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Collateral Damage von Nefertit

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Vorwort

Ich habe teilweise Szenen aus der Episode übernommen, weil es nicht anders ging, ich habe allerdings versucht das selten zu tun und diese Szenen auch kurz zu halten. In diesen Szenen habe ich die deutschen Dialoge, wie sie zu hören waren übernommen, auch wenn diese teilweise nicht ganz korrekt übersetzt sind.
Ich danke meinen beiden Betas: meiner Freundin Karina und meiner Schwester Steffi für die unermüdliche Hilfe!!!!


Alle Charaktere und sämtliche Rechte an SG-1 gehören MGM/UA, World Gekko Corp. und Double Secret Production. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um damit Geld zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.
Major Evan Lorne öffnete langsam die Augen. Ein Ächzen kam über seine Lippen, als das Licht der nackten Glühbirne an der Decke über ihm in die Augen stach, und wandte den Kopf ein wenig zur Seite. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er auf dem nackten, kalten Boden lag. Sein Mund war trocken, sein Kopf hämmerte und dröhnte, als hätte er tagelang durchgefeiert, und in seinem Magen machte sich eine unangenehme Übelkeit breit.

Nur langsam erinnerte er sich, was geschehen war. Sie waren auf 177 gewesen, als Begleitschutz für Dr. Lindsay, die der einheimischen Bevölkerung regelmäßig Besuche abstattete. Die junge Wissenschaftlerin hatte sich selbst zur Entwicklungshelferin für dieses Volk gemacht, hatte ihnen effektivere Methoden für Ackerbau und Fischerei beigebracht.

Ein Einheimischer hatte sie zu sich ins Haus eingeladen, auf einen Becher Tee. Er selbst hatte ein ungutes Gefühl gehabt bei dieser Sache, doch Dr. L. hatte ihm versichert, dass dies ein ganz normales Begrüßungsritual sei bei diesem Volk, eine Geste der Gastfreundschaft, die man nicht ausschlagen durfte, wenn man die Leute nicht beleidigen wollte, und außerdem habe sie dies schon dutzende von Malen gemacht.

Er hatte dem Urteil der Wissenschaftlerin vertraut, hatte seine eigenen Zweifel ignoriert und hatte seinen Männern gesagt, dass es okay sei. Sie waren in das Haus gegangen und hatten einen Tee aus einheimischen Kräutern serviert bekommen. Ein erstaunlich wohlschmeckendes Gebräu, hatte er noch gedacht und war selbst erstaunt gewesen, da sein Lebenselixier doch sonst eigentlich Kaffee war.

Die Gastfreundschaft der Leute auf 177 hatte ihn sich entspannen lassen. Er hatte seine Waffe weg gelegt – ein unverzeihlicher Fehler. Zwar hatte sie die ganze Zeit vor seinen eigenen Füßen gelegen, griffbereit, aber vielleicht war es diese eine Sekunde gewesen, die er dadurch länger gebraucht hatte, um sich zu verteidigen, die sie nun in diese Situation gebracht hatte.

Schließlich hatte die Frau – Lindsay hatte sie Deera genannte – die Wissenschaftlerin gebeten, kurz mit ihr zu kommen, sie wolle unter vier Augen mit ihr sprechen.

„Hey, Doc, ich denke, sie sollten hier bleiben, wo ich sie sehen kann“, hatte er sie noch ermahnt, doch Lindsay hatte seine Sorge mit einer Handbewegung abgetan, ihm versichert, dass man den Leuten auf diesem Planeten vertrauen könne, und war Deera gefolgt.

Nur Augenblicke später war der Angriff gekommen. Kaufman war sofort zu Boden gegangen. Er hatte direkt in der Schusslinie des Stunners gesessen, und der Schuss war von hinten gekommen. Lorne selbst und Rodriguez hatten sich die Angreifer noch eine Weile vom Hals halten können, lange genug, dass er Dr. Lindsay über Funk hatte anweisen können, zum Gate zu gehen und Hilfe zu holen.

Einen Moment darauf war auch Rodriguez neben ihm zusammengebrochen, getroffen von einem Stunner. Er selbst hatte noch Deckung gefunden hinter dem Esstisch seiner Gastgeber, den er umgekippt hatte, doch die Angreifer hatten ihn bereits umzingelt.

Der Schuss des Stunners hatte ihn im Rücken getroffen. Sein Körper hatte ihm augenblicklich nicht mehr gehorcht, er hatte noch gespürt, wie er zu Boden ging, dann hatte er das Bewusstsein verloren.

Er erinnerte sich verschwommen daran, zwischendurch einmal kurz zu sich gekommen zu sein, sein Körper bewegungsunfähig, seine Sicht völlig verschwommen. Er hatte Stimmen gehört wie aus weiter Ferne, Stimmen von denen er gewusst hatte, dass sie ihm bekannt vorkommen sollten, doch er hatte sie nicht zuordnen können.

Dann hatte er den eigenartigen Geruch bemerkt, der einen Moment zuvor noch nicht da gewesen war – oder war er ihm nur nicht aufgefallen? ‚Gas’, hatte er noch gedacht, dann war wieder alles in Schwärze versunken. Und nun fand er sich auf einmal hier wieder.

Mühsam richtete Evan sich auf. Seine Glieder fühlten sich immer noch schwer an und wollten ihm nicht richtig gehorchen, aber es widerstrebte ihm, hilflos auf dem Boden zu liegen.

Der dumpf pochende Schmerz in seinem Kopf schwoll plötzlich an, als er sich aufrichtete, und sein Magen protestierte empört gegen die plötzliche Bewegung. Unwillkürlich stöhnte er auf. Ein paar Sekunden hielt Evan mit geschlossenen Augen inne, nicht sicher, ob er sich zuerst übergeben musste, oder ob vorher sein Kopf explodieren würde. Doch langsam ließ die Übelkeit nach, und auch die Kopfschmerzen schrumpften wieder auf ein erträgliches Maß.

„Die Übelkeit verschwindet bald. Die Kopfschmerzen sind hartnäckiger, aber auch sie werden vergehen“, sagte plötzlich eine Stimme.

Lorne öffnete die Augen und blickte in das Gesicht eines Fremden, der vor ihm auf einer Pritsche saß und seinerseits ihn ansah. Lorne sah sich um und stellte fest, dass er in einer Art Zelle saß, einem vielleicht vier mal vier Meter großen Verschlag aus kleinmaschigen Gittern, in einem bis auf die Glühbirne dunklen Raum, der so groß war, dass das Licht die Wände und Ecken nur in einer Richtung erreichte. Ein schmutziges Fenster ließ an dieser Wand nur einen schwachen Lichtschein hindurch.

Kaufman und Rodriguez lagen neben ihm am Boden und schienen ebenfalls bewusstlos zu sein. Man hatte ihnen ihre Uniformen weggenommen und ihnen ein wenig seltsam aussehende zivile Kleidung angezogen. Als Lorne an sich herunter blickte, stellte er fest, dass auch er selbst in solchen Kleidern steckte. Er rappelte sich auf und prüfte Kaufmans und Rodriguez’ Puls, wobei er erleichtert feststellte, dass die beiden noch am Leben waren.

„Sie werden auch bald zu sich kommen“, ließ der Fremde sich nun vernehmen und lenkte damit wieder Lornes Aufmerksamkeit auf sich selbst. „Das Gas wird nicht mehr lange wirken.“

„Das Gas?“, wiederholte Evan. Der Fremde nickte bestätigend.

„Die Kopfschmerzen und die Übelkeit – das kommt von dem Betäubungsgas, dem die Genii euch ausgesetzt haben. Mir ging es ebenso.“

„Die Genii?“, echote Lorne und wurde sich im selben Moment bewusst, dass es nicht sonderlich intelligent wirkte, alles zu wiederholen, was sein Gegenüber sagte. „Die Genii stecken hinter all dem?“

Der Fremde nickte erneut.

„Sie haben uns gefangen genommen, weil wir etwas haben, das sie brauchen. Irgendetwas, das sie ein Gen nannten“, erklärte der Fremde, der offenbar nicht wusste, worum es sich dabei handelte.

„Das Antikergen“, sagte Evan – mehr zu sich selbst als zu dem Anderen, doch der nickte bestätigend.

„So nannten sie es. Wissen sie, was das ist? Denn ich habe nichts in meinem Besitz, das so genannt wird“, antwortete der Fremde und zuckte ratlos mit den Schultern.

„Das ist ...“ setzte Evan an, überlegte es sich dann doch wieder anders. Er war kein Wissenschaftler und konnte solche Dinge – wenn überhaupt – nur sehr unzureichend erklären. „... kompliziert“, vollendete er den Satz stattdessen. Einen Moment wünschte er sich, McKay wäre hier, der das alles sicher sehr gut erklären konnte, doch dann verwarf er diesen Gedanken schnell wieder. McKays Jammern über die Kopfschmerzen und die Übelkeit, und sein Lamentieren über die ganze unerträgliche Situation war das letzte, was er jetzt hören wollte.

Neben ihm regte sich plötzlich Kaufman, und er reichte dem Captain eine Hand, um ihm aufzuhelfen. Kaufman würgte kurz, als offensichtlich auch ihn die Übelkeit beinahe überwältigte.

„Was ist passiert?“ fragte er schließlich, an Lorne gewandt. „Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ihn jemand als Punching-Ball benutzt!“

„Die Genii haben uns betäubt und gefangen genommen, weil wir das Gen haben“, gab Lorne seinem Stellvertreter die Kurzversion dessen, was er eben selbst erfahren hatte.

„Die Genii?“, Kaufmans Reaktion fiel genauso aus wie seine eigene.

„Ja“, erwiderte Lorne, während er sich vom Boden hochkämpfte und zu Rodriguez hinüber ging, um zu sehen, warum dieser noch nicht aufgewacht war. Dabei mutmaßte er: „Ich vermute, sie wollen uns gegen irgendetwas eintauschen – vermutlich C4 - weil sie wissen, wie wichtig wir als Träger des Gens für die Expedition sind.“

Er beugte sich zu Rodriguez hinunter und klopfte ihm mit der Hand ein paar Mal leicht auf die Wange.

„Hey! Rodriguez! Aufwachen! Na los, kommen Sie schon!“ forderte er ihn im Befehlston auf, woraufhin Rodriguez mit einem Ächzen zu sich kam und die Augen aufschlug.

„Major – was zum Teufel ...“ Rodriguez richtete sich auf, wobei er sich den schmerzenden Kopf hielt, und blickte sich um.

„Die Genii haben uns gefangen genommen“, erklärte Lorne ein weiteres Mal und ließ sich frustriert auf die zweite Pritsche in der Zelle an der Wand gegenüber des Fremden fallen. Sein Kopf schmerzte noch immer höllisch, aber wenigstens war die Übelkeit endlich weg.

„Hurensöhne“, fluchte Rodriguez inbrünstig und sprach seinem Vorgesetzten damit aus der Seele.
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In Atlantis saß Elizabeth Weir an ihrem Schreibtisch und starrte auf die drei Personalakten vor ihr. Es waren die Personalakten der drei Männer, die sie verloren hatten. Sie hatte die Schriftstücke herausgeholt, nachdem sie die Nachricht erhalten hatte.

„Elizabeth - wir haben drei Männer verloren.“

Als Johns Meldung über Funk die Stadt erreicht hatte, hatte sie gleich ein weiteres Team durch das Tor geschickt, um die Körper zu bergen. Die Männer hatten eilig ihre Ausrüstung geholt und waren dann ebenfalls durch das Gate gegangen.

Wir haben drei Männer verloren.

Sie kannte jeden der drei Männer, die am Morgen auf diese Mission gegangen waren, und nun nie mehr zurückkehren würden. Als sie nach Atlantis gegangen war, hatte sie sich vorgenommen, jedes Mitglied dieser Expedition zu kennen, hatte Tage und Nächte damit zugebracht, Namen zu Fotos auswendig zu lernen und die Lebensläufe zu studieren. Sie war immer bemüht, jeden mit Namen zu kennen, den Hintergrund und die Eigenheiten eines jeden, sofern das möglich war, deswegen hatte sie auch augenblicklich gewusst, wer die drei waren.

Kaufman kam aus Kentucky, hatte fünf Geschwister, war auf einer Farm groß geworden, bevor er zum Militär gegangen war. Rodriguez stammte aus San Diego. Seine Mutter war gebürtige Amerikanerin, und sein Vater, ein Arzt aus Tijuana, war nach der Hochzeit zu ihr in die Staaten gezogen. Beide Männer waren mit dem ersten Truppentransport der Daedalus von der Erde gekommen.

Genau wie Lorne. Er war Sheppards Stellvertreter geworden, war der Zweite in der militärischen Rangfolge nach John. Sie wusste nicht viel von ihm. Sie kannte seinen Vornamen – Evan - sie wusste, dass seine Eltern in Seattle lebten, sie kannte seinen trockenen Humor, und sie mochte die spielerische Art, in der er manchmal mit ihr sprach.

Wir haben drei Männer verloren.

Als sie Johns Worte gehört hatte, hatte sie gespürt, wie sich etwas in ihr zusammenkrampfte, und sie hatte sich gefragt, warum. Das war nicht das erste Mal, dass sie jemand verloren hatten, und sie hatte es jedes Mal gehasst, wenn so etwas geschah, aber dieses Mal war es anders gewesen.

Gut, sie war diejenige gewesen, die die Leute auf diese Mission geschickt hatte, was sie im Grunde für das verantwortlich machte, was ihnen zugestoßen war – aber auch das war schon vorher der Fall gewesen. Trotzdem hatte sie versucht, sich einzureden, dass es das gewesen sei, Schuldgefühle. Doch da war noch etwas anderes.

