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Das Monster von Hyndara71

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Mac saß an seinem Schreibtisch und las einen Computerausdruck, als Stella den Raum betrat. Ungläubig sah sie ihn einen Moment lang deutlich stutzend an, dann verfinsterte ihr Gesicht sich.
„Jetzt sag mir nicht, du warst die ganze Nacht hier", begrüßte sie ihn im vorwurfsvollen Tonfall.
Mac blickte auf, lächelte halb mit müden Augen. Dann schien ihm aufzugehen, was sie gerade gesagt hatte. Ächzend drückte er den Rücken durch und sah sich kurz um. „Ist es etwa schon Morgen?" erkundigte er sich leicht verwirrt.
Eigentlich hatte er nur kurz noch in den Labors vorbeisehen wollen, um die Kleidung, die dieser Major Sheppard getragen hatte, ordnungsgemäß zur Untersuchung zu hinterlegen. Dann aber war gerade die Akte des Luftwaffenoffiziers per Mail von NORAD gekommen, so daß er sich denn doch befleißigt fühlte, sie sich einmal anzusehen.
Stella seufzte schwer und trat näher. „Was ist denn so interessant, daß du wieder mal vergißt, daß du ein Zuhause hast?" fragte sie und lehnte sich über den Schreibtisch.
Mac sah stirnrunzelnd auf die Akte hinunter, die er die halbe Nacht immer und immer wieder studiert hatte. „Die Akte dieses Major John Sheppard", antwortete er dann endlich.
Stella richtete sich wieder auf und trat um den Schreibtisch herum, um sich mit einer Hand auf die Fläche zu stützen und sich vorzubeugen, um sich das ganze selbst anzusehen. „Und was ist daran so interessant?" wiederholte sie ihre Frage.
Mac lächelte halb. „Die Tatsache, daß unser Major eigentlich fast ein Colonel gewesen ist beispielsweise. Zumindest ein Lieutenant Colonel", antwortete er.
„Ach!" Stellas Interesse war erwacht. „Und warum wurde er nicht befördert?"
Mac zog eine Grimasse. „Insubordination. Durch die Zurücksetzung der Beförderung und seiner Verlegung nach McMurdo ist er dem Kriegsgericht so gerade eben noch entkommen", erklärte er. „Und da wird es nun wirklich interessant: McMurdo gehört zu den Basen, die es in jeder Waffengattung gibt - die Sackgassen. Wer dort landet, der hat sich nicht nur eine Kleinigkeit geleistet, und der kommt dort üblicherweise nicht mehr weg. Es sei denn, man heißt Major John Sheppard. Der ist, nach nur einigen Monaten in McMurdo, plötzlich in die Geheimbasis Cheyenne-Mountain versetzt worden. Seit diesem Zeitpunkt gilt für seine Akte präsendiale Sicherheitsstufe."
Stella bekam große Augen. „WAS?"
Mac nickte. „Unser guter Major hat es sich in Afghanistan gründlich verscherzt mit seinem Vorgesetzten. So gründlich, daß er auf einem Abstellgleis landete. Aber irgendjemand hat ihn dann wieder zurückgeholt und sogar zu einem hochgradigen Geheimnisträger gemacht."
Als er hochblickte sah er, wie sich ihre Stirn sorgenvoll runzelte und grinste dieses Mal wirklich amüsiert.
„Das könnte auch schlecht für uns aussehen, Mac. Ich hoffe, du weißt das", warnte sie.
Mac kniff kurz die Lippen zusammen, sah wieder auf die Akte hinunter. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich denke nicht, daß er verdächtig ist. Sein Leben ist es, er aber nicht."
Stella war überrascht. „Das sagst ausgerechnet du? Sonst sollen wir doch immer den Beweisen folgen."
Mac nickte nachdenklich.
Das stimmte. Er predigte das seinen Leuten oft genug. Wenn sie die Beweise richtig lesen würden, mußten sie auf den Täter stoßen, so einfach war das. Oder vielleicht doch nicht? Er war sich nicht ganz sicher.
