Der verlorene Bruder by Lenari
Summary: Was weiter geschah...
(Spoiler: 2x08 - Family / Der verlorene Sohn; FanFiction: Der verlorene Sohn)
Categories: Stargate SG-1 Characters: Jack O’Neill (SG-1)
Genre: General, post-Epi
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 1432 Read: 2285 Published: 15.04.14 Updated: 15.04.14
Story Notes:
Eigentlich wollte ich ja keine Fortsetzung zu „Der verlorene Sohn“ mehr schreiben, aber all die lieben Feedbacks haben mich dann doch vom Gegenteil überzeugt. Außerdem muss ich doch aufklären, von welchem Kind im ersten Teil die ganze Zeit die Rede war, auch wenn ich selbst noch nicht ganz weiß, wie ich das anstellen soll. Aber wenn ihr diese FF lest, habe ich es wohl doch geschafft.

1. Kapitel 1 by Lenari

Kapitel 1 by Lenari
Der verlorene Bruder


Ich ließ mich vollkommen erschlagen ins Bett sinken und schloss erschöpft die Augen. Es war ein langer, anstrengender Tag gewesen und ich hatte mich immer noch nicht richtig akklimatisiert. Ich wollte nur noch eines, schlafen. Etwas, das mir jedoch nicht gelang, denn kaum das ich es versuchte, huschte das Gesicht meines Sohnes durch meinen Geist. Er war einige Jahre älter, fast erwachsen und doch immer noch ein Kind, größer und reifer als damals.

Für einen Traum war es zu real gewesen, zu verwirrend und dennoch unwirklich. Er hatte so anders ausgesehen, als ich es mir immer vorgestellt hatte, ich konnte ihn mir nicht einfach eingebildet haben. Charlie war bei mir gewesen, das wusste ich einfach. Er hatte mir geholfen, er hatte mir das Wissen genommen, welches mich umgebracht hätte und doch war einiges zurückgeblieben. Nur einzelne Fragmente, aber sie veränderten bereits alles. Unser ganzes Dasein nahm neue Formen der Existenz an.

Mir war jedoch auch klar, dass wir noch nicht bereit waren, dieses Wissen auch zu akzeptieren, deswegen hatte ich es für mich behalten und vorgegeben, nichts mehr zu wissen. Irgendwann würde ich alles aufklären, doch im Moment wollte ich nur eines, schlafen. Ich hatte es mir verdient, auch wenn Daniel gemeint hatte, dass ich doch eigentlich genug Zeit gehabt haben musste, mich auszuruhen. Er hatte gut reden. Ihm war ja auch nicht beinahe der Schädel weggesprengt worden.

Wie immer, wenn ich mich erholen wollte, riss mich irgendetwas vom meinem Nichtstun los und zwang mich mit Nachdruck, nachzusehen, was dieser Lärm zu bedeuten hatte. Diesmal war es St. Seilers Stimme, die mich aufforderte, in den Besprechungsraum zu kommen. Ich spielte wie jedes Mal mit dem Gedanken, es einfach zu ignorieren und Entscheidungen anderen zu überlassen, doch es lag nicht in meiner Natur, zuzusehen oder mich gar abzuwenden. Ich war alles andere als neugierig, nur viel zu patriotisch. Also erhob ich mich doch noch stöhnend von meinem Bett und folgte dem Gang in Richtung Besprechungsraum, nachdem ich mein Quartier verlassen hatte.

Gerade in dem Moment, in dem ein weiterer Mann sich von seinem Sitz erhob, erreichte ich meine drei Freunde, die wie gebannt auf das Namensschild es ihnen Fremden starrten, welcher sich davon jedoch wenig beeindrucken ließ. Sein Gesicht konnte ich dennoch nicht erkennen. Ein kurzer Blick in Daniel Jacksons Gesicht sowie sein leichtes Schulterzucken und mir wurde klar, dass dieser Besuch alles andere als planmäßig war. Dann erkannte ich aber auch schon, um wen es sich bei unserem Besuch handelte. Ich kannte ihn - sehr gut sogar.

Hochgewachsen und von stattlicher Statur, helles, kurzgehaltenes Haar und der Stolz eines Soldaten in seinen dunklen Augen. Vor acht Jahren hatte ich nicht anders ausgesehen, wenn auch das leichte Grinsen auf meinem Gesicht gefehlt hatte, welches dieser Mann uns zeigte. Wie ein Trip in die Vergangenheit. Eine Zeit, die schon längst nicht mehr ein Teil meines Lebens war, die mir mittlerweile wie ein anderes Dasein erschien. Erst Charlie und dann auch noch er. Ethan. Mein Bruder. Der Mann, der seit dem Tod meines Sohnes kaum ein Wort mit mir gewechselt hatte, der mir ebenfalls die Schuld an dem Unfall gegeben hatte. Wie lange hatte ich ihn schon nicht mehr gesehen? Sieben Jahre, vielleicht acht.

Wir hatte uns nie besonders gut verstanden. Die Ähnlichkeit zu unserem Vater war wohl das einzige gewesen, was wir gemeinsam hatten. Er ein Pazifist und ich ein Patriot. Er Musikprofessor und ich Soldat. Er sachlich und standhaft, ich zynisch und draufgängerisch. Wir hatte nie eine Mitte finden können, selbst nicht, als unsere Mutter krank wurde und kurz darauf starb. Ich ließ sie gehen und er hielt an ihr fest. Nach Charlies Tod war es dann genau anders herum gewesen. Was also zum Teufel wollte er hier?