Elizabeth griff nach der Tasse Kaffee, die auf ihrem Schreibtisch stand, ohne jedoch davon zu trinken, ganz einfach aus dem Grund, dass sie etwas brauchte, woran sie sich festhalten konnte, und versuchte dieses Gefühl zu ergründen, das in ihr nagte. Hier und jetzt, in der Stille ihres Büros, wurde sie sich des Schmerzes bewusst, den die Nachricht von Lornes Tod in ihr auslöste, wurde sie der Leere gewahr, die der Gedanke hinterließ, dass sie ihn nie wieder sehen würde.

In den letzten Monaten, seit er hier angekommen war, hatte er leise, ohne großes Aufhebens darum zu machen, die Fäden in die Hand genommen, die John nicht in die Hand nehmen hatte wollen, und hatte sich – ganz besonders für sie – zu einem unentbehrlichen Mitglied dieser Expedition gemacht.

Als er damals mit der Daedalus angekommen war, in jenen angespannten Tagen, als die Wraith vor ihrer Türe gestanden hatten, hatte er, ohne viele Worte darüber zu verlieren, sofort mit angepackt. Er hatte sein Gepäck in einem Flur stehen lassen, hatte nicht einmal sein Quartier aufgesucht oder sich umgezogen, stattdessen hatte er ein Team zusammengestellt, hatte sich bewaffnet und war losgezogen, die Wraith zu bekämpfen – ungeachtet der Tatsache, dass er diesen Feind bisher nur aus Berichten kannte.

Er hatte seinen Platz in der Gemeinschaft schnell gefunden. Er hatte angefangen, sich um einen Großteil des Papierkrams zu kümmern, den John so hasste, hatte organisatorische Dinge übernommen, um die John sich nicht hatte kümmern wollen, ohne dass man ihn darum hätte bitten müssen, und wenn John und sein Team offworld waren und sich in neue Abenteuer stürzten, hatte Lorne – bescheiden und verlässlich wie er war – dafür gesorgt, dass hier in Atlantis alles seinen normalen Gang weiter ging.

Oft war er in solchen Situationen in ihr Büro gekommen, hatte Berichte gebracht, die er fertig gestellt hatte, oder hatte Fragen gehabt. Mehr als einmal hatte er sie zu beruhigen versucht, wenn John und sein Team einmal wieder verschollen schienen oder sich in Ärger hinein manövriert hatten, und sie war immer dankbar dafür gewesen, hatte seine stille, beruhigende Art als enorm tröstlich empfunden in diesen Momenten.

Manchmal hatte er mit ihr gescherzt – etwas, das außer John kaum jemand sonst in der Stadt wagte. Sie hatte seinen Humor gemocht, die unbeschwerte Art die ihm zu Eigen war, denn es war ihm immer gelungen, sie zumindest zum Lächeln zu bringen.

Sie fuhr zusammen, als das Tor angewählt wurde. Sie erhob sich und ging zur Türe ihres Büros, von wo eine Brücke hinüber in den Kontrollraum führte. Von dort hörte sie den Techniker, der an den Kontrollen saß, wie er meldete: „Empfangen Major Sheppards I.D.-Code.“

Der Schild wurde deaktiviert, und John trat durch das Tor, gefolgt von den Männern, die Elizabeth ihm als Verstärkung geschickt hatte, und die nun die Bahren mit den in olivgrünen Leichensäcken liegenden sterblichen Überresten von Lorne und seinen Männern durch das Tor trugen.

Elizabeth erinnerte sich noch gut an das letzte Mal, da sie Lorne durch das Gate hatte kommen sehen. Es war erst vor ein paar Tagen gewesen. Sie hatte – genau wie jetzt – hier oben auf der Brücke zwischen ihrem Büro und dem Kontrollraum gestanden und hatte beobachtet, wie er und sein Team aus dem Ereignishorizont getreten waren.

Er war auf irgendeiner Mission gewesen, zu irgendeinem Planeten – sie erinnerte sich nicht mehr an Details. Sie wusste nur noch, dass er gut gelaunt und über das ganze Gesicht lächelnd zum Vorschein gekommen war. Einer seiner Männer hatte eine Bemerkung gemacht, die sie über die Entfernung nicht hatte verstehen können, doch Lornes unbeschwertes Lachen hatte durch den Kontrollraum gehallt.

Sie hatte unwillkürlich gelächelt bei diesem Klang und dem Anblick, den er in diesem Moment geboten hatte. Er hatte extrem jung gewirkt in diesem Augenblick, beinahe jungenhaft. Dann war sein Blick dem ihren begegnet. Das Lächeln auf seinem Gesicht war für ein paar Sekunden geschwunden, als er sich bewusst geworden war, dass sie ihn beobachtete. Dann war sein Lächeln zurückgekehrt, er hatte ihr kurz zugenickt und hatte sich dann wieder seinen Männern zugewandt, um ein paar letzte Anweisungen zu geben.

Jetzt wurden seine Überreste durch das Tor getragen. Sie würde ihn nie wieder selbst hindurch kommen sehen, würde nie wieder das jungenhafte Lächeln auf seinem Gesicht sehen, nie wieder sein Lachen hören, und die Intensität des Schmerzes, den dieser Gedanke ihr bereitete überraschte sie.

Erst in diesem Moment begriff sie es. Sie hatte sich in ihn verliebt. Ganz im Verborgenen, ohne dass sie sich dessen bewusst gewesen war, hatte sie Gefühle für ihn entwickelt. Gefühle, die weit über kollegiale Freundschaft hinaus gingen. Aber sie hatte es erst jetzt realisiert, jetzt, wo er tot war, wo es zu spät war.

Sie war beinahe dankbar, als John ihr Büro betrat und sie durch seine Anwesenheit zwang, diese Gedanken zu verdrängen und sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Sie würde sich mit dieser Erkenntnis später auseinandersetzen. Später, wenn sie alleine war und ihren Gedanken und eventuell auch ihren Tränen freien Lauf lassen konnte.

„Was zum Teufel ist dort draußen passiert?“, fragte sie, und ihre ganze Wut und Frustration über diese gesamte Situation lagen in diesen Worten. Sheppard trat neben sie und blickte ebenfalls hinunter auf den Gateraum.

„Wie sie wissen waren Lorne und sein Team das reguläre Begleitkommando für Dr. Lindsay auf 177“, Sheppard unterbrach sich einen Moment, als das Gate sich mit dem charakteristischen Geräusch schloss. Elizabeth nutzte die Gelegenheit um einzuhaken.

„Ja – sie sollte die Leute in effektivere Landwirtschafts- und Fischfangmethoden einweisen“, erinnerte Elizabeth sich. Sheppard nickte.

„Ja, ganz recht. Alles lief glatt, bis unsere Jungs angegriffen wurden“, bestätigte er.

„Einfach so, aus heiterem Himmel?“, wunderte Elizabeth sich.

„Allem Anschein nach“, bestätigte Sheppard und seine Stimme verriet, dass ihn das als Erklärung ebenso wenig zufrieden stellte wie sie.

„Von wem? Den Dorfbewohnern?“

„Ich weiß es nicht. Von Lindsay kriegen wir keine brauchbaren Informationen, sie ist völlig durch den Wind. Beckett hat sie erst mal sediert, ich hoffe, dass wir später mehr erfahren“, antwortete Sheppard.

In diesem Moment begann das Tor wieder zu wählen, und Elizabeth folgte John hinüber in den Kontrollraum, um zu sehen, was das zu bedeuten hatte.
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In seinem düsteren Gefängnis saß Evan Lorne auf der armseligen Pritsche an der Seite der Zelle, den Rücken gegen das engmaschige Gitter der Zelle gelehnt, und hing mit halb geschlossenen Augen seinen eigenen Gedanken nach.

Nachdem er dem Fremden, dessen Name Jolan war, alles an Informationen entlockt hatte, die dieser ihnen hatte geben können, blieb ihnen nun nichts anderes übrig, als zu warten, denn noch hatten sie keinen ihrer Entführer zu Gesicht bekommen – offenbar zogen die es vor, ihre Opfer alleine in der dunklen Zelle schmoren zu lassen.

Nachdem er eine Weile über Fluchtmöglichkeiten sinniert hatte und dabei hatte feststellen müssen, dass es zumindest im Augenblick keine Gelegenheit gab, zu entkommen, hatte er seine Gedanken schweifen lassen. Unwillkürlich waren seine Gedanken zu Elizabeth geglitten.

Er erinnerte sich noch deutlich daran, wie er sie zum ersten Mal getroffen hatte. Er war gerade von der Daedalus gebeamt worden, als einer der Männer, die unter Colonel Everetts Kommando die bisherigen Truppen auf Atlantis verstärken sollten.

Er war im Kontrollraum angekommen, als die Situation bereits brenzlig war. Die Wraith waren in der Stadt, und die Hilfe der Männer die gerade angekommen waren, wurde dringend gebraucht. Dr. Weir war auf sie zu getreten, hatte sie mit knappen Worten begrüßt und ihnen dann einen Bereich der Stadt zugeteilt. Er hatte nur seine Tasche in eine Ecke geworfen und war dann mit seinen Leuten los gezogen.

Erst zwei Tage später, als die Situation sich beruhigt hatte, hatte Dr. Weir die Zeit gefunden, die neuen Expeditionsmitglieder in Atlantis zu begrüßen. Sie hatten sich alle im Gateraum versammelt, wo sie zu ihnen gesprochen hatte.

Ihre Worte hatte er längst vergessen, er hatte sie nicht einmal richtig wahrgenommen. Aber er würde niemals vergessen, wie sie dort gestanden hatte, auf einer der Stufen, die vom Gateraum in den Kontrollraum führten. Sie hatte den Blick über die versammelten Männer und Frauen schweifen lassen. Er hatte in der zweiten Reihe gestanden, ihr Blick war seinem für einen Moment begegnet, und er war augenblicklich wie gefesselt gewesen.

In den folgenden Wochen hatte er seinen Platz gesucht in Atlantis, hatte versucht, sich in die Gemeinschaft einzufügen, was ihm auch schnell gelungen war. Irgendwie war er ziemlich rasch zum Problemlöser geworden: Wann immer Sheppard und die anderen sich in Ärger hinein manövriert hatten, war er gerufen worden, um zu helfen. Er hatte damit nie ein Problem gehabt.

Irgendwann hatte Sheppard auch angefangen, den ungeliebten Papierkram auf ihn abzuwälzen, und er hatte diesen Teil der Arbeit ebenso stillschweigend übernommen.

Es war ihm nicht schwer gefallen, diese Aufgaben, die Sheppard so gerne irgendjemand anderem aufhalste, zu übernehmen. Diese Dinge gingen ihm recht einfach von der Hand – er war schon immer ein Organisationstalent gewesen, hatte sein Lehrer an der High School gesagt. Außerdem hatten ihm diese Aufgaben die Möglichkeit gegeben, ihr nahe zu sein.

Oft – wenn Sheppard und sein Team mal wieder auf irgendwelchen anderen Planeten unterwegs waren und große Abenteuer erlebten – hatte er die Gelegenheit genutzt, dass der eigentlich ranghöchste Offizier nicht anwesend war. Er war unter dem Vorwand, erledigten Papierkram zu bringen oder Fragen zu organisatorischen Dingen zu haben, in ihr Büro gegangen, hatte sich eine Weile mit ihr unterhalten, sich ein paar Momente mit ihr alleine gestohlen.

Häufig hatte er ihre Sorgen um Sheppard und die anderen zerstreuen müssen, weil diese wieder einmal überfällig waren oder einen Termin zur Kontaktaufnahme hatten verstreichen lassen, und jedes Mal hatte der besorgte Ausdruck auf ihrem Gesicht ihm einen Stich gegeben, denn dieser Ausdruck erinnerte ihn immer wieder daran, dass sein Vorgesetzter ihr viel mehr bedeutete als er selbst.

Er hatte versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, war glücklich gewesen mit den wenigen Momenten, die er mit ihr gehabt hatte, hatte jeden Augenblick, den er mit ihr hatte verbringen können, wie einen Schatz in seinem Herzen gehütet.

Er hatte nie jemandem gesagt, wie er empfand, hatte alles für sich behalten, aber er hatte seine eigene Art entwickelt, ihr seine Gefühle zu zeigen, auch wenn sie es vermutlich nie so verstanden hatte: Indem er versucht hatte, ihr eine Stütze zu sein, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen.

Manchmal – wenn die Situation nicht angespannt gewesen war, und er das Gefühl gehabt hatte, dass er sich das in diesem Moment erlauben konnte, hatte er auch einen lockeren, unbeschwerten Tonfall angeschlagen im Gespräch mit ihr. Ab und zu hatte er sich sogar gestattet, ein wenig mit ihr zu schäkern und zu scherzen, und war immer froh gewesen, wenn er es geschafft hatte, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.

Er fragte sich, ob sie jetzt, da er verschollen war, ebenso besorgt um ihn und seine Männer war wie um Sheppard und sein Team, wenn sie unauffindbar gewesen waren. Er fragte sich, ob sie heute Nacht in ihrem Büro sitzen und versuchen würde, sich durch irgendwelchen Papierkram zu arbeiten, weil sie ohnehin nicht würde schlafen können, wie wenn Sheppard vermisst war, und ob sie an ihn dachte, wie er an sie dachte.

Sicher arbeiteten in Atlantis alle fieberhaft daran, sie zu finden und zu befreien, denn Dr. Lindsay hatte Atlantis über den Angriff informiert, und wenn die Verstärkung sie nicht hatte finden können war man inzwischen längst dabei, nach ihnen zu suchen.

Trotzdem hatte er nicht vor, einfach nur hier herumzusitzen und darauf zu warten, dass jemand kam, um sie zu retten. Sie mussten versuchen, zu entkommen, sich zum Gate durchzuschlagen. Man hatte ihnen zwar ihre Kleider und ihre Ausrüstung abgenommen, was bedeutete, dass sie nicht direkt nach Atlantis zurückkehren konnten. Ohne die Möglichkeit, ihren I.D.-Code zu senden, würden sie den Schild in Atlantis nicht überwinden können. Aber vielleicht gab es eine andere Möglichkeit.