Es kam selten vor, aber bisher hatte sein Gefühl ihn noch nie im Stich gelassen. Sheppard hatte heute nacht ehrlich auf ihn gewirkt, ihm bereitwillig Rede und Antwort gestanden, sofern es in seinem Vermögen lag. Er konnte nicht glauben, daß er sich dermaßen irrte. Dieser Militär war da in etwas hineingeschliddert, davon war er überzeugt.
„Ich kann nur hoffen, daß du dich nicht irrst, Mac." Der Blick, mit dem Stella ihn bedachte, war sorgenvoll. „Du weißt, was es gerade für die Aufstockung unserer Mannschaft bedeuten könnte, läßt du jetzt einen potenziell Verdächtigen laufen und seine Schuld stellt sich heraus."
„Das ist mir klar." Mac nickte nachdenklich, zog eine Grimasse. „Dennoch vertraue ich auf mein Gefühl. Dieser Sheppard ist nicht der Täter, dafür war er zu hilflos und offen mir gegenüber. Er würde uns gern helfen, kann es aber im Moment nicht."
Stella sah ihn nur mit gerunzelter Stirn an, sagt jetzt aber nichts mehr.

***

Als sich die Tür zu seinem Krankenzimmer öffnete, blickte John unwillkürlich auf. Einen Moment lang blinzelte er schüchtern unter seinem Pony hervor, dann huschte kurz ein Lächeln über sein Gesicht, während er sich aufsetzte und die Decke über seine nackten Beine schlug.
Dr. Elizabeth Weir und Dr. Rodney McKay betraten den Raum. Der Kanadier mit einer ... Plastiktüte in der Hand?
John hob die Brauen, äußerte sich aber nicht dazu. „Guten Morgen", begrüßte er statt dessen die beiden Mitglieder der Atlantis-Expedition.
Elizabeth trat näher, sah ihn forschend und besorgt an. „Wie geht es Ihnen, John?" fragte sie.
Er beobachtete sie genau, als sie herankam, ließ aber auch McKay nicht wirklich aus den Augen. Zögernd nickte er. Die Kopfschmerzen waren bis auf ein erträgliches Maß abgesunken. „Danke, ganz gut." Er setzte ein schiefes Lächeln auf und hob den Kopf. „Tut mir leid, ich hätte mich melden sollen, aber ..."
Elizabeth hob die Hand und winkte ab. „Das ist vollkommen in Ordnung. Ich habe mit General Landry gesprochen. Der hatte mir mitgeteilt, daß Sie sich hier befinden."
John nickte, preßte aber trotzdem kurz die Lippen aufeinander.
Ein deutliches Zeichen, daß er sich letzte Nacht nicht wirklich im Griff gehabt hatte. Er hätte die anderen informieren sollen darüber, was geschehen war. Es hatte in seiner Verantwortung gelegen - und wieder hatte er versagt!
John senkte den Blick und starrte einen Moment blicklos vor sich hin, während es in seinem Inneren rumorte und er eine weitere Schlacht mit seinem schlechten Gewissen ausfocht.
Er hatte immerhin unter Medikamenten gestanden, beruhigte er sich. Er war ja schon bei dem Anruf ins SGC nicht mehr wirklich ansprechbar gewesen. Ein Wunder, daß Landry überhaupt verstanden hatte, was er von ihm wollte.
„Was soll eigentlich diese ... diese Zitrone in Ihrem Koffer, Major? Etwas unhygienisch, oder?" ließ McKay sich in diesem Moment vernehmen.
Zitrone?
Er blickte verwirrt auf. Na toll, sollte etwa ausgerechnet Rodney ... Was machte Rodney mit seinem Koffer?
„Ein alter Haushaltstrick." John grinste breit. „Damit die Wäsche zitronenfrisch duftet." Er stutzte und runzelte die Stirn, als er noch dazusetzte: „Und warum wühlen Sie in meinen Sachen?"
„Einer muß Ihnen ja schließlich zivilisierte Kleidung bringen, wenn Sie die Ihre dem CSI spenden müssen", erklärte McKay süffisant und hielt ihm auffordernd die Tüte hin.