Er sprach mich mit meinem Namen an, ich tat es ihm mit dem seinigen gleich, auch wenn in meiner Stimme ein fragender Unterton mitschwang. Ich spürte die Blicke meiner Kameraden auf meiner Haut, doch ich spürte instinktiv, dass ich im Moment nicht die Zeit dazu haben würde, ihnen alles zu erklären. Er bat mich um Hilfe. Mich! Den Mann, den er nie um einen Gefallen hatte bitten wollen. Demjenigen, welchem er vorgeworfen hatte, seinen Sohn getötet zu haben.

Auf einmal sollte ich mich seiner Tochter annehmen. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass er ein Kind in die Welt gesetzt hatte. Er, der nie hatte erwachsen werden wollen. Viel mehr jedoch interessierte mich, warum ausgerechnet ich. Wieso nicht er selbst oder unsere Schwester? Was hinderte ihn daran? Was war geschehen, dass er sich nicht mehr hatte um sie kümmern können. Ich sparte mir diese Fragen, denn im selben Augenblick konnte ich all die Antworten in seinen Augen lesen. Sie waren einfach da, als hätte er sie mir zukommen lassen - direkt in meinen Kopf gepflanzt.

Ich hatte auch ihn verloren, wie Charlie vor so langer Zeit. Ethan stand genau vor mir und dennoch war es, als würde ich einem Geist ins Angesicht blicken. Ich schluckte schwer. Plötzlich steckte ein Klos in meinem Hals, drohte, mich zu ersticken. Ich glaubte, zu träumen, versuchte mir einzureden, dass all das nur noch ein böser, merkwürdiger Traum sein würde, doch die Tatsache, dass auch meine Freunde ihn sahen, holte mich sofort wieder in die Realität zurück, aus welcher ich eigentlich nur fliehen wollte. Somit war auch Charlie kein Traum gewesen. Alles, was dieser mir gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Er war nie wirklich fortgegangen, er war immer bei mir gewesen.

Warum? Das war alles, was ich herausbekam. Ich fühlte mich eingeengt, nervös, hilflos. So, wie ich mich nie wieder hatte fühlen wollen. Mein Herz blutete, innerlich schrie ich und doch fühlte sich mein Körper einfach nur taub an, mein Bewusstsein war wie benebelt. Dieses kleine Wort schnitt so vieles an, worauf ich keine Antwort fand. Meine Rolle in diesem Spiel, was mit meinem jüngeren Bruder geschehen war, was Charlie dazu getrieben hatte, sich umzubringen und noch so einiges mehr. Vor allem aber, wieso ausgerechnet ich mich um ein Kind kümmern sollte, obwohl ich nicht einmal mein eigenes hatte davor bewahren können, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen.

Weil es unsere Bestimmung ist. Seine Antwort war so einfach. Weil es unsere Bestimmung ist. Es sagte alles und auch wieder nichts. Weil es unsere Bestimmung ist. Es legte mein Leben fest und ließ doch soviel Spielraum. Weil es unsere Bestimmung ist. Es gab mir auf eine unerklärliche Weise Trost und machte mich doch gleichzeitig wütend. Weil es unsere Bestimmung ist. Das sagte mir auf eine Art, dass ich nichts hätte an meinem Leben ändern können aber auch, dass meine Zukunft ungewisser denn je war. Weil es unsere Bestimmung ist. Immer wieder halten seine Worte in meinem Geist wieder. Ich begriff es und doch war es ebenso ein Rätsel für mich.

Ich verdrängte diese Ratlosigkeit oder auch gleichzeitig die Erkenntnis aus meinem Kopf, konzentrierte mich für den Moment auf meinen Gegenüber, meinen Bruder, nur um ihn die Frage zu stellen, die ich auch schon von Charlie hatte beantwortet haben wollte, als dieser mich besucht hatte. Ich hatte ihn jedoch nicht gefragt. Ich hatte mich vor der Antwort gefürchtet, aber jetzt wollte ich es wissen. Ethan nickte nur. Das war alles gewesen, was ich gebraucht und mir erhofft hatte. Er hatte ich nie gewollt, seit ich meinen Sohn verlor. Nur einen kleinen Funken Hoffnung, ihn irgendwann wieder in die Arme schließen zu können. Kurz darauf war mein Bruder auch schon verschwunden und ich besaß die Gewissheit, dass er mir verziehen hatte, dass er mir nicht länger die Schuld an der damaligen Tragödie geben würde.


Als ich noch am selben Tag an seinem Haus ankam, saß bereits ein kleines Mädchen auf der untersten Treppenstufe und wartete. Ich stoppte den Wagen und stieg aus. Sie sah mich einfach nur an und einen winzigen Augenblick glaubte ich in ihrem Gesicht die Spur eines Erkennens zu erblicken - einen kleinen Moment des Wissens. Als ich direkt vor ihr stand, erhob sie sich und sah zu mir auf. Sie wusste es. Ich erkannte es in ihren Augen. Ihr war klar, was geschehen war und dass sie nun bei mir bleiben würde. Sie reichte mir wortlos die Hand entgegen, ein leichtes Lächeln legte sich über ihr kindlich engelsgleiches Gesicht. Für einen Sekundenbruchteil glaubte ich meinen Sohn in ihr wieder zu erkennen. Ich ergriff ihre zarte Hand.

Sie verriet mir auf dem Weg zum Auto ihren Namen. Faith. Hoffnung. Genau das war sie. Hoffnung. Dann schwiegen wir. Es war - anders als sonst - eine heilsame Stille, die uns beiden die Zeit gab, uns an die Veränderungen in unserem Leben zu gewöhnen.

Ende

© 2005 Lenari


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