A Place Nearby by ZoeP
Summary: O’Neill kommt von einer geheimen Mission außerhalb des SGC Kommandos zurück und ist schwer verletzt. Auf seine Bitte hin darf Carter ihn regelmäßig besuchen und es scheint ihm nach und nach besser zu gehen. Doch dann kommt alles anders.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara, Samantha Carter (SG-1)
Genre: Angst, Drama, Romance, Songfic
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 5 Completed: Ja Word count: 30316 Read: 28794 Published: 19.10.11 Updated: 19.10.11
Story Notes:
Pairing: Sam/Jack
Staffel: in Staffel 3, spielt noch vor "O’Neill und Laira"/"A hundred days"
Disclaimer: Die Charaktere von Stargate gehören… okay, Sam und Jack gehören zusammen! Mir gehört jedenfalls nur die Story, alle Personen, Planeten und Techniken gehören MGM und den restlichen Drehbuchautoren, Machern etc.

1. Teil 1 by ZoeP

2. Teil 2 by ZoeP

3. Teil 3 by ZoeP

4. Teil 4 by ZoeP

5. Teil 5 by ZoeP

Teil 1 by ZoeP
Author's Notes:
Anmerkung: Ein Dankeschön an alle, die Stargate ebenso lieben wie ich, und die diese Air Force Regeln ebenso hassen ;-) Ich muss an dieser Stelle mal etwas zu meiner Art des Schreibens sagen: Mein Ziel ist es oft, nur die Fantasie des Lesers anzuregen, ihn zum Nachdenken zu bringen. Oft ist ein Ende offen gelassen, weil sich so jeder selbst denken kann, wie es ausgeht – eben so, wie er es gerne hätte. Diesmal schreibe ich eine komplette Story, damit sich auch meine harten Kritiker zufrieden geben... Feedback ist erwünscht ;) Der Song „A place nearby“ gehört Lene Marlin. Er hat mich zu dieser Story inspiriert, aber keine Sorge, dies ist keine Song-Fanfiction.
A Place Nearby - Teil 1


"Major Carter? Bitte sofort in mein Büro kommen."
Die Stimme hallte knisternd durch das Stargatecenter. Die blonde Frau, die gerade über einigen wüst ausgebreiteten Blättern mit Formeln brütete, hob den Kopf. Seufzend und nur widerwillig ließ sie von ihrer Arbeit ab und machte sich auf den Weg zu General Hammond, der sie soeben zu sich beordert hatte. Weshalb wollte er sie sprechen? Und wieso nur sie? SG1 konnte zur Zeit so oder so keine Mission antreten, da der Colonel noch nicht zurück war – und ob Hammond sie ohne Jack O’Neill losschicken würde? Wohl kaum...
Sam trat vor die Tür von Hammonds Büro und klopfte kurz an. Auf das "Herein!" des Generals trat sie ein.
"Sie wollten mich sprechen, Sir?" Carter sah ihn fragend an.
"Ich will gleich zur Sache kommen, Major. Colonel O’Neill ist vor wenigen Minuten... ähm – zurückgekehrt." Er sah ihr nicht direkt in die Augen und fühlte sich sichtlich unwohl. Sam verstand nicht, weshalb er sich so seltsam verhielt. Sie verlagerte ihr Gewicht auf die andere Seite. Etwas verwirrt fragte sie den General: "Verzeihung Sir, aber... deshalb lassen Sie mich zu sich kommen?"
"Nun, genauer gesagt wurde er eingeliefert." Erst jetzt sah er sie an, und Sam erkannte das Unbehagen in seinen Augen. Eingeliefert? Das klang nicht besonders positiv... "Er ist auf der Krankenstation und Dr. Fraiser hat angeordnet, dass er absolute Ruhe braucht – aber Sie kennen ja Jack."
Sam wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, also räusperte sie sich nur. Ihr Vorgesetzter schien jedoch keine Antwort zu erwarten, denn er äußerte gleich sein Anliegen.
"Er hat nach Ihnen verlangt."
Sam sah mit hochgezogenen Augenbrauen auf. Was sollte sie sagen? Sie beschloss, abzuwarten.
"Bitte verlieren Sie ihren Teamkollegen gegenüber kein Wort darüber. Dr. Fraiser ist der Meinung, solange niemand etwas von seinem… Zustand erfährt, gibt es keine unnötige Unruhe. Und die könne er im Moment absolut nicht gebrauchen. Ich denke jedoch, dass Sie mit der notwendigen Professionalität handeln und nichts tun werden, was den Colonel gefährdet." Der General bedeutete der verdutzten Major Carter, wegzutreten. Anscheinend hatte er momentan einige Probleme mit höherer Priorität zu lösen. Sie entgegnete ihm ein "Ja, Sir." und verließ den Raum. Auf dem Gang musste sie erst einmal tief Luft holen. Es musste dem Colonel wirklich ziemlich schlecht gehen, wenn Janet solch harte Maßnahmen anordnete. Und er hatte nach ihr verlangt? Nach IHR? Kopfschüttelnd machte sich Carter auf den Weg zur Krankenstation. Sorge und Nervosität breitete sich in ihr aus, als sie Janet antraf und diese sie mit einem seltsamen Blick bedachte.
"Was ist los, Janet?", begrüßte Sam ihre Freundin und Kollegin.
"Sam, gut, dass Sie kommen." Die junge Brünette führte sie wieder aus der Krankenstation heraus.
"Wohin gehen wir?", wollte Sam wissen. Als Janet nicht antwortete, hakte sie weiter nach. "Und könnte mir vielleicht mal einer sagen, was mit dem Colonel ist?"
"Nun ja... Sie wissen von der Mission, auf der er sich befand?", erkundigte sie Fraiser.
Sam nickte. "Es war irgendeine geheime Regierungssache, bei der er unbedingt dabei sein wollte. Deshalb hat man ihn vorrübergehend vom Dienst bei SG1 freigestellt. Aber er sollte eigentlich erst in drei Tagen zurückkehren." Die zwei betraten den Fahrstuhl und Janet wählte sie einige Etagen weiter in Richtung Erdoberfläche, auf Ebene 17. Sam war hier nur sehr selten.
"Es ist wohl einiges schiefgelaufen..." Janet seufzte leise. Als sie angehalten hatten und auf den Gang hinaus traten, sprach sie weiter. "Der Colonel wurde mit einer Schusswunde an der linken Schulter, schweren Rippenprellungen und unzähligen blauen Flecken, die jedoch das kleinere Übel darstellten, eingeliefert. Viel mehr Sorgen als das macht mir seine Lungeninfektion. Sie scheint ab und zu schwächer zu werden, doch dann bricht sie plötzlich wieder aus. Jede kleine Aufregung kann der Auslöser für eine Art Anfall sein, bei dem seine Vitalfunktionen unerwartet aussetzen. Deshalb wurde er auch von allen anderen isoliert. Ich möchte nicht riskieren, dass er sich unnötig aufregt – und wir beide wissen, wie schnell das gehen kann – und sich so in Lebensgefahr bringt." Wieder atmete Janet seufzend aus. Sam sah sie geschockt an. Ging es ihm wirklich so schlecht?
Inzwischen schienen sie dort angekommen zu sein, wo Janet hinwollte, denn sie stoppte plötzlich vor einer Stahltür, von denen es hier im Stargatecenter unzählige gab.
"Sam." Sie sah ihr direkt in die Augen. "Ich weiß nicht, was auf seiner Mission vorgefallen ist – aber er scheint sich um irgendetwas sehr große Sorgen zu machen. Das trägt nicht gerade zu seiner Genesung bei. Er braucht etwas Ablenkung."
Sam senkte den Kopf. "Ich vermute, dass Sie nur deshalb zugestimmt haben, dass ich ihn besuchen darf?" Ein winziger Funken der Enttäuschung bahnte sich seinen Weg in ihr Bewusstsein, verschwand jedoch sofort wieder, als Sam sich ins Gedächtnis rief, dass Dr. Fraiser genauso ihre Befehle zu befolgen hatte, wie sie selbst.
"Nein." Janet lächelte. "Er hat seine Medikamente nicht mehr genommen und das Essen verweigert. Also musste ich klein bei geben." Sie hob entschuldigend die Schultern. Dann legte sie ihre Hand auf die Klinke und öffnete vorsichtig die Tür. Nach ihr betrat Sam leise den Raum. Er war nicht sehr groß und sie fühlte sich sofort, wie im Krankenhaus. Es roch nach Desinfektionsmittel und eine Maschine gab in Regelmäßigen Abständen Pieptöne von sich.
"Carter", ertönte eine ihr wohlbekannte Stimme. Sam lächelte.
"Hallo Colonel. Wie geht es Ihnen?"
"Ging mir noch nie besser!", meinte er und wandte sich an Janet. "Sie können mir das Essen jetzt bringen lassen." Er grinste und Janet schüttelte amüsiert den Kopf. Sie schloss leise die Tür hinter sich und ließ Carter mit O’Neill alleine.
"Schön, Sie wiederzuhaben, Sir", begann Carter das Gespräch. Sie setzte sich auf den Hocker vor seinem Bett.
"Jaaa...", meinte O’Neill gedehnt. "Ich dachte schon, ich würde hier oben versauern. Fraiser ist immer noch die Alte, wie ich bemerkt habe."
Sam grinste. Sie sah ihn einfach nur an. Trotz seines üblichen Sarkasmus erkannte sie, wie es ihm wirklich ging. Er wirkte schwach und ausgelaugt. Unter seinen Augen zeigten sich dunkle Ringe und seine Wangen waren matt und blass. Sein Körper schien irgendwie... leblos zu sein.
"Sir, darf ich Sie fragen, was passiert ist?"
"Fragen dürfen Sie gerne. Aber antworten darf ich Ihnen nicht." O’Neill sah sie bedrückt an und fügte hinzu: "Auch, wenn ich es gerne würde." Plötzlich begann der Colonel zu husten. Es war ein kehliges, tiefes Röcheln und Carter sprang erschrocken auf. Sie wusste nicht, was sie tun sollte und stand einfach nur da. Gerade, als sie Janet holen wollte, beruhigte sich O’Neill wieder.
"Sir..." Carter sah ihn fragend an. Er winkte ab. "Passiert mir öfter. Ich hab’ irgendwelche Bakterien in der Lunge. Infektion eben." Er wollte gleichgültig mit den Schultern zucken, doch seine Schussverletzung machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Mit einem schmerzverzerrten Gesicht unterließ er den Versuch und wechselte das Thema.
"Ist irgendetwas vorgefallen, während ich weg war?"
"Nein, Sir." Carter schmunzelte. Er konnte es einfach nicht leiden, wenn er schwach war – und vor allem nicht, wenn andere es auch noch bemerkten oder es wagten, ihn zu bemitleiden. "Wir waren alle vom Dienst befreit."
"Also habe ich nichts verpasst?" Er sah fast enttäuscht aus. "Ich dachte, Sie hätten ein paar Storys auf Lager, um mich zu unterhalten. Nicht vielleicht das eine oder andere Mutterschiff in die Luft gejagt?"
Sam lachte. "Tut mir Leid, nein. Und ich denke nicht, dass Sie mit mir über die imaginäre Hologrammphysik reden wollen, mit der ich mich in der Zwischenzeit beschäftigt habe?"
"Wieso nicht?"
Als sie ihn daraufhin leicht erstaunt ansah, fügte er schnell hinzu: "Vielleicht nicht jetzt gleich..."
"Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen?", erkundigte sich Carter. Irgendwie fühlte sie ein gewisses Unbehagen in sich aufsteigen.
"Höre ich da ein unterschwelliges ‚Kann ich wieder gehen?’ heraus, Major?" O’Neill zog seine Augenbrauen hoch.
"Nicht direkt", druckste Sam herum. "Aber ich habe da ein paar wichtige Blätter mit Formeln auf meinem Schreibtisch, und..." Doch weiter kam sie nicht, denn Jack nickte nur.
"Schon gut. Ich weiß, dass Sie die anderen nicht von mir Grüßen dürfen, also lasse ich das." Er schien kurz zu überlegen. "Es wäre schön, wenn Sie ab und zu mal vorbeikommen könnten, nur, damit ich weiß dass es da draußen noch anderes Leben außer mir gibt."
Sam lächelte verlegen. Dann stand sie auf und nickte ihm noch einmal zu. "Ich werde sehen, was sich machen lässt. Ach und...", fügte sie hinzu, während sie die Tür öffnete. "Danke, dass Sie mir – wenn auch auf eine recht seltsame Art – mitteilen lassen haben, dass Sie wieder hier sind."
"Habe ich das?" Er grinste.
Als sie das Zimmer verließ, stieß Sam beinahe mit Janet zusammen, die ein Tablett vor sich hertrug. Nachdem Sam aus ihrem Blickfeld verschwunden war, trat sie ein und schubste mit dem Fuß die Tür ran. Mit einem ermunternden Lächeln stellte das Essen neben O’Neill ab und schob ihm den Drehtisch vor die Nase.
"Wissen Sie was?", meinte er mit zusammengezogener Stirn. "Ich habe plötzlich doch keinen Hunger mehr."
Ohne Janets verblüfftes Gesicht abzuwarten zog er die Decke weiter hoch, verschränkte die Arme und drehte sich von ihr weg. Dr. Fraiser ahnte, weshalb ihr Patient sich so seltsam benahm, doch leider stand es nicht in ihrer Macht, irgend etwas dagegen zu tun.


***


"Ähm... Ich komme wohl lieber später wieder."
Daniels leise gemurmelte Worte holten sie aus einem flachen Schlaf. Verdammt, sie musste eingenickt sein. Sam hob benommen den Kopf und sah gerade noch Daniels Rücken.
"Nein, das..." Sie blinzelte ein paar Mal und ließ ihren Satz unvollendet, da der Archäologe sie sowieso nicht mehr hörte. Sam betrachtete die Papiere, auf denen sie gelegen hatte. Wahrscheinlich hatte der Schlaf sie einfach übermannt, als sie versuchte, einen Sinn in das Chaos zu bringen. Wie spät war es? Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie über drei Stunden geschlafen hatte. So würde sie das nie hinbekommen. Müde rieb sie sich die Augen und massierte mit zwei Fingern ihre Nasenwurzel. Plötzlich ertappte sie sich dabei, wie ihre Gedanken zum Colonel schweiften. Er würde jetzt sagen, es gäbe auch noch anderes, als Wurmlochphysik und Quantentheorie – zum Beispiel einen See in Minnesota wo die Barsche sooo groß werden. Sam schmunzelte unbewusst. Vielleicht hätte er sogar Recht und sie würde eine Pause machen. Aber im Moment war da kein Colonel O’Neill, der sie an ihre Gesundheit erinnerte. Damit hatte er zur Zeit selbst genug zutun. Ob es ihm schon besser ging? Eine Lungeninfektion war nicht unbedingt ungefährlich und konnte unerwartet wieder stärker werden. Sam stellte überrascht fest, dass sie sich mehr um ihren Vorgesetzten sorgte, als es normalerweise üblich wäre. Die aufkommenden Gedanken verdrängend stand sie auf, wobei ihr Drehstuhl schwungvoll zurückrollte, und machte sich auf den Weg zu Ebene 17.
Als sie vor O’Neills Zimmer stand und die Hand zum Klopfen anhob, wurde sie plötzlich unsicher. Es war mitten in der Nacht, sie konnte doch nicht einfach in das – wenn auch nur vorübergehende – Quartier ihres Vorgesetzten... Seufzend ließ Sam ihre Hand sinken und wollte sich auf den Rückweg machen, als sie plötzlich Stimmen aus dem Zimmer hörte.
"Wir müssen ihn ruhig stellen!" Das war Dr. Fraiser. Ohne groß zu überlegen trat Sam nun doch ein.
"Wenn er sich nicht beruhigt, hyperventiliert er!" Ein Assistent reichte ihr eine Injektionsnadel, mit der sie dem Colonel etwas verabreichte. Sam beobachtete die Szene, die irgendwie so unwirklich erschien.
"Janet?" Sie sah die Ärztin fragend an.
"Sam!" Sie unterbrach kurz ihre Arbeit und sah zu ihr auf. Dann ging sie um das Bett herum, auf dem ein unruhig zuckender O’Neill lag und stoßweise nach Luft rang. Mit einigen schnellen Handgriffen hatte sie ihn durch zwei Schläuche mit einem Beatmungsgerät verbunden und Carter konnte beobachten, wie er sich langsam beruhigte und seine Atmung gleichmäßiger wurde. Janet legte zwei Finger auf die Adern seines Handgelenkes und prüfte den Puls. Ein Nicken deutete Sam an, dass es Jack soweit gut ging.
Dr. Fraiser löste sich von ihrem Patienten und trat an Carter heran.
"Was machen Sie um diese Zeit hier?", erkundigte sie sich, sichtlich erschöpft.
"Ich dachte, nach der doch etwas barschen Abfuhr heute Nachmittag...", begann sie, unterbrach sich jedoch selbst, seufzte und schüttelte dann den Kopf. "Ist ja auch egal. Was war denn gerade eben los?"
Dr. Fraiser entging der ehrlich besorgte Ausdruck in Sams Blick nicht. Sie hob schwach ihre Schultern und sah dann zum Colonel hinüber. "Manchmal passiert es, dass eine Bronchie so stark gereizt ist, dass sie durch das Husten aufreißt und Blut in seine Lunge tritt. Die Luftröhre verengt sich dann unkontrolliert stark, so dass er nur unter großer Anstrengung atmen kann."
"Und was genau... bedeutet das?" Sam wollte die Antwort eigentlich gar nicht wissen, es konnte nichts Gutes sein.
"Nun ja, im schlimmsten Fall könnte Colonel O’Neill hyperventilieren, oder das genaue Gegenteil tritt ein und er erstickt sich selbst." Janet sah starr geradeaus. Sam öffnete ihren Mund, um etwas zu erwidern, doch sie brauchte eine kurze Zeit, um das zu verdauen. "Janet, ich wusste nicht, dass es so schlimm um ihn steht!"
"Es stand mir auch nicht zu, es Ihnen mitzuteilen." Sie drehte sich zu ihr um und legte ein warmes Lächeln auf. "Das wird schon wieder, Sam. Besser Sie gehen jetzt und ruhen sich etwas aus. Sie brauchen dringend Schlaf. Und ich übrigens auch." Dr. Fraiser blinzelte ein paar Mal, um die aufkommende Müdigkeit zu unterdrücken. Sam schüttelte energisch den Kopf, ohne ihren Blick vom Colonel zu wenden. "Nein Janet, ist schon okay. Ich möchte gerne hier bleiben."
Die Ärztin nickte leicht und meinte nur: "Es ist Ihre Entscheidung. Ich bin zwei Räume weiter. Sobald sich etwas verändert, wird es dort angezeigt und ich komme sofort."
Carter bekam Janets Worte nur noch am Rande mit. Sie zog sich den Hocker heran, auf dem sie auch schon am Nachmittag gesessen hatte und ließ sich wie in Trance darauf niedersinken. Erst jetzt begann sie, die Tragweite von Dr. Fraisers Worten zu begreifen. O’Neill war vor wenigen Sekunden nur knapp dem Tod entgangen. Carter hätte zu gerne gewusst, auf was für einer Mission er gewesen war. Vielleicht würde das seine Infektion erklären. Seinen Zustand. Eben alles.
Nachdenklich stützte sie ihren Kopf mit den Händen ab. Ihre Ellenbogen ruhten an der Kante des Krankenbettes. Sie war müde und ihre Augen brannten, doch ihre Gedanken hielten sie wach. Sie wusste schon lange, wie viel er ihr bedeutete, aber begriffen hatte sie es erst gerade eben. Er hätte sterben können! Der Gedanke brannte sich in Carters Kopf und sie presste angespannt ihre Lippen aufeinander. So konnte es nicht weitergehen. Er musste es einfach schaffen – er musste wieder gesund werden. Die Vorstellung, ihn zu verlieren, war unerträglich. Carter unterdrückte ein Schluchzen und eine einsame Träne bahnte sich einen Weg über ihre Wange.
Sie wischte sie sich aus dem Gesicht und verschränkte ihre Arme auf der Bettkante, um ihr Kinn darauf aufzustützen. Sie fühlte, wie ihre Lider schwer wurden, konnte jedoch nichts dagegen tun. Irgendwann übermannte sie die Müdigkeit und ihr Kopf sank zur Seite. Sam fiel in einen drückenden, schweren Tiefschlaf.


***


Graue Dunkelheit. Bedrückende, erniedrigende Dunkelheit. Die Augen lieber wieder schließen. Wo war er? O’Neill versuchte, sich aufzurichten, doch es gelang ihm nicht. Ein stechender Schmerz durchfuhr seine linke Schulter und die Erinnerung kam zurück. Richtig, er war in dieser verdammten Quarantänekrankenstation auf Ebene 17. Sein Hinterkopf machte sich mit dumpfem Druck bemerkbar und nur langsam konnte er seine Augenlider heben. Die einzige Lichtquelle war der Herzfrequenzmesser rechts von ihm, doch viel erkannte man auch in dem matten Neonlicht nicht, das langsam seine Linie auf den Monitor zeichnete. Jack hob vorsichtig seinen linken Arm, soweit ihm dies möglich war, um sein Kissen etwas zurechtzurücken. Dabei stieß er unerwartet an etwas Weiches. Seine erste Reaktion war ein überraschtes Zurückschrecken gefolgt von einem unterdrückten Laut der Verwirrung, doch dann tastete er vorsichtig danach. Plötzlich begann das Etwas unter seine Hand zu murren, um sich dann erschrocken aufzurichten. "Wo zum Teufel..."
"Carter?"
Sam konnte sich seinen fragenden Gesichtsausdruck regelrecht vorstellen, auch wenn es zu dunkel war, ihn tatsächlich zu sehen. "Ähm... ja Sir, ich bin’s." Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte. Bestimmt erwartete er eine Erklärung. Carter stand auf und ging in Richtung Tür. Wollte sie gehen? O’Neill registrierte ihre Schritte und protestierte.
"Könnten Sie vielleicht..." Die Schritte verstummten. "Würde es Ihnen etwas ausmachen, noch kurz hier zu bleiben?" Als er keine Antwort vernahm, sondern nur das Tasten einer Hand an der Wand entlang, stieg eine unerklärliche Panik in ihm auf, sie würde ihn jetzt alleine lassen. Er wusste, dass seine Reaktion übertrieben und die Angst unbegründet war, deshalb atmete er einmal kurz durch und fügte dann hinzu: "Ganz kurz, wirklich."
Plötzlich ging das Licht an. Von der Helligkeit geblendet hielt sich O’Neill seine Hand vor die Augen. "Carter... Verdammt."
"Entschuldigung." Sie lächelte matt. "Ich hatte eigentlich noch nicht vor zu gehen." Sie trat wieder an das Bett heran und setzte sich. Irgendwie nervös trommelte sie mit ihren Fingern einen Takt auf die Sitzfläche des Hockers und tippte rhythmisch mit dem Fußspitze an den Bettpfosten. Sie sah ihren Vorgesetzten nicht an, spürte jedoch deutlich seinen bohrenden Blick. Ohne, dass er eine Frage gestellt hatte, begann sie zu erklären.
"Sie hatten heute Nacht ein Lungenversagen durch innere Blutungen. Dr. Fraiser konnte Sie gerade noch davor bewahren, sich durch das Hyperventilieren selbst zu ersticken. Ich bin dann hier geblieben, damit sie etwas schlafen kann." Noch immer wich sie seinem Blick aus.
Jack zog seine Stirn kraus. Was sie da erzählte, war nicht wirklich schlüssig. Fraiser blieb nachts auch nie in seinem Zimmer - sie war also nicht bei ihm geblieben, damit Janet Ruhe hatte, sondern aus einem anderen Grund. Doch er bemerkte, dass sich Sam unwohl fühlte, und hakte nicht weiter nach.
"Wie spät ist es?", erkundigte er sich. Er wusste selbst, dass es eine dämliche Art war, das Thema zu wechseln, doch ihm fiel im Moment nichts Besseres ein.
"Ähm..." Sam sah ihn erst überrascht an und zeigte dann auf die Wanduhr, die gegenüber von seinem Bett über dem Tisch hing. "Kurz nach halb sechs, würde ich sagen."
"Oh."
Es entstand eine bedrückende Stille. Sam sah mit aufeinandergepressten Lippen auf ihre Füße und schien die Beschaffenheit ihrer Schuhe eingehend zu studieren. O’Neill beobachtete sie eine Weile, wie sie immer wieder ihre Unterlippe mit den Zähnen einzog, nur, um sie wieder loszulassen und mit dem ganzen von Neuem zu beginnen.
"Sam?"
Die Angesprochene sah auf und kniff leicht ihre Augen zusammen. Hatte er sie gerade Sam genannt? Das tat er nur in sehr wenigen Augenblicken. Sie konnte sich aber auch geirrt haben. "Sir?"
Jack seufzte leicht. Sie wollte also die Distanz waren. "Ich weiß nicht, ob Dr. Fraiser Sie über meinen Gesundheitszustand in Kenntnis gesetzt hat. Aber..." Er hob kurz die Hand, um sie daran zu hindern etwas zu sagen. "Selbst, wenn sie es nicht getan hat... Immerhin haben Sie heute Nacht mitbekommen, wie es zur Zeit aussieht." Sam sah ihn an, unschlüssig, ob sie etwas erwidern sollte.
"Colonel..." Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, da sich ihr Mund irgendwie trocken anfühlte, und suchte nach Worten. Sie schlug ihre Augen nieder und nickte. "Janet hat es mir gesagt. Und um ehrlich zu sein... Ich mache mir Sorgen." Sie blickte wieder auf. Diesmal war sie es, die ihn mit einem Kopfschütteln dazu brachte, nichts zu sagen. "Ich weiß, dass Sie mir nicht sagen dürfen, wo Sie waren – aber es ist nicht nur die Lungenentzündung, die mir Sorgen macht. Sie haben sich verändert. Jack, bitte... Was ist da vorgefallen?"
Er drehte seinen Kopf von ihr weg. Es tat ihm weh, dass er ihr nichts sagen durfte. Er wollte nicht, dass sie sich solche Sorgen machte. Aber es ging nicht anders. Er würde ihr noch ganz anders weh tun müssen. Verdammt. Langsam wendete er sich wieder seinem Major zu. Sie hatte wahrscheinlich Recht – Distanz bewahren war das Einzige, was ihm und ihr helfen konnte. "Major Carter, Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen. Wenn ich hier endlich raus bin, werde ich wieder ganz der Alte sein und Sie werden sich noch darüber beschweren, das verspreche ich Ihnen." Lüge, alles Lüge. Aber hatte er eine Wahl? Er versuchte, zu grinsen. Carter erwiderte es mit einem zaghaften Lächeln.
"Ich glaube, ich sollte dann wieder runter gehen. Wenn Sie möchten, kann ich heute Nachmittag noch einmal wiederkommen – um Ihnen ein paar Storys zu erzählen, damit sie nicht versauern." Ihr Lächeln wurde stärker, und O’Neill atmete erleichtert aus. So gefiel sie ihm schon viel besser – obwohl sie ihm eigentlich immer gefiel. Carter drehte sich um und verließ den Raum. Der Colonel sah noch eine Weile auf die graue Tür, durch die sie gegangen war und grübelte.