John schnappte sie sich und sah scheel zu dem Wissenschaftler hoch. „Sie haben doch wohl hoffentlich zumindest etwas Geschmack bei der Auswahl meiner Kleidung bewiesen, oder?"
Rodney hob das Kinn. „Wo denken Sie denn hin? Ich fand das rosafarbene Hemd und die hellgrüne Krawatte durchaus passend."
John musterte McKay noch einen Moment lang. Nein, er würde jetzt nicht in die Tüte sehen, auch wenn Rodney ganz offensichtlich damit rechnete, nach dem breiten Grinsen zu schließen, das er zur Schau trug. Aber noch war das letzte Wort nicht gesprochen ...
Rodney richtete seine Interesse dem Tablett mit dem Frühstück zu, daß John kaum angerührt hatte. „Ich schätze allerdings, diese Zitrone wird nicht allzuviel bringen, was den Frischeduft betrifft", sagte er dabei, hob die Hand und hob den Deckel von dem Teller mit den Sandwiches. „Sie ist nicht echt."
John nickte, mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen. „Sie war ja eigentlich auch als Geburtstagsgeschenk für Sie gedacht, Rodney", antwortete er wie auf eine Frage und wartete, bis der Wissenschaftler ihm wieder sein Interesse zuwandte. „Sie ist nämlich gefüllt - mit Schokoladendrops."
McKays Augen wurden groß. „Schokoladendops?" Es war ihm förmlich anzusehen, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
John blieb bei seinem strahlenden Lächeln. „Gefüllte Schokoladendrops", setzte er hinzu.
Ein unirdisches Licht trat in Rodneys Augen.
Elizabeth beobachtete die beiden sehr aufmerksam. Wohin würde dieser Schlagabtausch wohl führen?
„Gefüllt mit einer Creme mit Lemon..." John schloß den Mund und neigte den Kopf zur Seite.
Rodneys verklärtes Lächeln fiel in sich zusammen. Einen Moment lang japste er wirklich nach Luft, dann stemmte er die Hände in die Hüften und funkelte den Militär, der immer noch grinste, wütend an. „Sie wagen es ... ?"
„...gras", beendete Sheppard beinahe überfreundlich den Satz.
Rodney schloß abrupt den Mund.
„Ich habe mich erkundigt: Lemongras dürfen Sie essen." John hob einen Finger.
Elizabeth räusperte sich.
Ging das jetzt schon wieder los? Warum fanden die beiden nur so großes Vergnügen daran, sich gegenseitig zu necken und Wortgefechte auszutragen?
Andererseits ... vielleicht war es gerade das, was der Major nach dem ganzen Ärger der letzten Zeit gebrauchen konnte - dieses Foppen und Aufziehen. Der Humor, den er mit McKay teilte.
„Ich sage es nicht gern", mischte sie sich jetzt ein, „aber Mr. Woolsey erwartet uns in einer halben Stunde."
John blickte auf und sah sie einen Moment lang groß an, wollte die Decke zurückschlagen, zögerte dann aber. „Dürfte ich ... ?" Wieder war er etwas verlegen, und Elizabeth konnte es ihm nicht verdenken. Was jetzt kommen dürfte, dürfte der reinste Spießrutenlauf für ihren militärischen Leiter sein - und sie würde sicher nicht wegsehen, auch wenn sie ...
„Natürlich. Carson redet gerade mit Ihrem behandelnden Arzt. Sie sollten doch heute Ihre Aussage vorm IOA machen, falls Sie sich daran erinnern."
Sheppard grinste wieder schief. „Ich erinnere mich an vielleicht eine Viertelstunde nicht", gab er zu bedenken. „Der Rest ist noch durchaus lebendig in mir." Er runzelte die Stirn, sah sie dann wieder an. „Könnten Sie sich ... ? Ich meine ..." Er hob schüchtern die Hand und ließ verschämt seinen Zeigefinger kreisen als Zeichen dafür, daß sie sich umdrehen sollte.
