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Remember the past von Lenari

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Vorwort

Diese Geschichte wurde ursprünglich auf der (ehemaligen) Seite 'More-than-just-Friends' veröffentlicht!
Kapitel Bemerkung: Spoiler: siebte Staffel

Anmerkung: Kursiv ist Traum oder Erinnerung, aber das wisst ihr ja sicher. Ich habe mich mal gefragt, was sein wird, wenn Daniel zurückkommt, und hier ist eine Variante, die denen wohl am meisten zusagt, die für Daniel und Jack als Paar sind. Wie ein kleines bisschen Fieber doch alles auf den Kopf stellen kann? Ich bin auch immer wieder überrascht. Das ist jedenfalls die längste Slash, die ich bis jetzt geschrieben habe, kann also durchaus stolz auf mich sein. Hoffe natürlich, sie ist auch gut. Also, lasst es mich durch euer Feedback wissen. Eines muss ich noch loswerden: Ich liebe Stargate über alles! Geht wohl jedem so, der das liest.

Anmerkung 2: Ach ja, danke fürs Korrekturlesen Antares!!!
Remember the past


Ich blickte auf die Uhr. Er war jetzt schon bereits zehn Minuten überfällig. Das passte einfach nicht zu ihm. Er kam nie zu spät, eher noch zu früh. Ich war es, der immer auf den letzten Drücker auftauchte, auf den man warten musste. Nie aber er! Besonders nicht um diese Uhrzeit. Er war ein Morgenmensch, schon meist vor Sonnenaufgang auf den Beinen, brauchte nie viel Schlaf und selbst wenn er schlecht gelaunt war, immer hellwach. Da stimmte doch etwas ganz und gar nicht. Sam machte Witze, dass er zu spät käme und jetzt durch die Basis hetzen würde. Ein amüsantes Bild. Ich glaubte es jedoch nicht. Das war nicht Jacks Art. Er konnte gar nicht verschlafen. Nicht, wenn er genügend Schlaf bekommen hatte und dem war so.

Wir waren pünktlich von der letzten Mission zurückgekehrt, es hatte keine Schwierigkeiten gegeben, Janet hatte uns bei der Nachuntersuchung vollste Gesundheit bescheinigt und Hammond uns nicht lange mit einer Nachbesprechung aufgehalten. Da Jack seinen Bericht erst am Wochenende - wo keine Missionen für uns angesetzt waren - schreiben würde, so wie er es immer tat, hatte er sicherlich gegen acht sein Bett aufgesucht. Er war von dem langen Marsch müde gewesen und hatte die ganze Zeit davon gesprochen, sobald wie nur möglich ins Land der Träume abzusinken. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen. Abermals blickte ich auf die Uhr. Vierzehn Minuten. OK, das war lange genug, ich beschloss, ihn suchen zu gehen, und teilte das den anderen mit.

„Er kommt sicher gleich, Daniel.“, versuchte Sam mich zu beruhigen, doch sie kannte Jacks Schlafgewohnheiten auch nicht so gut wie ich. Sie war es nicht, die bei ihm jetzt schon fast ein halbes Jahr wohnte und öfters mit ihm ein Zelt teilte. Sie glaubte, er würde morgens immer so mürrisch drauf sein, weil er nicht genug Schlaf bekommen hatte und sowieso ein notorischer Morgenmuffel war. Das traf jedoch eher auf mich zu, wenngleich ich diese Tatsache gut zu verstecken wusste. Auf jeden Fall vor ihnen. Ich hatte auch eine gewisse Übung darin. Außerdem hatten sich diese morgendlichen Anfälle schon deutlich gelegt. Lag wohl mit an dem Job, aber auch an Jack, der einen aus dem Bett holte, wenn er selbst nicht mehr schlafen konnte.

„Trotzdem!“, wehrte ich ab. „Ich gehe lieber auf Nummer sicher.“ Ich stürmte aus dem Stargateraum. Selbst Teal’c hätte mich nicht aufhalten können, wenn er gewollt hätte, doch er schien sich ebenfalls Sorgen zu machen. Er und Jack teilten sich oft genug ein Zelt, so dass der Hüne wusste, dass Jack morgens als Erster aus den Federn kam. Deswegen übernahm er auch immer die letzte Schicht. Er hielt es für sinnlos, einen von uns aus dem Schlaf zu reißen, wenn er selbst doch sowieso wach sein würde. Er löste dann immer Teal’c ab, der dann sein Kel’Noreemding durchziehen konnte. Der Jaffa brauchte sowieso nicht so viel Schlaf. Sam und ich hatten es nötiger, durchzuschlafen. Wir wechselten uns also immer mit der ersten und zweiten Wache ab, wenn wir länger blieben oder von der Dunkelheit überrascht wurden. So bekamen wir noch genug Schlaf.

Wir sollten schließlich für unseren Wissenschaftlerkram fit sein. Komisch, manchmal dachte ich sogar schon wie Jack. Er färbte langsam auf mich ab. Ich erreichte den Fahrstuhl. Gerade trat ein Marine heraus. Ich beschleunigte meine Schritte und rief ihm entgegen, dass er den Fahrstuhl aufhalten sollte. Wir hatten drei Lifte, doch Jack benutzte immer diesen. So ein Gewohnheitsding von ihm. Außerdem kam man auf diesem Weg am schnellsten zum Torraum. Wenn er nicht im Lift war, würde er sicherlich vor der Tür warten, falls er wirklich zu spät war. Er wäre sicherlich zu bequem, einen anderen Weg einzuschlagen, da er eh schon zwanzig Minuten überfällig war. Ich sprang in den Fahrstuhl und drückte auf die neunzehn. Dort lagen unsere Quartiere. Wenn er irgendwo war, dann dort. Der Lift schien sich heute langsamer als sonst zu bewegen.

Ich wippte nervös mit dem Fuß, knetete meine Finger und malte mir die schrecklichsten Szenen aus, wie ich ihn vorfinden würde. Manchmal machte ich mir schon noch Sorgen um ihn - wenn die Mission besonders hart gewesen war und er an seine Grenzen ging - und dann tauchte ich überraschend bei ihm im Quartier oder Schlafzimmer auf und überredete ihn zu einer Partie Schach oder Billard in seiner Lieblingsbar. Ersteres zog ich zwar vor, aber ich tat ihm auch mal den Gefallen und machte das, was er wollte. Ich war mir sicher, er wusste auch, warum ich ihn mit meiner Anwesenheit behelligte. Er versicherte mir, dass es ihm gut ginge und er klarkommen würde, doch manchmal hatte ich da so meine Zweifel. Es war wie alles bei ihm nur so nebenbei bemerkt worden und er war auch schnell wieder zu einem anderen Thema gesprungen, doch ich hatte es nicht vergessen.

Vielleicht machte ich mir wirklich unnötig Sorgen, eventuell hatte er wirklich nur verschlafen, doch ich konnte es mir nicht vorstellen. Jack war ein Mensch, der auf Nummer sicher ging, der auf alle Eventualitäten vorbereitet war. Selbst, wenn er verschlafen hätte - was unwahrscheinlich war, hatte er doch einen leichten Schlaf und hörte seinen Wecker fast sofort - so hätte sein Handy ihm keine halbe Stunde später aus den Federn geholt. Ihm wäre immer noch eine Stunde Zeit geblieben. Wie schon erwähnt, war er ein Frühaufsteher. Er brauchte aber auch die Zeit, um sich fertig zu machen. Er konnte die Ruhe in Person sein und Stunden zum Anziehen brauchen, aber auch in weniger als fünf Minuten abmarschbereit sein.

Ganz, wie er es brauchte. Der Fahrstuhl hielt und ich quetschte mich durch die sich öffnende Tür. Er war auch hier nicht zu sehen. Ich rannte weiter Richtung Quartier. Den Eingang hatte ich bereits im Blickfeld. Ich riss die Tür auf als ich ankam und stolperte in den abgedunkelten Raum. Im ersten Moment konnte ich nichts erkennen, also machte ich Licht. Als erstes fielen mir Jacks Sachen ins Auge, die sorgfältig über dem Stuhl hingen. Er hatte sie also nicht angerührt. Als nächstens zog ein knurrender Laut meine Aufmerksamkeit auf sich. In seinem Bett bewegte sich etwas. Er schlief tatsächlich noch!

„Jack, aufwachen!“, sagte ich laut. Wieder ein Rumoren, dann wälzte Jack sich auf die andere Seite, zog die Decke etwas weiter über seinen Kopf. Ich stemmte meine Hände in die Hüften. Ich fügte hinzu: „Jack, du bist eine halbe Stunde zu spät. Wir warten alle auf dich.“ Das würde ihn sicher auf die Beine bringen. Ich fragte mich, warum er sich so benahm. Das war nicht seine Art. Wenn ich ihn zu Hause immer weckte - ich lebte seit meiner Rückkehr bei ihm - war er sofort wach, aber diesmal nicht. Nicht einmal der Hinweis mit dem Zuspätsein hatte ihn wach bekommen.

Stattdessen meinte er nur murmelnd: „Nur noch fünf Minuten, OK!“

Irgendetwas stimmte da nicht. Das war nicht der Jack, den ich kannte. Normalerweise würde er jetzt aufspringen und sich mit Lichtgeschwindigkeit die Klamotten über den Körper zerren, während er Zähne putzte und sich zu kämmen versuchte. Ich schulterte meinen Rucksack ab und setzte mich zu ihm aufs Bett. Vorsichtig zog ich die Decke weg, darauf gefasst, dass Jack ausholte, wenn er sich in seiner Freiheit bedroht fühlte. Er mochte es nicht, wenn man ihn auf diese Art erschreckte. Sicherlich hatte er das mit seiner Vergangenheit zu tun, über die er nicht sprach. Oft träumte er schlecht, hatte mir schon öfter eine verpasst - besonders in letzter Zeit - aber er redete nie darüber. Er hatte mir auch nie ernsthaft wehgetan, denn, bevor es zu spät war, sah er, dass es sich um mich handelte. Ich hatte ihn auch schon im Halbschlaf geschlagen, wenn ich einen Alptraum hatte, wir waren also quitt. Diesmal jedoch wehrte er sich nicht.

Jack kniff lediglich die Augen zusammen und vergrub sein Gesicht in den Kissen. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, sein T-Shirt klebte nass an seinem Körper, dennoch zitterte er am ganzen Körper - fror, wo ich ihn von der Decke befreite. Er war heiß, als ich ihn an der Schulter zu mir herumdrehte. Er stöhnte auf, als das grelle Licht in seinen Augen brannte, als er blinzelnd versuchte mich anzublicken. Sein Gesicht war zu einer von Schmerz verzerrten Grimasse geworden. Ich fühlte seine Stirn. Er glühte förmlich. Bei dieser sanften Berührung seufzte er erleichtert. Meine Hand war nicht gerade kalt, doch für ihn schien sie mehr als angenehm zu sein. Ich strich ihm über die Wange, fühlte beiläufig seinen Puls. Dieser raste. Ganz offensichtlich war er über Nacht krank geworden. Aber Janet hatte ihn doch für gesund erklärt. Vielleicht hatte sie etwas übersehen oder er hatte sich wirklich erst nach der Untersuchung etwas eingefangen. Was auch immer, er brauchte dringend ärztliche Hilfe.

„Es wird alles gut, Jack.“, redete ich beruhigend auf ihn ein. „Ich rufe Janet.“ Ich schnappte mir den Telefonhörer und wählte die Krankenstation an. Janet war keine zwei Sekunden später am anderen Ende der Leitung. Ich schilderte ihr kurz die Situation und sie wies mich an, ihn wach zu halten und das Fieber durch kaltes Wasser zu senken. Jack besaß eine eigene Dusche in seinem Quartier - er war schließlich Colonel - da war das kein Problem. Ich legte auf und musterte ihn genau. Er sah grauenvoll aus.

„Heiß!“, presste er hervor, stöhnte, als hätte er große Schmerzen. Mir kamen die Tränen. Ich wollte nicht weinen, durfte es jetzt nicht, aber dieser Anblick stimmte mich einfach hilflos. Ich konnte ihm den Schmerz nicht abnehmen, nur für ihn da sein. Zuerst würde ich ihn unter die Dusche befördern, auch wenn ich ihn dahin zerren musste. Ich packte ihn unter den Armbeugen und richtete ihn mit einem kräftigen Ruck auf. Er war schwer und leistete Widerstand, indem er gar nichts unternahm, um mir zu helfen.

„Ich weiß, Jack, ich weiß!“, entgegnete ich flüsternd in sein Ohr. Er hatte mindestens vierzig Grad Fieber, auf lange Sicht tödlich. Ich musste es unbedingt irgendwie senken. Dazu musste ich ihn ins Bad bekommen. Nur dort gab es genügend kaltes Wasser. Eis wäre nützlicher gewesen, aber darum konnte man sich später noch kümmern. „Du musst jetzt aber aufstehen. Wir müssen dich unter die Dusche schaffen. Hilf mir bitte. Ich bin sicher, du schaffst es!“

„Natürlich! Kleinigkeit!“, meinte er und schob die Beine aus dem Bett. Sein Kopf ruhte auf meiner Schulter, seine Arme hingen schlaff herunter. Er hielt die Augen immer noch geschlossen. Ich wusste, dass ihm jede Bewegung Schmerzen verursachte - er biss sogar leicht in meine Uniformjacke - und ihm zum Erbrechen schwindlig sein musste. Wenigstens hatte er seinen Sarkasmus nicht verlernt. Das machte mir Mut, dass es hoffentlich nicht so schlimm war, wie es aussah. Ich packte eines seiner Handgelenke und zog seinen schlaffen Arm um meine Schultern. Ich hoffte, dass ich unter seinem Gewicht nicht zusammenbrach oder mit ihm umkippte, denn er würde mir erst wieder helfen können, wenn wir standen. Hätte ich doch nur Teal’c mitgenommen. Und wo zum Teufel blieb Janet?

„Jack, ich brauche jetzt wieder deine Hilfe. Ich möchte, dass du dich mit aller Kraft an mir festhältst. Glaubst du, du schaffst das?“, redete ich behutsam auf ihn ein. Ich musste ihn wach halten, also mich mit ihm unterhalten und ihn zur Mitarbeit auffordern. Er nickte nur und hob auch den anderen Arm, krallte sich an der Weste fest, die ich trug. Sein Kopf ruhte jetzt halb auf meiner Brust. Er hob diesen an, sah mir in die Augen. Sie waren nur Schlitze, denn das Licht der Lampe brannte weiterhin in ihnen wie Flammen, glasig und gerötet. Er war schon ein paar Mal krank gewesen, doch so fiebrig hatte ich ihn noch nie erlebt. Der leere Ausdruck erschreckte mich gewaltig.

„Daniel!“, hauchte er mir entgegen. „...liebe dich, weißt du...“ Er tätschelte meine Wange, nahm mir die Brille ab und ließ seinen Arm kraftlos sinken. Es war, als stünde er unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen, doch wusste ich, dass er nie etwas trinken würde, wenn er im SGC war, nicht einen Tropfen. Es lag allein am Fieber. Er ahnte nicht einmal, was er von sich gab. Das meinte er auch nicht auf die Art, auf die er es ausgedrückt hatte, nicht so, wie es Außenstehende werten würden. Er war einfach nur froh, dass ich wieder bei ihm war. Er hatte mich vermisst, das hatte er mir gesagt, aber nur auf freundschaftlicher Basis. Er würde sich nicht einmal daran erinnern können, dass er das gesagt hatte. Ich aber und ich würde mir diesen Gedanken bewahren. Er sagte diese Worte nicht - vielleicht hatte er es einmal zu Charlie oder Sarah gesagt - aber bestimmt nie zu jemand anderem. Er würde es sicherlich auch nie wieder wissentlich tun. Mir blieb also nur das.

Ich gab zurück: „Ich dich auch, Jack! Und jetzt komm!“ Langsam zählte ich bis drei, dann richtete ich mich mit ihm zusammen auf. Wir schwanken, doch ich konnte das Gleichgewicht halten. Jack half mir, so gut er konnte. Allmählich machten wir einen Schritt nach dem anderen - ich trug ihn halb - und schafften es unter großer Anstrengung ins Badezimmer. Ich half ihm in die Dusche und stellte das Wasser an. Dass ich dadurch auch bis auf die Knochen aufgeweicht wurde, war mir dabei so ziemlich egal. Auch, dass ich allein bei dem Gedanken daran, zu frieren begann. Ich hatte Jack nicht vorgewarnt - ein fataler Fehler, wie sich herausstellen sollte. Durch den Schock, der durch das eisige Wasser verursacht wurde, schlug er um sich, als würde er ertrinken.

Ich bekam diese Reaktion zu spüren, als er mir seinen Ellenbogen ins Gesicht rammte und mein Auge traf. Gott sei Dank, hatte er meine Brille abgenommen. Diese wäre garantiert zu Bruch gegangen. Ich bekam ihn unter Kontrolle, indem ich meine Arme um ihn legte und meine Hände ineinander verhakte, so dass er sich nicht mehr wehren konnte. Beruhigend redete ich auf ihn ein, während ich mich langsam mit ihm zu Boden sinken ließ. Meine Kleidung war bereits vollständig aufgeweicht. Es kümmerte mich nicht. Jacks hohe Temperatur schaffte es trotz des eisigen Wassers selbst mich warm zu halten. Er lag in meinen Armen, den Kopf auf meine Schulter gebettet, die Arme um mich geschlungen. Ich streichelte beschwichtigend seinen Rücken, ließ ihn wissen, dass ich da war und nicht ging, dass alles wieder gut werden würde.

„Rede mit mir, Jack!“, forderte ich ihn auf. „Unterhalte dich mit mir.“ Im Bad war es dunkel, also konnte ich nicht richtig erkennen, ob er wach war oder nicht. Nur spärlich fiel Licht aus dem Schlafzimmer herein. Ich fragte mich, was Janet so lange machte. Das konnte bis hier doch nicht ewig dauern.

„Immer noch warm.“, brachte er mit zitternder Stimme hervor. Er begann zu frösteln, doch das Fieber verhinderte, dass er es bewusst mitbekam. Sein Verstand war vollkommen vernebelt. „Will schlafen, bin müde.“

„Kommt nicht in Frage!“, wandte ich streng ein. „Hier wird nicht geschlafen.“

„Hmpf!“, war alles, was Jack dazu einfiel, doch ich wusste, er würde auf mich hören. Er wusste, dass ich alles, was ich tat, nur gut meinte. Er vertraute mir und ich vertraute ihm. Vielleicht sogar mehr als mir selbst. Durch die Hölle würde ich für ihn gehen und er würde das Gleiche für mich tun. Wir waren halt Freunde, da machte man das so. Eventuell erzählte er mir jetzt sogar mehr über sich, wo er sowieso keine Kontrolle mehr darüber hatte, was er sagte.

„Erzähl mir von deinem Sohn, Jack!“, bat ich ihn sanft, begann sein Haar zu streicheln und zog ihn noch ein Stückchen enger an mich, um seinen Herzschlag und Atem hören zu können. Er zitterte wie Espenlaub, aber mir ging es nicht anders. „Wie war Charlie so?“

„Er war phantastisch.“, wisperte er in meinen Hals. „Manchmal brav wie ein Engel und dann auch wieder stur wie die Hölle. Ganz sein Vater halt. Ich bin sicher, du hättest ihn gemocht. Er liebte Bücher, wollte, dass ich ihm jeden Abend vorlas. Wenn ich arbeiten musste, habe ich das übers Telefon getan. Sarah hat einfach den Hörer neben ihn gelegt und gewartet, bis er eingeschlafen war. Ich habe mich immer über unsere gemeinsamen Angelausflüge gefreut. Einfach nur wir beide und die Natur. Sarah brauchte die Zeit zum Ausspannen. Für mich war Charlie die Erholung. Er konnte einen aber auch ganz schön auf Trapp halten - war ein richtiger Wirbelwind. Ich sag ja, du hättest ihn gemocht.“

„Und Sara h?“, hakte ich nach. Ich wollte es nicht wirklich wissen, aber mir war nichts Besseres eingefallen. Jack tat es sicherlich auch ganz gut, mal alles herauszulassen, auch wenn er sich nicht daran erinnern können würde. Janet war immer noch nicht zu hören, dabei waren ihre Schuhe immer so laut, dass man sie schon hörte, wenn sie noch zwei Türen entfernt war. Sicherlich kam sie jeden Augenblick um die Ecke. Ich hoffte es.

„Sarah...“, raunte er in Gedanken an sein früheres Leben versunken. „ Ich liebe sie immer noch, weißt du. Sie ist die Mutter meines Kindes, wird es immer bleiben. Sie war die erste Frau, die es schaffte, dass ich sesshaft wurde. Sie war - ist etwas Besonderes. Stark und sanft. Liebevoll und zornig. Verständnisvoll und engstirnig. Man wusste nie, woran man an ihr war. Wir stritten oft, doch meist redeten wir einfach aneinander vorbei. Die Versöhnungen waren das Schönste. Sie war nie eifersüchtig gewesen, weißt du. Ich schon - öfters. Habe ihr nie etwas gesagt. Ich bin sicher, sie hatte es gewusst. Sie kannte mich. Ihr seit euch sehr ähnlich, weißt du.“ Jack tippte mir auf die Nase, sah mich an. Selbst in der Dunkelheit konnte ich das Leuchten in seinen Augen sehen. Ich war mir sicher, es kam vom Fieber, doch da schien noch etwas anderes zu sein. Tiefe Liebe!

Plötzlich presste er mir seine heißen Lippen auf den Mund, spaltete diesen mit seiner Zunge und drang in mich ein, erforschte mich. Ich konnte mich nicht bewegen, mich nicht wehren. Das war nicht Jack, das schrie zumindest eine Stimme in meinem Kopf, doch mein Herz sagte mir etwas anderes. Es war ein schönes Gefühl. Die beste Empfindung, die ich nach meiner Rückkehr spüren durfte. Ich liebte es, zu küssen, doch Jacks Lippen auf den Meinigen zu fühlen, seine Zunge in meinem Mund zu haben, das war einfach berauschend. Es war so anders als bei einer Frau. Fordernder und Verlangender. Seine Bartstoppeln kitzelten auf meiner glatt rasierten Haut, seine Hand an meinem Hinterkopf war um so vieles größer und kräftiger als die eines weiblichen Wesens und er wusste genau, was er tun musste, um mir ein entzücktes Stöhnen zu entlocken. Ich schloss genussvoll die Augen, riss sie jedoch gleich wieder auf, als ich Schritte vernahm.

„Daniel?“, hörte ich Janets Stimme rufen. Endlich! Ich drückte Jack sanft von mir, holte tief Luft.

Wieder zu Atem gekommen, rief ich: „Ich bin hier!“ Das Deckenlicht flammte auf und ich kniff die Augen zusammen. Die Helligkeit brannte in meinen Augen. Jack ging es genauso, mit Sicherheit war es bei ihm sogar noch schlimmer. Er versteckte sein Gesicht in meiner Halsbeuge, knurrte und murmelte etwas, das sich wie eine Beschimpfung anhörte. Anscheinend ging es ihm schon besser, aber immer noch nicht gut genug, sonst hätte er mich sicherlich nicht geküsst. Ich schob es darauf, dass er fiebrig war und nicht wusste, was er tat, doch etwas in mir wollte auch, dass dem nicht so war, dass er es durchaus ernst gemeint hatte. Wie sollte ich nur damit umgehen? Janet war mit ein paar Schritten neben mir. Ich öffnete die Augen wieder, gewöhnte mich an das Licht.

„Colonel, können Sie mich hören? Sehen Sie mich an!“, sprach Doktor Fraiser ihn an.

Ein weiteres „Hmpf!“ war alles, was sie von ihm bekam. Ich beschloss, das Reden für ihn zu übernehmen.

„Er hat hohes Fieber und ist sehr lichtempfindlich.“, ließ ich sie an meinen Entdeckungen teilhaben.

„Da muss er durch!“, meinte sie nur kühl und zog Jack an dem klitschnassen T-Shirt zu sich herum. Er hatte die Augen abermals zusammengekniffen, hielt sich die Hände vors Gesicht. Er lehnte jetzt mit dem Rücken an mir. Erst jetzt bemerkte ich, dass Janet das Wasser ausgeschaltet hatte. Sie wollte sicherlich nicht auch noch vollkommen durchgeweicht werden. Konnte ich verstehen, ich fror wie ein rasierter Pudel. Sie zog ihm die Hände vom Gesicht und hinderte ihn auch daran, sich wieder an mich zu kuscheln. Es war, als würde sie es mit einem kleinen Jungen zu tun haben. Jack konnte sich wirklich manchmal so benehmen, doch diesmal war es extrem.

Er murmelte mürrisch: „Ich hasse Sie, Doc!“

„Ich weiß, Sir!“, gab sie nur unberührt zurück und bat mich stumm, seine Arme festzuhalten, während sie ihn untersuchte und versuchte ihm eine Spritze gegen das Fieber zu geben Er wehrte sich erfolglos gegen mich, als er die Nadel aufblitzen sah. Ich wusste, dass Jack keine Spritzen mochte, diese aber ertrug, wenn es notwendig war - diesmal jedoch schien seine Abneigung noch gewachsen zu sein. Musste ihn sicherlich an etwas erinnern. Janet versuchte, die Nadel anzusetzen, doch Jack bewegte sich trotz allem zu heftig in meinem Griff. Sie würde ihn nur verletzten, vielleicht die Nadel abbrechen. Frustriert fuhr sie ihn an: „Colonel, nun halten Sie schon still!“

„Nein!“, protestierte er und versuchte noch energischer, sich aus meinem Griff zu befreien.