***


In der Kantine war es um diese Zeit noch leer und fast schon gespenstisch still. Carter schlenderte ziellos an den Tischen vorbei, auf denen die Stühle verkehrt herum platziert waren, und überflog mit den Augen die Auslage. Sauber blitzte das Metall. Keine Spur davon, dass hier am Vortag ein ganzer Stützpunkt sein Essen angeholt hatte.
Sam nahm einen Hocker vom Tisch und drehte ihn sich um. Dann ließ sie sich seufzend darauf sinken und vergrub ihren Kopf zwischen den verschränkten Armen, die auf der frei gewordenen Stelle des Tisches ruhten. Sie hatte frei – schön. Eigentlich hatte Hammond recht und sie brauchte dringend etwas Entspannung und Ablenkung. Aber was nütze ihr Urlaub, wenn sie ihn mit dem Gedanken verbringen würde, dass ihr CO schwerkrank in einem isolierten Quartier lag und sich quälte? Gar nichts.
Aber immerhin konnte sie so ab und zu bei ihm vorbeischauen und sich nach seinem Zustand erkundigen.


***


"General, bei allem Respekt, Sir... Ich halte das für keine gute Idee." Sam verzog skeptisch ihr Gesicht und versuchte, dem Blick ihres Vorgesetzten standzuhalten. Doch dieser sah sie mit unerschütterlich fester Miene an und bekräftigte mit einem nachdrücklichen Nicken seine Worte. "Da wir den Colonel innerhalb der nächsten Wochen nicht von seiner Mission zurück erwarten, wird SG1 den Außendienst wieder aufnehmen. Und ich will keine Widerrede hören, Major."
Auch Daniel war sprachlos. Weniger aufgrund der harten Worte, die Hammond an den Tag legte, als vielmehr durch Sams starke Widersetzung. Zu Beginn hatte sie darauf bestanden, auch während O’Neills Abwesenheit auf Missionen zu gehen – und jetzt sträubte sie sich? Da stimmte etwas nicht. Entweder hatte er etwas verpasst, oder... Er musste etwas verpasst haben. Logisch. Wie immer.
"Ähm, General, ich denke, Sie wird sich schon beruhigen..." Mit einem vielsagendem Blick führte er Sam aus dem Büro des Generals und ließ seine Hände auch noch auf ihren Schultern ruhen, als sie schon längst auf dem gang waren.
"Sam?"
"Daniel?"
Sie sahen sich nur an, jeder mit hochgezogenen Augenbrauen und tausend Fragen im Kopf.
"Was hält uns davon ab? Halt, nein... was hält Sie davon ab?"
"Daniel, meinen Sie allen Ernstes, dass das gut geht? Wir wären nur zu dritt und..." Ihr fiel kein weiteres stichhaltiges Argument ein und sie erkannte die Sinnlosigkeit ihres Versuches, weiterhin auf dem Stützpunkt bleiben zu können, also schwieg sie und nickte nur resignierend. Urlaub vorüber. Keine täglichen Besuche beim Colonel mehr. Sie wusste nicht, was sie mehr ärgerte: Dass sie ihn nicht mehr besuchen durfte, oder dass es ihr soviel Angst machte, ihn alleine zu lassen.
"Schön." Carter hob ihre Hände zu einer ausschweifenden Geste und ließ sie dann gleichgültig wieder fallen. Dann würde sie den Colonel wohl zwischen den Missionen besuchen müssen. "Schön", wiederholte sie. "Dann also in einer halben Stunde am Stargate."
Daniel nickte und machte sich auf den Weg in sein Labor. Carter suchte sich den nächsten Aufzug und betrat schließlich Ebene 17. Die letzten Tage war sie oft hier gewesen. Meistens saß sie einfach nur am Bett des Colonels und hoffte, dass er ab und zu aufwachen würde. Es geschah nur sehr selten. Manchmal sie es auch Janet ab, ihm das Essen zu bringen, wenn er wach war und Fraiser ließ es gerne geschehen. Sie fühlte, wie es in Sam aussah, und auch wenn sie nicht darüber reden durfte, war sie froh, dass Sam immer wieder bei ihm vorbeisah. Seit seinem Anfall war knapp eine Woche vergangen und sein Zustand blieb unverändert. Carter spürte, wie O’Neill mit sich und der Infektion kämpfte. Er war kein Mensch, den man einfach so klein kriegen konnte. Ohne anzuklopfen betrat sie das Zimmer, es war schon mehr oder weniger zur Gewohnheit geworden.
Leise schloss sie die Tür hinter sich und trat an das Bett heran.
"Hallo Sir", flüsterte sie und setzte sich.
"Hallo Carter..." Die Stimme ließ sie kurz aufschrecken.
"Ähm... Verzeihung, Sir, ich wusste nicht, dass Sie wach sind. Wie geht es Ihnen?", erkundigte sie sich.
"Wunderbar. Ich könnte Bäume ausreißen", scherzte er. "Na ja, vielleicht in zwei, drei Wochen."
Sam stand auf und nahm eine Akte vom Tisch, die sie dort entdeckt hatte. Es war O’Neills Krankenakte. Carter blätterte einige Seiten durch und stutzte, als sie auf etwas stieß. Sie sah zu ihrem Vorgesetzten auf, blickte wieder die Aufzeichnung an und sah ihm erneut in die Augen.
"Sir..." Sie runzelte die Stirn.
"Carter?"
"Wussten Sie, dass in ihrer Schulter ein 12 Millimeter-Breitbandgeschoss gesteckt hat?"
"Ach deshalb tat meine Schulter so weh."
Carter sah ihn verdutzt an, bis sie bemerkte, dass er es ironisch gemeint hatte und durchaus Bescheid wusste.
"Kommen Sie, Carter, legen Sie die Akte weg." Sam ließ die Mappe wieder auf den Tisch sinken und setzte sich neben ihn.
"Sir, eigentlich bin ich hier, um Ihnen mitzuteilen, dass SG1 seinen aktiven Außendienst wieder aufnimmt." Sie räusperte sich kurz.
"Wurde aber auch langsam Zeit, oder?", kommentierte er.
"Da teilen sich die Meinungen, Sir." Sam seufzte kurz.
"Ah, lassen Sie mich raten... Ein überaus schmieriger, kaum zu ertragender Colonel Sowieso wird Ihnen als meine Vertretung zugeteilt und das Team will sie damit nicht zufrieden geben." Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.
"Nein Sir, das ist es nicht. SG1 bleibt zu dritt bestehen, für die Übergangszeit trage ich das Kommando, nur..."
"Stop." Er hob seine rechte Hand und unterbrach sie so. "Carter, wollen Sie mir sagen, dass Sie sich nicht darüber freuen?"
"Nun ja, Sir, ich halte es nicht für gut, ohne erfahrenen Anführer loszuziehen."
"Aber Sie sind erfahren."
"Und ich bin die Einzige, die Ahnung von physikalischen Anomalien hat. Ich kann mich nicht um beide Dinge zugleich kümmern." Sam senkte ihren Blick. "Aber der General duldete keinen Widerspruch." Sie sah auf und zeigte den Versuch eines Lächelns. Sie wollte ihn nicht auch noch mit ihren Problemen belasten. "Immerhin habe ich dann etwas zu berichten, wenn ich wiederkomme."
O’Neill lächelte ebenfalls.
Sam stand auf und wandte sich zum Gehen. "Die Anderen warten."
Der Colonel nickte. "Halten Sie mich auf dem Laufenden."


***


Die Mission auf P3X-454 verlief ohne Zwischenfälle. General Hammond hatte ihnen "für den Anfang" eine einfache Aufgabe zugeteilt, wie Sam schmunzelnd feststellte. Sie war gerade dabei, einige Bodenproben fachgerecht zu verstauen, nebenbei die Energiewerte im Auge zu behalten und die Daten in kurzen Abständen zu speichern. Teal’c beobachtete in einiger Entfernung die Umgebung und Daniel stand nur wenige Meter neben ihr und schien nicht zu wissen, was er mit sich anfangen sollte.
"Hey Daniel, keine Spuren von irgendwelcher Zivilisation gefunden?", erkundigte sich Carter, stand auf und klopfte sich den Staub von der Hose. Dass es auf diesem Planeten äußerst schmutzig war, hatte sie bereits kurz nach ihrer Ankunft festgestellt, als sie Bekanntschaft mit einer versteckten Schlammgrube gemacht hatte. Daniel schüttelte gelangweilt den Kopf. "Nichts. Kein Pfad, keine Schriftzeichen, nicht der kleinste Hinweis." Hätte Daniel früher noch enttäuscht geklungen, so war er jetzt einfach lustlos. Es kam schließlich oft genug vor, dass sie auf einem Planeten niemanden trafen. Solche Orte langweilten ihn.
"Na dann...", meinte Sam und wandte sich mit etwas lauterer Stimme an Teal’c. "Wir sind hier fertig. Hast du irgend etwas Auffälliges bemerken können?"
Wie erwartet verneinte der Jaffa ihre Frage und Daniel wählte sie auf Sams Befehl hin zurück. Es war seltsam für sie, plötzlich die Verantwortung über das Team zu haben. Nachdem Dr. Jackson und Teal’c den Ereignishorizont durchquert hatten, trat auch Sam hinein, um sich von dem Strudel mitreißen zulassen und wenige Sekunden später wieder im Stargatecenter anzukommen. General Hammond stand ihnen gegenüber und erkundigte sich nach ihrem Befinden.
"Es geht uns gut. Die Mission verlief, wie erwartet, ohne Zwischenfälle."
Er nickte ihr zu. "Dann sehen wir uns in einer halben Stunde zum Lagebericht." Diesmal nickten Sam und Daniel, während Teal’c eine Verbeugung andeutete. Sam war dem General insgeheim dankbar, dass er ihr noch genug Zeit ließ, den Colonel zu besuchen. Auf dem Weg zu den Quartieren trennte sie sich von den anderen zwei Mitglieder ihres Teams und ging zum Fahrstuhl.
Carter hielt es für besser, diesmal anzuklopfen. Als auf ihr leises Pochen nicht geantwortet wurde, wiederholte sie es, diesmal etwas lauter.
"Doc...", ertönte O’Neills genervte Stimme von innen. Er schien heute schon einige unfreundliche Begegnungen mit ihr gehabt zu haben und war allem Anschein nach nicht besonders scharf auf eine weitere.
Sam musste schmunzeln und trat ein. Die Fortsetzung von Jacks Worten erwartete sie.
"Ich habe keinen Hunger und werde auch diese ‚Atmen-Sie-mal-tief-ein-damit-ich-sehen-kann-ob-Sie-noch-wasweißich-in-der-Lunge-haben’-Nummer nicht mehr mitmachen, außerdem warte..."
"Wenn Ihnen gerade nicht nach Gesellschaft ist, dann gehe ich wieder, Sir", unterbrach Sam ihn.
"Oh." Er sah sie an und runzelte die Stirn. "Hi. Ich hatte jemand anderes erwartet."
"Hi", erwiderte Sam und nahm ihren Platz auf dem Hocker ein. "War ja nicht zu überhören."
"Sie sind schon zurück?"
"Ja, gerade eben angekommen."
"Sieht man", meinte O’Neill und ohne Sams verdutzten Blick zu beachten sprach er weiter. "Ich schätze mal, Hammond hat sich selbst übertroffen und Ihnen gleich aufgetragen, die Galaxis zu retten?" Sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.
"Fast", entgegnete sie und erwiderte das Grinsen. "Wie geht es Ihnen?", lenkte sie ihr Gespräch in eine andere Richtung.
"Können Sie nicht mal was anderes fragen?" O’Neill deutete mit einer ausschweifenden Geste der rechten Hand auf die Schläuche und Geräte. "Denn eigentlich liege ich hier nur zum Vergnügen und genieße die Nadel in meinem Arm. Entspannung pur." Plötzlich beugte er sich leicht vor und kam ihr ganz nahe. Seine Lippen berührten fast ihr Ohr. Seine Stimme war rau und geheimnisvoll. "Wissen Sie, Carter, das Schönste sind noch immer die Schmerzen. Ich bin nämlich masochistisch veranlagt – das weiß nur keiner."
Zuerst war sie etwas verwirrt, doch dann unterdrückte Sam ein Lachen und versuchte vergeblich, ernst zu bleiben. Es machte sie glücklich, ihn in seinem üblichen Sarkasmus reden zu hören. Das war der alte Jack. Und trotzdem wusste sie, dass es ihm körperlich nicht wirklich gut ging. Seine Infektion wurde nicht besser und die Heilung der Schusswunde verlief schleppend. Ansprechbar war der Colonel nur selten, meistens schlief er oder lag im Halbkoma. Seine Krankenakte gab ihr genug Auskunft darüber...
"Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich mir anvertraut haben und werde Stillschweigen bewahren", ging sie auf seinen Scherz ein und grinste verschwörerisch. Vielleicht waren es diese kleinen Dinge des Alltags, die er brauchte, um gegen die Krankheit anzukämpfen und wieder gesund zu werden.
Janet betrat das Krankenquartier des Colonels und schmunzelte, als sie Sam erblickte. "Sollten Sie nicht in wenigen Minuten zur Besprechung bei Hammond sein?"
Sam erwiderte das Lächeln. "Ja, aber bis dahin ist noch genug Zeit."
"Na ja", mischte sich O’Neill ein. "Ich würde vorher noch einen Blick in den Spiegel werfen."
Als Carter ihn fragend ansah, deutete er auf die andere Seite des Raumes zu einer weiteren Tür, die sie bisher nur unbewusst wahrgenommen hatte. Der Aufforderung folgend erhob sie sich und betrat den anliegenden Raum – ein Badezimmer. Als sie ihr eigenes Gesicht im Spiegel sah, wusste sie, was die Andeutung des Colonel bedeutete: Ihre rechte Wange war völlig verdreckt. Und sie war hierher gekommen, ohne sich auch nur ein wenig frisch zu machen! Dafür konnte man unter dem Schmutz wenigstens nicht die Röte sehen, die ihr jetzt ins Gesicht stieg.
"Danke für den Hinweis. Ich werde dann mal lieber in den paar Minuten bis zur Besprechung versuchen, das zeug runter zu kriegen, bevor ich so dem General unter die Augen trete." Und sie verschwand aus Jacks Zimmer, ohne sein "Mir hat’s nichts ausgemacht!" hören zu können. Janet lächelte in sich hinein. Sams Besuchte taten dem Colonel wirklich gut. Und wenn sie sich die Beiden so ansah, schien ihre Freundin das nicht nur aus Pflichtgefühl zu tun – sonst hätte ihr erster Besuch nach der Ankunft auf der Erde sicherlich nicht ihrem Vorgesetzten, sondern ihrer Dusche gegolten. Janets Schmunzeln machte einem Augenverdrehen Platz, als sie ihrem Patienten eine Infusion in den Oberarm verpasste und dieser daraufhin jammerte, wie ein kleines Kind. Männer!


***


Die Tage vergingen. Die Missionen waren nichts Besonderes, Hammond hatte ein Nachsehen mit SG1. Vielleicht war es ihm auch einfach zu gefährlich, sie ohne den Colonel auf neue Planeten zu schicken. So beschäftigten sie sich damit, bereits erforschte Welten genauer unter die Lupe zu nehmen, laufende Projekte zu überwachen oder andere Teams zu unterstützen. Sam war es egal. Daniel bemerkte, dass sie auffallend öfter auf ihre Uhr sah, als gewöhnlich. Irgend etwas musste sie zurück auf die Erde ziehen. Seine Kollegin und Freundin war sowieso lustloser geworden in der letzten Zeit. Manchmal, wenn sie sich unbeobachtete fühlte, schweifte ihr Blick ins Nichts und sie bekam dabei einen undefinierbaren Glanz in ihren Augen. Daniels erster Gedanke war, dass sie jemanden kennen gelernt hatte. Eine männliche Person, der sie nichts vom Stargateprojekt erzählen durfte, und zu der sie so schnell wie möglich zurück wollte? Daniel rückte sich seine Brille zurückt und schüttelte ungläubig den Kopf. Nein, Sam hatte gar keine Zeit für andere Männer. Sie verbrachte fast vierundzwanzig Stunden am Tag in der Basis und die wenige Freizeit, die ihr zur Verfügung stand, nutzte sie für ihre privaten Projekte. Obwohl... In letzter Zeit war sie immer seltener in ihrem Labor. Manchmal war sie einfach unauffindbar. Sie hatte doch nicht etwa... Nein, Sam würde nicht heimlich mit jemandem von der Basis eine Affäre haben. Nicht Sam. Trotzdem beunruhigte es ihn irgendwie. Der Archäologe machte sich eine Notiz im Hinterkopf, sie bei passender Gelegenheit mal darauf anzusprechen. Was er nicht wissen konnte, war, dass Major Carter fast jede freie Minute im Krankenquartier des Colonels verbrachte. Auch wenn er die meiste Zeit schlief, saß sie an seinem Bett und beobachtete ihn. Es kam auch vor, dass sie plötzlich durch eine Hand auf ihrer Schulter wach wurde, die Janet gehörte und sie sanft dazu aufforderte, sich in ihrem Quartier schlafen zu legen und nicht ständig die Nächte hier oben zu verbringen. Anfangs hatte Doktor Fraiser noch versucht, ihrer Freundin klar zu machen, dass es nichts brachte. Sie verbrauchte unnötig Kraftreserven und würde O’Neill damit nicht helfen. Doch Sam ließ sich nicht davon abhalten. Wenn sie auf Mission war, hatte sie immer Angst, dass er nicht mehr leben könnte, wenn sie zurückkam. Diese Anfälle kamen unvorhersehbar und plötzlich. Sam wusste inzwischen, was dann zu tun war und sie half Janet, wo sie nur konnte.
Manchmal gab es Momente, in denen O’Neill aufwachte. Wenn er dann Sam neben sich erblickte, musste er unwillkürlich lächeln. Seine Augen waren blass und trüb, doch er schien seinen Humor nicht zu verlieren. In diesen seltenen Augenblicken spürte Sam, dass es richtig war. Es gab ihm Halt, eine vertraute Person um sich zu haben. Das Gefühl, wichtig zu sein und gebraucht zu werden, gab sowohl ihm als auch ihr Kraft.
Als sie diesmal die Korridore auf Ebene 17 entlangging, machte Sam sich Sorgen. Für morgen war eine längere Mission auf P3J-466 vorgesehen, auf der Daniel, Teal’c und sie ein Forscherteam begleiten und unterstützen sollten. Es konnte durchaus zwei oder drei Wochen dauern, bis sie zurück kehren würden. Sie betete inständig, dass sich sein Zustand in dieser Zeit nicht verschlimmern würde. Bevor sie den Raum betrat, passte Doktor Fraiser sie ab.
"Einen Moment, Sam."
"Hallo Janet", lächelte sie. Auch ihr Verhältnis hatte sich vertieft. Sam unterstützte sie bei ihren Untersuchungen und half ihr, wo es nur ging, damit sich Janet auch um ihre anderen Patienten kümmern konnte.
"Ich habe gute Nachrichten." Ihr Freundin zog eine Akte aus dem Stapel, den sie bei sich trug und reichte sie Sam. Diese öffnete sie, während Janet weiter sprach und ihr eigentlich nur das erklärte, was sie aus der Akte entnehmen konnte. "Der Colonel scheint über den Berg zu sein. Seine Vitalfunktionen funktionieren wieder in natürlichem Rhythmus und die Infektion beschränkt sich jetzt fast ausschließlich auf den oberen Abschnitt des linken Lungenflügels sowie einige Bronchien. Die Schusswunde macht noch ein paar Probleme, aber wenn sein Körper die Infektion auskuriert hat, besitzt er auch wieder die Kraft, die Heilung alleine zu übernehmen."
Sams Lächeln wurde stärker. Janet hatte ihr eine große Last abgenommen – sie brauchte sich nun kaum noch Sorgen zu machen, wenn sie auf P3J-466 war. Nachdem Sam ihr gedankt hatte, ging Janet weiter in ihr Labor und Carter betrat O’Neills Zimmer.
"Hey", wurde sie begrüßt.
"Hey", erwiderte sie und nahm ihren Platz ein. "Wie geht es Ihnen heute?"
"Furchtbar."
Als Sam ihn erstaunt ansah, grinste er und deutete auf das Tablett mit dem Essen. "Das ist jetzt schon das dritte Mal Spinat. Ich möchte mal sehen, wie es Ihnen geht, wenn Sie das essen müssen. Also ich bezeichne das als furchtbar."
Sam schmunzelte. "Seien Sie froh, dass es den Spinat heute wenigstens nicht intravenös gibt."
Diesmal war es Jack, der erstaunt seine Augenbrauen hochzog. "Sagen Sie, haben Sie eigentlich Ihren Dienst quittiert?", fragte er plötzlich.
"Wieso?"
"Na ja, immer, wenn ich aufwache, sitzt plötzlich Samantha Carter neben meinem Bett oder taucht nach wenigen Minuten auf."
Sam wurde rot und räusperte sich. "Das täuscht, Sir. SG1 ist durchaus unterwegs."
"Aber?" Er legte seinen Kopf leicht schief.
"Nun ja, Sir, General Hammond überhäuft uns nicht gerade mit schwierigen Missionen. Man könnte unsere Aufgaben auch als routiniertes Training bezeichnen."
"Ah..." Er sah sie verstehend an. "Nichts los, Langeweile, und vor Allem: Viele, viele Wissenschaftler betreuen."
"So in etwa", bestätigte Sam grinsend. Seine Sympathie für Wissenschaftler war weitgehend bekannt. Beide schwiegen eine Weile und hingen ihren Gedanken nach. Dann unterbrach Jack die Stille.
"Wenn ich Glück habe, bin ich in einer Woche hier raus und kann auf die normale Krankenstation verlegt werden." Sein Blick zeigte deutlich an, dass er damit nicht wirklich zufrieden war. Wenn es nach ihm ginge, würde er die Basis und vor Allem jede Krankenstation – egal ob auf Ebene 17 oder sonst irgendwo – sofort verlassen und ein paar Tage Urlaub machen. Aber selbst wenn er wieder gesund war, gab es noch etwas Wichtiges zu tun.
"Das freut mich, Sir. Leider wird SG1 Sie nicht sofort besuchen können."
"Oh." Er machte einen leichten Schmollmund, fragte aber nicht nach einer Begründung.
"Die Sache ist die, Sir, dass wir ab morgen für unbestimmte Zeit ein Forscherteam begleiten werden."
"Unbestimmte Zeit?", hakte O’Neill nach.
"Zwei bis drei Wochen, es können aber auch mehr werden. Ich kann Ihnen nichts Genaueres sagen." Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern.
"Man kann eben nichts alles haben", kommentierte Jack und ließ sich zurück in sein Kissen sinken. Sam verstand den Wink, dass er Ruhe haben wollte und stand auf. "Wir werden nach Ihnen sehen, sobald wir zurück sind, Sir", versprach sie ihm und verabschiedete sich. O’Neill nickte nur. Kurz bevor Sam den Raum verließ, begann sein Herzfrequenzmesser plötzlich, auszuschlagen. Sie vernahm hinter sich ein seltsames Röcheln und drehte sich sofort um. Im Bruchteil einer Sekunde hatte sie den Notschalter für Doktor Fraiser gedrückt und war an seinem Bett. Mehrere Male hatte sie das jetzt miterlebt, und eigentlich hatte sie gedacht, er sei auf dem Wege der Besserung.
"Colonel", sprach sie ihn an, doch er konnte in seinem Hustenanfall nicht reagieren. "Bleiben Sie ganz ruhig, Doktor Fraiser ist gleich hier. Versuchen Sie, die Luft anzuhalten und sich zu konzentrieren", gab sie ihm Anweisungen und versuchte, ihn nebenbei aufzurichten. Das war nicht besonders einfach, denn er krümmte sich vor Schmerzen zusammen und zuckte unkontrolliert. Carter legte ihm eine Hand auf die Stirn und bemerkte, dass er vor Fieber glühte. Als Janet nicht auftauchte, nahm sie eine Ampulle aus dem Notfallschränkchen und zog den Inhalt in eine Injektion, die sie dem Colonel verabreichte. Sie drückte ihn mit aller Kraft an den Oberarmen zurück in sein Kissen und wartete, bis er sich langsam beruhigte. Sein Atem ging stockend und das Einatmen verursachte ein dumpfes Rasseln, aber seine Atemwege schienen wieder frei zu sein. Verdammt, wieso passierte das jetzt? Janet hatte gesagt, er sei auf dem besten Wege der Besserung, und jetzt das... Sam musste unbedingt diese Mission absagen, und wenn sie dafür einen Verweis bekommen würde.
"Sam..." Zwei glasige Augen sahen sie leblos an. Der Colonel schien ihre Gedanken lesen zu können. "Sie werden da hin gehen. Es geht mir gut."
Sie war nicht in der Lage, etwas Vernünftiges zu antworten. Sie ließ ihre Hände langsam von seinen Armen gleiten und setzte sich. Erfolglos versuchte sie, ihre verkrampften Muskeln zu entspannen.
"Ich... Ich kann nicht, Sir." Sie sah ihn an und ihr Blick schmerzte ihn tief in seinem Inneren. Diese Hilflosigkeit war erdrückend.
"Major Carter", flüsterte er, denn zu mehr war er momentan nicht in der Lage. "Das ist ein Befehl." Sie las die Worte mehr von seinen Lippen ab, als dass sie sie hörte.
"Und wenn..." Sie traute sich nicht, es auszusprechen. Ein schwerer Kloß machte sich in ihrem Hals breit. "Und wenn Sie nicht mehr da sind, wenn wir wiederkommen?" Ihre Augen fühlten sich plötzlich so wässrig an. Rasch blinzelte sie die ungewollten Tränen weg.
"Hören Sie mir zu, Sam. Sie werden jetzt diesen Raum verlassen und durch das Stargate auf diesen Planeten gehen. Und egal, was Sie erfahren, wenn Sie wieder hier sind, ich bin bei Ihnen, okay?"
Sam versuchte vergeblich, einen Sinn in seinen Worten zu finden. Trotzdem nickte sie. Wie in Trance stand sie auf und ging zur Tür.
"Sam?", reif sie die heisere Stimme ihres Vorgesetzten. Sie hob ihren Blick und schaffte es nicht einmal, auch nur ein winziges Lächeln zu zeigen. Jack sah sie sanft und fast schon liebevoll an.
"Ich möchte, dass Sie sich etwas merken. Der Himmel ist gar nicht soweit weg, wie alle sagen. Wir brauchen uns nicht voneinander zu verabschieden." Er blickte sie an und erkannte deutlich die Tränen in ihren Augen, die seine Worte verursachten. "Sam, ich möchte, dass Sie nicht weinen. Ich verspreche Ihnen, ich werde immer da sein."
Sam schluckte schwer und wäre am Liebsten zu ihm gegangen und hätte ihm gesagt, worüber sie sich die letzten Wochen klar geworden war. Doch sie wusste, dass es sinnlos war. Sie musste seinen und den Befehl des Generals befolgen. Sam versuchte, sich einzureden, dass er diese Dinge nur in seinem Fieberwahn gesagt hätte. Vielleicht war sein Anfall nur eine letzte Nachwirkung gewesen, ein Zufall weil er vielleicht zuviel geredet hatte. Während sie die Gänge von Ebene 17 entlangging, hämmerte sie sich künstliche Zuversicht ein und schaffte es, das Bild des Colonels aus ihrem Kopf zu bekommen. Sie bemerkte kaum, wie Janet aufgeregt auf sie zu rannte und ihr wild Fragen stellte. Wortfetzen drangen in Carters Gedanken. Janet sei bei einem Notfall gewesen, ein weiteres SG Team, schwere Verbrennungen... Hätte den Alarm gehört und war so schnell gekommen, wie es ging... Monoton gab Sam ihr Auskunft darüber, dass der Colonel es überstanden hätte und sie zum Gateraum müsse. Als Doktor Fraiser mitbekam, dass mit ihr im Moment wenig anzufangen war, setzte sie ihren Weg in Richtung des Krankenzimmers fort.
Carter hatte sich wieder einigermaßen gefasst, als sie bei ihrem Team angekommen war. Ihre Kraft reichte aus, um die Fassade des Majors vor sich aufzubauen und die notwendige Professionalität an den Tag zu legen. Der General wünschte ihnen viel Glück und gemeinsam durchschritten Daniel, Teal’c und Carter das Gate.


