ließ die Ampulle wieder in seiner Manteltasche verschwinden. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. „Sie haben richtig gehört. Es gibt ein Gegenmittel für die Impfung."
Die Antikerin atmete tief ein, hustete dann. „Halten Sie mich für käuflich?" krächzte sie schließlich. „Ich weiß, warum ich mich Ihrem Volk nicht angeschlossen habe, Kolya. Ich mag Ihre Art nicht!"
Eine schallende Ohrfeige traf sie, wirbelte ihren Kopf herum. Langsam sah sie wieder auf und starrte den Genii an. „Sie haben also endlich begriffen, daß der Kristall allein Ihnen nicht weiterhelfen würde, wie? Sie brauchen jemanden wie mich, oder jemanden, der das Gen der Vorfahren trägt. Aber unter Ihren Männern ist niemand. Ich weiß das, ich kann es spüren. Die Genii sind degeneriert, Kolya. Sie haben das Gen nicht mehr. Und damit können Sie nichts mit Atlantis anfangen, es sei denn, es gelingt Ihnen, jemanden wie mich auf Ihre Seite zu ziehen. Aber, und das schwöre ich Ihnen, mich kriegen Sie auf diese Weise nicht klein! Ich habe vor zehntausend Jahren gegen Leute wie Sie antreten müssen. Damals habe ich einmal zu oft den kürzeren ziehen müssen. Diesmal wird das nicht der Fall sein, das schwöre ich Ihnen!"
Diesmal traf die Ohrfeige die andere Wange.
Vashtu genoß den Schmerz geradezu. Viel zu verführerisch war bereits jetzt dieses Angebot gewesen. Sie spürte, wie ihrem Körper immer mehr Kraft entglitt.
Die Zeit lief ihr davon, und sie würde sie nicht aufhalten können, solange man sie gefangenhielt. Und bisher war ihr nichts eingefallen, wie sie und Babbis hier herauskommen konnten. Ein Gegenmittel gegen die Schmerzen, zurückkehrende Kraft und Gesundheit. Natürlich würde sie sich Kolya dann immer noch entledigen müssen. Doch sie glaubte nicht so recht daran, daß dieser Handel ein wirkliches Schlupfloch für sie bot. Kolya würde ihr nicht trauen, ebensowenig wie sie ihm traute. Und damit war das Angebot vom Tisch.
Der pockennarbige Genii packte sie am Kragen und riß sie so weit hoch, wie die Fesseln es zuließen. „Sie haben ja noch keine Ahnung, was noch auf Sie zukommen wird, Ahnin", zischte er sie an. In seinen Augen glitzerte kalte Wut. „Oh ja, ich werde es genießen, Sie sich winden und verrecken zu sehen. Und ich werde dafür sorgen, daß auch Colonel Sheppard Ihren Tod mitansehen muß. Ich werde sie beide zerstören, hören Sie? Sie beide werden sterben, elendig zu Grunde werden Sie gehen, das schwöre ich Ihnen! Nur schade, daß Sie das Ende von Sheppard nicht mehr miterleben werden. Aber ich werde ihm gern Grüße von Ihnen ausrichten, Vashtu Uruhk." Damit ließ er sie los und nickte ihren Wächtern zu.
Vashtu starrte auf seinen Rücken, als könne sie ihn nur mit ihren Blicken erdolchen.
Niemals würde sie auf dieses perverse Angebot eingehen, nie!
Vashtu war sich im klaren darüber, daß etwas in ihrem Körper vor sich ging. Es sah nicht gut für sie aus. Die Wunde am Schlüsselbein heilte nicht. Und noch immer war da diese Hitze, die sich allmählich auch immer tiefer in ihren Geist fraß.
Aber aufzugeben war für sie noch nie in Frage gekommen. Im Moment konzentrierte sie sich darauf, ihre zusätzlichen Fähigkeiten stillzulegen, um so vielleicht ein bißchen mehr Zeit zu gewinnen. Je weniger sie die Kräfte, die die fremden Gene ihr gaben, benutzte, desto höher war noch ihre Überlebenschance - hoffte sie zumindest.
Sie mußte Babbis und sich hier so schnell wie möglich herausholen. Ihr war klar, welche Rolle der Wissenschaftler für Kolya spielte. Solange Babbis lebte, hatte er einen billigen Sanitäter. Doch in dem Moment, in dem ihr nicht mehr zu helfen sein würde, in dem ihr Leben verlosch, würde auch Babbis keine Rolle mehr spielen. Er würde ebenfalls sterben, und das würde sie nicht zulassen.
„Vergessen Sie's!" zischte sie ihn an.
Kolya trat zurück, starrte auf sie nieder. Dann nickte er und drehte sich um, nachdem er seinen Männern ein kurzes Zeichen gegeben hatte.
Vashtu atmete noch einmal tief ein, ehe man sie knebelte. Ihr Blick bohrte sich in den Rücken des pockennarbigen Genii, der jetzt wieder vor der Kamera stand, die leise surrte.
„Es gibt nichts mehr zu sagen, Kolya." Weirs Stimme.
Vashtu hob den Kopf und konzentrierte sich darauf, nicht zu krank auszusehen. John Sheppard würde ganz sicher auch die Übertragung beobachten, und ihn wollte sie hier als allerletztes sehen.
„Ich denke doch, daß wir noch einiges zu besprechen haben, Dr. Weir", entgegnete Kolya. „Wir haben sogar sehr viel zu besprechen. Ist Colonel Sheppard auch anwesend?"
„Ich bin da".
Vashtu atmete so tief wie möglich ein.
Natürlich war er da, sie wäre auch da, wenn ihm etwas ähnliches geschehen würde. Es würde sie zwar fast um den Verstand bringen, aber sie wäre da. Nur allein um ihm zu zeigen, daß sie ihm helfen wollte.
„Gut." Kolya drehte sich wieder von der Kamera weg, so daß sie ins Bild kam. „Ich denke, damit Sie mir glauben, werde ich Ihnen eine Probe ihres Blutes zur Verfügung stellen. Vashtu Uruhk hat sicher nichts gegen eine zweite Meinung, nicht wahr?"
Voll kaltem Zorn fixierte sie den Genii, regte sich aber nicht.
Der Mann, der ihr das Mittel injiziert hatte, trat wieder aus dem Schatten und griff nach ihrem Arm. Sie sog scharf Luft in ihre Lungen und versteifte sich kurz.
Verdammt, das tat weh!
Wieder wurde ihr eine Nadel unter die Haut geschoben, doch diesmal, um ihr Blut abzunehmen. So ruhig wie möglich ließ sie es über sich ergehen, auch wenn sie glaubte, ihr Arm würde gleich explodieren.
Der Mann zog die Spritze wieder aus ihrem Gewebe und trat zu Kolya. Der hielt sie in die Kamera. „Ich werde Ihnen jetzt diese Probe durch das Tor senden, Dr. Weir. Dann können Ihre Mediziner sich ansehen, was es zu sehen gibt." Er reichte die Spritze zurück und nickte dem Mann zu, der daraufhin im Schatten verschwand.
Vashtu sah ihm nach, richtete dann ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn.
„Colonel Sheppard, möchten Sie mit der Ahnin reden? Jetzt wäre gerade ein wenig Zeit", sagte Kolya gerade.
Fast unmerklich nickte sie in die Kamera.
„Ja", kam die gepreßt wirkende Antwort. John schien sich nur mit Mühe unter Kontrolle zu haben.
Einer der beiden Wächter trat vor und nahm ihr wieder den Knebel ab. Sie atmete einige Male tief ein.
„John, geh weg. Hörst du? Geh weg! Du ... ich möchte nicht, daß du das mitansiehst", sagte sie dann.
Kolya hob den Kopf und starrte sie an.
Sie schluckte.
„Vashtu, hier ist Carson Beckett", ließ sich eine andere Stimme vernehmen. Eine Stimme, auf die sie gehofft hatte.
Erleichtert schloß sie die Augen. „Carson! Gut, Ihre Stimme zu hören."
„Ich wünschte, ich könnte das gleiche behaupten. Wäre netter gewesen unter anderen Umständen wieder aufeinanderzutreffen", entgegnete der Mediziner mit seiner akzentschweren Stimme.
Sie nickte. „Sie wollen sicherlich wissen, wie es mir geht."
„Sie sollten nicht jede Impfung mitnehmen, die Sie kostenlos bekommen können. Man weiß nie, was dabei herauskommen kann."
Der Scherz war lahm, aber sie lächelte trotzdem. „Mein Arm ist entzündet und angeschwollen. Ich habe leichte Schwierigkeiten mit der Atmung und die Wunden heilen nicht", sagte sie so präzise wie möglich.
„Fieber?"
Sie schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber ein leichtes Schwindelgefühl. Und, Carson, mein Schlüsselbein ist gebrochen. Die Kugel steckt noch. Es ist nicht gerade einfach, das zu ertragen."
„Schon klar." Becketts Stimme klang nachdenklich.
„Tun Sie mir noch einen Gefallen", fügte sie hinzu. „Setzen Sie Ihren anderen Patienten unter Narkose, damit er keine Dummheiten ..."
Der Schuß krachte und schleuderte sie wieder gegen den Stuhl. Eine Flammenzunge leckte an ihrem Hals. Benommen senkte sie den Kopf wieder, der ihr in den Nacken geflogen war. Ihr Atem kam hektisch.
Kolya trat vor die Kamera. „Eines sollten Sie noch wissen, Colonel Sheppard, Dr. Weir. Für jedes Gespräch, das Sie führen, werde ich der Ahnin eine Wunde beibringen. Nichts lebensgefährliches, aber sie wird immer schwächer werden."
Sie schloß die Augen.

***

„Vashtu!"
Zwei Männer des militärischen Wachdienstes hielten John Sheppard zurück, der sich gegen die gläserne Außenverkleidung des Kommandopostens werfen wollte, als er sah, wie die Antikerin angeschossen wurde. Kurz und unkooridiniert wehrte er sich gegen sie, dann zog er sich unvermittelt wieder in sich selbst zurück, als Elizabeth Weir zu ihm hinübersah.
Kolya tauchte jetzt wieder im Zoom der Kamera auf und sagte noch etwas, was er nicht verstand, dann wechselte das Bild ruckhaft wieder auf den Raum, in dem sich der andere Mann aus dem Team der Antikerin befand.
John atmete heftig ein und aus, preßte die Lippen fest aufeinander.
Er mußte etwas tun! Irgendetwas mußte er tun, sonst würde er den Verstand verlieren. Er konnte das nicht mehr mitansehen.
Mit einem Ruck wandte er sich ab und lief die Treppe hinunter zum Torraum. Vor dem Wurmloch blieb er stehen, starrte darauf. Der Schild war gerade wieder aktiviert worden. Und selbst wenn nicht, er hätte keine Möglichkeit, zu ihr zu gelangen.
Hilflos die Fäuste ballend stand er vor dem geöffneten Wurmloch und starrte es an. Doch vor seinem inneren Auge sah er immer wieder, wie die Antikerin auf dem Stuhl zurückgeschleudert wurde.
Er mußte etwas tun!
Wenn doch nur McKay schon wieder hier wäre! Weir hatte den Wissenschaftler mit einer Eskorte noch einmal zu dem Planeten geschickt, auf dem er Vashtus Spuren gefunden hatte. McKay sollte im Speicher des dortigen Stargates suchen, ob sie nicht herausfinden könnten, wohin Kolya seine Geiseln gebracht hatte.
„John!"
Einen Moment zögerte er, dann drehte er sich um und blickte hoch zum Kommandoposten. Elizabeth stand am Geländer und sah zu ihm hinunter. „Ich möchte mit Ihnen sprechen, allein."
Wieder ein Zögern, dann nickte er, ging die Stufen wieder hinauf und folgte der Expeditionsleiterin in ihr Büro.
„Wenn Sie sich nicht im Griff haben, muß ich Sie leider in Gewahrsam nehmen lassen, John", sagte Elizabeth als erstes zu ihm. „Sie sind keine Hilfe für Vashtu, und Sie sind keine Hilfe für uns. Wir brauchen Sie hier, John, mit Leib und Seele."
„Sie weiß es nicht, nicht wahr?" fragte er plötzlich, nachdem er eine Weile nur dagestanden und sie angestarrt hatte. „Sie weiß nicht, wie ähnlich ihre Lage der meinen damals ist."
Elizabeth lehnte sich gegen ihren Schreibtisch, musterte ihn. „John, ich war damals dafür, daß Vashtu uns verließ. Da war etwas zwischen ihnen beiden, und ... Ich habe den Verdacht, es ist immer noch da, vielleicht sogar stärker als vor einem Jahr."
„Sie braucht unsere Hilfe", beharrte er.
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Wir haben Anweisungen von der Erde, John, an die müssen wir uns halten. Keine Verhandlungen mit Kolya, und keine Alleingänge Ihrerseits. Ich habe Rodney losgeschickt, damit er sich umsieht. Finden wir etwas, leiten wir es an die Erde weiter. General Landry muß dann entscheiden."
„Er wird sie sterben lassen!"
„Das wissen wir nicht. Vielleicht wird auch eine Eingreiftruppe über die Gate-Brigde hergebracht. Und dafür könnten wir Sie dann brauchen. Nur müssen wir solange warten, bis wir genaueres wissen. Wir können nicht einfach blind vorstürmen und unsere ganze Verantwortung über Bord werfen." Sie richtete sich wieder auf und trat näher. „Zwischen Ihnen und Vashtu gibt es starke Gefühle, das weiß auch ich. Aber jetzt ohne zu überlegen zu handeln, käme Selbstmord gleich. Vashtu hat mit Carson gesprochen, es geht ihr offensichtlich soweit gut. Kolya hat uns eine Blutprobe von ihr geschickt, an der Beckett bereits arbeitet. Bald wissen wir mehr, und wenn Rodney zurückkommt, haben wir vielleicht ein Ziel."
„Und wenn er sie über zig Welten geschleppt hat?"
Elizabeth sah ihn kopfschüttelnd an. „Durch wieviele Tore hat er Sie damals gebracht? John, Sie wissen sehr genau, daß Vashtu Uruhk auf sich selbst aufpassen kann, sie hat es uns allen mehr als einmal bewiesen. Sie haben General Landry gehört, auch er hält große Stücke auf sie."
„Trotzdem hat sie keine Ahnung ..." Den Rest des Satzes ließ er offen.
„Ich habe keine Befugnis darüber zu entscheiden, was den einzelnen Mitgliedern des SG-Command an Wissen zugestanden wird und was nicht, John. Ich weiß nicht, ob Sie es weiß oder nicht. Aber ich weiß, daß auch sie darum gebeten hat, Sie aus der Sache rauszuhalten. Und wenn Sie sich nicht endlich wieder im Griff haben, werde ich ihr zustimmen und Sie bei der nächsten Übertragung in die Arrestzelle sperren lassen."
„Sie wird sterben, wenn wir nicht eingreifen."
„Das wissen wir noch nicht genau." Doch Elizabeth war sicher, eine Lüge ausgesprochen zu haben. Auch sie hatte die zweite Übertragung gesehen.

