You deserve more than that by moonlight
Summary: Sams Vergangenheit vor dem Stargate-Kommando holt sie ein. Finden sie und Jack dennoch zusammen? Und was passiert mit Daniel?
Categories: Stargate SG-1 Characters: Ba’al, Cassandra, Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Janet Fraiser, Own Character, Samantha Carter (SG-1), Teal’c (SG-1)
Genre: Angst, Character Death, Drama, Romance, Songfic
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 2 Completed: Ja Word count: 52092 Read: 7461 Published: 20.10.12 Updated: 20.10.12
Story Notes:
Stargate SG-1 und seine Charaktere gehören MGM Television.

Song:
Unheilig - An deiner Seite

Spoiler bzw. verwendete Szenen aus:
6x06 - Am Abgrund
7x18 - Helden, Teil 2

Achtung! Die verwendeten Szenen kommen nicht in der zeitlichen Reihenfolge wie im TV vor. So stirbt z. B. Janet viel später.

1. 1. Teil by moonlight

2. 2. Teil by moonlight

1. Teil by moonlight
You deserve more than that

„Los jetzt! Wir kommen nun ohne euch zurecht.” Marius legte Daniel die Hand auf die Schulter. „Ihr müsst gehen. Wer weiß, ob wir noch einmal soviel Energie für den Kreis der Dunkelheit aufbringen können.“ Er drückte eindringlicher gegen den Stoff auf Daniels Schulter und nickte ihm verschwörerisch zu. „Geht!“

„Marius hat Recht, O’Neill.“ Teal’c half einer Frau auf die Beine und stützte sie, als er sie aus der kalten und feuchten Zelle begleitete. Er selbst musste sich bücken, um durch die kleine Öffnung der Gitter zu kommen.

„Wenn wir jetzt nicht gehen, kommen wir vielleicht nie wieder zurück“, gab Daniel vorsichtig an Jack gewandt zu bedenken.

Jack sah zu Sam zurück, um ihre Meinung zu hören.

„Es könnte eng werden, Sir“, pflichtete sie Daniel bei.

„Allerdings haben die sicher schon mitbekommen, was wir hier getan haben.“ Daniel rückte seine Brille auf der Nase zurecht und sah sich um. Alle Gefangenen waren nun befreit und stiegen die schmale Steintreppe nach oben. „Es werden mehr kommen.“ Er stemmte seine Hände in die Hüften. „Was willst du jetzt machen?“

„Wir schaffen das! Aurora hat sich mit Sicherheit bereits Zugang zum Waffenlager verschafft. Es schließen sich immer mehr unserer Sache an. Geht!“ Marius stand am Ausgang des Kellers und half seinen zwei Männern, den eben befreiten Menschen den Weg hinauf zu zeigen.

Als sich die zierliche Frau, der eben Teal’c noch geholfen hatte, zitternd einreihte, zog Sam scharf die Luft ein und schloss augenblicklich die Augen.

O’Neill, der seine Waffe noch immer im Anschlag hatte, folgte ihrem Blick und atmete tief ein und aus. Er sah, was Sam sah. Die junge Frau wurde gefoltert, geschlagen und war schwanger. Ihr Gesicht war geschwollen, sie hatte Schnittwunden an den Armen und doch hielt sie ihre flache Hand schützend auf ihrem gewölbten Bauch.

Ganz leise, aber ziemlich deutlich hörten sie hinter sich unerwartet das hämische und röchelnde Lachen eines Mannes. Er saß auf dem Boden und lehnte an einer Steinwand am Ende des Ganges. Er war schwer verwundet. Ein Messer steckte in seinem Hals, er blutete aus dem Oberarm und seine Hände waren von Brandspuren übersät. Sie lagen schlaff auf seinen ausgestreckten Beinen. Dass er über Kurz oder Lang verbluten würde, war sicher. „Sie wird mich nie vergessen“, flüsterte er fast zu ruhig, wenn man bedachte, in welcher Situation er sich befand. Seine dunklen Augen sahen gebannt ausschließlich zu der einzigen Frau von dem anderen Planeten; er sah Sam an.

