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Unintended Choice von Lenari

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Kapitel 3:

Course where was the one who challenged

All my dreams and all my valance

He could never be as good as you

 

„Es tut mir echt leid, Daniel.“, versuchte ich mich bei ihm zu entschuldigen und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Ich wagte es nicht, ihn anzusehen. Wie sollte man sich denn auch für so etwas entschuldigen? Es hatte alles so gut angefangen - alles hatte gestimmt. Daniel war nicht sauer gewesen, hatte sich über mein kleines Versöhnungsgeschenk gefreut und sogar einen Witz gerissen und war dann wie ein Tier über mich hergefallen. So, wie ich es mir immer schon gewünscht hatte. Ich hatte mich so sehr auf ihn gefreut. Als ich ihn so dastehen sah in seiner Bermudas, wollte ich ihn nur noch ganz besitzen, ihn küssen, berühren, am ganzen Körper verwöhnen. So lange waren wir getrennt gewesen, eine Ewigkeit hatten wir uns schon nicht mehr geliebt und meine Lenden brannten vor Verlangen nach ihm.

Dem Ungeachtet war jegliche Reaktion meinerseits auf seine Reize ausgeblieben. Ich wünschte mir nichts sehnlichster als ihn zu vernaschen, doch mein kleiner - sonst eigentlich hundertprozentig zuverlässiger - Freund wollte diesmal einfach nicht mitspielen. Irgendetwas belastete mich immer noch. Vielleicht die Tatsache, dass ich ihn angelogen hatte, eventuell das, was ich in Washington geklärt hatte oder einfach nur Taylor. Selbst jetzt ging er mir nicht aus dem Kopf. Nicht, dass ich Daniel mit ihm verglich oder mir gar vorstellte, mit diesem zu schlafen, sondern vielmehr, ob ich es wagen konnte, mit Daniel genauso weit zu gehen, wie ich es mit ihm gegangen war. Und dazu noch Taylor endlich hinter mir, die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Ich fuhr fort: „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Langsam glaube ich, ich habe verlernt, wie das geht.“ Der Scherz sollte die ganze Situation wieder auflockern, doch er erzielte nicht ganz seine Wirkung. Jedenfalls nicht bei Daniel. Es war halt noch nie vorgekommen, dass ich versagt hatte. Vielleicht lag es an dem Stress der letzten Tage, eventuell wurde ich aber auch einfach nur alt. Letzteres wollte ich erst gar nicht in Erwägung ziehen.

„Was ist los, Jack?“, wollte Daniel wissen. Sollte ich ihm das wirklich sagen? Nein, nicht heute Abend. Später vielleicht. Im Moment wollte ich ihn nicht kränken. Nicht noch mehr, jedenfalls. Er fragte sich sicher, ob ich ihn überhaupt noch attraktiv fand - was durchaus der Fall war - ob es an ihm lag, dass ich keinen hoch bekam. Verdammt, er war es nun gar nicht.

„Nichts, was ich nicht wieder in den Griff kriege.“, versicherte ich ihm und sah ihm endlich wieder in den Augen. Ich hoffte, er konnte darin lesen, was ich für ihn fühlte. „Und jetzt entspann dich.“ Wenn ich meinem Verlangen schon nicht Abhilfe verschaffen konnte, dann doch wenigstens dem Seinigen. Vielleicht brachte mich das ja dann doch auf andere Gedanken. Ich sah ihm an, dass er zu einem Protest ansetzten wollte, doch ich erstickte jegliche Aufwiegelung im Keim, indem ich ihm einen leidenschaftlichen Kuss aufdrückte. Zum Reden war später noch genug Zeit. Jetzt wurde erst einmal gehandelt. Mein Mund wanderte über seinen Hals, seine Brust hinunter bis hin zu seinem Bauchnabel.

Keine der empfindlichen Stellen seines makellosen Körpers wurden dabei von mir ausgelassen. Leises Stöhnen bestätigte mich in meinem Vorhaben. Selbst wenn Daniel noch innerlich gegen meine Behandlung protestieren sollte - das war meistens der Fall, wie er mir mal verraten hatte - war er jedoch längst schon zu schwach, um mich an dem zu hindern, was ich ihm antat. Er war mir verfallen, hatte sich hoffnungslos in meinen Berührungen verloren. Ich umfasste seine Hände, die sich im Laken verkrampft hatten und gab ihm so zu verstehen, dass ich da war und er sich ohne Hemmungen fallen lassen konnte. Seine Finger verschränkten mit den Meinigen.

Sein Bauch hob und senkte sich schnell unter meinen Küssen. Die Zeit auf dem fremden Planeten hatte ihm eine makellose Bräune beschert. Ich konnte mir geradezu vorstellen, wie er mit nacktem Oberkörper und einer Bandana auf dem Kopf vor einer alten Steintafel oder einer Mauer gestanden und sich die Zeichnungen, Schriftzeichen oder was auch immer betrachtet hatte. Wahrscheinlich hatte er wieder an seiner Unterlippe geknabbert, immer wieder in irgendwelchen Büchern nachgeschlagen und seinen perfekten Körper gestreckt. Was hätte ich nicht alles dafür gegeben, das hätte mit ansehen zu können. Ob Carter etwas davon auf Video gebannt hatte. Sicherlich nicht. Wieso sollte sie auch, schließlich war sie nicht verrückt nach diesem knackigen Archäologenhintern.

„Jack!“, wisperte Daniel verzweifelt. Anscheinend hatte ich ihn genug gequält. Mit einer Spur aus Lippenbekenntnissen wanderte ich ein letztes Mal nach oben, um seine heißen Lippen einzufangen und ihn schmecken zu können. Seine Finger lösten sich aus den Meinigen, als ich mich für Augenblicke mit meinem ganzen Gewicht auf ihn legte. Seine Arme schlangen sich um meine Taille und drückten mich noch enger an ihn. Während ich ihn küsste, streichelte ich mit dem Daumen seine Wange. Er mochte es, wenn ich auf diese einfach Weise zärtlich zu ihm war. Dann blickte ich ihm tief in die Augen. Ein dunkles Blau stach mir entgegen. Ich war vollkommen vernarrt in diese Augen, besonders wenn sie vor Verlangen glühten, so wie in diesem Moment. Ich riss mich - wenn auch nur widerwillig - aus seiner Umarmung und nahm mein Vorhaben wieder auf.