***

„Sie bluten." Babbis beugte sich über sie, wieder ein paar Kompressen in der Hand.
„Ist nicht möglich!" Sie kniff die Augen zusammen und schluckte einige Male. „Wenn auf einen geschossen wird, passiert das meistens, Peter."
„Ich meinte ja nur", murmelte er, kramte einen Verband aus der Kiste und begann, ihn ihr anzulegen.
„Erdrosseln Sie mich nur nicht. Kolya wird nicht sonderlich begeistert darüber sein."
„Ich bin vorsichtig." Babbis hockte halb über ihr und umwickelte ihren blutigen Hals.
„Zum Glück nur ein Streifschuß. Ich muß mich gerade bewegt haben, als er abdrückte." Sie blinzelte. „Hätte auch anders ausgehen können."
Babbis biß sich auf die Lippen, sagte aber nichts.
Dabei fragte er sich wirklich ernsthaft, warum man sie wieder aus ihrer Zelle geholt hatte. Was sollte das? Wozu? Und warum kam sie mit einer weiteren Schußwunde wieder zurück hierher, schwächer als sie vorher gewesen war.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird schon", wisperte sie ihm zu.
Als er zu ihr hinuntersah, bemerkte er ihren Blick. In ihren Augen stand nur allzu deutlich der Schmerz, den sie nicht zeigen wollte. Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu und fädelte vorsichtig das Ende des Verbandes unter den restlichen Zellstreifen.
„Haben Sie diesen Kolya wütend gemacht, oder warum schießt er auf Sie?" fragte er dann.
Vashtu lehnte sich wieder gegen die Wand, zog ein Bein an und versuchte offensichtlich, eine halbwegs bequeme Haltung zu finden. „Er versucht, Atlantis zu erpressen, ebenso wie er mich erpressen will", antwortete sie leise. Ihre Stimme klang ein wenig heiser.
Babbis nickte und erhob sich. „Dieser eine war vorhin hier und hat etwas Nahrung und Wasser gebracht. Sie sollten etwas essen, dann geht es Ihnen bestimmt bald besser."
Vashtu lächelte wieder diese gequälte Grimasse, die er schon kannte. „Sie hören sich schon an wie Carson Beckett, der Arzt auf Atlantis."
Babbis holte die Kanne und das Stück groben Brotes. „Ich weiß, es heißt immer, wenn man gekidnappt wird, soll man nichts annehmen. Aber dieses hier scheint eine Ausnahme zu sein. Oder finden Sie nicht?"
Vashtus Kopf sank auf ihre Schulter. „Ich habe keinen Hunger. Aber essen Sie ruhig, Peter. Ich denke nicht, daß Kolya mich noch einmal vergiften will."
Babbis ließ sich wieder neben ihr nieder und runzelte die Stirn. „Noch einmal?"
Müde öffnete sie die Augen wieder und sah ihn an. „Mein Arm", sagte sie nur.
„Ist mir aufgefallen. Was ist damit?" Babbis stützte vorsichtig ihren Kopf und ließ sie ein wenig von dem Wasser trinken.
„Man hat mir etwas injiziert. Laut Dr. Weir ein Mittel, das Wraith tötet", antwortete sie, nachdem sie getrunken hatte.
Babbis sah sie verstehend an. „Darum heilen die Wunden nicht."
Sie nickte. „Ich halte die Fremdzellen unter Kontrolle, um ein bißchen Zeit zu gewinnen. Und darum wirke ich wohl auch nicht so recht auf dem Damm. Es kostet mich viel Konzentration."
„Aber dieses Mittel ist in ihrem Blutkreislauf."
Sie nickte wieder, blieb dieses Mal aber stumm.
„Wirkt es, einmal abgesehen von Ihrem Arm?"
Sie runzelte die Stirn. „Ich fürchte ja."

***

John war gerade auf dem Weg in die Krankenstation, als er McKays Stimme hörte. Unwillkürlich atmete er auf, bis er die Nachricht gehört hatte. Dann beschleunigte er seine Schritte nur noch mehr, traf kurz darauf im Labor ein, in dem Dr. Carson Beckett das Blut untersuchte, daß Kolya durch das Wurmloch geschickt hatte.
„Doc, bitte sagen Sie mir etwas positives", begrüßte er Beckett.
Der Arzt blickte stirnrunzelnd auf. Sein Gesicht war sehr ernst. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Tut mir leid, Colonel, aber es scheint, daß es tatsächlich die Impfung der Hoffaner gewesen ist, die ihr verabreicht wurde. Und sie gehört zu der Hälfte, die auf dieses Mittel negativ anspricht."
John atmete tief ein und spannte die Kiefer an. Nach einer kleinen Weile nickte er auffordernd, nachdem er noch etwas im Gesicht des Arztes hatte lesen können.
„Es ist ..." Carson seufzte und schüttelte wieder den Kopf. „Es sieht so aus, als würden der Reihe nach sowohl die Wraith- als auch die Iratus-Zellen ihren Dienst einstellen, Colonel. Ganz bin ich zwar noch nicht mit den Testreihen durch, aber ... Sind alle Zellen inaktiv und schreitet die Vergiftung fort, wird Vashtu ... Ihre Antiker-DNS ist nicht fähig ... Sie wird ihr wahres Alter erreichen."
John sah den Mediziner stumm an. „Das heißt ..." flüsterte er schließlich.
„Das heißt, das nur die Antiker-Stränge ihrer DNS nicht das halten können, was die Fremdzellen bewirken. Sie wird sterben, Colonel, an Altersschwäche."
John bezwang sich, sich keine Emotion anmerken zu lassen. „Kann man es noch aufhalten?"
Carson neigte abwägend den Kopf von einer zur anderen Seite. „Möglicherweise, wenn ihr das Gegenmittel so schnell wie möglich verabreicht wird."
„Und was wäre das Gegenmittel?"
„Eine zweite Gentherapie, wie sie sie bereits einmal durchgemacht hat. Aber es müssen noch genug Fremdgene in ihr aktiv sein, damit sie anschlagen und die Zellen die Impfung bekämpfen können. Sie müssen gestärkt werden, um den Angriff des Hoffanerstammes zu überstehen, verstehen Sie?"
„Feuer mit Feuer bekämpfen", sagte John.
Carson nickte. „Ganz genau. Das gute ist, sehr wahrscheinlich wird sie daraufhin immun gegen eine neue Impfung sein. Aber ..."
„Aber uns läuft die Zeit davon, richtig?" ergänzte John. Verzweiflung wollte ihn übermannen, wenn er an die Nachricht von McKay dachte.
„Das ist richtig. So schnell, wie die Impfung bei ihr wirkt, bleiben ihr vielleicht noch neun, bestenfalls zehn oder elf Stunden, ehe es zum Kollaps kommt." Carson seufzte. „Glücklicherweise ist sie selbst Wissenschaftlerin genug, daß sie die zusätzlichen Kräfte bewußt unterdrückt. Würde sie sie einsetzen, würde es wesentlich schneller gehen. So muß das Mittel sich durch ihre Genstränge arbeiten und erkennt vielleicht nicht alles auf Anhieb."
John biß sich auf die Lippen, sagte aber nichts.
Was Kolya da mit Vashtu tun wollte, verstieß gegen wirklich alles, was man auch nur entfernt menschlich nennen konnte. Er wollte tatsächlich eine zehntausend Jahre alte Frau so gründlich vernichten, daß nichts mehr von ihr bleiben würde. Und bei dieser Vernichtung wollte er sie auch noch leiden lassen. Nein, das ging sogar noch fast über das hinaus, was er erlebt hatte.
„Es bleibt zu hoffen, daß, wenn Rodney zurückkehrt ..."
„McKay ist zurückgekehrt", fiel John dem Arzt ins Wort.
Carson sah ihn auffordernd an. „Dann wissen wir jetzt, wo Vashtu ist?"
John blickte auf, in die Augen des Mediziners. Langsam schüttelte er den Kopf. „Was immer Kolya mit dem Tor angestellt hat, um ein Wurmloch in die Milchstraße aufbauen zu können, er hat den Speicher des Gates zerstört. Wir sind genauso klug wie vorher."

***

„Und wenn Sie diesem Kolya doch den Kristall geben?" Babbis hockte neben der Antikerin und starrte vor sich hin. „Vielleicht läßt er uns dann gehen?"
Vashtu reagierte einen Moment lang nicht, dann seufzte sie. „Ich kann ihm den Kristall nicht geben. Ich habe ihn nicht mehr."
„Aber ... ?" Babbis sah zu ihr und runzelte die Stirn. „Ich dachte, Sie hätten ihn getragen, als wir im SGC losgegangen sind."
Vashtu schloß immer wieder die Augen, als würde sie kurz wegsacken. Dann schluckte sie und schüttelte leicht den Kopf. „Ich hatte ihn dabei, ja, aber ... jetzt habe ich ihn nicht mehr." Ihr Blick glitt vielsagend zur Decke, dann zu den Wänden.
Babbis verstand. Darum antwortete sie auf dieses Thema immer so ausweichend. Sie fürchtete, sie würden abgehört werden.
Aufmerksam blickte er sich jetzt in dem Raum um, der ihre Zelle geworden war. Groß war er nicht, etwa ein Dutzend Schritte in jede Richtung. Sie hockten gegenüber der Stahltür, die hinaus auf einen Gang führte. Die Wände waren grob verputzt, und an einer Seite, ihnen schräg gegenüber, befand sich ein großer Spiegel. Von irgendwelchen Abhörgeräten war nichts zu sehen. Aber er hatte auch keine Ahnung, wie weit die Technik der Genii reichte.
Er fühlte, wie ihr Bein ihn vorsichtig anstieß, drehte sich wieder zu ihr um. Vashtu hatte sich gerade aufgesetzt, ihr Gesicht war ernst. Mit den Augen bedeutete sie ihm, näher zu kommen. Als er sich dicht über sie beugte, begann sie leise zu wispern. So leise, daß er sie kaum verstand:
„Ich habe den Kristall versteckt, nachdem ich angeschossen wurde. Meine Hoffnung war, daß ein Team aus Atlantis ihn finden würde."
Babbis nickte verstehend. „Und?"
Ihr Gesicht verzog sich wieder zu dieser bitteren Parodie auf ein Lächeln. „Ich kann ja wohl schlecht nachfragen, ob er auch dort angekommen ist, oder? Was denken Sie, was Kolya dazu sagen würde?"
Babbis hatte den pockennarbigen Genii nur einmal gesehen, als sie gefangengenommen wurden. Danach schien der sich nur noch um die wichtige Beute zu kümmern. Doch wenn er sich Vashtu jetzt ansah, mußte er sich eingestehen, daß eine solche Frage sehr wahrscheinlich den Zorn dieses Mannes mehr als nur erregt hätte.
„Sie sollten nachfragen, irgendwie. Eine List, etwas, was die Expedition auf die richtige Spur führen könnte", schlug er zischend vor.
Sie nickte. „Das werde ich tun. Vor allem ..." Sie zögerte, hustete dann einmal kurz. „John weiß nichts davon, aber ich habe ihm damals fast alle Benutzerreche über Atlantis eingeräumt, ehe wir beschlossen, daß ich den Kristall mit zur Erde nehmen sollte. Gibt er einen bestimmten Code ein und benutzt den Kristall, sind die Tiefraumscanner von Atlantis in der Lage, unsere ID-Chips aufzuspüren, egal, wo in der Pegasus-Galaxie wir uns befinden."
„Wir brauchen einen Code, um den Code zu verschlüsseln, den er eingeben soll." Babbis richtete sich nachdenklich auf. Er hob die Hand und legte Daumen und Mittelfinger aneinander.
„Peter!" Ihre Stimme klang warnend.
„Verzeihung." Er ließ die Hand wieder sinken, griff sich statt dessen den Brotkanten und riß ein kleines Stück davon ab. Nachdenklich kaute er darauf herum.
„Kann ich Sie mit dem Problem allein lassen, Peter?" fragte die Antikerin.
Verstört blickte er auf. „Warum?" Dann sah er, wie die Tür geöffnet wurde.
„Weil die Zeit für unser trautes Beisammensein wieder einmal vorbei ist."