Einen Moment lang war Elizabeth wirklich versucht, etwas vollkommen anderes zu tun, doch dann nickte sie und drehte sich gehorsam, wie befohlen.
„Jetzt stellen Sie sich aber an!" bemerkte Rodney kauend. Offensichtlich hatte er sich inzwischen doch eines der Sandwiches geschnappt.
Hinter ihrem Rücken raschelte die Decke, dann hörte sie das leise „Tapp, Tapp" nackter Füße auf dem Linoleumboden. Und da wagte sie einen kurzen Blick über die Schulter.
John hielt sich die beiden losen Enden seines Krankenhaushemdes hinter dem Rücken zusammen und eilte so schnell wie möglich, in der anderen Hand die Tüte, zu der Naßzelle hinüber, die an sein Zimmer angeschlossen war.
Aber was zwischen den losen Hälften des Kittels durchblitzte ... hatte durchaus einen gewissen Reiz, wie Elizabeth fand. Sheppards Rücken war sehnig, das Rückgrad zeichnete sich unter der Haut ab, allerdings nicht zu deutlich. Noch immer trug er zumindest eine Boxershorts, so daß sie keine wirklichen Rückschlüsse auf eine bestimmte Partie seines Körpers ziehen konnte.
„Kirk ist etwas schüchtern heute, oder wie?" feixte Rodney und grinste wieder breit.
„Ich bin ein Offizier und Gentleman, Rodney", hielt Sheppard dagegen, nachdem er blitzschnell hinter der Tür verschwunden war.
Elizabeths Mundwinkel zuckte, doch noch beherrschte sie sich, zog nur die Brauen etwas hoch. Na, wenn das kein ...
„Schüchtern bis in die Haarspitzen ..." Rodney biß voller Genuß in das labberige Weißbrot hinein. Ein zerstückeltes Salatblatt segelte zu Boden.
„Rodney!" Tadelnd sah Elizabeth zu ihrem Chef-Wissenschaftler hinüber, erntete einen entrüsteten Blick.
„Man kann doch das gute Essen nicht verkommen lassen!" begehrte der Kanadier auf.
Elizabeth seufzte. Warum hatte sie nur immer wieder das Gefühl, es mit zu groß geratenen Kindern zu tun zu haben - gerade bei diesen beiden?
Rodney kontrollierte den Zustand der anderen Teller, befand sie offensichtlich als zufriedenstellend, nach dem Grad zu schließen, wie weit seine Lippen sich von den Zähnen zurückschoben zu einem zufriedenen Grinsen.
„Sie können dem Major doch nicht alles wegessen", fuhr Elizabeth fort.
Rodney mampfte das nächste Sandwich. „Wino? Er mollte doch nicht mehr", bemerkte er mit vollen Backen.
Elizabeth wandte sich kopfschüttelnd wieder ab und sah, daß Sheppard seinen Kopf aus der Naßzelle gesteckt hatte und den Kanadier spöttisch musterte.
„Carson wird Sie wohl noch kurz untersuchen wollen, ehe wir zum UN-Gebäude aufbrechen, Major", wandte Elizabeth sich wieder an den Militär.
„Kein Problem!" meldete John sich und schloß die Tür.
„Für ihn ist nichts ein Problem, wissen Sie doch", mampfte McKay zwischen zwei Bissen. „Hauptsache, er konnte wieder seine Sheppard-Sache durchziehen!"
„Ich höre Sie, Rodney." Johns Stimme klang sehr zufrieden.
Ehe McKay zu einer Antwort ausholen konnte, geschahen zwei Dinge: Eine Duschbrause wurde in der Naßzelle aufgedreht, man hörte deutlich das Rauschen des Wassers, und die Tür öffnete sich, um einem nachdenklichen Carson Beckett das Krankenzimmer betreten zu lassen.
Elizabeth seufzte erleichtert. Diese verbalen Schlagabtausche zwischen ihren Chef-Wissenschaftler und dem bisherigen militärischen Leiter ließen sie immer wieder an ihren eigenen Führungsqualitäten zweifeln. Viel zu oft hatte sie inzwischen das Gefühl, plötzlich von den beiden schlichtweg aus ihrer eigenen Verantwortlichkeit entlassen und in einer Ecke abgesetzt zu werden.