Ende Teil 1
Teil 2 by ZoeP
Author's Notes:
Direkter Anschluss an "A place nearby". Bitte wartet das Ende ab, bevor ihr mich deshalb beschimpft – wie gesagt, „es kommt alles anders“. Und der dritte Teil wird ein *klein* wenig optimistischer. Versprochen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz lieb bei meiner Betafee Saphy bedanken. Ein Kniefall gebührt auch allen, die mir Feedback zu dieser (und auch zu meinen anderen Storys) gegeben haben. Ich habe die FF zu einem Zeitpunkt begonnen (wie man vielleicht merkt), an dem es mir wirklich schlecht ging. Eure lieben Worte haben mir geholfen, die ganze Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Danke.
Ich widme diesen Teil Minnesota ;)
Nach all euren Bitten, diesen Stil und die Richtung des Plots beizubehalten, hoffe ich, ihr seid nicht enttäuscht, denn dieser Teil ist auf jeden Fall etwas anders, als der erste. Ich hatte überlegt, ihn komplett neu zu schreiben, aber mir war es wichtig, Sams Gefühle zu beschreiben. Ich hoffe, ihr lest trotzdem weiter.
A Place Nearby- Teil 2


”Major Carter, können Sie bitte kurz mal kommen?” Der laute Ruf von einem der Wissenschaftler holte sie in die Realität zurück. Wie schon so oft in den letzten Tagen, die sie auf diesem Planeten verbracht hatten, waren ihre Gedanken zu ganz anderen Dingen gewandert, als sie eigentlich sollten. Sie machte sich Sorgen um ihren Vorgesetzten und fand den Aufenthalt auf P3J-466 mehr als überflüssig. Seit SG1 vor zwei Wochen zu dem Forscherteam dazu gestoßen war, um Ihnen zu helfen, quälte sich Carter immer öfter mit Lustlosigkeit und Langeweile. Seufzend machte sie sich auf den Weg in die Richtung, aus der die Stimme kam. Doktor McWoyd, natürlich. Gab es eigentlich einen Tag, an dem er nicht irgendwelche Außerirdischen gesehen hatte?
"Was haben Sie denn heute gefunden, Doc?", meldete sich Carter und sah ihn fragend an.
"Nun ja...", druckste der Wissenschaftler herum. Er kannte das Getuschel seiner Kollegen, wenn er wieder etwas entdeckt hatte, dass sich dann doch nur als kleines Tier, herabfallendes Laubblatt oder einen seiner eigenen Männer entpuppte. "Ich glaube, es war doch nichts." Hastig schob er seine Brille auf der Nase zurecht und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Sam wandte sich von ihm ab und schickte Daniel einen genervten Blick zu, der ihm deutlich zu Verstehen gab, dass sie keinen Sinn in dieser gesamten Mission erkannte – sie und Teal’c waren die Einzigen, die hier nicht Archäologie studiert hatten. Daniel sah sie lächelnd an und stand dann auf, um zu ihr zu kommen.
"McWoyd?", erkundigte er sich. Sie nickte.
"Er treibt mich in den Wahnsinn mit seiner Paranoia." Die beiden gingen ein paar Schritte am Wald entlang, um sich die Beine zu vertreten. Daniel fand, dass es der richtige Zeitpunkt war, um sie auf diese Sache anzusprechen...
"Sagen Sie, Sam", begann er und zog seine Stirn in Falten. Ob er die richtigen Worte fand? Ein Versuch war es wert. "Kann es sein, dass Sie in letzter Zeit ein wenig... Hmm, abwesend sind?"
Sie blieb stehen und sah ihn fragend an. "Abwesend?"
"Na ja, ich meine, Sie arbeiten nicht mehr mit derselben Konzentration, wie früher." Als sie ihn seltsam anblickte, fügte er schnell hinzu: "Ich meine damit nicht, dass Sie ihre Arbeit nicht gut machen. Aber irgendetwas ist eben anders."
Carter nickte. "Ich habe ja auch ein Team anzuführen."
Daniel wiegte seinen Kopf hin und her. "Das meine ich nicht, Sam. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, Sie verhalten sich, als hätten Sie einen heimlichen Freund." So. Jetzt war es raus. Er rechnete wirklich mit Vielem. Vielleicht würde sie ihn auslachen, wütend und mit einem Was-geht-Sie-mein-Privatleben-an-Blick anblaffen oder wortlos alleine hier stehen lassen. Doch alles was Sam tat, war, ihn einfach nur ungläubig zu mustern.
"Daniel?"
"Ja?"
"Wann waren Sie das letzte Mal bei Doktor Fraiser?"
Daniel lachte. "Daraus schließe ich, dass ich mich geirrt habe? Das dachte ich mir schon... Es war ja auch nur so eine Vermutung." Er fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Wie hatte er auch nur auf so eine dumme Idee kommen können?
"Ist schon gut, Daniel", beruhigte ihn Sam und legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. "Ich bin wirklich etwas angespannt in letzter Zeit. Die letzten zwei Wochen auf diesem Planeten waren nicht gerade aufregend und ich fühle mich das erste Mal überflüssig zwischen all diesen Geschichtsexperten und Archäologen. Nichts für Ungut", fügte sie noch hinzu, während sie ihren Blick langsam über das Gelände wandern ließ. Er war ja schließlich auch einer von ihnen. Daniel lächelte sie warmherzig an.
"Es tut mir Leid, dass es nicht so schnell vorwärts geht, wie anfangs geplant. Aber vielleicht tröstet es Sie, zu wissen, dass Teal’c auch nicht gerade vom Tatendrang gepackt ist."
Sam musste bei dem Gedanken an den Jaffa schmunzeln. Er saß seit zwei Tagen auf seinem Wachposten – einem kleinen Felsen, der etwas höher lag und einen guten Überblick gewährleistete. Seine Antworten fielen noch knapper aus, als sonst. Sam hatte das Gefühl, dass sie nicht die Einzige war, die den Colonel vermisste. Vermisste? Ja... Sie war inzwischen so weit, dass sie fast alles irgendwie mit ihm in Verbindung brachte. Und sei es eine ihrer Meinung nach fehlende sarkastische Antwort auf die teilweise wirklich dämlichen Fragen der Ausgräber.
Ohne, dass sie es bemerkt hatte, war sie zurück zum Lager geschlendert. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es Zeit war für den täglichen Bericht bei General Hammond.
Als sich der Ereignishorizont vor ihr aufgebaut hatte, stellte sie eine Funkverbindung zum Stargatecenter her und wartete auf Antwort.
"Hier Sergeant Siler. Funkt läuft auf dritter Frequenz und ist stabil. Übergebe an General Hammond."
Carter konnte das Gesicht ihres Vorgesetzten auf dem kleinen Monitor erkennen.
"Schön Sie zu sehen, Major Carter. Gibt es etwas Neues, von dem ich wissen müsste?"
"Nein, Sir. Die Arbeit geht nach wie vor schleppend voran. Weiterhin keine drohende Gefahr im Umkreis von hundert Meilen entdeckt, wie zu erwarten."
"Das dachte ich mir schon. Allerdings habe ich heute Nachrichten für das SG1 Team." Er räusperte sich kurz und bedachte sie mit einem Blick, den Sam nicht zu deuten wusste. Dann bemerkte sie, dass Daniel hinter ihr aufgetaucht war.
"General..." Er begrüßte ihn mit einem kurzen Nicken.
"Hallo Doktor Jackson. Dann kann ich Ihnen beiden zusammen die gute Nachricht überbringen." Ein erneutes Räuspern war zu hören. Sams Herz machte einen kleinen Hüpfer – eigentlich konnte es überhaupt nur eine einzige gute Nachricht geben...
"Sir?", hakte Sam vorsichtig nach, als der General zu zögern schien.
"Also, ich kann Ihnen beiden offiziell mitteilen, dass Colonel O’Neill heute Nacht von seiner Mission zurückgekehrt ist und auf die Ankunft seines Teams auf der Erde wartet." Erneut widmete er Sam einen undefinierbaren Blick. Sie musste sich zusammenreißen, um das Gefühl der Erleichterung, das über ihr hereinbrach, nicht allzu deutlich zu zeigen.
"Vielen Dank für die Mitteilung, Sir." Sam schenkte ihm ein warmes Lächeln, denn sie wusste, dass ihm ihre Besorgnis doch nicht verborgen geblieben war. Jedoch konnte es in seinen Augen nicht anders aussehen, als die durchaus menschliche Sorge, die sich ein Major um seinen Vorgesetzten macht.
Der General nickte den Beiden zu und brach die Verbindung ab.
Daniel löste sich aus seiner Hockposition und streckte sich. "Na, das sind doch mal wirklich gute Neuigkeiten."
Sam grinste und ein erleichtertes "Ja" kam über ihre Lippen.


***


Schleppende vier Wochen waren vergangen, bis Daniel endlich die Mitteilung machen konnte, dass sie aufbruchsbereit waren. Als hätte sie diese Szene in Gedanken schon tausendmal durchgespielt, erteilte Sam den Befehl, die Zelte zusammenzupacken, die Gerätschaften auf der F.R.E.D. zu verstauen und den Rückweg zum Tor anzutreten. Die letzten Minuten konnte es ihr gar nicht schnell genug gehen. Sie zog mit dem Fuß kleine Kreise in den staubigen Untergrund und biss sich ab und zu auf die Unterlippe, um nicht einen scharfen Kommentar von sich zu geben, wenn einer der Wissenschaftler ihrer Meinung nach bummelte. Sie konnten ja schließlich auch nichts dafür, dass sie so ungeduldig war.
Am Liebsten wäre sie als erste durch den Ereignishorizont gegangen, doch sie war der Kommandant dieser Mission und hatte die Pflicht als letzte zurückzukehren, um sicherzugehen, dass es auch alle geschafft hatten. Gespannt, als wäre es das erste Mal, beobachtete sie die F.R.E.D., wie sie in den blauen Wellen verschwand und die Wissenschaftler es ihr gleichtaten. Schließlich durchschritt auch Sam das Tor.
Auf der anderen Seite angelangt sog sie zwanghaft tief die Luft um sich herum ein, eines der weniger angenehmen Phänomene, die eine Reise durch das Gate mit sich brachte. Hinter ihr fiel der Ereignishorizont in sich zusammen.
"Willkommen zu Hause", begrüßte General Hammond seine Leute. Er ließ seinen Blick kontrollierend über die Ankömmlinge schweifen und blieb kurz bei Carter hängen, doch sie bemerkte es nicht. "Ich erwarte die Leiter der einzelnen Gruppen in einer Stunde zur Besprechung. Major Carter, Sie folgen mir bitte sofort in mein Büro."
"Aber Sir, ich wollte vorher noch...", widersprach Sam, wurde jedoch durch eine rasche Handbewegung des Generals unterbrochen.
"Sofort", betonte er und bahnte sich einen Weg durch die Wissenschaftler, die gerade dabei waren, ihre Instrumente von der F.R.E.D. zu laden. Carter seufzte und folgte Hammond. Als sie in seinem Büro angelangt waren, schloss er hinter ihr die Tür und wandte sich von ihr ab, den Blick starr auf die Glasscheibe gerichtet, die sie vom Besprechungsraum trennte. Er holte tief Luft, doch Carter kam ihm zuvor.
"Sir, bei allem Respekt, ich hatte erwartet, erst noch Duschen zu dürfen und..." Sie stockte.
"Sie wollten dem Colonel einen Besuch abstatten", vollendete der General ihren Satz. Er drehte sich zu ihr herum und erst jetzt bemerkte Sam die Ringe unter seinen Augen. Sie verlagerte unruhig ihr Gewicht und legte fragend die Stirn in Falten. "Sir?"
"Genau darüber muss ich mit Ihnen reden, Major." Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. "Jack O’Neill beantragte unbegrenzten Urlaub, nachdem Doktor Fraiser ihn von der Krankenstation entlassen hatte. Ich genehmigte ihm eine Woche. Vor drei Tagen erreichte uns die Nachricht, dass..." Seine Stimme zitterte fast unmerklich und er griff mit den Händen nach der Tischplatte. Sam trat instinktiv einen Schritt auf ihn zu, doch er hob abwehrend die Hand, fasste sich und sah sie seufzend an. "Colonel Jonathan O’Neill von der United States Air Force hat vor drei Tagen Selbstmord begangen.”
Sams Augen weiteten sich. Sie fühlte, wie ihre Knie weich wurden, noch bevor sie die Worte wirklich begreifen konnte. Er hatte... sich umgebracht? Aber wieso...
"Das ist ein Scherz, Sir?" Sie wusste, dass es das nicht war, doch es kam ihr wie von selbst über die Lippen. Der General sah sie an und sie erfasste die Tragweite seiner Worte an dem Ausdruck in seinen Augen. Er war tot. Ihr Vorgesetzter Colonel Jack O’Neill war tot. Einfach so. Und er hatte es selbst gewollt... Gott, nein, das durfte nicht wahr sein. Sam spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Das musste ein schlechter Traum sein, es musste einfach.
"Und wie...?" Sie stand noch immer regungslos da, den Blick auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne gerichtet. General Hammond senkte seinen Blick, seufzte tief und sah sie dann unschlüssig an.
"Ein Mitglied von SG 12 wollte nach ihm sehen – sie kannten sich von früher. Der Leutnant hat ihn in seiner Wohnung aufgefunden... Erschossen, mit der eigenen Waffe."
Sam hatte das Gefühl, dass sich ihr Magen herumdrehen würde. Die Vorstellung, den Colonel so vorzufinden... Sie blinzelte ein paar mal, um das Bild loszuwerden.
"Und Sie sind sicher, Sir, das es Selbstmord war? Ich meine..." Sie brach ab, wollten den Gedanken gar nicht zuende führen.
"Der Fall wurde gründlich untersucht. Es steht eindeutig fest, dass er es so... gewollt hatte. Aus seinem Abschiedsbrief geht eindeutig hervor, dass..."
"Er hat einen Abschiedsbrief geschrieben?" Sams Stimme überschlug sich fast.
"Ja." Ein leichtes Nicken folgte seinen Worten, er holte ein Dokument aus einer seiner Schreibtischschubladen und reichte es ihr wortlos. Sam las sich die Zeilen durch und ihre Augen weiteten sich. Es war seine Handschrift. Es waren seine Worte, seine Art, zu sprechen... Und es tat weh. Sie ließ das Blatt sinken und nickte. Er war tot. Tot. Fort – einfach so. Und vor wenigen Wochen hatte sie noch um sein Überleben gekämpft. Alles nur dafür, das er sich jetzt das Leben nahm? Das machte doch keinen Sinn. Es... Es war egal, er war tot.
Wie in Trance verließ sie Hammonds Büro. Ihre Beine trugen sie zu den Umkleiden, sie tauschte ihre Uniform gegen Zivilkleidung ein und schloss den Spind. Ihre Augen brannten, doch seltsamerweise stiegen keine Tränen in ihr hoch. Auf dem Weg zu den Fahrstühlen begegnete ihr Janet.
Die zierliche Ärztin stand ihr eine Weile einfach nur gegenüber, ohne ein Wort zu sagen, dann trat sie einen Schritt auf Sam zu und nahm sie in den Arm. Als sie die Verspannung ihrer Freundin bemerkte, unterbrach sie die Umarmung und sah ihr zweifelnd in die Augen. "Gott Sam..."
Sam schüttelte den Kopf und senkte den Blick. "Ich glaube, ich muss jetzt alleine sein." Sie presste die Lippen aufeinander. Janet nickte und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.
"Ich werde Hammond sagen, dass ich Sie zwei Wochen krankschreibe. Wenn Sie reden wollen..."
"Danke, Janet. Aber ich möchte wirklich lieber alleine sein", wiederholte sie.
"Gut", meinte die Ärztin und beobachtete misstrauisch, wie Sam in den Fahrstuhl stieg und sich die Türen schlossen. Auch an ihr war die Sache natürlich nicht spurlos vorbeigegangen. Sie litt sehr unter dem Tod des Colonels. Aber Sam... Sie hatte immerhin drei Jahre lang direkt mit ihm zusammen gearbeitet. Und gerade in den letzten Monaten hatte sie deutlich gespürt, dass da noch mehr war als bloße Zuneigung. Irgendetwas, was nicht greifbar war. Was keiner von ihnen beiden ausgesprochen hätte. Wie Sam manchmal, als sie an seinem Bett eingeschlafen war, seinen Namen geflüstert hatte, sprach Bände. Und jetzt? Sie hatte nicht einmal geweint. Janet machte sich ernsthafte Sorgen. Sam war nicht der Typ, der sich etwas antun würde, dazu war sie zu vernünftig... Aber – das war der Colonel schließlich auch gewesen.
Nein. Sam würde Zeit brauchen. Zeit, alleine zu sein. Und später Zeit, um reden zu können. Janet würde ihr diese Zeit geben. Ein einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über die Wange des Doktors, doch sie wischte sie energisch fort und ging festen Schrittes in ihr Labor.


***


Sam wusste später nicht mehr, wie sie die Fahrt nach Hause überstanden hatte. Sie wusste überhaupt nicht mehr, dass sie überhaupt nach Hause gefahren war. Lediglich das Auto, dass in der Einfahrt geparkt war, gab stumm Auskunft darüber. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Nur dagesessen und ins Leere gestarrt. War es möglich, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte? Und wenn sie heute zur Basis zurückkehren würde, kam ihr ein gutgelaunter Jack O’Neill entgegen und begrüßte sie mit einem seiner Sprüche. Seiner Sprüche, die sie nie mehr hören würde. Nein... Es war kein Traum. Es war real. Alles.
Sam stand auf und bemerkte, dass ihre Glieder völlig steif waren. Kein Wunder. Sie hatte ja auch nichts anderes getan, als mit dem Rücken zur Wand auf ihrem Bett zu sitzen und zu starren. Kein einziger Gedanke war da gewesen, nichts. Bloß kalte Leere. Ein Loch.
Müde und kraftlos ging Sam ins Bad und stellte die Dusche an, ließ das Wasser warmlaufen. Nach und nach landeten ihre Sachen auf dem Boden und sie stieg vorsichtig unter die Dusche. Das Wasser hatte eine angenehm warme, fast schon heiße Temperatur und hüllte sie sanft ein. Dampf füllte den Raum aus und brannte in ihren Augen, zwang Sam, sie zu schließen. Nachdem sie eine Weile einfach nur dagestanden und die reinigende, beruhigende Kraft der an ihr herabperlenden Tropfen zugelassen hatte, versuchte sie auch nicht mehr die Bilder zu verdrängen, die schmerzhaft einen Weg in ihr Gedächtnis zurück fanden. Sie sah den Colonel vor sich, wie er hustend und zusammengekrümmt in dem Krankenbett auf Ebene 17 lag und sie nichts tun konnte. Wie er sie ansah und sie darum bat, stark zu sein. Und jetzt hatte er sie alleine gelassen. Irgendetwas musste ihn doch dazu gebracht haben, sich ohne weiteres das Leben zu nehmen... In seinem Abschiedsbrief erklärte er in wenigen Worten, dass er keinen Sinn mehr darin sah. Es klang so ernst, so verzweifelt. Und sie fühlte sich dadurch so verletzt. Er sah keinen Sinn mehr darin, zu leben. Das bedeutete, dass auch sie ihm nicht hätte geben können, was er brauchte. Hätte er etwas für sie empfunden, dann würde er sie nicht einfach so zurücklassen...
Gott, er war weg. Erst jetzt, nachdem sie den Cheyenne Mountain Komplex hinter sich gelassen, eine schlaflose Nacht ohne Emotionen verbracht hatte und hier unter der Dusche stand, nichts um sich herum, als das monotone Rauschen des fließenden Wassers... Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nicht nur ihren Vorgesetzten, nicht nur Colonel O’Neill verloren hatte. Nein, auch der Mann, den sie liebte und um dessen Leben sie gekämpft hatte, war gestorben. Sie würde ihn nie wieder sehen. Sie würde nie wieder in seine wundervollen dunkelbraunen Augen blicken können oder eine von seinen sarkastischen Bemerkungen hören. Nie wieder. Das klang so unfair, so endgültig.
Sam schlug sich die Hände vor ihr Gesicht und begann hemmungslos zu schluchzen. Ihre Knie drohten, unter ihr nachzugeben und sie ließ sich langsam an der Wand entlang auf den kalten, gefliesten Boden sinken. Das Wasser rann ihren Rücken hinunter, während sie mit beiden Armen fest ihre Beine umschlang und ihre Stirn dagegen lehnte. Es vermischte sich mit den Tränen, die sie nun nicht mehr zurückhalten konnte. Sam begann, sich langsam vor und zurück zu wiegen. Sie wusste nicht, wie lange sie so dasaß und erfolglos versuchte, den Schmerz zu verbannen, auszusperren. Er war da und sie konnte nichts tun, als ihn zu ertragen. Hinzunehmen. Immer wieder wurde sie von neuen Weinkrämpfen geschüttelt, die ihr das Atmen erschwerten und ein Brennen in ihren Augen hinterließen. In ihrem Herzen.
Nach dem dritten Anlauf gelang es ihr, sich aufzurichten, das Wasser abzudrehen und sich in einen Bademantel zu wickeln. Er war weiß und wohltuend weich, schien nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre geschundene Seele sanft einzuhüllen. Sam rieb sich die Arme, um irgendwie wieder Wärme in ihren ausgekühlten Körper zu bekommen. Doch dann begriff sie, dass die Kälte tief aus ihrem Inneren kam. Erschöpft ließ sie sich auf das Sofa sinken und winkelte seufzend ihre Beine an. Es war vollkommen still in ihrem Haus. Keine Uhr tickte. Kein Wasserhahn tropfte. Kein Kühlschrank brummte. Die Dunkelheit wirkte nicht unheimlich, sie gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Sie wurde müde und hatte Mühe, ihre Augen offen zu halten.
Plötzlich sprang Sam auf. Sie kniff die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können. Da stand jemand im Türrahmen und starrte sie an. Nein, er starrte nicht, er sah sie an, sanft, warm – und Sam hätte schwören können, dass sie diesen Gesichtsausdruck unter Tausenden wiedererkennen würde.
"Jack?" Ihre Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen.
"Hey", war seine Antwort.
Sie standen sich eine Weile einfach nur gegenüber. Dann trat Sam einen Schritt auf ihn zu, doch seltsamerweise kam sie ihm nicht näher.
"Jack?" Ihre Stirn schlug Falten und sie bekam eine unerklärliche Angst, die sofort in Panik umschlug, als sich Jack von ihr entfernte.
"Jack!", rief sie, diesmal laut und verzweifelt. Wie von selbst streckte sie ihre Hand nach ihm aus, doch auch so konnte sie ihm nicht näher kommen. Er schien sich aufzulösen, wie in einem Strudel, der ihn aufsaugte. Sam konnte sich nicht bewegen, sie war wie gelähmt.
"Jack!" Sie schnellte hoch und saß plötzlich senkrecht auf der Couch. Ihr Atem ging schnell und ihr Herz schlug hart gegen ihre Brust. Es war ein Traum. Sam versuchte, sich zu beruhigen, ihren Atem zu kontrollieren und ihren Puls zu senken. Nach einer Weile, in der sie einfach nur da gesessen und sich auf das Geräusch des Luftholens konzentriert hatte, ließ sie sich langsam wieder zurücksinken. Ihr Blick schweifte durch den Raum. Es war eindeutig ein Traum gewesen – da war niemand in ihrem Haus. Sie musste auf dem Sofa eingeschlafen sein. Es hatte doch so realistisch gewirkt... So wirklich. Seufzend versuchte sie, sich einzureden, dass es lediglich ein Versuch ihres Unterbewusstseins war, die schreckliche Nachricht über den Tod des Colonels zu verarbeiten. Doch dann begriff sie, dass das Gefühlschaos in ihr nicht nur aus Verzweiflung, Schmerz und Hilflosigkeit bestand. Da war noch ein anderes Gefühl, das gegen ihren Willen stärker zu werden drohte. Wut. Sam war wütend auf Jack, dass er es sich so einfach gemacht hatte. Dass er vor seinen Problemen weggelaufen war uns sie jetzt damit klar kommen musste. Er hatte dabei nicht einmal an sie gedacht, wie es ihr gehen könnte, was sie fühlen würde – wie schwer das für sie war. Er konnte gar nicht an sie gedacht haben. Und genau das gab ihr das Gefühl, dass sie ihm nichts bedeutete, dass ihre Zuneigung die ganze Zeit über einseitig gewesen war. Sam versuchte, den Ball aus Wut, der sich in ihrem Magen festgesetzt hatte, zu bekämpfen. Vergeblich. Aber sie wollte ihn nicht dafür hassen. Dazu waren ihre Gefühle für ihn zu stark. Sie durfte nicht zulassen, dass ein anderes Bild ihre Erinnerungen an ihn überdeckte.
Sam traf eine Entscheidung. Sie stand auf, ging in ihr Schlafzimmer und zog sich an. Irgendetwas musste sie tun.