***

„Ich verstehe ..." Landrys Stimme klang nachdenklich.
„Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, Sir", wandte John ein. „Laut Dr. Beckett hat Vashtu noch knapp sieben Stunden, danach ist nichts mehr zu machen und sie wird sterben."
„Aber wir wissen immer noch nicht, wo sie und Dr. Babbis sich befinden", wandte Landry ein. „Ich habe ein Team bereitstehen, Colonel. Washington hat grünes Licht für eine Rettungsmission gegeben. Aber, und das ist die Voraussetzung, wir brauchen eine Gate-Adresse. Solange Sie die nicht vorweisen können, sind auch mir die Hände gebunden."
John fühlte leichten Aufwind. Erleichtert nickte er. „Wir werden bereitstehen, Sir, und Ihnen sofort mitteilen, sollten wir irgendetwas herausfinden. Dr. McKay versucht zur Zeit den Absender der Gate-Aktivierungen durch Kolya herauszufinden. Aber das ist nicht einfach."
„Und Sie bleiben, wo Sie sind, Colonel."
John nickte wieder. „Ja, Sir, ich bleibe, wo ich bin. Ich habe verstanden."
Landry seufzte. „Es reicht mir schon, daß ich hier zwei Leute habe, die auf Biegen und Brechen ihrem Team nach wollen. Halten Sie Ihre Füße still, Sheppard."
„Aber, Sir", wandte er ein, „sollte die Zeit nicht mehr ausreichen ..."
„Darüber reden wir, wenn die Zeit nicht mehr ausreicht. Wann erwarten Sie die nächste Übertragung? Wieder drei Stunden nach der letzten?"
John schluckte, zwang seine Erinnerungen in die Tiefen seines Geistes zurück. „Ja, Sir. In einer Viertelstunde."
„Gut, dann ..." Landry zögerte, wechselte dann unvermittelt das Thema: „Colonel, ich weiß nicht, ob Sie sich noch an Dr. Babbis erinnern können?"
John runzelte die Stirn. „Den Begleiter von Vashtu? Ich bin mir nicht sicher, Sir."
Landry zögerte wieder. „Sagt Ihnen SG-27 noch etwas?"
John hob den Kopf. „Ja, Sir, das sagt mir etwas." Er stutzte. „Soll das heißen ..."
„Miss Uruhk hat Ihr altes Team geerbt, Colonel, das soll es heißen", fiel Landry ihm ins Wort. „Und sie hat ihre Sache bisher sehr gut gemacht. Böse Zungen behaupten, besser als Sie. Ich denke eher, wenn Sie mehr Zeit mit ihnen verbracht hätten, wäre es Ihnen ebenfalls gelungen, die Jungs auf den richtigen Weg zu bringen."
John wußte nicht recht, was er mit dieser Information anfangen sollte. SG-27, sein Chaoten-Team. Das Team, das nicht einmal einen Einsatz unbeschadet überstanden hatte. Nie hatte er sich damals mehr nach Rodney McKay gesehnt!
„Ich will damit sagen, daß Miss Uruhk, trotz all ihrer Schwächen, ein wertvolles Mitglied des SGC geworden ist, Colonel. Wir werden sie nicht zurücklassen, glauben Sie mir. Landry Ende." Die Verbindung brach ab.
John atmete etwas erleichtert auf, drehte sich dann um und winkte Lorne zu sich, seinen Stellvertreter.

***

Vashtu sah Kolya aus der Dunkelheit auftauchen, spannte sich an. Die Schmerzen in ihrem Inneren wurden schlimmer, doch sie zwang sich, sich dagegen zu sperren. Nicht ganz einfach, wenn die Schmerzschwelle sonst durch fremde Gene gesteuert wurde, das mußte sie zugeben.
„Sie sehen inzwischen nicht mehr recht frisch aus, Vashtu Uruhk", bemerkte Kolya. „Haben Sie Schmerzen?"
„Sie wissen verdammt genau, daß ich Schmerzen habe, Kolya", entgegnete sie so aggressiv wie möglich. „Was wollen Sie?"
Kolya musterte sie amüsiert. „Es bereitet mir eine gewisse Befriedigung, Sie leiden zu sehen. Das sollten Sie wissen. Denn wenn ich den Schmerz in ihrem Gesicht lesen kann, kann Colonel Sheppard das auch, wahrscheinlich sogar besser als ich."
„Sie irren sich, wenn Sie meinen, Sie könnten ihn mit meinem Tod unter Druck setzen, Kolya. Wir haben uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen."
Er nickte sinnend. „Dennoch scheint er immer noch sehr interessiert an Ihnen zu sein."
Vashtu schluckte wieder, begegnete seinem Blick so entschlossen wie möglich. „Wir lassen niemanden zurück", war alles, was sie darauf entgegnete.
Kolya nickte, zog wieder die Ampulle aus seiner Manteltasche und spielte mit ihr herum. Nachdenklich ging sein Blick zwischen ihr und ihrer möglichen Rettung hin und her.
„Nein!" war alles, was sie auf die stumme Frage sagte.
Er nickte, trat vor sie und beugte sich über sie. „Vielleicht sollte ich Ihnen ein kleines Geheimnis verraten, Vashtu Uruhk." Er senkte seine Stimme zu einem bloßen Wispern herab und musterte sie sehr genau. „Denn offensichtlich hat man auf der Erde vergessen, Ihnen etwas mitzuteilen, was vielleicht wichtig für Sie wäre ... jetzt!"
„Ich denke nicht, daß es irgendetwas über Sie gibt, was ich nicht auch ohne die Berichte zu kennen über Sie weiß, Kolya. Sie sind ein Sadist!" spie sie ihm entgegen.
Seine Hand schoß vor, packte sie unter dem Kinn und riß ihren Kopf in den Nacken. Sehr aufmerksam musterte er sie wieder, dann beugte er sich noch tiefer über sie. Sein Mund näherte sich ihrem rechten Ohr.
Vashtu zwang sich, weiter ruhig zu bleiben, auch wenn in diesem Moment wirklich alles in ihr danach brüllte, sich irgendwie zur Wehr zu setzen. Die Nähe ihres Feindes, dabei mußte sie sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, daß er nicht einmal ihr Feind war, sondern der von Sheppard, wirkte beinahe zu verführerisch auf sie.
„Sie sind nicht die erste, die auf einem solchen Stuhl sitzt, Ahnin", wisperte Kolyas Stimme in ihr Ohr.
Vashtu zwang sich weiter ruhig zu bleiben, spannte die Kiefer an und wartete.
„Ihr heißgeliebter Colonel Sheppard hatte das Vergnügen ebenfalls, wissen Sie?" fuhr der Genii in einem süffisanten Tonfall fort zu berichten. „Ja, er saß in einem ähnlichen Bunker auf einem ähnlichen Stuhl, war ähnlich wie Sie gefesselt und es gab ähnliche Übertragungen wie jetzt bei Ihnen. Nur mit einem deutlichen Unterschied ..." Er schwieg und richtete sich wieder auf, noch immer ihr Kinn mit seiner Hand hart haltend. Aufmerksam starrte er sie an, ein kaltes Lächeln unterdrückend.
Als er nicht fortfuhr, sah Vashtu sich irgendwann befleißigt, doch nachzufragen: „Und was war jetzt Ihr großer Unterschied?"
Nichts davon glaubte sie, rein gar nichts! John war zu klever, um ausgerechnet Kolya in die Hände zu fallen. Nein, das hätte man ihr mitgeteilt, davon war sie überzeugt. Landry und O'Neill wußten schließlich ...
„Ich hatte einen Wraith."
Diese Worte waren wie ein Hammerschlag, der sie voll traf. Ihre Augen weiteten sich entsetzt.
Kolyas kaltes Lächeln trat jetzt voll hervor. Langsam nickte er, beugte sich wieder tiefer über sie. „Und ich ließ es zu, daß dieser Wraith sich an Sheppard nährte", fuhr er fort.
Alles Blut wich ihr aus dem Gesicht. Sie konnte in den Augen des Genii lesen, daß er die Wahrheit sagte, daß es geschehen war!
John, an dem sich ein Wraith nährte! John, dessen Leben ausgesaugtwurde, der immer älter wurde. John, der Greis!
Vashtu schluckte, versuchte mit aller Macht, die plötzlich aufkommende Panik zu bekämpfen. Dabei wurde ihr klar, wie sehr sie sich doch auf ihn verlassen hatte. Darauf, daß John kommen würde, daß er sie hier herausholte und nach Atlantis brachte. Aber all diese Hoffnung, die sie nicht einmal hatte zugeben wollen, hatte Kolya gerade mit einem einzigen Satz gründlich zerstört.
Der Genii richtete sich wieder auf, ließ ihr Kinn los und lächelte weiter. „Ja, der Colonel muß dem Wraith sehr gemundet haben. Dreimal nährte er sich an ihm, Vashtu Uruhk, dreimal. Nur das Eingreifen der Atlanter verhinderte, daß Sheppard starb."
Vashtu spannte die Kiefer an, starrte vor sich hin, von blankem Entsetzen gepackt. Immer wieder schluckte sie.
Nein, das konnte nicht sein! Nein, nein, nein! Nicht John! Nicht er, nicht ausgerechnet er!
„Nach dem dritten Mal sagte der Wraith mir, daß, wenn er weitergemacht hätte, er den Colonel getötet hätte und dies doch wohl nicht in meinem Sinne gewesen wäre." Kolya weidete sich an ihrem Entsetzen, sie konnte es spüren, doch sie konnte es nicht ändern.
Sie mußte hier heraus! Sie mußten es selbst schaffen. John würde ihr keine Hilfe sein, gar keine. Aus welchem Grund auch immer Kolya ausgerechnet sie hierher verschleppt hatte, es KONNTE schlichtweg nicht John Sheppard sein. Der Genii würde keinen uralten Mann als eine Bedrohung mehr ansehen. Sehr wahrscheinlich würde ein wie auch immer gearteter Versuch ausgerechnet von John Sheppard Kolya nur ein müdes Lächeln abverlangen.
Vashtu schüttelte den Kopf, riß sich so gut es ging zusammen und schluckte einige Male, um ihre Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. Erst dann blickte sie wieder auf, versuchte so viel Entschlossenheit wie möglich in ihren Blick zu legen. „Ich glaube Ihnen nicht ein Wort!" zischte sie.
Doch Kolya lächelte nur weiter, nickte einmal kurz.

***

„Eingehende Videoübertragung", meldete der zuständige Techniker.
John stand bereits vor dem Bildschirm. Jetzt gesellten sich auch Elizabeth und Rodney McKay zu ihm. Kurz darauf kam auch Carson Beckett hinzu.
John preßte die Lippen fest aufeinander und zwang sich zur Ruhe. Wenn sie irgendetwas erreichen wollten, mußte er weitermachen, wie er es in den letzten Stunden getan hatte. Aber, und das hatte er sich selbst geschworen, er würde gehen, bevor es wieder zu einem Schuß kommen konnte. Er würde nicht mitansehen, wie Vashtu wieder verletzt wurde.
„Ich hoffe doch sehr auf gute Nachrichten. Dr. Weir, Colonel Sheppard?" Kolya stand wieder vor der Kamera. Im Hintergrund sah man die beiden Wächter.
Wie würde es Vashtu jetzt gehen? Sah sie noch schwächer aus als beim letzten Mal?
John zwang sich weiter zur Ruhe. Mit den Augen suchte er so gezielt wie möglich nach irgendeinem Hinweis, wo der Genii sich und seine Geiseln versteckt halten konnte.
„Wir sind hier, Kolya, und wir bleiben auch hier", antwortete Elizabeth. „Keine Verhandlungen. Es bleibt dabei. Wir sind nicht zuständig. Sie hätten Vashtu Uruhk besser zuhören sollen, sie hat es selbst gesagt."
Kolya nickte. „Und was haben Ihnen die Blutproben über den Zustand der Ahnin verraten?" erkundigte er sich dann.
„Daß sie krank ist", antwortete John mit betont ruhiger Stimme.
„Ah, da sind Sie ja wieder, Colonel. Ich dachte schon, Sie würden nicht mehr an unseren kleinen Unterhaltungen teilnehmen wollen."
„Ich bin da, Kolya. Ich bin immer da, wenn man mich braucht."
„Tatsächlich?" Der Genii trat einen Schritt zur Seite.
John schluckte, mußte sich zwingen, nicht loszubrüllen.
Vashtu sah inzwischen wirklich krank aus. Sie hing mehr auf dem Stuhl, als daß sie saß. Selbst in der schlechten Qualität der Übertragung war ihre Blässe deutlich zu sehen. Ihr Blick wirkte verschleiert und gequält. Ein Verband umwand ihren schlanken Hals.
Langsam hob sie den Kopf, sah direkt in die Kamera. John war es, als sähe sie ihn geradewegs durch Linse und Wurmloch an. Dann nickte sie langsam und kaum merklich.
Er schluckte. Sie wollte reden. Sie wollte noch eine Wunde riskieren, die sie weiter schwächen würde.
Er kniff die Lippen fest zusammen und biß darauf.
Wieder nickte sie, in ihre Augen trat ein entschlossener Ausdruck.
„Wollen Sie mit ihr sprechen, Colonel? Sie jedenfalls scheint mit Ihnen reden zu wollen." Kolyas Stimme klang amüsiert.
John atmete einige Male tief ein. Wieder beobachtete er, wie sie langsam und betont nickte. Doch er konnte nicht nachgeben. Er konnte nicht zulassen, daß man sie zusätzlich schwächte.
Wieder ein Nicken, noch deutlicher dieses Mal.
„Wollen Sie mit ihr sprechen?" wiederholte Kolya seine Frage.
Eine Hand legte sich auf seinen Arm. Betont langsam und tief holte er Atem. „Ja", antwortete er schließlich.
Eine der beiden Wachen trat heran und nahm ihr den Knebel ab.
„John?" Ihre Stimme klang rauh.
„Ich bin da", sagte er.
Sehr konzentriert sah sie in die Kamera, schien ihn immer noch genau zu fixieren. „John, erinnerst du dich an den Stein, den ich bei unserer Mission bei dem DHD gefunden habe? Den blauen Stein?" fragte sie. „Er lag im Gras beim DHD, erinnerst du dich?"
Ein Stein? Was für einen Stein? Sie hatten das DHD des Planeten doch gar nicht ...
John schaltete. „Ja, ich erinnere mich."
Immer noch dieser intensive Blick. „Hast du ihn noch?"
Unwillkürlich tastete er in seiner Hosentasche nach dem Kristall und nickte. „Ja, ich habe ihn noch. Was soll ich damit tun?"
Jetzt konnte er deutlich die Erleichterung in ihrem Blick lesen. „Ich möchte, daß du ihn zu den anderen legst, hörst du? Zu den anderen Steinen, die auf der Orgel liegen. Der beste Platz wäre ganz rechts außen."
Die Orgel?
Dann fiel es ihm ein und er fuhr herum. Im gleichen Moment peitschte der Schuß über den Äther und er zuckte zusammen, als sei er getroffen worden. Vashtu schrie dieses Mal wirklich vor Schmerz auf. Er sah in Rodneys Gesicht und konnte dort nichts als pures Entsetzen lesen. Elizabeth hinter ihm stöhnte gequält auf.
Kolya hatte wieder auf sie geschossen!
John schloß die Augen.
„Ich weiß jetzt nicht, um was genau es ging, Colonel", hörte er Kolyas Stimme mißtrauisch sagen. „Aber daß die Ahnin Ihnen irgendwelche Anweisungen gegeben hat, ist mir klar. Und es wäre besser für Sie und auch für Vashtu Uruhk, wenn Sie diese Anweisungen sehr schnell vergessen würden. Es wird Ihnen nichts nutzen und Sie setzen nur die wenigen Minuten aufs Spiel, die ich Ihnen beiden Turteltauben lasse. Verstanden? Wir sprechen uns in drei Stunden. Bis dahin genießen Sie das, was Sie von der Ahnin noch sehen können." Mit einem leisen Knacken wechselte das Bild.
Eine Abweichung! Kolya wich von seinem Zeitplan ab.
John drehte sich wieder dem Bildschirm zu, beobachtete Dr. Babbis, der ruhelos den Raum durchmaß.
„Oh mein Gott!" stöhnte Elizabeth endlich auf. „Oh mein Gott!"
Johns Herz klopfte zum Zerspringen. „Wo hat er sie getroffen? Wie schwer ist sie verletzt?"
„Er ... er hat ..." Rodney schluckte und wandte sich ab.
„Er hat ihr in das rechte Knie geschossen", antwortete Carson mit erstarrtem Gesicht. „Es sah aus, als habe er ihr die Kniescheibe zertrümmert."
„Von was für einem Stein hat sie gesprochen?" Rodneys Stimme klang gequält.
Johns Faust schloß sich um den Kristall. Mühsam beherrscht atmete er ein und zog ihn aus seiner Hosentasche. „Sie hat mir Anweisung gegeben, den Kristall in das Panel des Hauptrechners zu schieben", sagte er endlich. Den Blick hielt er starr auf den Kristall gerichtet.