„Carson, was sagt der Arzt?" erkundigte sie sich.
Rodney war inzwischen zu einem unansehnlichen Brei übergegangen, den auch sie nie im Leben hinunterbekommen hätte, wie sie aus den Augenwinkeln feststellte. Doch der Wissenschaftler schien hellauf begeistert und schaufelte sich die an Tapetenkleister erinnernde Masse mit einem verzückten Gesichtsausdruck in den Mund.
Carson zog die Akte unter seinem Arm hervor, nachdem er sich einmal im Zimmer umgesehen hatte, öffnete sie und überflog sie scheinbar. Dabei war Elizabeth sich ziemlich sicher, er hätte ihr auch ohne Hineinzusehen sagen können, was dem Major fehlte.
„Die Nacht verlief ohne Komplikationen", begann der Schotte schließlich. „Was darauf hindeutet, daß es, wenn überhaupt, nur ein sehr leichtes Trauma sein dürfte, durch den Aufprall auf einen Baumstamm verursacht. Die Wunden sind, laut Akte, fast alle oberflächlich und werden schnell abheilen. Mit den Hämatomen dürfte der Major noch einige Zeit Spaß haben. Alles in allem, so versicherte mir Dr. Holmes, hat jemand wieder einmal ziemliches Glück gehabt. Wo ist unser Sorgenkind denn?"
Elizabeth lächelte und nickte zur Naßzelle. Das Wasser lief noch.
„Baumstamm?" Rodney hatte mit dem Essen innegehalten und sah Carson groß an. „Soll das heißen, Major Sheppard ist gegen einen Baum im Central Park gerannt?"
Carson war einen Moment lang noch in die schmale Akte vertieft, runzelte dann aber die Stirn. „Nur, wenn dieser Baum ein Messer dabei hatte und zwei Hände besaß, um den Major zu würgen ... "
Rodney verzog unwillig das Gesicht.
„Dr. Holmes sagte mir, daß Major Sheppard bereits mit einem der zuständigen Ermittler gesprochen hätte. Er ist zwar wohl nicht verdächtig, wie denn auch?, soll sich aber dennoch zur Verfügung halten", fuhr Carson jetzt wieder an sie gewandt fort.
Die Dusche verstummte.
Elizabeth nickte. „Und der Gedächtnisverlust? Der Major sprach das gerade selbst an."
Carson winkte ab. „Partiell und nicht schwer. Eher ein Glück für ihn, wie mein Kollege hier sich anhörte. Sollte noch etwas nachkommen, können wir uns noch immer überlegen, wie wir dagegen vorgehen können."
„Oh, und wie? Voodoo?" fragte Rodney, der sich gerade eine Tasse Kaffee eingoß.
Carson sah kurz wieder zu ihm hinüber. „Hypnose, mein Junge", entgegnete er. „Aber zu diesem Mittel sollten wir erst greifen, wenn wir bemerken, daß die Amnesie nicht nachläßt und diese Lücke den Major belastet."
Elizabeth nickte und beobachtete, wie der Schotte seinen Rucksack von den Schultern nahm, um die Akte darin zu verstauen und wohl seine eigenen Instrumente hervorzukramen.
Die Tür zur Naßzelle öffnete sich, gerade als Carson sein Stetoskop hervorgeholt hatte. John trat, frisch geduscht und mit noch feuchten Haaren, heraus, stutzte, als er Beckett sah. In seiner Rechten trug er die zusammengeknüllte Plastiktüte mit seiner getragenen Boxershorts, bei der er einen länglichen Blutfleck bemerkt hatte, als er sich ihrer entledigte. Da hatte das CSI wohl etwas übersehen ...
Andererseits, da seine restliche Kleidung und seine Schuhe konfisziert worden waren, dürfte es auch mehr als genug Blutspuren an ihm gegeben haben, wenn er da nur an die Brühe dachte, die gerade im Ausguß verschwunden war ...