***


Sein Haus war leer. Die Dunkelheit schien sie wie ein schweres Schild zu umgeben. Sam tastete nach dem Lichtschalter, fand ihn und war für einen kurzen Moment von der plötzlichen Helligkeit geblendet. Ihr Weg führte sie durch das Wohnzimmer hindurch in sein Schlafzimmer. Irgendwie war ihr seltsam zumute bei dem Gedanken, einfach so in sein Haus einzudringen. Doch dann hatte sie das Gefühl, Jack würde sie verstehen. Die Schlafzimmertür war noch immer mit dem Absperrungsband eines Sonderkommandos der Air Force versehen. Sam beachtete es nicht weiter, duckte sich darunter durch und stand eine Weile unschlüssig im Türrahmen. War es wirklich eine gute Idee gewesen, hierher zu kommen? Ein tiefes Durchatmen unterbrach für einen Moment die Stille. Dann durchquerte Sam mit wenigen Schritten den Raum und setzte sich auf die Bettkante. Noch immer wehrte sich etwas in ihr dagegen, seine Sachen zu durchsuchen, doch ihr Verstand gewann den Konflikt und sie zog die unterste Schublade aus seiner kleinen Kommode. Sie war gefüllt mit Akten. Sam nahm die oberste von dem Stapel. Missionsbericht P3X-797 stand in gedruckten Lettern auf der Mappe. Sam überlegte kurz. Das war ihre zweite Mission gewesen – die, auf der sich die Mitglieder von SG1 und beinahe das gesamte Stargatecenter an einer Seuche angesteckt hatten und während der sie... Sam holte tief Luft. Okay, sie war über ihn hergefallen. Aber es war nicht ihre Schuld gewesen. Na gut, ein bisschen hatte sie es vielleicht wirklich gewollt. Na schön, sie hatte es gewollt. Aber ohne unter dem Einfluss dieser verstärkten Hormone zu stehen, hätte sie das mit Sicherheit nie getan. Die zweite Mappe enthielt den Missionsbericht von P3X-995. Diesmal brauchte Sam nicht zu überlegen, um welche Mission es sich handelte. Der Colonel hatte sie oft genug damit aufgezogen, dass sie sich in betrunkenem Zustand beinahe in aller Öffentlichkeit ihrer Kleider entledigt hatte. Nach der dritten Mappe – Missionsbericht P3X-593, Planet der Shavadai – fiel Sam auf, dass es auf all diesen Missionen zu mehr oder weniger persönlichen Vorfällen zwischen ihr und dem Colonel gekommen war. In ihren Händen hielt sie die Berichte über ihren versehentlichen Aufenthalt in der Antarktis, den Vorfall als sie auf P8X-987 Cassandra gefunden hatten und sie schließlich mit ihr im Atombunker geblieben war, der Mission auf der Daniel in eine Parallelwelt geriet in der sie und Jack verheiratet waren. Sam nahm sich weitere Akten aus der Schublade und auch diese bestätigten ihre Vermutung. Ihr unfreiwilliger Einsatz als Sklaven in einem Bergbau, den Sam vielleicht nicht überlebt hätte, wenn Jack sie nicht immer wieder ermutigt, ihr geholfen und sie gestützt hätte, während Daniel unter dem Einfluss des Sarkophages stand und ihnen auch keine Hilfe war. Die trojanische Kugel die Jack beinahe das Leben gekostet hätte. Und schließlich der Bericht ihrer letzten gemeinsamen Mission, bevor Jack zu seinem Sonderauftrag aufgebrochen war: Ihre Gefangenschaft auf einem Goa'uld Schiff von Hathor, die Jack zu einem Wirt machen und die Erde angreifen wollte und dazu die Gedanken der SG1 Teammitglieder angezapft hatte. Jack hatte von allen Missionsberichten, in denen sie mehr miteinander zu tun hatten, als nur durch das Militär, in denen sie eine Freundschaft aufgebaut hatten, ein Exemplar aufgehoben. Sam war gerührt. Das konnte kein Zufall sein.
Nachdem sie die Akten wieder an ihren ursprünglichen Platz gelegt hatte, wandte sie sich der nächsten Schublade zu. Gepflegte und in einer für den Colonel unerwarteten Ordnung angeordnete National Geographics Hefte nahmen den gesamten Raum ein und ließen kein Platz für andere Dinge. Also schloss sie sie wieder und zog die oberste auf. In ihr befanden sich nur wenige Dinge. Ein kleiner Stapel Fotos und Jacks Armymarke – das war alles. Sam nahm die Fotos heraus und streifte das Gummiband ab, mit dem sie zusammengehalten waren. Die ersten Bilder zeigten Charlie, seinen Sohn. Er lächelte in die Kamera und zeigte stolz seinen Baseballschläger. Auf einem umarmte er einen Hundemischling und strahlte soviel kindliche Fröhlichkeit aus, dass Sam ihn sich lebhaft vorstellen konnte. Ihm folgten Bilder des SG1 Teams – in Zivilkleidung auf einer Feier in Jacks Garten. Sam konnte sich gut erinnern. Sie hatten gegrillt und Janet wollte unbedingt ein Foto von ihnen haben. Als Erinnerung. Um niemals die schönen Zeiten zu vergessen. Sam hatte damals nicht annährend geahnt, wie viel Wahrheit in ihren Worte steckte. Jetzt wusste sie es. Ein weiteres zeigte sie in etwas festlicherer Kleidung auf dem Geburtstag des Generals. Erinnerungen kamen in Sam hoch, lachende Gesichter, Scherze, ein Kompliment des Colonels über ihre Frisur und das Kleid, welches sie trug.
Das letzte Foto ließ Sam stutzen. Es zeigte sie, wie sie in einem Frühlingskleid und mit etwas längeren Haaren an einen Baum gelehnt stand und befreit in die Kamera lächelte. Sie brauchte eine Weile, um sich daran zu erinnern, wo diese Aufnahme gemacht worden war – während ihres letzten Urlaubs hatte sie die Basis für einen Tag verlassen, um etwas mit Cassandra zu unternehmen. Bei einem Spaziergang durch den Park holte Cassie dann ihre Kamera hervor und sie hatten aus Spaß ein paar Bilder gemacht. Doch wie kam der Colonel an dieses Foto?
Sam fand keine Erklärung. Sie drehte das Bild herum, um sich an das Datum zu erinnern. Doch stattdessen standen dort vier Zeilen und sie erkannte, dass es eindeutig Jacks Handschrift war.

Heaven is a place nearby, so I won't be so far away.
And if you try and look for me, maybe you'll find me someday.
Heaven is a place nearby, so there's no need to say goodbye.
I wanna ask you not to cry, I'll always be by your side.

Sam presste ihre Lippen aufeinander und schluckte. Das waren die Worte, die er auch schon auf der Krankenstation zu ihr gesagt hatte, kurz bevor sie zu dieser verdammten Mission nach P3J-466 aufbrechen musste. O Gott, vielleicht hatte er damals schon darüber nachgedacht, sich... Nein. Sam unterdrückte den Gedanken. Wenn es so gewesen wäre, dann hätte er doch nicht so sehr darum gekämpft, wieder gesund zu werden. Was machte das für einen Sinn? Sam seufzte resignierend und legte das Foto zurück zu den anderen. Sie zögerte kurz, doch dann nahm sie sich Jacks Armymarke und streifte sie sich über den Kopf. Es war nur ein unendlich kleiner Trost, aber vielleicht konnte sie so anfangen.
Anfangen, diesen Tag zu überstehen. Und wenn sie am nächsten Morgen aufwachen würde, dann konnte sie anfangen über den nächsten Tag nachzudenken. So würden die Tage vorbei gehen, einer nach dem anderen. Und was danach kam, war nicht wichtig, noch nicht. Nicht jetzt.


***


Verdammt, wo war sie?
Ihre Augen fühlten sich schwer an und es dauerte eine Weile, bis sie ihrem Gehirn wieder scharfe Bilder schickten. Sam blinzelte ein paar Mal und erinnerte sich dann. Sie musste eingeschlafen sein. Vorsichtig, als könnte plötzlich etwas Unvorhergesehenes passieren, ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Die Schublade stand noch immer offen, die Decke unter ihr war zerwühlt. Sonst sah alles genauso unberührt aus, wie vor... Sam sah auf die Uhr. Wie vor 7 Stunden. Hatte sie wirklich so lange geschlafen? Na ja, sie hatte immerhin einiges an Schlaf nachzuholen. Durch das Fenster fielen die ersten Sonnenstrahlen und tauchten einen Teil des Raumes in verwaschenes Gold. Noch etwas benommen stand Sam auf, strich die Tagesdecke glatt und schob die Schublade wieder ran. Dann verließ sie Jacks Haus, ohne sich noch einmal umzudrehen, fast schon fluchtartig. Sie schalt sich selbst für den Gedanken, dass sie das nicht gedurft hätte. Wer würde es ihr verbieten? Colonel O’Neill mit Sicherheit nicht. Und doch war es ihr, als hätte sie ihn verraten. Sam konzentrierte sich krampfhaft auf die Straße, weniger um keinen Fahrfehler zu machen. Vielmehr wollte sie mit aller Macht verhindern, an Jack zu denken.
Ihr eigenes Haus wirkte erschreckend kalt, als Sam ihr Auto davor parkte und es anschließend betrat. Sie war doch früher nicht so sentimental gewesen... Trotzdem kam es ihr vor, als hätten sich ihre Gefühle auf das Haus übertragen, würden es ausfüllen und jeden damit infizieren, der es betrat.
"Sam!", ermahnte sie sich halblaut. Sie musste etwas tun. Sie musste irgendetwas tun, um sich abzulenken. Ein leises Knurren ihres Magens unterbrach ihre Gedankengänge und erinnerte sie daran, dass sie schon ewig nichts mehr gegessen hatte. Eigentlich könnte sie sich mal wieder etwas kochen. Vielleicht war das für’s erste Ablenkung genug.
Sam war gerade dabei, einen Topf mit Wasser zu füllen und ihn auf den Herd zu stellen, als sie hinter sich plötzlich ein seltsames Geräusch vernahm. Sie drehte sich um und ließ vor Schreck den Topf fallen. Das laute Scheppern ließ sie erneut zusammenzucken.
"Nein." Sie sprach das Wort deutlich und klar aus, wie um sich selbst damit zu schützen. Ein paar tiefe Atemzüge ließen sie für einen winzigen Moment schwindlig werden – obwohl sie nicht sicher wusste, ob die Ursache nicht doch eher ihr Gegenüber war.
"Sam", meinte eine Stimme ruhig. Sie klang seltsam weich.
"Sir?", fragte sie unsicher. Sie musste träumen, so wie schon in der letzten Nacht. Sam versuchte krampfhaft, sich zu wecken. Wenn sie schon erkannt hatte, dass sie noch schlief, konnte es doch nicht so schwer sein aufzuwachen. Als sie sich jedoch auf die Unterlippe biss, weil nichts geschah, konnte sie den Schmerz spüren. Empfand man im Traum Schmerzen? Solche Schmerzen? Der rationale Teil in ihr schrie förmlich nach einem Nein.
"Sir?", wiederholte sie leise, fordernd, fragend. Dann begriff sie. "Das ist nicht echt, oder?"
"Nein", meinte der Jack, der dort vor ihr stand, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. "Das ist es nicht."
"Aber wieso..." Unbewusst suchte sie mit den Händen halt an der Tischplatte, auf der sich noch immer das Paket Nudeln befand, welches sie vor wenigen Minuten dort hin gelegt hatte. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
Jack schüttelte den Kopf. "Hör auf zu grübeln." Er kam einen Schritt auf sie zu. Sam wusste nicht, ob er tatsächlich ging oder ob er nicht vielmehr durch den Raum glitt, in einer einzigen fließenden Bewegung. "Hör auf nachzudenken."
Ihr Gesicht verzerrte sich zu einem Ausdruck von Verwirrung und Verzweiflung. Was war das hier, wenn es kein Traum war? Litt sie jetzt schon unter Halluzinationen? Ohne dass sie es wollte, wurden ihre Augen feucht. Erneut drohten Gefühlswellen, sie zu überrollen.
"Warum sehe ich Sie. Ich meine..." Sie stockte. Wie sollte sie einer Einbildung etwas beschreiben – oder andersherum, wie sollte eine Einbildung ihr eine vernünftige Antwort geben können?
"Gott, was ist hier los?"
Jack sah zu eine Weile Boden. Dann hob er seinen Kopf und blickte ihr direkt in die Augen. Es wirkte so echt. Sie konnte seinen Atem fühlen. Oder bildete sie sich das auch bloß ein? Seine Augen schienen sie zu fixieren, jeden Gedanken einfach aufzulösen. "Ich bin einfach da. Und ich kann nicht gehen."
"Das sollst du auch nicht!", meinte Sam plötzlich, lauter als sie gewollt hatte. "Sir", fügte sie rasch hinzu, als müsse sie sich vor ihm entschuldigen. Es war absurd. Sie entschuldigte sich bei... einer Halluzination!
"Ich dreh' durch", stellte sie fest. "Samantha Carter, Major der United States Air Force, dreht durch! Ich fass' es nicht!" Ihre Stimme wirkte hysterisch und sie fuhr sich hektisch mit einer Hand durch die Haare. Dann begann sie zu nicken und ihr kam eine Idee.
Janet. Sie würde ihr sicherlich helfen können. Vielleicht konnte sie ihr etwas dagegen verschreiben. Sie würde es sogar mit sehr großer Wahrscheinlichkeit können, aber... wollte sie, dass er verschwand? Sam blinzelte und sah ihn an. Er sah so echt aus. Vorsichtig streckte sie ihre Hand nach ihm aus. Ihre Fingerspitzen strichen über den Stoff seines T-Shirts. Sie zuckte zurück. Verdammt, sie konnte ihn fühlen! Hier stimmte etwas nicht.
"Colonel?"
Ein weiterer Blick traf sie. "Geh zu Janet", meinte er.
"Woher..." Sam beendete ihre Frage nicht. Er wusste, was sie dachte? Natürlich wusste er es.
"Und wenn nicht?" Oh, fein. Jetzt fing sie schon an, mit ihrer Einbildung zu diskutieren. Wie sie es mit Jack früher getan hatte, fügte sie bitter hinzu. "Na schön", seufzte Sam resignierend. Das musste sie erst einmal verarbeiten. Sie atmete mit geschlossenen Augen erneut tief durch. Als sie sie wieder öffnete, war er verschwunden. Sam zog fragend ihre Augenbrauen nach oben, wusste jedoch, dass es sinnlos war. Nachdem sie das verschüttete Wasser aufgewischt und den Topf zurück in den Schrank gestellt hatte, schnappte sie sich ihre Jacke und machte sich auf den Weg ins Stargatecenter.
Die Straßen waren erstaunlich voll um diese Zeit. Kreuzung für Kreuzung musste Sam anhalten und darauf warten, dass sich die Schlangen vor ihr langsam auflösten. Zu viel Zeit, um nachzudenken. Zu viel Zeit, sich um zu entscheiden. Mit quietschenden Reifen wendete Sam den Wagen und beschleunigte stark. Sie wollte gar nicht zu Janet. Wollte sich nicht untersuchen lassen. Noch nicht. Vielleicht tauchte diese... Halluzination auf, damit sie den Schmerz verarbeiten konnte. Vielleicht war es eine Chance, die sie nur nutzen musste?
Sam wusste es nicht. Alles was sie wusste war, dass sie es wollte, diese Einbildung wollte – IHN wollte. Auch wenn er nicht echt war.
Ein schwacher Regen setzte ein und zwang Sam, sich stärker auf die Straße zu konzentrieren. Die Scheinwerfer schoben mit einem leisen Geräusch in monotonen Bewegungen das Wasser von der Scheibe und verdeutlichten ihr, wie schnell der Regen heftiger wurde. Eine einsame Papiertüte wurde vom Wind vor ihr über die Straße geweht und brachte sie instinktiv zum Bremsen. Es war nicht mehr weit, bis zu ihrem Haus. Als das Auto hielt und Sam ausstieg, wurde sie von einer kräftigen Windböe empfangen. In den paar Metern, die sie bis zu ihrer Tür zurücklegen musste, war sie vollkommen durchnässt. Doch es störte sie nicht, im Gegenteil. Sie hatte das Gefühl, sich zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr wieder verstanden zu fühlen.
"So ein Unsinn", murmelte sie halblaut. Als ob man sich vom Wetter verstanden fühlen konnte. Und doch war es, als würde das Unwetter ihre Stimmung widerspiegeln und ihr jegliches Gefühl rauben, sodass nichts als Leere zurückblieb. Und Leere war besser als Schmerz.
Hastig schloss Sam die Tür hinter sich und schaltete das Licht ein. Auf ihrem Weg ins Badezimmer hinterließ sie dunkle, nasse Spuren auf dem Teppich. Wasser trocknete. Die schweren, vollkommen durchweichten Sachen landeten achtlos in der Badewanne, um nicht auch noch Pfützen auf dem Badezimmerboden entsehen zu lassen, und wurden von einem weichen Flanellbademantel abgelöst, in den Sam sich einwickelte. Barfuß ging sie ins Wohnzimmer und blieb mitten im Raum stehen. Jetzt, wo das Licht die unwirkliche Stimmung der Dunkelheit nahm, kam ihr alles schon viel leichter vor. Sam entspannte sich. Sie war vollkommen ruhig. Und mit der plötzlichen Entspannung überkam sie auch die Kraftlosigkeit. Es hatte keinen Sinn, weiterhin die Nächte durchzumachen, nur, um nicht von Alpträumen geplagt zu werden. Ihr Körper verlangte Ruhe, er brauchte den Schlaf. Leise seufzend löschte Sam im Wohnzimmer das Licht und schloss die Schlafzimmertür hinter sich. Ihr Bett war einladend weich, ihr Rücken würde es ihm danken. Gerade, als sie ihren Arm nach der Nachttischlampe ausstreckte, tauchte er wieder auf.
"Hey."
Sam erschrak kurz, hielt in ihrer Bewegung inne und sah in die Richtung, aus der die Stimme kam. Er stand am Fußende ihres Bettes, die Hände in den Hosentaschen. Sam ließ den Arm sinken und seufzte tief.
"Darf ich jetzt nicht einmal mehr schlafen, ja?"
"Und ich dachte immer, Sarkasmus wäre mein Spezialgebiet." Er zuckte gleichmütig mit den Schultern und schlenderte, den Blick zu Boden gerichtet, zu ihr.
"Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, mich mit dir... mit einem Hirngespinst zu streiten."
"Nein, macht es nicht. Und du tust es trotzdem."
"Ach?"
"Siehst du." Er grinste. Für einen Moment vergaß Sam, dass er nicht echt war, und lächelte zurück. Dann wendete sie ihren Blick von ihm ab und biss sich auf die Unterlippe. Es entstand eine angespannte Stille.
"Warum bist du hier?" Ihre Worte waren nicht laut, und doch schienen sie die Luft wie ein scharfes Messer zu zerreißen.
"Ich weiß es nicht." Wieder zuckte er mit den Schultern. Dann setzte er sich zu ihr an die Bettkante und legte einen Arm auf ihre Schulter. Es war ihr unangenehm. Weniger die Berührung selbst, als vielmehr der Gedanke, dass es sich gut anfühlte. Er war ihr Vorge... Nein. Er war tot. Und niemand konnte ihr vorwerfen, dass sie die Berührung einer Einbildung genoss. Auch wenn es verrückt war.
Ein Seufzer entwich ihr und sie sah ihn mit einem schmerzverzerrtem Blick an.
"Ich kann das nicht."
"Doch." Er sah sie liebevoll und durchdringend an. Sam schüttelte den Kopf.
"Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Ich meine, wir haben jetzt drei Jahre zusammengearbeitet – Tag für Tag. Wir waren zusammen auf gefährlichen Missionen, haben mehr als einmal in Lebensgefahr geschwebt und es überstanden. Gemeinsam. Und jetzt soll ich einfach weitermachen? Ich..." Ihre Stimme versagte.
Jack sagte nichts. Er zog Sam zu sich und streichelte ihr sanft über die Haare, strich ihr mit dem Daumen die Tränen aus dem Gesicht, wiegte sie beruhigend hin und her.
Nach einer Weile löste sie sich von ihm und nickte stumm. Jack stand auf und sie wusste, dass er jetzt gehen würde. Sie hatte verstanden. Er würde da sein, immer dann, wenn sie ihn brauchte. Er war nicht echt. Es war auch kein Weg, über den Schmerz hinweg zu kommen. Aber es fühlte sich gut an. Und das war alles, was sie jetzt brauchte.
Sam ließ sich in ihr Kissen zurücksinken und atmete tief durch. Als sie sich noch einmal nach ihm umdrehte, war er verschwunden.

Ende Teil 2
Teil 3 by ZoeP
Author's Notes:
Den allergrößten Dank an LittleSGFreak. Was hätte ich nur ohne dich gemacht;)
Ich weiß, dass viele Dinge in diesem Abschnitt klein und unwichtig wirken, aber genau darauf kam es mir an. Jeder geht mit Trauer anders um. Und ich lasse Sam den Weg gehen, der mich damals zurück ins Leben geführt hat: Kleine Schritte.
A Place Nearby - Teil 3