Ein zufriedener Seufzer entglitt Daniel, als ich mich neben ihm nieder ließ. Ich liebte es, wenn er sprachlos war, denn das passierte einfach zu selten. Ich war auch geschafft, auch wenn es mich nicht ganz so ausgelaugt hatte wie ihn. Manchmal übertraf ich mich selbst. Er kuschelte sich zufrieden an mich und schloss die Augen. Daniel brauchte nie lange, um einzuschlafen, das wusste ich aus Erfahrung. Wir brauchten ja nicht einmal Sex gehabt haben. Sobald er lag, war er auch schon eingedöst. Er schlief natürlich friedlicher, wenn all seine Spannungen von mir abgebaut worden waren, aber auch so wirkte er oft wie ein kleines Kind, wenn er träumte. Aber jetzt würden ihn wenigstens keine Alpträume verfolgen. Auch er hatte eine ganze Menge zu verarbeiten, nicht nur ich. Ich vergaß das manchmal.

„Schlaf schön!“, hauchte ich Daniel zu und küsste ihn auf die Stirn. Wenn er so weiter machte, wurde ich irgendwann noch mal ein stinklangweiliger Pantoffelheld.

„Du auch, Jack.“, murmelte er verschlafen und schlang seinen Arm ganz um meine Taille, zog mich noch enger an sich, Er war angenehm war, seine Haut so richtig schön aufgeheizt. Wie hatte ich nur freiwillig auf dieses Gefühl, ihn im Arm zu halten, verzichten können. Ich war wirklich ein richtiger Volltrottel. Wie hielt er es nur mit mir aus? Ich musste ihm bei Gelegenheit dafür danken, dass er sich meiner angenommen hatte, aber morgen - vielmehr heute - früh, würde erst einmal ein Frühstück drin sein, um ihm für seine große Nachsicht zu danken. Er allein hatte die Nacht nicht zu einer einzigen Katastrophe werden lassen. Jetzt musste ich aber erst einmal schlafen, bevor ich überhaupt keinen Schlaf mehr bekam.

 

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, strahlte die Sonne ins Zimmer und kitzelte mich sanft wach. Ich griff neben mich, um den Tag mit dem Spüren von warmer, weicher Haut zu beginnen, doch die andere Seite des Bettes war leer. Ich sah auf, doch auch im Rest des Zimmers war Jack nicht zu erblicken. Dafür stach mir ein Zettel mit meinem Namen darauf ins Auge. Ich klappte ihn auf und las: Morgen Schlafmütze! Bin Frühstück holen. Wage es ja nicht, aufzustehen, bis ich wieder da bin! Jack! Wie süß von ihm. Vielleicht hatte ich mir wirklich unnötig Gedanken gemacht. Er wäre doch sicher nicht zu mir zurückgekommen und hätte diese unglaubliche Sache mit seiner Zunge getan, wenn er mich nicht mehr lieben, geschweige denn attraktiv finden würde. Oder? Sicher nicht! Jack riskierte alles, weil er mit mir zusammen war, er würde seinen geliebten Job nicht aus einer Laune heraus aufs Spiel setzten.

Und schon gar nicht eine Freundschaft wie unsere. Außerdem war er nicht der Typ, der jemanden betrügen würde. OK, anschwindeln ja, aber auch nur, wenn es sein Job verlangte. Jack war eine treue Seele, er würde mich nie so verletzten. Ich versuchte mir doch tatsächlich selbst Mut zu machen und mir die letzten Zweifel zu nehmen, obwohl das doch eigentlich nicht so sein dürfte. Aber er hatte mich belogen und ich wollte immer noch wissen, was er in Washington gewollt hatte, wo er genau gewesen war. Gestern Abend hatte ich ihn davonkommen lassen, weil ich es nicht mehr ausgehalten hatte, ihn nicht zu berühren, doch jetzt konnte ich zur Not wieder mit dem Verlangen umgehen, wenn es wichtig erschien. Und das war wichtig.

Ich konnte nicht länger tatenlos herumliegen und warten, dass Jack zurückkehrte, ich musste etwas tun. Nur etwas aufräumen, mehr nicht. Jack war nie besonders unordentlich gewesen - lag wohl mit der disziplinarischen Erziehung im Militär zusammen, aber wenn sie sich liebten, dann war Unordnung praktisch vorprogrammiert. Klamotten lagen auf dem Boden verstreut herum, die Kissen waren dazwischen geworfen worden und sie hatten sogar einen Stuhl umgehauen. An das konnte Daniel sich gar nicht mehr erinnern. Er zog sich erst einmal wieder an und sammelte dann Jacks Klamotten auf, der sich anscheinend neue gesucht hatte. Sie rochen nach einer Mischung aus Schweiß, Aftershave und Flugzeug. Kein wunder also, dass er sie nicht noch einmal anziehen wollte.

Ich würde sie schnell zusammen mit den anderen Sachen in die Waschmaschine stopfen. Die Tasche stand noch genau da, wo ich sie hatte fallen lassen. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie wenigstens beiseite zu räumen. Ich kam an der Küche vorbei und warf einen Blick hinein. Der Tisch war bereits gedeckt und er hatte eine seiner letzten Rosen geopfert, um sie als Dekoration auf den Tisch zu stellen. Jack war nicht nur ein ausgesprochen guter Hausmann - er hatte ja irgendwie alleine überleben müssen - sondern auch ein hervorragender Gärtner, wenn er Lust dazu hatte. Oder, wenn ich ihm die nötige Zeit schenkte. Er hatte mich sicher damit überraschen wollen - als kleine Wiedergutmachung für gestern Abend nahm ich an. Aber wofür, ich hatte auch so noch meine richtige Dosis Jack erhalten, nur er war unbefriedigt aus der Sache herausgekommen.