„Elender Mistkerl“, spie Marius wütend.

„Also schön, auf geht’s, Leute“, befahl Jack und ließ sich von dem Kommentar nicht aus dem Konzept bringen. Er setzte sich seine Mütze auf und hielt Marius an der Schulter zurück. Eindringlich sah er ihn an.

Marius nickte und konzentrierte sich wenig später wieder auf die Befreiung seines Stammes.

Sam allerdings verengte die Augen zu Schlitzen und presste ihre Kiefer zusammen. Ihr Gesicht war wie das der anderen von Staub und Schweiß besudelt und eine dünne rote Linie zog sich schräg über ihre Wange. Sie widerstand dem Drang, ihre Augen zu schließen, sondern festigte stattdessen ihren Griff um ihre Waffe.

„Carter“, warnte Jack leise, als er sah, was sie tat. Seine Augen hefteten auf ihrem Körper.

Sam ignorierte ihn und ging langsam die fünf Schritte zu dem Mann hinüber. Dicht vor ihm kniete sie sich schließlich hin.

Als alle Gefangenen zum ersten Mal seit Monaten die Sonne auf ihren Gesichtern fühlen konnten, kamen über den Platz weitere gegnerische Krieger. Sie eröffneten das Feuer und rannten zu der Stelle, wo gerade die schwangere Frau als Letzte aus dem Erdloch stieg. Marius’ Männer erwiderten das Feuer und gaben den Gefangenen Deckung, die sich schützend hinter Steinen versteckten oder in den Wald rannten.

Unter der Erde drangen von draußen laute und hektische Kampfgeräusche zu Marius und SG-1. Die Hölle schien über ihnen hereinbrechen zu wollen. „Verdammt. Sie sind da!“ Marius zückte sein Messer und ging in Position. Er behielt die geschwungen Treppe im Auge.

„Sam, los jetzt!“ Daniel lief vom Ausgang ein wenig in den Gang zurück, von dem aus es in die viel zu kleinen Zellen ging. Und obwohl sie seine ausgestreckte Hand nicht sehen konnte, tat er es doch.

Sam sagte noch immer kein Wort, sah den sterbenden Mann lediglich an und stützte ihr Gewicht mit einem Knie auf dem blutverschmierten lehmigen Boden ab. Mit einer einzig fließenden Bewegung fesselte sie seine Hände und zog ihm dann langsam das Messer aus dem Hals. Man konnte sofort hören, wie er stärker röcheln musste und nach Luft schnappen wollte. Sie legte das Messer vor ihm auf den Boden, damit er es gut sah. Auch wenn er gekonnt hätte, er wäre nicht herangekommen. Das Blut sprudelte regelrecht aus seinem Hals und lief beständig in mehreren Rinnsalen seinen Oberkörper hinab. Sie griff in ihren Rucksack und holte Verbandsmaterial heraus. „Damit du den Tod anbettelst“, sagte Sam kalt und sah ihm dabei unverwandt in die Augen. Ihre Stimme war nur ein Zischen. Der Verband, den sie ihm angelegt hatte, hatte die Bezeichnung nicht verdient. Allmählich verfärbte sich der Mull rot und das Blut begann erneut, jetzt jedoch viel langsamer, auf seine Kleidung zu tropfen. Geschmeidig wie eine Katze kam sie wieder auf die Beine.

Jack sah mit gerunzelter Stirn schweigend erst zu ihr, die mit festem Schritt nun endlich zu Daniels großem Glück an ihm vorbei ging, dann zu dem Sterbenden. Er beobachtete, wie der Mann noch immer blinzelnd Sam hinterher schaute und wie sich ein kleines Lächeln um seine Lippen bildete.