***

„Was für eine Anweisung haben Sie Sheppard gegeben?"
Kolya hatte sie wieder am Kragen gepackt und von dem Stuhl hochgerissen, soweit es ihre Fesseln zuließen. Schmerzen rasten ihr durch Arme und Handgelenke. Ihr rechtes Knie fühlte sich an, als sei es komplett von ihrem Körper getrennt. Doch sie lächelte.
Der Genii schüttelte sie wie eine Stoffpuppe. Sein Gesicht wirkte verkniffen. „Was soll er tun? Was für ein Stein? Antworten Sie!"
Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Ich habe ihm die Anweisung gegeben, den Steuerkristall in den Hauptrechner zu schieben, Kolya. Damit kann er mich aufspüren, wo immer ich mich auch befinde", antwortete sie.
Seine Faust traf ihren Magen. Sie würgte.
„Das werden Sie noch bereuen, Vashtu Uruhk! Sie werden bereuen, jemals geboren worden zu sein, das schwöre ich Ihnen." Wieder schüttelte er sie. In seinen Augen stand flammender Haß.
„Tun Sie es nur! Töten Sie mich jetzt, dann haben Sie es hinter sich!" spie sie ihm entgegen.
Er starrte sie noch immer an, zog sie dann noch näher zu sich. „Das hätten Sie gern, nicht wahr? Keine Schmerzen mehr, keine Verantwortung, nichts! Aber so einfach wird das für Sie nicht, Ahnin. Und Sie vergessen etwas bei Ihrem wundervollen Plan. Sie sind nicht allein!"
„Wenn Sie Babbis töten, bin ich eine Sorge los, Kolya. Er ist nichts anderes als ein Klotz am Bein. Ich wäre froh, wenn Sie ihn endlich zur Seite schaffen würden!"
Er stieß sie auf den Stuhl zurück und wandte sich ab. „Ich dachte, Ihnen würde viel an ihm liegen, so wie Sie sich für ihn eingesetzt haben. Was soll ich denn jetzt glauben, mh?" Er beugte sich wieder über sie, bis ihre Nasenspitzen sich fast berührten. „Ist er es Ihnen wert oder nicht?"
„Er wird ohnehin sterben, wenn ich tot bin. Oder denken Sie, ich wüßte das nicht?" entgegnete sie. „Warum sollte ich also überhaupt noch etwas auf ihn geben? Er ist doch sowieso nur dafür da, mich notdürftig zu versorgen, damit Ihre Leute sich die Hände nicht an meinem verseuchten Blut schmutzig machen!"
Dem nächsten Schlag hätte sie ausweichen können, doch sie tat es nicht. Ihr Kopf wirbelte herum und sie hatte das Gefühl, als sei ihr Kiefer gebrochen.
„Versuchen Sie das noch einmal, Vashtu Uruhk, wird Ihr Tod noch schmerzvoller sein als bisher, das schwöre ich Ihnen. Sie sollten sich sehr genau überlegen, wieviele Schmerzen Sie aushalten können ohne die Verstärkung Ihrer Fremdzellen."
Sie schluckte hart, drehte dann langsam den Kopf zurück und blitzte den Genii zornig an. „Wenn es sein muß, kann ich eine Menge mehr aushalten als Sie, Kolya", zischte sie. „Die Atlanter werden kommen, das schwöre ich Ihnen. Es wird auch nicht mehr lange dauern."
„Das werden wir noch sehen, Ahnin!" Kolya richtete sich wieder auf und wandte sich ab. „Bringt sie zurück!"

***

Etwas ratlos stand John vor dem Panel, das er mehrmals scherzhaft als Orgel Vashtu gegenüber bezeichnet hatte. Den blauen Kristall hielt er in der Hand und betrachtete die Anordnung der anderen vor sich.
„Ganz rechts", murmelte er und beugte sich forschend über die Konsole.
Er hatte es ausprobiert, doch der Kristall paßte nicht in die Öffnung, er war zu klein und würde ganz hineinrutschen. Und das konnte wirklich nicht die Lösung sein.
Er fragte sich ohnehin, was ihm das bringen würde. Soweit er wußte, hatte nur eine Person Zugriff auf sämtliche Daten, und diese Person wurde gerade auf sadistische Art und Weise ins Jenseits befördert.
„Nun machen Sie schon!" drängte McKay ihn.
Sheppard blickte stirnrunzelnd zu dem Wissenschaftler, der ihm gegenüber stand. „Wie bitte?"
McKay klopfte nervös auf das Gehäuse. „Sie hat Ihnen doch gesagt, was Sie tun sollen. Warum tun Sie es dann nicht?"
Sheppard beugte sich wieder vor. „Weil der Kristall nicht an die Stelle paßt, die sie mir gesagt hat", antwortete er und betrachtete wieder die Steuerelemente.
Moment!
Ganz rechts hatte Vashtu gesagt. Da war etwas. Eine kleine Höhlung, die man nur zu leicht übersehen würde.
Sheppard hob den Kristall vorsichtig an und steckte ihn in die Öffnung. Er paßte! Und er leuchtete auf.
Sofort flammten andere Bildschirme im ganzen Kommandoposten auf, wie damals bei Vashtu. Das Panel leuchtete hell.
Sheppard blickte sich stirnrunzelnd um. „Und was jetzt?" fragte er.
McKay gab ihm keine Antwort.

***

Mit einem Schmerzenslaut schlug die Antikerin lang hin, wälzte sich herum. Die Tür schloß sich hinter ihr und Babbis stürzte heran.
„Oh mein Gott!" entfuhr es dem Wissenschaftler, als er ihr Bein sah. Er beugte sich über sie und begann sie zur Wand zu schleifen. Dabei zogen sie eine Blutspur hinter sich her.
„Fassen Sie das bloß nicht an, Peter!" stöhnte sie, als er sich über ihr Knie beugte.
„Es blutet ziemlich stark. Ich muß es abbinden." Er blickte hoch, sah ihr ins Gesicht. Ihr Unterkiefer verfärbte sich. „Was haben Sie angestellt?"
Gepreßt atmete sie aus und verkrampfte sich kurz. „Atlantis Anweisungen gegeben, das habe ich getan", preßte sie dann schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Und nebenbei noch Ihr Leben gerettet. Jetzt sorgen Sie bitte dafür, daß ich das nicht bereue!"
Babbis seufzte erleichtert, holte sich den Verbandskasten und kramte darin herum. „Dann ist der Kristall also auf Atlantis?"
Mit verkniffener Miene beobachtete sie ihn. Ihr Gesicht war wieder schweißnaß. „Ist er, ja. Es ist mir sogar gelungen, John mitzuteilen, wie er ihn verwenden kann. Aber ..." Sie schüttelte den Kopf.
Babbis nickte, beugte sich wieder über ihr Knie. „Das wird jetzt wehtun. Entschuldigung." Vorsichtig legte er eine Kompresse auf die Schußwunde, begann dann die Wunde zu verbinden.
Vashtus Hinterkopf knallte hart gegen die Wand. „Peter!" ächzte sie vorwurfsvoll.
„Sanfter geht es wirklich nicht", verteidigte er sich.
Vashtu kniff die Lippen fest aufeinander und nickte. „Dann machen Sie zumindest schnell."
Er beugte sich wieder über ihr Bein und rollte den Verband so schnell wie möglich ab. Dabei bemerkte er, daß sie leise zitterte. Sollte sie jetzt auch noch Fieber bekommen und ganz ausfallen?
„Wie sieht es mit dem anderen aus?" fragte sie nach einer Weile.
Einen Moment lang wußte er nicht, was sie meinte, dann biß er sich auf die Lippen. „Denken Sie, Sie können noch einmal etwas durchgeben?"
Durch die Schmerzen, die in ihren Augen standen, blitzte ein letzter Rest Humor hindurch. „Nicht, wenn ich mich nicht noch einmal windelweich prügeln lassen will. So viele Knie habe ich nicht, Peter. Das nächste Mal könnte Kolya sich überlegen, auf etwas wichtigeres zu schießen. Zum Beispiel ... meine Eingeweide?"
„Das ist ein Argument." Babbis nickte, richtete sich auf und setzte sich nahe neben sie, um sie genau im Auge zu behalten.
Vashtu schluckte hart. „Tut mir leid, aber ich denke, jetzt bin ich wirklich auf Sie angewiesen. Strengen Sie Ihre grauen Zellen an."
„Das werde ich tun. Und Sie ruhen sich aus. Sie sehen nicht gut aus." Waren da nicht graue Haare in ihrem schwarzen Wuschelkopf? Er mußte sich irren. Wieder sah er ihr ins Gesicht.
Sie lächelte gequält. „Sie werden richtig mütterlich, Peter." Sie hustete.
„Haben Sie Fieber?"
Ihr Gesicht wurde ernst. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube ja."
Vorsichtig legte er ihr eine Hand auf die Stirn, dann nickte er. „Ja, Sie irren sich nicht." Kurz zögerte er, dann schlüpfte er aus seiner Armeejacke und legte sie ihr vorsichtig um die Schultern, wofür er wieder einen spöttischen Blick erntete.
„Ich brauche Sie hier, Vashtu. Können Sie sich zusammenreißen?"
Sie schloß einen Moment lang die Augen. „Ich werde es versuchen. Aber es fällt mir immer schwerer ... Peter, ich denke, Sie müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen ..."
„Wir kommen hier lebend raus. Die erste Hälfte haben Sie doch schon geschafft, den Rest machen wir zusammen. Und dann können Sie diesem Kolya kräftig in den Hintern treten. So wie dem Trust."
Ein müdes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Langsam nickte sie.

***

Unruhig beobachtete John das Geschehen auf dem Bildschirm, während er immer noch am Hauptrechner stand.
Es mußte noch etwas geben. Irgendetwas, was sie ihm nicht mehr hatte sagen können. Und jetzt ... ?
Vashtu lag in sich zusammengesunken an der Wand und rührte sich nicht. Ihr Körper war unter der Armeejacke kaum auszumachen, nur ihre ausgestreckten Beine lugten darunter hervor. Ihr Kopf war zur Seite gesunken.
Was hatte sie ihm noch sagen wollen? Was mußte er tun? Und was würde geschehen, wenn es ihm wirklich gelang, dieses ominöse Etwas zu tun?
Sie mußte auf irgendeine Art von Hilfe hoffen, sonst hätte sie sich nicht so weit vorgewagt. Sie hatte Glück gehabt, daß Kolya nicht sofort geschaltet hatte. Wahrscheinlich war sie selbst überrascht gewesen, wie weit sie mit ihren Anweisungen hatte kommen können. Doch würde sie das ganze noch einmal wagen?
John preßte die Lippen aufeinander und machte Rodney Platz, der eifrig mit dem Hauptrechner beschäftigt war. Carspm und Elizabeth hatten sich in das Büro der Expeditionsleiterin zurückgezogen. Offensichtlich beratschlagten sie, ob sie überhaupt noch helfen konnten.
Die Uhr tickte. Und sie würde es weiter tun und irgendwann würde die Zeit für Vashtu abgelaufen sein.
Babbis ...
Er hatte den jungen Wissenschaftler in keiner guten Erinnerung. Dank Babbis war die Mission damals kaum über die nähere Umgebung des Sternentores hinausgekommen. Durch seine Ungeschicklichkeit hatten sie zurückkehren müssen auf die Erde.
Diese Erfahrung machte John zusätzlich nervös. Aber er sah auch, daß Babbis sich offensichtlich in der Zeit, die sie sich nicht gesehen hatten, etwas gewandelt hatte. Er ging gut mit Vashtu um, tat was er konnte. Und die Antikerin schien ihm zu vertrauen, immer wieder steckten sie jedenfalls die Köpfe zusammen.
Landry hatte gesagt, Vashtu habe ihr Team im Griff. Sie und Babbis hätten sogar schon schwierige Probleme gemeistert. Irgendwie fiel es ihm schwer, das zu glauben nach seinen Erfahrungen mit dem jungen Mann. Und doch ...
Babbis saß neben Vashtu am Boden und kramte in irgendetwas herum. Er schien voll auf sein Tun konzentriert.
John senkte den Kopf wieder, als die Verbindung abbrach. Das Wurmloch fiel in sich zusammen.
Jetzt würde wieder das lange Warten beginnen ...