„Jack, ich bin es, Daniel.“, versuchte ich, ihn zu beruhigen. „Es ist alles OK, sie will dir nur helfen. Bitte halte still, Jack. Tu es für mich!“ Er hörte tatsächlich auf, sich zu wehren und Janet tat ihre Arbeit.

„Sehen Sie, war doch gar nicht so schlimm!“, meinte sie beschwichtigend.

Aus ihm platzte es heraus: „Ich liebe Sie, Doc!“

„Natürlich, Sir! Ich Sie auch!“, entgegnete sie, resignierend den Kopf schüttelnd. Es kränkte mich etwas, dass Jack es ihr auch gesagt hatte, doch bestätigte das nur meine Vermutung. Er stand unter dem Einfluss des Fiebers und hatte sich selbst nicht unter Kontrolle.

„Euch liebe ich auch, Leute!“, sprudelte es weiter aus ihm heraus. Erst jetzt realisierte ich, dass außer uns dreien noch andere im Raum waren. Zwei Sanitäter, die sicher beim Aufladen helfen sollten, der Rest unseres Teams sowie General Hammond. Unbeirrt fuhr er fort: „Sie besonders George. Natürlich auch dich, Teal’c, mein großer Schweiger! Und Sam darf ich natürlich nicht vergessen.“ Er tätschelte mir abermals auf die Wange. „Aber keine Sorge, Dannyboy, dich liebe ich von allen am meisten.“ Die letzten Worte waren nur noch ein verzerrtes Murmeln, denn kurz darauf driftete Jack, zufrieden vor sich hin lächelnd, ins Land der Träume ab. Ich übergab ihn in die Hände der Sanitäter und erhob mich. Heute würden wir wohl nicht mehr auf Mission gehen. Janet war zuversichtlich, dass er wieder gesund werden würde. Sie hatte ihm auch noch ein Schlafmittel verabreicht, das gleichzeitig das Fieber senken müsste. Erleichtert atmete ich auf.

„Sie sollten schnellstens aus den nassen Sachen raus und eine heiße Dusche nehmen, Daniel. Sie werden sonst nur auch noch krank.“, wies sie mich an. Als ob ich das nicht schon wäre. Krank vor Liebe! Ich hatte es mir all die Jahre nicht eingestehen wollten, doch fühlte ich nicht mehr für Jack, als normal war? Besonders seit ich zurück war, schien er verändert. Er war sanfter, großzügiger mit unserer knappen Zeit und hatte bis jetzt auch nicht darauf bestanden, dass ich mir eine Wohnung suchte. Als würde er mich gar nicht loswerden wollen. Ich wollte auch nicht von ihm weg. Es gefiel mir, nach Hause zu kommen und ihn dort vorzufinden, auf ihn zu warten, wenn er noch schnell etwas einkaufen gefahren war oder zusammen mit ihm die Wohnung zu betreten und dabei diskutierend klarzustellen, wer als erstes ins Bad durfte. Ihn sicherlich auch. Wir waren beide nicht alleine.  

Immer, wenn wir uns stritten, machte ich mich innerlich darauf gefasst, dass er mich hinauswerfen würde, doch er hatte das nie auch nur mit einem Wort erwähnt. Er selbst wollte nicht, dass ich ihn verließ. Ganz deutlich wurde es mir, als ich den Anrufbeantworter abhörte und so einem Gespräch lauschte, welches dieser aufgezeichnet hatte. Ich hatte meinen alten Vermieter angerufen, ob meine Wohnung noch frei sei und war dann zur Arbeit gefahren. Jack war vor mir nach Hause gekommen, wie so oft, und hatte den Anruf abgefangen und verlauten lassen, dass ich es mir anders überlegt hätte und bei ihm bleiben würde. Natürlich war die Wohnung kurz darauf weg, aber es hatte mich nicht wirklich gestört. Ich war kaum dort gewesen, also war das nicht annähernd so tragisch. Ich selbst hatte außerdem auch schon mit dem Gedanken gespielt, ihm zu sagen, dass meine Wohnung bereits vergeben sei. Ich spürte, wie mich jemand mit sich zog.

 

Sanfte, zierliche Hände führten mich aus dem Bad. Samantha Carter. Nachdem ich mich nicht gerührt hatte, schien sie Janets Befehl in die Tat umsetzten zu wollen. Sie kannte mich, wusste, dass ich mir Sorgen machte, doch selbst sie hatte mich noch nie so durch den Wind gesehen. Sie ahnte, dass noch mehr passiert war, als das, was sie mitbekommen hatten, fragte jedoch nicht. Diskretion war schon immer ihre größte Stärke gewesen. Sie schleifte mich in mein Quartier, das genau neben Jacks lag und half mir aus den nassen Klamotten. Ich war ihr nicht gerade eine große Hilfe, denn dieser Kuss hatte mich so aus der Bahn geworfen, dass ich nicht mehr klar denken konnte.

„Daniel, nun habe dich doch nicht so.“, fuhr Sam mich frustriert an und seufzte resignierend. „Willst du unbedingt krank werden? Es reicht, dass Jack nicht einsatzbereit ist. Also, bitte, hilf mir gefälligst.“ Während sie das sagte, zog sie mir einen dicken Pullover über den Kopf. Ich erwachte aus meiner Starre, entfloh wenigstens eine Zeit lang meinen schwirrenden Gedanken und half ihr, indem ich mich zu Ende anzog. Komisch, aber mir war gar nicht kalt. Ich merkte, dass ich zitterte, aber ich fror dennoch nicht. Zumindest spürte ich es nicht. Aber das hatte auch nicht viel zu sagen. Am Anfang, als ich gerade erst zurückgekommen war, hatte ich zwischen kalt und warm auch nicht unterscheiden können. Vielleicht noch eine Nachwirkung meiner außerkörperlichen Erfahrungen oder einfach nur die Tatsache, dass ich verwirrt war. Woher sollte ich auch wissen, ob er es wirklich ernst meinte, ob er sich daran erinnern können würde. Sam hatte sich neben mich gesetzt und ich lehnte mich an sie. Geschwisterlich fuhr sie mir übers Haar und streichelte meinen Rücken.

 „Es ist zum Verzweifeln.“, dachte ich laut. Sam sah mich verwundert an.

„Was?“, fragte sie verwirrt.

„Alles.“, gab ich weitschweifend zurück. Sie konnte sich denken, dass es sich um Jack handelte. Er war schließlich alles für mich. „Vielleicht wird es Zeit für eine Veränderung. Ich sollte endlich bei Jack ausziehen.“

„Aber ich dachte, ihr versteht euch so gut.“, bemerkte sie nun erstaunt. Natürlich konnte sie meinen Gefühlsumschwung nicht verstehen. Denn heute Morgen hatte ich ihr noch erzählt, wie toll es wäre, mit Jack zusammenzuwohnen. Man brauchte sich praktisch um nichts kümmern. Sie hatte mir das zwar nicht abnehmen wollen, doch so war es nun einmal. Aber ich war bereit, das aufzugeben, wenn es sein müsste. Denn wenn er mich geküsst und mir seine Liebe gestanden hatte, ohne sich daran erinnern zu können, könnte ich es nicht über mich bringen, mit diesem Wissen noch länger mit ihm unter einem Dach zu leben.  

„Tun wir auch.“, wehrte ich ab. „Aber ich brauche endlich meine eigenen vier Wände. Leider wird das dauern und ich wollte eigentlich schnellstmöglich meine Sachen räumen. Ich werde wohl in ein Hotel ziehen müssen.“

„Woher der plötzliche Sinneswandel. Erst seid ihr unzertrennlich und plötzlich könnt ihr euch nicht mehr riechen. Ich weiß, dass mich das nichts angeht, aber was ist wirklich passiert? Es ist doch sicher nicht nur wegen des Veilchens, das er dir verpasst hat, oder?“, wollte Samantha wissen. Sie würde es sicher verstehen, wenn ich es ihr sagte, doch ich musste er selbst mit mir ins Reine kommen, ehe ich ihr alles erklären konnte.

Ich antwortete bekümmert: „Das ist kompliziert. Ich halte es einfach für das Richtige, das ist alles.“

„Wenn du das so siehst, kannst du gerne vorerst bei mir wohnen. Ich verrate es dem Colonel auch nicht.“ Sie zwinkerte mir zu und ich bedankte mich bei ihr. Es war schön, sie als Freundin zu haben. Ich konnte mich glücklich schätzen. Ich würde versuchen, ihr nicht länger als nötig auf die Nerven zu fallen. Ein herzhaftes Gähnen entwich meiner Kehle. Ich war müde. Es war gerade mal neun Uhr und ich war bereit schon wieder todmüde ins Bett fallen. Da die Mission sicherlich verschoben wurde und wir sowieso nicht ohne Jack gleich heute noch aufbrechen würden, beschloss ich, mir etwas Schlaf zu gönnen. Ich musste erst einmal abschalten. Vielleicht sah später alles viel klarer aus. Kaum hatte ich mich auf dem Bett ausgebreitet, war ich auch schon eingeschlafen. Ich spürte nur noch, wie Sam mich zudeckte und mein Quartier verließ.

 

 

Ich stand am Eingang zum Cheyenne Mountain und wartete. Es war kühl geworden, ein leichter Wind wehte und zur Abwechslung roch die Luft mal nicht nach Autoabgasen und was sonst noch in die Atmosphäre gepumpt wurde. Ich sog sie tief in meine Lungen und erfreute mich seit langem Mal wieder daran, dass ich einfach nur am Leben war. Weil er endlich, von wo auch immer, zurückgekehrt war! Ich stand hier nämlich nicht nur dumm in der Gegend herum, wie ich es das letzte Jahr oft getan hatte, sondern ich wartete auf jemand bestimmten. Auf ihn! Auf Daniel Jackson, der endlich wieder bei uns war! Er mochte solche Tage nicht, hatte er nie getan, aber ich schon. Alles erschien so gewaltig, aber auch so klar. Es folgte einer festen Ordnung. An dem von grauen Wolken verhangenen Himmel konnte man eindeutig ablesen, dass es bald regnen würde. Noch etwas, dass er nie gemocht hatte, doch diesmal würde er sich sicher freuen. So wie ihn alles begeisterte!

Selbstverständlichkeiten, die wir nicht mehr wahrnahmen, brachten seine Augen zum Leuchten, ließen sein Herz schneller schlagen. So hatte ich ihn nie zuvor erlebt. Es war, als würde ich allein das Kind ihm sehen, dass er so lange vor uns versteckt gehalten hatte. Zuerst war er distanziert und verschlossen gewesen - wie immer, wenn er nicht wusste, wie er sich verhalten sollten - doch mittlerweile war er aufgetaut. Lag wohl mit an unserer herzlichen Begrüßung. Und wenn ich uns sage, dann meinte ich auch mich. Als Daniel zu sich gekommen war, mich angesehen und leise meinen Namen geflüstert hatte, hatte ich ihn an mich gezogen und so fest gedrückt, wie ich nur konnte. Erst als er mich darauf hinwiesen hatte, keine Luft mehr zu bekommen, hatte ich notgedrungen von ihm abgelassen. Er hatte scheußlich ausgesehen, aber lang nicht so schlimm, wie an dem Tag, als er ging. Damals hatte es mir das Herz gebrochen.

Man hatte es mir nicht angesehen - ich hatte ihn schließlich losgelassen - aber innerlich war meine ganze Welt zusammengekracht. Ich war sicher, eine gewaltige Explosion gespürt zu haben und der Knall war ohrenbetäubend gewesen, auch wenn ihn außer mir niemand gehört hatte. Sie waren alle zu sehr mit ihrem eigenen Schmerz beschäftigt gewesen. Besonders Carter. Sie hatte mir übel genommen, dass ich nicht um Daniel hatte trauern können. Zwar hatte sie diese Tatsache bestritten, doch ich wusste es besser. Ich trat mir jeden Tag selbst dafür in den Hintern, ihn einfach ziehen gelassen zu haben, anstatt alles daran zu setzten, ihn bei mir zu behalten. Wenn ich nur ein Wort gesagt hätte - mehr als mein sinnloses Gestammel und das wir ihn vermissen würden - vielleicht wäre er geblieben. Wem machte ich eigentlich etwas vor? Daniel wäre dennoch gegangen.

Wieso hätte er auch gerade meinetwegen bleiben sollen? Ich war nicht mehr als ein heruntergekommener Soldat, der weder einen gesunden Sinn für Humor, noch ein ausgeprägtes Sozialverhalten hatte. War doch fast ein Wunder, dass er mich noch längst nicht erschossen hatte. Doch das würde sich ändern. Bald! Ich hatte ihm angeboten, bei mir zu wohnen und er hatte angenommen. Heute Abend würde es vielleicht noch gut gehen, eventuell auch noch morgen, doch mit höchster Wahrscheinlichkeit würden wir uns am dritten Abend gegenseitig an die Gurgel springen. So ein klassisches Doppel-KO. Kurz darauf würde ich ihn sicher bei Sam antreffen können oder bei Janet. Wer auch immer ihn aufnehmen würde. Besser gesagt, wer den Kampf gewann, denn wer würde nicht mit einem Mann wie ihm zusammenleben wollen? Teal’c wahrscheinlich, aber der zählte hier nicht. Ich würde das Beste aus der Zeit machen.

Er würde sich wundern, was sich bei mir verändert hatte. Nachdem er gegangen und alles zurückgelassen hatte, hatte ich mich einfach nicht von dem ganzen Zeug trennen können. Einiges war dem Museum gespendet worden oder dieser Bibliothek, die wir in der Basis eingerichtet hatten, wo sein Labor gelegen hatte - das war vielleicht ein Schock für ihn gewesen - aber von ganz persönlichen Dingen hatte ich mich einfach nicht trennen wollen. Wir alle nicht. Zum Beispiel dieses alte, ägyptische Schachbrett, auf welchem wir immer gespielt hatte. Ich hatte es bei mir zu Hause in die Glasvitrine gestellt. Auch ein paar seiner Sachen lagen noch bei mir im Schrank - darunter sein Lieblingspulli. Ich hatte es nicht über mich gebracht, ihn in die Kleidersammlung zu geben. Außerdem hatte er darin immer so gut ausgesehen. Vielleicht trug er ihn deshalb, als er mich in Ba’als Palast besuchen kam. Eventuell hatte er es gewusst. Jetzt jedoch konnte er sich an nichts mehr erinnern und irgendwie war das auch gut so.

Er musste sich nicht auch noch mit dem Gedanken quälen, dass er mich hatte leiden lassen. OK, ich hätte aufsteigen können, so wie er, doch ich wäre mindestens eine Woche später wieder herausgeflogen. Wie schon erwähnt, ich hatte noch nie ein besonders gutes Sozialverhalten an den Tag gelegt. Erinnerte mich irgendwie an die Highschool und das College. Ja, ich war auf dem College gewesen, aber die mussten ja nicht gleich alles wissen. Es waren auch nur zwei Semester gewesen, danach hatte ich Nase gestrichen voll gehabt. Der Wind frischte auf und ich schlang meine Lederjacke noch etwas enger um meinen Körper und stellte den Kragen auf. So sehr ich diese Art von Wetter auch liebte, es musste nicht unbedingt so kalt sein. Wenn ich etwas nicht gerne tat, dann war das frieren. Seit der Sache mit der Antarktis nicht mehr. Ich liebte Schnee, keine Frage, solange man es nur nicht übertrieb. Es würde sicherlich auch bald wieder schneien, war schließlich schon wieder Januar.

An die Feiertage ohne ihn wollte ich erst gar nicht denken. Hinter mir ertönten Schritte. An dem Gang erkannte ich Daniel sofort, doch drehte ich mich nicht um. Er sollte nicht sehen, dass ich vor Erwartung auf ihn, fast verrückt geworden wäre. Neben mir blieb er stehen, sah ebenfalls in die Nacht hinaus. Es war bereits zehn, wie ich bei einem Blick auf meine Uhr feststellen musste. Zeit nach Hause zu fahren. Das war vielleicht das erste Mal seit Jahren, dass ich mich wirklich freute, heim zu kommen. Eventuell, weil er wieder da war, aber ganz sicher auch, weil er heute Nacht bei mir bleiben würde, weil wir beide nach Hause fahren würden. In unser Heim. Nein, darauf durfte ich mich nicht versteifen. Es war nur vorübergehend, bis er etwas Eigenes hatte. Ich konnte mich nicht an dem Gedanken festbeißen, dass es jetzt immer so sein würde. Meine Theorie widerlegte diese Annahme von vornherein. Dennoch kam er auf eine Art auch nach Hause. Ich ging im Kopf noch einmal durch, ob auch alles erledigt worden war.

Das Haus war sauber - na ja, wenn man von drei Wochen Staub absah - der Kühlschrank leer, wie immer - ich musste also noch schnell am Supermarkt halten  - die Fische wurden regelmäßig gefüttert und ich hatte den Spender aufgefüllt, bevor ich ging, und alle ausstehenden Rechnungen bezahlt. Es konnte also nach Hause gehen. Gerade als ich diesen Gedanken gefasst hatte, begann es zu regnen. Erst nur ein paar Tropfen, dann ein ganzer Schwall. Wir würden nass sein, ehe wir am Wagen ankämen. Also war laufen wohl überflüssig. Er schien das durchaus auch nicht vorgehabt zu haben. Daniel atmete einmal tief durch und trat dann in den Regen hinaus, das Gesicht gen Himmel gestreckt und die Arme ausgebreitet. Binnen einer Minute war er klitschnass.

„Ich liebe den Regen, Jack!“, brachte er mit einem Lächeln auf den Lippen heraus und sah mich an. Wieder lag da dieses Glitzern in seinen Augen. Es war berauschend. Auch ich musste unwillkürlich grinsen. Seine Fröhlichkeit steckte an. Ich nickte nur verstehend, warf einen Blick in die Wolken und trat dann zu ihm unter den Regen. Er hatte Recht, es war phantastisch. Man musste solch ein Wetter einfach lieben. All die Sorgen wurden einfach weggewaschen. Vielleicht hielten wir es ja doch etwas länger miteinander aus, als angenommen, wenn er weiterhin diese Laune beibehielt. Nichts konnte ihn aus der Bahn bringen, ich wollte, dass sich das nie änderte.

„Ich weiß!“, entgegnete ich, ohne den Blick von ihm abzuwenden. „Aber meine morschen Knochen leider nicht, also lass uns nach Hause fahren, bevor ich noch ganz durchweiche. Du kannst weiter im Regen spielen, während ich einkaufe.“ Ich machte mich auf dem Weg zum Wagen und stieg ein. Daniel hüpfte auf den Beifahrersitz und schaltete sofort das Radio an. Es liefen Nachrichten, doch ihn schien das nicht zu stören. Ich startete den Motor und sofort sprang auch die Heizung an. Gott, ich liebte dieses Baby.

„Ich will auch einkaufen.“, bemerkte Daniel plötzlich und ich wusste, dass er keine Widerrede dulden würde. Wieso auch? Solange er sich zu betragen wusste. Genau da lag aber der Haken. Er würde wie ein Dreikäsehoch auf Glucose durch die Gegend springen und alles in den Korb werfen, was zwar absolut phantastisch schmeckt, aber keinerlei Nährstoffe hatte und dazu noch ungesund wie die Hölle war. Nicht, dass ich das alles nicht auch öfter in mich hineinstopfte, doch er nicht. Er stand normalerweise auf frisches Gemüse mit reichlich Nährstoffen und anderes, gesundes Zeug. Ich würde ihn an die Leine nehmen müssen, bevor wir den Supermarkt betraten. Jetzt war er schon mehr als hibbelig auf dem Beifahrersitz.

„Kannst du auch, Daniel, nur schnalle dich endlich an, ich will los!“, bat ich ihn sanft und legte selbst meinen Gurt an.

„Ich möchte Schokoriegel, Gummibärchen, Vanilleeis, Bonbons, Pizza und Marshmellows.“, zählte er begeistert auf, während wir aus dem Haupttor herausfuhren. Unterdessen fummelte er am Radio herum, suchte einen anderen Sender. Ihm schien das Lied genauso wenig zu gefallen, wie mir.

„Bekommst du alles!“, versprach ich ihm und wuschelte durch sein feuchtes Haar. Es tat so unsagbar gut, ihn wieder berühren und mit ihm reden zu können. Bei den Klängen von „Losing my religion“ horchte er auf, summte erst mit und sang dann freudig in einer gänzlich schiefen Tonlage weiter. Ich tat ihm den Gefallen und ertrug es lächelnd, ließ mich sogar anstecken. Wenn uns jetzt ein Polizist angehalten hätte, wären wir wahrscheinlich wegen Drogenkonsum und Fahren unter Rauschgift verhaftet worden. Irgendwie schafften wir es unbemerkt zum Supermarkt und kaum das ich einen Parkplatz gefunden und gehalten hatte, war Daniel auch schon aus dem Auto gesprungen und zu den Einkaufswagen gerannt, um uns einen zu sichern. Resignierend schüttelte ich den Kopf und folgte ihm.

Es war kaum etwas los, doch so fielen wir als zwei klitschnasse Männer nur noch mehr auf. Besonders, da ich Daniel an meiner Seite hatte, der nicht wirklich bei mir bleiben konnte. Immer wieder musste ich nach ihm rufen und ihn ermahnen, sich nicht gefälligst zu weit in die Tiefkühltruhen zu beugen, wenn er darin nicht übernachten wollte. Dann war er schmollend zu mir zurückgekehrt, was mir ein schlechtes Gewissen machte. Sollte er sich doch aufführen, wie ein Verrückter. Mehr waren wir doch auch nicht. Er hatte über ein Jahr nicht mehr eingekauft - gegessen wahrscheinlich auch nicht - für ihn war das ein kleines Wunder, welches für uns ein lästiges Übel darstellen würde. Er hatte es gehasst, einkaufen zu gehen, hatte sich immer alles liefern lassen, doch jetzt schien er gar nicht mehr weg zu wollen.

„Daniel, was ist das denn alles?“, fragte ich frustriert seufzend, als mein Freund mit vollbeladenen Armen zu mir zurückkehrte und alles in den Korb fallen ließ. Ich warf einen kurzen Blick darauf. Nicht eine gesunde Sache. Süßigkeiten, wohin das Auge sah, aber weder Obst noch Gemüse. Oh Mann, das würde ein teurer Spaß werden.

„Schokoriegel, Gummibärchen, Vanilleeis, Bonbons, Pizza und Marshmellows.“, zählte er alles noch einmal auf und erinnerte mich:  „Hast es mir versprochen, Jack!“ Als ob ich das hätte vergessen können. Ich stieß hörbar die Luft aus und nickte zustimmend.

Während ich mich in den Korb beugte, um mir eine Übersicht zu verschaffen, meinte ich: „Ich weiß! Wenn du schon hier durch die Gegend fegst, kannst du uns ja auch gleich noch etwas zum Abendessen suchen. Was immer du haben willst.“ Er zeigte mit dem Finger auf seine Errungenschaften.

„Das ist mein Abendessen.“, sagte er voller Überzeugung.

„Daniel, ordentliches Essen. Warmes Essen. Fleisch, Gemüse und meinetwegen dieses Zeug als Nachtisch, OK!“, startete ich einen Kompromiss. Ich musste sicherlich jedes Quäntchen Diplomatie für ihn aufwenden, dass ich besaß, wenn ich diese Tage überleben wollte, ohne dass sie mich einweisen mussten.

„OK!“, entgegnete er knapp und wütete erneut durch den Laden. Wir verschwendeten fast eine Stunde damit, einzukaufen und alles einzuladen. Soviel Geld hatte ich für Essen in meinem Leben noch nicht ausgegeben, nicht einmal damals, als ich noch für drei einkaufen musste. Aber wir brauchten ja auch so gut wie alles. Das Bier hatte ich weggelassen. Nach meiner Erinnerung hatte ich noch ein bis zwei Flaschen im Kühlschrank. Hoffte ich jedenfalls. Erst hatte ich ja etwas mitnehmen wollen, doch Daniel hatte den ersten Versuch vereitelt, indem er die Kiste wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückgestellt und dafür Cola eingepackt hatte. Ich hasste Cola! Er eigentlich auch! Ich würde es überleben.

 

Zu Hause angekommen, luden wir alles wieder aus. Na ja, eigentlich ich, da Daniel lediglich wie ein Wilder durch die Gegend lief, überall Licht machte und sich alles ansehen musste. Bei den Fischen, die ich ebenfalls aus seinem Besitz gerettet hatte, blieb er stehen.

„Hallo Fischies!“, begrüßte er seine alten Freunde und klopfte mit dem Zeigefinger an die Scheibe des Aquariums. Kurz darauf fragte er: „Jack, wo ist Hannibal und wieso hast du Fred und Barnie ausgesperrt?“ Ich kam aus der Küche, wo ich gerade die letzten Tüten abgestellt hatte und stellte mich neben ihn, sah selbst hinein. Die Fische sahen auf einmal viel fröhlicher und flinker aus. Daniels Laune steckte selbst diese kleinen Würmer an.

„Hannibal ist leider in die ewigen Fischgründe eingegangen und Barnie ist anscheinend doch eine Wilma. Sie hat vorgestern Eier gelegt und da habe ich eine Trennwand gezogen, damit sie eine Chance haben. Sie müssten Ende der Woche schlüpfen!“, erklärte ich ihm und zerzauste abermals sein immer noch feuchtes Haar.