„Kaufman“, flüsterte er, und der Lieutenant, der mit dem Rücken gegen eine der anderen Zellenwände gelehnt auf dem Boden saß, hob den Kopf.

„Sir?“

„Sind sie und Rodriguez wieder munter?“, fragte Lorne und neigte den Kopf leicht in Rodriguez’ Richtung.

„Hab mich selten besser gefühlt, Sir“, antwortete Kaufman.

„Dasselbe gilt für mich. Warum fragen Sie?“, erwiderte Rodriguez und richtete sich auf, den Blick erwartungsvoll auf seinen Vorgesetzten gerichtet.

„Ich habe nicht vor, hier zu sitzen und zu warten, bis uns irgendjemand befreit. Irgendwann muss man uns etwas zu essen bringen – vielleicht können wir die Wachen überwältigen und fliehen“, überlegte Lorne gedämpft, damit die Wachen sie nicht hören konnten.

Doch die Stimme ihres Mitgefangenen Jolan riss ihn aus seinen Gedanken. „Das wird nicht funktionieren“, warnte er sie. Alle drei wandten den Blick zu Jolan um, der noch immer auf seiner Pritsche saß und sich offenbar stoisch mit der Situation abgefunden hatte. Einen Moment fragte sich Lorne, warum der Fremde so ruhig blieb. Wollte er nicht hier raus? Hatte er vor, sich einfach ohne Gegenwehr in das Schicksal zu ergeben, dass die Genii für sie erdacht hatten?

„Ich habe es bereits versucht. Ich hatte keine Chance“, erklärte Jolan, ohne sich dabei von der Stelle zu rühren.

„Nun jetzt sind wir vier, ich denke unsere Chancen haben sich damit mindestens vervierfacht“, entgegnete Lorne ungerührt. Er hatte nicht vor, sich von der Aussage eines Fremden von seinem Plan abhalten zu lassen. „Wann kommen die Wachen normalerweise?“

„Wenn die Sonne untergeht, haben sie bisher immer ein wenig Essen und frisches Wasser gebracht“, antwortete Jolan widerstrebend.

„Wie viele Männer sind es?“ hakte Rodriguez nach.

„Drei. Einer bringt das Essen, die anderen bewachen die Türe von außen“, antwortete Jolan. Lorne warf Kaufman und Rodriguez einen Blick zu.

„Wir müssen sie dazu bringen, in die Zelle zu kommen. Dann haben wir vielleicht eine Chance, sie zu überwältigen“, erklärte Lorne, was Kaufman und Rodriguez mit einem Nicken bestätigten. „Wir müssen ein Ablenkungsmanöver starten“, fügte Lorne an und begann dann, mit seinen Männern den Plan auszuarbeiten.
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Elizabeth stand auf einem der Balkone von Atlantis und blickte auf den Ozean hinaus. Der Wind war frisch und kühl, und sie begrüßte die Art, wie er an ihren Haaren und Kleidern zerrte. Sie hatte das Gefühl, dass der Wind ihr den Kopf frei pustete, dass es ihr das Denken erleichterte.

So viele Dinge gingen ihr durch den Kopf, sie musste erst einmal ihre Gedanken sortieren.

Sie hatte ein Team losgeschickt, um Ladon zu durchsuchen, nachdem dieser sie kontaktiert und ihnen ein Ultimatum gestellt hatte. Normalerweise hätte sie sich niemals darauf eingelassen, aber nach einer Besprechung mit ihrem Team hatte sie beschlossen, dass ein Z.P.M. das Risiko wert war.

Nachdem das Team durch das Gate gegangen war, hatte sie sich wieder in ihr Büro zurückgezogen. Sie hatte begonnen, einen Brief für die Hinterbliebenen zu verfassen, doch als sie etwas in Rodriguez Akte hatte nachsehen wollen, war das Foto von Major Lorne herausgefallen.

Das Foto zeigte einen Mann, der zwar um einen ernsthaften Ausdruck bemüht schien, aber kaum ein Lächeln unterdrücken konnte – so wie er so oft auch im wahren Leben ausgesehen hatte. Es musste aufgenommen worden sein, als er bereits der Atlantis-Expedition zugeteilt worden war, denn er trug bereits die dunkelblaue Uniform des militärischen Personals in Atlantis.

Eine Weile hatte sie das Bild betrachtet, hatte gedankenverloren die Umrisse seines Gesichtes mit den Fingerspitzen nachgefahren. Dann hatte sie plötzlich ihre Trauer kaum noch zurückhalten können. Sie hatte die Tränen, die ihr in den Augen brannten, zurückgedrängt und war hinaus auf den Balkon gegangen, wo sie noch immer stand.

Sie wusste nicht, wie lange sie schon hier war, als Carsons Ruf sie schließlich erreichte.

„Elizabeth, könnten Sie bitte in die Krankenstation kommen? Ich muss ihnen etwas zeigen“, hörte sie seine Stimme über das Funkgerät. Elizabeth spürte, wie sich die Haare in ihrem Nacken bei dem Gedanken aufstellten. Sie wollte nicht auf die Krankenstation gehen. Sie wollte das alles nicht sehen. Sie wollte nicht eine verkohlte Leiche vor sich liegen haben und wissen, dass ER das war.

„Carson, ich bin ziemlich beschäftigt, können sie mir nicht einfach...“ Sie unterbrach sich, als sie Carson am anderen Ende seufzen hörte. Sie wusste, dass er es hasste, wichtige Informationen über das Funkgerät weitergeben zu müssen. Sie seufzte selbst und antwortete schließlich. „Also gut, ich bin auf dem Weg“.

Sie unterbrach die Funkverbindung, schob alle störenden Gefühle und Gedanken von sich, straffte die Schultern und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Unterwegs begegneten ihr andere Mitglieder der Expedition, und sie erwiderte ihre Grüße geistesabwesend und wie automatisiert.

Sie sehnte sich nach dem Abend, wenn sie alleine in ihrem Quartier sein und sich mit all den Emotionen auseinandersetzen konnte, ohne dabei ständig Gefahr zu laufen, entdeckt zu werden.

Als sie um die letzte Ecke des Flures bog, bevor sie die Krankenstation erreichte, traf sie auf Ronon und Teyla. Sie kamen aus einer anderen Richtung als sie selbst, schienen aber das gleiche Ziel zu haben.

„Dr. Weir“, grüßte Ronon knapp mit seiner unnachahmlich tiefen Stimme, und Teyla nickte Elizabeth in der ihr eigenen, erhabenen Art zu. Elizabeth erwiderte den Gruß der beiden.

„Ronon, Teyla. Was hat die Befragung von Dr. Lindsay ergeben?“, fragte sie und versuchte, so professionell zu klingen wie ihr irgendwie möglich war.

„Sie ist noch immer verstört, aber sie konnte uns einige Informationen geben“, antwortete Teyla. Elizabeth nickte. Sie hätte gerne mehr erfahren, doch im Moment konnte sie sich nicht damit aufhalten.

„Dr. Beckett hat mich gebeten, vorbei zu kommen. Das hier könnte wichtig sein“, erklärte Elizabeth und machte eine Handbewegung, die den beiden bedeutete, mit ihr zu kommen. Sie hatte versucht, gefasst zu klingen, aber sie war offenbar nicht besonders überzeugend gewesen, denn Teyla legte den Kopf schief und blickte Elizabeth stirnrunzelnd an.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Dr. Weir? Sie sehen blass aus“, bemerkte Teyla besorgt.

„Ich habe gerade versucht, die Briefe an die Angehörigen von – der drei getöteten Männer zu schreiben. Ich hasse es, wenn ich das tun muss“, antwortete Elizabeth und hoffte, dass ihre Antwort die beiden überzeugen würde.

„Verstehe“, antwortete Teyla schlicht, doch weder aus ihrem Tonfall noch aus ihrem Gesichtsausdruck konnte Elizabeth schließen, ob sie ihr glaubte oder nicht.

Dann wandte sie den beiden den Rücken zu und ging voran in die Krankenstation, wo Carson emsig zwischen dem OP im hinteren Bereich und der vorderen Abteilung, die sie nun betraten, hin und her lief. Dabei sah sie nicht den besorgten Blick, den Ronon und Teyla hinter ihrem Rücken austauschten.

„Ah, Elizabeth, gut das sie da sind. Ronon, Teyla.“ Carson blieb nicht einmal stehen, um die drei zu begrüßen, sondern lief weiter geschäftig hin und her. Nachdem er kurz in einem der Schränke gesucht hatte, kam er mit einer OP-Maske in der Hand zurück.

„Hier, nehmen Sie die.“ Mit diesen Worten reichte Carson Elizabeth die Maske und winkte sie dann mit sich in den Nebenraum, in dem die drei Körper lagen. Elizabeth folgte Carson zögernd. Der Geruch, der von den verbrannten Leichen ausging, war kaum auszuhalten, und sie drückte sich eilig die Maske vor das Gesicht, was den Geruch zwar nicht völlig abhielt, aber zumindest erträglicher machte.

Sie trat an einen der OP-Tische heran und versuchte nicht das Gesicht der Leiche anzusehen, die mit einem grünen Tuch abgedeckt vor ihr lag.

Carson ging hinüber zu einer ebenfalls maskierten Krankenschwester, die gerade dabei war, ein Formular auszufüllen, gab ihr ein paar Anweisungen und ging dann in den Nebenraum.

Elizabeth blieb vor dem OP-Tisch stehen, die Maske fest auf ihr Gesicht gepresst, und beobachtete die Krankenschwester bei ihrer Tätigkeit. Nach ein paar Augenblicken hörte sie Carsons Schritte, die sich ihr wieder näherten.

Sie sah kurz zu ihm auf und schüttelte dann den Kopf, fassungslos über das, was sie gesehen hatte, während Carson neben sie trat. Er hatte ein Klemmbrett mit irgendwelchen Untersuchungsergebnissen in der Hand.

„Das sind sie nicht“, sagte er plötzlich. Elizabeth wandte sich zu ihm um und blickte ihn verständnislos an.

„Was meinen Sie damit?“ fragte sie zurück, ohne zu begreifen, was er ihr eigentlich sagen wollte.

„Ich meine damit, die Leichen sind nicht Lorne und seine Männer“, erklärte Carson und gestikulierte mit dem Klemmbrett in seiner Hand in Richtung des toten Körpers vor ihnen. Kaum hatte er den Satz beendet, wandte er sich wieder um und ging davon.

Elizabeth blieb noch einen Moment stehen und blickte die Leiche an, während Carsons Worte langsam in ihr Bewusstsein vordrangen. Dann drehte sie sich ebenfalls um und folgte ihm, der in Richtung des Nebenraumes ging.

„Aber sie trugen deren Hundemarken“, erinnerte Elizabeth Carson. Während sie zu ihm aufschloss, nahm sie ihre Maske ab und trat dann gemeinsam mit ihm zu Ronon und Teyla, die im Nebenraum gewartet hatten.

„Tja, ich habe die DNA-Tests nun dreimal durchgeführt“, erklärte Carson und ließ damit keinen Zweifel mehr daran, dass dies wirklich nicht Lorne, Kaufman und Rodriguez waren.

„Dann könnten die Männer noch am Leben sein?“, fragte Ronon. Carson nickte bestätigend und antwortete: „Aye.“

Elizabeth hätte beinahe vor Erleichterung geseufzt. Es bestand die Chance, dass die drei noch am Leben waren – dass ER noch am Leben war! Sie wusste, es war egoistisch und unprofessionell, so zu denken. Sie war die Leiterin dieser Expedition, und als solche hätte sie ebenso erleichtert sein müssen, dass Kaufman und Rodriguez vielleicht noch lebten, doch der Gedanke an die beiden rückte für sie vollkommen in den Hintergrund angesichts der Möglichkeit, dass ER nicht tot war.

„Dr. Lindsay hat Wraith-Stunner gehört, bevor das Feuer ausbrach.” gab Teyla zu bedenken. Elizabeth verschränkte die Arme vor der Brust, weil sie nicht wusste, wohin sonst mit ihren Händen.

„Aber das war kein Wraith-Angriff, also ...“, sagte sie und unterbrach sich dann, einen langen, nachdenklichen Blick zurück in den anderen Raum werfend.

„Wer auch immer das war, wollte uns glauben machen, sie seien tot“, intonierte Ronon düster.

„Aber wer ...?“ fragte Elizabeth mehr sich selbst als die anderen und fügte dann an: „Und was könnte er von Lorne wollen?“ erst nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte fiel ihr auf, dass sie nur Lorne genannt hatte. Zum Glück schien es den anderen nicht weiter aufgefallen zu sein.

„Wir müssen wieder zurück – die Leute dort befragen“, konstatierte Ronon.

„In Ordnung“, antwortete Elizabeth, auch wenn ihr bei dem Gedanken, erneut jemanden auf diesen Planeten zu schicken, nicht wohl war. Wer auch immer Lorne und seine Männer angegriffen hatte, verfügte offenbar um ausreichend Männer und Bewaffnung, um drei gut ausgebildete Soldaten auszuschalten. Aber sie wusste, dass es keine andere Möglichkeit gab, weitere Informationen zu bekommen, und sie hatte großes Vertrauen in die Fähigkeiten von Ronon und Teyla.

„Aber regelmäßigen Funkkontakt bitte“, setzte sie dann noch hinzu. Teyla und Ronon nickten beide bestätigend. Im selben Moment erklang Johns Stimme aus Elizabeths Funkgerät:

„Doktor Weir? Wir haben Ladon.“

Elizabeth aktivierte ihr Funkgerät und antwortete.