Als ich den Reißverschluss der Tasche aufzog, drang mir ein starker Geruch entgegen. Eine Mischung aus Alkohol und kaltem Zigarettenqual erfüllte die Luft. War er etwa doch in dieser Bar gewesen? Hatte ich mich doch nicht verwählt, als ich ihn anrief und dieser fremde Mann heran ging? War Jack vielleicht doch mit einem anderen dort gewesen? Einem Liebhaber? Oder einem Mann, den er erst dort getroffen hatte? Eventuell sogar eine verflossene Liebe? Nein, so etwas durfte ich ihm nicht unterstellen. Sicher war es nur ein Freund von ihm gewesen und er würde mir heute alles erklären. Ich musste ihm vertrauen. Die stinkigen Sachen holte ich erst einmal heraus. Darunter Hose, T-Shirt und Pullover. Ich leerte erst einmal die Taschen und stieß dabei auf ein Stück Papier - ein Foto.

Trug er etwa ein Foto von mir mit sich herum? Als Erstes kam die Rückseite zum Vorschein. Darauf stand in einer mir unbekannten Handschrift geschrieben: Ich gehöre dir! Was hatte das denn jetzt schon wieder zu bedeuten? Als ich das Foto umdrehte, traf mich fast der Schlag. Es war ein Mann darauf abgebildet, den ich nicht kannte, doch er sah mir verdammt ähnlich. Man würde mich nicht wirklich mit ihm verwechseln, doch er hatte ebenso helles Haar und blaue Augen - auf jeden Fall nahm ich das an, denn zumindest schwarz weiß wirkte es so. Was zum Teufel hatte das Foto eines fremden Mannes in seiner Hosentasche verloren und warum zum Teufel sah es so aus, als würde er es immer mit sicher herumschleppen? Hatte er etwa doch einen Liebhaber?

Der Mann auf dem Foto war halbnackt, hielt einen Cowboyhut in der und auch sonst war er gekleidet wie diese Sorte Mann. Das Foto sah aus wie aus einem schlechten Zeitschriftencover kopiert. Jack hatte doch aber gesagt, er wolle nach Washington. War er stattdessen zu diesem Typen gefahren? Betrog er mich wirklich? Ich sank auf die Knie, war unfähig, mich zu bewegen. Diesen Schock konnte ich nicht so einfach verdauen. Dieser Mann sah mir ähnlich, war im selben Alter wie ich? Was bot er ihm, was ich ihm nicht geben konnte? Tat er Dinge, die ich nicht wollte? Aber was hatte ich Jack je abschlagen können? Gott, durch ihn war ich erst so verrucht geworden und was tat dieser Mistkerl? Er betrog mich einfach! Ich begann zu zittern, merkte wie die ersten Tränen in meine Augen traten. Ich wollte nicht weinen, wollte mir diese Blöße nicht geben. Wenn Jack mich so sah, würde er mich für schwach und weinerlich halten.

Vielleicht war ihm die Beziehung zu mir doch nicht so wichtig, wie er immer beteuerte. Eventuell war ich wirklich nur eine Notlösung, weil er im Moment keine Frau bekommen konnte, die er wollte. Seine Flirts mit weiblichen Marines waren auch wirklich nicht zu übersehen. Aber warum dann noch einen Liebhaber. Reichte ihm denn einer nicht? War ich für ihn nicht erfüllend genug. Hatte er deswegen gestern Abend versagt, weil er die ganze Woche mit diesem Typen gevögelt hatte, der auch noch Soldat war, wie ich unschwer an der Hundemarke erkennen konnte? Noch mehr begann ich zu weinen. Tränen liefen mir in Strömen die Wangen hinunter. Im selben Augenblick ging die Tür auf und Jack trat ein. Er rieb sich die kalten Finger, blieb aber wie angewurzelt stehen, als er mich sah. Er schien nicht zu verstehen, warum ich dort auf dem Boden saß und weinte.

„Daniel, was ist denn los?“, fragte er irritiert. „Solange war ich nun auch nicht weg und außerdem hatte ich dir gesagt, dass du liegen bleiben sollst.“ Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, doch es erstarb als ich aufsah und ihm aus leeren Augen kalt entgegenblickte. Ich musste ein erschreckendes Bild für ihn abgegeben haben. Jetzt erst bemerkte er das Foto in meinen zittrigen Händen und seine Mine versteinerte sich. Ich zwang mich, aufzustehen, auch wenn sich meine Beine wie Wackelpudding anfühlten und meine Knie jeden Augenblick nachzugeben drohte. Er konnte sich denken, was in mir vorgehen musste. Geistesabwesend ließ er die Brötchen zu Boden fallen, welche mit einem überlauten Knall auf den Boden aufprallten. Stotternd fuhr er fort: „Daniel, ich... ich kann das erklären. Ich... er...“

„Sag mir nur eines“, unterbrach ich ihn eisig, „hast du mit diesem Mann geschlafen?“ Meine Tränen waren versiegt, der Schmerz, welcher zuvor noch meinen Brustkorb erfüllt hatte, war dem dumpfen Pochen meines tauben Herzens gewichen und alles schien auf einmal so klar. Ich brauchte nur noch eine ehrliche Antwort von Jack. Ich würde erkennen, wenn er log. Er wusste das, also würde er es gar nicht erst versuchen. Einen Moment sah er mir noch in die Augen, dann konnte er meinem Blick nicht mehr standhalten und sah zu Boden.

„Ja.“, gab er schließlich zu und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Ich wusste, dass er sie dort zu Fäusten ballte. Ich warf einen erneuten Blick auf das Foto, auch wenn es mich quälte, in dieses Gesicht zu sehen und zu wissen, dass dieser Mann mit meinem Jack geschlafen hatte. O’Neill fand seine Sprache wieder und setzte an: „Aber...“ Er versuchte, sich herauszuwinden, wusste jedoch nicht wie. Es gab auch nichts mehr zu sagen. Jedenfalls im Moment nicht. Ehrlich gesagt, wollte ich auch gar nichts mehr von ihm hören, schon gar keine Ausflüchte und leeren Versprechungen. Das verkraftete ich nicht mehr.