 „Abpropro schlüpfen - schlüpfe aus deinen Klamotten und geh unter die Dusche. Du willst doch nicht krank werden.“

„Und du?“, hakte Daniel verwundert nach und zwinkerte mir misstrauisch zu.

„Ich werde nicht krank. Ich geh außerdem nach dem Essen!“ Auf dem Weg ins Bad begann Daniel sich zu entblättern und hinterließ eine Spur nasser Klamotten auf den Holzdielen des Fußbodens. Ich sammelte sie auf und warf sie in den Wäschekorb. Um mir wenigstens spärlich das Haar zu trocknen, schnappte ich mir noch schnell ein Handtuch. Dann machte ich mich ans Auspacken und Essen machen. Daniel hatte sich für Reis mit Curryhuhn entschieden. Wenn er es so wollte, bekam er es auch. Heute jedenfalls! Ich mochte Geflügel eigentlich weniger, aber es war leichter zuzubereiten als anderes Fleisch. Außerdem könnte er die Streifen auch mit der Hand essen, wenn es ihm Spaß machte. Er begann unter der Dusche zu singen und das auch nicht gerade erfolgreicher als im Auto.

Ich schaltete das Radio an, um ihn zu übertönen, was ziemlich schwer war. Eine knappe halbe Stunde später, gerade als ich den Tisch deckte, öffnete sich die Badezimmertür und Daniel kam heraus. Er trug meine Lieblingsboxershorts - die, die ich von Cassandra in ihrem ersten Jahr zu Weihnachten bekommen hatte und auf der sowohl Woodstock als auch Snoppy abgedruckt waren - ein schwarzes T-Shirt, natürlich auch meines und deshalb etwas zu groß, sowie weiße Frotteesocken, damit seine Füße nicht froren. Er zwinkerte mir aus seinen tiefblauen Augen unschuldig entgegen und mir blieb wieder nichts übrig, als resignierend den Kopf zu schütteln. Was für eine extravagante Kombination! Dieser Mann konnte einen manchmal echt schaffen. Heute war es nur besonders schlimm.

„Ich habe keine anderen Sachen gefunden.“, verteidigte er sich. Er schob seine Unterlippe schmollend nach vorne. Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, immer wenigstens Unterwäsche im Bad zu lagern, falls mich jemand unangemeldeter Weise aus der Dusche holte. Außerdem ging das Anziehen morgens dann viel schneller.

„Guck mal im Schlafzimmer nach. In einer der Kisten müssten noch ein paar Klamotten von dir liegen. Ich habe sie Letztens erst gefunden.“, wies ich ihn an und beendete meine eben begonnene Arbeit. Dass er unter dem guten Dutzend Shorts, das ich besitze, ausgerechnet diese greifen musste, ließ mich schmunzeln. Sicher war das Absicht gewesen. Ich trug sie nicht sehr oft, schon gar nicht zur Arbeit, doch Daniel hätte das ohne weiteres drauf gehabt. Ich nahm das Essen vom Herd und verteilte es in verschiedene Schüsseln, dann stellte ich auch diese auf den Tisch und füllte uns beiden etwas auf. Im selben Augenblick kam Daniel um die Ecke. Diesmal mit Jeans und Sweatshirt bekleidet. Natürlich nicht aus seinen Sachen. Zwischen den Zähnen steckte einer der vielen Schokoriegel auf dem er genüsslich kaute.

Mit vollem Mund meinte er: „Deine Sachen sind viel bequemer als meine und sie riechen so gut. Ist das Rosenduft?“ Er sog den Weichspülerduft tief in die Nase ein und seufzte zufrieden. Dann fügte er hinzu: „Ich liebe diesen Geruch!“

„Das ist Lavendel.“, gab ich zurück und nahm ihm den Schokoriegel aus der Hand. „Wo hast du den eigentlich schon wieder her?“

„Aus deinem Nachttisch!“, gab Daniel kleinlaut zurück und sah beschämt zu Boden, weil er ja nicht gefragt hatte. Ich steckte mir den letzten Bissen der Süßigkeit in den Mund, als Demonstration, dass es mir nichts ausmachte mit ihm meinen Vorrat zu teilen.

„Nächstes Mal gibt es aber nichts zu Naschen vor dem Essen, dass das klar ist.“, belehrte ich ihn mit gespieltem Ernst und führte ihn an seinen Platz in der Küche. Wir aßen schweigend. Ich zumindest! Daniel gab immer wieder zum Besten, wie gut ich gekocht hätte, wie lecker das schmecken würde und dass dieses Gericht ab heute seine Leibspeise sein würde, aber nur, wenn ich sie zubereitete. Ich konnte das nicht verstehen. OK, ich hatte es nicht versalzen oder so, das Fleisch war durch, es war etwas schärfer geraten als vorgesehen, aber ansonsten war es nichts Weltbewegendes. Daniel machte aus einer Mücke einen Elefanten. Außerdem holte er sich einen riesigen Nachschlag, kratzte beide Schüsseln restlos aus uns stopfte alles, ohne auch nur einmal vom Teller aufzusehen, in sich hinein. Ich hatte eh nicht so großen Hunger. Wie schon gesagt, mochte ich Geflügel nicht besonders.

Außerdem hatte ich die Befürchtung, dass er mir den Arm abbeißen würde, wenn ich mich auch nur etwas mehr bewegte. Er war eigentlich nicht so ein williger Esser wie heute. Nachdem ich alles in die Spülmaschine geräumt hatte, machten wir es uns in der Wohnstube gemütlich. Na ja, ich nicht wirklich, denn Daniel hatte die ganze Couch in Beschlag genommen. Während er durch die Programme zappte ohne irgendwo wirklich etwas Brauchbares zu finden, futterte er seine Süßigkeiten und kommentierte jede neue Werbung, die er noch nicht gesehen hatte, regte sich über die Nachrichten auf und amüsierte sich königlich über die verschiedensten neuen Fernsehserien, die um diese späte Zeit in der Glotze liefen. Ich für meinen Teil war zu müde, um mir auch noch das anzutun. Mit einem elenden Stöhnen erhob ich mich aus meinem Lieblingssessel und schlurfte ins Bad. Ich brauchte dringend eine Dusche.

Nicht nur, um die Verspannungen zu lösen, sondern auch um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. So sehr Daniel mich im Moment auch nervte, ich hatte mich lang nicht mehr so zufrieden gefühlt. Ich wollte nicht, dass er je wieder ging, wollte ihn für immer in meiner Nähe behalten. Ich brauchte ihn, dass wurde mir jetzt klar. Von dem Augenblick an, als er aufgestiegen war, lebte ich nur noch in den Tag hinein. Mich interessierte so gut wie gar nichts mehr. Die Reisen durchs Stargate waren einfach nicht mehr dieselben ohne meinen ständig niesenden, nervenden und bettelnden Anthropologen, der alles daran setzte, mehr Menschlichkeit, Mitgefühl und Empfindungen aus mir herauszuquetschen. Nicht immer so erfolgreich, wie er sein wollte, aber dennoch kratzte er erheblich tiefer als nur an der Oberfläche. Eigentlich sollte mir das Angst machen, dessen ungeachtet war ich froh darüber. Zu froh!

Ich würde nicht noch einmal verkraften können, ihn zu verlieren, auf welche Weise auch immer. Selbst, wenn er auszog, würde mich das schwer treffen. Ich musste das verhindern. Am besten ich bestellte die Zeitung ab - keine Wohnungsannoncen mehr - löschte alle Nachrichten, die von Vermietern kommen würden und versteckte seine Post. Genau das würde ich tun. Er würde bleiben müssen, ich hätte ihn weiterhin um mich und wir würden lernen, miteinander auszukommen. Er dürfte immer zuerst das Bad benutzen, er könnte meine Unterwäsche tragen solange er wollte - dieser Gedanke gefiel mir ausnehmend gut - und er würde sich nie um etwas kümmern müssen. Gott, ich hatte vor, ihn zu verhätscheln und dass würde mir auch noch Freude bereiten. Dieser Mann hatte mich echt im Griff.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf trat ich, fürs Bett fertig, aus dem Bad, nur um zu sehen, wie Daniel sich auf der Couch zusammen gerollt hatte, die Fernbedienung fest umklammert hielt und leise vor sich hin schnarchte. Ich schnappte mir die Decke von der Sofalehne und warf sie ausgebreitet über ihn. Er war zu schwer, als das ich ihn hätte tragen können - auf jeden Fall nicht so, dass er nicht aufwachte. Mit einem geübten Griff überprüfte ich die Heizung, drehte sie auf drei. Nachts konnte es sehr kalt werden und ich wollte nicht, dass er fror. Vorsichtig löste ich die Fernbedienung aus seiner Hand und legte sie auf den Couchtisch. Abschließend fuhr ich ihm durch das immer noch leicht feuchte Haar und platzierte einen Gutenachtkuss auf seiner Stirn - ganz so, wie ich es früher bei Charlie immer getan hatte.

Doch diesmal war es anders. Es weckte ein Verlangen in mir, dass ich lieber nicht haben sollte. Schnell verdrängte ich den Gedanken, die aufkommenden Gefühle und schlich ins Schlafzimmer. Ich brauchte dringend ein bisschen Ruhe, denn morgen würde es nicht weniger stressig werden. Wir hatten zwar alle frei bekommen, doch wir mussten Daniel noch neue Klamotten und anderes wichtiges Zeug besorgen. Außerdem hatte Sam die Idee mit einer Willkommensfeier im engen Kreis gehabt, die während der Shoppingtour auf die Beine gestellt werden würde. Ich und ein Einkaufsbummel mit einem überbegeisterten Daniel - der absolute Horror. Mit diesem Gedanken schloss ich die Augen.

 

Als ich sie wieder öffnete, blendete mich ein unangenehm helles Licht. Ich war nicht mehr bei mir zu Hause, soviel wurde mir bewusst. Angewidert von der Helligkeit drehte ich meinen Kopf zur Seite, was sogleich dazu führte, dass mein Kopf schmerzlich zu dröhnen begann und mir ein leises Keuchen entfuhr. Sofort spürte ich eine Hand auf der Meinigen, sah in das sanfte Gesicht Doktor Janet Fraisers. Sie hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen und strich mir mit der anderen Hand eine Strähne aus der Stirn. Auch ohne große medizinische Kenntnisse wusste ich, dass sie gerade meinen Puls überprüfte und sicherstellte, dass ich nicht mehr fiebrig war. Das konnte ich aus langjähriger Erfahrung als Notfallpatient garantieren. Schon oft war ich (ausgerechnet) hier aufgewacht, doch niemals aus einem so lapidaren Grund. Sonst waren es wenigstens Stabwaffenverletzungen oder die Folter irgendwelcher verrückter Goa’uld gewesen, doch niemals einfach nur Fieber.

 „Wie geht es Ihnen?“, fragte sie mit gedämpfter Stimme. Sie musste ahnen, dass es mir nicht besonders ging. Ich bot sicherlich auch den dementsprechenden Anblick.

„Fantastisch!“, entgegnete ich schwach. Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich jemals so jämmerlich klingen könnte. Sonst war es mir wenigstens noch halbwegs gelungen, eine Spur Sarkasmus mit einfließen zu lassen und eine kräftige Stimme zu erzeugen, auch wenn es mir alles abverlangte, doch dieses bisschen Fieber hatte mich vollkommen aus der Bahn geworfen. Ich fühlte mich schlapp, ausgelaugt, als hätte jemand all meine Lebensgeister aus meinem Körper gesaugt. He, das reimte sich.

„So weit würde ich nicht gehen, Sir, Sie haben schließlich immer noch Fieber, aber das schlimmste haben Sie zum Glück überstanden. Wir haben uns echte Sorgen gemacht. Sie haben fast einen Tag geschlafen.“, erwiderte Janet Fraiser und schenkte mir ein erleichtertes Lächeln. Irgendetwas lag jedoch auch noch in diesem Ausdruck. Sie war amüsiert - ich vermutete, ich hatte irgendeinen Schwachsinn von mir gegeben, an den ich mich nicht mehr erinnern konnte. Im Grunde waren da nur noch Bruchstücke - Gedankenfetzen. Daniel hatte mich geweckt, aber ich hatte mich vehement gesträubt, aufzustehen. Sorge hatte in seinen Augen gestanden. Dann spürte ich plötzlich eiskaltes Wasser und schlug um mich. Ich stieß mich irgendwo - wahrscheinlich an Daniel - und dann war da noch Doktor Fraisers Gesicht. Das war aber auch schon alles.

Mich beschlich jedoch das ungute Gefühl, dass das längst noch nicht alles gewesen war. Nicht nur, was Janets Aufenthalt im Bad betraf, sondern auch die Zeit, die ich mit Daniel allein verbracht hatte. Ich hatte offensichtlich etwas überaus Idiotisches gesagt oder getan, dass er jetzt beleidigt auf mich war. Sonst wäre er sicherlich hier gewesen. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er immer auf unsere Art bei mir Händchen halten würde, so wie ich es bei ihm tat, vorausgesetzt ich hatte vorher keinen Mist verzapft. Dem schien aber durchaus so zu sein. Vielleicht war er aber auch selbst krank geworden, weil ich ihn aus Versehen angesteckt hatte? OK, selbst ich wusste, dass das bei reinem Fieber so gut wie gar nicht funktionieren konnte, aber es gab für alles ein erstes Mal und irgendetwas musste das Fieber ja verursacht haben. Außerdem, was war in diesem Berg schon normal oder lief nach Lehrbuch? Nichts!

Also traute ich mich letztendlich doch, Janet zu fragen: „Wo ist Daniel?“

„Er ruht sich zu Hause aus. Mal ganz davon abgesehen, dass Sie ihm ein blaues Auge verpasst haben - wobei er schwor, dass es seiner eigenen Unvorsichtigkeit anzulasten war, dass es soweit kommen konnte - fing er sich noch eine leichte Grippe ein. Ich habe ihn nach Hause geschickt und Sam war so nett, sich um ihn zu kümmern. Sie müssen sich also keine Sorgen machen“, erklärte sie mir in groben Zügen, was während meiner geistigen Abwesenheit geschehen war. Freundschaftlich streichelte sie mit ihrem Daumen über meinen Handrücken, um mir auch noch die letzten Zweifel zu nehmen, dass sie etwas verschwiegen haben könnte. Und dennoch schien da immer noch etwas zu sein, von dem ich nichts wissen sollte. Genau das fragte ich sie auch gerade heraus, nur nicht ganz so standfest, wie ich eigentlich vorgehabt hatte.

„Sie haben uns allen Ihre Liebe gestanden, aber keine Angst, wir haben alle gelobt, zu schweigen und die Sanis habe ich eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben lassen. Also, Sie sehen, Sie brauchen keine Angst um ihren schlechten Ruf haben“, meinte Janet mit einem triumphierenden Grinsen. Das konnte ich ihr so nun wirklich nicht abkaufen. Leider war ich gleichzeitig viel zu müde, um mit ihr zu diskutieren. Das konnte ich immer noch auf später verschieben. Außerdem fügte sie schnell noch hinzu, bevor sie sich umwandte und ging: „Versuchen Sie etwas zu schlafen, Colonel. Umso schneller Ihr Fieber sinkt, desto schneller kommen Sie hier raus.“ Das erschien mir eine durchaus akzeptable Idee zu sein, welche ich sofort wieder friedlich - wenn auch mit leichten Kopfschmerzen - in die Tat umsetzte.

 

 

Der Duft von frischem Kaffee stieg mir in die Nase. So geweckt zu werden, war einfach das Größte. Allmählich öffnete ich die Augen und sah mich interessiert um. Ich lag auf einer weichen Couch in einem von Licht gefluteten Wohnzimmer. Leise drang Musik durchs Haus. Ich war schon des Öfteren hier aufgewacht, doch diesmal war etwas anders - ich konnte nicht mehr in meine Wohnung zurück. Das wollte ich auch gar nicht. Mir gefiel es hier, hatte es immer schon. Außerdem war ich hier in Gesellschaft meines besten Freundes, der sich freiwillig dazu bereiterklärt hatte, mich bei sich aufzunehmen. Wo hätte ich auch anderes hingehen sollen? Meine alte Wohnung war sicher längst weitervermietet worden und es würde ein Weilchen dauern, bis ich wieder etwas Passendes gefunden hätte.

Bis dahin war dies hier die beste Wahl. Besser als in irgendeinem Hotel und viel luxuriöser. Erst war Jack mit mir einkaufen gewesen - ich musste mich in seinen Augen wie ein verrücktes Kleinkind aufgeführt haben - dann hatte er mir das Essen gemacht, was ich wollte - ich wusste, er mochte Huhn nicht so gern und Curry auch nicht - und hatte bereitwillig seinen Besitz mit mir geteilt. Dass seine Sachen mir um einiges zu groß waren, störte mich nicht sonderlich. Ich würde sowieso bald einkaufen gehen müssen. Vielleicht kam Sam ja mit, wenn ich shoppen ging oder wenigstens Janet und Cassandra. Jack würde sich wohl nicht dazu überreden lassen. Ich kannte ihn doch. Ihm war es ja meist schon zuviel überhaupt einen Supermarkt zu betreten, um sich etwas zu essen zu organisieren, umso mehr, war ich ihm für gestern Abend dankbar.

OK, ich war damals vor der ganzen Aufstiegsgeschichte auch nicht besser gewesen, doch das würde sich jetzt ändern. Ich würde beginnen, mein Leben zu genießen. Ich war schließlich gerade von den Toten auferstanden, da konnte ich nicht gleich in meinen alten Trott zurückfallen. Solange ich hier wohnte, würde das so oder so nicht passieren. Jack würde mich schon irgendwie ablenken. Er meinte, wir hätten sehr viel nachzuholen und da hatte er verdammt Recht. Wir hatten zusammen in den Urlaub fahren wollen, das mussten wir noch erledigen. Auch hatte ich ihm versprochen, dass ich ihn zu einem Hockeyspiel begleitete, wenn er dafür zu einer Ausstellung über das alte Ägypten mitkam und nicht zu nörgeln begann. Es gab also noch eine ganze Menge zu erledigen.

Doch das musste nicht gerade heute sein. Eile mit Weile, wie man immer so schön sagt. Erst einmal aufstehen und Kaffee trinken. Danach würde man weiter sehen. Jack war nicht in der Küche, als ich um die Ecke spähte. Neben der Kaffeemaschine stand ein Becher. Anscheinend war das eine Aufforderung, mich zu bedienen, welcher ich auch sofort nachkam. Auf dem Tisch stand eine Schüssel mit Müsli und daneben eine Packung Milch. Ein Zettel mit der Aufschrift: ‚Ja aufessen!‘ war daran gelehnt. Ich grinste amüsiert. Selbst in seiner Abwesenheit versuchte er mich zum Frühstücken zu bewegen. Morgens aß ich eigentlich nie etwas. Ich hatte einfach keinen Hunger, dennoch tat ich ihm den Gefallen. Es würde mich schon nicht umbringen.

 

„Bist du sicher, dass du das wirklich willst?“, fragte Samantha Carter nun schon zum x-ten Mal und riss mich somit aus den Gedanken. Natürlich war ich mir nicht sicher. Wie könnte ich auch? Ich liebte es in diesen vier Wänden, die Jack sein Heim nennen durfte. Das Haus war für meine Verhältnisse riesig und so gemütlich. Jeder Flecken erinnerte mich an so Vieles. Das Wohnzimmer an die unzähligen Abende, die Jack und ich zusammen verbracht hatten. Dort hatten wir Schach gespielt, ferngesehen oder uns einfach nur unterhalten. Wir hatten die erste Zeit oft miteinander geredet. Jack hatte mir anvertraut, dass es ihm das Herz gebrochen hatte, als ich ging, dass er mich eigentlich nicht hatte gehen lassen wollen, mich jedoch auch nicht hätte aufhalten können.

Mich quälte immer noch ein schlechtes Gewissen deswegen, was es nicht gerade einfacher machte, ihn hier allein zurückzulassen. Jedoch hielt ich es für das Beste. Ich konnte ihm hier nicht gegenübertreten. Was, wenn ich mich vergaß? Was, wenn ich alles noch viel komplizierter machte, als es so schon war? Wenn ich jetzt ging, vielleicht könnte ich unsere Freundschaft ja noch retten. Außerdem wurde es langsam Zeit, mir ein eigenes Heim zu suchen. Ich war ihm lang genug auf der Tasche gelegen, ich konnte mich nicht ewig von ihm bewirten lassen. Nicht, dass es nicht alles um Vieles erleichtert hatte - er war auch wirklich zuvorkommend gewesen - doch je länger ich blieb, desto schwerer würde es mir fallen, ohne ihn leben zu müssen. Schon jetzt wusste ich nicht einmal mehr, wie ich das schaffen sollte. Ich würde sicherlich verhungern.

„Wie könnte ich, Sam.“, gab ich ehrlich zu. „Aber es muss endlich sein. Ich schiebe das schon viel zu lange vor mir her.“ Sie blickte mir misstrauisch entgegen. Ihr konnte ich nur schlecht etwas vormachen, sie anzulügen war so gut wie unmöglich. Vielleicht sollte ich sie einweihen? Nein, Jack würde das nicht wollen, er würde mir dafür den Kopf abreißen. Ich kannte ihn doch. Er redete nicht gern über seine Gefühle oder Wünsche - immer ließ er es darauf ankommen, dass wir schon bemerken würden, wie es ihm ging und was er von uns wirklich wollte. Mehr konnte keiner von uns von ihm verlangen. Weder Sam noch ich.

„Jack schien nicht den Eindruck gemacht zu haben, als würde er dich loswerden wollen.“, meinte Samantha nachdenklich. „Er hat mich letztens erst gefragt, ob ich ihm bei Umbauarbeiten behilflich sein könnte. Ich bin sicher, er wollte dir eine kleine Freunde machen.“

„Ja, er wollte das Zimmer auf dem Dachboden zurechtmachen, damit ich mir dort ein eigenes kleines Büro einrichten kann. Ich hatte ihn gebeten, diese Idee sofort wieder zu verwerfen, doch wenn Jack sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat... du kennst ihn ja“, erwiderte ich gedrückt und nahm einen weiteren Stapel Sachen aus dem Schrank. Klamotten, die ich mit ihm eingekauft hatte.

„Jetzt hörst du dich schon an wie er“, lachte Sam auf und wuschelte mir durchs Haar. Wie recht sie doch hatte. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken.

Zögernd bat ich sie: „Lass uns bitte nicht weiter darüber reden, OK?“ Sie nickte nur, verschloss den Karton mit Klebeband und verschwand mit diesem aus dem Zimmer, um ihn nach unten in die Wohnstube zu befördern. So wie alles andere auch, das mir gehörte. Es schmerzte mich, darüber nachzudenken, hier wegzuziehen, aber es war ja nie wirklich mein Heim gewesen. Jack gehörte dieses Haus, dieses Zimmer, in dem ich wohnte und jeder Nagel, der diese vier Wände zusammenhielt. So etwas war nicht leicht zu vergessen, besonders wenn man immer im Hinterkopf hatte, dass er einen einfach vor die Tür setzten konnte. Was er wahrscheinlich nie tun würde, aber er könnte.

Ich schüttelte die Gedanken an ihn ab und widmete sich wieder meiner Aufgabe. Ein neuer Karton und noch mehr Kleidung. Ich fragte mich, wie ich nur soviel hatte einkaufen können. Ich ging zur Kommode, wo sich meine Unterwäsche befand. Gleich als ich die oberste Schublade öffnete, stach mir etwas Buntes entgegen. Es war die Snoppyshorts von Jack, die ich auch an meinem ersten Abend hier getragen hatte. Er hatte sie mir geschenkt, mit dem Versprechen, Cassandra nie etwas zu verraten. An diesen Tag konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Ich hatte mich wie ein durchgeknallter Drogenjunkey benommen. Jack musste mich für irre abgestempelt haben, dennoch hatte er es mit mir ausgehalten ohne zu streiten.

 

Nach dem Frühstück beschloss ich, Jack zu suchen. Er musste schließlich hier irgendwo sein. Mit meiner angebrochenen Tasse dampfenden Kaffees machte ich mich auf den Weg. Die Hose, die ich trug, rutschte leicht, was kein Wunder war, denn sie war mir, wie der Pullover, viel zu weit. Außerdem hatte ich Probleme, nicht über meine eigenen Füße zu stolpern, da sie außerdem zu lange Beine hatte. Konnte aber auch daran liegen, dass sie hinunterglitt. Schon, Jack war ein paar Zentimeter größer als ich, doch so riesig hatte ich ihn nicht in Erinnerung. Vielleicht war ich ja auch geschrumpft, obwohl das wohl eher unwahrscheinlich sein dürfte. Oder? Ich sollte Sam bei Gelegenheit mal fragen, schließlich war sie von uns das Physikgenie. Sie hätte sicherlich eine einfache Lösung in einem kompliziert verstricken Satz mit fachspezifischen Fremdwörtern parat, so als hätte sie seit meiner Rückkehr nur auf solch stumpfsinnige Fragen gewartet.