„Was hat er gesagt?“ fragte sie.

„Nicht viel. Anscheinend mag er mich nicht”, antwortete John mit leicht sarkastischem Unterton in der Stimme. Elizabeth hob kurz die Augenbrauen und entschied dann:

„Schön. Bringen Sie ihn in mein Büro.”

„In Ihr Büro? Im Ernst?“ hakte John skeptisch nach.

”Im Ernst, Colonel. Ich bin unterwegs.“ Damit unterbrach sie die Funkverbindung. Sie reichte Carson die OP-Maske, die sie noch immer in der Hand gehalten hatte, und wandte sich dann Ronon und Teyla zu.

„Schön vorsichtig, ja?” ermahnte sie sie noch, was die beiden mit einem zustimmenden Nicken beantworteten, dann drehte sich Elizabeth um und verließ die Krankenstation.

Sie steuerte den nächsten Transporter an und streckte die Hand nach der Kontrolltafel aus, um ihren Zielort anzugeben, doch als sich die Türen des Transporters hinter ihr schlossen, zog sie ihre Hand zurück, weil diese plötzlich unkontrolliert zitterte.

Ihre Knie fühlten sich auf einmal ganz weich an, und sie ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand des Transporters sinken, um daran Halt zu finden. Sie wusste, sie sollte eigentlich auf direktem Weg in ihr Büro gehen und mit Ladon reden, doch sie brauchte noch einen Moment für sich. Im Augenblick war sie einfach nicht in der Lage, klar zu denken, und in den Verhandlungen mit Ladon MUSSTE sie klar denken können.

Sie schloss die Augen und schlug die Hände vors Gesicht weil ihr plötzlich Tränen in die Augen schossen. Doch es waren nicht Tränen der Trauer, sondern Tränen der Erleichterung.

Die letzten Stunden waren eine wahre Achterbahn der Gefühle gewesen. Die Nachricht vom Tod der drei Männer, die Erkenntnis, dass sie Gefühle für einen von ihnen entwickelt hatte, der Schmerz über seinen Verlust, die Erleichterung darüber, dass die verbrannte Leiche auf der Krankenstation doch nicht ER war, die Hoffnung, dass er noch am Leben war, und die Sorge, ob und wie sie ihn finden und retten konnten. Es war einfach zu viel auf einmal.

Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf, und sie machte sich nicht einmal die Mühe, zu versuchen, es zurück zu drängen. Es wäre ihr ohnehin nicht gelungen. Sie war den ganzen Tag über gefasst geblieben, ungeachtet der emotionalen Achterbahnfahrt, die sie heute durchgemacht hatte, es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie die Maske der unerschütterlichen Führerin nicht länger aufrechterhalten konnte.

Sie hatte gehofft, dass es erst am Abend geschehen würde, wenn niemand sie sehen konnte, in ihrem Quartier, wenn nicht jeden Moment jemand herein kommen konnte, aber jetzt war es ohnehin zu spät.

Elizabeth rutschte an der glatten Wand des Transporters herab, bis sie schließlich am Boden kauerte, die Beine eng an den Körper gezogen, und ließ ihren Tränen freien Lauf. Während ihr die Tränen über das Gesicht strömten, spürte sie, wie viel von der Anspannung des Tages von ihr abfiel.

Als schließlich nach einigen Minuten ihre Tränen versiegten, fühlte sie sich wie befreit. Manchmal kostete es so entsetzlich viel Kraft, sich nach außen hin stark und unerschütterlich zu geben, wie es von einer Frau in ihrer Position erwartet wurde.

Sie holte das Taschentuch, das sie bei sich hatte, heraus, trocknete damit ihr Gesicht und putzte sich die Nase. Dann verließ sie den Lift noch einmal und suchte die Waschräume auf dieser Ebene auf. Dort wusch sie sich das Gesicht mit kaltem Wasser und kühlte ihre Augen damit, bis sie nicht mehr ganz so rot und verweint aussahen. Erst danach kehrte sie zum Transporter zurück und ließ sich in den Hauptturm bringen.

Als die Türen des Transportes sich öffneten, stand bereits Sheppard davor und erwartete sie. Unwillkürlich straffte Elizabeth die Schultern.

„Entschuldigen Sie, ich wurde aufgehalten. Ist Ladon in meinem Büro?“, sagte sie entschuldigend, hoffend, dass er ihr die Maske der professionellen, unerschütterlichen Diplomatin abkaufte, und ignorierte den prüfenden Blick, den er ihr zuwarf, geflissentlich.

„Ja. Ist alles in Ordnung?“, fragte Sheppard besorgt.

„Carson sagt, laut DNA-Tests sind die Leichen in der Krankenstation nicht Lorne und seine Männer. Es besteht die Chance, dass die drei noch am Leben sind. Ich habe Ronon und Teyla losgeschickt, die Leute im Dorf zu befragen. Vielleicht finden wir irgendetwas heraus, das uns weiter hilft“, berichtete sie, anstatt auf seine Frage einzugehen, während sie ihm den Flur entlang und die Treppe hinunter in Richtung des Kontrollraumes folgte.

„Ja, ich weiß, die beiden sind mir vor zehn Minuten begegnet, als sie durch das Tor gegangen sind“, erwiderte John, und es schien Elizabeth einen Moment lang so, als wolle er damit noch einmal auf ihre Verspätung und die Gründe dafür anspielen, doch sie reagierte wieder nicht darauf.

„Wir müssen abwarten, was die beiden herausfinden“, sagte sie. Sie folgte Sheppard durch den Kontrollraum hinüber zur Brücke, die zu ihrem Raum führte, in dem sie bereits Ladon sitzen sehen konnte, und fügte an: „Jetzt hat erst einmal das hier Vorrang.“
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Lorne hatte sich in eine Ecke der Zelle zurückgezogen, den Rücken an die Wand aus engmaschigem Gitter gelehnt, die Beine angezogen und die Augen geschlossen. Die Kopfschmerzen hatten – Gott sei es gedankt – endlich nachgelassen, und wenn er nicht in diesen schrecklich kratzigen, übel riechenden Kleidern stecken würde, würde er sich schon fast wieder wie ein Mensch fühlen.

Er blickte auf, als er in der Ferne Schritte hörte, die sich rasch näherten. Es klang, als wären es drei bis vier Männer. Lorne blickte hinüber zu Jolan, der auf der Pritsche saß. Jolan nickte bestätigend, woraufhin Lorne seinen Männern, die jeweils links und rechts der Türe ihrer Zelle saßen, einen Blick zuwarf, und mit der Hand ein Zeichen gab, das ihnen zu verstehen geben sollte, sich bereit zu halten. Kaufman und Rodriguez nickten kaum merklich zur Antwort, und Lorne veränderte seine Körperhaltung geringfügig, um schneller aufspringen und reagieren zu können.

Die Schritte kamen näher, und zwischen den engen Maschen des Gitters hindurch konnte Lorne nun drei Gestalten im dämmrigen Halbdunkel der Halle ausmachen, die direkt auf sie zu kamen. Er warf Rodriguez und Kaufman einen vielsagenden Blick zu. Die beiden saßen scheinbar entspannt da, doch Lorne wusste, dass der Eindruck täuschte. Sie waren ebenso kampfbereit wie er selbst.

Die drei Männer, deren Uniformen sie eindeutig als Genii auswiesen, stoppten vor der Türe der Zelle. Zwei von ihnen waren bewaffnet, der dritte trug ein Tablett mit etwas, das halbwegs essbar aussah, vor sich her. Einer der Bewaffneten schloss die Türe auf, und der Mann mit dem Tablett betrat die Zelle.

In dem Moment, in dem dieser drei Schritte in die Zelle gemacht hatte und sich gerade bücken wollte, um das Tablett auf den Boden zu stellen, schnellte Jolans Bein wie verabredet nach vorne und riss den Genii von den Beinen. Im selben Moment sprang Lorne auf und überwältigte den stürzenden Genii mit wenigen Griffen.

Die beiden Wachen vor der Türe sprangen nach vorne, um in dem Moment, in dem sie die Türe erreichten, von Kaufman und Rodriguez, die nur darauf gewartet hatten, überwältigt zu werden. Ein gezielter Schlag gegen das Kinn, beziehungsweise gegen die Schläfe der beiden Wächter ließ die beiden bewusstlos zu Boden fallen.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht blickte Jolan von Lorne zu Kaufman und zurück. Im Laufe des Tages hatten sie erfahren, dass Jolan ein einfacher reisender Händler war, der zwischen verschiedenen Planeten hin und her pendelte, und weder jemals von einem ATA-Gen gehört hatte, noch in einen Kampf verwickelt gewesen war. Lorne schmunzelte angesichts der stolzgeschwellten Brust des Fremden, wurde aber sogleich wieder ernst.

„Die Waffen, schnell!“ zischte er seinen Männern zu, und die beiden entwaffneten die bewusstlosen Genii und reichten eine der vier erbeuteten Waffen sogleich an Lorne weiter. Sie nahmen sich einen Moment, um sich mit den fremden Schusswaffen vertraut zu machen, dann gab Lorne das Zeichen zum Aufbruch.

Sie hatten vor, möglichst unbemerkt aus dem Gebäude zu kommen und sich dann irgendwie zum Stargate durchzuschlagen, bevor jemand ihre Abwesenheit bemerkte. Sie konnten zwar nicht direkt nach Atlantis zurückkehren, doch es gab mehrere Planeten, auf denen sie Außenposten unterhielten, falls einmal eine Evakuierung der Stadt nötig sein würde.

Die vier verließen die Zelle, und Lorne nahm sich einen Moment, um die Funkgeräte an sich zu nehmen, die Zellentür abzuschließen und den Schlüssel in eine dunklen Ecke des Raumes zu werfen. Wenn die drei Männer wieder zu sich kamen, sollten sie es nicht zu einfach haben, die anderen zu alarmieren. Das brachte ihnen vielleicht ein oder zwei Minuten.

Kaufman und Rodriguez gingen derweil voran in die Richtung, in der laut Jolans Angaben ein Ausgang lag. Sie selbst hatten keine Informationen über das Gebäude, so dass sie sich auf die Aussagen des Fremden verlassen mussten. Lorne schloss eilig zu ihnen auf und übernahm dann die Führung, während Kaufman und Rodriguez Jolan in die Mitte nahmen.

Sie verließen die Halle, in der sich ihre Zelle befand und durch die sich unzählige Rohre und Leitungen zogen, und folgten so geräuschlos wie möglich einem dunklen Flur, der nur sporadisch von einer nackt von der Decke baumelnden, staubigen Glühbirne erhellt wurde.

Als Lorne in der Ferne Schritte hörte, gab er den anderen ein Zeichen, sich zu verstecken. Kaufman zerrte Jolan in eine Nische, in der sie vor den Blicken der sich nähernden Genii geschützt waren, und Rodriguez und Lorne selbst fanden Deckung hinter ein paar dicken Rohren, die an dieser Stelle senkrecht an der Wand entlang verliefen.

Lorne gab seinen Männern mit Handzeichen zu verstehen, die Genii zu überwältigen, sobald sie ihre Position erreicht hatten. Als dann die Genii schließlich auf ihrer Höhe waren, reichte ein knappes Nicken von Lorne aus und die beiden anderen sprangen zeitgleich mit ihm aus der Deckung und versuchten, die Genii zu entwaffnen, ohne dass sie durch das Abfeuern der Schusswaffen auf sich aufmerksam machten.

Doch die drei hatten ihre Rechnung ohne die Genii gemacht. Der Widerhall in dem dunklen Gang hatte sie getäuscht, und so sahen sie sich plötzlich mit deutlich mehr Männern konfrontiert, als sie erwartet hatten.

Zuerst schlugen sie sich noch recht gut. Kaufman gelang es, einen der Männer mit einem gezielten Schlag außer Gefecht zu setzen, bevor er selbst einen üblen Stoß in die Magengegend einstecken musste und vor Schmerzen in die Knie ging.

Rodriguez schaffte es, sich zwei Genii eine ganze Weile vom Hals zu halten, bis ein dritter in den Kampf eingriff. Rodriguez versuchte noch, ihm die Waffe zu entwinden, doch in dem darauf folgenden Gerangel lösten sich zwei Schüsse, und einer der Gegner und Jolan sanken getroffen in sich zusammen. Der darauf folgende Schlag in Rodriguez’ Genick setzte dann auch ihn außer Gefecht.

„Verdammt!“ fluchte Lorne, als er den Schuss hörte, der sie nun vermutlich verraten hatte, und ließ sich einen Moment davon ablenken, als er aus den Augenwinkeln wahrnahm, dass Jolan zusammenbrach. Diesen Moment nutzte der Genii, mit dem er gekämpft und den er bisher recht gut im Schach gehalten hatte.

Der Genii packte Lornes rechten Arm und drehte ihm diesen so heftig und so grob auf den Rücken, dass Lorne erst ein lautes, unheilvoll klingendes Krachen hörte, das von seiner eigenen Schulter stammte, und dann unwillkürlich aufschrie, als der Schmerz in seiner Schulter aufflammte. Der Schmerz war so heftig, dass er einen Moment lang bunte Punkte vor seinen Augen tanzen sah und schließlich ächzend in die Knie ging, als der Genii ihm noch einen Schlag gegen die verletzte Schulter gab.

Eine Waffe wurde entsichert, Lorne hörte das charakteristische Geräusch, und als er aufblickte, sah er zuerst den Lauf einer Pistole, der direkt auf seine Stirn gerichtet war, und dahinter das Gesicht eines Genii, der ihn teils verärgert, teils belustigt anblickte.