***

Vashtu blinzelte in das Licht hinein. Einen Moment lang wußte sie nicht, wo sie sich befand, dann aber kehrte die Erinnerung zurück, und mit ihr die Schmerzen. Sie schloß ihre Augen wieder, versuchte sich in den Schlaf zurückgleiten zu lassen. Doch das wollte ihr nicht gelingen.
Sie mußte etwas tun! Sie mußte hier heraus und wieder gesund werden. Sie hatte nicht zehntausend Jahre gewartet, um dann hier zu sterben.
„Geht es Ihnen besser?"
Sie schluckte einige Male, bis sie glaubte, ihre Kehle sei wieder fähig, einen Laut zu produzieren. „Nein", flüsterte sie heiser.
„Der Wächter war vorhin noch einmal hier. Warten Sie."
Nun öffnete sie doch ihre Augen wieder und beobachtete Babbis, der nach einem weiteren Krug griff und ihn ihr sanft hinhielt, damit sie trinken konnte.
Das Wasser schmeckte abgestanden und schal. Außerdem hatte sie keinen Durst. Sie mußte dafür sorgen, daß Atlantis wußte, was zu tun war. Sie mußte irgendwie den Code durchgeben.
Sie sammelte ihre Kräfte und richtete sich auf. Sich mit Händen und Schultern abstützend versuchte sie sich hochzuziehen. Doch nur mit einem Bein war das verdammt schwer. Und sie traute ihrem rechten Knie nicht mehr.
„Was haben Sie vor?"
Ächzend kam sie schließlich in eine halbwegs aufrechte Position. Entschlossen kniff sie die Lippen zusammen und versuchte sich an einem Schritt. Das Knie gab unter ihrem Gewicht nach, und sie hatte das Gefühl, als hätte sie sich das Bein abgerissen. Im letzten Moment konnte sie sich noch mit dem anderen Fuß abfangen, sank dann aber zu Boden und ließ sich wieder gegen die Wand fallen.
„Was sollte das? Sie reißen sich nur die Wunde wieder auf", beschwerte Babbis sich.
Als käme es darauf noch an!
Der Wissenschaftler zog sie so vorsichtig wie möglich wieder in ihre vormalige Position zurück und breitete seine Jacke erneut über sie aus.
„Lassen Sie das endlich, Peter!"
„Sie haben Fieber und mindestens eine schwere Schußwunde. In Ihnen tobt irgendein Virus und Sie haben seit Stunden nichts gegessen. Sie sollten lassen, was auch immer Sie da vorhatten, verdammt!" herrschte er sie an.
Überrascht sah sie ihn an. „Sie machen Sie sich wirklich Sorgen um mich", stellte sie verblüfft fest.
Babbis starrte zurück, sein Gesicht wirkt verkniffen. „Was das andere angeht, ich arbeite daran", sagte er.
„Eine Idee?"
Babbis zuckte mit den Schultern und beugte sich über sie, als wolle er den Verband um ihren Hals kontrollieren. „Sagen Sie mir den Code, dann finde ich vielleicht eine Lösung. Mir ist da schon der eine oder andere Gedanke gekommen. Nur ..."
Vashtus Blick glitt von ihm ab. Langsam und kaum die Lippen bewegend nannte sie ihm die Reihenfolge. Vielleicht fiel ihm ja wirklich etwas ein. Sie hoffte es zumindest.
Dann fiel ihr Blick auf den Spiegel. Sie riß sich zusammen und starrte ihn an. „Was ist das?" fragte sie unvermittelt.
Warum war er ihr bisher entgangen? Wieso hatte sie nicht darauf geachtet?
„Ein Spiegel, wahrscheinlich ein Einweg-Spiegel, wenn Sie mich fragen", antwortete Babbis, richtete sich wieder auf. „Sie wissen schon, wie in diesen Fernsehserien."
Nachdenklich nickte sie.
„Ich weiß nicht, ob sie uns belauschen können, aber sicherlich beobachten sie uns", fuhr der Wissenschaftler fort. „Dafür sind solche Spiegel nämlich gerade gut. Wie bei Verhören in diesen komischen Krimis. Da steht dann doch immer jemand dahinter und beobachtet genau ..."
„Ich weiß, was Sie meinen! Ich habe auch einen Fernseher."
Sie versuchte sich zu erinnern. Was hatte sie draußen auf dem Gang gesehen? War da Licht gewesen?
Nein, kein Licht. Aber ... Eine Tür. Da war ein Verschlag mit einer Tür, an der sie jedesmal vorbeigezerrt wurde. Befand sich in diesem Verschlag jemand?
„Peter ... ?" Ein Gedanke war ihr gekommen.
Babbis sah ihr wieder ins Gesicht. „Ja?"
Immer noch starrte sie den Spiegel an. „Denken Sie vielleicht das gleiche wie ich?"
„Ich weiß nicht, was Sie denken", kommentierte er ihre Frage unwillig.
Sie holte tief Luft, unterdrückte einen neuen Hustenanfall. „Wenn Kolya mich holen läßt, werde ich in einen Raum mit einer riesigen Kamera gebracht", berichtete sie. „Von dort aus überträgt er Bilder und Ton nach Atlantis."
Babbis' Kopf ruckte herum. „Sie meinen ... ?"
„Ich weiß es nicht. Aber es ... es könnte sein."
Babbis erhob sich vorsichtig, starrte weiter den Spiegel an. Mit langen Schritten ging er zur gegenüberliegenden Wand und betrachtete ihn. Dann drehte er sich nachdenklich wieder um und sah sie an.
„Wie können wir das kontrollieren?"
Sie verzog das Gesicht und runzelte die Stirn. „Gar nicht, fürchte ich. Sie kommen hier nicht heraus und ich ... Sie haben ja gesehen, daß ich mich kaum auf den Beinen halten kann."
Babbis kehrte zu ihr zurück, hockte sich neben sie. „Das Problem ist, daß selbst Kolya kein Wurmloch über so lange Zeit aufrecht erhalten kann. Selbst wenn sie uns in diesem Raum filmen, kann er nicht alle Bilder nach Atlantis schicken. Ein Wurmloch existiert nur eine gewisse Zeit, dann bricht es zusammen."
Vashtu nickte. „Achtunddreißig Minuten, ich weiß."
„Sie sind selten länger als ungefähr eine halbe Stunde weg. Ab wann wird gefilmt?"
Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Leider käme ich zur Zeit selbst dann nicht an meine Uhr heran, wenn man sie mir nicht abgenommen hätte." Sie wurde wieder ernst, runzelte die Stirn. „Ich werde in diesen Raum gebracht. Das dauert zwei oder drei Minuten. Dann fesselt man mich auf einen Stuhl, was auch wieder ein paar Minuten braucht. Je nachdem will Kolya noch kurz mit mir sprechen, danach knebelt man mich. Er stellt sich vor die Kamera ..." Sie stockte, atmete wieder ein und aus und hustete kurz. „Das Wurmloch muß hergestellt werden, wenn man mich knebelt. Dann gibt es einen kurzen Wortwechsel zwischen Atlantis und Kolya, der damit endet, daß man mich wieder reden läßt ... wenn jemand auf Atlantis sich darauf einläßt."
Babbis hob die Hand. „Warum sollte man sich dort nicht darauf einlassen?" fragte er verwirrt.
Vashtu warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. „Weil ich für jedes Gespräch angeschossen werde, vor laufender Kamera, darum", antwortete sie.
„Oh!"
Sie nickte. Ihre Augen glitten ins Leere als versuche sie sich etwas sehr genau ins Gedächtnis zu rufen. „Danach weiß ich meist nichts mehr wirklich, bis ich wieder hergebracht werde. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich jedesmal auf diesem Stuhl sitze."
Babbis nickte mitfühlend.
„Sie sagen, ich bin nicht länger als eine halbe Stunde weg. Das heißt, wir haben noch acht Minuten, vielleicht ein bißchen mehr."
„Wenn Kolya direkt hierher schalten läßt", wandte Babbis ein.
„Er wird hierher schalten lassen, glauben Sie mir." Vashtus Gesicht wurde kalt wie Eis. In ihren Augen blitzte eine mörderische Wut.
„Dann müssen wir also nur noch herausfinden, ob diese ominöse Kamera tatsächlich existiert", faßte Babbis zusammen.
Sie nickte und dachte nach. Dann hob sie den Kopf und sah wieder zu dem Spiegel hinüber.
Warum war er ihr nur nicht schon viel früher aufgefallen? Sie könnten schon soviel weiter sein, sie könnten schon hier heraus sein! Aber sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die fremden Gene in ihrem Inneren zu stoppen, ganz abgesehen von den Schmerzen, die für sie fast unbekannt geworden waren in den letzten Jahrtausenden.
„Können wir es herausfinden?" Babbis nagte an seiner Unterlippe, steckte sich dann einen Brocken von dem neuen Brot in den Mund.
„Nicht so einfach, fürchte ich", antwortete sie.
Babbis nickte und kaute. Dann schluckte er und drehte sich wieder zu ihr um. „Gut, ich weiß, wie wir es machen", sagte er. „Ich riskiere es. Aber Sie müssen mir helfen. Irgendwie müssen wir herauskriegen, ob es diese Kamera gibt oder ob wir tatsächlich nur abgehört werden. Schaffen Sie das?"
Vashtu warf ihrem verbundenen Knie einen vielsagenden Blick zu. „Ich kann es versuchen. Aber versprechen kann ich nichts. Wird nicht einfach werden."
„Das sagt auch niemand." Als sie in sein Gesicht blickte, sah sie, wie entschlossen es wirkte. Was auch immer er plante, er würde es durchziehen.
Sie fragte nicht, was ihm im Kopf herumging. Sie wollte es gar nicht wissen. Ihr Part bei dieser Sache war schon mehr als genug.
„Sie müssen sich genug zusammenreißen, wenn Sie zurück gebracht werden, damit Sie mir irgendwie mitteilen können, ob wir recht haben oder nicht. Es reicht ein Nicken, wenn die Kamera existiert und ein Kopfschütteln, wenn wir es uns nur eingebildet haben."
„Klingt fair. Ich hoffe, ich kriege das hin."

***

Carson erwartete sie mit ernstem Gesicht in Elizabeths Büro, als die Expeditionsleiterin sie rufen ließ.
John wurde es unwohl. Die nächste Übertragung würde nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Und das hieß, vielleicht würden sie etwas mehr über Vashtus Plan erfahren.
„Was ist?" Rodney wirkte nervös, unruhig schnippte er mit den Fingern.
„Wir sind überein gekommen, daß wir diesmal verhindern, daß irgendjemand hier mit Vashtu Uruhk spricht", erklärte Elizabeth, lehnte sich mit überkreuzten Armen zurück. „Wir können es nicht riskieren."
„Aber sie könnte uns weitere Infos darüber geben, was wir tun sollen!" entfuhr es John. Dann rief er sich zur Ordnung. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen, Elizabeth. Irgendwie ... Ich gehe davon aus, daß Vashtu uns auch dieses Mal wieder einen Brocken hinwerfen wird."
„John, denken Sie wirklich, Kolya wird sich einen solchen Lapsus zweimal leisten?" Elizabeth sah ihn skeptisch an.
„Colonel Sheppard kommt nicht in alle Unterprogramme hinein, Elizabeth", argumentierte Rodney jetzt. „Der Hauptrechner ist dermaßen überfüllt mit allen möglichen Daten, daß wir Jahrzehnte suchen könnten, ohne etwas wirklich hilfreiches zu finden. Wir brauchen nähere Informationen, so ungern ich das auch zugebe."
„Jede Verletzung schwächt ihr Immunsystem." Carsons Stimme klang ruhig, doch sein Gesicht wirkte bleich vor Anspannung. „Wird sie noch einmal angeschossen, könnte das Auswirkungen darauf haben, wie schnell die Vergiftung fortschreitet. Bisher war ... Nun die Wunden waren relativ vertretbar. Aber nach der letzten ... Und wir wissen nicht, was danach noch mit ihr geschehen ist."
„Kolya hat sie wohl geschlagen", murmelte John leise und ballte die Hände zu Fäusten. „Offene Wunden bis auf die am Knie habe ich nicht sehen können. Und um die hat dieser Babbis sich notdürftig gekümmert."
Carson sah ihn zweifelnd an.
„Wie auch immer, wir können es nicht vertreten, daß sie noch einmal verletzt wird", entschied Elizabeth. „Also werden wir uns weigern, noch einmal mit ihr zu sprechen."
John verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. „Und wer sagt uns, daß Kolya sie nicht doch wieder verletzen wird? Sie wissen doch, was von seinem Wort zu halten ist, Elizabeth."
„Wenn sie uns noch eine Information zukommen lassen kann, wird sie das tun", erklärte Rodney in die folgende Stille hinein. „Ich mag sie nicht so gut kennen wie der Colonel, aber ich kenne ihn."
John warf dem Wissenschaftler einen irritierten Blick zu.
„Wir können es nicht verantworten", wiederholte Elizabeth.
„Was sagt Landry?" John blickte auf.
„Er wartet immer noch auf eine Adresse", antwortete die Expeditionsleiterin. „Sind wir damit weiter gekommen?"
Rodney schüttelte den Kopf.
Elizabeth senkte den Blick.
„Sie wird sprechen wollen, wenn sie noch etwas zu sagen hat", warf John ein. „Wir werden sie nicht daran hindern können. Sie haben sie bei der letzten Übertragung gesehen, Elizabeth. Ich wollte nicht mit ihr reden."
„Leider ist das so", murmelte Carson. „Ich kann nur hoffen, daß sie selbst weiß, wie weit sie gehen kann. Es steht nicht gut um sie."
„Sie lag nur noch an der Wand, bis zum Ende der Übertragung. Babbis hat sie mit seiner Jacke zugedeckt." John runzelte die Stirn. Er wünschte sich ... Nein, das nicht!
„Kommen wir überein, daß wir ihr die Entscheidung überlassen, meine Herren." Elizabeth hatte endlich wieder den Blick gehoben. „Aber ich glaube nicht, daß sie uns noch weitere Informationen zukommen lassen kann. Kolya wird aufpassen."
„Ich weiß ..." John nickte nachdenklich. Er wollte lieber nicht wissen, was Vashtu sich noch ausgedacht haben mochte, um sie näher an die Lösung zu bringen. Er konnte nur hoffen, daß es nicht allzu schmerzhaft für sie werden würde.