Ich würde kein Wort von dem verstehen, was sie sagen würde, ihr dafür danken und mich damit abfinden, dass mir Jacks Sachen nun einmal viel zu groß waren. Natürlich könnte es auch ganz einfach daran liegen, dass die Sachen uralt und vollkommen ausgeleiert waren. Wie auch immer, ewig konnte ich diese ja nun auch nicht tragen. Irgendwann würde er mir den Kopf abreißen. Ich lugte in sein Schlafzimmer, doch er war nicht dort. Sein Bett war riesig. Sofort wurde ich neidisch. Ich würde mich wohl mit der Couch zufrieden geben müssen, bis ich wieder eine Wohnung hatte. Jack würde schließlich wegen mir nicht extra ausbauen, obwohl er sich wirklich mal ein Gästezimmer anschaffen sollte. Was, wenn er unerwartet Besuch bekam, so wie mich zum Beispiel.

Im Bad war er auch nicht, genauso wenig draußen und da sein Auto noch in der Auffahrt stand, konnte er also auch schlecht in die Stadt gefahren sein. Er musste also hier irgendwo herumlaufen. Mein Blick fiel auf die Treppe. Genau, dort oben hatte ich noch nicht nachgesehen. Dort würde er sein - mit Sicherheit. Neugierig schlich ich auf Zehenspitzen die Stufen hinauf, denn ich wollte nicht, dass er mich sofort hörte. Wahrscheinlich würde er es dennoch, aber einen Versuch war es wert. Irgendwie überfiel mich einfach der Drang, ihn erschrecken zu wollen. Oben brannte Licht. Es war stickig und staubig. Nicht lange und meine Allergien würden ausbrechen. Wenn ich die überhaupt noch hatte, hieß es. In diesem Punkt war ich mir auch noch nicht so sicher.

Ich hörte Geräusche aus einem der vier Zimmer, in die der Dachboden aufgeteilt war. Jack! Ich tapste mit nackten Füßen über den dreckigen Boden zur Tür und öffnete diese langsam, immer wieder betend, dass diese nicht knarren möge. Ich hatte Glück. Jack musste sie bereits geölt haben, auf jeden Fall schloss ich das aus der kleinen Flasche Schmieröl auf einer alten Kommode. Er wiederum kniete über einem ebenfalls eingestaubten Pappkarton, schien etwas darin zu suchen. Hatte ich ihn etwa in einem intimen Moment erwischt? Schwelgte er gerade in Erinnerungen an Charlie oder Sarah? Es musste doch ungewohnt sein, mich hier zu haben? Ob es ihm unangenehm war, er mich aber aufnahm, weil ich ihm Leid tat, so wie beim ersten Mal, als ich von Abydos zurückkehrt war?

„He, Daniel!“, riss Jack mich plötzlich aus den Gedanken.

 

Doch während er das sagte, veränderte sich seine Stimme und aus ihm wurde Sam. Verwirrt blicke ich sie an, als wäre sie ein Geist.

„Daniel, hast du mir überhaupt zugehört?“, hakte sie nach. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass sie ins Zimmer zurückgekehrt war. Ich schüttelte perplex den Kopf. Tagträume waren sonst eigentlich nicht meine Art, doch alles hier erinnerte mich einfach an Jack. Ich musste schleunigst hier weg. „Ich habe dich gefragt, was mit dem Aquarium werden soll. Willst du es mitnehmen?“

„Nein, ich lasse es hier“, entgegnete ich nachdenklich. Es verband mich zu sehr mit Jack. Er hatte meine Fische behalten, nachdem ich gegangen war. Ich wollte sie ihm endgültig schenken. Sie hatten es hier sowieso viel besser. Mehr Licht, besseres Essen und immer ein sauberes zu Hause. Jack brauchte wenigstens etwas Gesellschaft. Es reichte aus, dass ich ihn verließ. Außerdem ist es mehr als aufwändig mit einem Aquarium umzuziehen.

„Wenn du meinst, aber nicht, dass dir hinterher einfällt, dass du sie doch wiederhaben willst“, meinte sie und räumte meine T-Shirts aus dem Schrank. Ich widmete mich wieder meiner Unterwäsche. Ich hatte sogar etwas geschafft, während ich geträumt hatte. Nachdem auch diese verstaut war, schien dass alles zu sein, was noch einzupacken war. Die Bücher waren bereits bei Sam und der Rest im Wohnzimmer. Ein gemieteter Transporter stand bereits vor der Tür und wartete nur darauf volgeladen zu werden. Wir waren bereits mit unseren Kartons auf dem Weg nach unten, als mir einfiel, dass ich doch noch etwas vergessen hatte. Ich hatte es versteckt, damit Jack es nicht fand. Nicht, dass er geschnüffelt hätte, aber er war ein Putzteufel, der es einfach nicht verkraftete, wenn es unordentlich war.

Ich rannte noch einmal nach oben und holte ein Buch hinter der Kommode vor. Mein Tagebuch. Ich hatte es angefangen, nachdem ich zurückgekommen war. Zu Schreiben, hatte mir schon immer geholfen, mit Geschehnissen besser zu Recht zu kommen. Jack hatte das nie verstanden, doch er hatte auch nie etwas Abfälliges darüber gesagt. Meist hatte er nur mit den Schultern gezuckt und dann entweder ferngesehen oder Zeitung gelesen. Einmal hatte er gefragt, was ich eigentlich dort hineinschrieb, doch ich hatte mich in Schweigen gehüllt. Ich hätte ihm das auch nicht anvertrauen können. Das waren ganz private Gefühle, die niemanden außer mich etwas angingen. Gedanken, die ich ganz bestimmten Augenblicken hatte und die ich nicht gewillt war, auszusprechen, weil sie alles nur noch komplizierter gemacht hätten. Besonders zwischen Jack und mir. So wie damals auf dem Dachboden.

 

„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“, fragte ich überrascht. Ich war wohl doch nicht leise genug gewesen.

„Ich merke es einfach, wenn man mich ansieht“, entgegnete Jack nur und erhob sich, den Karton in der Hand. „Außerdem riechst du nach meinem Aftershave.“ Er trat an mir vorbei und stellte die Kiste in einen anderen Raum, der mit alten Erinnerungen voll gestopft war. Lauter alte Kisten, einige davon beschrieben. Wahrscheinlich noch Überbleibsel seines Umzugs vor acht Jahren. Ich hatte auch immer noch ein paar unausgepackte Kisten bei mir herumstehen gehabt. Na ja, jetzt ja nicht mehr, denn alles war weggeschafft worden. Ich fühlte mich, als sei ich gestorben. Für diese Welt war ich auch vor einem Jahr gestorben, doch nun da ich wieder hier war, musste ich von vorne anfangen.

Das hatte etwas Beängstigendes, aber es beruhigte mich auch. Ich konnte einiges in meinem Leben von Anfang an anders machen. Meine Freundschaft zu Jack zum Beispiel. Jetzt, wo wir ein Weilchen zusammenleben würden, hätte ich vielleicht die Chance, näher an ihn heranzukommen, mehr von ihm und seiner Vergangenheit zu erfahren. Ich wusste nicht sehr viel von ihm - nur einen Funken dessen, was alles in seiner Welt geschehen war - ich wollte ihn kennen lernen. Er sollte auch mich besser kennen lernen. Wir hatten immer noch viele Geheimnisse voreinander. Einige würden ewig bleiben, doch andere waren an der Zeit, gelüftet zu werden. Ich lebte, ich würde diesen Umstand nutzen, auch ihn dazu zu bringen, zu leben.

„Was machst du hier?“, hakte ich neugierig nach. Er war wieder in das andere Zimmer zurückgekehrt und nahm eine weitere Kiste zur Hand, um diese zu inspizieren. Anscheinend doch nur alter Krempel und keine Erinnerungsstücke an seinen Sohn.

„Ich räume auf. Du musst schließlich irgendwo bleiben und mit einem neuen Anstrich und einem neuen Bett könnte aus diesen vier Wänden schnell ein Schlafzimmer für dich werden. Oder schläfst du lieber weiterhin auf der Couch?“, antwortete Jack beiläufig. Das war zu aufmerksam von ihm, daran zu denken. Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte, weiterhin sein Wohnzimmer in Beschlag zu nehmen, aber etwas mehr Privatsphäre wäre dennoch wünschenswert. Ein breites Grinsen legte sich auf meine Lippen und ich gab dem unbändigen Wunsch in mir nach, ihm um den Hals zu fallen. Ich riss ihn von den Füßen, wir stürzten beide zu Boden und er kam, mit dem Rücken zu mir gewandt, auf mir zum liegen. Als er sich zu mir umdrehte, trafen sich unsere Blicke.

Ich versank förmlich in dem Braun seiner Augen. Ich konnte verstehen, warum Sam so von diesem Mann angetan war. So kalt diese Augen auch immer schienen, im Augenblick waren sie voller Wärme und Liebe. Sie waren glücklich, weil Jack mich endlich zurück hatte. Auch ich war froh, einfach nur zufrieden mit dem, was ich hatte. Auch er lächelte. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und in diesem Moment fühlte ich etwas. Ein Gefühl, das anders war, als alles je zuvor erlebte. Ich wusste nicht, wie ich es deuten sollte. Es war alles noch so unklar und verschwommen. Ich wusste nur, ich musste unter ihm weg, musste mich auf ein gesundes Maß von ihm distanzieren.

Ich wandte den Blick ab und er setzte sich auf, klopfte sich erst den Staub von den Sachen und machte dann bei mir weiter. Er berührte meinen Rücken, meine Schultern, meine Brust und zu guter Letzt streifte er sogar meinen Po. Es war mir unangenehm, dass er mich auf diese Weise anfasste, auch wenn er es nur gut gemeint hatte. Er hatte mich früher schon öfter berührt, mich sogar umarmt, doch diesmal war etwas anders. Etwas schien falsch zu sein. Schnell verdrängte ich diesen Gedanken, als ich Jacks verwunderten Blick bemerkte - er musste bemerkt haben, dass mir etwas nicht behagte - wandte mich einem der duzenden Kartons zu. Als ich ihn öffnete, stach mir ein Bild im Bilderrahmen entgegen. Sechs Leute in Uniform waren darauf zu sehen. Neugierig nahm ich es in die Hand.

„Wer sind das?“, wollte ich von Jack wissen, meine Unsicherheit so gut es eben ging, überspielend. Ich war mir sicher, er bemerkte sie dennoch, zog jedoch falsche Schlüsse aus ihnen. Er nahm mir das Bild ab, betrachtete es einen Augenblick.

Dann meinte er: „Meine alte Einheit. Damals war ich noch Captain. Wir waren schon ein verrückter Haufen. Ich glaube, da waren wir gerade in Singapur, bin mir aber nicht sicher.“ In Erinnerungen schwelgend lächelte er vor sich hin, doch in seinen Augen erkannte ich auch einen Funken von Schmerz. Mit ihnen musste etwas passiert sein. Ich hakte jedoch nicht weiter nach. Es ging mich auch nichts an. Wenn er wollte, würde er mir schon davon erzählen. Jack packte das Bild zurück in den Karton, in welchem noch ein Fotoalbum und eine alte Uniform lagen, und verschloss ihn wieder. „Ist lange her.“, murmelte er dabei vor sich hin.

 

Ich sah mich noch einmal in meinem eigentlich nur provisorischen Zimmer um. Meine Sachen waren verschwunden und es war wieder unpersönlich geworden. Wir hatten mit Streichen ganzen zwei Tage dafür gebraucht, es herzurichten. Jack meinte, dass es auch weiterhin ein gutes Gästezimmer abgeben würde, wenn ich ausgezogen sei. Er wollte schließlich schon lange etwas aus dem Dachboden machen, sei nur nie dazu gekommen. Damals hatte ich ihm das abgenommen, doch jetzt wurde mir klar, dass er das nur getan hatte, in der stillen Hoffnung, ich würde für immer bleiben. Wäre dieser unpassende Kuss nicht gewesen, hätte er wahrscheinlich sogar Recht behalten. Ich atmete tief durch. Es war wie ein Abschied nach vielen Jahren, auch wenn ich nur relativ kurz hier geblieben war.

Ich verabschiedete mich nicht nur innerlich von dem Zimmer, sondern auch von Jack. Er würde nicht verstehen, warum ich ihn verließ und ich würde es ihm nicht erklären können. Es war zum Verzweifeln. Wieso hatte er das auch tun müssen? Ich hatte meine Gefühle doch immer unter Kontrolle behalten können, hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, Dummheiten zu machen, um ihn nicht zu verlieren - woher sollte ich schließlich wissen, wie er auf so etwas reagiert hätte - doch auf einen Schlag war alles umso komplizierter geworden. Jetzt wollte ich ihn nur noch ganz besitzen, auch wenn ich das niemals könnte. Ich löschte das Licht und schloss die Tür hinter mir. Ab heute würde ich es wohl nicht mehr wagen, bei Jack zu übernachten.

Ich würde mir eine neue Unterkunft suchen müssen - solange bei Sam auf der Couch übernachten - würde wieder ganz alleine mit mir sein und würde immer daran denken müssen, wie sehr ich diesen Mann doch vermisste. Wieso musste alles nur so schwer sein? Wieso konnte ich nicht einfach zu dem stehen, was ich fühlte? Weil ich ihn verlieren könnte! Weil das Risiko einfach zu groß schien, ihn nie mehr wieder zu sehen. Jetzt würde er mir schon irgendwann verzeihen können, auch wenn dadurch alles wie früher werden könnte. Wie zu dem Zeitpunkt, bevor ich ging und ihn hier alleine zurückließ. Plötzlich sah ich neben der Kommode noch ein schwarzes T-Shirt liegen. Es war eines der ersten Kleidungsstücke, das wir gemeinsam gekauft hatten. Ich hob es auf. Das weckte Erinnerungen.

 

„Perfekt!“, kommentierte Jack, als ich aus der Umkleide kam. Ich trug lediglich eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Misstrauisch blickte ich ihm entgegen. Perfekt war wohl dann doch etwas übertrieben. Es hatte mich ja schon gewundert, dass er überhaupt mit mir einkaufen gegangen war - mich sogar dazu aufgefordert hatte. Ich versuchte, mich zu benehmen, was leichter gesagt war, als getan. Wir waren jetzt schon drei Stunden unterwegs und langsam hatte ich die Nase voll. Wir hatten ein Bett gefunden, einen Schrank und mindestens ein Dutzend Hosen und T-Shirts, eine paar Jacken und natürlich Unterwäsche. Fehlten eigentlich nur noch die Schuhe. Jack bestand jedoch darauf, dass ich seine Kreditkarte noch nicht genug überzogen hatte.

Ich hatte ja jetzt schon ein ganz schlechtes Gewissen, dass ich ihm so auf der Tasche lag. Wenn er so weiter machte, würde ich noch anfangen zu quengeln und mich somit wieder wie ein kleines Kind aufführen. Das würde ich mir als letzten, verzweifelten Versuch aufheben, sollte er mich noch weitere zig Stunden hier festhalten wollen. Und ich hatte immer angenommen, dass er einkaufen nicht leiden konnte. So konnte man sich in einem Menschen täuschen. Natürlich war auch etwas anderes möglich. Etwas, das  mir persönlich logischer erschien. Die anderen hatten etwas vor. Wahrscheinlich eine Willkommensparty oder so. Nach dieser Shoppingtour hatte ich jedoch gar keine Lust mehr zum Feiern. Vielleicht sollte ich Jack das einfach klar machen, dann ließ er uns eventuell eine Pause einlegen.

„Lass uns was essen gehen.“, bat ich mit flehendem Blick. Wie auf Kommando meldete sich auch mein Magen zu Wort. Ich hatte wirklich einen Bärenhunger.

„Aber danach werden noch Schuhe besorgt. In diesen Armeestiefeln siehst du aus wie ein Marine auf Urlaub.“, witzelte er und suchte schon mal die Sachen zusammen, welche wir nehmen würden, während ich mich umzog und ihm dann zur Kasse folgte. Ich würde ewig brauchen, ihm alles zurückzuzahlen, wenn er es überhaupt darauf hinauslaufen ließ. Ganz in der Nähe fanden wir auch ein schönes kleines Lokal. Während wir auf das Essen warteten, unterhielten wir uns angeregt darüber, wie wir denn nun das Zimmer streichen würden. Ich war für ein schlichtes Weiß, doch Jack wollte es bunt - hellblau oder hellgrün. Außerdem wollte er ein verrücktes Muster in der Tapete. Weiß fand er geschmacklos.

„Jack?“, fragte ich plötzlich.

„Ja?“ Er sah von seinem Teller auf, direkt in meine Augen.

Ich wollte zögerlich wissen: „Hast du zu deiner alten Einheit eigentlich noch Kontakt?“ O’Neill sah wieder auf seinen Teller und schwieg eine Weile. „Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst.“, warf ich schnell ein, da es ihm unangenehm zu sein schien.

„Schon gut.“, wehrte er ab. „Ich habe bloß gerade daran denken müssen, dass es nach meiner Gefangenschaft nicht mehr dasselbe war. Ich habe dann auch die Einheit verlassen und mittlerweile sind drei von ihnen tot und die anderen pensioniert. Kontakt habe ich nur noch zu einem von ihnen, aber auch nur, weil er kurz nach mir das Handtuch geschmissen hatte und in mein späteres Team wechselte.“ So ehrlich war Jack zuvor mit mir nie gewesen und dabei erstrecht nicht so gelassen. Er hatte sich kalt oder wenigstens betrübt angehört, aber nie so, als wäre es längst vergessen und könnte ihm nicht mehr schaden. Seine Vergangenheit war eigentlich immer ein Thema gewesen, dass ihm zugesetzt hatte. Ich war froh, dass es wenigstens an diesem Abend nicht so zu sein schien.

 

An diesem ersten Abend saßen wir bei Sam im Wohnzimmer und tranken Tee. Das erinnerte mich unweigerlich an Jack und mich, außer dass er immer ein Bier in der Hand gehabt hatte. Wir hatten den Rest des Nachmittags damit verbracht, alles wieder auszuladen. Morgen würde Jack entlassen werden - ich wollte gar nicht daran denken. Schon jetzt vermisste ich ihn. Seine kleinen Späße, unsere intimen Unterhaltungen, seine ständigen Nörgeleien, seine wohlwollenden Worte - seine bloße Anwesenheit eben. Sam war toll, keine Frage, doch sie war eben nicht er. Es lag halt daran, dass ich für sie nicht dasselbe empfand wie für ihn. Normalerweise müsste es doch genau anders herum sein - ich hatte schließlich nie zuvor für einen Mann solche Gefühle gehegt - doch nun war es geschehen und ich konnte es nicht mehr ändern. Fieberhaft hatte ich immer überlegt, wann es passiert war, wann sich meine Empfindungen in diese Richtung entwickelt hatten, doch bis heute hatte ich diesen ausschlaggebenden Punkt nie gefunden.

Eventuell in der Zeit, als ich ein Lichtwesen war - daran konnte ich schließlich nicht mehr erinnern - vielleicht aber auch schon früher. Ich wünschte nur, er würde ähnlich fühlen, dass ich all diese Ängste nicht ausstehen müsste, dass ich einfach hätte mit ihm darüber reden können. Doch so war es nicht. Jack war immer die Sorte Mann gewesen, bei der man nie auf den Gedanken kam, dass sie etwas mit einem anderen des gleichen Geschlechts anfangen könnten. Er war hundertprozentig hetero. Er war Soldat, verdammt! Offensichtlicher konnte man es nun wirklich nicht machen. OK, ich hatte auch nie etwas mit einem Mann gehabt, hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, doch seien wir doch mal ehrlich, ich hätte schon eher die Tendenz dazu haben können. Besonders früher, als ich mich noch nicht vom Militär und Jacks Denkweise hatte beeinflussen lassen. Soviel musste ich mir nun wirklich eingestehen.

„Daniel?“, riss Samantha mich aus den Gedanken. Ich sah von meiner Tasse mittlerweile kaltem Tee auf und sie blickte mir besorgt entgegen. Seufzend fügte sie hinzu: „Du hast mir schon wieder nicht zugehört, nicht wahr?“

„Nein, tut mir leid!“, entgegnete ich aufrichtig. Ich wollte mich wirklich auf sie konzentrieren, zwang mich dazu, nicht an Jack zu denken, doch es gelang mir einfach nicht. Vielleicht mit der Zeit, wenn sich alles gelegt hatte.

„Ich kann auch davon ausgehen, dass du mir nicht sagen wirst, warum du auf einmal nicht mehr bei ihm bleiben willst, oder? Ich weiß, Jack kann manchmal ein ziemliches Arschloch sein, aber das sollte kein Grund für dich sein, ihn gleich zu verlassen“, erwiderte sie ernst. Ich wusste, sie würde mich nicht dazu zwingen, ihr etwas zu verraten. Sie akzeptierte durchaus, dass ich meine Gründe hatte, doch sie verstand leider nicht, welche das sein könnten. Mir wiederum war nicht klar, ob ich es ihr anvertrauen konnte. Hier ging es schließlich nicht nur um mich, sondern auch um Jack. Wer konnte schon sagen, was ich damit zerstörte, wenn ich ihr beichtete, dass er mich geküsst hatte.

„Es muss einfach sein, mehr kann ich dir auch nicht sagen.“, antwortete ich ehrlich und stellte meinen Tee auf den Tisch. Ich war müde, ich wollte nur noch ins Bett. Sam hatte ein Gästezimmer, welches sie auch bereits für mich hergerichtet hatte. Ich sagte ihr ‚Gute Nacht’ und schlurfte aufgewühlt aus der Wohnstube. Ob ich schlafen könnte, wusste ich noch nicht. Er würde mir selbst in den Träumen noch durch den Kopf spuken. Ich zog mich um und als ich das T-Shirt überstreifte, roch es doch tatsächlich nach ihm. Na ja, nach seinem Aftershave, welches er beim morgendlichen Kampf im Bad über mich verteilt hatte, als wir das letzte Mal zu Hause gewesen waren. Ich berichtigte mich, denn es war nicht mein Heim, sondern seines. Alles dort gehörte ihm.

Jeder Schrank, jeder Teppich, jeder Quadratzentimeter Mauerwerk. Selbst mein Zimmer war in Wirklichkeit seines. Dennoch hatte ich mich dort geborgen gefühlt, als wäre ich für immer ein Teil seines Lebens. Das war ich auch so, keine Frage, doch ich war bedeutender, allgegenwärtiger für ihn geworden und er für mich. Ich sog den Duft seines Aftershaves tief in meine Lungen, stellte mir dabei sein Anblick vor. So hatte er auch an dem Tag gerochen, als wir uns das erste Mal - vor Abydos - begegneten, das wusste ich noch. Auch, als ich ein Jahr später zur Erde zurückkehrte, als er mich bei sich aufnahm, weil ich nicht wusste, wo ich sonst hin sollte, als er mich in die Arme schloss, nachdem Shau’ri von mir gegangen war und als er mich an sich drückte, nachdem ich zu ihm zurückgekommen war, hatte er genauso gerochen.

Er hatte eigentlich nie eine andere Marke als diese benutzt, auf jeden Fall nicht solange ich ihn kannte. Ich hatte ihm mal ein anderes geschenkt, doch er hatte es nie benutzt. Er meinte zwar, er würde es sich für besondere Gelegenheiten aufsparen, doch das war nur eine Ausrede gewesen, um mich nicht zu kränken. Damit hatte ich aber bereits gerechnet. Er war halt ein Gewohnheitsmensch, soweit man das bei unseren Arbeitszeiten behaupten konnte. Er brauchte seine fünf Stunden Schlaf - sein Minimum - ein ausgiebiges Frühstück - was ihn nicht daran hinderte, immer Hunger zu haben - seine morgendliche Dusche - eiskalt verstand sich - und viel Bewegung. Im Grunde war er also ganz einfach gestrickt. Bei mir sah das schon anders aus.

Ich brauchte viel Schlaf, kam morgens einfach nicht ohne starken Kaffee aus dem Bett, aß nur unregelmäßig - wenn ich halt Hunger hatte - duschte heiß, da ich so gut wie immer fror und war eher träge. Verkroch mich lieber hinter einem guten Buch oder meiner Arbeit. Dass ich noch keinen Speck angesetzt hatte, hatte ich wohl einzig und allein Jack zu verdanken. Er schleifte mich zum täglichen Training, er befahl mir, wann ich essen und wann ich schlafen sollte, er schränkte meinen Kaffeekonsum ein und jagte mich zu gegebener Zeit aus dem Bett. Er machte aus mir erst einen normalen Menschen. Wenn wir frei hatten, sorgte er dafür, dass wir wie normale Menschen drei Mahlzeiten am Tag bekamen, dass wir auch mal an die frische Luft gingen und vor allem auf dem Laufenden blieben, was im Rest der Welt so vor sich ging. Wenn ich so darüber nachdachte, waren wir wie ein leicht verkorkstes Ehepaar. Unter dem Gedanken, dass mir das wohl am Meisten fehlen würde, schlief ich schließlich dennoch ein.

 

 

Als ich nach Hause kam, erwartete ich einen aufgekratzten und begeisterten Daniel Jackson, der sofort darauf bestehen würde, dass ich etwas aß - was er natürlich mit der Mikrowelle gekocht hatte - und mich dann ins Bett legte, um mich noch etwas auszuruhen. Ich würde ihm dann sagen, dass es mir gut ginge - bis auf leichte Kopfschmerzen war das auch der Fall - und dass er sich keine Sorgen zu machen müsste. Später würde ich dann wahrscheinlich auf der Couch vor dem Fernseher einschlafen, genauso wie er. Am nächsten Morgen würde uns dann alles wehtun, aber ich würde wieder ganz gesund sein. Ich dürfte ihm nur nicht erzählen, dass Janet mich hatte gehen lassen, weil ich ihr versprochen hatte, dass ich mich ausruhen und Daniel sich um mich kümmern würde. Doch als ich die Tür aufschloss, war niemand zu sehen. Vielleicht hatte er mich nur nicht gehört. Janet hatte etwas davon gesagt, dass er kränkelte, vielleicht schlief er sich gründlich aus.