Es waren drei Tage vergangen, seit jener Nacht, in der die Halluzination das erste Mal aufgetaucht war. Sam hatte sich inzwischen für zwei Wochen beurlauben lassen, in der Hoffnung, dass sie danach die Kraft fand, zu Janet zu gehen. Heute wollte sie anfangen, ihre Küche aufzuräumen und vielleicht auch ihren Kleiderschrank. Oder sollte sie doch lieber damit anfangen? Sam seufzte und öffnete die Schranktüren. Dahinter befanden sich mehrere ordentlich zusammengelegte Wäschestapel und ebenso ordentlich aufgehängte Blusen und Jacken. Wahllos nahm sie ein paar Kleiderbügel heraus, nur um sie gleich wieder hineinzuhängen. Nach welchen Kriterien wollte sie eigentlich Sachen aussortieren?
Sie entschied sich, doch mit der Garage anzufangen. Es dauerte kaum eine Stunde, und auf dem Platz davor stapelten sich Kisten, Kartons und alte Möbel. Sam begann, sich eine Liste anzulegen und jedes Teil mit einem Zettel zu markieren - Dinge, die sie behalten wollte, und Gerümpel, dass auf den Sperrmüll konnte. Es war bereits später Nachmittag, als sie sich mit einem tiefen Seufzer den Schweiß von der Stirn wischte und die Garageneinfahrt nicht mehr mit Kartontürmen zugestellt war. Jetzt passte immerhin ihr Auto hier rein. Wie es ja bei ihrem Einzug auch geplant gewesen war. Mit einem kräftigen Ruck zog sie von innen das Garagentor nach unten und es wurde dunkler in dem kleinen Raum. Sam ging zur Tür und wollte gerade das Licht ausknipsen, als ihr das alte Paket wieder einfiel, dass sie gleich zu Beginn ihrer Räumaktion gefunden und neben der Tür abgestellt hatte. Vorsichtig nahm sie es mit ins Wohnzimmer. Sie wusste genau, was sich hinter dem braunen Packpapier verbarg. Behutsam öffnete sie den Knoten und streifte das Papier ab. Es war die alte Gitarre ihrer Mutter. Zärtlich strichen Sams Finger über das glatte, kastanienbraune Holz, fuhren sanft über die Saiten. Sam setzte sich auf die Couch und nahm die Gitarre auf den Schoß. Fast schon ehrfürchtig ließ sie ihren Daumen über die sechs Saiten gleiten und zuckte bei dem leisen Geräusch, welches sie verursachte, leicht zusammen. Sie stieß die Luft aus, hatte gar nicht registriert, dass sie sie angehalten hatte.
Bilder formten sich in ihrem Kopf, Erinnerungen kamen hoch. An ihrem letzten gemeinsamen Weihnachten hatte ihre Mutter ihr Lieder vorgespielt. Sie sah sie genau vor sich, die warmen, strahlenden blauen Augen, glaubte, die Stimme ihrer Mutter für einen winzigen Augenblick zu hören. Nach ihrem Tod hatte Sam Gitarrenunterricht genommen, im Internat. Zuerst hatte sie es für ihre Mutter getan, wie, um sie lebendig zu halten. Im Laufe der Jahre war es für sie zu einer Möglichkeit geworden, Gefühle auszudrücken, die sie nicht in Worte fassen konnte.
Wie in Trance begannen ihre Finger, sich auf die Saiten zu legen, zupften behutsam einige Töne. Ihre linke Hand griff in verschiedene Bundstäbe und plötzlich registrierte Sam, dass sie spielte. Es war ein trauriges Stück, sie erinnerte sich dunkel daran, wie ihre Lehrerin ihr die Rhythmik und Dynamik erklärt hatte. Sam wusste nicht, weshalb sie es noch spielen konnte, aber vielleicht war es wie mit Schwimmen und Lesen, man verlernt es einfach nicht.
Sam schloss ihre Augen und merkte, wie sie sich langsam entspannte. Ihre Finger schienen ein Eigenleben zu führen, spielten das Stück bis zum Ende, leise und zart. Ein hohles Klatschen ließ sie aufschrecken. Sie sah in die Richtung, aus der es kam, und seufzte. Jack stand erneut im Türrahmen.
"Du spielst schön."
Sam machte eine abwinkende Handbewegung. "Geh."
"Ich kann nicht. Das weißt du."
"Die letzten drei Tage warst du doch auch nicht da."
Jack zuckte mit den Schultern. "Meinst du nicht, es ist Zeit, zu Janet zu gehen? Sie hat Psychologie studiert..."
Sams Augenbrauen wanderten nach oben. "Willst du damit sagen, ich bin verrückt?"
Er sah sie grinsend an, blickte demonstrativ an sich herunter und dann wieder zu ihr. Sie seufzte.
"Klar bin ich das. Ich halluziniere."
Sie kniff die Augen zusammen und blinzelte ein paar Mal, doch er verschwand nicht. Auch vier weitere Versuche, die Augen zu schließen und zu öffnen, brachten nicht das gewünschte Ergebnis. Er stand immer noch im Türrahmen.
"Also schön. Ich gehe jetzt zu Janet. Und dann?"
"Das wirst du wissen, wenn du da bist."
"Danke." Sie zog eine Grimasse, legte dann die Gitarre beiseite und ging zu ihrem Auto. Jack war natürlich verschwunden, kurz bevor sie an der Tür gewesen war. Die Fahrt zum Cheyenne Mountain Komplex kam ihr ungewöhnlich lang vor. Doch diesmal kehrte sie nicht auf halbem Weg um.
Im Fahrstuhl, auf dem Weg nach unten, legte sie sich ein paar Worte zurecht. Sie wusste, dass es wenig Sinn machen würde, denn wenn sie vor Janet stand, war es bestimmt nicht so leicht, ihr alles zu erklären. Auf ihrem Weg zur Krankenstation begegneten ihr zwei Offiziere, und beide teilten Sam ihr Beileid mit. Sie nickte bloß und versuchte, sich zusammenzureißen.
Vor der Krankenstation angekommen, machte sie kurz halt, holte tief Luft und trat ein. Janet war überrascht.
"Sam. Ich dachte, Sie hätten sich zwei Wochen Urlaub genommen."
Carter nickte. "Ich... muss mit Ihnen reden."
Janet nickte ebenfalls. "Vielleicht sollten wir in mein Büro..."
"Nein." Sam schüttelte den Kopf. "Ich glaube, ich sollte mich untersuchen lassen."
Dr. Fraiser zog ihre Augenbrauen nach oben. "Heben Sie irgendwelche Schmerzen?"
Sam setzte sich auf eine der Untersuchungsliegen und Janet zog eines der fahrbaren Untersuchungstischchen zu sich.
"Nein, ich glaube, irgendetwas in meinem Kopf spielt verrückt. Ich... habe Halluzinationen." Sie senkte den Kopf.
"Halluzi...?" Janet hielt in der Bewegung inne. "Sind Sie sicher? Ich meine, Schatten oder Lichtspiele können leicht aussehen, wie etwas Reales."
"Aber nicht wie Colonel O'Neill." Sam hob den Kopf und sah Janet direkt in die Augen. Ihr fiel auf, dass die Ärztin blass war und dunkle Ringer unter den Augen hatte.
"Oh. Ich... verstehe. Wie lange... und vor allem... wie?"
Carter seufzte. War der Boden schon immer grau meliert gewesen? "Gleich am ersten Tag. Ich dachte erst, dass ich träume. Und dann tauchte er... es noch zweimal auf. Und heute wieder." Sie machte eine Pause und presste die Lippen aufeinander, schluckte. "Ich glaube, mein Unterbewusstsein hat das erschaffen, damit..."
"Damit Sie über den Tod des Colonels hinweg kommen können, ja." Janet nickte. "Sam, so etwas ist ganz normal."
"Normal?" Sie zog ihre Stirn in Falten.
"Ja." Die Ärztin notierte sich etwas auf ihrem Klemmbrett. "Das nennt man posttraumale Synapsenstörung. Ihr Gehirn wurde mit dem Stress nicht fertig und versucht nun, auf die Ursache zu reagieren. Und die ist... Colonel O'Neills Selbstmord."
Selbstmord. Sam hatte das Wort in Zusammenhang mit Jacks Tod nicht mehr benutzt. Es ließ noch immer leichte Wut in ihr aufflammen. Sie schluckte sie runter.
"Und wie werde ich das wieder los?"
"Da gibt es verschiedene Methoden, die jedoch alle noch recht unerforscht sind. Die geläufigste ist die Konfrontation."
"Ich soll mit ihm kämpfen?"
"Nein, natürlich nicht." Janet musste leicht schmunzeln. "Sie sollen sich mit ihm auseinandersetzen. Streiten Sie mit ihm, wenn er wieder auftaucht. Schimpfen Sie, sagen Sie alles, was Ihnen gerade einfällt, fragen Sie. Nur so können Sie Ordnung in Ihr Unterbewusstsein bringen."
Sam blickte sie immer noch zweifelnd an.
"Und vor allem: Lassen Sie ihn los."
Sam runzelte die Stirn. Wie meinte Janet das? Als hätte die Ärztin ihre Gedanken gelesen, meinte sie: "Es wird erst verschwinden, wenn Sie den Tod des Colonels verarbeiten. Sie müssen trauern, Sam."
Trauern. Das klang so schrecklich psychologisch. So weich. Und schwach. Sie wollte nicht schwach sein, hatte sich nach dem Tod ihrer Mutter geschworen, nie wieder schwach zu sein. Und trotzdem nickte sie.
"Können Sie mir vielleicht ein leichtes Schlafmittel verschreiben?"
"Natürlich." Sie ging zu einem Schreibtisch und suchte nach einem passenden Medikament. Sie drückte es Sam in die Hand. Diese bedankte sich nickend und wollte gerade gehen, als Janet sie noch kurz zurück hielt.
"Und Sam... Wenn es in einem Monat noch nicht weg ist, sollten Sie sich professionelle Hilfe suchen." Sie sah Sam eindringlich an.
"Mach ich, keine Sorgen."


***


"Also schön."
Sam seufzte.
Jack - oder besser gesagt, die Halluzination von ihm - stand grinsend an eine Wand gelehnt und sah ihr zu, wie sie eine Tasse Tee trank, um sich zu beruhigen.
"Wieso lässt du mich nicht einfach in Ruhe?"
"Das weißt du ganz genau."
"Ach, tue ich?" Provozieren. Ob das ein guter Weg war? Meinte Janet das mit Konfrontation? Einen Versuch war es wert.
"Du willst es nicht, so einfach."
"Oh, da irrst du dich. Ich möchte jetzt gerne meinen Tee trinken, es mir gemütlich machen und sonst nichts. Und das Ganze möglichst alleine!" Sie war lauter geworden, als sie beabsichtigt hatte.
Gespannt wartete Sam auf die Antwort, die er ihr sicher gleich entgegenschmettern würde, doch es kam nichts. Sie wurden von der Klingel unterbrochen. Jack löste sich in Sekundenbruchteilen auf.
"Na toll", murmelte Sam, schlurfte zur Tür und öffnete sie.
"Daniel."
"Sam."
"Hat Dr. Fraiser Sie geschickt?"
"N... Nein, eigentlich nicht. Ich wollte nur mal sehen, wie es Ihnen geht. Mit wem haben Sie gerade geredet?"
Sam rollte mit den Augen. "Mit niemandem."
"Oh."
"Kommen Sie doch rein. Einen Kamillentee wollen Sie sicher nicht."
"Nein, nicht wirklich."
Daniel sah sich in der Wohnung um, als glaubte er tatsächlich, Sam habe Besuch. Sam musste leise lächeln.
"Dann haben Sie also Selbstgespräche geführt?" Daniel ließ sich in einen der Sessel sinken.
Sam nickte zögernd.
"Das kam mir bei in den letzten Tagen auch oft vor. Manchmal rede ich mit einer Zimmerpflanze oder meinen Skulpturen, nur, um von der Stille nicht erdrückt zu werden." Er blickte zu Boden. Sam stieg die Röte ins Gesicht. Gott, wie hatte sie nur so unsensibel sein können - nicht nur sie hatte unter dem Verlust des Colonels zu leiden. Daniel und er waren immerhin gute Freunde gewesen. Sehr gute Freunde.
"Es tut mir Leid, Daniel."
"Mmh?" Er sah zu ihr auf.
"Wie... wie geht es Ihnen?"
Daniel nickte leicht. "Es geht mir... ich weiß nicht. Ich fühle mich nicht depressiv oder hilflos, wie nach Sha'res Tod. Ich bin irgendwie... wütend. Und taub."
"Taub?", wiederholte Sam fragend.
"Ja. So, als würde ich nicht mehr dazugehören. Zu dieser Welt, meine ich, in dieses Leben. Es ist, als würde ich uns alle von außen betrachten, mit einer Gleichgültigkeit, die mir Angst macht."
"Ich weiß, was Sie meinen", flüsterte Sam. "So ging es mir nach dem Tod meiner Mutter."
"Und wie geht es Ihnen jetzt?", wollte Daniel wissen. Sam zuckte mit den Schultern.
"Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Ich war heute bei Janet, und sie hat mir ein paar nützliche... Hinweise gegeben."
Wieder nickte Daniel nur. "Ich war auch schon bei ihr. Ich bewundere sie."
"Janet?"
"Ja. Sie ist so unglaublich stark. Immerhin hat sie auch drei Jahre lang mit Jack zusammengearbeitet."
"Ich frage mich auch, wie sie das schafft. Vielleicht hat sie als Ärztin mehr Erfahrung damit." Sie seufzte und rieb sich die Augen. "Daniel, es tut mir wirklich Leid, aber ich bin schrecklich müde. Vielleicht..."
"Oh. Schon klar." Daniel sprang auf. "Ich... ich habe mir auch Urlaub genommen. Sie finden mich in der Basis im Archiv. Ich dachte, ich könnte mich mal um ein paar alte Reliquien kümmern. Nur falls..."
"Falls ich mal reden möchte. Danke, Daniel." Sam lächelte und brachte ihn zur Tür. Vielleicht würde sie ihn wirklich mal besuchen kommen. Er war immerhin ein guter Freund. Und er war zu ihr gegangen, um nach ihr zu sehen. Sie war es ihm schuldig.


***


Die Tage vergingen, langsam, schleppend, als würde jemand mit aller Macht versuchen, sie festzuhalten. Sam schleppte sich mit ihnen vorwärts, Stück für Stück. Nachts lag sie oft wach, den Kopf völlig leer oder voll wirrer Gedanken, die sich nicht ordnen ließen. In solchen Nächten saß Jack an ihrem Bett und sie ließ sich von ihm trösten. Immer wieder fielen ihr Janets Worte ein, doch sie brachte nicht die Kraft auf, mit ihm zu streiten. Es tat zu gut, seine Nähe zu spüren, auch wenn sie nicht echt war. Sie wollte nicht auch noch dieses winzige Bisschen verlieren, dass ihr von ihm geblieben war. Es war ein Teufelskreislauf, und Sam wusste, dass sie ihm gar nicht entfliehen wollte.
Als die zwei Wochen vergangen waren, verlängerte sie ihren Urlaub auf unbestimmte Zeit. Tagsüber lenkte sie sich ab, spielte Gitarre, las oder sah sich Filme an, ab und zu bearbeitet sie alte Akten, ging ein paar Formeln durch und ließ die Ergebnisse regelmäßig von einem Boten abholen. Doch der Schlafmangel und ihr schwindender Appetit zehrten an ihren Kräften. Ihre Konzentration ließ nach. Und dann kam der Tag, an dem sie eine Entscheidung traf. So konnte es nicht weitergehen.
Sie hatte sich nur ein Glas Wasser holen wollen, und musste sich, um an das Glas zu kommen, auf die Zehenspitzen stellen. Dabei war ihr plötzlich schwindelig geworden und sie musste sich an der Tischkante festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Das Glas fiel zu Boden und zersprang in tausend Teile. Da begriff sie, dass jeder Versuch, sich weiter zurückzuziehen, sie nur tiefer in Depressionen drängte.
Wenn sie aus dem Strudel der Verzweiflung und Orientierungslosigkeit herausfinden wollte, dann musste sie etwas tun. Diese Einbildung war zu real geworden. Inzwischen vergaß sie sogar ab und zu, dass es nicht er war. Das musste sich ändern.
Sam schnappte sich ihre Jacke und verließ das Haus. Sie suchte sich ein gut besuchtes Café und wählte einen Platz in der Sonne. Es war Spätsommer, fast schon Herbst. Sam schloss die Augen und versuchte, sich auf die Gerüche in der Luft zu konzentrieren. Es roch nach Kaffe und Gras. Der Wind strich sanft durch die Bäume und einige Vögel in dem Park tanzen in ihm. Sam sog tief die Luft ein und mit ihr das Leben. Als sie die Augen öffnete, fühlte sie sich besser. Sie hatte den ersten Schritt getan. Sie war wieder unter Menschen. Menschen, die echt waren.
Ihr zweiter Schritt würde es sein, ihren Dienst wieder anzutreten. Und dann würde sie sich von Dr. Fraiser die Nummer einer Psychologin geben lassen. Sam wusste, dass sie alleine nicht damit fertig werden konnte. Sie brauchte Hilfe. Bei dieser Störung in ihren Gehirn handelte es sich nicht um eine vorübergehende Phase. Sie brauchte jemanden, der sich damit auskannte und wusste, was dagegen zu tun war.
Dieser Jack... Das war nicht der Jack, den sie gekannt hatte. Das war etwas, das ihr Unterbewusstsein erschaffen hatte - und es sah zwar aus wie Colonel O'Neill, aber... es redete zuviel. Jetzt, wo sie hier draußen war, sah sie das Ganze aus einer anderen Perspektive. Wieso war ihr das während ihren Gesprächen nicht schon eher aufgefallen? Er sagte stets, was sie hören wollte, tauchte genau dann auf, wenn sie ihn brauchte und er verstand sie. Sogar ihre physikalischen Ausführungen. So war Jack nie gewesen.
Sam zahlte und machte sich sofort auf den Weg in die Basis. Sie führte ein langes Gespräch mit General Hammond und bat darum, wieder arbeiten zu dürfen. Sie wollte noch nicht gleich wieder schwere Aufträge erfüllen, aber sie wollte zurück in den aktiven Dienst.
Noch am selben Tag ließ sie sich eine Termin bei einer gewissen Dr. Gray geben, deren Nummer sie von Janet erhalten hatte. Als sie Abends ins Bett ging, konnte sie das erste Mal seit langem wieder sofort einschlafen. Und Jack war nicht da. Ein flaues Gefühl beschlich Sam, aber sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie musste es einfach schaffen.


***


"Versuchen Sie, sich zu entspannen." Die Stimme der jungen Frau war angenehm warm.
Sam nickte, die Augen geschlossen. Sie saß in einem bequemen Behandlungssessel und wartete darauf, dass Dr. Gray etwas sagte. Die Ärztin war erstaunlich jung, doch sie machte einen ruhigen, sympathischen Eindruck, und das allein schon gab Sam das Gefühl, hier richtig zu sein.
"Wann haben die Bilder in ihrem Kopf angefangen?"
Sam atmete tief durch. Auf diese Frage hatte sie sich vorbereitet.
"Vor sechs Wochen beging mein Vorgesetzter Selbstmord. Noch am selben Abend, als ich es erfuhr, habe ich das erste Mal seine Gestalt gesehen. Richtig gesehen, meine ich. Als wäre sie echt."
Ein leises Kratzen gab Sam zu verstehen, dass sich Dr. Gray etwas notierte.
"Gab es besondere Situationen, in denen er auftauchte, oder kam das eher zufällig?"
"Nein. Ich denke, er... Sie nannten es 'er'?" Sam stutzte und musste sich daran erinnern, die Augen geschlossen zu halten. Es war schwer, ein Gespräch ohne Augenkontakt zu führen.
"Ja. Es handelt sich hier nicht einfach um eine Halluzination. Sie haben sich eine bestimmte Person, die eigenständig handelte, eingebildet. Die Ursache für diese vorübergehende Störung in ihren Nervenbahnen muss bei dieser Person liegen. Ich ziehe es aus psychologischen Gründen vor, sie auch als solche zu bezeichnen."
Sam nickte.
"Jedenfalls glaube ich, dass... er dann auftauchte, wenn ich mich besonders... mh... schlecht fühlte."
"Wenn Sie besonders einsam waren?"
"Ja."
"Hatten Sie eine besondere Beziehung zu Ihrem Vorgesetzten?"
Stille.
Sam leckte sich über die Lippen, weil sie sich plötzlich ungewöhnlich trocken anfühlten.
"Keine Sorge, nichts, was Sie sagen, wird diesen Raum verlassen, Samantha."
Es war seltsam, so angesprochen zu werden. Doch das gehörte zur Therapie.
"Ich würde es nicht direkt so bezeichnen. Wir haben drei Jahre zusammen gearbeitet. Dabei hat unser Team - wir bestehen... bestanden aus vier Leuten - einiges erlebt. Das hinterlässt seine Spuren."
"Ich verstehe."
Wie hatte sie das jetzt gemeint? Sam merkte, wie sie sich anspannte. Es war nicht leicht, mit jemandem über seine Probleme zu reden, der einem völlig fremd war.
"Ich denke, das ist genug für heute."
Sam öffnete die Augen und setzte sich auf. "Mehr wollen Sie nicht wissen?"
"Nicht heute." Die junge Frau lächelte warmherzig und reichte Sam einen Zettel. "Das ist ein Mittel, das einen entspannenden Einfluss auf die neuralen Nervenbahnen hat. Ich möchte, dass Sie jeden Abend direkt vor dem Schlafengehen eine Tablette davon nehmen. Allerdings sollten Sie auf jegliche Art Schlafmittel verzichten, das würde sonst die Wirkung des Medikamentes hemmen. Wir sehen uns dann übermorgen wieder."
Sam nickte, noch etwas benommen. "Auf Wiedersehen."


***


Als Sam am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich das erste Mal wieder lebendig. Sie war nicht schwach, übermüdet und leblos, auch die Morgendepression schien sie heute zu verschonen. Ihr Blick fiel auf das Foto, welches sie aus O'Neills Haus mitgenommen und in einem Bilderrahmen auf ihren Nachttisch platziert hatte. Mit der Rückseite nach oben, sodass sie die vier Zeilen lesen konnte, die er mit der Hand notiert hatte.
Erneut begann sie, zu grübeln. Es ergab noch immer keinen Sinn für sie, dass Jack ihr diese Worte bereits mitgeteilt hatte, bevor sie mit Daniel und Teal'c auf diesen Planeten gereist war. Und plötzlich fiel ihr etwas anderes wieder ein.
Und egal, was Sie erfahren, wenn Sie wieder hier sind, ich bin bei Ihnen, okay?
Damals hatte sie nicht gewusst, worauf er anspielen könnte, hatte gedacht, es wäre eine Folge seines Anfalls. Doch jetzt machte sich ein flaues, seltsames Gefühl in ihr breit. Irgendetwas stimmte hier nicht. Der Gedanke, der gleich nach der Nachricht über Jacks Selbstmord in ihrem Kopf dominiert hatte, wurde erneut laut.
Jack bringt sich nicht ohne Grund selbst um.
Nicht einfach so. Nicht, ohne dass etwas vorgefallen war. Es musste irgendetwas mit der geheimen Mission zu tun gehabt haben. Verdammt, was war passiert? Was hatte ihn so schlimm getroffen, dass er mit dem Gedanken daran nicht weiterleben wollte? Was hatte der General gesagt... Ein Lieutenant aus SG-12 hatte O'Neill gefunden. Sam beschloss, zu ihm zu fahren und mit ihm zu reden. Vielleicht war ihm etwas aufgefallen. Eine winzige Kleinigkeit, die ihr mehr verraten würde.


***


Das Klingeln des Telefons holte ihn unsanft aus seinen Überlegungen. Seufzend wischte er sich den Schweiß von der Stirn und griff danach. Sein erster Versuch, einen Laut von sich zu geben, scheiterte an seiner trockenen Kehle. Also nahm er einen Schluck des kostbaren Wassers aus dem Glas neben sich und atmete tief durch.
"O'Neill", meldete er sich schließlich.
"Johnson", erwiderte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Die Verbindung war schlecht, und das ständige Knacken zehrte an seinen sowieso schon überstrapazierten Nerven. Wieso hatte er sich darauf eingelassen?
"Johnson. Schön, von Ihnen zu hören. Was gibt's?"
Ein Räuspern drang zu ihm durch.
"Sir, nichts wirklich Wichtiges."
"Wenn es nicht wichtig wäre, dann hätten Sie mich nicht angerufen. Also, was ist?"
"Sir..." Stille. O'Neill atmete tief durch, um irgendwo in sich ein wenig Geduld zu finden.
"Major Carter war heute bei mir."
"Oh."
"Sir, Sie hat mich ausgefragt, über..."
"Darüber, wie Sie mich gefunden haben." Jack nickte. Er hatte gewusst, dass das passieren würde. Aber Johnson und er waren schon sehr lange befreundet und er war ein zuverlässiger, loyaler Soldat. Was also sollte so ungewöhnlich sein?
"Ich habe natürlich nur die Version wiederholt, die wir abgesprochen haben. Sir, darf ich offen sprechen?"
"Natürlich." Jack musste lächeln. Es war nicht einfach für ihn gewesen, als Jack damals schneller befördert worden war.
"Major Carter war in einem besorgniserregenden Zustand."
"Wie meinen Sie das?" Jack spannte sich an. Natürlich wusste er, dass es ihr momentan nicht gut gehen konnte, aber er hatte die letzten Wochen versucht, diesen Gedanken zu verdrängen und sich auf seine Mission zu konzentrieren. Jetzt machte sich das schlechte Gewissen erneut bemerkbar.
"Als Sie sich verabschiedete, fiel ihre Jacke herunter und einige Sachen lagen auf dem Boden verstreut. Ihr Schlüssel, der Peeper und so, Sie wissen schon. Mir ist dabei ein Zettel aufgefallen, eine Terminkarte. Ich dachte mir nichts weiter dabei, aber als ich den Namen darauf erkannte..."
"Johnson, was wollen Sie mir sagen?"
"Nun ja, es war eine Karte der Praxis von Evelin Gray."
"Und?"
"Jack, Evelin Gray ist eine anerkannte Psychologin für besonders schwere Fälle. Sie ist eine Bekannte von Doktor Fraiser und ich habe herausgefunden, dass Major Carter sich hat überweisen lassen."
Das war allerdings... hart.
"Eine Psychologin, sagten Sie?"
"Ja, Sir."
"Verdammt."
"Wie bitte?"
"Nichts, Johnson. Ich danke Ihnen, dass Sie mich darüber informiert haben. Bitte behalten Sie Carter und auch Doktor Jackson ein wenig im Auge. Ich werde morgen weiter nach Süden müssen und dort das Telefon aus Sicherheitsgründen nicht benutzen können."
"Ja, Sir. Viel Glück."
"Danke."
"Sir..."
"Was gibt es noch?"
"Ich weiß, Sie dürften eigentlich nicht darüber reden, aber... Kriegen Sie die dran?"
"Sie haben Recht Johnson, ich darf nicht darüber reden. Ich habe Ihnen schon viel mehr erzählt, als man mir gestattet hatte."
Johnson seufzte verstehend.
"Aber Johnson..." Jack grinste müde.
"Sir?"
"Wissen Sie, es gibt da so eine Mission, eine ganz unwichtige, vielleicht haben Sie davon gehört..."
"Sie meinen einen hypothetischen Fall?"
"Meinetwegen."
"Sicher hab' ich davon gehört." Auch aus Johnsons Stimme war ein Grinsen zu hören.
"Na ja... Und der kommandierende Offizier scheint ziemlich zuversichtlich zu sein. Es ist alles nur eine Frage der Zeit."
"Ich denke, dass würde die Freunde dieses Offiziers freuen. Allerdings frage ich mich auch, wie lange das eigentliche Team dieses Offiziers das noch durchhält."
"Vorsicht, Johnson, wir bewegen uns hier auf dünnem Eis."
"Ich weiß, Jack. Sieh zu, dass du da heil raus kommst. Und das sage ich als dein Freund."
"Danke." Jack nickte, obwohl er wusste, dass sein Gesprächspartner es nicht sehen konnte.
"Bis dann."
"Ja. Bis dann." Jack unterbrach die Verbindung und ließ den Hörer sinken. Ein tiefes Seufzen entwich ihm und füllte den Raum für einen kurzen Augenblick mit Jacks Resignation. Die letzten Wochen waren furchtbar gewesen. Wieso war es damals schiefgelaufen? Sicher, einer dieser kleinen schmierigen Typen von der anderen Seite hatte sie verraten. Aber er hätte einfach nicht angeschossen werden dürfen. Die Mission war gescheitert, die ganze Arbeit war umsonst gewesen. Und jetzt hatte er von vorne anfangen müssen. Zuerst dachte er, es würde ihm leicht fallen, seinen Selbstmord vorzutäuschen, denn er wäre ja nach zwei, höchstens drei Wochen wieder da. Doch jetzt waren bereist zwei Monate vergangen und er war der Organisation immer noch nicht näher gekommen.
In letzter Zeit schlich sich immer wieder dieser eine Gedanke in seinen Kopf: Aufgeben. Einfach alles hinschmeißen und zurückkehren. Dieses Versteckspiel war einfach unerträglich. Niemand in der Basis wusste davon, dass er noch lebte. Nicht einmal General Hammond. Was, wenn seine Kollegen und Freunde ihn vergaßen? In ihren Augen war er für immer aus ihrem Leben verschwunden - und es musste irgendwie weitergehen. Vielleicht hatte SG 1 längst einen neuen Colonel zugeteilt bekommen und der Alltag ging weiter. Ohne ihn.
Jack rieb sich die Augen und schüttelte energisch den Kopf. Er durfte so nicht denken. Er musste sich auf sein Ziel konzentrieren. Und vor allem darauf, warum er das hier tat.
Bilder formten sich in seinem Kopf. Erinnerungen drängten nach vorne. Er war damals noch Second Lieutenant gewesen und diente in einer Spezialeinheit unter einem Captain, dem er seine letzte Beförderung zu verdanken hatte. Johnson, damals noch First Lieutenant, war ebenfalls in dem Team gewesen.
Sie waren seit Monaten hinter einer Organisation her, die im Untergrund mit Waffen handelte und einem anonymen Hinweis nach einen terroristischen Angriff plante. Doch sie hatten es nie geschafft, sie auffliegen zu lassen. Am Tag des entscheidenden Einsatzes war Jacks Team in einen Hinterhalt geraten und eine Kettenreaktion wurde ausgelöst. Viele Soldaten starben, unter ihnen auch der Captain. An dem Tag hatten Johnson und O'Neill sich geschworen, dass sie ihn eines Tages rächen würden, dass sie es schaffen könnten, dem ein Ende zu setzen.
Und jetzt war es also so weit. Jack seufzte erneut. Es war viel Zeit vergangen. Die Organisation war gewachsen. Sie waren professioneller geworden. Gott, er musste es einfach schaffen.