***

Der Genii riß sie auf die Beine, daß sie einen Schmerzensschrei nur mühsam unterdrücken konnte. Am Rande nahm sie wahr, daß Babbis sofort seine Jacke an sich brachte und fest umschlang, dann wurde sie auch schon aus dem Raum gezerrt.
Vashtu zwang sich, die Schmerzen zu unterdrücken, die das Knie ihr bereitete. Aber vielleicht würde ihr gerade diese Verletzung jetzt helfen. Mühsam schleppte sie sich vor dem Wächter her, die wenigen Schritte bis zur Tür. Dabei sammelte sie alle Kraft, die sie noch irgendwo in sich aufbieten konnte und machte sich zu einem letzten, aktiven Dienst ihrer Fremdzellen bereit. Sie mußte kurz das Bein belasten und hoffte, daß es nicht wieder unter ihr wegbrechen würde.
Dann waren sie bei der Tür.
Plötzlich, zu plötzlich für ihre Wächter, warf sie sich herum, ächzte mit zusammengepreßten Kiefern vor Schmerz, und rammte ihre Schulter brutal gegen diese. Das Bein brach unter ihr weg, so daß sie erst recht gegen das Holz gedrückt wurde. Die zusätzliche Kraft der Wraith-Zellen erlahmte viel zu schnell, doch es reichte. Die Tür brach auf und sie konnte einen kurzen Blick auf das Innere des schmalen Verschlages werfen.
Der Spiegel. Sie konnte Babbis sehen, der an die Wand gelehnt dastand. Und da stand die Kamera!
Im nächsten Moment traf sie ein grausamer Schlag, ließ sie endgültig zusammensacken. Die Schmerzen waren beinahe zu heftig. Sie konnte das Dunkel der Bewußtlosigkeit am Rande ihres Blickfeldes wahrnehmen.
Brutal riß man sie wieder auf die Beine. Die beiden Genii packten sie unter den Armen, daß sie sich hilflos aufbäumte. Der Kolben eines Gewehres landete in ihrem Bauch, ließ sie sich zusammenkrümmen und hilflos würgen.
Zwischen den beiden Wächtern eingekeilt wurde sie den Gang entlang geschleppt und in den schlecht beleuchteten Raum gebracht. Neben dem Stuhl ließ man sie los und stieß sie grob zu Boden, daß ihr Kinn gegen die Sitzfläche knallte.
Halb ohnmächtig blieb sie zusammengesunken vor dem Stuhl hocken, das verletzte Knie so weit wie möglich ausgestreckt. Sie fühlte, wie warmes Blut über ihr Bein rann, die Schußwunde war wieder aufgeplatzt. Keuchend wartete sie, hörte die undeutlichen Stimmen und kämpfte um ihr Bewußtsein.
Dann wurde sie im Nacken gepackt und wieder hochgerissen.
„Allmählich werden Sie lästig, Ahnin!" herrschte Kolya sie an. „Dachten Sie, Sie könnten so einfach entkommen? Oder was wollten Sie damit erreichen?"
Er quetschte ihr die Adern zum Gehirn ab. Ein stechender Schmerz breitete sich in ihrem Genick aus.
„Was sollte das?" wiederholte er und schüttelte sie.
„Ihre Gastfreundschaft läßt zu wünschen übrig, Kolya", würgte sie irgendwie hervor. „Natürlich wollte ich gehen. Ich habe genug von Ihnen."
Ein Tritt traf ihr verletztes Knie, dann wurde sie brutal über den Stuhl geworfen, dessen Sitzfläche sich jetzt in ihren Unterleib grub.
„Passen Sie nur auf, Vashtu Uruhk. Bis jetzt steht mein Angebot noch, aber ich kann es auch sehr schnell rückgängig machen."
Die beiden Genii zerrten an ihr und setzten sie wieder aufrecht hin, um sie an den Stuhl zu fesseln. Vashtu ließ es über sich ergehen, hielt den Kopf gesenkt.
Sie konnte beinahe spüren, wie die Injektion jetzt mit rasender Geschwindigkeit wirkte und durch ihren Körper jagte. Aber sie hatte keine andere Wahl gehabt. Sie hatte die Wraith-Zellen einsetzen müssen, sonst wäre es ihr wahrscheinlich nicht lange genug gelungen, die Schmerzen zu unterdrücken und die Tür zu öffnen.
Es gab eine Kamera! Sie konnten den zweiten Teil der Nachricht absenden. Hilfe würde kommen, hoffte sie zumindest.
Mit einem Ruck wurde ihr Kopf gehoben, um sie wieder zu knebeln. Müde, aber auch voller Zorn sah sie zu Kolya, der sich abgewandt hatte.
Sie haßte diesen Mann inzwischen so sehr. Wenn sie nur eine Möglichkeit erhalten würde, sie würde ihm jeden Knochen im Leib brechen, ehe sie ihn langsam, sehr langsam, tötete.
Ihre Kiefer spannten sich an, ihr von Schmerz und Fieber verschleierter Blick wurde kalt wie Eis.
Wenn sie nur eine Waffe hätte! Irgendetwas, ihretwegen reichte schon ein Nagel. Sie würde ihm das Leben zur Hölle machen, wie er es auch mit ihr getan hatte. Sie würde ihn foltern, und es würde ihr wirklich Vergnügen bereiten.
Sie schloß die Augen und ließ den Kopf auf ihre Brust sinken. Das Schlüsselbein schmerzte, aber lange nicht so schlimm wie das Knie oder die frischen Prellungen.
„Sie werden keine weiteren Anweisungen geben, ist das klar?" wandte Kolya sich plötzlich an sie. „Noch so ein Versuch und ich jage Ihnen eine Kugel in den Kopf. Dann dürften Sie tot sein. Es wäre zwar schade, aber läßt sich wohl nicht vermeiden."
Sie nickte mühsam, hielt den Kopf gesenkt.

***

John mußte ein Stöhnen unterdrücken, als Kolya zur Seite trat. Die Gestalt, die da auf dem Stuhl hing, schien nur noch wenig mit der Vashtu gemein zu haben, die er vor einem Jahr kennengelernt hatte. Eines fiel ihm sofort auf, ihr Haar war grau, nicht mehr dieses tintige Schwarz wie früher. Sie ließ den Kopf hängen, hatte offensichtlich Mühe, sich bei Bewußtsein zu halten.
Ein zischender Laut entwich Becketts zusammengebissenen Zähnen neben ihm.
„Wollen Sie mit der Ahnin sprechen?" fragte Kolyas Stimme.
Mühsam hob sie den Kopf, sah mit verschleierten Augen in die Kamera.
John schluckte und wartete.
Vashtu blinzelte und ließ den Kopf wieder sinken. Es war, als habe sie schlichtweg nicht mehr genug Kraft, um überhaupt noch irgendetwas zu tun.
„Ja, ich will mit ihr sprechen." Johns Stimme klang belegt.
Dieses Mal aber geschah etwas anderes als sonst. Kolya nahm ihr selbst den Knebel ab und stellte sich neben sie. Seine Waffe klickte, dann hielt er sie ihr an die Schläfe.
John biß sich auf die Lippen.
„John?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein rauhes Flüstern.
„Ich bin da", sagte er, versuchte so viel Gefühl wie möglich in seine Stimme zu legen.
Wieder hob sie ein wenig den Kopf, sah unter ihren Brauen herauf in die Kamera. „Ich ... ich wollte das nicht", flüsterte sie. „Es tut mir leid."
„Du mußt dich nicht entschuldigen."
Es schien, als würde sie kurz lächeln. „Laß es gut sein, ja? Es ist gut, daß du nicht hergekommen bist. Das wollte ich dir noch sagen."
John preßte die Lippen aufeinander. „Du wirst mir noch eine Menge mehr sagen, hörst du? Gib jetzt nicht auf. Die Erde hat Hilfe genehmigt. Eine Einsatztruppe ist auf dem Weg hierher. Wir holen dich da heraus, glaube mir."
Sie ließ den Kopf wieder sinken. „Es geht nicht mehr. Es ist zu spät." Ihre Schultern hoben sich, sanken dann wieder herab. „Ich wollte dir noch sagen ..."
„Spar es dir für später, Vashtu. Wir werden darüber reden, hörst du? Du darfst jetzt nur nicht aufgeben. Du mußt weiterkämpfen! Hilfe ist unterwegs." John bemerkte, daß ihr Schläfenhaar plötzlich weiß wurde. Sie alterte rapide vor seinen Augen.
„Vashtu, hören Sie. Bleiben Sie ruhig, es wird schon ..."
Der Schuß knallte.
John schloß die Augen und wandte sich ab.
„Zwei Stunden ... falls die Ahnin sie noch hat", sagte Kolya, dann schaltete das Bild um.

***

Babbis stand mit dem Rücken zum Spiegel und wartete, als sich die Tür öffnete und die Antikerin in den Raum gestoßen wurde.
Einen Moment lang erschrak er über ihren Anblick, dann sah er das mühsame Nicken und tat einen Schritt nach vorn, den Rücken immer noch zum Spiegel. Um Aufmerksamkeit zu erregen sprang er wie ein Hampelmann herum, hob die Arme und wies mit den Händen auf seine Jacke. Erst als er hörte, wie die Tür wieder geöffnet wurde, stürzte er zur nächsten Wand und rieb in rasender Schnelle die Salbe von dem Stoff herunter. Noch während er das tat, sah er in die Mündungen zweier Waffen und hob die Hände.
„Lockerungsübungen", brachte er mit einem entschuldigenden Grinsen hervor, als ihn auch schon der erste Schlag in die Magengrube traf und ihn zusammenklappen ließ.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Vashtu sich mühsam auf den Bauch wälzte. Falten zeichneten ihr Gesicht, ihr Haarschopf war weiß. Eine neue Wunde in ihrem linken Oberschenkel verhinderte jetzt wohl endgültig, daß sie wieder auf die Beine kommen konnte. Dennoch kroch sie auf ihn zu. Er sah einen unsäglichen Schmerz in ihren Augen brennen.
Immer neue Schläge prasselten auf ihn ein. Schützend hielt er sich die Hände vor den Kopf, dennoch mußte er auch dort einige Treffer verzeichnen.
Dann setzte die Prügel plötzlich aus. Babbis, der sich so klein wie möglich gemacht hatte, wagte einen Blick unter seinen Händen hervor. Sein Herz sank, als er sah, wer gerade den Raum betreten hatte.
Unsanft trat der Genii die Antikerin mit dem Fuß zur Seite. Er hörte Vashtu röcheln. Langsam ließ er seine Hände sinken, richtete sich ein wenig auf und sah sich unvermittelt Kolya gegenüber.
Der pockennarbige Genii betrachtete die Wand, an der Reste der Salbe klebten. Dann richtete sich sein intensiver Blick auf ihn.
„Was hat das zu bedeuten?" Seine Stimme klang voll und dunkel.
„Sagen Sie ihm nichts, Peter!" Vashtus Stimme war kaum noch zu erkennen. Sie hustete inzwischen immer wieder, holte schwer Luft.
Kolya starrte ihn weiter an, schob seine Hand aus seiner Manteltasche und richtete eine gefährlich aussehende Pistole auf die Antikerin.
Babbis atmete hektisch.
„WAS hat DAS zu bedeuten?" Kolyas Stimme war die ein drohender Donnerschlag.
Vashtu sah ihn verzweifelt an, schwieg jetzt aber. Die Falten gruben sich immer tiefer in ihr Gesicht.
„Ich habe Atlantis einen Code übermittelt, mit dessen Hilfe sie uns finden werden. Wahrscheinlich sind sie sogar schon auf dem Weg hierher." Babbis reckte sich ein wenig, versuchte dem kalten Blick des Genii so stolz wie möglich zu begegnen.
Kolya starrte ihn stumm an, dann richtete er seine Waffe auf ihn.
„NEIN!"

***

„Sie hat keine zwei Stunden mehr." Carson schüttelte immer wieder den Kopf, durchmaß die Kommandozentrale mit seinen Schritten. Die Hände hatte er hinter dem Rücken gefaltet. „Wenn ihr die Gentherapie nicht innerhalb der nächsten Stunde verabreicht wird, wird sie sterben."
„Wie ist das möglich? Sie ... sie alterte vor unseren Augen!" John schluckte.
„Sie muß die Fremdzellen eingesetzt haben." Carson blieb plötzlich stehen. „Der Hoffanerstamm hatte die letzten Stunden Zeit, sich in ihrem Kreislauf festzusetzen. Aber sie hat ihm so wenig Angriffsfläche wie möglich geboten. Jetzt ist das anders."
„Was macht der da?" ließ sich einer der Techniker irritiert vernehmen.
John drehte sich zu dem Bildschirm um und sah Babbis, der einen wilden Veitstanz aufführte. Auf seinem Rücken glänzte es.
„Was ... ?" Er stockte. Zahlen, das waren Zahlen!
In diesem Moment hastete der Wissenschaftler zur nächsten Wand und rieb seinen Rücken daran.
John begriff. „Aufnahme stoppen, sofort!" befahl er, wirbelte herum und hetzte zum Hauptcomputer. „Sehen Sie zu, daß wir ein klares Bild von Babbis' Rücken kriegen. Und ich brauche eine Leitung zur Erde. Sobald das Wurmloch abreißt, wählen Sie uns ein."
Er bemerkte am Rande einen irritierten Blick von Elizabeth, kümmerte sich aber nicht weiter darum. Gespannt wartete er auf die Übermittlung der letzten Bilder. Seine Augen huschten über den Bildschirm.
Das waren tatsächlich Zahlen. Ein Code! Der Code, den er brauchte. Er mußte die Kristalle verschieben.
John las:
7 3
017
155
91
So schnell er konnte, wechselte er die Kristalle in der Reihenfolge, die Babbis ihm mitgeteilt hatte, trat dann vom Panel zurück, als plötzlich ein Laut ertönte, und hob die Hände.
„Die Tiefraumscanner!" Rodneys Augen wurden groß.
John fuhr herum und starrte auf die Anzeige. Zwei kleine Punkte leuchteten in den Tiefen des Alls. Zwei Punkte mit Nummern. ID-Nummern.
„Vashtu!"
„Verbindung reißt ab. Einwahl läuft", meldete der Techniker am DHD.
Rodney trat näher. „Das ist ein verlassener Außenposten der Genii. Da waren wir schon einmal. Die Gate-Adresse ist gespeichert."
„Suchen Sie sie heraus, Rodney. Und machen Sie schnell." John klopfte auf sein Funkgerät, um es zu aktivieren. „Lorne, steht die Mannschaft bereit? Dann ab mit ihnen in die Jumper. Wir haben nicht viel Zeit!"
„John!" Elizabeth starrte ihn an.
„Wir haben keine Zeit, auf die Erde zu warten, Elizabeth!" Er fuhr zu Carson herum. „Haben Sie diese Gentherapie?"
Der Mediziner nickte.
„Dann holen Sie sie so schnell wie möglich. Sie kommen mit."
„Verbindung mit dem SGC steht", meldete der Techniker.
„General, Sir, wir haben die Adresse." John trat endlich hinter dem Hauptrechner hervor und stellte sich an den Bildschirm, über den die Bilder von Vashtu und Babbis geflimmert waren.
„Gut, ich werde gleich einen Jumper über die Gate-Brigde schicken", Landrys Stimme klang erleichtert.
John preßte die Kiefer aufeinander und faltete die Hände hinter seinem Rücken. „Sir, bei allem Respekt, aber soviel Zeit haben wir nicht mehr", entgegnete er. „Dr. Beckett bestätigte uns gerade, daß es noch maximal eine Stunde dauern würde, bis Vashtu nicht mehr zu retten wäre, wahrscheinlich sogar weniger. Wir können keine halbe Stunde warten, wir wissen nicht, auf wieviel Widerstand wir stoßen werden."
„Entspricht das auch der Wahrheit, Lt. Colonel?" Landrys Stimme klang mißtrauisch.
„Dr. Beckett ist zur Zeit nicht anwesend, da er Medikamente zusammenstellen muß, Sir. Wenn Ihnen mein Wort nicht reicht ... Dr. McKay wird Ihnen das sicher bestätigen können." John atmete tief ein. „Ich habe mir erlaubt, ebenfalls ein Rettungsteam zusammenstellen zu lassen. Die Männer betreten gerade die Puddlejumper, Sir. Wir brauchen nur Ihr Einverständnis, dann fliegen wir los."
„Colonel ... Dr. McKay, entsprechen diese Angaben der Wahrheit?"
„Hier Weir, General."
John drehte sich zu der Expeditionsleiterin um und sah sie an. „Sie haben selbst gesehen, wie Sie aussah, Elizabeth. Uns bleibt keine Zeit!" zischte er.
Elizabeth erwiderte seinen Blick, dann nickte sie. „Ich kann diese Angaben bestätigen. Miss Uruhk altert in unglaublicher Geschwindigkeit. Dr. Beckett meinte, sie müsse ihre Fremdgene aktiviert haben. Die Impfung zerstört diese Zellen. Ihr normaler Genstrang allein ist nicht fähig ..."
„Ich habe verstanden." Landrys Stimme klang plötzlich gehetzt. „Colonel Sheppard, Sie haben meine Erlaubnis, zu dieser Rettungsmission zu starten. Aber Sie werden sich aus allem heraushalten. Haben Sie verstanden?"
John atmete erleichtert auf und nickte. „Ja, Sir."
„Sir, wir müssen Sie jetzt leider abwürgen. Es sah gerade nicht gut aus, als wir die Aufnahme stoppen ließen", sagte Elizabeth. Noch einmal wechselte sie einen Blick mit John, dann nickte sie wortlos.
Der ließ sich das nicht zweimal sagen. Er hastete die Treppe zum Jumper-Hangar hinauf.