Er holte sich doch immer so schnell eine Erkältung. Ich schlich die Treppe nach oben, um nachzusehen, ob er in seinem Zimmer war, doch sein Bett war leer. Das wunderte mich. Ich entflammte die Deckenbeleuchtung und musste feststellen, dass seine Bücher nicht mehr im Regal über seinem Bett standen. Nicht, dass es nicht weiter verwunderlich gewesen wäre, wenn er sie wieder irgendwo herumliegen gelassen hätte, doch auch sein typisches Chaos war verschwunden. Das war mir schon unten aufgefallen, aber ich hielt es nicht für weiter wichtig. Irgendetwas hatte von Anfang an nicht gestimmt. Ich stürzte die Treppe wieder nach unten und sah mich um. Es war nicht einfach nur aufgeräumt, es war eine erschreckende Leere eingetreten.

Viele seiner Bücher waren aus den Regalen verschwunden - klaffende Wunden zurücklassend - Artefakte standen nicht mehr an ihren Plätzen - kein Museum mehr - Bilder seiner Eltern und seiner Frau waren verschwunden - er war nicht mehr anwesend. Und schlagartig wurde mir klar: Daniel war gegangen. Das, wovor ich immer solch eine Angst gehabt hatte, war geschehen. Er hatte mich verlassen, ohne ein Wort zu sagen, ohne sich zu verabschieden. Er war einfach aus meiner Wohnung und einem Teil meines Lebens getreten. Ich hatte schon nicht mehr gerechnet, dass er diesen Schritt wirklich gehen würde. Irgendwann hatte er einfach aufgehört, sich nach einer geeigneten Wohnung umzusehen, hatte akzeptiert, dass wir uns mein Haus teilen würde. Aber da lag wahrscheinlich auch das eigentliche Problem. Es war mein Haus. Alles hier gehörte mir. Alles außer dem, was er mitgenommen hatte.

Es konnte nicht viel gewesen sein, denn noch immer war jedes Zimmer vollständig eingeräumt. Er hatte zwar mit mir zusammen gelebt, doch auch allein durch mich. Er war von meiner Willkür abhängig gewesen, die ganze Zeit über. Ich hätte ihn einfach wegschicken können, wenn ich gewollt hätte. Nicht, dass ich das wirklich getan hätte, doch es wäre eine Möglichkeit gewesen. Ich hatte das zuvor nie so deutlich gesehen, wie in diesem Augenblick. Für mich war es auch schon immer sein Haus gewesen, seine eigenen vier Wände, aber wenn ich ehrlich war, sollte es nie so einfach sein. Was, wenn ich starb? Er müsste raus aus dem Haus, da es dann nicht länger ihm gehören würde. Mal ganz davon abgesehen, dass meine Frau - die als Alleinerbe eingesetzt worden war - ihn weiterhin darin wohnen lassen würde, es wäre immer noch nicht seines.

Es gehörte jemand anderem. Ich hatte ihn damit vergrault, niemals auch nur daran gedacht zu haben, wie er sich dabei fühlte, hier zu wohnen. Ich hatte alles getan, damit er sich wohl fühlte, darüber hinaus jedoch vergessen, in diesem Punkt auf ihn einzugehen. Jetzt konnte ich nicht mehr erwarten, dass er zu mir zurückkehrte, oder? Wenn ich wenigstens wüsste, warum er ausgerechnet jetzt gegangen war. So oft in den letzten Monaten hatte er die Gelegenheit dazu gehabt, einfach klammheimlich zu verschwinden. Was hatte ich getan oder gesagt, dass ihn zu solch einem Schritt bewogen hatte. War ich ausfallend geworden? Hatte ich ihm gesagt, dass er verschwinden sollte? Ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern. Ich wusste nicht mehr viel von dem, was vor zwei Tagen geschehen war. Nur noch an Bruchstücke konnte ich mich erinnern.

Daniel war auf einmal über mir gewesen, hatte mich aufgesetzt - dann das kalte Wasser der Dusche, dass über meinen Körper lief - der Klang seiner besänftigenden Stimme - sein fester Griff - die Gesichter meiner Freunde und eine überdimensionale Nadel. Danach wurde alles schwarz. Was war nur Verwerfliches dazwischen passiert? Vielleicht sollte ich ihn einfach fragen. Ich konnte mir bereits denken, wo er untergekommen war. Carter hatte ihm sicherlich Unterschlupf gewährt und sie würde es bestreiten, wenn ich jetzt bei ihr anrief, oder wenn ich bei ihr aufkreuzte, um mit Daniel zu sprechen. Sie liebte diesen Mann wie einen Bruder und würde nicht zulassen, dass ich ihm noch mehr Leid zufügte. Vielleicht würde ich das sogar tun. Ich war schließlich nie ein Mann vieler Worte gewesen, mehr ein Mann der Tat. Ich sollte endlich etwas unternehmen, ihm einen guten Grund liefern, zu mir zurückzukehren, ohne Angst haben zu müssen, dass ich meine Willkür walten lassen würde.

Doch legte er überhaupt noch Wert darauf? Ich konnte ja nicht einmal sagen, was ich falsch gemacht hatte, um mich zu entschuldigen! Wenn mir wenigstens das einfallen würde. Andererseits spielte das nicht wirklich eine Rolle. Es hätte eine Banalität sein können, um ihn zum Gehen zu bewegen. Sicherlich hatte er schon längere Zeit mit dem Gedanken gespielt, mich zu verlassen. Und wenn ich ehrlich war, konnte uns doch auch keiner garantieren, dass es zwischen uns weiterhin so gut lief. Die anderen hatten uns eine Woche gegeben und wir hielten es nun schon über ein Jahr zusammen aus. Das könnte sich jetzt auch alles ändern. Außerdem wusste ich nicht, wie lange ich meine Gefühle für ihn - Empfindungen, die ich nicht haben durfte - noch unterdrücken konnte. Wir würden irgendwann unweigerlich wieder an diesem Punkt stehen, wo er gehen würde. War es da jetzt nicht besser für uns, wenn er wirklich ging?

Er würde nie erwidern, was ich für ihn empfand, er würde mich niemals auf eine Art lieben können, wie ich es mir von ihm wünschte. Mehr als Freundschaft konnte ich von ihm nicht verlangen. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Er wirkte kühl und verlassen. Da war nichts mehr von der Wärme, die ich immer verspürt hatte, wenn ich nach Hause gekommen war. Ich würde mich wohl wieder daran gewöhnen müssen, dass niemand sonst da sein würde. Ich hatte es so lange mit der Einsamkeit an meiner Seite ausgehalten, wieso nicht auch jetzt? So schwer konnte das doch nicht sein. Es war ja nicht so, als wäre ich von ihm abhängig. Meine Augen blieben an dem Aquarium haften. Viele kleine Fische schwammen darin herum.

Barnie und Fred hatten es erfolgreich geschafft, ihre Jungen großzuziehen. Bald würde ich die Trennwand entfernen können. Es waren in der Zwischenzeit noch zwei weitere Fische gestorben - Micky und Minni. Sie waren beim Saubermachen aus dem Eimer gesprungen und ich hatte es nicht bemerkt. Wie Daniel nur auf diese Namen kommen konnte? Auch die kleinen wurden bereits von ihm betitelt. Die meisten Namen hatte ich vergessen und im Grunde sahen auch alle ziemlich gleich aus, nur an zwei konnte ich mich noch erinnern: George und Murray. Der eine war ziemlich klein, aber pummelig, der andere überragte die anderen um einen geschlagenen Zentimeter. Es passte also wie die Faust aufs Auge. Der General durfte das nur nie erfahren.

 Ich kontrollierte den Futterspender. Er war noch zu einem Dreiviertel voll, musste also erst kürzlich nachgefüllt worden sein. So brauchte ich mich wenigstens nicht um die armen Würmer kümmern, die traurig von einer Ecke zur anderen schwammen. Auch sie schienen zu begreifen, dass einer ihrer Beschützer nicht länger da war. Vielleicht projizierte ich meine Unzulänglichkeit aber auch nur auf sie. Das war die Sicht der Dinge. Daniel würde sie vielleicht auch noch abholen kommen. Dann würde ich wohl wieder ganz alleine sein. Ich hatte sowieso noch nie ein Faible für Fische gehabt. Ich wandte meinen Blick ab und legte erst einmal meine Jacke ab. Dann ging ich in die Küche. Ich schnappte mir ein Bier aus dem Kühlschrank, den Flaschenöffner und kehrte in die Wohnstube zurück.

Noch im Gehen nahm ich einen großen Schluck des kühlen Blonden. Kurz darauf verschwamm alles vor meinen Augen. Ich schüttelte den Kopf, versuchte das Schwindelgefühl loszuwerden. Meine Sicht schränkte sich ein, vor meinen Augen wurde es zunehmend dunkler. Ich stützte mich an der Wand ab und wartete, bis es vorbei war. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Als ob nicht schon genug Probleme gehabt hätte. Ich ließ mich auf der Couch nieder und schloss die Augen. Dieser Tag war zum Kotzen. Ich wollte nur noch schlafen und hoffen, dass ich aufwachte und alles nur ein böser Traum gewesen war. Doch war es leichter gesagt, als getan, in die Traumwelt abzudriften. Vielmehr verfiel ich in Erinnerungen.

 

„Willkommen zurück!“, schallten uns freudige Rufe entgegen, als ich die Tür öffnete. Das Licht sprang an und Musik ertönte aus der Anlage. Daniel blieb zwar stehen, doch nahm ich an, dass er es bereits gewusst hatte. Deswegen auch diese ständigen Quengeleien. Man konnte ihm einfach nichts vormachen. Ich wäre wahrscheinlich nicht einmal hier aufgekreuzt, wenn ich es gewusst hätte. Aber Daniel wollte die anderen nicht enttäuschen. Er konnte seine soziale Ader einfach nicht so einfach abstellen. Es duftete fantastisch. Janet musste gekocht haben. Nicht, dass Sam sich in der Küche nicht auskannte, aber sie war im Umgang mit dem Kochlöffel mindestens genauso ungeschickt wie Daniel. Dieser wurde von einem zum anderen gereicht. Ich nutzte die Zeit, um mir eines der Biere zu schnappen, die auf dem Tisch standen und mir einen Platz auf der Couch zu sichern.

„Oh Mann, die sind doch verrückt.“, jammerte er und ließ sich neben mir nieder. Er genehmigte sich ebenfalls ein Bier. Normalerweise trank er keins - er mochte es einfach nicht - aber ihm schien das in diesem Moment egal zu sein. Ich wuselte ihm mitfühlend durchs Haar. Früher hatte ich das nicht oft getan, doch jetzt wollte ich vielleicht auch bloß sichergehen, dass er auch wirklich da war, dass ich mir das alles nicht nur einbildete. Daniel entzog sich mir sofort und bemerkte schmollend: „Lass das, du zerstörst meine Frisur.“ Wir beide wusste, dass er nicht so eitel war, er wollte bloß nicht, dass ich ihn behandelte, als wäre er ein braves Kind, das etwas Niedliches gesagt oder getan hatte.

„Wenn du meinst!“, meinte ich und zuckte mit den Schultern. Stattdessen bediente ich mich an der herrlich hergerichteten Vorspeise aus kleinen Schnitten und Obststreifen. Unsere Freunde hatten sich wirklich viel Mühe gegeben. Jeder von uns freute sich einfach, das unser Daniel wieder bei uns war und uns nerven würde mit seinen Theorien über längst vergessene Zivilisationen und altertümlichen Kulturen, auf welche wir treffen würden. Ja, alles würde wieder werden wie früher. Zumindest, was die Zusammensetzung von SG-1 anging. Wir jedoch hatten uns durch die Ereignisse geändert, was man an Daniel wohl am Deutlichsten bemerkte. Er war schon wieder richtig aufgekratzt und konnte nicht still sitzen. Cassandra hatte ihn auch längst in Beschlag genommen.

 

Nach einer Stunde des Schwelgens in Erinnerungen, hatte sich mein Bier so langsam verflüchtigt. Ich brauchte dringend ein neues. Auf dem Weg in die Küche beschloss ich, dass es der beste Zeitpunkt war, sich sinnlos zu besaufen. Irgendwo in meinem Küchenschrank musste noch eine angefangene JackDaniels-Flasche herumgeistern. Schon Ironie - mein Lieblingswhiskey trug unsere Namen. Wenn mich dann jemand fragen würde, wer mich so zugerichtet hatte, könnte ich wenigstens wahrheitsgemäß antworten, dass es Daniel war. Indirekt wenigstens. Mir war schon leicht schwindlig. Ich konnte wohl auch nicht mehr so viel ab, wie vorher. Mit etwas Geduld fand ich dann auch endlich das Gesuchte und schraubte den Deckel von der Flasche.

Nach einem kräftigen Schluck ging es mir gleich besser. Die goldbraune Flüssigkeit, welche nach herb nach Holz schmeckte, rann brennend meine Kehle hinunter, hinterließ eine heiße Spur auf meiner Speiseröhre, entflammte meinen Magen. Mir wurde warm. Der Alkohol war sofort in meinen Adern und pumpte sich ins Gehirn. Wieder wurde mir leicht schwindlig und alles um mich herum begann sich zu drehen. Ich versuchte es abermals abzuschütteln, doch es gelang mir nicht. Im selben Augenblick läutete es an der Tür. Wer konnte das denn nun schon wieder sein? Halbblind taumelte ich aus der Küche. Die Whiskeyflasche wollte ich schnell auf dem Wohnstubentisch abstellen, doch mittlerweile konnte ich mich gar nicht mehr orientieren.

Ich kniff die Augen zusammen, hörte, wie die Flasche dumpf auf den Fußboden aufschlug. Ein erneutes Klingeln - diesmal gehetzter und viel weiter weg. Ich stolperte ein paar Schritte vorwärts, ehe meine Knie unter meinem Gewicht nachgaben und ich halb bewusstlos zu Boden sank. Leise hörte ich, wie es an die Tür klopfte. Der ganze Raum drehte sich um mich, schien sich allmählich auf den Kopf stellen zu wollen. Mein Sichtfeld wurde zunehmend kleiner. Lauter schwarze Punkte, egal wo ich auch hinsah. Dann war da eine Stimme. Besorgt, aber nicht mehr als ein Flüstern. Ich merkte, wie ich gepackt und herumgedreht wurde. Licht stach in meine Augen, doch ich konnte sie nicht schließen. Dann sah ich sie. Zwei wundervolle blaue Augen.

„Daniel!“, hauchte ich kraftlos. Er war zu mir zurückgekommen. Oder nicht? Es waren nicht Daniels Augen, die dort über mir schwebten. Ich kannte sie, doch sie gehörten nicht ihm. Sie gehörten der Frau, die ich ebenso liebte, für welche ebenfalls mein Herz schlug. Anders als für Daniel und doch so gleich. Es war so verwirrend. Ich wollte das nicht fühlen, für niemanden. Nicht für ihn und nicht für sie. Nicht einmal für mich. Schon gar nicht für mich. Ich hasste mich. Ich hatte es vermasselt und ich würde mich nicht entschuldigen können. Er würde nicht zu mir zurückkommen. Jetzt nicht mehr. Was nützte es dann noch zu leben. Ich war müde, ich wollte schlafen. Vielleicht wollte ich sogar nie wieder aufwachen. Es war alles so kompliziert, so verwirrend.

„Colonel, ich bin es, Sam! Sie müssen wach bleiben.“, rief Carter mir zu. Sam. Ich formte ihren Namen mit den Lippen, dann schlossen sich meine Augen von ganz alleine. Vielleicht war es gut so. Einfach nur schlafen. Jetzt!

 

„Ich kann mich an kaum etwas erinnern.“, sagte Daniel plötzlich. Er war seit einigen Wochen zurück und fühlte sich bereits richtig wohl bei mir. So kam es mir zumindest vor. Ich blickte auf ihn hinunter. Er hatte es sich auf dem Fußboden gemütlich gemacht, seinen Rücken gegen die Couch gelehnt und seine Beine überkreuzt. Das erinnerte mich irgendwie an Teal’c, wenn dieser sein Kel’Noreemding durchzog. Nur hatte dieser dabei nicht die Fernbedienung vom Videorekorder in der Hand und spulte alle fünf Minuten vor, weil er gerade diesen Teil vom Film todlangweilig oder viel zu brutal fand. Was war an ‚Species‘ bitte schön brutal? Zugegeben, so nervenaufreibend war der Großteil des Films nicht, doch angsteinflößend genauso wenig. Aber wenn es ihn glücklich machte, meinetwegen. Ich kannte den Film eh schon auswendig.

Ich hatte mich auf der Couch lang gemacht, setzte mich jetzt jedoch auf. Anscheinend wollte er darüber reden, was im letzten Jahr geschehen war und ich wollte ihm meine volle Aufmerksamkeit schenken. Es interessierte mich brennend, wie es für ihn gewesen sein musste. Dennoch wollte ich ihn zu nichts drängen. Ich war einfach nur froh, dass er zurück war. Ich musste nicht unbedingt wissen, ob ihm dieses Dasein besser gefallen hatte, als das jetzige, dessen ungeachtet reizte mich die Vorstellung schon, ein höheres Wesen zu sein und Naturgesetze zu brechen. Daniel schaltete den Fernseher aus und legte die Hände in den Schoss, als wolle er beten. Ähnlich wie damals in Kheb.

„An was kannst du dich denn noch erinnern?“, hakte ich zögernd nach, als er nichts mehr sagte.

„An dich!“, gab mein junger Freund ehrlich zurück und sah mich dabei aus seinen blauen Augen an. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, aber seine Augen waren irgendwie trüb - traurig über den Verlust kostbarer Erinnerungen. Ich rutschte zu ihm auf den Fußboden, suchte instinktiv seine Nähe, ließ ihn wissen, dass ich da war, um ihm zu helfen, wenn er es wollte. „An unser letztes Gespräch, bevor ich ging, zum Beispiel oder an die Sache mit Abydos, als ich dich im Fahrstuhl bat, mir zu helfen.“ Ach das! Ja, daran kann ich mich auch noch gut erinnern. Ersteres hatte mir schlaflose Nächte verpasst, doch ich würde das Daniel sicher nicht auf die Nase binden. Er hatte sich damals für diesen Weg entschieden und ich hatte lernen müssen, das zu akzeptieren, was mir nicht gerade leicht gefallen war.

Dann auch immer noch die vorwurfsvollen Blicke von Sam, wenn ich mal wieder ganz bewusst Gesprächen über Daniel aus dem Weg gegangen war. Oder die schmerzliche Erinnerung, wenn Jonas etwas tat, was so typisch für Daniel gewesen wäre, jedoch nicht für den Kelnownaner. Ich bin sicher, ich hätte Quinn mögen können, wenn ich nicht meine Wut auf seine Regierung und vor allem auf mich selbst, auf ihn projiziert hätte. Zum Schluss hatte ich es dann ja auch kapiert - besser spät als nie. Richtig begriffen, dass Jonas Daniel nicht ersetzten wollte, hatte ich es aber erst, als sie beide vor mir standen und ich endlich wieder mit Daniel diskutieren konnte, während Jonas sich irgendwie damit zurückhielt, mir die Meinung zu geigen. Und Carter - sie hielt sich diskret aus allem heraus - wie immer.

„Auch an Ba’als Palast?“, fragte ich vorsichtig. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken. Noch etwas länger in dieser Hölle und ich hätte alles ausgeplaudert, hätte diesem stinkenden Schlangenkopf alles erzählt, was er hätte wissen wollen. Ich hätte ihm die Tok’ra auf dem Silbertablett serviert, nur um endlich nicht mehr aufwachen zu müssen. Daniel hatte mir weismachen wollen, dass es sich nur um die Auswirkungen des Sarkophages handelte, doch da war noch mehr. Es war all der Schmerz, der in meiner Brust schlug, all das Leid, dass ich hatte ertragen müssen und all die Erinnerungen, die mit Folter verbunden waren, die mich dazu brachten, sterben zu wollen.

Er hatte gewollt, dass ich seinem Beispiel folgte, dass ich wurde wie er, doch ich konnte es nicht. Selbst, wenn ich es versucht hätte, ich bezweifelte, dass es geklappt hätte. Ich hatte tausendmal mehr Schmerz und Wut hinter mir zu lassen als er, auch wenn wir beide nicht gerade sanft vom Schicksal behandelt worden waren. Es gab so vieles, was er über mich nicht wusste, so einiges, was er nie erfahren würde. Ich hätte es nicht einfach vergessen können, so gern ich auch bei ihm gewesen wäre. Doch was hätte es genutzt, wenn ich ihn nicht hätte berühren können, wenn ich selbst nicht mehr hätte andere Personen spüren könnte. So wäre es doch gewesen oder?

Daniel schüttelte den Kopf und erwiderte: „Nein, daran nicht, aber ich habe deinen Missionsbericht gelesen. Du bist davon ausgegangen, dass ich den anderen geholfen haben. Ich muss für dich ja so etwas wie Gott gewesen sein.“ Daniel versagte kläglich dabei, einen Scherz zu machen. Darin war er auch mal besser gewesen. Er brauchte halt nur wieder etwas Übung. Eine kleine Weile mit mir hier in meinem Haus und er würde wieder ganz der Alte sein. Aber wollte ich das? Mir gefiel er auch so ganz gut, wenn es mich auch reizte, mal wieder so richtig mit ihm zu streiten. Das hatte ich von allem wohl am meisten vermisst.

„Nein, eher so etwas wie ein ziemlich hartnäckiger Hausgeist, der irgendwie einen Sprung in der Schüssel hatte.“, entgegnete ich sarkastisch. „Kennst du ‚Casper‘? So ungefähr warst du auch.“ Jackson konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Ich wusste immer noch, wie ich ihn zum Lachen brachte.

„Jack, das ist nicht lustig.“, empörte er sich, konnte aber nicht aufhören zu grinsen. Der Vergleich war einfach zu treffend. Zu meinem Glück konnte er sich auch nicht mehr daran erinnern, dass ich ihn mit meinem Schuh beworfen hatte. Das hätte er mir bestimmt übel genommen. „Ich habe schließlich ein Jahr meines Lebens verloren.“ Während Daniel das sagte, wurde ihm erst wirklich bewusst, dass das eine ganze Menge Zeit gewesen war und dass er vielleicht noch mehr verloren hätte, wenn er diesen Weg nicht gegangen wäre. Wir hätten jetzt nicht hier sitzen und darüber philosophieren können, wie Daniel sich betragen hatte, nachdem er aufgestiegen war. Ich tätschelte verständnisvoll seinen Kopf und er lehnte diesen an meine Schulter. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn... Er sollte es auch nicht.

„Erzähl mir, an was du dich erinnern kannst.“, bat ich sanft und streichelte sein Haar, so wie ich es bei Charlie früher immer getan hatte. Mein Dad hatte das auch immer gemacht und ich wusste, dass es ein Gefühl von Sicherheit vermittelte. Nicht nur für den Empfänger auch für den Absender dieser Geste.

Daniel berichtete: „Ich kann mich daran erinnern, dass Ohma mir eintrichtern wollte, dass mein Leben nicht nur aus schlechten Dingen bestand, dass es nicht in meiner Hand gelegen hatte, was alles geschehen war. Treffend wäre wohl ihr weiser Spruch: ‚Das einzige, was man wirklich beeinflussen kann, ist ob man Gutes oder Schlechtes tut.‘ Oder so ähnlich. Ich habe ehrlich gesagt nicht richtig hingehört.“ Er grinste bei der Bemerkung. Ja, auch das konnte Daniel manchmal ganz gut, besonders, wenn er vollkommen anderer Meinung über seine Person war. „Sie wollte, dass ich all meine Bürden abstreifte, meine Schuldgefühle ad acta legte und ihrem Weg des Friedens folgte. Da ich wieder hier bin, scheint mir das ja nicht so ganz gelungen zu sein.“ Diesmal musste auch ich grinsen.

„Noch irgendetwas?“, wollte ich wissen.

„Ja, ich glaube, ich habe Shau’ris Sohn gesehen. Ich denke sogar, ich habe sehr viel Zeit mir Shifu verbracht. Er sieht meiner Frau sehr ähnlich, weißt du. Die gleichen leuchtenden Augen, dasselbe Lachen. Sie hatte auch immer diesen friedlichen Ausdruck im Gesicht, wenn sie schlief.“, antwortete Daniel und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Die Erinnerungen an seine Frau schmerzten ihn immer noch sehr. Ich konnte gut nachvollziehen, wie er sich fühlen musste. Mir ging es oft mit Charlie nicht anders, obwohl ich mich meist an die guten Zeiten erinnern konnte, nicht an seinen Tod allein. Ab und zu vergaß ich diese Tatsache sogar für ein paar Augenblicke. Das Gerede über seine Frau rief mir wieder etwas sehr Wichtiges ins Gedächtnis. Da war noch etwas, dass ich für ihn aufgehoben hatte.