Nüchtern meinte ich: „Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe.“ Mit diesen Worten ließ ich das Foto fallen, trat an Jack vorbei, nahm mir meine Jacke, zog mir meine Schuhe an und verließ sein Haus, vielleicht sogar sein Leben. Er sah mir nach, ich spürte seine Blicke auf meiner Haut, doch ich drehte mich nicht um. Sein Anblick hätte meinen Stolz und meine letzte Würde wahrscheinlich gebrochen. Ich hätte in seiner Gegenwart eh nicht mehr lange standgehalten und wäre zusammengebrochen. Ich musste weg von ihm, im Augenblick war er Gift für mich und meine Seele.

 

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Ich sah ihm nach, als er mein Leben verließ. Vielleicht sogar für immer. Ich hatte Mist gebaut - gewaltige Scheiße! Das war für uns zuviel gewesen. Wieso hatte ich nicht einfach lügen können? Warum hatte ich dieses beschissene Foto eigentlich immer noch bei mir? Daniel hätte es schon längst finden können, es gab so viele Gelegenheiten. Ich hatte es immer bei mir wie das von Charlie, doch normalerweise versteckte ich es in meiner Jacke. Wieso nicht auch dieses Mal? War es denn so schwer gewesen? Ich hätte Daniel von Anfang an einweihen sollen, ich hätte ihm von Taylor erzählen müssen, doch ich hatte es nicht übers Herz gebracht. Allein an ihn zu denken, schmerzte noch heute. Daniel hätte es auch sicher nicht verstanden, dass ich schon einmal jemanden vor ihm gehabt hatte. Ich war sein Erster, wieso konnte er dann nicht auch mein Erster sein?

Mein Blick fiel auf den kleinen Lederbeutel, der noch immer auf dem Wohnzimmertisch lag, dort wo Daniel ihn gestern Abend abgelegt hatte. Ich ging zu ihm und berührte vorsichtig, fast schüchtern, das weiche Leder. Es erinnerte mich an Daniels Haut, wenn ich ihm über den Rücken strich, mit meinen Fingern große Kreise über sein muskulöses Kreuz zog. Ich nahm es zur Hand und öffnete die Schnalle, welche das Bündel zusammenhielt. Ich hatte fast einen Tag gebraucht, dieses Geschenk zu finden, und jetzt würde er es wahrscheinlich nie benutzen. Er würde nie die handgearbeiteten Griffe zwischen seinen Fingern spüren, nie die weichen Borsten über Stein oder andere Dinge gleiten lassen und er würde nie meinen weichen Kern unter meiner rauen Schale damit freilegen.

Ich taumelte zur Tür und lehnte mich mit der Stirn gegen das kalte Holz. Sachen lagen auf dem Boden verstreut, Brötchen rollten aus der Plastiktüte, doch das nahm ich nur am Rande war. Genauso wie das Klingeln meines Handys. Ich wollte jetzt mit niemanden sprechen, wollte keinen sehen oder hören. Dennoch fischte ich das Mobiltelefon geistesabwesend aus meiner Jacke und nahm ab. Ich meldete mich mit einem knappen O’Neill. Am anderen Ende war Rick, der mir mitteilte, dass er voraussichtlich Ende dieser Woche bei mir vorbeischauen würde, um endlich mal Daniel kennen zu lernen. Ich traute mich nicht, ihm zu sagen, dass daraus nichts mehr werden würde. Ich brachte es einfach nicht übers Herz. Vielleicht, weil noch nicht alles verloren war, eventuell aber auch nur, weil ich mir selbst nicht eingestehen wollte, dass ich Daniel vertrieben hatte.

„Alles in Ordnung, Jack?“, fragte er am anderen Ende, als ich nichts darauf erwiderte.

„Klar, alles Bestens.“, entgegnete ich und versuchte normal zu klingen, was mir wohl nicht ganz gelang. Mir kamen langsam aber sicher die Tränen. Immer mehr bohrte sich der Gedanke in meinen Kopf, dass ich den Menschen, den ich über alles liebte, für immer verlieren würde, wenn ich nicht bald etwas unternahm. Noch immer war mein Blick starr auf das Bündel in meiner Hand gerichtet und nasse Tränen ließen sich darauf nieder, saugten sich in dem Leder fest, verdunkelten es, wie es bei Daniels Augen immer geschah, wenn ich ihn küsste. Er sprudelte dann immer geradezu über vor Leidenschaft und Verlangen. Ich konnte meine Trauer nicht länger zurückhalten und wenn ich nicht am Telefon in Tränen ausbrechen und einen verdammten Heulkrampf bekommen wollte, musste ich Rick jetzt irgendwie abwimmeln. Mit bebender Stimme fügte ich hinzu: „Hör mal, mir passt es im Moment gar nicht. Ich rufe dich zurück.“

„Natürlich.“ Ich legte auf und ließ mich mit dem Rücken an der Tür hinunterrutschen, bis ich mit angewinkelten Knien auf dem Boden saß. Ich raufte mir das Haar, drückte den kleinen Beutel an meine Brust, als wäre es alles, was mir von Daniel noch geblieben war - was auch irgendwie zutraf - und erste Tränen rollten meine Wangen hinunter. Lange hatte ich nicht mehr geweint - ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern. Das letzte Mal musste nach Charlies Tod gewesen, sein, bevor ich nach Abydos aufbrach. Bevor ich Daniel - meinem Leben - begegnete. Mein Herz verkrampfte sich, ich bekam kaum noch Luft. Die Sehnsucht und der Schmerz raubten mir den Atem. Ich hatte den Wunsch zu sterben. Das Haus erschien auf einmal so groß und leer, als würde es mich verschlingen wollen. Ich musste hier raus! Ich schnappte mir den Haustürschlüssel und schlug die Tür hinter mir zu. Ohne Daniel würde ich hierher heute nicht mehr zurückkehren, das nahm ich mir vor.