***

„Commander, wir haben eine Aktivierung des Sternentors von außen!"
Kolya starrte noch immer auf Babbis hinunter. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln. Dann hob er unvermittelt die Waffe und wirbelte herum.
„Rückzug, sofort!" befahl er, blieb bei der Antikerin stehen, die hektisch atmend auf dem Boden lag. Kurz begegneten sich ihre Blicke, dann ging der Genii wortlos.
Babbis wagte kaum zu atmen, bis Kolya verschwunden war. Er zögerte noch einige Sekunden, dann kroch er auf allen Vieren zu Vashtu hinüber.
„Nicht aufgeben!"

***

John landete den Jumper und öffnete die Hecklucke. „Alle raus! Rein in den Bunker und durchsuchen. Bei Widerstand wird scharf geschossen!" befahl er den Marines im Passagier- und Laderaum.
Die verteilten sich sofort. Er sah, wie sie in die Anlage eindrangen, zog seine Beretta und entsicherte sie. Der zweite Jumper spuckte gerade ebenfalls seine Ladung aus.
„Sie wissen doch, was Elizabeth gesagt hat, Colonel", sagte Carson.
Johns Blick war kalt und starr wie Eis. „Vashtu braucht unsere Hilfe, so schnell wie möglich. Packen Sie Ihre Sachen, Doc!"

***

Vashtu fühlte, wie das Leben aus ihrem Körper entwich. Das Atmen fiel ihr immer schwerer, dafür nahmen die Schmerzen immer mehr zu. Sie konnte sich kaum mehr rühren.
Nie würde sie diesen Blick vergessen, mit dem Kolya sich von ihr verabschiedet hatte. Nie würde sie überhaupt irgendetwas vergessen, was sie in den letzten Stunden erlebt hatte.
Babbis bettete ihren Kopf in seinen Schoß und wischte ihr ungeschickt den Schweiß vom Gesicht. „Das wird wieder, hören Sie? Nur nicht aufgeben. Sie haben doch gehört, das Tor wurde aktiviert. Atlantis ist unterwegs hierher."
Aus weiter Ferne hörte sie Schüsse hallen, schloß die Augen.
Sie war so müde!

***

John hörte die einzelnen Statusberichte mit, während er an Carsons Seite in den Bunker eindrang.
Wo, zum Teufel, steckten Vashtu und Babbis? Er konnte nicht glauben, daß Kolya sie bei einer möglichen Flucht mitgeschleppt hatte. Zumindest die Antikerin nicht.
„Halte durch, wir sind unterwegs!" wisperte er.

***

Babbis blickte auf, als er Schritte vor der Tür hörte. Erleichtert atmete er auf, als er einen Mann in der Uniform der Erdstreitkräfte den Raum betreten sah. „Gott sei Dank! Schnell, sie braucht sofort medizinische Behandlung."
Der Marine sah sie beide einen Moment lang groß an, dann machte er Meldung über sein Funkgerät.

***

John zerrte Carson hinter sich her in die Zelle, sobald er wußte, wo die Gesuchten sich befanden.
Er erstarrte, als er die am Boden liegende Gestalt sah.
„Oh mein Gott!" hörte er Carson entsetzt flüstern.
„Sie lebt noch. Bitte, wenn Sie ihr helfen können, dann helfen Sie ihr schnell!" Babbis hob vorsichtig den Kopf mit dem schlohweißen Haar von seinem Schoß, bettete ihn sanft auf seiner zusammengeknüllten Armeejacke und kam auf die Beine.
Ja, an diese Stimme erinnerte John sich.
Carson kniete sich neben die in Embriohaltung am Boden liegende Gestalt, die kaum noch Ähnlichkeit hatte mit der vitalen, jungen Vashtu, die er kannte, und drehte sie auf den Rücken.
John trat näher, als er den Arzt stocken sah. Und unwillkürlich verkrampfte auch er sich kurz, als er jetzt seine Aufmerksamkeit auf das richtete, was ...
Er schluckte mühsam, während Carson nun doch die Arbeit aufnahm. Er hatte Vashtu auf den Rücken gerollt, so gut es ging, untersuchte sie jetzt. Aber ... war das überhaupt noch Vashtu?
John trat näher, die Augen noch immer auf die Gestalt am Boden gerichtet. Dieses Wesen trug die Kleider der Antikerin, es wies die Wunden, respektive die Verbände, auf, die er kannte. Und doch ...
Das war ... Das konnte ... So schnell konnte sie doch unmöglich gealtert sein! Nein, das konnte einfach nicht geschehen! Es konnte nicht, nicht mit ihr.
John brach fast in seine Knie, beugte sich über das Gesicht, konnte seine Augen einfach nicht von der brüchigen Gestalt wenden. Der Brustkorb wirkte eingefallen, der Rippenbogen zeichnete sich deutlich unter dem Stoff des T-Shirts ab, die Kleidung hing lose am Körper und die Haut wirkte ... wie mumifiziert, pergamenten und brüchig.
Wie Norman Bates' Mutter aus Hitchcocks Thriller-Klassiker „Psycho", ging es ihm endlich auf, während er vorsichtig den an einen Totenschädel erinnernden Kopf anhob, ihn nun auf seinen Schoß bettete. Ein tiefer, röchelnder Atemzug löste sich aus der Brust. Wie das vollkommen ausgesaugte Opfer eines Wraith ... wie eine Mumie!
Und trotzdem war da noch immer ... Da war Leben in diesem Leib!
Die pergamentenen, tief in die Höhlen gesunkenen Lider hoben sich etwas, nur ein kleines bißchen. Und aus dem eingefallenen, verschrumpelten Gesicht mit der hakenförmigen Nase, den scharf umrissenen Wangenknochen, den zurückweichenden, spröden Lippen und der, von fast schwarzen Altersflecken gezeichneten Haut sah ihn ein Paar dunkelbraune Augen an. Augen, die immer noch die gleichen waren. Augen, wie er sie nur von einem Wesen kannte: Vashtus Augen!
Und plötzlich war ihr Aussehen, dieses erschreckende Alter, die unmittelbare Nähe des Todes, dessen Schwelle sie vielleicht gerade in diesem Moment überschritt, nicht mehr wichtig. Es war einfach nicht mehr da ...
Vashtu war es, die hier lag und um ihr Leben kämpfte. Und für ihn war sie plötzlich wieder die, die er kannte.
Nur allein der Blick dieser Augen, das Erkennen in ihnen, machte diese mumienhafte Gestalt wieder wett. Sie war schön - für ihn. Und sie würde immer schön sein in seinen Augen.
In ihrem Gesicht zuckte es, während sie ihn noch immer unter halbgeschlossenen Lidern ansah. Und dann lag der Hauch einer kratzigen, mühsamen Stimme über ihr, erreichte ihn: „So ... jung ... ?" Es war, als werde ihr Blick fragend, doch der nächste Atemzug schien wieder der letzte zu sein, sie kämpfte darum. Und es schien, als würde sie den Kampf allmählich verlieren.
John strich ihr liebevoll über die eingefallenen Wangen und lächelte traurig. „Bleib bei mir", wisperte er sanft und zärtlich, gerade als ihre Augen sich schlossen. Er betrachtete sie weiter, sah ihr ins Gesicht, während Carson sich wieder aufrichtete, mit sorgenvoller Miene und einem resignierenden Blick. Er konnte sich einfach nicht von ihr lösen, es gelang ihm nicht.
Dann aber war es, als wispere ihre Stimme in seinem Geist, als bäte sie ihn um einen letzten Dienst, den er ihr nicht verweigern konnte.
John atmete einige Male tief ein, blickte auf und setzte zum Sprechen an: „Dr. Babbis?"
Der sah zu ihm hinunter und kniff die Lippen zusammen. Erkennen trat in seine Augen. Sein Gesicht, nicht gerade ein schöner Anblick im Moment, verhärtete sich.
John zwang sich zu einem Lächeln. „Gut gemacht."

***

Acastus Kolya trat aus dem Wäldchen heraus und sah sich kurz um. Die meisten seiner Männer folgten ihm dicht auf. Rasch huschten sie zum Sternentor und warteten, bis sich ein Wurmloch aufgebaut hatte, dann flohen sie hindurch.
Kolya blieb allein zurück und drehte sich noch einmal um.
Fast hätte sein Plan funktioniert, davon war er überzeugt. Fast hätte er Sheppard und Uruhk erledigen können, nacheinander oder zusammen. Aber statt dessen ...
„Kolya?" meldete sich eine Stimme über sein Funkgerät.
Er runzelte die Stirn und hob seinen Arm, sagte aber nichts.
„Kolya? Wo sind Sie? Kolya?"
Sie war doch so gut wie tot gewesen, er hatte es in ihrem Gesicht gesehen! Er hätte danebenstehen und zusehen können, wie sie verfaulte. Aber jetzt?
Vashtu Uruhks Stimme hatte noch nicht ihre alte Kraft zurückgewonnen, doch er konnte sie durchaus erkennen. Sie lebte!
„Wenn ich noch einmal irgendwo etwas von Ihnen höre, Kolya, werde ich Sie jagen und töten! Haben Sie mich verstanden? Kolya? Ich bringe Sie um, laufen Sie mir noch einmal über den Weg!"
Er zuckte vor diesem Haß zurück.
Allmählich ging ihm auf, was er angerichtet hatte. Statt einen Feind zu beseitigen, hatte er sich einen neuen geschaffen. Noch dazu einen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten.
Er hatte eine Ahnin gegen sich aufgebracht! Eine Ahnin, die vielleicht Dinge gegen ihn einsetzen konnte, von deren Existenz er nicht einmal etwas ahnte - ebensowenig wie er etwas von diesem eigenartigen Gerät geahnt hatte, mit dem er sie hergeholt hatte. Wenn sie jemals erfuhr, wie er hatte herausfinden können, daß sie gerade in der Heimatgalaxie der neuen Atlanter unterwegs gewesen war ...
„Kolya!"
Er trat durch das Wurmloch.