„Da fällt mir was ein. Warte einen Moment.“, sagte ich schnell und erhob mich. Mir taten bereits meine Knie weh. Ich wurde wirklich alt. Von meinem Hintern wollte ich erst gar nicht reden. Mit ein paar schnellen Schritten war ich an der Kommode, auf welchem Daniels Aquarium stand. Seine Augen folgten meinen Bewegungen. Ich zog die kleine Schublade auf und holte eine samtene Schatulle hervor, welche für mich eine große emotionale Bedeutung hatte, doch mir war diesmal der Inhalt wichtiger. Mit einem prüfenden Blick auf die Fische, die immer noch putzmunter waren, schloss ich die Schublade wieder und kehrte zu Jackson zurück. Dieser blickte mich nur irritiert an und ließ seinen Blick immer wieder zu der Schachtel gleiten. Ich drückte ihm diese in die Hand, ohne etwas dazu zu sagen und nahm wieder neben ihm Platz. Er würde es schon verstehen, wenn er sie öffnete. Was er auch tat. Seine Augen weiteten sich, drohten schon fast herauszufallen.

„Das ist... wo hast du... wie bist du...“, stotterte er, brachte aber keine der Fragen zu Ende. Ich konnte mir aber auch so denken, was er wissen wollte.

„Karsuf gab sie mir, nachdem du verschwunden warst. Ich habe sie in der Hoffnung aufbewahrt, dass du wiederkommen würdest.“, gestand ich ihm und nahm ihm die Schachtel ab. Der dunkelblaue Samt war schon ziemlich abgegriffen, was kein Wunder war, denn die kleine Schatulle hatte bereits knapp zwei Jahrzehnte hinter sich. Wie schnell die Zeit doch verstrich, wenn man etwas zu tun hatte. Daniel betrachtete die beiden kleinen Ringe, die nun in seiner Handfläche lagen noch einen Moment, dann umschloss er sie mit den Fingern und fiel mir dankbar um den Hals. Die Couch rutschte nach hinten weg und wir landeten auf dem kalten Fußboden. Unsere Blicke trafen sich und mir wurde ganz warm. Ein Gefühl, dass ich nicht haben durfte, stieg in mir auf. Ich schüttelte es ab und richtete mich auf.

„Na, na, Dannyboy, nicht so stürmisch, ich bin schließlich schon ein alter Mann“, witzelte ich, um meine Unsicherheit zu überspielen. Ich, Jack O’Neill, war unsicher! Das kam mindestens so oft vor wie Schnee im Sommer, aber er hatte es geschafft. Daniel hätte selbst das mit dem Schnee irgendwie hinbekommen, da war ich mir sicher. Er war auch von den Toten wieder auferstanden.

„Ach was?“, wehrte Daniel ab. „Deine Geburt ist doch erst ein halbes Jahrhundert her.“ Sein Lächeln wurde immer breiter. Ich bedachte ihn mit einem tödlichen Blick, doch bevor ich mich hätte auf ihn stürzen können, fragte er mit unschuldiger Miene: „Was hat es eigentlich mit dem Kästchen auf sich. Tiffany ist ziemlich extravagant.“

„Ach, da war Sarahs Ehering drin.“, versuchte ich es unwichtig klingen zu lassen, auch wenn es nicht funktionierte. Ich hatte mich längst verraten. Jacksons blödes Grinsen sagte alles. Resignierend fügte ich schließlich doch noch hinzu: „OK, ich gebe es zu, ich bin sentimental veranlagt. Zufrieden?“ Daniel nickte bekräftigend.

 

Langsam verschwammen die Erinnerungen an diesen Abend vor meinen Augen und leise Stimmen drangen an mein Ohr. Zuerst konnte ich sie nicht einordnen, doch dann erkannte ich sie. Janet und Samantha saßen neben mir - wo auch immer ich war. Fühlte sich wie meine Couch an. Wie lange war ich weggetreten gewesen? Es roch nach Kaffee! Außerdem musste ich Fraisers Anfahrtsweg berücksichtigen. Mensch, ich hatte meine Kondition wirklich unterschätzt. Wie ich es hasste, krank zu sein. Was ich hörte, war interessant, also behielt ich meine Augen geschlossen.

„Wie geht es ihm?“, fragte Sam gerade.

„Er wird es überleben, aber wenn er noch einmal solche Dummheiten macht, werde ich ihn eigenhändig erwürgen. Alkohol trinken, obwohl er mit Antibiotika und Viren voll gestopft ist, so dumm kann doch keiner sein.“, regte sich Janet auf. War wieder einmal typisch für den napoleonischen Machtzwerg, aber wo sie Recht hatte, hatte sie Recht. Um mich zu verteidigen - soviel hatte ich nun auch wieder nicht getrunken.

„Ich kann ihn verstehen.“, erwiderte Samantha nachdenklich. Ach, bei ihr war Daniel also untergekommen! Hätte ich mir doch denken können. Janet wäre die schlechtere Wahl gewesen. „Er hatte sich daran gewöhnt, jemanden um sich zu haben, der ihm bei Bedarf auf die Finger schlägt. Außerdem schien Daniels Auszug für ihn genauso überraschend gekommen zu sein, wie für mich. Nach fast einem Jahr würde es mir auch schwer fallen, das zu akzeptieren, besonders wenn ich das schon einmal hätte erleben müssen. Ich hörte, dass Sarah damals auch gegangen ist, als er auf Abydos war.“ Na toll, gerade das hatte ich zu verdrängen versucht. Musste mich ja nicht jeder daran erinnern, dass meine Frau einfach ausgezogen war, genau wie Daniel. Hatte ich denn wirklich nur Pech in meinem Leben, dass es unweigerlich darauf hinauslaufen musste? Was hatte ich eigentlich getan, dass ich so vom Schicksal in den Hintern getreten wurde? Da rettete man laufend die Welt und das war der Dank!

„Ja, aber glaubst du wirklich, dass man das vergleichen kann?“, hakte Janet nach. „Es ist ja nicht so, als wären sie...“Den Rest des Satzes ließ sie offen. Man konnte sich auch so denken, was sie damit ausdrücken wollte. Wenn sie nur geahnt hätte, wie Recht sie hatte! Jedenfalls was mich betraf. Ich fühlte mich zu Daniel hingezogen - durchaus auch in sexueller Hinsicht. Ich war schwul oder bi oder wie man das auch sonst bezeichnen würde. Für keinen anderen Mann hatte ich je so gefühlt. Ich hatte immer von mir behaupten können, dass ich hundertprozentig Hetero war, doch jetzt war die Sache mit Daniel ein Ding für sich, etwas, dass ich gerne außen vor ließ. Irgendwie war es eigenartig, aber gleichzeitig fühlte es sich auch so richtig an. Echt verwirrend.

Sam kicherte: „Jedenfalls benehmen sie sich manchmal so, als wären sie schon fünfzig Jahre verheiratet. Jack betütelt Daniel richtig und ein Ehekrach ist auch immer mal wieder vorprogrammiert. Ich will damit nicht sagen, dass sie schwul sind oder so, aber du musst zugeben, ich habe Recht.“ Auch Fraiser musste lachen.

„Ja, das hast du allerdings“, stimmte diese Sam zu, wurde dann aber ernst. „Bei Daniel könnte ich mir glatt vorstellen, dass er mehr fühlt als Freundschaft. Er ist irgendwie anders, seit er zurück ist. Irgendetwas an ihm hat sich geändert.“ Hatte ich mich gerade verhört oder war das ernst gemeint gewesen? Daniel und... He, Moment mal, das würde einiges erklären! Seinen plötzlichen Auszug zum Beispiel. Janet hatte doch gesagt, dass ich ihnen allen meine Liebe gestanden hatte - ich musste ziemlich auf Droge gewesen sein. Vielleicht hatte Daniel das in den falschen Hals bekommen oder aber er hatte so lange darüber nachgedacht, und es soweit uminterpretiert, bis er für sich zu der Überzeugung gekommen war, ich würde es nicht ernst meinen. Aber deswegen zieht man doch lange noch nicht aus! Da musste noch etwas gewesen sein!

Wichtig war nur, dass ich vielleicht nur eine Chance hatte ihn für mich zurück zu gewinnen. Wie, das wusste ich noch nicht, aber mir würde schon etwas einfallen. Außerdem schlimmer konnte es nicht mehr werden. Ich konnte mir sowieso nicht vorstellen, wie es jetzt weitergehen sollte, also konnte ich genauso gut alles auf eine Karte setzten. Mehr als seinen Hass konnte ich mir nicht zuziehen. Aber was, wenn er genauso fühlte wie ich, was dann? Wie würde diese ganze Geschichte ablaufen? Niemand dürfte es wissen, wir müssten es geheim halten. Außerdem hatte ich nie zuvor einen Mann geküsst, geschweige denn... Ach was, das würde sich schon irgendwie regeln. Erst einmal wollte ich ihn zurück. Zur Not auch, ohne ihm etwas von meinen Gefühlen zu sagen. Ich brauchte nur einen wasserdichten Plan. Sam würde schon etwas einfallen, sie war hier schließlich das Genie und sie hatte ihn bei sich zu Hause.

„Ich glaube, er kommt zu sich“, meinte Janet, als ich mich räkelte.

Es war Zeit für die Operation: ‚Wie hole ich Daniel zu mir zurück!‘

 

 

Sam kam erst spät nach Hause. Ich war aufgewacht, als sie die Tür aufschloss. Ich war es nicht gewöhnt, dass jemand anderes außer mir mitten in der Nacht noch im Haus herumwanderte. Auf jeden Fall nicht in dieser Lautstärke und nicht für so lange Zeit. Jack war manchmal auch nachts wach, doch bekam ich das fast nie mit. Er war einfach leiser, schlich nur durchs Haus. Aber Sam war nun einmal nicht Jack und sie war es auch nicht gewöhnt, vorsichtig zu sein, denn sie hatte all die Jahre alleine gelebt. Ich konnte nicht verlangen, dass sie so schnell ihre Gewohnheiten änderte, nur damit ich meine nicht aufgeben musste. Ich würde mich schon daran gewöhnen, dass sie erst spät heim kam, so wie sich Jack an meine unmöglichen Tages- und Nachtzeiten hatte anpassen müssen.

Auch ich hatte die Angewohnheit entwickelt, mich bis spät in die Nacht hinein im Berg aufzuhalten, nur weil ich noch schnell etwas holen wollte. Meist kam es ganz spontan. Ich hatte nur Hunger auf irgendetwas und nachher landete ich im Mountain und nahm wieder nur Kaffee zu mir. Irgendwann hatte Jack es sich zur Angewohnheit gemacht, mich so lange anzurufen und zu nerven, bis ich schließlich nachgab und nach Hause zurückkehrte. Nach Hause... wie sich das anhörte. Es war nie mein Haus gewesen, doch jedes Mal, wenn ich die Tür aufschloss und mich geschafft aufs Sofa fallen ließ, hatte ich das merkwürdige Gefühl, endlich dort zu sein, wo ich hingehörte. In meinem Loft war das nie so gewesen, auch wenn schwarz auf weiß geschrieben stand, dass er mir gehörte. Aber solange Jack nicht bei mir war, hatte dennoch etwas gefehlt. Er war es gewesen, der mir dieses Gefühl gegeben hatte.

Ich richtete mich müde auf und machte Licht. So spärlich es auch war, es brannte in meinen Augen. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und blinzelte. Erschrocken fuhr Sam herum und machte gleich darauf ein entschuldigendes Gesicht. Sie hatte mich nicht aufwecken wollen. Ich winkte ab, nahm es ihr nicht weiter übel. Vielleicht hatte ich ja irgendwann die Chance, es ihr heimzuzahlen. Ich stand auf und trottete hinter ihr her in die Küche. Ich wollte nicht mehr schlafen und brauchte daher dringend einen Kaffee. Sie wollte wohl anscheinend auch noch nicht ins Bett und das, obwohl sie vollkommen übermüdet und schon ziemlich schlecht aussah. Es schien ein ziemlich schwerwiegendes Problem gewesen zu sein, an dem sie gearbeitet hatte. Während wir gespannt darauf warteten, dass der Kaffee durchlief, setzten wir uns an den kleinen Tisch und schwiegen uns an.

Letztendlich war sie es, die das Schweigen brach: „Was ist passiert, Daniel? Wieso wolltest du so plötzlich bei Jack ausziehen?“ Ich wusste, dass sie mich dieses Mal nicht so leicht davon kommen lassen würde. Und ich war es ihr auch irgendwie schuldig. Sie ließ mich ohne Wenn und Aber bei sich wohnen, sie hatte das Recht, zu erfahren, wieso ich so plötzlich vor Jack flüchtete. Zumindest zu einem vertretbaren Teil. Nicht, dass sie Jack oder mich verurteilen würde - es würde nichts für sie ändern - doch ich konnte nicht in seinem Namen entscheiden, wie viel sie erfahren durfte oder gar, wie viel da hineinzuinterpretieren war. Sicher nicht annähernd genug, um einen so schwerwiegenden Entschluss zu fassen und zuzugeben, dass man so fühlte, wie ich es tat. Wenn, dann hätte ich das schon getan, anstatt wie ein Feigling davonzurennen. Außerdem verstieß das, was er getan hatte, gegen Regeln.

Das Militär duldete in ihren Reihen niemanden der… solche Neigungen hatte, nicht einmal, wenn er nicht Herr seiner Sinne war, wie es in Jacks Fall zutraf. Er konnte sich sicherlich nicht einmal mehr daran erinnern. Er war verheiratet gewesen, hatte einen Sohn gehabt, da war es doch so gut wie unmöglich, dass er plötzlich so für mich fühlen konnte. Auch ich hatte eine Frau gehabt, doch seit meinem Aufstieg war irgendetwas anders geworden. Etwas in mir hatte sich geändert - ich war ein anderer Mensch geworden und das nicht nur in diesem Punkt. Vielleicht fiel es mir auch nur deutlicher auf seit ich wieder zurück war. Unsere Trennung musste den Ausschlag gegeben haben. Ehrlich gesagt, konnte ich mich in dieser Hinsicht selbst nicht verstehen. Nichtsdestotrotz konnte ich meine Gefühle für ihn auch nicht ändern. Ich hatte es lang genug erfolglos versucht.

„Ich weiß auch nicht. Ich habe mich einfach unwohl gefühlt, schätze ich. Ich spielte schon lange mit dem Gedanken, es wurde endlich mal Zeit.“, versuchte ich Sam die ganze, verquere Situation zu erläutern. „Ich bin erwachsen, ich sollte mein eigenes Reich haben und ihm nicht ewig auf der Tasche liegen. Wenn ich ehrlich bin, grenzt es sowieso an ein Wunder, dass wir es so lange miteinander ausgehalten haben, ohne uns gegenseitig zu erschlagen. Jack hat ganz schön viel Geduld mit mir bewiesen.“ Manchmal konnte ich wirklich eine richtige Nervensäge sein, wenn ich wollte. Geduldig hatte er sich all meine weitschweifenden Erläuterungen angehört, meine abwegigsten Theorien ertragen und sogar meine ständigen Nörgeleien am Militär stillschweigend hingenommen.

 

Erst im Nachhinein hatte ich dann begriffen, dass ich auch ihn damit kritisiert hatte - was natürlich nicht meine Absicht gewesen war. Ich hatte versucht es wieder gut zumachen, aber ein Bier und eine Pizza hatten es in meinen Augen nicht wirklich gebracht. Ich war es halt nicht gewohnt, auf jemand anderes Rücksicht zu nehmen. Normalerweise hätte Jack mich unter diesen Umständen längst aus seiner Wohnung geworfen, doch er hatte wie so oft auch bei dieser Geschichte kein Wort darüber verloren, das ich gehen sollte.

„Hast du ein schlechtes Gewissen?“, fragte Jack sichtlich amüsiert, als ich ihm bereitwillig das letzte Stück Pizza überlassen hatte - das tat ich normalerweise nie. Er hatte auch einen misstrauischen Unterton in der Stimme. Dennoch nahm er es zufrieden an sich und biss genüsslich hinein.

„Wie kommst du darauf?“, entgegnete ich und fühlte mich irgendwie ertappt. Er hatte mit seiner Annahme ja auch mitten ins Schwarze getroffen. Sofort richtete ich den Blick auf die Tasse mit Kaffee in meinen Händen. Ich spürte seinen abschätzenden Blick auf mir ruhen. Sein Grinsen sah ich, obwohl ich ihn nicht einmal anblickte.

Schließlich meinte er belustigt: „Also habe ich Recht. Du bist für mich ein offenes Buch, Dannyboy, versuch erst gar nicht, dich herauszureden.“ Wenn er gewusst hätte, was für Gedanken in meinem Kopf über ihn herumschwirrten - auch in diesem Augenblick - würde er wahrscheinlich vor Scham im Erdboden versinken und ich gleich mit ihm. Er wuschelte mir durchs Haar und stopfte sich den letzten Rest Pizza in den Mund. Immer noch kauend, fügte er hinzu: „Außerdem ist das längst vergessen. Wir sind halt in den meisten Dingen unterschiedlicher Meinung, das hatten wir doch längst klargestellt. Belassen wir es dabei.“ Dann erhob er sich und ging in die Küche. Die Sache war für ihn damit gegessen. Nichtsdestotrotz hatte ich immer noch ein schlechtes Gewissen, schnitt das Thema jedoch nicht mehr an. Ich wollte mich nicht mit ihm streiten.

 

„Da liegst du mir lieber noch etwas auf der Tasche.“, witzelte Sam und knuffte mir leicht in die Seite. Sie hatte mich mit diesen Worten aus den Erinnerungen gerissen. Ich machte den kläglichen Versuch eines Lächelns. Mir gelang es nicht wirklich. Mir war halt nicht danach. Ich mochte Sam - liebte sie wie eine Schwester - und alberte gerne mit ihr herum, aber ich wäre jetzt, ehrlich gesagt, lieber bei Jack gewesen, um mit ihm zu essen und fern zu sehen. OK, er sah fern, ich las meine Bücher. Sam fügte hinzu, als ich nichts erwiderte: „Ach schmoll doch nicht gleich. Du wirst schon sehen, es renkt sich alles schon irgendwie wieder ein.“

„Nur wie?“, dachte ich laut. „Er hasst mich sicher.“

„Ach was!“, wehrte Sam ab. „Du solltest ihn besser kennen. Du hast selbst gesagt, dass Jack sehr geduldig mit dir war und nachtragend ist unser muffliger Colonel nun auch wieder nicht. Zumindest nicht lange.“ Sie erhob sich und holte zwei Tassen aus dem Schrank. Der Kaffee war bereits durchgelaufen. „Du kannst davon ausgehen, dass er zuerst sauer ist und auch enttäuscht, aber er könnte dich sicher niemals hassen. Ich bin davon überzeugt, dass er dich auch irgendwie verstehen kann. Es ist schwer, wieder auszuziehen, wenn man so verhätschelt wurde wie du. Am liebsten hätte ich sofort mit dir getauscht, doch ich denke, dass das bei unseren Vorgesetzten nicht so gut angekommen wäre. Du kennst ja die Regeln.“ Ihr Versuch, mich aufzumuntern, in allen Ehren, aber es funktionierte einfach nicht.

Vielleicht, weil sie die Wahrheit sagte. Er hatte mich wirklich verwöhnt. Ich hatte nicht einkaufen oder den Haushalt schmeißen müssen, brauchte nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren, bekam immer warmes Essen auf den Tisch - Jack war gar kein so schlechter Koch, wie ich immer gedacht hatte - und er erfüllte mir fast jeden Wunsch. Es hätte besser nicht sein können. Deswegen fühlte ich mich ja gerade so unwohl in meiner Haut, wenn ich in seinem Haus war. Mir kam es so vor, als würde ich ihn ausnutzen. Jack war zwar nicht der Typ Mensch, der sich ausbeugten ließ, doch ich hatte ihn zuvor nie so aufopfernd erlebt. Eventuell hatte er einfach nur Angst, dass er mich verlieren könnte. Ich hatte jedoch nicht vorgehabt, so schnell wieder zu gehen. Jedenfalls nicht so wie das letzte Mal, als ich ihn gebeten hatte, mich mit Ohma mitgehen zu lassen.

Als ich nichts erwiderte, fuhr Sam mit sanfter Stimme fort: „Du vermisst ihn, nicht wahr?“ Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie setzte sich wieder zu mir und reichte mir eine der beiden Tassen. Ich nahm einen Schluck von dem heißen, schwarzen Kaffee und seufzte erleichtert. Ich würde wohl sowieso nicht wieder einschlafen können - ein Wunder, dass ich es überhaupt geschafft hatte.

„Es ist nur irgendwie ungewohnt.“, gestand ich ihr zögernd. „Er war immer da, wenn ich in seinem Haus herumwuselte. Ich war dort nie allein. Ich habe mich daran gewöhnt, dass er um mich ist. Ich kenne seine Eigenheiten und er meine. Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass du dich zweimal am Tag rasierst, wenn du arbeitest, aber es nicht tust, wenn du zu Hause herumsitzt und fernsiehst. Er hat das gemacht.“

„Und er wäre auch nicht mitten in der Nacht heim gekommen und hätte dich geweckt.“, folgerte Samantha verstehend und nippte an ihrem Kaffee. „Ich bin halt aus der Übung, was das Zusammenleben mit jemand anderem angeht, aber es wird ja auch nicht für immer sein. Du findest sicher etwas Passendes für dich.“

Ich entgegnete: „Na, wie schön. Schon wieder Wohnungssuche. Seit ich das Stargate das erste Mal sah, bin ich öfter umgezogen als in meinen Collegetagen.“ Ich lachte sogar leicht. Ich würde mich schon wieder daran gewöhnen, alleine zu wohnen und Jack nur in der Basis zu sehen. So war das einfach besser für mich - für uns beide. Ich müsste mich ja eigentlich schnell wieder damit abfinden, hatte ich doch jahrelang für mich allein gelebt und es überlebt. Bei einem Waisen  nichts Ungewöhnliches. Ich hatte es immer allein geschafft, wieso nicht auch jetzt? OK, ich hatte mich bei Jack eingelebt, aber etwas Abstand von allem - vorrangig von ihm - war wohl nicht zu verachten. Vielleicht wurde ich mir dann auch endlich meinen Gefühlen Jack gegenüber im Klaren. Distanz würde mir sicher die Augen öffnen.

Ich sagte Sam gute Nacht und legte mich schlafen. Ihre Couch war zwar lang nicht so bequem wie Jacks, aber sie erfüllte ihren Zweck. Ich hatte oft genug eine Nacht auf seinem Sofa verbracht - auch vor meinem Aufstieg - um das zu wissen. Manchmal schlief ich über meinen Unterlagen ein, mal auch beim Lesen oder Fernsehen. Nur einmal hatte ich es in meinem Zimmer - Jacks Gästezimmer - nicht mehr ausgehalten. Das war einer dieser Nächte gewesen, in denen man glaubte, dass der Himmel auf einen hinabstürzen würde. Es hatte wie aus Eimern gegossen und ein gewaltiger Sturm war aufgezogen. Ich hatte bis zu diesem Abend nicht einmal geahnt, wie gruselig ein Dachboden werden konnte, wenn draußen ein Unwetter tobte.

 

Ich hatte mich auf leisen Sohlen nach unten geschlichen, um Jack nicht zu wecken. Es war mir sowieso unbegreiflich, wie er bei solch einem Sturm überhaupt hatte einschlafen können. Ich wusste ja nicht einmal, ob (s)ich hier unten ins Land der Träume versinken konnte. Hier hörte sich das Unwetter auch nicht viel gesünder an, aber dafür klapperten wenigstens keine Dachziegel oder knarrten keine Stützbalken mehr. Außerdem war es in der Wohnstube auch viel wärmer. Jack würde das schon verstehen, wenn er mich morgen früh so entdeckte. Er hatte mir schließlich nicht dieses Zimmer fertig gemacht, wenn ich dennoch weiterhin die Nächte auf der Couch verbrachte. Aber, wenn ich arbeitete, war es halt viel zu weit bis zum meinem Bett, da bot sich das Sofa geradezu an.

Ich machte es mir so gemütlich wie irgend möglich und versuchte nicht an den Sturm zu denken, ihn auszusperren und endlich zu schlafen. Irgendwie wollte mir das jedoch nicht gelingen. Ich konnte die wilden Geräusche nicht aussperren, die Tatsache nicht verdrängen, dass ich mich einsam und schutzlos fühlte. Ich hatte mich irgendwann damit arrangiert, dass ich alleine war, dass ich es sicher auch noch eine lange Zeit bleiben würde, doch das war gewesen, bevor ich von Jack aufgenommen wurde. Jetzt schmerzte es zusehends mehr, jede Nacht allein ins Bett gehen zu müssen und ihn zwar ganz nah, aber dennoch weit weg zu wissen. Es würde nie so sein, wie ich es mir wünschte und an diesem Abend wurde es mir deutlich.

Es wären nur ein paar Meter bis zu seinem Schlafzimmer gewesen, doch ich hatte mich nicht getraut, diese Distanz auch noch zu überwinden. Ich hatte ihn nicht wecken wollen, ich hatte mich für diese momentane Schwäche so geschämt, dass ich nicht wollte, dass er es erfuhr. Er sollte nicht wissen, dass ich mich fürchtete, dass ich bei ihm sein wollte, dass… Ich wollte, dass er mich hielte, mich beschütze, mir die Geborgenheit gab, die ich im Augenblick suchte. Ich hasste Unwetter, aber noch mehr hasste ich es, von ihm getrennt zu sein, auch wenn wir nur einige Schritte von einander entfernt waren. Mehr als das durfte ich mir jedoch nicht erhoffen. Das hier war alles, was ich bekommen konnte und ich musste mich wohl oder übel damit abfinden. Es tat nur so unendlich weh.