„Netter Versuch“, bemerkte der spöttisch und fügte dann mit einem Seitenblick auf den am Boden liegenden Jolan hinzu: „Der Preis für den Versuch war vielleicht etwas hoch, aber trotzdem, netter Versuch.“

Lorne folgte dem Blick des Wächters und verstand augenblicklich, was er meinte. Jolan war eindeutig tot. Der Schuss, der sich aus der Waffe des Wächters gelöst hatte, hatte Jolan in den Bauch getroffen, und nun lag er in einer riesigen Lache aus dunkelrotem Blut auf dem schmutzigen Boden.

„Ver ...“, setzte Lorne an, wurde dann jedoch durch einen Schlag ins Gesicht unterbrochen. Mit der linken Hand – seine rechte Schulter schmerzte noch immer zu sehr, um diesen Arm zu bewegen – tastete er nach der Stelle an seinem Mund, an der der Genii ihn getroffen hatte, und schmeckte gleichzeitig Blut an seiner Lippe.

Der Genii packte Lorne an seinem unverletzten Arm, zerrte ihn grob auf die Beine und schubste ihn dann heftig in Richtung der Zelle. „Bewegung!“, blaffte er dabei. Die anderen Wachen gaben Kaufman und Rodriguez durch eine Handbewegung zu verstehen, dass derselbe Befehl auch für sie galt.

Lorne setzte sich als erster in Bewegung. Er war zwar niemand, der sich so einfach unterkriegen ließ, aber er wusste, wann er unterlegen war und nichts tun konnte. Für den Moment war es klüger, sich zu fügen und abzuwarten, bis sich ihnen eine neue, bessere Chance bot.

Lorne zögerte kurz, als er die Leiche von Jolan vor seinen Füßen liegen sah, und ging dann mit ein paar schnellen Schritten um den toten Körper ihres Verbündeten herum. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass der Genii, der noch immer seine Waffe auf ihn gerichtet hatte, sich diese Mühe nicht machte, sondern achtlos über die Leiche von Jolan hinweg stieg, als sei er lediglich ein Stück Holz oder ein Stein, der ihm im Weg lag.

Als sie die Zelle wieder erreicht hatten, waren die drei Männer, die sie zuvor überwältigt hatten, bereits wieder zu sich gekommen und versuchten, sich irgendwie aus der Zelle zu befreien.

„Die verdammten Atlantier haben uns überfallen“, versuchte sich der eine von ihnen zu rechtfertigen, und der andere fügte noch an: „Es waren aber vier in der Zelle.“

„Der Vierte liegt tot drüben im Gang unter der Halle“, erwiderte der Genii, der Lorne die Schulter ausgerenkt hatte, lapidar und gab dann einem seiner Männer den Befehl: „Holt sie da raus!“

Einer der Männer fingerte einen Schlüssel hervor, öffnete das Schloss und ließ die beiden Genii aus der Zelle. Dann schubste er Lorne hinein, so dass dieser stolperte und sich gerade noch mit der Hand an einem der Betten abstützen konnte um nicht auf seine verletzte Schulter zu fallen.
Kaufman und Rodriguez wurden ebenfalls mit einem Stoß zurück in die Zelle befördert. Die Türe wurde hinter ihnen zugeschlagen und wieder verriegelt.

„Keine Nahrungsmittel und Wasser mehr für die Geiseln heute. Ich will nicht, dass sie noch mal versuchen, auszubrechen“, wies der Anführer die anderen an und gab ihnen dann mit einer Kopfbewegung zu verstehen, mit ihm zu kommen.

„Unsere Leute werden bald kommen und uns befreien!“ schrie Lorne ihm hinterher, und der Genii wandte sich noch mal kurz nach ihm um, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen.

„Niemand wird sie befreien, Major. Ihre Leute halten sie längst für tot“, erwiderte er hämisch, wandte sich dann endgültig um und ging davon.

Lorne ließ sich mit einem Ächzen auf eine der Pritschen fallen. Seine Schulter schmerzte höllisch bei jeder noch so kleinen Bewegung.

„Sir?“ fragte Kaufman besorgt.

„Ich glaube der Mistkerl hat mir die Schulter ausgerenkt“, antwortete Lorne gepresst und versuchte, eine Sitzposition zu finden, in der der Schmerz in seiner Schulter halbwegs erträglich war. Er hielt den verletzten Arm mit der anderen Hand abgewinkelt gegen den Oberkörper gepresst. In dieser Position waren die Schmerzen erträglich, aber er spürte bereits dass seine Hand taub wurde und kribbelte.

„Ich habe eine Sani-Ausbildung. Ich kann mir die Schulter mal ansehen“, ließ sich daraufhin Rodriguez vernehmen und erhob sich vom Boden in der Ecke, in der er sich niedergelassen hatte.

Mit seiner Hilfe schaffte Lorne es, die schäbige schwarze Jacke auszuziehen, so dass Rodriguez die Schulter abtasten konnte. Die hierdurch verursachten Schmerzen waren so heftig, dass Lorne die Augen schließen musste, weil ihm schwindlig wurde.

„Eindeutig ausgerenkt, Sir. Ich kann ihnen die Schulter wieder einrenken, das wäre auch sinnvoll. Danach wäre es besser, aber ich fürchte, ohne Schmerzmittel wird es ziemlich weh tun“, verkündete Rodriguez schließlich.

„Es tut auch jetzt schon ziemlich weh“, gab Lorne trocken zurück. Im Moment schien ihm diese Aussicht verlockender als die Vorstellung, weiterhin mit einer ausgerenkten Schulter herumzusitzen, wenn es bedeutete, dass die Schmerzen danach weniger würden. Außerdem wäre er im Falle einer weiteren Konfrontation oder eines weiteren Fluchtversuches sicher von größerem Nutzen, wenn seine Schulter eingerenkt war.

Rodriguez setzte sich neben Lorne auf die Liege und griff sich seinen Arm. Lorne zuckte vor Schmerz zusammen als Rodriguez seinen Arm anhob, sich selbst über die Schulter legte und dann mit einer Hand den Oberarm seines Vorgesetzten ergriff und sich mit der anderen an dessen Schulter abstützte.

„Entspannen sie sich, Sir“, forderte Rodriguez ihn auf, und Lorne konnte sich ein bitteres Lächeln nicht verkneifen. Er wusste, auch ohne dass Rodriguez es hätte erwähnen müssen, dass jetzt erst der wirklich schmerzhafte Teil kam, und das mit dem Entspannen war leichter gesagt als getan angesichts dessen, was ihn erwartete.

Trotzdem atmete er einmal tief durch, versuchte seinen Arm so locker zu lassen wie es möglich war, biss die Zähne zusammen und nickte dann als Zeichen, dass er bereit sei. Rodriguez begann an Lornes Arm zu ziehen, erst leicht, dann immer stärker, und je stärker der Zug wurde, desto schlimmer wurden auch die Schmerzen.

Lorne spürte den Moment, als der Oberarmknochen wieder in das Gelenk zurück sprang, und obwohl es in diesem Moment so weh tat, dass er beinahe laut aufgeschrieen hätte, wusste er auch, dass es, wenn der augenblickliche Schmerz erst einmal nachgelassen hatte, besser sein würde. Rodriguez ließ Lornes Arm sinken und Lorne griff sich reflexartig an die verletzte Schulter. Er bemerkte erst jetzt, wo er nach Luft rang, dass er die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte.

„Sie sollten den Arm möglichst ruhig halten“, bemerkte Rodriguez, und Lorne verzog zynisch das Gesicht.

„Glauben sie mir, ich hatte nicht vor Gymnastik-Übungen zu machen“, erwiderte er trocken.

„Kann ich Sie was fragen, Major?“, fragte Kaufman unvermittelt aus seiner Ecke.

„Was denn?“ gab Lorne zurück.

„Glauben Sie, es stimmt, was er sagte?“ fragte Kaufman, „Ich meine, dass unsere Leute denken, dass wir tot sind?“

„Ich weiß, dass unsere Leute erst glauben werden dass wir tot sind, wenn sie unsere Leichen vor sich haben, völlig egal, was diese Typen behaupten“, antwortete Lorne überzeugt.

Er war sich ganz sicher, dass niemand in Atlantis so einfach glauben würde, dass sie tot waren, solange es dafür nicht einen unwiderlegbaren Beweis gab – wie eine Leiche zum Beispiel. Und er war auch überzeugt, dass – selbst wenn die anderen Anlass hatten, zu glauben, dass sie tot waren – irgendjemand nach ihren Leichen suchen würde. Das war doch einer der Grundsätze: Niemand wird zurückgelassen.

In der Zwischenzeit war es draußen dunkel geworden. Lorne bemerkte es, als er seinen Blick zum Fenster schweifen ließ.

„Wir sollten versuchen, ein wenig zu schlafen. Wir werden unsere Kräfte noch brauchen“, sagte er an seine Männer gewandt, welche daraufhin zustimmend nickten. Rodriguez und Kaufman rollten sich ohne Kommentar auf dem Boden zusammen, und überließen ihrem Vorgesetzten die Pritsche mit der Matratze.

Erleichtert schloss Lorne die Augen, sobald sein Kopf die Matratze auf der schäbigen Pritsche berührte. Er wusste nicht, ob es an den Schmerzen lag oder ob es noch Nachwirkungen des Betäubungsgases waren, die er spürte, aber er war plötzlich schrecklich müde. So müde, dass ihm im Moment nicht einmal der unangenehm muffige Geruch etwas ausmachte, der von der schmuddeligen Matratze ausging. Er zog die abgewetzte Jacke gegen die Kälte über sich, suchte sich eine bequeme Position und schlief fast augenblicklich ein.
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Nachdenklich blickte Elizabeth auf den Bildschirm ihres Laptops, doch wie so oft seit dem Beginn der Ereignisse war sie nicht in der Lage, sich auf das zu konzentrieren, was sie sah. Die Anspannung wurde immer schlimmer.

Nach den Verhandlungen mit Ladon hatte sie gestern Abend John und Rodney auf den Genii-Planeten geschickt, um Cowen über Ladons geplanten Coup zu informieren. Nachdem Cowen ihnen vor einigen Monaten die beiden Prototypen überlassen hatte, hatte sie das langsam besser werdende Verhältnis zu ihm nicht gefährden wollen.

John und Rodney waren wohlbehalten zurückgekehrt – auch wenn sie es nicht hatte zugeben wollen, sie hatte sich nicht wohl gefühlt bei dem Gedanken, die beiden in die Höhle des Löwen zu schicken.

Nach einer schlaflosen Nacht in ihrem Quartier, die sie damit zugebracht hatte, an die Decke zu starren und sich im Geiste alle möglichen Szenarien über den Verbleib von Lorne und seinen Männern auszumalen, ohne dabei eine plausible Erklärung für das alles zu finden, war sie am Morgen übernächtigt und mit drei Tassen Kaffee in einen halbwegs wachen Zustand versetzt in den Kontrollraum gegangen.

John hatte ihr mitgeteilt, dass der Marine, den er zu Ladons Beschattung auf dem Planeten, auf dem sie den Genii abgeholt hatten, zurückgelassen hatte, diesem nach M6R-867 gefolgt war. Sie hatte John erlaubt, die Operation vorzubereiten, um das ZPM notfalls an sich zu bringen. Vor etwa einer Stunde waren die Männer aufgebrochen. Nun konnte sie nur warten und hoffen, dass das alles gut gehen würde.

Sie wusste, dass Lorne und seine Männer vermutlich noch am Leben waren – sicher sein konnte sie sich dessen natürlich nicht, aber sie hielt sich an dieser Chance fest. Vielleicht waren sie sogar auf dem Planeten, auf den John und Rodney gegangen waren. Vielleicht würden die beiden ihn und seine Männer sogar dort finden. Sie wusste dass es unwahrscheinlich war, aber sie klammerte sich an den Gedanken.
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Das erste, was Major Lorne wahrnahm als er aufwachte, war der dumpfe, pochende Schmerz in seiner linken Schulter. Einen Augenblick war ihm nicht ganz klar, was los war und wo er sich befand, doch langsam lichtete sich der Nebel und die Erinnerungen an die Geschehnisse des letzten Tages kehrten zurück.

Mühsam schwang er die Beine über die Bettkante und setzte sich auf, wobei ein scharfer Schmerz seine Schulter durchzuckte und ihn leise aufstöhnen ließ.

„Alles in Ordnung, Sir?“ fragte Kaufman besorgt. Lorne sah sich um und stellte fest, dass die anderen beiden Männer bereits wach waren und mit dem Rücken an die Zellenwand gelehnt da saßen.

„Wie geht es ihrem Arm?“ fragte Rodriguez. Ein wenig zaghaft bewegte Lorne den Arm. Zwar schmerzte noch immer jede kleine Bewegung, aber es war zumindest nicht mehr ganz so schlimm wie noch am Vorabend.

„Schon besser, danke“, erwiderte er und fragte dann: „Gibt es etwas Neues?“

Die beiden anderen Männer schüttelten verneinend den Kopf.

„Nein, aber ich hab das Gefühl draußen tut sich irgendwas“, antwortete Kaufman.

In der Ferne hörten sie die Genii-Soldaten hin und her eilen, hörten Fahrzeuge kommen und gehen, Türen, die sich öffneten und schlossen, doch in der Nähe ihrer Zelle ließ sich niemand blicken.
Alles, was sie tun konnten, war warten, und so warteten sie Stunde um Stunde, bis sie irgendwann in der Ferne Schritte und Stimmen hörten, die sich ihnen näherten.

Bei dem Geräusch sprangen alle drei aus Reflex auf. Es waren mehrere Personen, und nach dem Klang zu urteilen, trugen einige von ihnen eine schwere Last.

Es dauerte nicht lange, bis mehrere Genii auftauchten, einige von ihnen trugen mehrere leblose Körper zwischen sich. Lorne erkannte sofort die Uniformen von Atlantis, und in seine Freude darüber, dass man sie tatsächlich nicht aufgegeben hatte und jemand zu ihrer Rettung gekommen war, mischte sich Ernüchterung darüber, dass der Versuch offensichtlich fehlgeschlagen war.