Daniel sah es ebenfalls. Jack und er tauschten einen kurzen ernsten Blick miteinander aus. „Gehen wir“, war alles, was Jack ihm, ohne zu blinzeln, erwiderte.

Daniel senkte die Lider und folgte schließlich Teal’c aus dem Verließ. Jack ging als Letzter.

An der Oberfläche angekommen, holte Jack tief Luft, als er gleichzeitig den Kopf einzog und losrannte. Es war ihm kaum möglich gewesen, dort unten ausreichend zu atmen. Er würde den Gestank, den verwesenden Geruch nicht so schnell aus der Nase kommen. „Marius, wir schicken euch Verstärkung“, brüllte er über das Feuergefecht hinweg, während er sich hinter einen Stein hockte, um seinem Team Deckung geben zu können. Daniel und Teal’c liefen bereits auf das Stargate zu.

Sam kniete auf halber Strecke zwischen den Gruppen, die einmal Jack und Marius und zum anderen Daniel und Teal’c bildeten, ebenfalls hinter einem Stein und feuerte aus aller Kraft. Die Verbindung existierte jetzt bereits seit zweiunddreißig Minuten. Es wurde langsam wirklich Zeit. Sie zählte in Gedanken die Minuten, denn auf ihre Uhr konnte sie nicht schauen.

„Nein“, schrie Marius ebenso laut zurück. „Colonel Carter sagte, dass eure Energiequellen nicht unbedingt mit den unseren kompatibel sein müssen. Es ist ein zu großes Risiko. Jack, wir haben euch so viel zu verdanken. Den Rest müssen wir allein schaffen, wenn wir endlich der Thyrannei entkommen wollen. Das habe ich dir schon gestern gesagt.“ Marius drehte sich um und gab einen zielgerichteten Schuss ab. Der Angreifer ging sofort zu Boden. „Ihr tut das Richtige, bitte geht!“

Jack nickte schließlich langsam und gab seine Deckung auf, um zu sehen, wie weit sein Team gekommen war. „Los Carter“, befahl er.

„Nicht ohne Sie“, schrie sie zurück. „Wir haben noch ein paar Minuten.“ Sie feuerte unerlässlich.

Jack rannte, schoss und suchte immer wieder Deckung, als er sah, wie Daniel und Teal’c am Tor ankamen. Daniel ging als erster durch, während sich Teal’c noch einmal umdrehte. Jack bedeutete ihm, weiterzugehen und Teal’c trat augenblicklich in den Ereignishorizont ein. Sam befand sich keine zehn Meter von der Plattform entfernt, auf der das Tor stand. Sie schoss aus allen Rohren und behielt Jacks Position im Auge. Er kämpfte sich Meter für Meter vor und als er auf ihrer Höhe war, rannten sie beide los und erklommen zeitgleich die Stufen zum Portal. Hinter dem Wald hörten sie, wie weitere Männer ankamen und in den Kampf einstiegen.

„Hoffentlich sind das Auroras Männer“, schnappte Sam Luft holend.

„Mit Sicherheit“, hoffte Jack. Erst dann sah er im Augenwinkel, wie Aurora auf ihrem Pferd auf der Lichtung ankam. Er atmete erleichtert aus. „Los jetzt, wir können hier nicht mehr helfen.“ Beide waren jetzt nur noch gut zwei Meter vom Tor entfernt.

Und kurz bevor Jack durch den Ereignishorizont trat, hörte er, wie ein Pfeil hinter ihnen die Luft teilte, Stoff zerriss und sich ins Fleisch seines Ziels bohrte. Sam stöhnte leise. Alles passierte auf dem letzten halben Meter zeitgleich und doch kam es Jack wie Minuten vor. Die Reise durch das Wurmloch dämpfte sein klagendes Seufzen und riss ihn mit seiner Sorge um sie zur Erde zurück. Sam war nur wenige Sekundenbruchteile hinter ihm.