„Ich kann mich daran erinnern, dass du ins Bett gegangen bist.“, hörte ich plötzlich Jacks Stimme. Im ersten Moment nahm ich an, dass ich mir das nur eingebildet hatte, doch als er weiter sprach, war ich mir da nicht mehr so sicher gewesen. „Sag bloß, diese alte, durchgelegene Couch ist bequemer.“

 Langsam öffnete ich die Augen. Ich redete mir immer noch ein, dass ich mir das nur einbildete, selbst als ich ihn vor mir stehen sah, nur in seine Schlafsachen gekleidet. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und blickte mich abwartet an. Ich blinzelte, rieb mir die Augen, doch er stand weiterhin vor mir, geduldig auf eine Erklärung wartend. Schließlich setzte ich mich auf und schüttelte den Kopf. Ich hatte es mir wohl doch nicht eingebildet.

„Ich konnte oben nicht schlafen“, gestand ich ihm schließlich. Ich wusste nicht, warum ich das überhaupt getan hatte, wollte ich doch nicht, dass er wusste, dass ich Angst hatte, dass mich der Sturm nicht zur Ruhe kommen ließ. Schleichend legte sich ein leichtes Lächeln auf Jacks Lippen und er nahm vor mir auf dem Couchtisch platz, um mir in die Augen sehen zu können. Resignierend schüttelte er den Kopf.

„Ja, da oben kann es ganz schön ungemütlich werden, besonders bei so einem Unwetter. Aber hier ist es auch nicht besser.“, meinte er ruhig. Er verstand mich und er sah es nicht als Schwäche an, dass ich mich fürchtete - er hielt es für das Natürlichste der Welt.

Ich erwiderte: „Nicht wirklich!“ Wieder etwas, dass ich ihm gegenüber nicht erwähnen wollte. Wo sollte ich auch sonst hin, außer meinem Zimmer und der Wohnstube gab es schließlich keine Ausweichmöglichkeiten mehr für mich. Ich konnte nur wählen zwischen unerträglich und unzumutbar. Ich hatte mich mit dem kleineren Übel abgefunden.

„Komm mit“, meinte er schließlich und erhob sich wieder. Ich sah ihn nur verständnislos an. Das konnte nicht sein ernst sein! So etwas wäre nie aus seinem Mund gekommen. Ich hatte es mir eingebildet, etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen.

„Was?“, fragte ich ungläubig. Seine Antwort hatte darin bestanden, dass er mich auf die Füße gezogen, mich mit sich gezerrt und mich auf die Seite des Bettes dirigiert hatte, auf der ich normalerweise auch immer schlief. Dabei hatte er kein Wort verloren. Ich hatte mich also nicht verhört. Nur zögernd hatte ich mich auf der weichen Matratze niedergelassen. Jack war währenddessen bereits wieder unter die Decke geschlüpft und hatte mir den Rücken zugedreht. Was machte ich hier eigentlich, hatte ich mich gefragt. Das hier durfte nicht sein. So sehr mein Herz sich auch immer danach gesehnt hatte, neben ihm einschlafen und wieder aufwachen zu können, es erschien mir in diesem Augenblick doch mehr als falsch. Es schmerzte. Mehr als die Tatsache, ihn im anderen Raum zu wissen.

„Daniel, leg dich schlafen“, brummte er mich in typischer Jack O’Neill Manier an. „Du tust ja grad so, als wäre ich ansteckend.“ Schnell kuschelte ich mich in die weichen Kissen. Ich wollte nicht, dass er meine Unsicherheit bemerkte, auch wenn es wahrscheinlich längst zu spät gewesen war, dies noch zu verheimlichen. Alles durfte nach ihm: Die Kissen, das Laken, die Decke - jeder Zentimeter dieses Bettes. Seines Bettes. Ich war mir sicher gewesen, in Erkenntnis dieser Tatsache, nicht einschlafen zu können, doch es ging ganz leicht. Das Unwetter war hier kaum noch zu vernehmen und wenn es doch mal zu mir hindurch drang, dann hatte ich keine Angst mehr davor. Jack lag nur einige Zentimeter von mir entfernt und das gab mir die nötige Geborgenheit, die ich brauchte, um beruhigt einzuschlafen.

 

Sam hatte sich in den letzten Tagen sehr merkwürdig bekommen und war auch kaum zu Hause gewesen. General Hammond hatte uns allen noch eine Woche Urlaub gegönnt, da Jack wohl einen Rückschlag erlitten hatte. Diese Nachricht hatte mich schwer getroffen, da ich es doch sonst immer gewesen war, der solche Informationen über ihn als erstes erhalten hatte, doch diesmal hatte ich es von Sam erfahren müssen. Sie war noch mal bei ihm gewesen - wahrscheinlich wollte sie wissen, warum ich mich so merkwürdig verhalten hatte und unbedingt ausziehen wollte. Ihr plötzliches Auftauchen hatte ihm wahrscheinlich das Leben gerettet. Vielleicht überdramatisierte Janet aber auch nur alles, um mich dazu zu bringen, mich endlich mit Jack auseinander zu setzen.

Ich war jedoch noch nicht bereit dafür. Ich konnte ihm nicht unter die Augen treten und ihm ins Gesicht lügen. Das würde ich nicht übers Herz bringen. Außerdem würde er mich daran erinnern, wie sehr ich diesen Kuss zwischen uns genossen hatte - eine Geste, die niemals hätte sein dürfen. Ich hätte es nicht soweit kommen lassen sollen, ich hätte ihn davon abhalten müssen. Aber es war alles so schnell geschehen, er hatte mich vollkommen überrumpelt. Wie sollte ich nur damit klarkommen? Ich konnte ihn ja nicht einmal besuchen, ohne mich schlecht zu fühlen, ohne, dass es schmerzte. So würde das nie etwas werden.

Ich musste also eine Entscheidung treffen. Entweder, ich fand einen Weg, damit umzugehen, dass ich Jack liebte und ertrug auch weiterhin seine Gegenwart oder ich suchte mir nicht nur eine andere Wohnung, sondern auch gleich einen anderen Job. Ich liebte meine Arbeit und ich war gerne mit den anderen auf Mission, aber wie konnte die Zusammenarbeit mit Jack funktionieren, wenn ich ihm nicht offen sagen konnte, was mich bedrückte? Genau das würde Jack nämlich von mir verlangen. Nein, ich würde das nicht einen Tag durchhalten. General Hammond würde sicher verstehen, dass ich aus dem Team aussteigen wollte. Er hatte doch schon einmal „ja“ gesagt.

OK, das waren andere Umstände gewesen, aber ich würde ja nicht ganz verschwinden, nur nicht mehr mit Jack und den anderen auf Mission gehen. Ich hätte so auch mehr Zeit für meine eigentliche Arbeit, könnte mich sogar länger auf irgendwelchen Planeten aufhalten. Dafür hatte ich sonst kaum die Zeit und Jack war auch nie sehr geduldig mit mir gewesen. Jedenfalls nicht in diesem Punkt. Natürlich, es würde Tage geben, in denen ich ihm ständig über den Weg laufen würde, in denen es unvermeidlich war, dass wir unseren Weg gemeinsam gingen, doch bis dahin würde ich hoffentlich genug Abstand zu ihm gewonnen haben, um das zu verkraften. Er brauchte sicher auch eine Weile, um nicht mehr sauer auf mich zu sein.

„So, Sie sind kerngesund, Daniel.“, teilte Doktor Fraiser mir mit und riss mich so aus den Gedanken. Ich hatte ganz vergessen, wo ich mich im Moment befand. Ich war auf der Krankenstation - nicht gerade der passende Ort, um über Jack zu nachzudenken.

 „Trotzdem sollten Sie es ruhig angehen lassen, Sie haben schließlich Urlaub. Wir wollen doch nicht, dass Sie noch ernsthaft erkranken, oder?“

„Sicher.“, gab ich abwesend zurück. „Wie sieht es bei Jack aus? Geht es ihm wieder besser?“ Ich wusste nicht einmal, warum ich fragte. Ich kam mir so schäbig vor, dass ich ihn nicht einmal selbst danach fragen konnte. Ich traute mich ja nicht einmal, ihn anzurufen. Ich war ein solcher Feigling.

„Wieso erkundigen sie sich nicht selbst. Er müsste jeden Augenblick hier auftauchen.“ Wie aufs Stichwort kam Jack um die Ecke und blieb sofort wie angewurzelt stehen, als sich unsere Blicke trafen. Seine linke Hand ruhte immer noch am Türrahmen, den er beim Hereinkommen gestreift hatte, die andere ruhte in seiner Hosentasche. Diese Haltung war mir so unendlich vertraut. Mein Herz drohte, bei seinem Anblick zu zerbersten. Auch er schien überrascht zu sein. Janet musste ihm nichts gesagt haben. Sie wollte wohl, dass wir uns aussprechen sollten, doch dazu war ich nicht bereit. Ich konnte es ihm einfach nicht sagen. Das ging nicht. Es würde nicht nur den letzten Funken unserer Freundschaft, sondern wahrscheinlich auch seine Karriere ruinieren. So etwas konnte ich ihm nicht antun.

„Daniel.“, hauchte er fassungslos. In seinen Augen stand der Schmerz geschrieben, die Hilflosigkeit und das Unverständnis für mein Handeln. Er wusste ebenso wenig, was er sagen sollte, wie ich. Schließlich brachte er hervor: „Schön dich zu sehen.“ Ich nickte nur. Meine Kehle war wie ausgetrocknet, die Worte blieben mir im Halse stecken. Sätze voller Liebe und Leidenschaft, voller Kraft und Überzeugung. Worte, die ich nicht auszusprechen wagte, die nicht gesagt werden durften. Ich wandte den Blick ab, konnte seinem Blick nicht länger standhalten. Seine warmen, braunen Augen kamen mir mehr denn je verloren vor. Ich wollte ihn so nicht sehen, ich konnte diesen Anblick nicht ertragen. Schnell erhob ich mich.

„Ja, sicher.“, presste ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor und ging schnurstracks an ihm vorbei, sah ihn nicht an. Seine Augen folgten mir, ich spürte seinen Blick auf mir ruhen. Nein, so konnte ich nicht leben, so würde ich nicht weitermachen. Ich musste gehen, etwas anderes würde nur uns beiden schaden. Irgendwann würde er es sicher verstehen - ich hoffte es sehr. Ich zwang mich dazu, nicht auch noch davonzulaufen, auch wenn mich dieser Wunsch geradezu übermahnte. Er sollte nicht sehen, wie feige ich war.

Er rief mir hinterher: „Daniel, komm bitte am Freitag zu meiner Party. Ich habe euch etwas zu sagen.“ Ich hörte nicht hin. Ich wusste doch schon, dass ich nicht kommen würde und er musste es doch auch ahnen. Immer mehr hatte ich das Gefühl, dass unsere Freundschaft unter meiner Entscheidung zu leiden hatte. Was war schon groß dabei? Wieso konnte ich nicht einfach zu ihm gehen? Es wäre ja nicht so, dass wir dort alleine wären. Mindestens Sam und Teal’c würden da sein, Janet würde sich ihnen anschließen, hatte sie doch Blut gerochen. Wieso bereitete mir das nur Unbehagen? Allein wegen des Kusses?

Ich könnte die Kontrolle verlieren - ich würde sie verlieren. Jack hatte eben schon so unglaublich sexy ausgesehen. Wie würde es dann erst sein, wenn er frisch geduscht und rasiert war? Er roch dann immer so großartig. Was mich zu der Frage brachte, wie ich es vorher nur in einem Haus mit ihm ausgehalten hatte und jetzt konnte ich es nicht einmal mehr ertragen, mit ihm im gleichen Bundesstaat zu sein. Das war doch verrückt. Hatte dieser Kuss wirklich so viel verändert? Ich hatte jetzt eine Vorstellung davon, wie es sich anfühlte, seine Lippen auf den meinigen zu spüren, und das machte alles irgendwie realer und somit auch schwieriger. Es war einfach verwirrend. Als ich mir mit ihm einmal das Bett geteilt hatte, war das schon mehr als ungewöhnlich gewesen. Und das Aufwachen am nächsten Morgen war nicht minder denkwürdig gewesen.

 

Jack schlummerte noch friedlich vor sich hin, als ich meine Augen öffnete und mich zu ihm umdrehte. Normalerweise war er derjenige, der als erstes erwachte. Die Sonne war noch nicht weit über den Horizont gekrochen, draußen war es noch dämmerig, aber es hatte aufgehört, zu stürmen und zu regnen. Die Anzeige von Jacks Wecker wies mich blickend darauf hin, dass es erst kurz nach fünf Uhr morgens war. Ich stützte meinen Kopf auf meine Hand und beobachtete ihn dabei, wie er gleichmäßig ein- und ausatmete. Sein Brustkorb hob und senkte sich nur ganz leicht, dennoch schienen sich seine Muskeln anzuspannen. Ich hatte gewusst, dass Jack gut durchtrainiert war, aber damit hatte ich nicht gerechnet. Er lag auf dem Rücken, einen Arm hinter dem Kopf verschränkt, den anderen auf seinem Bauch ruhen.

Ich lächelte in mich hinein, während ich mir jede Kleinigkeit seines Gesichts einprägte, anerkennend der Narbe auf seinem Arm folgte, die von einem Messer zu sein schien, und mich einfach nur glücklich schätzte, dass er eine Nacht mal keinen Alptraum gehabt hatte. Noch immer war es mir ein Rätsel, woher er wusste, dass ich in der Wohnstube gewesen war. So laut hatte ich doch auch nicht herumhantiert. Außerdem hatte der Sturm jedes andere Geräusch verschluckt. Ob er auch nicht hatte schlafen können? Vielleicht war es auch nur Zufall gewesen. Er hatte sicher etwas anderes gesucht oder nur schnell etwas trinken wollen. Wieso hatte er es dann aber nicht mehr getan? Nun, eventuell hatte ihn auch ein Alptraum geplagt.

Er hatte nicht mehr einschlafen können, so dass er etwas hatte fernsehen wollen. Was es auch war, es hatte dazu geführt, dass wir uns mitten in der Nacht begegnet waren und ich neben ihm einschlafen durfte. Der Sturm war auf einmal nicht mehr so schlimm gewesen und ich war mehr denn je froh, dass ich nicht ausgezogen war. Trotzdem konnte es nicht bei jedem Sturm so laufen, wir mussten etwas unternehmen. Da wir ja schlecht das Wetter kontrollieren konnten - was hätte ich in diesem Augenblick nicht alles für einen Kraftstein gegeben - musste etwas am Zimmer geändert werden. Jack würde sicher auch nicht tauschen wollen, er wäre ja schön blöd, doch vielleicht half es ja, das Dach nach außen hin besser zu isolieren. Doch darum würde ich mir später mit ihm Gedanken machen. Jetzt wollte ich seinen friedlichen Anblick einfach nur genießen.

Auch Jack würde bald aufwachen. Er räkelte sich plötzlich, streckte sich kurz stöhnend und drehte sich dann zu mir auf die Seite. Ich ließ meinen Kopf zurück aufs Kissen sinken und fuhr seine Silhouette mit den Augen nach. Seine Augenlider flatterten, er würde sie gleich öffnen, also schloss ich die meinigen. Ich hörte ganz deutlich, wie er sich neben mir bewegte, wie er sich den Schlaf mit der einen Hand aus den Augen wischte, wie er die andere wieder unter seinem Kopf verschränkte. Sein Blick ruhte auf meinem Körper. Er musterte mich, wie ich ihn zuvor angestarrt hatte. Ob er da schon wach gewesen war? Sicher nicht, sonst hätte er doch etwas gesagt. Zumindest nahm ich das doch stark an. Er war nämlich auch jemand, der sehr schnell genervt war.

„Morgen, Daniel.“, begrüßte er mich plötzlich. „Du brauchst gar nicht so zu tun als ob du noch schläfst! Ich weiß, dass du wach bist.“ Er hatte anscheinend doch bemerkt, dass ich wach geworden war. Bei seinem leichten Schlaf auch kein Wunder. Durch die langen Jahre beim Militär und die vielen Special Ops - Einsätze hatte er sich unweigerlich darauf einstellen müssen, dass gerade im Schlaf die meiste Gefahr lauerte und die hatte er früh genug erkennen müssen, um reagieren zu können. Er würde davon sicher nicht wieder loskommen, aber er brauchte diese Fähigkeit ja auch noch, denn auch für unseren Job waren sie unerlässlich. Ich öffnete langsam wieder die Augen. Jack hatte sich unterdessen aufgesetzt und Licht gemacht, welches unangenehm in meinen Augen brannte.

„Morgen“, gab ich gähnend zurück und streckte mich. Ich war eigentlich noch nicht dazu bereit, aufzustehen - mir fehlte mein Kaffee - nichtsdestotrotz erhob ich mich. Wir mussten eh in einer Stunde aufstehen. Erstaunlicherweise war ich wacher als sonst und hatte auch viel besser geschlafen. Kein Wunder bei diesem bequemen, weichen Bett. Wieso Jack überhaupt aufstehen wollte, war mir ein Rätsel. Ich würde den ganzen Tag mit Schlafen zubringen. Ihm jedoch schien das Bett nicht mehr so sehr zuzusagen, denn er dehnte seine verspannten und schmerzenden Muskeln. Vielleicht hatte er sich aber auch nur verlegen. Ich setzte mich ebenfalls auf und beschloss, dass ich ihm etwas schuldig war. Eine Massage würde ihn für seine Unannehmlichkeiten von gestern Nacht sicher entschädigen. Ich bat ihn sich auf den Bauch zu legen und machte mich ans Werk.

 Jack schien es auch sichtlich zu genießen, zumindest seufzte er zufrieden. „Mann, wie habe ich das bloß all die Jahre ohne dich ausgehalten. So etwas hätte dir ruhig auch schon früher einfallen können.“, murmelte er schläfrig vor sich hin. Ja, das hätte es, denn dann hätte ich ihn schon viel öfter berühren können, auch wenn mich das nur noch mehr gequält hätte. Ich hatte das Gefühl, gleich über ihn herfallen zu müssen, und je länger ich ihn massierte, desto stärker wurde das Verlangen nach ihm. Dennoch konnte ich den Kontakt zu ihm nicht abbrechen. Erst er beendete diese scheinbar unschuldigen und freundschaftlichen Berührungen, indem er sich noch einmal streckte und dann aufstand, um duschen zu gehen. Er war darauf bedacht, mir nur den Rücken zuzukehren, ich sollte wohl nicht sehen, was jeden Mann morgens plagte. Auch mich, wie ich feststellen musste, auch wenn das auch genauso gut durch die Berührungen hätte passiert sein können. Jedoch nur bei mir, dessen war ich mir leider sicher. 

 

Ich erreichte General Hammonds Büro und wie selbstverständlich klopfte ich. Im selben Augenblick fragte ich mich, was ich hier überhaupt tat. Das konnte doch unmöglich das sein, was ich wollte. Dieses Team war meine Familie und ich fühlte mich nur mit ihnen als ein Teil von etwas Großem, Wichtigem. Wie konnte ich das nur aufgeben? Nie hatte ich mich irgendwo wohl und sicher gefühlt - nicht mehr seit meine Eltern gestorben waren - bis ich in dieses Team gekommen war. Das Stargate hatte mir zwar Shau’ri genommen, doch ich hatte eine Familie gewonnen. Ich hatte Jack bekommen. Diesmal war es allein meine Schuld gewesen, dass ich ihn wieder verloren hatte.

„Herein!“, hörte ich Hammonds Stimme laut rufen. Nein, das konnte ich uns nicht antun. So feige durfte ich nicht sein. Ich musste doch wenigstens versuchen, mit der neuen Situation klarzukommen. Ich war erwachsen, verdammt. Außerdem war ich uns das schuldig. Schnell machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ den Einflussbereich des Generals, bevor dieser mich noch entdeckte. Ich konnte ihm schließlich unmöglich erklären, warum ich ihn wegen nichts bei seiner Arbeit störte, obwohl ich eigentlich hätte zu Hause sein sollen. Bei dem Gedanken wurde mir schlagartig klar, dass ich ja gar kein Heim mehr hatte. Ich war obdachlos. Vielleicht sollte ich den angebrochenen Tag erst einmal damit zubringen, nach einer neuen Wohnung für mich Ausschau zu halten und über alles andere später nachgrübeln. In RUHE! NICHTS übereilen!

 

 

Ich sah Daniel hinterher, wie er um die nächste Ecke ging - fast rannte. Er war eindeutig vor mir geflüchtet. War ich wirklich so ein Ekel gewesen, hatte ich ernsthaft eine solche Dummheit begangen, dass er mich jetzt hasste? Vielleicht konnte er mir aber auch nur nicht erklären, warum er ausgezogen war. Eventuell ging es ja wirklich nur darum, dass er seine eigenen vier Wände brauchte. Aber das hätte er mir doch sagen können. Ich hätte ihn schon verstanden und ziehen lassen. Ach was, ich machte mir damit nur selbst etwas vor. Ich hätte ihn doch niemals ziehen lassen, wenn ich es gewusst hätte, wenn ich da gewesen wäre. Ich hätte zwar so getan, als würde ich ihn verstehen, doch irgendwie hätte ich ihn schon von dem Vorhaben abgebracht. Ich hatte es schließlich schon einmal geschafft. Vielleicht klappte es ja auch noch ein zweites Mal, ich musste nur dafür sorgen, dass er zu mir nach Hause kam. Immer hatte ich mir eingeredet, dass es reichen würde, ihn bei mir zu wissen, ihn in meiner Nähe zu haben, doch erst nach seinem Auszug war mir wirklich klar geworden, dass ich mich damit nur selbst belogen hatte. Ich wollte mehr - ich wollte ihn ganz!

„Colonel!“, riss Doktor Fraiser mich unsanft aus den Gedanken. Ich wandte mich von dem Gang los, in welchem Daniel schon lange nicht mehr zu sehen war und sah ihr ins Gesicht. Ich konnte darin lesen, was ihr gerade durch den Kopf ging. Sie hielt mich für ein armes Schwein und hoffte inständig, dass sich das alles ganz schnell wieder einrenken würde. Mir ging es da nicht anders. Ich war wirklich der ärmste Trottel der Welt, da ich gerade den Mann verlor, den ich… liebte. Oh Mann, ich musste mich erst einmal an diese Geschichte gewöhnen. Es war alles so neu für mich. Was würde das denn erst für ein Schock sein, wenn ich es Daniel beichtete?

Ich wollte gar nicht darüber nachdenken. Das bereitete mir Kopfschmerzen. Ich zwang mich zu einem Grinsen und nahm auf dem Bett, auf welchen Daniel eben noch gesessen hatte, Platz. Unwillkürlich strich ich mit der Hand über den Stoff, als wäre er heilig. Ich war krank und total vernarrt in diesen Mann. Ich musste es ihm einfach sagen, ich hatte schon viel zu lange damit gewartet. Janet begann mit dem Üblichen, Fieber messen, Vitalwerte prüfen, Blutabnahme und anderem überflüssigen Kleinkram. Ich fühlte mich nicht mehr krank. Ich hatte drei Tage gehabt, mich zu erholen und ich war mehr als entspannt. OK, angespannt traf es wohl eher - nervös, zugegeben - aber nicht krank. Nicht im physischen Sinne zumindest.

„Kann ich jetzt gehen?“, fragte ich, als Janet endlich mit der Untersuchung fertig war. Ich wollte nur noch nach Hause und in Ruhe über alles nachgrübeln. Außerdem konnte ich Sam dort auch nicht den ganzen Tag alleine lassen, auch wenn ich mir sicher sein konnte, dass sie die Handwerker im Griff hatte.

„Nur noch ein paar abschließende Fragen“, wandte Doktor Fraiser ein. „War Ihnen irgendwann in den letzten Tagen wieder schwindlig?“

„Vorgestern, aber dann habe ich etwas gegessen und mir ging es wieder gut.“, antwortete ich flapsig. Ich wusste doch, worauf sie hinaus wollte. Genau auf das Thema, über das ich nicht reden wollte: Daniel. Sie würde über Gefühle und all den Kram reden wollen und das könnte ich heute einfach nicht mehr ertragen. Es hatte schon gereicht, dass sie mich so damit überfallen hatte, dass er ebenfalls hier gewesen war, dass sie uns beide aneinanderprallen ließ. Ich wusste, sie hatte es nur gut gemeint, aber ich wäre wirklich gerne vorher gewarnt worden. Dann hätte ich mehr herausgebracht, als einen verzweifelten Versuch, ihn zum Reden zu zwingen. Und ich hatte verzweifelt geklungen.

„Und sonst? Wie geht es Ihnen?“, hakte sie nach. Genau das, was ich vermutet hatte. Sie wollte mit mir über mich und meine Empfindungen sprechen. Wie sollte es mir schon gehen? Ich war wütend. Auf Daniel. Auf mich. Auf die Tatsache, dass ich nicht mehr wusste, was ich so Verwerfliches getan hatte, dass er aus meinem Leben getreten war. Ich war einfach mit der Gesamtsituation unzufrieden.

„Haben Sie das auch Daniel gefragt?“, wich ich aus.