 

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Jack stand jetzt schon geschlagene zwei Stunden vor dem Haus, in welchem mein Loft lag und sah einfach nur zu mir hinauf. Es regnete in Strömen, doch das schien ihn wenig zu stören. Dieser sture Hund hatte nicht vor, wegzugehen, ehe ich ihn nicht angehört hatte. Das hatte er mir gesagt, als er verzweifelt an meine Tür geklopft hatte. Das, obwohl er einen Schlüssel hatte. Er wollte ihn anscheinend nicht benutzten. Er ließ mir die Entscheidung, ob ich mir seine Erklärung anhörte oder nicht. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich tun sollte. Sein Anblick brach mir das Herz, nichtsdestotrotz konnte ich nicht vergessen, dass er dafür verantwortlich war, dass ich jetzt so litt.

Wie würde es jetzt nur mit uns weitergehen? Unsere Beziehung hatte er ruiniert und vielleicht sogar unsere Freundschaft. Wir würden nicht mehr miteinander arbeiten können. Eventuell sollte ich mich versetzten lassen, ein anderes Team oder ganz mit den Reisen aufhören. Wir würden uns dann nur noch ab und zu über den Weg laufen und damit könnte ich sicher leben. Ach was! Ich machte mir damit doch nur selbst etwas vor. Ich liebte diesen verdammten Mistkerl, auch wenn ich ihn am Liebsten hassen würde. Ich könnte es doch niemals ertragen, ihn zu sehen und ihn dennoch nicht berühren zu können. Das würde mich früher oder später umbringen.

„Willst du ihn nicht doch anhören?“, riss Sam, welche bei mir war, mich aus meinen Gedanken. „Vielleicht gibt es für alles ja eine plausible Erklärung. Ich kenne Jack, er würde dich nicht einfach so hintergehen. Das ist nicht sein Stil und das weißt du.“ Sie stand am Fenster und blickte nach draußen, in ihrer Hand hielt sie eine Tasse dampfenden Kaffees und sie wirkte leicht übermüdet und angespannt. Ich hatte jetzt noch ein schlechtes Gewissen, sie geweckt zu haben, wenn ich sie ansah, aber ich hatte nicht alleine sein können. Sie wusste von uns beiden schon eine ganze Weile. Ich hatte mich mal verquatscht. Sie war zuerst geschockt gewesen, doch dann hatte sie sich für uns gefreut. Es tat gut, mit ihr darüber reden zu können. Jack ahnte nicht, dass sie etwas wusste, denn Sam konnte sich gut verstellen. Sie war wirklich eine gute Freundin.

„Vor ein paar Stunden hätte ich dafür auch die Hand ins Feuer gelegt, doch jetzt... Er hat nicht gelogen, als er mir bestätigte, dass er mit diesem Mann geschlafen hat. Er konnte mich ja nicht einmal ansehen.“, antwortete ich und schon wieder kamen mir die Tränen. Ich musste elend aussehen. Die Stirn auf die Hände gestützt und die Ellenbogen wiederum auf die Oberschenkel, dazu noch meine verheulten Augen und Tränen, die einfach nicht versiegen wollten. Wie hatte ich mir nur von ihm so wehtun lassen können? „Ich kann mir jetzt einfach nicht anhören, wie leid es ihm tut und das so etwas nie wieder passieren wird. Wie soll ich ihm denn bitte schön jetzt noch glauben?“

„Was, wenn du dich irrst?“, hakte Sam nach. „Jack hat schon einmal geschafft, uns anzulügen.“

„Das war was anderes. Außerdem, wieso sollte er das tun? Er hatte keinen Grund dazu.“, wehrte ich ab. Nein, so dumm konnte Jack nun wirklich nicht gewesen sein. Er hätte sofort begonnen, sich zu verteidigen, mir diesen Unsinn wieder auszureden. Die Tatsache, dass er es einfach zugab, ohne sich zu verteidigen, irritierte mich zwar etwas, doch vielleicht gab es auch nicht mehr zu sagen. Das war alles gewesen, was ich hatte wissen wollen. Außerdem hatte er mich gehen lassen. Was also wollte er jetzt hier? Konnte er nicht einfach wieder verschwinden und mich in meinem Schmerz alleine lassen? War das zu viel verlangt? Er hatte doch den Mist gebaut, musste er mich jetzt noch mehr quälen, indem er mich hier aufsuchte, wo ich Zuflucht in meine Traurigkeit gesucht hatte?

Sam erwiderte entschlossen: „Ich werde jetzt mit Jack reden gehen und wenn mir seine Erklärung gefällt, werde ich ihn zu dir schicken und du wirst dir gefälligst alles anhören, was er zu sagen hat, kapiert!“ Sie war übermüdet und gereizt, ihr zu widersprechen, hätte eh nicht viel gebracht. Außerdem konnte Sam, wenn sie wollte, stur wie ein Esel werden. Damit war sie auch schon aus meiner Wohnung verschwunden, aber nicht, ohne sich vorher den Wohnungsschlüssel zu schnappen. Sie wollte wohl nicht, dass ich verschwand, während sie mit Jack sprach oder sie für ihren Verrat aussperrte. Was erhoffte sie sich eigentlich davon, es ging sie doch gar nichts an? Das war eine Sache zwischen Jack und mir. Dadurch, dass ich sie anrief, hatte ich es aber gleichzeitig auch zu ihrem Problem gemacht, soviel musste ich mir eingestehen.

Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Unsere Blicke trafen sich fast sofort. Auch Jack sah so aus, als hätte er geweint, und dass, obwohl er keinen Grund dazu gehabt hatte. Er war schließlich mit diesem Cowboy fremdgegangen, hatte mich eiskalt betrogen, mich angelogen und dann so getan, als wäre nichts gewesen, als würde es nicht an mir liegen, dass er keinen hochgekriegt hatte. Wie sollte man auch noch Lust auf etwas haben, dass man die ganze Woche von einem anderen bekam? Das, was er mit seiner Zunge getan hatte, hätte mich stutzig machen sollen. So einfallsreich war er sonst nie gewesen. Er hatte das bestimmt von diesem Miststück gelernt. So musste es sein, etwas anderes war vollkommen unmöglich.

Sam war jetzt zu ihm getreten. Kaum, dass sie neben ihm stand, war sie auch schon bis auf die Knochen durchnässt. Sie trug nur einen dicken Pullover, also würde sie sicher bald krank werden. Jack war wie immer Gentleman und reichte ihr seine, welche diese natürlich auch entgegen nahm. Dann begannen sie sich zu unterhalten. Eine Weile redete einfach nur Jack - seine wundervollen Lippen bewegten sich, Regentropfen perlten von ihnen ab und saugten sich in seinem Pullover fest. Jack trug diesen oft in letzter Zeit und erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich ihn ihm gekauft hatte. Wir waren auf der Suche nach einem Geschenk für Cassandra gewesen und da hatte ich ihn dazu überredet, ihn mal anzuziehen.

Das hatte zu einer wilden Fummelei in der Umkleide geführt. Wir hatten dort heute noch Hausverbot. Das war ein toller Nachmittag gewesen, unser erstes offizielles Date, wenn man es so nahm. Wenn uns jemand erkannt hätte, das wäre ein Theater geworden. Jack hätte seinen Job verlieren können. Seit diesem Tag waren wir vorsichtiger in der Öffentlichkeit, aber wahrscheinlich machte die Geheimhaltung erst die Spannung in unserer Beziehung aus. Ohne das wäre uns wahrscheinlich schnell langweilig geworden. Zumindest Jack, der keinen Alltag ertragen konnte, würde mich bald satt haben. So hatte es wenigstens etwas gedauert, bis ihn anderes Fleisch wieder gereizt hatte. Ich hätte doch wissen müssen, dass ich ihn niemals hätte halten können.

Jetzt stellte Sam einige Fragen, schien aber immer noch gefasst zu sein, als würde sie ihm glauben, was er ihr erzählte. Er stand ihr Rede und Antwort. Das würde bedeuten, dass er als Nächstes mit mir reden wollen würde. Ich konnte ihm doch nicht gegenübertreten, entweder ich brach in Tränen aus oder ich schlug auf ihn ein. Ich wusste nämlich nicht, ob ich sauer auf ihn sein sollte oder traurig, weil er mich betrogen hatte. Andererseits würde ich am Liebsten über ihn herfallen, denn er sah immer noch so verdammt gut aus, besonders, wenn er verletzt war und seine Augen, die eines kleinen Jungen waren, der ausversehen eine Fensterscheibe mit dem Fußball eingeschlossen hatte. Wie sollte man diesem Anblick standhalten, wie sollte man da einen Menschen hassen? Wie sollte ich nur Jack für das Verabscheuen, was er getan hatte, wenn er doch mein Mitleid erregte? Sam und er setzten sich in Bewegung. Sie kamen zu mir. Anscheinend hatte er bei ihr bestanden. 

 

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Ich hatte Carter alles erzählt: Die Sache mit Taylor, wieso ich nach Washington geflogen war, wie es dazu kam, dass Daniel das Foto fand, warum ich es immer noch mit mir herumtrug. Letzteres war wohl von allem am Schwersten gewesen. Es war mir aber sicherlich leichter gefallen, es ihr zu sagen, als es Daniel erzählen zu müssen. Ich fragte mich, wie lange Sam über uns schon Bescheid wusste oder ob Daniel sie eben erst eingeweiht hatte, doch sie schien die ganze Geschichte ganz locker zu sehen. Vielleicht hatte sie auch einfach nicht mehr den Nerv dazu, sich künstlich aufzuregen, denn Daniel schien sie aus ihrem verdienten Schlaf gerissen zu haben, nachdem sie wieder einmal eine Nacht durchgearbeitet hatte. Die Arme. Mit ihrer Hilfe war ich aber wenigstens in die Wohnung gelangt, doch Daniel zu überzeugen, würde sicherlich schwerer werden.

Wenn er es darauf anlegte, konnte er wirklich extrem stur werden. Vielleicht hatte ich Glück und er glaubte mir auf Anhieb. Zur Not würde ich ihm mein ganzes Herz ausschütten, so schwer mir dies auch viel. Da musste ich jetzt durch. Als ich vor ihn trat, blieb mir die Luft fast weg. Er wirkte auf einmal so anders, so verletzlich und ängstlich. Das hatte ich zu verantworten. Die geknickte Haltung, die geröteten Augen, das gebrochene Herz und die leblosen Augen - das kam alles nur, weil ich ihn enttäuscht und zutiefst gekränkt hatte. Am Liebsten hätte ich all das zurückgenommen, hätte die Zeit noch mal zurückgedreht und mit ihm geredet, anstatt mich von ihm verführen zu lassen. Wieso konnte ich diesem Mann auch nur so schwer widerstehen?

„Jack.“, sagte er nur knapp und blickte mir starr ins Gesicht. Ich wollte nicht, dass er länger so kalt zu mir war. Ich würde ihm alles erzählen, auch wenn ich damit Gefahr lief, ihn dennoch zu verlieren. Wie sollte ich denn bitte schön wissen, wie er auf solch eine Neuigkeit reagieren würde. Er war immer sehr nachsichtig mit mir gewesen und auch er hatte ein Vorleben geführt, nur bestand es nur aus Frauen, nicht aber auch aus Männern. Zumindest nicht das ich wüsste.