Einer der Genii schloss die Türe der Zelle auf, die anderen warfen ihre menschliche Fracht achtlos in die Zelle, wo die reglosen Körper grotesk verrenkt und teilweise halb übereinander auf dem Boden liegen blieben.

Dann wurde die Türe wieder geschlossen und verriegelt, und die Genii gingen davon, ohne ein einziges Wort an ihre Gefangenen gerichtet zu haben.

Lorne gab seinen Männern mit dem Kopf ein Zeichen, gemeinsam zogen sie die Körper ihrer leblosen Kameraden auseinander und legten sie nebeneinander auf den Boden. Alle waren am Leben, aber bewusstlos. Entweder waren sie mit einem Betäuber ausgeschaltet worden oder mit dem ominösen Gas, von dem Jolan gesprochen hatte.

Lorne stellte fest, dass McKay unter den Männern war, nicht jedoch Sheppard. Doch Lorne war sich sicher, dass Sheppard auf jeden Fall auch auf die Rettungsmission gegangen war. Vielleicht hatten sie sich aufgeteilt in zwei Gruppen, und nur McKays Gruppe war den Genii in die Hände gefallen. Vielleicht war Sheppard noch da draußen und versuchte gerade in diesem Moment, sie alle zu befreien.

Lorne hätte wer weiß was dafür gegeben, irgendetwas tun zu können, irgendetwas, das den anderen helfen, das ihnen die Flucht ermöglichen würde, doch eingesperrt in diese Zelle, ihrer kompletten Ausrüstung beraubt, durch seine Verletzung und mehrere bewusstlose Kameraden eingeschränkt, waren sie weiterhin zur Untätigkeit verdammt.

Irgendwann – er wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war, aber er schätzte dass es etwa eine halbe Stunde war – hörten sie schließlich Schritte, die sich näherten, und dann zwei Stimmen, die sich unterhielten. Lorne und die anderen beiden wechselten einen Blick. Die eine Stimme war eindeutig die Sheppards.

Die ersten Worte, die sie verstehen konnten, waren: „Nun wenn sie das Antikergen meinen – so arbeite ich gerade an einer Möglichkeit, es auf künstlichem Weg zu produzieren – ehrlich gesagt sammle ich schon seit geraumer Zeit Proben“, berichtete jemand stolz, dessen Stimme sie nicht kannten. Im selben Moment erschienen Sheppard und ein fremder Genii in der Halle, und Lorne stellte resigniert fest, dass Sheppard eindeutig der Gefangene des Genii war.

„Von wem?” fragte Sheppard beinahe spöttisch zurück und stoppte neben Ladon vor der Zelle.

Ladon steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Als die Türe aufging, erhoben sich Lorne, Rodriguez und Kaufman.

„Lorne!” stieß Sheppard aus, als er sie sah, und die Überraschung in seiner Stimme verriet Lorne, dass das Team wohl keineswegs gekommen war, um sie zu retten. sie schienen nicht einmal gewusst zu haben, dass sie hier waren. Dass man sie gefunden hatte war wohl reiner Zufall.

„Dämmert es allmählich, Colonel?“, fragte Ladon an Sheppard gerichtet.

„Allmählich, ja“, antwortete Sheppard. Dann wurde er ohne weitere Kommentare in die Zelle geschoben und die Türe wieder hinter ihm verriegelt.

„Major. Jungs.“ grüßte er die Insassen der Zelle, die bei Bewusstsein waren. Ladon wandte sich um und ging davon, ohne den Gefangenen noch eines Blickes zu würdigen. Lorne blickte ihm von seiner Seite des Gitters aus mit wütendem Blick hinterher, und Sheppard gesellte sich zu ihm.

„Colonel”, erwiderte Lorne den Gruß seines Vorgesetzten.

„Wie schön, dass sie noch am Leben sind“, bemerkte Sheppard in seinem üblichen ein wenig sarkastischen Tonfall. Lorne hätte beinahe einen spöttischen Laut von sich gegeben.

„Danke, Sir“, antwortete er nicht minder zynisch und fügte nach einem Moment mit einem kurzen Seitenblick auf Sheppard an: „Und – Sie holen uns hier raus?“

„Nun, noch vor einem Moment hielt ich Sie für tot, aber jetzt da Sie vor mir stehen, in Fleisch und Blut – spiele ich mit dem Gedanken, ja“, erwiderte Sheppard.

“Nun dann - sagen Sie mir Bescheid, wenn wir irgendwie helfen können“, erwiderte Lorne trocken.

„Es stimmte also, dass Sie dachten wir seien tot?”, fragte Rodriguez von seiner Ecke der Zelle. Sheppard wandte sich zu ihm um und nickte.

„Wir haben auf 177 drei verbrannte Leichen gefunden, die ihre Ausrüstung und Hundemarken trugen. Dr. Beckett konnte nur anhand einer DNA-Analyse feststellen, dass es sich dabei nicht wirklich um Sie handelt“, erklärte Sheppard und ließ sich neben Rodneys bewusstlosem Körper auf dem Boden nieder.

„Und warum sind Sie dann her gekommen?“ wunderte Rodriguez sich und beeilte sich dann anzufügen: „Was nicht heißen soll, dass ich nicht froh wäre, dass Sie hier sind, Sir.“

„Das ist eine verdammt lange Geschichte“, erwiderte Sheppard, und auf die auffordernden Blicke der anderen hin begann er, zu berichten.
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Unruhig wanderte Elizabeth im Kontrollraum auf und ab. Sie wusste, dass sie souverän sein sollte, dass sie sich ihre Unruhe und Sorge nicht so anmerken lassen sollte. Immerhin war sie die Anführerin der Expedition, und alle anderen blickten jetzt auf sie. Sie sollte ruhig und gefasst wirken und Zuversicht ausstrahlen, doch im Moment war ihr das einfach unmöglich. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt und sie fürchtete, dass wenn sie sich zwingen würde, sich zu setzen und ruhig zu wirken, dass sie dann aus der Haut fahren würden.

Nach dem gestrigen Tag hatte es ausgesehen, als würde heute einiges besser laufen. John hatte die Mission durch das Tor angeführt, Ladon hatte die zwanzig Genii als Unterpfand geschickt, wie verabredet, und Elizabeth hatte sich in der stärkeren Position gefühlt.

Doch es war weiter gegangen, Schlag auf Schlag. Nur kurz nach den Genii waren Teyla und Ronon durch das Gate gekommen. Die Informationen, die sie brachten, waren nicht besonders erhebend. Offenbar hatten die Dorfbewohner Lorne und seine Männer für ein Kopfgeld verkauft. Und laut Carsons Autopsie waren die Leichen, die man als Lorne und seine Männer hatten ausgeben wollen, Genii, die an radioaktiver Strahlung gestorben waren.

Ihr Versuch, John und das Special Ops Team, das sie losgeschickt hatte, zurückzuholen, war fehlgeschlagen, stattdessen hatte sie erfahren müssen, dass Ladon und Cowen die ganze Zeit unter einer Decke gesteckt hatten, und dass dies alles nur ein hinterhältiger Plan war, die Puddle Jumper von ihnen zu erpressen. Sie hatte versucht, ihre Leute gegen die Genii einzutauschen, nur um erfahren zu müssen, dass diese unheilbar krank waren, und sich freiwillig für ein Himmelfahrtskommando gemeldet hatten.

Und nun saßen sie da, mit einem Ultimatum, das bereits abgelaufen war, und Cowens Behauptung, dass er Sheppard nun töten würde. Danach würde das Ultimatum für McKays Leben beginnen, und auch er würde sterben, sollte sie bis dahin nicht alle Puddle Jumper durch das Tor gebracht und Cowen übergeben haben.

„Irgendetwas?“ fragte sie den jungen Techniker an den Kontrollen, der aufmerksam die Anzeigen auf der Konsole vor sich beobachtete.

„Wir sind immer noch verbunden, aber er hat die Funkgeräte abgeschaltet. Ich bekomme kein Signal“, antwortete er dann.

„Verdammt! Elizabeth, was, wenn wir ihnen einen Jumper im Austausch für Colonel Sheppard bieten?“ schaltete sich nun Carson ein. Einen Moment lang dachte Elizabeth über diese Möglichkeit nach, doch sie verwarf sie sofort wieder.

„Carson – wir haben weniger als fünfzehn Minuten bevor sie McKay töten.“ erinnerte sie ihren Chefmediziner.

„Sie können so viele Jumper liefern, wie Sie wollen!“ grollte nun Ronon und machte einen großen Schritt nach vorne. „Sie werden alle töten. Wir müssen sie JETZT angreifen!“

Elizabeth blickte zu Ronon auf, und auch seine Empfehlung – wenn man das so nennen konnte – zog sie in Betracht. Doch was würde dann passieren? Ladon und Cowen hatten vermutlich eine große Anzahl Soldaten, und ein offener Kampf würde unweigerlich Todesopfer bedeuten, auf beiden Seiten, und am Ende würden vielleicht noch mehr Männer sterben.

Aber andererseits konnte sie doch nicht einfach hier sitzen und abwarten, und das Leben von Sheppard, McKay und den anderen opfern.

Sie wies Chuck, den Techniker an den Kontrollen des Tores, an, noch einmal zu versuchen jemanden über das Funkgerät zu erreichen, doch alles, was sie empfingen, war statisches Rauschen.
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Die kleine, bunt gemischte Gruppe folgte Ladon durch den auslandenden Komplex. Ladon war zu ihnen gekommen, um zu fragen ob Dr. Beckett die Genii, die sich in Atlantis befanden, tatsächlich heilen konnte, wie Dr. Weir behauptet hatte, und Sheppard hatte ihm versichert, dass, wenn es irgend jemand gab, der das konnte, es dann Dr. Beckett war. Daraufhin hatte Ladon sie befreit.

Diese Wendung war für sie alle völlig unvorbereitet gekommen. Nach allem, was geschehen war, hatte niemand von ihnen damit gerechnet, dass Ladon sich auf ihre Seite schlagen würde, waren sie doch bisher nichts anderes gewesen als Mittel zum Zweck.

Auch herrschte unter ihnen noch ein gewisses Misstrauen gegenüber Ladon und seinen Männern. Die Wende in seiner Gesinnung war so plötzlich gekommen, dass nicht nur Sheppard und Lorne dem Braten noch nicht ganz trauten. Dennoch war er die beste Chance für sie – die einzige Chance, die sie hatten, hier heraus zu kommen.

Jetzt folgten sie Ladon durch das Gewirr aus Hallen und Gängen, das sie hoffentlich in die Freiheit führen würde.

Lorne unterdrückte ein Seufzen, als ihnen plötzlich zwei bewaffnete Genii-Wachen entgegen kamen und sofort ihre Waffen hoben, als sie die Gruppe sahen. Es wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.

„Es ist alles in Ordnung. Wir eskortieren nur diese Gefangenen”, sagte Ladon, und was er sagte, klang offenbar sehr überzeugend, denn die beiden Wachen senkten ihre Waffen gleich wieder.

Dann ging auf einmal alles ganz schnell. Zwei von Ladons Männern rissen ihre Waffen hoch und feuerten blitzschnell ein paar Schüsse ab, die die anderen Wachen mitten in die Brust trafen. Beide sanken tödlich getroffen in sich zusammen, und zwei weitere von Ladons Männern liefen zur Türe, um zu überprüfen, ob die Luft rein war. Sie nickten Ladon zu, und dieser wandte sich an Sheppard:

„Es gibt einen versteckten Gang in dieser Richtung. Wir sollten auf keinen weiteren Widerstand treffen.”

Ladon führte sie durch die Halle zu einer kleinen, unscheinbaren Türe, die er mit einem Schlüssel öffnete. Dahinter führte eine steile Treppe nach unten. Zwei von Ladons Männern zogen kleine Lampen hervor, die entfernte Ähnlichkeit mit den Taschenlampen die das US-Militär benutzte, aufwiesen. Die Lichtkegel erhellten den finsteren Treppenaufgang ein paar Meter weit, und Ladon gab zwei seiner Männer mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass sie vorangehen sollten.

Die beiden gingen voraus und Sheppard und Rodney folgten ihnen sofort. Die anderen Männer aus Sheppards Team sowie Kaufman und Rodriguez folgten ihnen, und auch Lorne schloss sich ihnen an. Ladon und zwei seiner Männer bildeten die Nachhut.

Der Gang, in den die steile Treppe mündete, war schmal und niedrig und an der Decke führten die selben endlosen Rohrleitungen entlang wie an der Decke des Ganges, durch den sie gestern versucht hatten, zu fliehen. Der Gang führte offenbar unter dem Komplex hindurch.

Nach einer Weile wurde in der Ferne ein schwacher Lichtschein sichtbar, der immer stärker wurde, je weiter sie gingen. Als sie den Ausgang erreicht hatten, waren alle im ersten Moment vom grellen Tageslicht geblendet, und sie mussten einen Moment warten, bevor sie weiter gehen konnten.

Lorne hörte McKay, wie er sich darüber beschwerte, dass er keine Sonnenbrille mehr hatte, um seine Augen zu schützen, und schüttelte den Kopf. McKay sollte froh sein, mit dem Leben davon gekommen zu sein, denn noch vor weniger als einer halben Stunde war ihr Tod bereits beschlossene Sache gewesen.

„Das Tor liegt in dieser Richtung“, ließ sich jetzt Ladon vernehmen und deutete in Richtung einer Hügelkette am Horizont. „Wir müssen uns beeilen, wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Ladons Männer gingen wieder voran und fielen sofort in einen leichten Dauerlauf, und Lorne hatte Mühe, mit ihnen mitzuhalten. Seine Schulter schmerzte beim Laufen ziemlich, was es ihm nicht leichter machte, die Geschwindigkeit aufrecht zu halten.