***

Fünf Tage später:

Carson stand schon eine Weile in der Nähe und betrachtete seine unfreiwillige Patientin.
Vashtu lag in einem der schmalen Betten der Krankenstation und las in einem Buch, das ihr irgendjemand gebracht hatte.
Das Schlüsselbein war glücklicherweise nicht gebrochen gewesen, erinnerte der Arzt sich. Dafür aber hatte er mit seiner Einschätzung der Schußwunde am rechten Knie recht gehabt, so daß die Antikerin selbst noch fünf Tage später ans Bett gefesselt war, damit die Kniescheibe, die er operativ zusammengefügt hatte, ausheilen konnte. Ansonsten verheilten ihre Verletzungen allmählich, wenn auch längst nicht so schnell, wie er es in Erinnerung hatte.
Vashtu trug noch immer Zeichen der Alterung. Einige letzte Falten zierten ihr Gesicht um die Mundpartie und die Augen herum, letzte, verblassende Altersflecken waren noch auf der Stirn auszumachen. Die Haut ihres Halses war noch extrem trocken, ebenso wie auch stellenweise auf ihrem Körper. Am schlimmsten sah nach wie vor der linke Arm aus, in den ihr die Impfung verabreicht worden war.
Am interessantesten im Moment war allerdings ihr „Kopfschmuck". Letzte graue Strähnen durchzogen die wild abstehenden Haare an den Schläfen und am Hinterkopf. Das allein wäre vielleicht noch nicht wirklich spektakulär gewesen, es sei denn, wie sehr diese Farbe doch von ihrem normalen Farbton abstach. Was allerdings noch mehr auffiel waren die immer noch weißen Spitzen, die ihr gerade in ihrer Struwwelfrisur ein eigenartiges, beinahe geschecktes Aussehen verlieh. Und Beckett war sich ziemlich sicher, daß sich an diesem Fehlen von jeglicher Farbe auch nichts mehr ändern würde. Entweder irgendjemand erbarmte sich und stutzte dieses auffällige Weiß heraus, oder aber sie würde wohl oder übel damit leben müssen, wollte sie sich die Spitzen nicht färben.
Carson trat nun langsam an das Bett heran und räusperte sich vernehmlich.
Vashtu blickte von ihrem Buch auf und sah ihn einen Moment lang an, ehe sie es zur Seite legte und fragend blinzelte.
„Was gibt es?" fragte sie zögernd.
Carson senkte lächelnd den Kopf, richtete seine Aufmerksamkeit dann auf das Klemmbrett, das er mitgebracht hatte und begann in ihrer Krankenakte zu blättern.
„Die Werte sehen inzwischen ganz gut aus, Vashtu", erklärte er dann, wieder aufsehend. Er las die Erleichterung in ihrem Gesicht. „Allerdings solltest du dich in nächster Zeit etwas schonen. Die erneute Gentherapie ist noch nicht auf dem Stand wie die alte. Zudem habe ich mir erlaubt, sie ein wenig zu verfeinern, damit du gegen weitere Vergiftungen immun wirst."
Vashtu runzelte die Stirn. „Sagtest du nicht ... ?"
Carson hob die Hand, um ihr Einhalt zu gebieten. „Was mir Sorgen bereitet ist dein seelischer Zustand. Du mußt diese Sache verarbeiten. Dr. Heightmeyer ist da mit mir einer Meinung."
Vashtu sah auf die Decke ihres Bettes hinunter. Ihre Hand begann an dem Stoff zu zupfen. „Es geht mir gut", behauptete sie.
„Noch. Du bist bisher nicht wieder durch das Tor getreten. Was aber passiert, wenn du wieder in einen Einsatz ziehst, werden wir erst dann sehen. Dr. Mackenzie auf der Erde hat sich spezialisiert auf traumatische Erfahrungen. Du solltest ihn aufsuchen, wenn du wieder zurück bist."
Vashtu verzog unwillig das Gesicht. „Wir werden sehen", antwortete sie ausweichend. Dann sah sie auf, ihr Blick wurde weich.
Carson schüttelte den Kopf. „Ich kann dir da nicht helfen. Tut mir leid", beantwortete er ihr stumme Frage.
„Aber ..."
Er schüttelte wieder den Kopf, diesmal aber mit einem gütigen Lächeln. „Versuch es zumindest, Vashtu", bat er dann, gerade als sich Schritte näherten und eine hochgewachsene Gestalt an seiner Seite auftauchte.
Dieses Timing war geradezu ... perfekt!
Carsons Lächeln vertiefte sich. „Colonel." Er nickte John Sheppard zu, der sich auf der Bettkante niederließ und ihn etwas ratlos musterte.
Vashtus Augen wurden schmal. „Was willst du noch?" fragte sie mißtrauisch.
Carson sah auf die Akte hinunter, auch wenn dort sicher nicht zu lesen stand, was er beiden noch zu sagen hatte.
John richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Carson?"
Der betrachtete das Paar, sah sie beide aufmerksam an.
Wie mußte es sein, seinen eigenen Gegenpart zu lieben? Er wußte es nicht, er wußte nicht einmal, ob das eine Erfahrung war, die er gern mit ihnen teilen würde. Doch ihm war von Anfang an klar gewesen, daß sie beide zusammengehörten. Und jetzt ...
Er war einer der ersten gewesen, die sie beide damals zusammen erlebt hatten, nachdem die Antikerin aus den Tiefen der Zeit aufgetaucht war, erinnerte er sich. Und er hatte sofort gesehen, was zwischen ihnen vorging. Keiner von ihnen konnte sich wirklich gegen das wehren, was da gewachsen war. Selbst nach mehr als einem Jahr der Trennung war ihr Verhältnis nur noch inniger geworden statt abzukühlen.
Und er hatte jetzt auch noch eine Überraschung für sie.
„Mir fällt da noch etwas ein, was ..." Carson stockte, versteckte sich hinter seinem Klemmbrett und versuchte alles, um das breite und sehr zufriedene Grinsen aus seinem Gesicht zu wischen. „Nun, General Landry und General O'Neill sind sich einig, daß die Kontaktsperre zwischen euch aufgehoben werden sollte. Um bei den Worten Landrys zu bleiben:Es hatte sowieso von Anfang an keinen Zweck."
Jetzt starrten ihn wieder zwei Augenpaare ungläubig an. Dann, er konnte es wirklich sehen, schalteten sie beinahe zeitgleich und die Sehnsucht, die einen Moment lang wieder so deutlich in ihren Gesichtern zu lesen gewesen war, wich einer tiefen Befriedigung und Erleichterung.
Kein Versteckspiel mehr. Keine, auf Umwegen geschmuggelten Briefe zwischen Erde und Atlantis. Wenn er zukünftig noch Briefe transportieren mußte, nun, dann konnte er das offen tun und mußte sich nicht für jeden Besuch ein neues Versteck ausdenken.
„Carson, das warst du!" Vashtu gluckste in sich hinein.
Ein breites Grinsen erschien auf Johns Gesicht. Er nahm die Rechte der Antikerin und drückte sie. Und für Carson sah es wirklich einen Moment lang so aus, als gäbe es nicht zwei Hände, so eng umschlangen die Finger der beiden sich.
Plötzlich wurde er sehr verlegen, räusperte sich wieder. „Ich ... muß noch zu anderen Patienten", entschuldigte er sich, drehte sich abrupt herum und marschierte davon.
Zurück blieben Vashtu und John, der sich jetzt wieder zu ihr umdrehte und sie genau musterte. „Ich habe im Moment wenig Zeit, aber ... Du siehst besser aus", sagte er dann unvermittelt.
Vashtu nickte. „Ich fühle mich auch besser." Ihre Augen strahlten ihn an. Wieder fühlte sie dieses Prickeln in ihrem Inneren, wie schon vor einem Jahr. Das Band bestand immer noch zwischen ihnen. Es war nicht abgerissen, soviel Mühe andere sich auch gegeben haben mochten.
„Ich wollte mich noch bei dir bedanken für dein rasches Handeln. Das hättest du nicht zu tun brauchen."
John verzog das Gesicht. Dann zwinkerte er ihr zu. „Ich hatte auch noch ein Wörtchen mit Kolya zu wechseln."
Ihr Lächeln erlosch. Zögernd hob sie die Hand, ließ sie dann wieder sinken. „Kolya hat es mir erzählt, und Elizabeth dann bestätigt. Ich wußte davon nichts." Ihre Augen verdunkelten sich. „Es muß schlimm für dich gewesen sein."
Sanft drückte er ihre Hand in seiner. „Es ist wieder gut, glaube mir. Was Kolya dir antun wollte ..."
„Es war schlimmer, was er mit dir getan hat! Spiele es nicht herunter, John." Sie senkte den Blick. „Ich war viel zu beschäftigt mit allem möglichen, ich habe nicht so schnell geschaltet. Babbis hat mich wieder auf den rechten Weg gebracht. Sonst wäre ich dort wirklich ..."
„Nicht dran denken, verstanden?" Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Sein Daumen streichelte sacht ihren Handspann.
Sie nickte, sah ihn wieder an. Ein schüchternes Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Es muß wohl mehr sein, wenn du mich noch ansehen kannst, nachdem du mein wahres Alter ..." Sie stockte, als er sich vorbeugte und sie genau musterte.
„Ich sehe nichts als eine hübsche Frau. In meinen Augen bist du immer schön", sagte er sanft.
Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, senkte verlegen den Blick.
„Die neue Frisur steht dir gut."
„Ich hatte eine gewisse Anregung." Sie war froh über diesen Themenwechsel. „Carson muß wohl ziemlich geschockt gewesen sein, als er mich das erste Mal sah."
„Kann ich mir denken. Ich mußte auch zweimal hinsehen. Aber es steht dir."
Ihre freie Hand strich nervös die Decke glatt. Sie wußte nicht, wohin sie sehen sollte. Nur nicht in sein Gesicht. Nur nicht dahin!
Er schien zu bemerken, in welche Verlegenheit er sie brachte, jedenfalls richtete er sich langsam wieder auf, hielt aber immer noch ihre Hand. „Wie seid ihr eigentlich auf den Gedanken gekommen, diese Wundsalbe als Stift zu verwenden?" fragte er.
Jetzt wagte sie doch einen Blick und sah, wie seine Augen spöttisch blitzten. „Babbis sagte mir, er habe das aus irgendeiner Fernsehserie, die er als Kind gern gesehen hat. Es war sein Einfall. Mir hatte er nichts gesagt, nur den Code von mir verlangt."
John nickte. „Klever, der Kleine. Hätte ich nie gedacht."
Vashtu grinste. „Ja, SG-27, das Team, das keiner wollte."
Er sah sie wieder an, dann nickten sie beide im stillen Einklang. „Das beste Team der Milchstraße", sagten sie im Chor und lachten leise.
„Es war harte Arbeit", gestand sie ihm zu wissen, „aber inzwischen denke ich, ich muß nicht immer alles allein machen."
„Und der andere?" John hob die Brauen.
„Wallace?" Sie seufzte. „Seine Stärken haben wir mittlerweile auch entdeckt. Aber ihn von allen Fettnäpfchen der Milchstraße entfernt zu halten ist ein Fulltime-Job. Er hat einfach zwei linke Hände und Füße."
John nickte amüsiert.
Vashtu wurde plötzlich wieder ernst. „Du hast mir gefehlt, John."
In seinen Augen leuchtete es auf, sein Gesicht wurde wieder ernst. Langsam nickte er. „Ich kann dir noch einen ganzen Stapel Briefe mitgeben. Carson dürfte sonst die nächsten Jahrzehnte damit beschäftigt sein, sie dir zu geben."
„Meine Antworten liegen leider auf der Erde."
Er schüttelte den Kopf. „Das ist nicht wichtig, Vashtu. Du bist hier."
„Es würde wahrscheinlich nicht gutgehen", wandte sie ein.
„Wer kann das sagen, ehe es nicht ausprobiert ist?"
„Niemand."
Keiner der beiden bemerkte den hochgewachsenen, schlacksigen jungen Mann, der den Gang hinuntergewandert kam.
Babbis blieb wie angewurzelt stehen, als er den Gast bemerkte, der sich bei seinem Teamleader aufhielt. Und ihm entging auch nicht, wie ihre Blicke immer intensiver wurden. Colonel John Sheppard hielt Vashtu Uruhks Hand wie einen kostbaren Schatz. Beide lächelten und unterhielten sich leise.
Der junge Wissenschaftler fühlte einen leisen Stich der Eifersucht in seiner Herzgegend. Also hatte sie ihn doch angelogen. Es war deutlich zu sehen, wie tief sie füreinader empfanden. Sie verschlangen sich ja fast mit ihren Blicken.
Babbis kniff die Lippen aufeinander und wollte sich abwenden, als er Carson neben sich bemerkte, der, die Arme vor der Brust gekreuzt, schmunzelnd dastand und das Paar ebenfalls beobachtete. Die beiden bemerkten noch immer nichts von ihren heimlichen Zuschauern.
„Halten Sie das für einen guten Weg zur Heilung?" fragte Babbis den Mediziner.
Der sah ihn lächelnd an, ehe er seinen Blick wieder auf das Paar richtete. „Sie mußten schon seit einem Jahr auf diesen Moment warten, Peter. Lassen Sie ihnen das Vergnügen", antwortete er. „Außerdem sollten Sie sich noch schonen. Die Gentherapie kann ein folgenschwerer Eingriff sein."
Babbis verzog das Gesicht und kreuzte die Arme vor der Brust. Wieder sah er zu dem Paar hinüber.
John beugte sich erneut über Vashtu, sah sie forschend an. Sie erwiderte seinen Blick mit einer leisen Frage in ihren Augen.
„Wir sollten das nicht tun", wisperte sie.
Er neigte leicht den Kopf. „Was?"
Sacht hob sie die Hand, strich über seine Wange. „Was wir jetzt gerade tun wollen. Das sollten wir nicht tun." Seine Haut war ein wenig kratzig. Der Bart wuchs wohl schneller als er sein Rasierzeug zur Hand hatte.
Er rückte noch ein kleines Stück näher. „Und was wollen wir jetzt tun?"
Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. Ihre Haut prickelte. „Ich weiß nicht." Ihre Stimme klang rauh.
Er lächelte sanft und ließ ihre Hand los. „Wir werden es nie herausfinden ..." Seine Finger schoben sich zwischen Kissen und ihren Rücken.
„... wenn wir es nicht probieren", ergänzte sie, ließ ihre Hand über seine Schulter streichen, nach hinten zu seinem Nacken.
Seine andere Hand fand ebenfalls den Weg in ihren Rücken. Sanft zog er sie aus dem Kissen, sah sie immer noch an, doch sein Gesicht war plötzlich ernst geworden.
Sie blickte ihn an, wagte nicht, den Mund wieder zu öffnen. Angenehme Schauer durchrieselten ihren Körper. Sie ließ sich von ihm hochhieven, leistete keinen Widerstand. Ihre Hände hatte sie mittlerweile hinter seinem Nacken verschränkt. Sie roch seinen Duft, sah noch immer in seine Augen und fühlte, wie die Welt um sie her immer mehr versank.
Sacht senkte er den Kopf, seine Lippen öffneten sich leicht, und sie fühlte, wie die ihren das gleiche taten. Sie reckte sich ihm entgegen und schloß die Augen. Und dann schien das Universum um sie her in einem Funkenregen zu explodieren, während er sie an sich drückte und küßte. Und dieser Kuß war das Universum, ihrer beider eigene kleine Welt, die nur sie teilten.
Vashtu spürte, wie etwas in ihr reagierte. Etwas, von dem sie geglaubt hatte, es existiere nicht mehr, sei in all den Jahrtausenden langsam aber stetig verkümmert und schließlich ganz eingegangen. Doch jetzt erblühte es wieder, kräftiger und voller als je zuvor. Und noch während sie sich küßten fühlte sie bereits die wieder erwachende Sehnsucht dieses Pflänzchens.
Sie würden wieder getrennt werden, und wer konnte schon sagen, wann und ob sie sich jemals wiedersehen würden?
Nicht daran denken! Nur dieser Moment zählte. Nur dieses Erforschen des anderen, diese Zärtlichkeit, dieses Erleben.
Doch dann trennten ihre Lippen sich. Atemlos sahen sie beide sich an, hielten sich noch immer fest umschlungen. Und in Johns Augen konnte sie das gleiche lesen, was sie empfand. Es war ...
„Vashtu, ich liebe dich", flüsterte er heiser.
Sie lächelte. Ja, das war es. „Ich liebe dich auch, John."
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