***


Sam hatte bereits ihre achte Sitzung bei Dr. Gray.
War sie anfangs noch verspannt und nervös gewesen, wenn sie das Behandlungszimmer betreten hatte, so breitete sich jetzt jedes Mal ein Gefühl der Erleichterung in ihr aus. Die Halluzinationen waren noch nicht weg, und Sam hatte begriffen, dass sie Geduld brauchte, aber sie kamen nur noch in ganz bestimmten Momenten. Nachts, wenn sie mit einem schmerzenden Gefühl der Einsamkeit aufwachte, stand er plötzlich in ihrem Zimmer. Tagsüber war er schon seit drei Wochen nicht mehr da gewesen.
Bei ihrer dritten oder vierten Sitzung hatte Sam erwähnt, dass sie manchmal Gitarre spielen würde, um sich abzulenken. Dr. Gray hatte das sehr befürwortet und riet ihr, sich ein Publikum zu suchen, um dem Stau an Gefühlen, den Sam beim Spielen verarbeitete, ein Ventil zu geben. Anfangs hatte sie darüber gelacht und den Kopf geschüttelt. Doch dann hatte sie ernsthaft darüber nachgedacht und in letzter Zeit war da immer wieder ein kleiner Funken in ihren Gedanken, der sie nicht mehr los ließ.
Und so kam es dazu, dass sie eines Abends in eine Bar ging und einer Band beim Spielen zuhörte, die ihr Bruder ihr empfohlen hatte. Warum sollte sie das nicht tatsächlich mal versuchen? Am fünften Abend passte Sam den Saxophonspieler auf dem Weg zu seinem Auto ab. Sie atmete kurz tief durch und sprach ihn dann an. Sie erwähnte, dass sie die Schwester eines guten Freundes sei und kam sofort mit Ben ins Gespräch.
Sie gingen zurück in die Bar und Ben lud sie zu einem Drink ein. Die halbe Nacht sprachen sie über Sams Bruder, Bens Familie und die Band und Ben meinte schließlich, dass seine Jungs sicher nichts gegen weibliche Verstärkung hätten. Einen Versuch sei es Wert. Als Sam früh halb sechs ins Bett kam, ließ sie das Gespräch Revue passieren und konnte es immer noch nicht glauben. Das war irgendwie zu einfach gewesen. Schulterzuckend schaltete sie das Licht aus, beschloss noch, am nächsten Tag mit Evelin darüber zu reden und schlief schließlich ein. In dieser Nacht tauchte Jack das erste Mal weder in ihren Träumen noch in ihrer Vorstellung auf.


***


"Daniel, einen unbewohnten Planeten habe ich mir irgendwie anders vorgestellt."
"Sie meinen... unbewohnter?" Der Archäologe lächelte gequält und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Sam seufzte und schob die dichten Zweige des Gebüsches, hinter dem sie sich versteckt hatten, etwas auseinander, um das Geschehen besser verfolgen zu können. SG 3 hatte ihnen versichert, dass es kein Leben auf P9X-442 geben würde. Und jetzt entpuppte sich dieses Nichts als eine Reihe von Jaffa, deren Systemlord allem Anschein nach ebenso viel Interesse an der Naquadamine hatte, wie das Stargatecenter. Und das ausgerechnet auf ihrem ersten Außeneinsatz, seit ihrer Rückkehr in den aktiven Dienst und ihrer Ernennung zur vorübergehenden Kommandantin von SG-1.
"Und was schlagen Sie jetzt vor?" Daniels Stimme klang besorgt.
"Wir müssen zurück zum Gate und die Lage mit General Hammond besprechen. Teal'c, du gehst als erster, nach dir Daniel und ich gebe euch Rückendeckung." Ihr Flüstern war leise, aber bestimmt. Daniel nickte und machte sich nach Teal'c geduckt auf den Weg, bis er den schmalen Trampelpfad erreichte, den sie gekommen waren. Plötzlich hörte er ein lautes, hohes Zischen und neben ihm explodierte ein Baumstamm. Es dauerte eine Sekunde, ehe Daniel registrierte hatte, dass sie angegriffen wurden. Doch bevor die nächste Salve ihn treffen konnte, hatte Teal'c ihn in Deckung hinter eine kleinere Felsgruppe gezogen.
Sam folgte ihnen nur den Bruchteil einer Sekunde später.
Was sollten sie jetzt tun? Sam wusste, dass sie schnellstens eine Entscheidung treffen musste, denn die Jaffa würden sie in kurzer Zeit erreicht haben. Sollten sie hier bleiben und sie überraschen? Sollten sie zum Gate rennen? Welche der beiden Möglichkeiten war mit weniger Risiken verbunden? Sams Gehirn arbeitete auf Hochtouren und sie presste krampfhaft die Lippen aufeinander. Verdammt, was hätte Colonel O'Neill getan?
"Hey."
Sam blickte erschrocken auf. Da stand er, vor ihr, und grinste sie an, als wäre das alles nur ein böser Traum. Sam war nicht fähig, zu antworten oder sich aus ihrer Starre zu lösen.
"Was tust du hier, Sam?"
Wie meinte er das?
"Das ist nicht richtig. Du solltest nicht hier sein. Du solltest nicht da sein, wo du jetzt bist. Denk an dein Team."
Ihr Team... Verdammt.
"Verschwinde!" Ihre Stimme war lauter als beabsichtigt, doch sie bewirkte tatsächlich, dass die Einbildung sich auflöste. Sam atmete zweimal tief durch.
"Daniel, versuch, zum Tor zu gelangen. Teal'c und ich geben dir Deckung. Beeil dich."
Daniel nickte und hastete los, Carter und Teal'c im Rücken, die unentwegt feuerten. Gerade, als er die Lichtung erreichte, auf der das Tor stand, hatten die Jaffa sie erreicht und schleuderten die Salven ihrer Stabwaffen nach ihnen. Daniel schaffte es, an das DHD zu kommen und die Erde anzuwählen. Die anderen beiden Teammitglieder tauchten jetzt ebenfalls aus dem Wald auf und Sam schrie: "Lauf, Daniel!"
Daniel stolperte zum Gate, als er ein viel zu lautes Zischen hörte und ihn ein harter, heißer Schlag an der Schulter regelrecht durch das Tor schleuderte. Der Strudel riss ihn mit sich und in dem Moment, als er auf der anderen Seite ankam, schrie er vor Schmerzen auf. Die Welt um ihn herum wurde schwarz. Er bekam nicht mehr mit, wie Sam mit Teal'c hinter ihm durch das Tor kam und den Befehl zum schließen der Iris gab. Auch das Sanitätsteam, das ihn auf eine Trage hob und hektisch auf die Krankenstation brachte, nahm er nicht wahr.
"Sam, was ist passiert?" Janet hielt die Infusion hoch, an die sie Daniel angeschlossen hatte und prüfte im Laufen seinen Puls.
"Wir wurden von einigen Jaffa überrascht und Daniel wurde angeschossen, kurz bevor er den Ereignishorizont erreichte." Ihr Mund fühlte sich schrecklich trocken an und ihre Stimme war ein einziges heiseres Krächzen. Es war ihre Schuld. Sie hatte zu lange gezögert. Sie hatte durch ihre Halluzination das ganze Team gefährdet. Gott, was, wenn Daniel... Nein. Sie musste jetzt Ruhe bewahren.
"Janet, wie schlimm ist es?"
Die Ärztin schloss Daniel an einen Herzfrequenzmesser und ein Beatmungsgerät an. Sorgfältig entfernte sie den Stoff rund um die Einschussstelle und prüfte die Schusswunde. Dann seufzte sie tief und schüttelte erleichtern den Kopf.
"Die Wunde ist nicht sehr tief. Er hat Glück gehabt. Wir müssen die Stelle reinigen und desinfizieren, damit sich keine Infektion bildet."
Jetzt war es Sam, die erleichtern die Luft ausstieß. Völlig benommen verließ sie die Krankenstation, um sich bei General Hammond zu melden. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Daniel war noch einmal mit einer harmlosen Schusswunde davongekommen. Dieses Mal.
"General?" Sam klopfte an den Türrahmen.
"Treten Sie ein, Major Carter."
Sam setzte sich.
"Was ist da draußen passiert?"
"Sir, wird wurden von Goa'uld angegriffen. Daniel wurde angeschossen. Teal'c und ich sind unverletzt. Und bitte, Sir...", setzte Sam an, als Hammond eine Frage stellen wollte. Er nickte nur.
"Lassen Sie mich etwas erklären. Sicherlich hat Doktor Fraiser Sie darüber informiert, dass ich..."
"Dass Sie bei Dr. Gray in Behandlung sind, ja", unterbrach der General sie. "Und aus diesem Grund hatte ich Ihnen auch erst einmal Missionen mit geringerer Priorität und geringerem Risiko zugeteilt. Ich möchte, dass Sie eines wissen, Major. Ich denke nicht, dass das, was da draußen passiert ist, daran liegt, dass das Team von einem Major angeführt wurde."
"Danke Sir, aber mit allem Respekt, Sir, ich muss Ihnen widersprechen. Es war meine Schuld."
"Wie darf ich das verstehen?" Hammond verschränkte seine Arme und sah sie fragend an.
"Sir, mir ist auf P9X-442 etwas passiert, das mit dem Grund der Behandlung bei Dr. Gray zu tun hat. Eine Art... Anfall. Ich hatte nicht erwartet, dass mir das in Gegenwart anderer passieren könnte, weil dies bisher nie der Fall war. Aber Sir, solange ich nicht wieder völlig gesund bin, stelle ich für das Team ein Risiko dar. Wie sicher eine Mission auch immer aussehen mag, Dinge wie heute können auf jedem Planeten geschehen."
"Worauf wollen Sie hinaus, Major?"
"Sir, ich möchte erneut vom aktiven Dienst zurücktreten. Vorläufig auf unbestimmte Zeit. Ich weiß nicht, wie lange ich brauche, um diese Sache in den Griff zu bekommen, aber ich bin ein Major der Air Force und ich würde nicht als solcher handeln, wenn ich weiterhin andere Menschen in Gefahr bringe."
"Major, das ist..." Stille. Hammond räusperte sich und sah Sam eine Weile mit einem undefinierbaren Blick an. Dann nickte er und erhob sich. "Ich denke, Sie haben Recht. Ich werde Sie vorläufig aus dem aktiven Dienst zurückziehen. Sie können in dieser Zeit auf der Basis arbeiten. SG-1 wird für drei Wochen beurlaubt, ich werde in dieser Zeit nach zwei neuen Mitgliedern suchen."
"Danke, Sir."
Hammond nickte. "Wegtreten."


Ende Teil 3
Teil 4 by ZoeP
Author's Notes:
Und hier der nicht zu vergessende Dank an LittleSGFreak. Grüß die Koalas von mir ;)
Ich hoffe, ihr nehmt mir die Sache mit Jack nicht übel. Ich vermute mal, dass viele von euch die Entwicklung eher nicht mögen, aber hey, Geschmäcker sind verschieden.
A Place Nearby - Teil 4


"Hey, das war gar nicht mal so schlecht!" Der junge Mann mit dem braunen Pferdeschwanz klatschte zufrieden in die Hände.
Sam grinste und wurde rot. "Danke, Harry."
Sie lehnte die Gitarre gegen die Wand und ging zu den anderen Jungs. Ben nickte ihr grinsend zu. Sie hatte ihre erste Probe bei den 'Deepers' hinter sich und war leicht nervös. Harry, der Schlagzeuger, klopfte ihr auf die Schulter.
"Da hat Ben ja wirklich nicht übertrieben. Wo hast du das gelernt?"
Sam zuckte mit den Schultern. "Ich hatte als kleines Mädchen Unterricht."
"Na, ein Dank an den Lehrer des kleinen Mädchens." Der Bassist Tommy, der Jüngste in der Truppe, grinste nun ebenfalls. "Ich denke, noch ein paar Proben, und du kannst mit uns ins O'Malleys kommen."
Sams Augen weiteten sich. "Ihr meint, zu einem Auftritt? Nein. Ich, ich..."
"Ach komm schon, du willst uns doch nicht weis machen, dass du nur mal eben so zu uns gekommen bist."
"Nein", meinte sie leise. Ein Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln und gewann schließlich die Oberhand. "Danke, Jungs."
"Hätte nie gedacht, dass wir mal 'ne Lady im Team haben würden." Harry kratzte sich an der Nase. Ben trat neben Sam und legte ihr einen Arm um die Schulter.
"Jah, wenn ihr mich nicht hättet..."
Sam grinste und stieß ihm einen Ellenbogen in die Seite, sodass er sie loslassen musste. Ben tat, als wäre er schwer verwunden und torkelte theatralisch durch den Raum. "Das versteht man also unter einer Powerfrau. Wow."
"Es ist schon ziemlich spät, Jungs. Machen wir für heute Feierabend." Tommy verstaute sein Instrument in einer schwarzen Tasche.
Sam stimmte ihm nickend zu. "Ich muss dann auch mal. Macht's gut Jungs." Sie hob zum Abschied die Hand und ging dann zum Ausgang. Draußen sog sie tief die frische Abendluft ein. Es war kalt. Der Herbst hatte sich längst verabschiedet und war dem Winter gewichen. Nicht mehr lange, und der erste Frost würde über die Gegend einbrechen. Sam beschloss, noch einen Abstecher ins O'Malleys zu machen und vielleicht einen Kaffee zu trinken.
In dem Steakhouse empfing sie eine angenehme Wärme. Um diese Zeit war es hier besonders voll und auch dementsprechend laut. Sam suchte sich einen Platz am Tresen, legte ihre Jacke über den Barhocker und setzte sich. Ihre Finger trommelten leicht auf der Theke, bis sich der Barkeeper an sie wandte, die Augenbrauen hochzog und ihre Bestellung abwartete.
"Einen Kaffee. Schwarz und ohne Zucker."
"Koffeinfrei?"
Sie schüttelte den Kopf. Der Mann drehte sich um und füllte drei Gläser mit Bier ab, um sich dann ihrem Kaffee zuwenden zu können.
Sams Gedanken schweiften ab. Zu ihrem Gespräch mit Lieutenant Johnson, dem Mitglied von SG-12, der Colonel O'Neill in seiner Wohnung gefunden hatte. Leider hatte sie von ihm auch nicht mehr erfahren, als sie bereits wusste. Bei ihrer letzten Sitzung mit Dr. Gray waren sie auf Sams Zweifel zu sprechen gekommen, die Ungereimtheiten, die sie im Zusammenhang mit Jacks Selbstmord sah. Doch die Ärztin hatte sie überzeugt, die Sache ruhen zu lassen. Die Zweifel waren lediglich ein Zeichen, dass ihr ihr Unterbewusstsein noch immer versuchte, den Tod ihres Vorgesetzten zu verdrängen.
Sam seufzte und nahm ihren Kaffee entgegen.


***


Die Wochen vergingen.
Sam hatte ihren ersten Auftritt mit den Deepers, und trotz ihrer starken Nervosität wurde es ein wunderbarer Abend. Es war ein seltsames Gefühl, plötzlich nicht mehr unter den Zuschauern zu sitzen, sondern selbst ein Teil von dem zu sein, was sie früher nur aus der Ferne betrachtet hatte. Doch es fühlte sich gut an.
Tagsüber arbeitete sie in der Basis an mehr oder weniger wichtigen Projekten. Abends traf sie sich zur Probe mit den Jungs. Hätte sie früher vierundzwanzig Stunden im Stargatecenter verbracht, um einen Reaktor zu verbessern, Experimente zu überprüfen oder sonst etwas Lebenswichtiges zu tun, so war sie jetzt froh, auch mal abschalten zu können. Sie wusste nicht, ob der Tod von Jack oder die Erkenntnis, dass ihr Leben bisher nur aus Arbeit bestanden hatte, dafür verantwortlich war, aber sie hatte sich verändert. Sie hatte sich ein Leben neben dem Stargateprojekt aufgebaut. Und sie musste zugeben, dass ihr dieses Leben gefiel.
Bei den Auftritten wurde sie von mal zu mal routinierter. Je mehr Zeit verging, umso stärker wuchs sie in die Band hinein. Und sie fühlte sich wohl. Mit den Jungs verband sie eine lockere, unverbindliche Freundschaft und die gemeinsame Leidenschaft für Musik. Nicht mehr, und nicht weniger.
Dr. Gray befürwortete es, dass sie diesen Schritt gewagt hatte. Es war an einem grauen Februartag, als sie Sam mitteilte, dass sie in Zukunft auf die Medikamente verzichten konnte.
"Vielen Dank." Sam schenkte der Ärztin ein warmes Lächeln.
Die schüttelte den Kopf. "Danken Sie nicht mir. Es war Ihr Verdienst, dass Sie die Sache so schnell in den Griff bekommen haben. Es kann durchaus passieren, dass diese Einbildung noch einmal auftaucht, doch dagegen müssen Sie ganz allein ankämpfen. Die physischen Ursachen für die posttraumale Synapsenstörung sind beseitigt. Jetzt liegt es an Ihnen, wie stark ihre Psyche ist und wie lange sie braucht, um endgültig loszulassen. Dass es in den letzten Wochen nur noch selten geschah, ist ein gutes Zeichen. Ich glaube, ich kenne keinen Patienten der diese Nervenstörung in fünf Monaten losgeworden ist."
Sam nickte.
"Und was soll ich tun, wenn... es wieder passiert?"
"Versuchen Sie, sich mit ihm - stellvertretend für Ihr Unterbewusstsein - auseinander zu setzen. Beschimpfen Sie Ihn, streiten Sie. Wenn er beginnt, Sie auch anzuschreien, dann sind Sie auf dem besten Weg, denn das bedeutet, dass Ihr Unterbewusstsein sich davon trennt."
Ein erneutes Nicken war Sams Antwort. "Also dann."
"Wir sehen uns in zwei Wochen wieder. Viel Glück, Samantha."
"Danke. Bis dann."

Auf dem Heimweg erledigte Sam ein paar Einkäufe. Heute Abend war keine Probe, sie konnte sich also einen gemütlichen Fernsehabend gönnen. Vielleicht sollte sie auch mal wieder zeitig schlafen gehen, die letzten Wochen war sie erst spät ins Bett gekommen. Sie entschied sich gegen den Schlaf und nachdem sie die Einkäufe im Kühlschrank verstaut hatte, suchte sie im Wohnzimmer nach der Fernsehzeitung.
Die Medien mussten sich gegen sie verschworen haben. Neben drei Reality-Soaps und einer Kochsendung liefen jede Menge Comedyshows, ein Western und eine Romanze. Sam schaltete eine Weile zwischen den beiden Spielfilmen hin und her und als sie feststellte, dass sie den Western bereits kannte, blieb sie schließlich auf dem anderen Kanal. Sie war eigentlich kein Fan von Liebesfilmen, aber dennoch war ihr irgendwie danach. Vielleicht hätte sie das lieber nicht tun sollen, denn irgendwann begann ein Funken Selbstmitleid, sich in ihr Bewusstsein zu schleichen. Zuerst unterdrückte sie ihn, doch dann wurde er dominanter und zog eine Welle der Einsamkeit mit sich. Sam bemerkte, dass sie leicht zitterte. Eigentlich war es nicht kalt in ihrem Haus, doch ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie zog ihre Beine zu sich und angelte nach der Fernbedienung, um umzuschalten.
"Du bist ein kleiner Dummkopf, Sam."
Die Angesprochene fuhr erschrocken herum. "Verdammt, musst du mich immer so erschrecken?"
Die Einbildung zuckte mit den Schultern.
"Warum bist du hier?"
"Du warst einsam."
"War ich nicht", protestierte Sam, wusste jedoch genau, dass es stimmte.
Ein erneutes Schulterzucken seinerseits war die Antwort.
"Verschwinde", meinte Sam nur.
"Das hatten wir inzwischen zur Genüge."
"Eigentlich solltest du nicht mehr da sein. Meine Nervenbahnen sind in Ordnung."
"Aber hier drin", Jack deutete auf sein Herz, "stimmt noch nicht alles."
War der echte Jack jemals so kitschig gewesen? Wohl eher nicht. "Du musst es ja wissen."
"Du bist noch lange nicht darüber hinweg."
Sam sprang auf. "Ach, und was soll ich deiner Meinung nach noch alles tun? Ich bin zu Janet gegangen, habe eine Therapie gemacht. Nein, falsch, ich mache eine Therapie. Ich bin aus dem aktiven Dienst zurückgetreten, um mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Ich habe mit anderen Leuten über deinen Tot gesprochen, ich..."
"Du warst nicht einmal bei meiner Trauerfeier", meinte Jack, lauter, als sie es erwartet hätte.
Sam stand mit offenem Mund vor ihm, unfähig etwas zu erwidern. Eine Weile sah sie ihn nur an. Hatte er geschrieen, oder bildete sie sich das jetzt auch bloß ein? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Sie musste weiterkämpfen.
"Die Feier war zwei Wochen nachdem ich davon erfahren hatte. Ich war einfach nicht in der Lage, dahin zu gehen."
"Weil du es leugnest. Du verdrängst es, so wie du schon immer alles Schlechte verdrängt hast."
"Das ist nicht wahr", meinte sie, den Tränen nahe. "Ich leugne es nicht. Ich... ich habe nur meine Zeit gebraucht, um damit umzugehen."
"Aber du hast es noch nie ausgesprochen. Und solange du es dir nicht wieder und wieder bewusst machst, verdrängst du es."
Sams Augen weiteten sich. Sie wusste, was er meinte, und sie wusste ebenso genau, dass er Recht hatte.
"Sag es."
Sie ballte die Hände zu Fäusten. "Nein. Du bist nur eine Einbildung. Und ich werde nicht die Kontrolle verlieren."
"So, wie du nie die Kontrolle verlierst? Genau das ist doch der Grund, weshalb ich immer noch hier bin. Weil du es kontrollierst, weil du es nicht an dich heranlässt, weil du es verdrängst!"
"Nein! Jack ist tot und da gibt es nicht zu verdrängen..." Noch während sie es aussprach, drang es das erste Mal wirklich tief in ihr Bewusstsein. In ihrem Kopf hallten ihre eigenen Worte wider. 'Jack ist tot.'
Sie ließ die Hände sinken, mit denen sie eben noch wild gestikuliert hatte, und Tränen rannen über ihre Wangen. Es war, als wäre in ihr eine Mauer eingestürzt, die sie errichtet hatte, um den Schmerz nicht an sich heran zu lassen.
"Und... und jetzt?" Sie sah zu Jack auf, mit einem Ausdruck der Hilflosigkeit in den Augen.
"Jetzt werde ich gehen."
Sie nickte.
"Für immer. Du brauchst mich nicht mehr."
Sie wusste es, noch bevor er es ausgesprochen hatte. Ein zartes, fast kaum erkennbares Lächeln versuchte, die Tränen zu überdecken. "Doch. Aber ich denke, ich bin jetzt soweit, es auch ohne dich zu schaffen."
"Ja." Jack nahm ihre Hand in seine. "Lass los, Sam."
Es war eine so einfache Geste, und doch trug sie so viel Macht in sich, dass Sam für einen Moment glaubte, Jack würde tatsächlich vor ihr stehen. Sie schüttelte den Gedanken ab und löste langsam ihre Hand aus seiner. Und dann war er verschwunden.
Sam wusste, dass es endgültig war. Irgendetwas in ihr hatte sich verändert, war zu ihr zurückgekehrt und gab ihr das Gefühl, wieder vollständig zu sein.