Er war erleichtert, als sie schließlich das Tor erreichten, das offenbar immer noch aktiv war.

„Wir haben das Tor vorhin angewählt. Die Verbindung nach Atlantis besteht noch“, erklärte Ladon und zog ein kleines Gerät aus der Tasche. Es war einer der Sender, den sie auf Atlantis verwendeten um ihre I.D.-Codes zu übermitteln.

„Ich denke, Sie brauchen das hier“, wandte sich Ladon an McKay und reichte diesem das Gerät. Ein paar Sekunden lang starrte McKay ein wenig perplex auf den Sender in seiner Hand, bis schließlich Sheppard ihn mit den Worten „Na los, McKay, machen Sie schon!“ aus seiner Starre riss.

Der Wissenschaftler drehte sich in Richtung des Tores, gab seinen Code ein, wandte sich dann zu Sheppard um und nickte ihm zu.

„Hat es funktioniert?“ fragte Ladon ebenfalls in Sheppards Richtung.

„Wenn nicht, werden wir es gleich wissen“, erwiderte Sheppard und wies seine Leute mit einer Handbewegung an, durch das Tor zu gehen. Ladon nickte seinen Männern ebenfalls zu und gab ihnen den Befehl: „Händigt Eure Waffen aus, sobald Ihr auf der anderen Seite seid.“
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„Empfange Doktor McKays I.D.-Code!”, rief Chuck plötzlich, und seine Worte, die die angespannte Stille zerrissen, ließ alle zusammenzucken.

„Verteidigungsteams in Bereitschaft!” rief Elizabeth hinunter in den Gateraum und wandte sich dann zu Chuck um: „Schild runterfahren.”

Im nächsten Moment lief sie los in Richtung der Treppen, die hinunter in den Gateraum führten, während der Schutzschild kurz flackerte und dann verschwand. Nur Augenblicke später kamen die ersten Personen durch das Gate. Es waren Genii und einige der Marines, die mit Colonel Sheppard aufgebrochen waren, um das andere Team zu befreien.

Die Genii hoben sofort die Hände und händigten, ohne Widerstand zu leisten, ihre Waffen an die Marines aus, die im Gateraum gewartet hatten, und sie nun in Empfang nahmen.

Irgendwo zwischen den Männern entdeckte sie Rodney, der ihr zuwinkte und sofort auf sie zu kam.

„Rodney!“ rief sie und lief auf ihn zu. Sie trafen sich inmitten des Gateraums, umrundet von Marines und Genii.

„Es ist Ladon. Er lässt uns gehen, im Austausch für seine Leute“, berichtete Rodney aufgeregt.

”Ladon ist an der Macht?” fragte Elizabeth verwundert. Sie war aus ihren Zeiten als Diplomatin für die UN gewohnt, dass sich Situationen sehr abrupt ändern konnten, doch die ganzen Wendungen, die die Ereignisse in den letzten Stunden genommen hatten, machten sie langsam schwindlig.

„Das wird er bald sein“, entgegnete Rodney.

„Er hatte tatsächlich einen Coup geplant“, stellte Elizabeth fest.

„Offensichtlich war das alles Teil des Plans”, antwortete McKay. Elizabeth ließ den Blick über die Männer schweifen. Sie sahen erschöpft aus, ein wenig malträtiert, aber auf den ersten Blick schien keiner von ihnen ernsthafte Verletzungen davongetragen zu haben.

Sie fing einen Blick von Major Lorne auf, der inmitten des Chaos aus seinen Leuten, Marines und sich ergebenden Genii-Soldaten stand und sie ansah, und unwillkürlich musste sie lächeln. Sie war selbst erstaunt, wie erleichtert sie war, ihn zu sehen, zu sehen dass er am Leben war.

Colonel Sheppard erregte ihre Aufmerksamkeit, als er in diesem Moment durch den Ereignishorizont trat, gefolgt von Ladon. Beide blieben vor dem Tor stehen, und Ladon hob seine Hand zum Mund, um etwas in das Funkgerät zu sagen, das er am Handgelenk trug. Sie konnte nicht verstehen, was er sagte, die Stimmen der Männer, die direkt neben ihr standen, übertönten Ladons Worte.

„Schild hoch!”, rief Sheppard im nächsten Moment laut durch den Gateraum, und wie immer wurde seinem Befehl sofort Folge geleistet. Nur Augenblicke später aktivierte sich der Schutzschild. Keine Sekunde zu früh, denn gleich darauf zuckte ein greller Lichtblitz im Ereignishorizont auf, und der gesamte Gateraum wurde heftig durchgeschüttelt.

Elizabeth wäre beinahe gestürzt, weil sie völlig unvorbereitet war. Sie verlor das Gleichgewicht, ihre Hand suchte nach etwas, woran sie Halt fand, griff jedoch ins Leere. Im nächsten Moment spürte sie, wie eine Hand ihren Arm ergriff und sie festhielt, bis sie – als die Erschütterung verklungen war – ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte.

„Danke“, murmelte sie, und als sie aufsah, blickte sie in das Gesicht von Major Lorne. Er ließ ihren Arm los, nachdem er ihn einen Moment länger fest gehalten hatte, als nötig gewesen wäre, und lächelte dabei.

Elizabeth nahm sich einen Moment, um ihn anzusehen. Er war bleich, was kein Wunder war, nach allem was er durchgemacht hatte, er war schmutzig, genau wie die schäbigen abgetragenen Kleider die er an hatte, aber er lächelte, und seine Augen funkelten dabei jungenhaft. Er war offensichtlich froh, zurück zu sein, und einen Moment regte sich in ihr die Hoffnung, dass er vielleicht froh war, sie zu sehen.

„Major“, sagte sie und erwiderte sein Lächeln.

„Dr. Weir“, antwortete er.

Elizabeth wollte etwas sagen – irgend etwas Geistreicheres als Major, doch in dem Moment sah sie aus den Augenwinkeln heraus, dass Ladon und Sheppard auf sie zu kamen, und sie seufzte innerlich, weil sie einmal mehr ihre Aufmerksamkeit auf die Genii und ihren Coup konzentrieren musste.

Wie selbstverständlich nahm Lorne den Platz an Elizabeths Seite ein, und Elizabeth lächelte verhalten. Es fühlte sich gut an, ihn wieder an ihrer Seite zu haben, doch nun musste sie sich auf Ladon konzentrieren.

Er hatte seine Waffe an Sheppard ausgehändigt, der einen Schritt hinter dem anderen stand. Ohne auch nur eine Begrüßung von sich zu geben oder irgendeine Erklärung zu liefern, für das was in den letzten beiden Tagen vorgefallen war, blieb Ladon vor ihr stehen und konstatierte nur: „Und nun würde ich gerne meine Schwester sehen.“

Elizabeth nickte bestätigend und wandte sich dann zu Lorne um.

„Ich möchte, dass sie und ihre Männer in die Krankenstation gehen und sich gründlich untersuchen lassen. Ich möchte sicher gehen, dass sie keiner Strahlung ausgesetzt waren und auch sonst in Ordnung sind.“ sagte sie, und obwohl sie sich, während sie sprach, auch zu Sheppard umwandte und ihre Worte ganz offensichtlich an sie beide gerichtet waren, hatte Lorne in diesem Augenblick das Gefühl, dass ihre Besorgnis ganz besonders ihm galt. Doch vielleicht war das auch nur reines Wunschdenken.

Sheppard beantwortete Weirs Aufforderung mit einem Nicken und winkte dann seine Männer mit sich.

Dann wandte Elizabeth wieder an Ladon.

„Kommen Sie. Ich begleite Sie auf die Krankenstation.“
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Elizabeth ging den Flur entlang in Richtung der Krankenstation. Ladon und seine Männer waren auf ihren Planeten zurückgekehrt, um dort die Macht zu übernehmen. Sie hatten versprochen, Atlantis über den Stand der Entwicklung zu benachrichtigen, doch bisher war noch zu wenig Zeit vergangen, um mit irgendwelchen Nachrichten rechnen zu können. Also hatte sie beschlossen, nach ihren Leuten zu sehen.

Sie bog um die Ecke, durch die offene Türe der Krankenstation, und wurde von einer der Krankenschwestern wortlos in einen der Behandlungsräume geschickt. Die junge Frau wusste offenbar, warum sie hier war.

Elizabeth betrat den Behandlungsraum und blieb wie angewurzelt stehen. Major Lorne saß auf einer der Behandlungsliegen und war gerade dabei, sein T-Shirt wieder anzuziehen. Er bewegte seinen Arm sehr vorsichtig, was verriet, dass er noch immer Schmerzen hatte, und Elizabeth sah ihn mitfühlend an. Zum Glück steckte sein Kopf noch irgendwo zwischen dem Stoff seines T-Shirts fest, so dass er ihren Blick nicht bemerkt hatte.

Verlegen wandte sie die Augen ab und war dankbar, als Carson auf sie zu kam, um sie über die Verfassung der Männer zu informieren.

„Elizabeth!“, begrüßte Carson sie, und als ihr Name fiel, blickte Lorne, der es inzwischen geschafft hatte, sich in sein T-Shirt zu kämpfen, auf. Ihre Blicke begegneten sich kurz, während eine der Schwestern zu Lorne trat, und aus einem großen Dreieckstuch eine Schlinge band, in die er seinen Arm legte, dann wandte sich Elizabeth Carson zu.

„Carson“, erwiderte sie. „Wie geht es allen?“

„Lieutenant Kaufman, Captain Rodriguez und alle Männer aus Colonel Sheppards Team sind bis auf ein paar leichte Prellungen unverletzt. Major Lorne ...“ Carson unterbrach sich einen Moment und sowohl er als auch Elizabeth wandten den Kopf in Lornes Richtung, der gerade versuchte, in seine Uniformjacke zu kommen, ohne seinen verletzten Arm zu sehr zu bewegen, „... hatte eine ausgerenkte Schulter. Rodriguez hat sie wieder eingerenkt – ziemlich fachmännisch, wenn ich das bemerken darf – und der Major wird nur ein paar Wochen kürzer treten müssen. Sie hatten alle großes Glück. Ich konnte bei niemandem erhöhte Strahlungswerte feststellen.“

„Dann wird niemand irgendwelche bleibenden Schäden davon tragen?“, vergewisserte sich Elizabeth noch einmal, und Carson bestätigte mit einem glücklichen „Aye.“

„Ich möchte, dass Sie alle die nächsten Tage noch im Auge behalten. Keiner von ihnen wird auf irgendwelche Missionen gehen, bevor Sie nicht ihr OK gegeben haben“, stellte Elizabeth klar, und Carson nickte bestätigend.

„Ich werde mich gut um alle kümmern“, versicherte er ihr. Elizabeth lächelte ihn dankbar an und wandte sich dann zum Gehen. Sie hielt kurz inne und warf Lorne einen kurzen Blick zu, den er lächelnd erwiderte.

Nachdem Elizabeth die Krankenstation wieder verlassen hatte, wandte sich Carson seinem einzigen verbleibenden Patienten zu. Er machte ein paar Notizen in das Krankenblatt des Majors, während er zu ihm an das Behandlungsbett trat

„Kann ich gehen, Doc?“ fragte Lorne hoffnungsvoll und machte Anstalten, von dem Behandlungsbett aufzustehen. Dr. Beckett warf ihm einen strengen Blick zu, der Lorne unwillkürlich innehalten ließ.

„Wenn Sie mir versprechen, dass Sie in ihr Quartier gehen, sich ausruhen und übermorgen her kommen, damit ich mir die Schulter ansehen kann“, betonte Beckett. Lorne hob die Hand wie zum Schwur.

„Ehrenwort“, antwortete er. „Ich will nur endlich eine heiße Dusche und mein eigenes Bett.“ Beckett lächelte und nickte.

„Na dann – raus mit ihnen.“

Das ließ sich Lorne nicht zweimal sagen. Er rutschte von der Liege herunter und verließ die Krankenstation. Auf dem Weg zu seinem Quartier begegneten ihm nur wenige Personen. Er erwiderte ihren Gruß mit einem knappen Nicken und war schließlich froh, als er seine Unterkunft erreicht hatte.

Mit einem tiefen Seufzen streifte er seine Jacke ab und warf sie über einen Stuhl, löste die Schnürsenkel seiner Stiefel und ließ die Schuhe dann da liegen, wo er sie ausgezogen hatte, mitten im Raum. Er durchquerte das Zimmer in Richtung des Bades, wobei er auf dem Weg zuerst sein T-Shirt und dann seine Hose einfach auf den Boden fallen ließ, nachdem er sie abgestreift hatte. Im Badezimmer entledigte er sich schließlich noch der Socken und der Unterwäsche und stieg dann in die Dusche.

Das heiße Wasser tat seinen schmerzenden Muskeln gut, auch wenn es auf seiner verletzten Schulter eher unangenehm war. Er stellte das Wasser ein wenig kühler ein und begann dann, sich einzuseifen. Nachdem er zwei komplette Tage in den schäbigen schmutzigen Kleidern irgendeines fremden Genii gesteckt hatte und ohne die Möglichkeit, sich auch nur zu waschen hatte auskommen müssen, fühlte er sich, als hätte ihn jemand im Schmutz gewälzt.

Es überraschte ihn nicht, zu sehen, dass das Wasser, das im Abfluss verschwand, eine deutliche Graufärbung hatte. Er seifte sich dreimal von Kopf bis Fuß ein, wusch sein Haar ebenfalls dreimal mit Shampoo und blieb danach noch eine Weile in der Dusche stehen, mit einem Arm an der Wand abgestützt, den Kopf gesenkt und ließ sich das warme Wasser auf Kopf und Rücken prasseln.