„Daniel.“, gab ich zurück und wandte mich dann Sam zu: „Könntest du uns alleine lassen?“

„Natürlich. Ich werde im Schlafzimmer warten, nur für den Fall, dass Daniel sich überlegt, dich zu erschlagen.“, scherzte sie und zog sich in den Nebenraum zurück. Ich war mir sicher, sie blieb nur, weil sie sich dort ausruhen und vielleicht noch etwas Schlaf finden konnte. Ich bat ihn, sich zu setzten. Widerwillig tat er das dann auch, hielt jedoch gebührenden Abstand zu mir. Na ja, wenigstens sah er mich noch an. Ein kleiner Trost, wenn man bedachte, was ich ihm angetan hatte.

„Wenn du jetzt sagen willst, dass es dir Leid tut, dann kannst du dir das sparen. Ich werde dir deine schlappen Entschuldigungen nicht mehr abkaufen.“, sagte Daniel kalt.

Ich erwiderte ernst: „Das habe ich nicht vor. Ich habe nichts getan, was in irgendeiner Weise verwerflich war. Ich habe mit ihm geschlafen und ich bereue es nicht.“ Das war hart, aber die Wahrheit. Ich hätte es vielleicht nicht sagen sollen, denn Daniel fasste es sofort falsch auf. Das hätte ich wahrscheinlich auch. Ich war halt nicht gut in so etwas. Das lag mir einfach nicht.

„Was willst du dann noch hier? Ich werde dir nicht verzeihen, dass du mich betrogen hast, da kannst du noch so einen Dackelblick aussetzten.“, blaffte er mich an und sprang auf. „Wenn du mir nicht mehr zu sagen hast, dann kannst du gerne wieder gehen.“ Sturer Hund. Ich hatte aber auch wirklich total falsch angefangen, aber ich war auch nicht hier, um mich für alles zu entschuldigen, was ich früher getan hatte. Wenn ich das tun würde, wäre ich nächstes Jahr noch nicht fertig und soviel Zeit hatten wir nicht mehr. Wir konnten jeden Tag zugrunde gehen.

„Auch wenn du mir nicht glaubst, aber ich habe dich nicht betrogen!“, schrie ich zurück. Damit hatte ich Daniel ungeteilte Aufmerksamkeit, denn er verstand nicht, wie das gehen sollte. Irritiert blickte er mich an. Ich bat ihn noch einmal, sich zu setzten, und fuhr dann gefasster fort: „Das Foto, dass du gefunden hast, ist zwanzig Jahre alt und wenn du auf das Datum gesehen hättest, dann wäre dir das auch aufgefallen. Ich habe diesen Mann genau vor zwanzig Jahren verloren und exakt aus diesem Grund war ich in Washington. Ich traf mich dort mit dem, was von unserer alten Einheit noch übrig war, und gedachte aller, die wir verloren hatten. Ein Grund, warum ich dich nicht mitnehmen konnte. Außerdem weiß nur einer von ihnen von meiner damaligen und momentanen Neigung. Sein Name ist Rick Anthony, du hattest ihn ausversehen am Telefon.“

„Dann war das nicht... du hast mich nicht...“, stotterte Daniel perplex vor sich her.

„Genau das!“, bestätigte ich ihm.

„Wieso hast du das denn nicht gleich gesagt?“, hakte er sanft nach. Er schien mir nicht länger böse zu sein, zumindest redete er jetzt wieder mit mir. Bei ihm konnte man sich da nie ganz sicher sein. „Du hättest mit mir doch darüber reden können, ich hätte es verstanden.“

„Eben das konnte ich nicht.“, erwiderte ich ernst. „Ich wollte dich nicht verletzten und ich wollte genauso wenig, dass mir wehgetan wird. Tja, aber ich Volltrottel habe es dennoch hinbekommen, dass wir uns beide Scheiße fühlen. Langsam hätte ich damit einen Platz im Ginnesbuch der Rekorde bekommen müssen.“ Sarkasmus in allen Ehren, denn wie sehr er auch nicht in eine Situation mit einfließen sollte, desto besser passte er doch hinein. Zum ersten Mal, seit ich heute Morgen aufgewacht war und ihn beim Schlafen beobachtet hatte, sah ich Daniel wieder lächeln. Ein ehrliches Lachen, das bewirkte, dass ich mich gleich noch einmal in ihn verliebte.

Wieder ernst fuhr ich fort: „Daniel, immer wenn ich nach einer fantastischen Nacht morgens aufwache, habe ich den Gedanken im Kopf, dass du nicht mehr da, dass du einfach gegangen sein könntest. Ich hatte einfach Angst, dass ich dich wegen Taylor verlieren würde, dass du mich dann nicht mehr lieben könntest. So ein Gefühl hatte ich vorher noch nie und das verunsichert mich.“ Während ich das sagte, sah ich ihn nicht an, starrte nur auf meine ineinander verkrampften Hände. Es fiel mir schon schwer genug, ihm das überhaupt zu gestehen, ich konnte nicht auch noch seinem Blick standhalten, der zwischen Gerührtheit und Mitleid sicher immer wieder hin und her schwanken würde. Gefühlssachen waren halt nicht mein Ding und, wenn es speziell um unsere Beziehung ging, Daniels ebenso wenig. Mit diesem Geständnis hatte er mich ganz und gar in der Hand, auch wenn er diesen Trumpf wohl nie ausspielen würde. Das wäre nicht Daniels Art.

„Und Sarah? Hattest du nicht bei ihr…“, fragte er zögerlich. Ich unterbrach ihn, bevor er sich hätte länger quälen müssen: „Bei ihr war es mehr das Gefühl, dass sie immer da sein würde, wenn ich aufwachte. Vielleicht hat es mich deswegen auch so überraschend getroffen, als sie einfach ging. Ich hatte nicht damit gerechnet.“ Dieses Thema war hart für ihn, das wusste ich nur zu gut. Sarah ist ein wichtiger Teil meines Lebens gewesen - war es immer noch - und irgendwie sah er sie immer noch als eine Art Konkurrenz an. Ähnlich ging es mir bei Shau’ri. Es war nicht wirklich zu vergleichen, doch es kam der Sache verdammt nahe. Es traf mich nicht ganz so hart, denn ich konnte ihn nicht mehr an die Frau seines Herzens verlieren, aber selbst wenn: Lieber an sie, als an irgendjemanden sonst.