***


Die Bar war heute Abend völlig überfüllt, und das obwohl sie gar keinen Auftritt hatten.
"Na, schöne Frau, so allein heut' Abend?"
"Hallo Ben." Sam grinste und drehte sich um. "Was verschlägt dich denn hierher?"
Er beantwortete ihre Frage mit einem Schulterzucken.
"Und du? Hast du Freitag nach Feierabend nicht Besseres zu tun, als einsam und verlassen durch die Kneipen zu ziehen?" Er setzte sich auf den freien Barhocker neben sie.
"Dreimal daneben", meinte Sam und nahm einen Schluck von ihrem Bier. Als sie Bens irritierten Gesichtsausdruck bemerkte, musste sie lachen. "Ich bin weder einsam, noch verlassen, noch ziehe ich durch die Kneipen. Dreimal daneben."
Ben erwiderte ihr Grinsen und wandte sich dann an den Barkeeper, um sich auch ein Bier zu bestellen. Eine Weile schwiegen sie sich an, jeder seinen Gedanken nachhängend. Als Ben sein Bier bekommen hatte, meinte Sam schließlich: "Und warum verbringst du den Freitag Abend nicht zu Hause bei deiner Frau und den Kindern?"
"Weiberabend", meinte Ben mit einer abfälligen Geste und verzog die Mundwinkel. "Die beiden Mädchen übernachten bei Freundinnen und meine Frau hat zwanzig Hühner zu uns eingeladen. Vielleicht auch nur fünf, auf jeden Fall ergreife ich da schleunigst die Flucht."
Sam schüttelte amüsiert den Kopf.
"Du hast es uns immer noch nicht erzählt", meinte Ben plötzlich unvermittelt und sah sie ernst an.
"Was?"
"Weshalb eine Frau wie du sich ganz plötzlich dazu entscheidet, in einer Band spielen zu wollen."
"Da gibt es nicht viel zu erzählen", erwiderte Sam und senkte den Blick. Bei einem weiteren Schluck ihres herben Getränkes überlegte sie es sich jedoch anders. Sie hatte seinen Tot für sich akzeptiert. Also dürfte es doch auch kein Problem sein, darüber zu reden. Leichter gesagt, als getan.
"Na ja, bis auf..." Sie stockte. Aber warum sollte er es eigentlich nicht wissen? Sie hatte ihn sehr gern, er war ein bisschen wie ein großer Bruder für sie geworden.
Er sah sie fragend an, nicht drängend, aber mit einem Blick, der sie wissen lies, dass er ihr zuhören würde wenn sie etwas auf dem Herzen hatte.
"Ein Mensch, der mir sehr viel bedeutet hat, ist vor sieben Monaten gestorben."
"Oh." Ben sah verlegen zu seinem Bier und drehte es zwischen den Fingern hin und her. "Das.. das tut mir Leid."
Sam schüttelte den Kopf. "Ich komm' schon klar."
Er sah sie erneut an, jetzt mit einer Mischung aus Mitleid und Achtung im Blick. "Aber... na ja... vielleicht bin ich blind, aber wieso bist du deshalb zu uns gekommen?"
Sam lächelte leicht. "Das ist eine längere Geschichte. Du solltest dir noch ein Bier bestellen."
"Klar." Er deutete ihr Lächeln als Zeichen, dass es in Ordnung war, bei diesem Thema zu bleiben.
"Es hat damit begonnen, dass mein Vorgesetzter von einer Mission schwer verletzt zurückkehrte."
"Ach ja, richtig. Die geheimen Sachen, die du tagsüber treibst."
Sam nickte. Und dann begann sie, zu erzählen. Von den Stunden, die sie an Jacks Bett verbracht, den schlaflosen Nächten, in denen sie um sein Leben gekämpft und den Sorgen, die sie sich gemacht hatte. Und schließlich, wie sie auf eine andere Mission musste, die Nachricht erhielt, dass es ihm besser ging und dann zurückkam und von seinem Selbstmord erfuhr. Auch wenn sie Ben aus Sicherheitsgründen keine Namen, Orte oder Details nennen konnte, spürte er, wie sehr sie die Sache mitgenommen haben musste.
Als Sam ihm dann von den Halluzinationen und den Therapieversuchen erzählte, und wie ihr die Psychologin schließlich geraten hatte, ihre Gefühle vor einem Publikum zu verarbeiten, da begriff er.
"Mein Gott, Sam... Und wir haben dich behandelt, wie..."
"Nein", unterbrach sie ihn. "Ihr habt mich behandelt, wie einen ganz normalen Menschen. Und genau das hab' ich gebraucht. Ohne euch hätte ich das nie so schnell geschafft. Ihr habt mir geholfen, den Bezug zur Realität wiederzufinden, zu merken, dass es mehr gibt im Leben."
"Wow." Ben wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte immer gewusst, dass diese Frau stark war, aber dass sie soviel Kraft besaß...
"Mensch, du solltest einen Song darüber schreiben", meinte er grinsend, um die leicht bedrückend wirkende Stimmung ein wenig aufzulockern. Sam ging darauf ein.
"Klar. Und den nenne ich dann 'Freitag Abend in der Kneipe'. Das wird ein Hit."
"Sicher." Er prostete ihr zu.
Sam warf einen Blick auf ihre Uhr.
"Verdammter Mist."
"Was?"
Sie winkte ab, begann jedoch, ein paar Münzen aus ihrer Hosentasche zu sammeln und legte sie auf den Tresen. "Eine Freundin wollte heute Abend noch bei mir anrufen. Ich hab völlig die Zeit vergessen. Ich werde dann mal nach Hause fahren, vielleicht erreiche ich sie noch." Wie hatte sie Janet nur vergessen können? Sam biss sich auf die Lippe, und obwohl sie wusste, dass die Ärztin ihr das nicht übel nehmen würde, ärgerte sie sich über sich selbst.
"Na gut." Ben hob kurz die Hand.
"Es war schön, mal mit jemandem zu reden." Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Ben nickte nur. "Jederzeit wieder."


***


Sieben Monate war er jetzt schon hier. Jack fuhr sich mit der Hand über Kinn und Stirn und seufzte auf. Was würde er jetzt für eine Dusche und Rasierzeug geben... Nicht mehr lange. Jack schwang sich seinen Rucksack über die Schulter, sah sich ein letztes Mal in dem Rattenloch um, in dem er die letzten zwei Monate gelebt hatte und schloss dann die verrostete Tür. Endlich konnte er den sechs Quadratmetern Dreck den Rücken kehren. Er musste weiter nach Westen. In weniger als einer Woche war ihr großer Einsatz, er hatte alles herausgefunden, was notwendig war, um die Basis der Organisation ausfindig zu machen. Und jetzt würden sie zuschlagen. Diesmal konnte es keinen Verräter geben, denn er war alleine gewesen, hatte sich nur auf sich selbst verlassen. Ein Seufzen begleitete seine ersten Schritte. Er wollte nach Hause. Sieben Monate in der Einsamkeit mit dem Gedanken, dass fast alle einen für tot hielten, waren die reinste Folter. Und er musste zurückkehren, um seine Freunde zu erlösen. Gott, sein Gewissen plagte ihn, weil er es nicht wenigstens sie eingeweiht hatte.
Doch er durfte kein Risiko eingehen. Er hatte richtig gehandelt, das wusste er, und dennoch nagte dieser Gedanke an seinen Nerven und drängte ihn, die Mission so schnell wie möglich zuende zu bringen.


***


Als Sams Blick am nächsten Morgen auf die Uhr fiel, erschrak sie. Es war bereits halb zehn durch. Erst langsam konnte der Gedanke in ihrem Kopf auf sich aufmerksam machen, dass Sonnabend war und sie heute nicht in die Basis musste. Ihr Blick wanderte vom Wecker zu dem Bilderrahmen, der noch immer auf ihren Nachttisch stand.


Heaven is a place nearby, so I won't be so far away.
And if you try and look for me, maybe you'll find me someday.
Heaven is a place nearby, so there's no need to say goodbye.
I wanna ask you not to cry, I'll always be by your side.

Und plötzlich, ganz leise, formte sich eine Melodie in Sams Kopf. Als sie sie greifen wollte, schien sie ihr zu entgleiten, also versuchte Sam sich von ihr tragen zu lassen.

Mensch, du solltest einen Song darüber schreiben.

Bens Worte fielen ihr wieder ein. Wieso eigentlich nicht? Dr. Gray hatte gemeint, sie solle ihren Gefühlen ein Ventil schaffen. Und wie sollte das besser gehen, als mit ihren eigenen Worten, Gedanken, Gefühlen. Sicher konnte sie andere Songs spielen und versuchen, sich darin wiederzufinden. Aber das hier, das war etwas anderes. Das war sie selbst.
Sam sprang auf und holte sich einen Notizblock und einen Bleistift. Sie begann, die Melodie ansatzweise zu notieren. Als ihr das nicht richtig gelingen wollte, tapste sie barfuß ins Wohnzimmer und nahm sich ihre Gitarre. Nachdem Sam ein paar Saiten angeschlagen hatte, fand sie nach und nach die Töne, die sich in ihrem Kopf geformt hatten und sie konnte sie aufschreiben.
Den ganzen Vormittag verbrachte sie damit, immer wieder Noten und Akkorde auf das Papier zu kritzeln, ab und zu ein paar Worte daneben zu schreiben und sich nur zu unterbrechen, um einen Kaffe zu kochen und ein Toast in den Toaster zu tun.
Am späten Nachmittag musste sie zur Probe mit den Jungs. Sie versuchte krampfhaft, sich zu konzentrieren, doch irgendwie gelang es ihr nicht. Immer wieder formten sich wie von selbst neue Zeilen oder Melodiestücke in ihren Kopf. Tommy, Harry und Ben bemerkten schnell, dass sie heute irgendwie nicht bei der Sache war, doch Ben schob es auf den letzten Abend. Vielleicht hatte das Gespräch alte Wunden wieder aufgerissen. Vielleicht war sie auch nur übermüdet, weil es gestern so spät geworden war.
Sie beendeten die Probe auf Bens Wunsch vorzeitig und Sam war unglaublich froh, wieder nach Hause zu kommen. Todmüde, als hätte sie den ganzen Tag hart gearbeitet, und zugleich aufgewühlt und den Kopf voller Gedankenfetzen schlief sie schließlich ein. Morgen war auch noch ein Tag. Und der gehörte ihr allein.


***

"Sie wollen WAS?" Hammond, der eben noch an seinem Schreibtisch gesessen hatte, war blitzschnell aufgesprungen, ob vor Überraschung oder vor Entsetzen wusste Sam nicht zu deuten.
"Ich möchte den Dienst quittieren, Sir."
"Ich darf doch annehmen, dass dies keine entgültige Entscheidung ist, sondern ebenfalls mit dieser... Sache zusammenhängt?"
"Indirekt, Sir." Sam verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. "Darf ich mich setzen, Sir?"
"Sicher. Bitte sprechen Sie offen, Major." Der General setzte sich wieder, langsam und vorsichtig, als könnte sich ein unsichtbares Nadelkissen auf seinem Sessel befinden.
Sam tat es ihm gleich, jedoch ohne zu zögern. Sie räusperte sich kurz und suchte nach den richtigen Worten.
"Sir, als ich vor längerer Zeit aus dem aktiven Dienst zurücktrat, dachte ich tatsächlich, es sei nur für solange, wie ich brauche, um wieder vollständig... gesund zu werden. Jedoch habe ich in dieser Zeit im Rahmen der Therapie sowie einiger anderer Einflüsse begonnen..." Sie seufzte. Irgendwie fiel es ihr doch schwerer, als sie gedacht hatte. "Andere Dinge in meinem Leben zu entdecken."
Der General nickte. "Ich weiß von dieser Band, Major."
Sam sah ihn erst leicht erschrocken an, senkte dann ihren Blick und wurde rot.
"Woher..." Zwei fragende Augen ruhten auf ihrem Vorgesetzten.
"Wir haben nach ihrem vorläufigen Rücktritt einige Sicherheitsmaßnahmen getroffen."
"Sie haben mich beschatten lassen?"
"Major, es war zu ihrem eigenen Schutz!"
Sam kniff ungläubig die Augen zusammen. Als ihr Blick den des Generals traf, dämmerte es ihr plötzlich.
"Sie dachten, ich würde Selbstmord begehen?"
Hammond öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, doch dann schien er nicht die richtigen Worte zu finden. Eine Weile lag eine geladene Spannung im Raum. Dann nickte Sam und Hammond sah sie stumm um Verzeihung bittend an.
"Ich kann verstehen, dass Sie sich Sorgen gemacht haben, Sir. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es mir gut geht. Ich habe die Therapie vor zwei Wochen abschließen können."
"Und was bewegt Sie dann dazu, ihre Laufbahn bei der Air Force beenden zu wollen?
"Das Stargateprojekt füllte, wenn ich das so sagen darf, mein Leben aus, seit ich das erste Mal davon erfuhr. Zu diesem Leben gehörten ein festes Team und Forschungsarbeiten in der Basis. Nach Colonel O'Neills Tod blieb mir für eine Weile nur die Forschung. Und in dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich ein Leben neben dem Stargate brauche, Sir. Ich möchte gern ein Teil des Programms bleiben, weiterhin an neuen Technologien arbeiten und forschen, vielleicht auch andere Planeten besuchen. Aber ich möchte nicht mehr die Verantwortung über ein Team tragen müssen. Ich möchte nach Hause kommen können, ohne daran zu denken, dass morgen wieder mein Leben in der Hand von anderen, oder das Leben von Soldaten in meiner Hand liegt."
Hammond nickte. "Ich denke, Sie haben mir Ihren Standpunkt verdeutlicht und ich kann Sie durchaus verstehen. Es fällt mir jedoch nicht leicht, Ihre Entscheidung zu akzeptieren. Dennoch", fügte er hinzu und unterdrückte mit einer knappen Handbewegung eine Bemerkung, die sie gerade machen wollte. "Dennoch bleibt mir wohl nichts Anderes übrig und ich werde mit dem Pentagon sprechen, ob wir Ihrer Bitte, als Wissenschaftlerin im Programm zu bleiben, nachkommen können. Wegtreten."
Sam stand auf und lächelte dankbar.
"Danke, Sir."
Hammond nickte nur und wartete, bis sie sein Büro verlassen hatte. Ein Seufzen entwich ihm und blieb eine Weile im Raum hängen, als würde es darauf warten, zurückgezogen zu werden. Natürlich konnte er nachvollziehen, was in ihr vorging. Wie oft hatte er selbst schon überlegt, das alles hier aufzugeben und endlich in den Ruhestand zu treten? Unzählige Male. Und dennoch blieb er.
Aber Sam? Das letzte halbe Jahr war hart gewesen. Sie hatte in fast drei Jahren Vertrauen zu einem Team und zu ihrem Vorgesetzten aufgebaut, nur um dann zu erfahren, dass er sich das Leben genommen hatte. Und nun sollte sie erneut Vertrauen aufbauen, zu einem neuen Team, einem neuen Colonel? Mit ihrem letzten Satz hatte sie ihm unmissverständlich klar gemacht, dass sie auch kein eigenes Kommando wollte. Sie wollte nicht Schuld sein, wenn andere Menschen durch ihre Fehler starben. Hammond war sich sicher, dass man ihre Entscheidung im Pentagon akzeptieren würde. Sam besaß unheimlich viel Wissen über das Stargate. Sie war unersetzbar, auch nur aus wissenschaftlicher Sicht. Vielleicht würde es ihr schwerer fallen, sich auf Missionen zu behaupten, da sie jetzt nicht mehr Major, sondern nur noch Frau war, aber darüber würde er sich Gedanken machen, wenn es soweit war.


***


"Heute wurden im südafrikanischen Golela vier Männer zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Sie waren die Köpfe einer gefährlichen Organisation, die seit Jahren als Verantwortliche Gruppe für Terroranschläge und Mordversuche an afrikanischen Politikern in Verdacht waren. Nachdem US-Amerikanische Geheimagenten ihnen monatelang auf den Fersen waren, ist es vor fünf Wochen gelungen, die Basis der Hauptgruppe ausfindig zu machen und die Täter zu stellen. Über vierhundert weitere Zivilisten aus südafrikanischen sowie südamerikanischen Staaten hat man inzwischen als Anhänger der Organisation identifizieren können. Noch immer laufen die Prozesse wegen Mordes, Hochverrat und diversen anderen Straftaten. Die Männer der Spezialeinheiten, deren Namen hier aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden dürfen, können nach fast einem Jahr Arbeit endlich nach Hause zu ihren Familien zurückkehren. Das war Anette Masters für BBC News."
Sam stand im Bad vor dem Spiegel und versuchte, ihre Haare zu bändigen, die inzwischen schon fast schulterlang waren. Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, da sie eigentlich auf die Wettervorhersage wartete. Der Teil in ihr, der noch immer irgendwo Soldat war, schien erleichtert aufzuatmen, bei dem Gedanken, dass eine Terroristengruppe zerschlagen werden konnte. Der Teil in ihr, der seit einigen Wochen mehr und mehr die Frau in ihr zum Vorschein gebracht hatte, schimpfte leise darüber, dass ihr Fön kaputt war und sie deshalb regelmäßig mit nassen Haaren ins Bett ging, die dann früh zwar trocken, aber unglaublich widerspenstig waren.
Während sie sich noch zähneknirschend mit einem groben Kamm durch das Gewirr kämpfte, ging sie ins Wohnzimmer, lehnte sich an den Türrahmen und seufzte schließlich laut auf, als man leichte Regenschauer und ab und zu aufklärenden Himmel voraussagte.
"Das reinste Aprilwetter. Und dabei hat er gerade erst angefangen", murmelte sie und schmiss schließlich entnervt den Kamm in die Ecke. Sie würde sich gleich heute einen neuen Fön kaufen. Immerhin bekam sie - auch als Wissenschaftlerin - ein ziemlich gutes Gehalt. Da sollte ein einfacher Fön schon drin sein.
Wenige Stunden später stand Sam erneut vor dem Spiegel, die Haare diesmal gefönt und gekämmt, ohne dass auch nur eine einzige Strähne aus der Reihe tanzte. Sie begutachtete ihre Kleidung, drehte sich zweimal prüfend hin und her und nickte nach einer Weile zufrieden. Das rote Shirt und die schwarze Jeans hatte sie schon oft zu ihren Auftritten getragen, warum also nicht auch heute Abend.
Sam verließ das Haus und machte sich auf dem Weg ins O'Malleys. Der Wetterbericht hatte sich geirrt, zumindest was den ersten Teil der Vorhersage anging. Es war mild, selbst jetzt am Abend noch, und der leichte Wind strich nur sanft über ihre Haut, hinterließ ein angenehm kühles Kribbeln. Kein Zeichen von Regen, die wenigen Wattewolken die der Tag zustande gebracht hatte zogen friedlich über den violettgefärbten Himmel.
Als Sam in der Bar ankam, waren die Jungs bereits damit beschäftigt, ihre Instrumente aufzubauen.

Ende Teil 4
Teil 5 by ZoeP
Author's Notes:
Tja, dies ist nun der letzte Teil. Ich hoffe, ihr seid mit dem Ende zufrieden und haltet mir weiterhin die Treue – danke auch für die vielen lieben Feedbacks. Ohne euch hätte ich so schnell nicht weitergeschrieben. Ich werde versuchen, eure Kritiken zu beachten und daraus zu lernen. (Ich hoffe es ist nicht zu langatmig und die Formatierung der letzten 3 Teile war auch besser...) Die letzte Szene verdankt ihr Minnesota ;)
In diesem Teil tauchen Zeilen aus dem Song ‚A Place Nearby’ von Lene Marlin auf. Für alle, die dem Englischen nicht so mächtig sind, habe ich ganz am Ende die Ãœbersetzung drangehängt. Ist ein wirklich schönes Lied.
A Place Nearby – Teil 5


Langsam fuhr er auf den Parkplatz, vorbei an dem Schild mit der Aufschrift 'O'Malleys' und brachte den Wagen schließlich zum Stehen. Zögern stieg er aus. Eine Weile stand er noch gegen die Tür gelehnt da, überlegte, ob er das wirklich tun sollte, doch dann entdeckte Jack Sams Auto, gab sich einen Ruck und ging in Richtung des Eingangs.
Eigentlich hätte er nach Hause fahren und sich schlafen legen sollen. Er war müde, die Rückreise war anstrengend gewesen und auch die Zeitverschiebung hatte nicht gerade zur Besserung seiner Laune beigetragen. Gleich nach seiner Ankunft, die bereits vor Wochen hätte sein können, wenn es nach ihm gegangen wäre, war er zu Lieutenant Johnson gefahren. Sicher, sein erster Weg hätte der ins Stargatecenter sein müssen, aber die Regierung würde seinen Vorgesetzten sicherlich innerhalb der nächsten Stunden informieren. Nachdem er schon einen Monat länger als geplant in Südafrika hatte bleiben müssen, weil man seine Zeugenaussage gebraucht hatte, kam es auf den einen Tag nun auch nicht mehr an. Nicht, wenn es um Hammond ging.
Die Sache mit Sam sah da schon ganz anders aus. Er hatte sich die letzten Monate schreckliche Sorgen gemacht. Als Johnson ihm dann mitteilen konnte, dass es ihr gut ging und er sie im O'Malleys finden würde, atmete er innerlich erleichtert auf.
Und jetzt stand er hier, und war sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee war. Seine Hand berührte bereits die Tür, doch erst als die Wärme des Lokals ihn empfing, verflogen auch die letzten Zweifel in ihm. Sie sollte es von ihm erfahren, nicht von Hammond oder gar irgendeinem Bürokraten. Es war ziemlich voll heute Abend. Irgendwo im hinteren Teil spielte eine Band und Jack fragte sich, wie die Kellner in dem Chaos Bestellungen aufnehmen und später wieder zuordnen konnten. Sein Blick wanderte langsam über die Menschen, die an den Tischen saßen oder Billard spielten. Er konnte Sam nirgends entdecken. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg zur Theke und wartete, bis er die Aufmerksamkeit eines Barkeepers hatte, der gerade dabei war, ein Glas abzutrocknen.
"Was darf's denn sein?"
"Haben Sie hier vielleicht eine Frau gesehen, ungefähr so groß." Er zeigte mit der Hand die Höhe an, die er meinte. "Blonde Haare, vielleicht so lang." Wieder zeigte er dem Mann hinter dem Tresen, welche Länge er meinte. Doch diesmal war er sich nicht so sicher.
Der Mann schüttelte den Kopf. Er stellte das Glas beiseite und als Jack sich schon abwenden wollte, meinte er schließlich: "Halt mal. Unter den Gästen habe ich heute noch niemanden gesehen, auf den Ihre Beschreibung trifft. Hier treiben sich eben eher", er räusperte sich und sah auf das Glas in seinen Händen, als wäre es ein kostbarer Schatz und er dürfe den Blick nicht davon abwenden. "na ja, harte Männer rum. Sie wissen schon."
Jack nickte, weniger um dem jungen Mann zu zeigen, dass er auch wirklich wusste, was er meinte, als viel mehr um endlich zu erfahren, was er ihm eigentlich sagen wollte.
"Na jedenfalls, die Frau, die hinten in der Band mitspielt, die könnte es sein. Was wollen Sie denn von Sam?"
"Sam?"
Der Barkeeper nickte. Er wollte noch etwas sagen, als Jack sich bereits von ihm entfernt hatte und zielstrebig in die Richtung gegangen war, aus der die Musik kam. Sam und in einer Band spielen? Sein Major? Das klang irgendwie absurd, aber immerhin konnte so Einiges passiert sein, während er weg war.
Als er den leicht tiefergelegten Raum betrat, ließ er seinen Blick erneut über die Menge schweifen und er entdeckte drei Männer auf einer Fläche, die von vier Säulen umrandet war. Ein Schlagzeuger, ein Saxophonist und ein etwas Jüngerer, der am Mikro stand und sang. Der Barkeeper musste sich geirrt haben. Doch dann ging einer der stehenden Zuschauer beiseite, wahrscheinlich, um sein leeres Bierglas nachfüllen zu lassen, und da sah er sie. Zuerst war er sich nicht sicher. Ihre Haare waren ein kleines bisschen länger, als er es gewohnt war, doch ihr Gesicht hätte er unter Tausenden wiedererkannt. Die Gitarre, die sie in den Händen hatte, irritierte ihn. Seit wann spielte Sam ein Instrument?
Jack suchte sich einen Platz im Halbdunkel am anderen Ende des Raumes und setzte sich. Verschiedene Gedanken schossen durch seinen Kopf. Er war zum Einen leicht verwirrt - noch immer klang es unglaublich für ihn, dass Carter in einer Band spielte, aber er versuchte, sich damit zufrieden zu stellen, dass er sicherlich so Einiges über seine Teammitglieder nicht wusste. Zum Anderen überlegte er, wie er es ihr sagen sollte. Dass er wieder da war. So plötzlich. Von den Toten auferstanden. Wie absurd musste das erst klingen?
Jack schüttelte den Kopf, wie, um die Gedanken zu verscheuchen.
Ob sie auch mal eine Pause hatte? Geduld war noch nie seine Stärke gewesen. Im Einsatz, ja, aber dies hier war kein Einsatz. Er begann gerade, die Getränkekarte zu überfliegen und zwischen einem Bier und einem guten Whiskey abzuwägen, als der Song endete. Einige Leute applaudierten, einige ignorierten es und unterhielten sich weiter. Jack registrierte aus den Augenwinkeln, dass Sam ihre Gitarre ablegte. Ob sie jetzt Pause machten und er mit ihr sprechen konnte?
Nein. Sam ging zu einem der Bandmitglieder und sprach leise mit ihm. Dieser nickte. Dann trat Sam ans Mikro und Jack sah, dass sie tief Luft holte. Irrte er sich oder waren ihre Wangen leicht gerötet?
"Hi Leute." Sie lächelte. Ein schüchternes, nervöses Lächeln. Manche der Gäste wandten ihren Kopf zu ihr um.
"Eigentlich war der nächste Song heute Abend nicht geplant, aber die Jungs meinten, es sei okay. Ich möchte mich bei Ben bedanken, der mich ermutigt hat, diesen Song zu schreiben." Sie drehte sich erneut zu dem Mann um, mit dem sie gerade eben gesprochen hatte und der sich jetzt ans Klavier setzte, und nickte ihm zu. "Danke."
Der Blick, dem sie ihm zuwarf, verursachte ein unangenehmes, heißes Brennen in Jacks Magen, das er jedoch sofort unterdrückte. Solche Gefühle konnte er jetzt unmöglich brauchen.
"Ich widme dieses Stück einem Menschen, den ich letztes Jahr verloren habe. Wo auch immer er jetzt sein mag, vielleicht kann er ihn ja doch hören. Der Song heißt 'A Place Nearby'." Erneut ein schüchternes Lächeln. Sam nahm auf dem hohen Hocker platz und löste das Mikro aus dem Mikrofonständer. Auf ihr Zeichen hin begann Ben, zu spielen. Es war eine leise, sanfte, fast schon traurige Melodie.
Jack hatte aufgehorcht, als sie den Titel genannt hatte. Eine leise Vermutung keimte in ihm auf, er erhob sich von seinem Platz, trat hinter eine der Säulen, von denen es in dem Raum mehrere gab, und beobachtete Sam. Nach wenigen Takten hob sie das Mikro und begann, zu singen. Jack hatte nicht gewusst, das Sam so eine schöne Stimme hatte.
"I entered the room, sat by your bed all through the night. I watched you daily fight. I hardly knew. The pain was almost more than I could bear. And still I hear your last words to me."
Und da begriff Jack. Sie hatte diesen Song über ihn geschrieben, hatte versucht, mit dem Schmerz fertig zu werden, indem sie ihre Gefühle in Worte formuliert hatte.
"Heaven is a place nearby. So I won't be so far away, and if you try and look for me, maybe you'll find me some day. Heaven is a place nearby, so there's no need to say goodbye, I wanna ask you not to cry, I'll always be by your side."
Es war, als hätte man Jack einen Schlag in den Magen verpasst. Sie hatte seine Nachricht gefunden. Gott, was hatte er ihr angetan? Wieso hatte er sie nicht eingeweiht, damals, als sie jede Nacht bei ihm gewesen war und um sein Leben gekämpft hatte? Die ganze Zeit schon war der Gedanke in seinem Kopf gewesen, dass er seinen Selbstmord vortäuschen und für lange Zeit verschwinden würde. Hatte er wirklich geglaubt, sie hätte ihn verraten, wäre ein Risiko gewesen? Er wusste es nicht. Sicher, er hatte nicht falsch gehandelt. Aber er hätte besser handeln können. Sam hätte es verstanden. Ob sie es jetzt auch noch verstehen würde?
"You just faded away, spread your wings, you had flown away to something unknown. Wish I could bring you back. You're always on my mind, about to tear myself apart. You have your special place in my heart, always."
Ihre Stimme war weich und zart, und doch hörte er die Verzweiflung heraus. Er konnte den Schmerz in ihren Augen sehen, und es tat ihm weh. Er war Schuld daran, dass sie durch die Hölle gegangen war. Ob er das jemals wieder gut machen könnte?
"Heaven is a place nearby. So I won't be so far away, and if you try and look for me, maybe you'll find me some day. Heaven is a place nearby, so there's no need to say goodbye, I wanna ask you not to cry, I'll always be by your side. And even when I go to sleep, I still can hear your voice... and these words I never will forget."
Sam senkte das Mikro und Ben spielte die letzten Takte des Songs, ließ ihn leise ausklingen. Eine bedrückende Schwere lag über dem Raum und niemand wagte es, zu applaudieren. Jack hatte ungewollt die Luft angehalten und stieß sie jetzt mit einem leisen Seufzer wieder aus.
Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, heute Abend herzukommen. Jack stieß sich von der Säule ab und entschied sich, zu gehen. Er sah sich noch einmal kurz um, und da trafen sich ihre Blicke. Jack hatte vermutet, dass sie erschrecken würde, doch was er sah, war... Wut? Angst? Verwirrung? Hatte sie ihn nur gesehen oder auch erkannt?
Sam wandte sich zu Ben um - Jack konnte nicht mehr sehen, was ihre Augen sagten - und dieser sprang erschrocken auf, legte ihr einen Arm um die Schulter und nachdem sie ihm ein paar Worte gesagt hatte, brachte er sie von der freien Fläche in eine Art Hinterzimmer. Jack tauchte in der Menge unter und verließ das Lokal. Er war verwirrt.