John erschauderte unwillkürlich wieder. In seinem Kopf begann die fragende Stimme erneut auf ihn einzuprügeln. Warum hatte er nicht helfen können? Wieso mußte diese arme Frau sterben? Was war überhaupt geschehen? Wieso war er dermaßen zugerichtet worden?
Carson blickte auf. Ein freundliches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Ah, da sind Sie ja, Sohn. Kommen Sie doch einmal her."
John erwiderte das Lächeln kurz, zögerte aber. Er war doch heute nacht erst auf den Kopf gestellt worden. Warum jetzt schon wieder?
Dann aber nickte er und trat näher, ließ sich auf das Bett sinken und öffnete das weiße Freizeithemd, das in der Plastiktüte auf ihn gewartet hatte, ebenso wie eine frische Boxershorts, Socken, eine Jeans und seine Armeestiefel. Die Sportschuhe waren ja beschlagnahmt worden und er hatte nur diese zwei Paar mitgenommen zur Erde. Da würde er sich später wohl noch neue Schuhe besorgen müssen ...
Carson tastete vorsichtig seinen Hals ab, der immer noch gerötet war. Doch die vormals deutlichen Abdrücke von zwei Händen waren zu einer einzigen großen Verfärbung verschmolzen.
John ließ die Untersuchung widerstandslos über sich ergehen, auch wenn es ihm körperlich wieder gut ging. Andere Dinge nagten an ihm, Dinge, die viel tiefer saßen und ihn zerfleischen wollten, würde er es zulassen, daß sie endgültig Macht über ihn gewannen.
Carson schien, als er mit seiner Untersuchung fertig war, halbwegs zufrieden gestellt zu sein. Sinnend nickte er, während er noch einmal in Johns Augen leuchtete. Dann richtete er sich auf und begann seine Instrumente wieder in seinen Rucksack zu räumen.
John beobachtete ihn dabei, schloß blind die Knöpfe und wartete auf das Urteil, das hoffentlich zu seinen Gunsten ausfallen würde.
„Und?" ließ Elizabeth sich vernehmen.
Selbst Rodney unterbrach seine offensichtliche Orgie eines seltenen Genußes.
Carson nickte wieder sinnend, wandte sich dann an John: „Wenn überhaupt, dürfte es eine äußerst schwache Gehirnerschütterung sein, die Sie sich eingehandelt haben", erklärte er. „Die Wunden im Gesicht, am Hals und den Armen sind größtenteils, wie man Ihnen ja auch schon mitgeteilt hat, oberflächlich. Mit der Schnittwunde in der Handfläche ist nicht zu scherzen. Ich hätte sie vielleicht genäht, aber es wird auch so verheilen."
John zog unwillkürlich eine Grimasse und senkte den Blick auf seine verbundene linke Hand.
Warum eine Abwehrverletzung auf der falschen Seite? Er war Rechtshänder, nicht Linkshänder?
„Alles in allem aber wirklich nichts, was mich dazu veranlassen würde, Sie weiter hier zu lassen, mein Sohn", fuhr Carson mit einem Lächeln fort.
John atmete erleichtert auf.
Carson klopfte ihm auf die Schulter. „Dann sollten wir jetzt allmählich gehen. Und Sie werden sich die nächsten Tage schonen, Major. Keine Ausflüge in den Central Park mehr."
Aber ... sein Lauftraining! John hatte sich im letzten Jahr so daran gewöhnt, daß er sich wirklich schon Knochen brechen mußte, um nicht seine tägliche Runde zu absolvieren, selbst hier auf der Erde. Er war bisher jeden Abend im Central Park gelaufen.
Carsons Blick blieb an der Plastiktüte mit der getragenen Boxershorts hängen. „Soll ich die einpacken?" erkundigte er sich.
John nickte erleichtert. So mußte er sich zumindest nicht offen mit seiner Dreckwäsche beschäftigen.
Statt dessen richtete er sich wieder auf, trat an Rodneys Seite und schnappte dem die Kaffeetasse aus der Hand, um sie mit einem Schluck zu leeren. Plötzlich hatte er Durst.
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