„Und dieser…“, hakte Daniel nach.

„Ich war damals fünfundzwanzig. Da habe ich über so etwas nie viel nachgedacht. Ich habe die Zeit mit ihm einfach nur in vollen Zügen genossen. Verdammt, ich dachte, dass ich jeden Tag draufgehen würde. Es herrschte Krieg.“, erwiderte ich ehrlich. „Ich kann dir auch nicht sagen, warum ich nach all den Jahren noch an ihn denken muss, aber wenn ich zwischen euch wählen müsste, würde ich ohne zu zögern dich nehmen. Aber genug davon, ich will jetzt einfach nur noch mit dir nach Hause.“ Jetzt konnte ich ihn auch wieder ansehen. In seinen Augen las ich, dass noch längst nicht alles geklärt war, doch ebenso dass die Informationen, die ich ihm gegeben hatte, zumindest im Moment für ihn genügten, um mir zu glauben. Aber einen Kuss konnte ich im Augenblick wohl noch nicht erwarten, obwohl meine Lippen nach den Seinigen brannten.

„Wieso, wir können doch hier bleiben.“, wehrte Daniel ab und zwinkerte mir verführerisch zu. Anscheinend lag ich mit meiner Annahme doch falsch. Ich würde bei Bedarf sogar noch mehr von ihm bekommen - er verlangte es sogar irgendwie von mir - und ich konnte nicht behaupten, dass ich deswegen unglücklich war. Ganz im Gegenteil, ich wollte ihn genauso sehr. Da war nur ein Problem: Sam!

„Ich denke nicht, dass Sam dein Bett räumen wird und ich bin viel zu alt für die Couch.“, scherzte ich, während ich mich erhob und stöhnte, um meine Aussage zu bekräftigen. Ich war bis auf die Knochen durchnässt und ich wollte endlich aus meinen Klamotten heraus und ein heißes Bad mit einem noch heißeren Daniel nehmen, jedoch nicht hier, wo Sam hineinplatzten könnte. Ich wollte schon das Schlafzimmer betreten, als Daniel mich zurückhielt.

Er begann: „Jack, ich…“, brachte es aber nicht zu Ende.

„Ja, ich weiß.“, entgegnete ich sanft und strich ihm zärtlich über die Wange. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, ehe diese meinen Mund einfingen, um diese wollüstig zu verwöhnen. Wir waren nur ein paar Stunden getrennt gewesen - aufzehrende, zermürbende Stunden - doch es kam mir so vor, als hätte ich ihn wochenlang nicht mehr gesehen. Das war unser wirkliches Wiedersehen nach all der Zeit, die wir getrennt gewesen waren. So hätte es schon vor einer Woche sein müssen, so hätten wir einander begrüßen müssen, nicht meine abwesende Haltung, die ich an den Tag gelegt hatte. Dieses innerliche Kribbeln, diese sanften Berührungen, die einen willenlos machten und all die winzigen Stromstöße, die durch meinen Körper jagten, wenn sich unsere Zungen trafen. All das hatte ich so sehr vermisst. Ich hatte solch eine Sehnsucht nach ihm verspürt. Seine heißen Lippen taten meinem kalten Gesicht unsagbar gut, sie warme Haut unter seinem Pullover ließ meine eisigen Finger auftauen und seine Hände ließen kleinere Schauer über meinen Rücken laufen.

Daniel löste sich von mir und meinte grinsend: „Da freut sich ja jemand sehr, mich wiederzuhaben.“ Zuerst verstand ich nicht ganz, doch dann merkte ich auch, dass meine Hose unangenehm zu spannen begann. Wurde ja auch mal Zeit. Wir musste schnellstmöglich zu mir nach Hause, sonst würde ich auf dem Weg dorthin meine Finger schon nicht mehr von ihm lassen können oder im schlimmsten Fall sogar vor verlangen platzen.

„Ach, dass ist nur dein Geschenk.“, wehrte ich lapidar ab und zog den Lederbeutel aus der Jackentasche. Dieser war ebenfalls ziemlich durchnässt. Daniel nahm ihn mir ab und betrachtete ihn lächelnd. Ich stupste ihn neckisch an der Nase an, wo sich ein Regentropfen festgesetzt hatte. Daniel wusste schon, was das für später zu bedeuten hatte, was sein Grinsen nur noch verbreiterte. Dann betrat ich das Schlafzimmer. Sam lag zusammengerollt auf dem Bett und schlief friedlich. Ich nahm auf der Bettkante platz und strich ihr einer ihrer nassen, blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie sah wirklich niedlich aus, wenn sie schlief.

„He, wir haben alles geklärt, sie können jetzt nach Hause gehen.“, flüsterte ich ihr zu.

„Mhmm!“, entgegnete sie nur und rollte sich noch etwas mehr zusammen. Es sah nicht so aus, als wollte sie in den nächsten Stunden aus dem Bett verschwinden. Ganz, wie ich vermutet hatte.

„OK, dann eben nicht. Schlafen sie sich ordentlich aus, wir sehen uns dann später.“ Ich gab ihr einen Gutenachtkuss auf die Stirn und dankte ihr flüsternd für alles, während ich sie zudeckte. Wir würden ihr einfach einen Schlüssel dalassen, damit sie jederzeit gehen konnte. Daniel warf ihr einen misstrauischen Blick zu und überprüfte akribisch jede meiner Bewegungen, die ich ausführte. Ich musste ihn heute Abend wohl erst einmal davon überzeugen, wie viel er mir wirklich bedeutete und dass ich niemand anderen außer ihn brauchte, geschweige denn wollte. Ich trat auf ihn zu und sagte: „Geh dich auch verabschieden.“ Ich hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verließ zum Zeichen meines Vertrauens das Zimmer.

Zuvor hörte ich jedoch Carter noch murmeln: „Sie schulden mir was, Sir!“

weiter: Kapitel 4

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