"Ben, es geht schon. Ich... ich bin okay." War sie das wirklich? Nein. Alles Lüge, eine verdammte, brennende Lüge.
"Das sah mir gerade aber nicht so aus."
Sam winkte ab. "Doch wirklich. Ich sollte nur kurz an die frische Luft gehen."
"Soll ich mitkommen?" Er sah ehrlich besorgt aus.
"Nein. Es geht schon. Wirklich." Sie schob ihn leicht beiseite und sah ihn eindringlich an. Ben nickte.
"Na schön." Er ging wieder nach draußen und Sam hörte, wie er eine Pause ankündigte. Sie schnappte sich ihre Jacke und schlängelte sich durch die Menge ins Freie.
Vielleicht war es nur eine Täuschung, versuchte sie sich einzureden. Sie hatte doch geglaubt, diese Halluzinationen besiegt zu haben. Sie hatte seit Ewigkeiten keine Einbildung mehr gehabt. Selbst Dr. Gray war überzeugt gewesen, dass sie es geschafft hatte. Und jetzt?
War alles umsonst gewesen?
Sam trat nach draußen, sog tief die kühle Nachtluft ein und zog sich ihre Jacke über. Sie fuhr sich durch die Haare und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
"Hey", meinte eine Stimme, etwa drei Meter von ihr entfernt. Sam presste die Lippen aufeinander. Wieso?
Langsam, als könne sie sich so einreden, dass er nicht da war, ihn einfach ignorieren, drehte sie sich um. Doch er stand wirklich vor ihr, an die Wand der Bar gelehnt, die Arme verschränkt.
Sam wusste nicht, was sie tun sollte. Wieso, verdammt noch mal, war er wieder aufgetaucht? Sie hatte alles getan, was man ihr gesagt hatte. Sie hatte sich mit seinem Tod auseinandergesetzt und ihn schließlich akzeptiert, sie hatte ein neues Leben begonnen, und jetzt... Sie hatte keine Kraft mehr, zu kämpfen. Eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über ihre Wange. Und dann konnte sie sich nicht mehr zurückhalten.
"Was willst du noch?" Sie zuckte von der Lautstärke ihrer eigenen Stimme zusammen. "Wieso tauchst du wieder auf? Ich dachte, ich hätte das besiegt, aber..." Verzweifelt fuhr sie sich mit den Fingern durch die Haare, ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Pupillen wanderten unruhig hin und her, schienen sich in Erinnerungen zu verlieren und wieder zurückzukehren.
Jack wusste nicht, wie er reagieren sollte. Was redete sie da? Was war mit ihr los - und warum duzte sie ihn?
"Carter, ich..." Er trat einen Schritt auf sie zu, doch sie hob abwehrend die Hände.
"Nein", meinte sie mit einem leicht hysterischen Unterton in der Stimme. "Hör auf. Ich... ich brauche dich nicht mehr. Du sollst verschwinden. Ich komme allein damit klar. Schön, ich habe heute Abend diesen Song gesungen. Vielleicht war es ein Fehler."
Sprach sie immer noch mit ihm oder redete sie mit sich selbst? Jack wusste es nicht. Doch er kam auch nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn eines der Bandmitglieder war rausgekommen.
"Sam, was ist hier los?" Er sah zwischen ihr und Jack hin und her.
"Ben..." Sam schluchzte kurz auf und er nahm sie in die Arme. Jack spürte erneut das Brennen in seinem Magen.
"Ich... ich hab' gedacht, dass es vorbei ist. Aber ich habe mich geirrt. Vielleicht wird es nie vorbei sein. Vielleicht bin ich wirklich nicht stark genug."
"Wovon redest du?" Ben schob sie ein wenig von sich und runzelte die Stirn. Er hatte Sam noch nie so aufgelöst gesehen.
"Er... Er ist wieder da. Ich sehe ihn wieder."
"Wen?"
"Ich hab' dir doch davon erzählt." Sie wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. Es war, als würden all die angestauten Gefühle, die Verzweiflung und Hilflosigkeit über ihr zusammenbrechen.
Ben nickte langsam. Er sah Jack an und hob fragend die Schultern. Dieser trat nun näher an die beiden heran.
"Was ist hier los?", formte er mit den Lippen und erntete ein erneutes Schulterzucken.
"Sam", meinte Jack ruhig und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie zuckte erschrocken zusammen und fuhr herum. Ihr war furchtbar heiß und ihr Kopf tat entsetzlich weh. Das sollte doch nur aufhören.
"Du meinst, du siehst... ihn?" Ben begriff, was sie meinte. Er wandte sich erneut an Jack. "Sind Sie... ihr Vorgesetzter?" Er sah von ihm zu Sam und wieder zu ihm.
Jack nickte. "Ja. Hören Sie, das ist ein bisschen kompliziert. Ich war in Südafrika und deshalb..."
Sam sah jetzt mit geröteten, glasigen und zusammengekniffenen Augen zu Ben. "Du kannst... ihn auch sehen?"
Ben nickte. "Ich weiß echt nicht, was hier los ist, aber dieser Typ hier sieht wirklich ziemlich lebendig aus."
Sam wusste nicht, was sie denken sollte. Vielleicht bildete sie sich ja auch Ben nur ein? Vielleicht lag sie zu Hause in ihrem Bett und träumte. Der Gedanke gefiel ihr plötzlich unglaublich gut. Wenn sie träumte, bedeutete das, dass sie keine Halluzinationen hatte. Träumen konnte schließlich jeder. Doch irgendwie war dieser Traum zu real. Sie spürte die Kälte unter ihre Jacke kriechen. Konnte das Pochen in ihrem Kopf fühlen. Und sie konnte nicht aufwachen.
Ihr wurde schwindelig. Und dann formte sich ein Gedanke in ihrem Kopf, der zuerst von tausend anderen zurückgedrängt wurde, sich dann aber einen Weg in ihr Bewusstsein bahnte. Was, wenn er wirklich da war. Was, wenn er aus irgendwelchen Gründen nicht tot war und jetzt tatsächlich vor ihr stand. Sam versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Wie oft hatte sie das schon gedacht und es hatte sich als falsch herausgestellt? Hatte ihr erneute Therapiestunden und Schlafmangel eingebracht? Die Welt um sie herum schien zu schwanken. Der letzte Satz, den Jack gesagt hatte, drang erst jetzt zu ihr vor. Er war in Südafrika gewesen. Bilder zogen an ihr vorbei, Wortfetzen formten sich in ihrem Kopf. Die Nachrichten. Was hatten sie gesagt?

Nachdem US-Amerikanische Geheimagenten ihnen monatelang auf den Fersen waren... deren Namen hier aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden dürfen... können nach fast einem Jahr Arbeit endlich nach Hause zu ihren Familien zurückkehren...

Ein winziger Teil in ihr hatte längst begriffen, was passiert war und schien sie vor dem anderen zu schützen, dem Teil, der die letzten Monate gekämpft hatte, um ein neues Leben, um die Kraft, das durchzustehen. Sam fühlte sich plötzlich so unendlich schwach. Ihr letzter Versuch, stehen zu bleiben, scheiterte kläglich. Sie spürte gerade noch, wie sie den Boden unter den Füßen verlor und dann wurde die Welt um sie herum schwarz.

Das nächste, was sie wahrnahm, war ein seltsamer Geruch, den sie mit Mühe als Desinfektionsmittel identifizieren konnte. Sie versuchte, ihre Augen zu öffnen, doch nichts als grelles, blendendes Licht empfing sie und sie beschloss, vorerst einfach liegen zu bleiben und zu warten. Worauf wusste sie selbst noch nicht, aber warten war doch immerhin ein Anfang. Zaghaft bewegte sie ihre Fingerspitzen. Keine Schmerzen. Sie fühlte ganz deutlich, wie sie hier lag. Also konnte sie weder tot noch lebensgefährlich verletzt sein. Ganz langsam, wie ein dunstiger Nebel, kehrte die Erinnerung zurück. Doch mit ihr kamen auch die Kopfschmerzen und das flaue Gefühl der Angst, das sich nun in ihrem Magen ausbreitete. Endlich schaffte sie es, ihre Augen zu öffnen. Ihre Lider waren schwer.
Nach wenigen Sekunden wurde der Raum klarer und ihr Sehzentrum vermittelte ihr das Bild der Krankenstation. Aha. Stargatecenter. Halt. Ben wusste nicht, wo sie arbeitete. Er konnte sie also nicht hergebracht haben. Sollte Jack tatsächlich... Wieder stop. Vielleicht sollte sie mit etwas Einfacherem anfangen, irgendwie schien ihr noch die Kontrolle über ihren Verstand zu fehlen.
"Hey, Sam."
Janet? Sam wollte sich aufrichten, doch die Ärztin drückte sie sanft, aber entschieden zurück in ihr Kissen. "Bleiben Sie liegen. Sie hatten einen Nervenzusammenbruch, verständlich bei all dem, was Sie die in der letzten Zeit durchgemacht haben."
"Colon..." Sam hustete. Ihr Mund war furchtbar trocken und sie musste zweimal schlucken, bevor sie sprechen konnte. "Colonel O'Neill?"
Janet nickte seufzend. "Ich geb's nicht gerne zu, aber ich dachte für einen winzigen Moment auch daran, einfach ohnmächtig zu werden, als ich davon erfahren hab. Jedoch war da in mir nicht die Angst, ich könnte erneut halluzinieren und ich ahnte, dass ich bald jemanden zu verarzten habe. Da kann ich doch nicht einfach umkippen." Sie grinste, wie, um ihre Patientin aufzuheitern. "Er lebt, Sam. Es ist alles in Ordnung mit Ihnen."
Sam schloss die Augen. Ein Räuspern zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Das kam nicht von Janet.
"Colonel O'Neill." Sie blinzelte kurz, weil ihre Augen brannten.
"Hey." Er warf Janet einen fragenden Blick zu. Sie sah nickend zu Boden.
"Ich lasse Sie dann mal alleine. Sir, bitte sorgen Sie dafür, dass sie sich nicht aufregt."
"Nichts leichter als das", meinte er mit einem gequälten Lächeln. Was verlangte sie von ihm?
Als Dr. Fraiser gegangen war, zog er sich einen Hocker heran und setzte sich.
"Hey."
Sam nickte. "Da waren Sie schon. Hey."
Was sollte sie sagen? In ihrem Kopf waren so viele Dinge, doch die passten im Augenblick nicht hierher. Noch nicht.
"Wie... wie geht es Ihnen?"
"Dafür, dass ich gerade noch..." Sie sah ihn an und konnte deutlich die Schuldgefühle in seinem Blick sehen. "Gut."
Er senkte den Blick, wusste, dass es nicht stimmte. Er griff nach etwas silbrig Glänzendem, das auf dem Tisch neben ihr gelegen hatte und ließ es immer wieder durch seine Finger gleiten. Sam konnte nicht genau erkennen, was es war. Als er ihren fragenden Blick bemerkte, hob er die Kette an. Es war seine Armymarke, die sie seit dem Abend, an dem sie in seinem Haus gewesen war, getragen hatte.
"Janet hat sie Ihnen abgenommen."
Sam nickte, ihre Wangen hatten einen leicht rötlichen Ton angenommen. "Meine eigene musste ich ja leider abgeben."
"Ja." Er schwieg kurz, schien zu überlegen. "Ja. Ich hab' davon gehört. Ist vielleicht etwas viel für den Anfang, aber... Wollen Sie das wirklich? Ihre Karriere bei der Air Force aufgeben, meine ich?"
"Ja", meinte sie nur und biss sich auf die Unterlippe. Sollte sie nicht eigentlich überglücklich sein? Jack lebte.
Er schien ihre Zurückhaltung zu bemerken. "Ich lasse Sie jetzt mal lieber allein. Sie sollten sich ausruhen."
Sam sah zu ihm auf und versuchte in seinen Augen zu lesen, was in ihm vorgehen mochte. Sie schaffte es nicht. Dazu war er zu gut darin, seine Gefühle zu verbergen. Wie immer.
"Bis dann", meinte sie leise und sah ihm nach, wie er die Krankenstation verließ. Ihr fiel auf, dass er leicht humpelte. Was hatte er da unten durchgemacht? Ob er ebenso durch die Hölle gegangen war, wie sie? Vielleicht. Sie konnte es nicht wissen. Aber genauso wenig konnte er wissen, was sie durchgemacht hatte. Dass er es ahnte, hatte sie an dem Ausdruck in seinen Augen erkannt.
Sam drehte sich zur Seite und eine einsame Träne rann ihre Wange herunter.


***


Es war verdammt kalt und begann, leise zu Regnen, als Jack sich in sein Auto setzte und die Sicherheitskontrollen der SGC-Geländes passierte. Er wollte nur noch nach Hause, schlafen, stundenlang. Der Gedanke, das gesamte Wochenende zu verschlafen, hatte etwas Verlockendes. Und dennoch schlug er an der entscheidenden Kreuzung einen anderen Weg ein - den zu Sams Haus. Er musste mit ihr reden, dringend.
Auf halber Strecke gab sein Wagen plötzlich seltsame Geräusche von sich, ruckelte noch wenige Meter vorwärts und blieb dann mit einem protestierenden Knall stehen.
"Auch das noch!", fluchte Jack und schlug so heftig gegen das Lenkrad, dass es weh tat und er sich den Handballen reiben musste. Immer noch vor sich hin fluchend stieg er aus. Der Regen war inzwischen heftiger geworden. Die wenigen Minuten, die er brauchte, um einen Totalschaden am Motor festzustellen, reichten aus, um ihn bis auf die Haut zu durchnässen. Und sein Handy lag natürlich bei ihm zu Hause. Lief doch alles Bestens. Was war an einem kleinen Spaziergang bei Eiseskälte durch strömenden Regen schon auszusetzen. Immerhin trug er einen inzwischen klatschnassen Pullover. Was hielt denn besser warm als ein nasser Pullover?


***


Sam seufzte und nahm ein Schluck von ihrem Tee. Draußen hatte es angefangen, zu gewittern. Erste Blitze zuckten über den Himmel und Sekunden später folgte ihnen ein tiefes Donnergrollen. Der Gedanke, drinnen im Warmen zu sitzen, beruhigte sie. Zum Glück hatte Janet sie heute Nachmittag entlassen und sie musste die Nacht nicht auf der Krankenstation verbringen.
Erneut zog sie die helle Mappe, die auf ihrem Wohnzimmertisch lag, zu sich und blätterte darin. Es war Colonel O'Neills Bericht von seiner Mission. Er musste ihn im Flugzeug geschrieben haben. Hammond hatte ihn ihr und Daniel geben lassen. Sie hatte ihn bestimmt schon dreimal gelesen. Es erklärte so Vieles, und doch fühlte sie noch immer dieses Ziehen in der Magengegend. Er hatte sie alle einfach so in dem Glauben gelassen, er sei tot. Vertraute er ihnen so wenig? Gedankenverloren spielte sie mit der Kette, Jacks Armymarke, die sie erneut um den Hals trug. Er hatte eine neue bekommen und würde die hier sicher nicht vermissen. Sie ließ sie zurück unter ihr Shirt gleiten und blätterte ein paar Seiten weiter vor.
Ein Klopfen ließ Sam zusammenzucken. Es war bereits nach zehn, wer wollte denn so spät noch etwas von ihr? Sie stellte ihren Tee ab und ging zur Tür.
Eine Windböe peitschte ihr den Regen ins Gesicht und sie musste die Augen zusammenkneifen.
"Jack!", meinte sie erschrocken, als sie die durchnässte Gestalt identifiziert hatte. Sie zog ihn ins Haus und schloss die Tür. Eine Pfütze bildete sich an der Stelle, an der er unruhig von einem Bein auf das andere trat.
"Was um Himmels Willen..."
Er zitterte und konnte kaum sprechen. "Mein Auto... ist liegengeblieben." Er schüttelte sich.
Sam verstand zwar nicht, was er meinte, entschied jedoch, dass er erst einmal trockene Sachen brauchte.
"Kommen Sie, Sir."
"Sir?" Er sah sie fragend an.
"Alte Angewohnheit", meinte Sam schulterzuckend, brachte ihn ins Bad und reichte ihm ein Handtuch.
"Danke." Er begann, sich die Haare trocken zu rubbeln.
"Ich bringe Ihnen ein paar frische Sachen. Müsste noch was von Marc da haben." Sie verließ das Bad und kam wenige Minuten später tatsächlich mit trockenen Sachen wieder. Sie nickte ihm zu und ließ ihn dann alleine.

"Carter?"
Sam stand am Fenster und drehte sich zu ihm um. Er trug eine gewöhnliche Jeans und einen Pullover, der ihm ein bisschen zu weit war. Die Haare standen ihm wild vom Kopf ab und er war noch dabei, sie mit dem Handtuch zu trocknen.
Sie erwiderte nichts, doch ihr Blick ruhte fragend auf ihm.
"Ich bin hergekommen, um Ihnen ein paar Dinge... zu erklären."
"In strömendem Regen?"
"Mein Auto ist liegengeblieben. Totalschaden."
"Und sie hatten nicht wenigstens eine Jacke dabei?"
Er schüttelte den Kopf. "Ich war direkt vom Flughafen zu Johnson gefahren und von ihm aus ins O'Malleys gekommen. Tja, und in der Basis waren ja auch keine Sachen mehr von mir." Er blickte zu Boden.
"Ich war in Südafrika", meinte er und hob langsam seinen Kopf, als hätte er Angst vor ihrer Reaktion.
"Ich weiß", meinte sie nur und zeigte auf den Bericht, der noch immer auf dem Tisch lag.
"Oh."
"Dann sind Sie wohl ganz umsonst hergekommen." Das hatte sie eigentlich nicht sagen wollen, und als sie den Ausdruck in Jacks Augen sah bereute sie ihre Worte.
"Tja, irgendwie scheint meine Rückkehr jedem ungelegen zu kommen. Daniel war mit unglaublich wichtigen Steintafeln beschäftigt, Teal'c ist noch auf Chulak und selbst Hammond hatte den ganzen Tag irgendwelche über Leben und Tod entscheidenden Besprechungen. Muss wohl mein Pechtag sein." Er grinste, als würde er einen Scherz machen, doch Sam sah, wie verbittert er wirklich war.
Hatte er das wirklich verdient? Gott, er war doch auch nur ein Mensch. Wenn sie sich vorstellte, monatelang von der Zivilisation abgeschnitten zu sein, mit dem Wissen, dass alle einen für tot hielten - und dann zurückzukehren, ohne auch nur irgendwie empfangen zu werden? Natürlich war es für sie alle hart gewesen. Aber er war offensichtlich hier, um sich zu entschuldigen, und so viel Kälte und Ablehnung hatte er nicht verdient.
Sam überbrückte den Abstand zwischen ihnen und blieb direkt vor ihm stehen, sah ihn einfach nur an, wartete darauf, dass er etwas tat. Sie konnte das Zögern in seinen Augen sehen. Ganz langsam ließ er das Handtuch zu Boden gleiten, hob seine Hand und strich ihr sanft über die Wange. Die Berührung ließ Sam alle Zweifel vergessen, sie legte ihre Arme um ihn und zog ihn zu sich. Er erwiderte die Umarmung, drückte sie an sich, als hätte er furchtbare Angst, sie könne verschwunden sein, wenn er sie loslassen würde.
"Es tut mir Leid", murmelte er und vergrub seinen Kopf in ihren Haaren, atmete den ihm nur allzu bekannten Duft ein. Langsam löste er sich von ihr, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und schien jede einzelne Linie mit den Augen nachzufahren. Dann sah er zu Boden, als müsse er gegen etwas in sich ankämpfen.
"Jack", meinte sie leise. Er sah sie an und ihre Blicke trafen sich. "Ich bin kein Major mehr."
Sie schloss die Augen und näherte sich seinem Gesicht. Ganz zart berührten sich ihre Lippen, als müssten sie sich erst dessen bewusst werden, welche Kraft in ihren Worten lag. Das hier war nicht verboten. Nicht mehr. Jack vertiefte den Druck und fuhr zaghaft mit der Zungenspitze über ihre Unterlippe. Sie vertieften den Kuss und Sam lief ein Schauer über den Rücken. Eine Weile standen sie einfach nur da, gaben sich ihren Gefühlen hin. Dann fuhr Sam mit ihren Fingerspitzen unter seinen Pullover und strich zärtlich über seinen Rücken, doch Jack schob ihre Hände sanft zurück. Er löste sich von ihr und sah sie kopfschüttelnd an.
"Nein. Dafür ist es noch zu früh."
Sam nickte. Er hatte Recht. Dafür war es noch zu früh, zuviel war passiert. Sie mussten sich erst neu kennen lernen, neu vertrauen lernen. Ihre Gefühle hatten für einen Moment über ihren Verstand gesiegt, doch wenn sie das wirklich wollten, dann mussten sie ganz von vorne anfangen.
Er zog sie wieder zu sich, umarmte sie kurz seufzend.
"Wie geht es dir?", wollte er wissen.
Sie löste sich von ihm und hob die Schultern. "Ich weiß nicht."
"Janet hat erwähnt, dass du viel durchmachen musstest. Und diese Sache im O'Malleys habe ich auch noch nicht ganz verstanden."
Sie schüttelte den Kopf. "Nicht jetzt."
"Okay", meinte er nur. Dann schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht.
"Was hast du nächste Woche Freitag Abend vor?"
"Hm?" Sie sah ihn fragend an.
"Wir könnten zusammen Essen gehen."
Sam lächelte. "Ja. Das können wir."


***


Es war Freitag Abend.
Sam stand vor dem Spiegel und band seufzend ihre Haare zurück. Dann verließ sie ihr Quartier und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Sie betrat vorsichtig den Raum, um ihn nicht zu wecken, falls er schlief.
"Hallo Sam." Was wohl nicht der Fall war.
Sie lächelte unter ihrem Mundschutz. Ihre Stimme klang leicht gedämpft. "Hey."
"Steht Ihnen gut. " Er deutete auf das grüne Etwas vor ihrem Mund.
"Oh ja, wahnsinnig bequem. Wir sollten die Dinger in die Kleidungsordnung aufnehmen."
"In Colorado Springs läuft gerade eine Misswahl. Sie hätten echte Chancen." Jack grinste.
Sam verdrehte gespielt die Augen, da man ihr gequältes Lächeln unter dem Mundschutz nicht sehen konnte. "Sicher."
"Wie war das Gespräch mit Hammond?" Er hustete kurz und winkte ab, als Sam aufsprang. "Schon gut. Also, was hat er gesagt?"
"Dazu, dass Sie durch strömenden Regen gerannt sind, um einem ihrer Teammitglieder etwas zu erklären und sich dabei mal ebenso eine Lungenentzündung zugezogen haben, oder dazu, dass Sie SG-1 gerne wieder in der alten Besetzung hätten?"
"Hm." Er tat, als würde er überlegen. "Ich denke, Letzteres."
Sam nickte grinsend.
"Genehmigt."
"Nein!"
Sie nickte erneut, diesmal heftiger. "SG-1 wird weiterhin aus Ihnen, Teal'c, Daniel und mir bestehen. General Hammond hat sich für mich im Pentagon eingesetzt und die haben ihr Okay gegeben."
"Halleluja", meinte Jack.
"Ja, Sir." Sam grinste. Sie wusste, dass es ihn ärgerte, wenn sie das sagte.
Eine Weile sahen sie sich nur an, bis Jack die Stille brach.
"Tja, dann muss unser Essen wohl ausfallen, Doktor Carter."
Sie senkte den Blick, lächelte und sah ihn dann wieder an.
"Es gibt noch viele Freitag Abende."
Jack nickte, was ein erneutes Husten auslöste. Wenn er weiterhin so oft krank war, würde man sein Gehalt kürzen.
"Sam?"
"Hm?"
"Janet hat mir erzählt, was Sie durchgemacht haben. Es tut mir Leid. Das habe ich nicht gewollt." Sie sah die Schuldgefühle in seinen Augen glänzen.
"Ich weiß."
"Kriegen wir das wieder hin?" Er versuchte, in ihren Augen zu lesen.
"Ja."
Schweigen. In seinem Blick lag eine Dankbarkeit, die er nicht aussprechen konnte, und sie wusste, dass er es ehrlich meinte.
"Ich muss dann wieder los. Daniel braucht meine Hilfe."
Jack nickte. "Richten Sie ihm schöne Grüße aus." Er nahm ihre Hand in seine und drückte sie sanft. Sam lächelte, ging zur Tür und drehte sich noch einmal zu ihm um.
"Und... wenn ich morgen wiederkomme, dann... sind Sie noch da?" Sie sah ihn an, und ihr Blick war so intensiv, dass er das Gefühl hatte, darin zu versinken.
"Versprochen. Schließlich haben wir ein Essen nachzuholen."
Seine Antwort zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie würden es schaffen. Es würde seine Zeit brauchen und es würde nicht leicht werden, aber sie würden es schaffen.

Ende
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