Nach einer Weile fühlte er sich völlig aufgeweicht, und auch wenn er den Eindruck hatte, dass der muffige Geruch der Kleider und der Matratze noch immer an ihm haftete, stellte er das Wasser ab und angelte mit seinem unverletzten Arm nach seinem Handtuch.

Er stieg aus der Dusche, trocknete sich – so gut es mit einem Arm ging - ab und ging dann wieder nach nebenan in sein Schlafzimmer. Er stieg über die Kleider und Schuhe am Boden hinweg – er würde sie morgen wegräumen, jetzt wollte er nur noch seine Ruhe. Er zog ein paar frische Boxershorts aus der Schublade seiner Kommode, zog sie an und kroch dann in sein Bett.

Er war so müde, dass er geglaubt hatte, er würde einschlafen, sobald sein Kopf das weiche Kissen berührte, doch er hatte sich getäuscht. Nachdem er das Licht gelöscht hatte, lag er eine ganze Weile auf dem Rücken, starrte an die Decke und auf die Muster, die das Mondlicht von draußen durch die Fenster an die gegenüberliegende Wand warf, aber einschlafen konnte er nicht. So müde sein Körper war, so hellwach schien sein Geist plötzlich zu sein.

Schließlich schlug er frustriert die Decke zurück. setzte sich auf und schaltete das Licht wieder an. Er zog eine Jeans und ein warmes Sweatshirt aus seiner Kommode und schlüpfte hinein. Er hatte einige seiner privaten Kleidungsstücke mit nach Atlantis gebracht, und jetzt war er froh darum, einmal nicht seine Uniform tragen zu müssen. Nachdem er Socken und ein Paar Schuhe angezogen hatte, zog er schließlich seine alte Lederjacke aus dem Kleiderschrank und verließ er sein Quartier mit unbestimmtem Ziel.
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Elizabeth ging durch die Flure der Stadt. Es war dunkel draußen, schon vor Stunden war die Sonne untergegangen. Nachdem John mit der Nachricht von Ladons erfolgreichem Coup zu ihr gekommen war und sich dann verabschiedet hatte, um sich zurück zu ziehen, war sie in ihrem Büro zurück geblieben.

Eine Weile hatte sie versucht, sich auf die Datei auf ihrem Bildschirm zu konzentrieren, doch es war ihr nicht gelungen. Schließlich hatte sie ihr Büro verlassen. Sie hatte sich zu Fuß auf den Weg zu ihrem Quartier gemacht, hatte absichtlich nicht den Transporter benutzt, weil sie die Bewegung gebraucht hatte, weil sie es gebraucht hatte, alleine durch die Stadt zu gehen.

Als sie schließlich an einem der Balkone vorbei kam, stoppte sie. Der Balkon lag auf derselben Ebene wie ihr Quartier. Manchmal nachts, wenn sie nicht schlafen konnte, kam sie hier her, saß auf den Stufen und blickte hinauf in die Sterne.

Sie spürte bereits, dass sie heute Nacht nicht würde schlafen können. Sie konnte genauso gut gleich auf den Balkon hinausgehen, anstatt sich die Mühe zu machen, zuerst ihr Quartier aufzusuchen, sich umzuziehen und zu versuchen zu schlafen.

Als sie hinaus auf den Balkon trat, wäre sie beinahe buchstäblich über Major Lorne gestolpert, der auf der obersten der drei Stufen hockte, die zur unteren Ebene des Balkons führten. Er sah kurz auf, als er ihre Schritte hinter sich hörte, doch er schien nicht überrascht zu sein, sie zu sehen, obwohl es spät in der Nacht und bereits seit einigen Stunden dunkel war.

„Major!“ sagte sie verwundert. Er lächelte nur kurz, grüßte sie mit den Worten „Dr. Weir“ und blickte dann wieder hinaus in die Dunkelheit. Seine Stimme und seine Körperhaltung verrieten seine Erschöpfung, und Elizabeth fragte sich, warum er nicht in seinem Quartier war und schlief. Er hatte es sich weiß Gott verdient.

„Warum sind sie so spät noch unterwegs?“ fragte er, offensichtlich bemüht, kein unangenehmes Schweigen aufkommen zu lassen.

„Dasselbe könnte ich Sie fragen“, erwiderte Elizabeth, wobei sie ihn eingehend musterte. Er trug zivile Kleider, eine Jeans, ein Sweatshirt und eine Lederjacke darüber, und sie stellte erstaunt fest, dass sie ihn noch nie in anderen Kleidern als seiner Uniform gesehen hatte. Nach ein paar Sekunden fügte sie noch an: „Hat Dr. Beckett Sie aus der Krankenstation entlassen?“

Lorne nickte nachdenklich, und erst nach ein paar Augenblicken antwortete er: „Ja. Er hat mir das Versprechen abgenommen, mich auszuruhen, und hat mich in mein Quartier entlassen.“

„Und warum sind sie dann nicht in ihrem Quartier und halten sich an die ärztlichen Anordnungen?“, fragte sie und ließ sich neben Lorne auf der obersten Treppenstufe nieder. Er sah nur einen Moment auf, als sie neben ihn rutschte und seufzte dann.

„Ich KANN nicht schlafen“, erwiderte er dann. Elizabeth runzelte die Stirn. Mit einer raschen Handbewegung nahm sie ihr Headset heraus und legte es neben sich auf den Boden.

Sie hatte geglaubt, dass er auf ihren lockeren Tonfall eingehen würde, war er doch sonst nie etwas anderes als gutgelaunt und unverkrampft. Doch seine Stimme klang im Moment nur müde und niedergeschlagen.

Erst jetzt wurde ihr klar, dass die Ereignisse, die hinter ihnen lagen, auch ihn mitgenommen haben mussten, mehr als sie geahnt hatte und mehr, als er es nach seiner Rückkehr gezeigt hatte.

„Ich kann auch nicht schlafen“, erklärte sie nachdenklich, wobei sie die Beine dicht an den Körper zog und die Arme darum schlang. Die Nachtluft war kühl, und der frische Wind ließ sie frösteln. Sie hatte ihre Jacke in ihrem Büro hängen lassen, weil sie geglaubt hatte, gleich in ihr Quartier zu gehen, aber jetzt wünschte sie, sie hätte sie doch mitgenommen.

Er wandte den Kopf leicht in ihre Richtung, und sie spürte seinen Blick auf sich mehr, als dass sie es tatsächlich sehen konnte.

„Oh – hey – ist Ihnen kalt? Warten Sie!“ Noch während er sprach, zog er, ohne ihre Antwort abzuwarten, seine Jacke aus – seine Bewegungen waren vorsichtig und verrieten, dass seine Schulter offensichtlich schmerzte – und legte sie ihr dann vorsichtig um die Schultern. Die Jacke war noch warm von seinem Körper, und die Wärme ließ sie in diesem Moment erst bemerken, wie kalt ihr wirklich war.

Er hatte sich zu ihr herübergelehnt, als er ihr seine Jacke umgelegt hatte, und für einen Moment hatte sie seinen Arm gespürt, der ihren Rücken gestreift hatte. Vielleicht hatte sie es sich eingebildet, doch es war ihr so vorgekommen, als hätte er seinen Arm langsamer zurückgezogen, als nötig gewesen wäre.

Elizabeth schauderte, nicht sicher, ob es von der Kälte kam oder von dem Gefühl seiner Jacke auf ihren nackten Armen und der kurzen Berührung ihrer beiden Körper. Sie zog die Jacke enger um ihre Schultern und atmete den Geruch ein, der davon ausging. Es war ein angenehmer Geruch, nach Leder und Aftershave, stark und männlich, und Elizabeth atmete unwillkürlich tiefer.

„Danke, Major.“ Sie wandte den Kopf nach ihm um, und ihre Augen hatten sich inzwischen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie sein Gesicht deutlich sehen konnte. Er hatte sich nach vorne gelehnt, den Ellbogen seines gesunden Armes auf dem Knie abgestützt und blickte nachdenklich auf seine Hände.

„Sind sie in Ordnung?“ fragte sie vorsichtig. Er sah zu ihr und verzog das Gesicht zu einem kurzen, ein wenig kläglichen Lächeln.

„Werde ich bald wieder sein“, versicherte er ihr. Er wirkte in diesem Moment sehr verletzlich, und in Elizabeth flammte unwillkürlich der Wunsch auf, ihn tröstend in die Arme zu nehmen.

Sie wollte gerade etwas sagen, als Lorne plötzlich fortfuhr:

„Ich hätte da draußen sterben können. Hätten Sie Ladon nicht überzeugt, dass seine Schwester geheilt werden kann, hätte er uns auf dem Planeten zurückgelassen. Dann hätte die Atombombe ...“ er unterbrach sich, wandte den Blick wieder hinaus in die Dunkelheit und fuhr dann nach ein paar Augenblicken fort: „Er war bereit, uns einfach zu opfern. Wir wären nicht mehr als ein vertretbarer Kollateralschaden gewesen. Das macht einen nachdenklich.“

Elizabeth nickte gedankenvoll. Die Ereignisse hatten auch sie nachdenklich gestimmt.

„Ich bin sehr froh, dass Sie alle wohlbehalten zurückgekommen sind ...“ murmelte Elizabeth schließlich.

Wieder einmal spürte Lorne einen Stich bei ihren Worten. Sie alle, hatte sie gesagt und ihn schmerzhaft daran erinnert, dass er für sie nur einer unter vielen war, doch dann erstarrte er, als er sie leise anfügen hörte:

„Ich bin sehr froh, dass SIE wohlbehalten zurückgekommen sind.“

Langsam wandte Lorne sich zu ihr um, doch Elizabeth wich seinem Blick aus. Sie hatte gesehen, wie er erstarrt war, als er sie „Sie alle“ hatte sagen hören. Sie hatte einen Moment lang mit sich gerungen, ob sie es aussprechen sollte, ob sie tatsächlich sagen sollte, was sie wirklich sagen wollte, auch auf die Gefahr hin, dass sie sich vielleicht blamierte oder sich eine Abfuhr einhandelte und ihm danach nie wieder würde ins Gesicht blicken konnte, ohne sich peinlich berührt zu fühlen.

Als sie sich nach einer Weile schließlich überwand und sich ihm zuwandte, stellte sie fest, dass er sie noch immer beobachtete. Sie konnte den Blick in seinen Augen nicht richtig deuten, doch sie hatte auf einmal das Bedürfnis, ihn wissen zu lassen, was sie fühlte.

„Ich weiß nicht, was wir getan hätten, wenn wir Sie verloren hätten“, sagte sie. Lorne zog die Augenbrauen hoch und blickte sie mit einem kaum merklichen Schmunzeln auf den Lippen an. Elizabeth fragte sich angesichts dessen, ob er es nicht vielleicht schon wusste.

„Wir?“ fragte er. Elizabeth schoss die Röte ins Gesicht, und sie schlug eilig die Augen nieder.

„Ich“, flüsterte sie leise und wagte es nicht, aufzusehen. Ein Lächeln machte sich auf Lornes Gesicht breit.

„Elizabeth“, sagte er leise. Elizabeth sah auf und wäre beinahe zurückgeschreckt. Unbemerkt von ihr war er näher an sie heran gerückt. Sein Gesicht war nicht mehr weit von ihrem entfernt, und sie konnte deutlich die kleinen Fältchen um seine Augen sehen, die sich vertieften, wenn er lächelte – so wie jetzt.

Er sah ihr in die Augen und in diesem Moment bedurfte es zwischen ihnen keiner Worte mehr. Ohne es aussprechen zu müssen, wussten sie, dass sie dasselbe füreinander empfanden, und es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass ihre Emotionen erwidert wurden.

Zaghaft streckte Lorne die Hand nach Elizabeths Gesicht aus, berührte beinahe ängstlich ihre Wange mit seinen Fingerspitzen, legte dann vorsichtig seine Hand in ihren Nacken und zog sie sanft zu sich heran. Elizabeth schloss die Augen, als sein Gesicht immer näher kam, ihre Lippen öffneten sich ein wenig, sie konnte bereits seinen Atem warm auf ihrem Gesicht spüren. Sie wusste genau, was jetzt passieren würde, und sie wollte, dass es passierte.

In diesem Moment meldete sich laut und deutlich Chucks Stimme über ihr Headset.

„Dr. Weir – tut mir leid, wenn ich Sie wecke, aber Sie wollten sofort informiert werden, wenn wir neue Informationen haben.“

Seufzend wich Lorne zurück. Der Zauber war gebrochen. Elizabeth tastete rasch nach ihrem Headset und setzte es wieder ein.

„Ich habe nicht geschlafen, Chuck. Ich bin in ein paar Minuten bei Ihnen“, antwortete sie und warf Lorne dabei einen bedauernden Blick zu, den er stirnrunzelnd erwiderte. Elizabeth deaktivierte ihr Headset und seufzte.

„Ich muss leider gehen. Ich hatte darum gebeten, dass man mich verständigt, wenn es etwas Neues gibt“, sagte sie entschuldigend und aus ihrer Stimme war deutlich herauszuhören, wie ungern sie ging. Lorne nickte zur Antwort.

Elizabeth erhob sich ein wenig ungelenk, und Lorne tat es ihr gleich.

„Sie sollten versuchen, sich auszuruhen. Es war ein anstrengender Tag“, sagte sie und wiederum nickte Lorne zur Antwort. Er war sich nicht sicher, wer hier gerade zu ihm sprach – seine Vorgesetzte oder die Frau, die er gerade beinahe geküsst hätte.

„Sie haben Recht“, stimmte er zu. Einen Moment kehrte verlegenes Schweigen ein, dann räusperte sich Elizabeth.

Sie wünschte Lorne eine gute Nacht und machte sich dann auf den Weg in den Gateraum. Lorne blickte ihr lächelnd hinterher, denn er wusste, dass er sie bald wieder sehen würde – spätestens, wenn sie ihm seine Jacke zurückbrachte, die sie immernoch trug.
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