Sie erwiderte: „Ich kam nicht mehr dazu. Aber er hat sich nach Ihnen erkundigt.“ Hatte er das? Natürlich hatte er. Wir waren immer noch Freunde, wieso sollte er nicht. Es war ja nicht so, dass ich ihm schon gesagt hatte, was ich für ihn empfand, oder? Indirekt vielleicht, aber er hatte das sicher nie so aufgefasst. So weit würde Daniel nie gehen. Er kannte mich. Na ja, vielleicht doch nicht so gut, wie wir beide angenommen hatten. Ich verstand mich ja auf eine Art selbst nicht und das war beängstigend. Sehr irritierend.

 „Er wollte wissen wie es Ihnen geht und er schien nicht sehr glücklich mit der momentanen Situation. Anscheinend macht es ihm genauso zu schaffen wie Ihnen.“

„Und wieso ist er dann gegangen?“, fragte ich mürrisch. Ich konnte ihn in diesem Punkt einfach nicht verstehen.

„Das müssen Sie ihn schon selbst fragen, ich bin schließlich keine Hellseherin.“, antwortete Janet sarkastisch. Der gereizte Unterton in ihrer Stimme ließ verlauten, dass sie mich sicher gleich hinauswerfen würde. Sollte mir nur Recht sein. Ich hatte noch Einiges zu erledigen bis Freitag. In der hoffnungsvollen Erwartung, dass Sam ihn zu mir schleifen könnte. Sie war immer gut darin gewesen, uns zu manipulieren, aber Daniel war ein harter Brocken. Ich betete, dass sie keine Gewalt anwenden musste und er vernünftig genug sein würde, um nachzugeben. Es musste einiges klargestellt werden und das, bevor wir wieder zu arbeiten anfingen. Janet warf mich schließlich auch von der Krankenstation, nachdem ich ihr versichert hatte, dass ich es ruhig angehen lassen würde.

Ich sah auf die Uhr. Es waren nicht einmal ganz zwei Minuten seit meinem letzten prüfenden Blick vergangen. Ungeduldig lief ich im Wohnzimmer auf und ab. Ich war ein nervliches Wrack, Janet machte es mit ihren komischen Ratschlägen zur Entspannung auch nicht besser. Als ob ich jetzt noch die Zeit gehabt hätte, Yogaübungen einzustudieren! Zuerst war es einfach nur Nervosität, doch je unbarmherziger der Zeiger der Uhr vorwärts rückte, desto mehr verzweifelte ich. Sam war jetzt bereits eine Viertelstunde überfällig - sie war sonst immer pünktlich. Daniel ließ sich somit auch nicht blicken. Ich musste dringend mit ihm reden, ich musste endlich loswerden, was ich für ihn empfand, auch wenn ich damit Gefahr lief, ihn ganz zu verlieren. Aber würden wir damit klarkommen?

Vielleicht würde es mir auch schon reichen, wenn er wieder bei mir war. Nein, ich wollte alles, ich wollte ihn! Es klingelte an der Tür. Fast zeitgleich setzte mein Herz für einige Sekunden aus, meine Hände begannen zu schwitzen und ich wurde noch hippliger als sowieso schon. So kannte ich mich gar nicht. Ich fühlte mich wie ein liebeskranker Teenager auf Droge, dabei hatte ich mich damals schon nicht so benommen. Ich war immer cool gewesen und viel zu erwachsen. Im ersten Moment wagte ich es ja nicht einmal, zur Tür zu gehen, um diese zu öffnen. Ich hatte so lange gewartet, dass ich mich jetzt schon fast fürchtete, ihm gegenüber zu treten. Ich war ein Feigling. Ich musste es durchziehen, eine andere Möglichkeit gab es nicht.

Alles andere würde mich irgendwann wahnsinnig machen. Doch, was, wenn er mich nicht wollte? Darüber hatte ich bis jetzt nicht nachdenken wollen. Leider war es jetzt dafür zu spät. Einer von uns müsste dann gehen. He, ich könnte immer noch den Posten auf dem Alphastützpunkt annehmen, den Hammond mir angeboten hatte. Wir würden uns dann sicher nicht mehr allzu oft über den Weg laufen. Nicht einmal, ihm zufällig zu sehen, könnte ich verkraften. Vielleicht hatte Daniel ja auch die richtige Entscheidung für uns getroffen. Eventuell war so ein Auszug für uns wirklich das Beste. Ich würde mich spontan entscheiden, sobald ich ihn sah, auch wenn mir diese spontanen Ideen meist nicht gefielen. Zögernd betätigte ich den Drücker und öffnete die Tür.

Mein Blick traf fast sofort Daniels. Sam schlich sich gekonnt an mir vorbei ins Haus. Sie trug irgendetwas, doch ich achtete kaum auf sie. Ich nahm sie nur aus dem Augenwinkel heraus war. Der größte Teil meiner Aufmerksamkeit galt Daniel. Sie murmelte etwas von Küche oder Janet und war kurz darauf auch schon verschwunden. Eine ganze Weile starrten wir uns einfach nur an, keiner von uns wagte es, sich zu bewegen oder auch nur zu zwinkern. Ich wusste ja nicht einmal mehr, ob ich überhaupt noch atmete. Er sah gut aus - verdammt gut. Eine enge Jeans, ein T-Shirt und ein Sweater - eigentlich nichts besonderes, doch an ihm sah es einfach umwerfend aus. In diesem Augenblick entschied ich mich, es ihm auf jeden Fall zu sagen.

Ich konnte nicht länger mit diesem Mann zusammenarbeiten, solange er nicht wusste, wie ich empfand. Ich würde es sogar in Kauf nehmen, einen langweiligen Schreibtischjob annehmen zu müssen, wenn ich uns damit Unannehmlichkeiten ersparen konnte. Noch schlimmer als ihn niemals mehr wieder sehen zu können, war es wohl, ihn jeden Tag vor den Augen zu haben und sich nach ihm zu verzehren. Es hatte mich zerfressen, ihn nicht berühren zu können, wie ich es geträumt hatte, ihm nicht sagen zu können, wie sehr ich ihn doch liebte. Er faszinierte mich auf eine Art und Weise, die ich lange Zeit selbst nicht verstanden hatte. Er war der ständige Begleiter meiner schlaflosen Nächste gewesen.

„Jack.“, brach er schließlich das Schweigen. „Bittest du mich heute noch hinein?“ Ich trat schweigend zur Seite, wusste, wenn ich jetzt den Mund aufmachte, würde ich ihn mit all dem überfallen, was schon so lange in meinem Kopf herumspukte und mich die letzten Tagen nicht hatte zur Ruhe kommen lassen. Hinter ihm schloss ich die Tür und ich hoffte, dass er nicht wieder gehen würde. Er war mein Leben und ich wollte ihn nie wieder missen. Er wollte Sam in die Küche folgen, doch ich hielt ihn am Arm zurück. Ich atmete tief durch. Jetzt oder nie!

„Warte Daniel! Wir sollten reden“, meinte ich so ruhig, wie es mir in meinem momentanen Gefühlszustand möglich war. „Setz dich bitte.“

„Ich steh lieber“, gab Daniel schnell zurück. Ich akzeptierte das, aber mir blieb ja auch nichts anderes übrig. Ihm jetzt nach alter Colonel-Manier zu kommen, wäre wohl nicht die beste aller Strategien gewesen. Er würde sich dann nur vor mir versperren und das war das letzte, was ich wollte. Wieder herrschte erdrückendes Schweigen zwischen uns. Mir war schon klar, dass er nur darauf wartete, dass ich etwas sagte, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich anfangen sollte. Es gab so viel zu bereden und doch könnte ich alles auch in drei Worte fassen. Ein Satz, der ihn wahrscheinlich mehr abschrecken würde, als alles andere.

 „Also?“, hakte er ungeduldig nach, als ich ihn einfach nur ansah. Auch er schien sich in der augenblicklichen Situation unwohl zu fühlen. War ja auch mehr als verständlich.

„Ich wollte dir sagen, dass ich… ich… Ich bin nicht gut in so etwas“, begann ich stotternd meine Erklärung, doch ich fand einfach nicht die richtigen Worte, es ihm schonend beizubringen. Wenn er eine Frau gewesen wäre, dann wäre das etwas anderes gewesen, doch die Tatsache, dass er ein Mann war, machte alles irgendwie komplizierter.

„Ich weiß!“, gab er sanft zurück. Ein leichtes Lächeln lag sogar auf seinen Lippen. Er sah zum Anbeißen aus. Die blauen Augen schienen mehr denn je zu leuchten. Ich würde nie herausbringen, was ich ihm zu sagen hatte. Er lenkte mich allein durch seine bloße Anwesenheit ab. Aber vielleicht war das auch nicht nötig. Er fuhr fort: „Es gibt auch einiges, dass ich dir sagen möchte. Ich will, dass du verstehst, warum ich gegangen bin. Ich möchte aber auch, dass du begreifst, dass ich unmöglich wieder hier einziehen kann. Ich…“

„Ach was soll’s!“, murmelte ich still in mich hinein und unterbrach ihn mitten im Satz, indem ich ihn einfach küsste. Das war wohl die beste Art, ihm zu zeigen, wie es in mir aussah. Entweder es überfiel ihn genauso wie die berühmten drei Worte oder es warf ihn noch mehr aus der Bahn. Jedenfalls war es nicht misszuverstehen. Es fühlte sich irgendwie merkwürdig an - auf eine sehr angenehme Art und Weise. Nicht nur, weil er meinen Kuss nicht erwiderte, was ich durchaus verstand, hatte ich ihn doch damit überfallen, sondern weil alles so fremd und unvertraut war. Es war einfach anders, einen Mann zu küssen. Dennoch berauschte es mich fast noch mehr, seine Lippen auf den meinigen zu spüren, als die einer Frau. Ich löste mich wieder von ihm und trat einen Schritt zurück.

Seine Augen waren weit aufgerissen, sein Mund leicht geöffnet, als wären ihm die Worte im Hals stecken geblieben, und er wirkte schockiert und vollkommen überrumpelt. Vielleicht war ich mit dem Kuss ja zu weit gegangen, eventuell hätte ich es doch zuerst mit Worten versuchen sollen, aber ich hatte ihn wenigstens einmal so spüren wollen. Der Drang, seine weichen, warmen Lippen zu liebkosen, hatte mich einfach übermannt. Außerdem hatte ich nicht gewollt, dass er noch weiter sprach. Ich wollte nicht verstehen, warum er gegangen war, denn ich hatte ihn viel lieber wieder bei mir. Egoistisch, aber so war ich halt. Jetzt brachte er keinen Ton mehr heraus, dabei hoffte ich doch, dass er mir sagen würde, was er davon hielt, wie es für ihn war. Das war das erste Mal, dass ich ihn wirklich sprachlos erlebte.

„Sag bitte was, Daniel“, bat ich ihn, doch er setzte sich nur. Diesen Schock musste er erst einmal verarbeiten. Vielleicht sollte ich mein Verhalten ihm gegenüber erst einmal erklären, dann würde er hoffentlich wieder zu sich finden. „Ich weiß, dass das nicht gerade das war, was ich normalerweise tue und… dass ich dich damit überfahren habe. Ich werde es nie wieder tun, wenn du es nicht willst, das schwöre ich dir. Ich… ich erwarte nicht, dass du genauso fühlst wie ich, aber ich kann daran nun einmal nichts ändern. Als du plötzlich weg warst, da wurde mir klar, dass ich dich vermisste, dass ich dich ewig in meinem Leben haben will, dass ich dich… Ich liebe dich, Daniel. Ich will mit dir zusammen sein.“ Diese Worte sprudelten einfach aus mir heraus.

Ich hatte nie für möglich gehalten, dass es so einfach sein würde, ihm das alles zu sagen, aber jetzt war es raus. Daraufhin musste Daniel sich erst einmal setzen. Auch ich nahm auf der Couch Platz. „Solltest du jetzt sagen, dass diese… Zuneigung nicht auf Gegenseitigkeit beruht, werde ich… Ich akzeptiere das. Ich werde dann einfach den Job auf der Alphabasis annehmen und… dann musst du nicht das Gefühl haben, dass ich…“ Weiter kam ich nicht, denn plötzlich trafen Daniels heiße Lippen meinen Mund und schnitten mir jedes weitere Wort ab. Jetzt war ich es, der zu überwältig von dieser Geste war, um sofort darauf reagieren zu können. Er hatte mich damit schockiert, angenehm schockiert. Kurz, bevor er sich hätte von mir lösen können, fasste ich instinktiv an seinen Nacken und zog ihn näher an mich heran, um diese Liebkosung meiner Lippen zu verwidern, ihm zu zeigen, dass ich es wirklich ernst gemeint hatte und die Bestätigung einzuholen, dass er es ebenso gemeint hatte.

Auch wenn der Kuss nicht allzu lange andauerte, war das wohl das berauschenste und erfüllenste Gefühl meines Lebens gewesen. So war ich noch nie geküsst worden. Es lag soviel Leidenschaft und Liebe in dieser Geste, dass es mich einfach überwältigte. Ich hatte nie zu träumen gewagt, dass solch ein Gefühl überhaupt existieren könnte. Ich hoffte nur inständig, dass das, was zwischen uns war, für immer sein würde. Wir sahen uns danach einfach nur an. Keiner von uns wollte diesen vollkommenen Augenblick zerstören. Wir wollten dieses Gefühl so lange genießen, wie es uns möglich war. Schließlich war Daniel es, der als Erstes den Blick senkte und unsicher auf seine Hände sah, die in seinem Schoss lagen. Ich umschloss die sanft mit den meinigen und er blickte wieder auf.

„Ich habe alles eben gesagte ernst gemeint“, versicherte ich ihm. „Wenn du Zweifel hast, dann sag es mir.“ Er schüttelte entschieden den Kopf.

 „Ich zweifle nicht, aber für mich steht auch nicht annähernd soviel auf dem Spiel wie für dich“, entgegnete er ernst. „Das war einer der Gründe, warum ich überhaupt gegangen bin. Ich wollte dir nicht schaden. Ich weiß doch, wie sehr du deinen Job liebst. Außerdem hatte ich nicht geglaubt, dass es dir genauso gehen würde wie mir. Der Kuss, ich nahm an…“

Ich unterbrach ihn sanft: „Ich weiß, der kam eben ziemlich plötzlich, aber…“

„Den meinte ich gar nicht“, jetzt war es Daniel, der mir das Wort abschnitt. „Ich rede von dem, den du mir gabst, nachdem ich dich unter die Dusche gesteckt hatte und du mir ein Veilchen verpasst hast. Damals sagtest du auch, dass du mich lieben würdest, doch ich hatte angenommen, dass das vom Fieber gekommen war. Wenn ich geahnt hätte, dass du es ernst gemeint hattest, dann wäre ich niemals gegangen.“

„Dann haben wir dieses Theater nur, weil du einmal zuviel nachgedacht hast?“, folgerte ich und brach gleich darauf in schallendes Gelächter aus, was Daniel sofort ansteckte. Es war auch urkomisch, wenn man es mit Abstand betrachtete. „Die anderen werden sich freuen, zu hören, dass sie sich nicht umsonst die Finger schmutzig gemacht haben. Es ist einfach nicht zu glauben, dass du etwas anderes hineininterpretiert hast, als es zu bedeuten hatte. OK, wenn ich dich auf die Wange geküsst habe, dann wäre das zu verstehen, aber… Wie habe ich dich eigentlich geküsst?“ Er sagte es mir nicht, er zeigte es mir. Wahrscheinlich wollte er einfach nur, dass ich die Klappe hielt und es funktionierte einwandfrei. Als ich seine Zunge plötzlich in meinem Mund fühlte, wurde mir klar, dass es eigentlich keine andere Interpretation dafür gegeben hätte, doch er hatte tatsächlich eine gefunden, die uns beide beinahe unglücklich gemacht hätte. Und ich hatte wirklich angenommen, dass ich ihn beleidigt oder gar gedrängt hatte, auszuziehen.

„Was meintest du damit, dass die anderen sich umsonst die Finger schmutzig gemacht haben?“, fragte er mich misstrauisch, nachdem er sich wieder von mir gelöst hatte. Ich grinste nur und zog ihn auf die Beine. Ich wollte ihm das Werk zeigen, es ihm nicht nur sagen. Ich wusste, wie sehr er Überraschungen hasste, also quälte ich ihn mit der Ungewissheit des Kommenden. Ich hoffte, dass er begeistert sein würde. Entweder das oder er war entsetzt. Zur Not hatten wir all das umsonst gemacht. Nur widerwillig folgte er mir die Treppe nach oben, aber nicht, ohne immer wieder zu fragen, was ich ihm eigentlich zeigen wollte. Wenn ich alles vorher verraten würde, wäre es ja keine Überraschung mehr, erklärte ich ihm geduldig. Er schnaubte nur unwillig. Samantha und Janet folgten uns, als sie uns an der Küche vorbeilaufen sahen.

 

Als wir oben ankamen hielt ich ihm plötzlich die Augen zu und meinte: „Wehe du schummelst.“ Ich wollte, dass es eine wirkliche Überraschung wurde. Natürlich protestierte er dagegen lautstark, wehrte sich jedoch nicht wirklich. Er ahnte wohl schon, dass er sich mir diesmal nicht widersetzen konnte. Außerdem schien er mir das hier nicht verderben zu wollen. Er ließ sich willig von mir führen. Sam huschte an mir vorbei und holte den Umschlag hervor, den ich ihr überlassen hatte. Ich hoffte wirklich, Daniel gefiel mein Geschenk. Ich nahm meine Hände von seinen Augen und er starrte auf den braunen Umschlag in Carters Händen. Ich konnte den Ausdruck in seinem Gesicht nicht sehen, da ich hinter ihm stand, erst als er sich schließlich zu mir herumdrehte. Sein Gesicht verriet gar nichts.

„Du schenkst mir einen Umschlag?“, fragte Daniel verwundert, irgendwie enttäuscht, aber er versucht sehr, es sich nicht anmerken zu lassen. Er hatte wohl mit etwas anderem gerechnet, aber ich war ja auch noch nicht fertig. Das war doch erst der Anfang. Etwas begeisterter hätte er ja trotzdem klingen können.

„Mach ihn schon auf, du Spinner!“, erwiderte ich und zerzauste seine Frisur, falls man das so nennen konnte. Er schlug murrend meine Hand weg und ließ sich von Sam den Umschlag übergeben, welchen er dann aufriss und einen ganzen Stapel Papiere herausholte. Er blieb bereits am Deckblatt hängen. Es war eine notariell beglaubigte Urkunde, die ihm die Hälfte dieses Hauses übertrug. Sein Blick wanderte von dem Schriftstück zu mir und plötzlich zauberte sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht. Ehe ich mich versah, fiel er mir um den Hals und dankte mir tausendfach.

Kaum hörbar flüsterte er mir ins Ohr: „Ich liebe dich, Jack O’Neill!“ Das war alles, was ich je hatte hören wollen.

„Du musst nur noch unterschreiben“, wies ich ihn darauf hin und löste mich wieder von ihm. Er nickte eifrig. „Aber vorher solltest du dir lieber noch den Rest ansehen.“, fügte ich beiläufig hinzu.

„Den Rest?“, hakte er ungläubig nach. Wie aufs Stichwort öffneten Sam und Janet jeweils eine andere Tür. Ein Bad und ein Arbeitszimmer, das man gut und gerne mit einer noch leeren Bibliothek hätte verwechselt werden können, kamen zum Vorschein. Fassungslos starrte er mit offenem Mund von einem Raum zum anderen. Ich hatte ihm nicht nur einen Teil meines Hauses geschenkt, sondern daraus auch gleich noch eine Wohnung gemacht.

„Du hast sogar einen eigenen Eingang, falls du mich mal nicht ertragen kannst oder dich heimlich aus dem Staub machen willst. Er ist gleich da, wo mal das Fenster in deinem Schlafzimmer gewesen ist. Ich komm jetzt auch viel besser bis aufs Dach.“, bemerkte ich beiläufig sowie: „Sam, Teal’c und die anderen haben sich wirklich große Mühe gegeben, findest du nicht auch?“ Wieder konnte er bloß bekräftigend nicken.

„Was denn, bekommen wir keine Umarmung?“, bemerkte Sam schmollend und stemmte die Hände in die Hüften. Kurz darauf fand sie sich in Daniels Armen wieder. Janet zog er gleich mit an sich. Als Sam sich endlich von ihm befreit und wieder zu Atem gekommen war, fügte sie hinzu: „Dann habe ich mein Heim ja endlich wieder für mich allein.“

Zögernd entgegnete Daniel mit unschuldiger Miene und bettelndem Blick: „Eigentlich würde ich gerne noch heute Nacht bei dir bleiben, wenn es dir nichts ausmacht.“ Ich sah ihn verwundert an. Das konnte doch unmöglich sein ernst sein? Er machte Witze. „Was?“, platzte es aus mir heraus. Ich klang irritierter als beabsichtigt. Ich wollte doch mit ihm zusammen sein, heute Nacht schon. Ich wollte, dass er wieder neben mir einschlief und ich wollte morgens neben ihm aufwachen und ihm beim Schlafen beobachten. Ich wollte seinen warmen Körper ganz nah an dem meinigen spüren, seinen Atem auf meiner Haut wandern lassen und seine Hände mit meinen Fingern umschließen. Ich wollte ihn nie wieder gehen lassen, jetzt, wo ich ihn wieder hatte.

„Das sollten wir lieber unter vier Augen klären.“, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen. Er wollte uns nicht in eine Situation bringen, die Folgen für uns haben könnte. Sam und Janet hätten sicherlich nichts verraten, doch es war wohl besser, wenn sie nicht allzu viel wussten. Es waren kluge Frauen - sie rochen, was hier los war, sagten aber nichts. Bessere Freunde konnte man nun wirklich nicht haben. Es läutete an der Tür. Das mussten die anderen sein: Teal’c, Hammond, Jakob und Cassandra.

„Unser Stichwort!“, meinte Janet und zog Sam mit sich die Treppe hinunter. Sie rief uns noch zu: „Bleibt nicht ewig oben, Jungs. Ihr seit die Gastgeber.“ Ich blickte Daniel abwartend an.

„Also?“, fragte ich schließlich. Einen Moment sah er mich noch mit seinem unschuldigen Jungengesicht an, dann meinte er: „Ich finde einfach, wir sollten es langsam angehen. Es überschlägt sich alles irgendwie und ich muss mich erst einmal daran gewöhnen, dich jetzt ganz für mich zu haben.“ Ich konnte ihn ja verstehen, auch ich war noch nicht bereit, aufs Ganze zu gehen, aber gleich getrennte Wohnungen? Reichten getrennte Betten denn nicht aus?

„He, ich habe dir gerade eine Wohnung geschenkt, du könntest sie wenigstens einen Abend benutzen“, gab ich sarkastisch zurück und zog ihn an mich. Ich wollte das genießen - ihn bei mir spüren, solange es heute noch möglich war. Unsere Blicke versanken ineinander. Ich ahnte, dass er seine Meinung nicht ändern würde, aber so schnell wollte ich wirklich nicht aufgeben.

„Morgen, Jack, morgen!“, vertröstete er mich und küsste mich leicht auf den Mund. Kleine Stromschläge durchzuckten meinen Körper, dort, wo er mich berührte. Ich vertiefte diese Geste und ließ ihn all meine Liebe zu ihm spüren. Er entgegnete dies mit der gleichen Intensität und Leidenschaft. Ich wollte, dass das nie endete, doch von unten drangen Stimmen hinauf. Janet hatte Recht, wir mussten uns langsam aber sicher um unsere Gäste kümmern. Ich löste mich, wenn auch nur widerwillig, von ihm und streichelte verliebt seine Wange.

„Der erste Kuss in deiner neuen Wohnung.“, bemerkte ich sanft. Daniel schüttelte entschieden den Kopf. Er zog mich mit sich ins Arbeitszimmer, packte die Urkunde auf den Tisch und unterschrieb sie, dann landeten seine Lippen wieder auf den meinigen.

In den Kuss hinein murmelte er: „Jetzt ist es unser Heim.“ Wie gut das in meinen Ohren klang. Unser Zuhause, seines und meines. Besser könnte es gar nicht sein. Ich kuschelte mich noch einen Augenblick an ihn, vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Das war alles so bekannt, so perfekt, als wären wir von Anfang an für einander geschaffen gewesen und hatten es nur nicht gemerkt. Er vervollständigte mich und das war ein berauschendes Gefühl. Umso schwerer fiel es mir, ihn loszulassen, um nach unten zu gehen.

„Wir sollten uns jetzt um unsere Gäste kümmern.“, sagte ich entschieden und ließ ganz von ihm ab. Ich war bereits an der Treppe, als ich merkte, dass er mir nicht folgte. Er stand immer noch in der Tür zu seinem neuen Arbeitszimmer und sah mich an. „Kommst du, Daniel?“ Er überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. Er war überwältigt und versuchte wohl gerade, sich daran zu gewöhnen, dass unsere Freundschaft jetzt etwas anders aussah, das eine hoffentlich funktionierende Beziehung daraus werden würde.

„Geh schon vor, Jack.“, meinte er abwesend. „Ich brauche noch einen Augenblick.“

„Tu, was dich glücklich macht.“, erwiderte ich liebevoll und erntete dafür einen zärtlichen Kuss von mir. „Oder mich!“, fügte ich murmelnd hinzu, während ich liebestrunken die Treppe hinunterging. Es war das Richtige - er und ich, das würde für immer sein...

ENDE

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