Kaum berührten Jacks Füße das Gitter der Rampe auf der anderen Seite, da drehte er sich bereits, um Sam aufzufangen. Um ihn herum jaulten die Sirenen, die Wachen standen mit dem Gewehr im Anschlag um die Rampe herum, aber Sam landete sicher in seinen Armen und nicht auf dem kalten Metall. „Iris schließen! Fraiser! Sofort“, bellte er zu Hammond hinauf, als er sich langsam mit ihr zu Boden niederließ. Der Pfeil steckte in ihrer Schulter.

Halt suchend griff Sam um Jacks Oberarm und versenkte ihre Fingerspitzen tief in den Stoff seines Anzuges. „Verdammt“, flüsterte sie und biss die Zähne zusammen. Für einen kurzen Augenblick trafen sich ihr schmerzerfüllter und sein besorgter und ernster Blick. Beide atmeten hektisch gegeneinander.

„Sam, mein Gott!“ Daniel stürzte die Rampe wieder hinauf und kniete sich ebenfalls hinunter.

Teal’c trat zur Seite und machte dem bereits heraneilendem Ärzteteam Platz.

„Alles wird gut, Sam.“ Fraiser strich Sam über die Stirn. „Die Trage“, rief sie zu ihren Männern. „Los, Beeilung“, forderte sie.

„Die haben sich dort hervorragend mit Gift ausgekannt, Doc. Vielleicht …“ Jack ließ Sam nicht los.

Janet nickte. „Was ist mit dieser Verletzung“, sie deutete auf Sams Wange.

„Nicht der … Rede … wert, Janet.“ Sam rollte sich ein wenig auf die Seite und somit tiefer in seine schützende Umarmung.

„Das werden wir sehen, Sam. General, danke! Ab jetzt übernehmen wir.“ Sie legte ihm eine Hand auf sein Handgelenk und bedeutete ihm, sie loszulassen.

Jack sah vom oberen Teil der Rampe zu, wie man Sam aus dem Torraum schaffte und ignorierte Daniels bohrenden Blick.

Daniel schien das nichts auszumachen. „Sam war direkt hinter uns, Jack. Was hat sie aufgehalten?“

Jack ging die Rampe runter und meinte mit zusammengepresstem Kiefer: „Sie hat mir Deckung gegeben.“ ‚Und meinen klaren Befehl missachtet‘, dachte er missmutig.

~~~~~

Es war am späten Abend, als er sich leise der Krankenstation näherte. Janet arbeitete konzentriert an ihrem Schreibtisch. Eine kleine Lampe erhellte diesen Bereich und ihr ernstes Gesicht. Um sie herum schien alles ruhig zu sein und für einen kleinen Augenblick war er einfach nur dankbar.

„Guten Abend“, sagte er selbstbeherrscht. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre er direkt zu ihrem Bett durchgelaufen.

„General, Sie auch noch?“ Janet sah nicht sonderlich erfreut zu ihm auf.

„Wie geht es ihr“, fragte er mit tiefer Stimme. Seine Hände steckten in den Hosentaschen und er gab sich alle Mühe, ihren Tonfall zu ignorieren.

Die Ärztin ließ ihren Bleistift fallen und stand auf. „Gut. Der Pfeil war nicht getränkt und saß auch nicht sonderlich tief. Sie hat lediglich eine Fleischwunde. Die wird bald verheilen.“ Janet tat es ihm gleich und steckte ihre Hände in die Taschen ihres Kittels.

„Und sie bleibt die Nacht hier?“ Jack hatte den Blick von ihr abgewandt und sah auf das einzig belegte Bett.

„Ja. Wenigstens zur Beobachtung. Ich will, dass sie sich ein wenig Ruhe gönnt. Und hier kann sie schließlich nichts anderes machen.“ Janet trat an seine Seite und beobachtete mit ihm gemeinsam, wie sich Daniel auf Sams Bett setzte.

~~~~~

„Daniel, mir geht es gut. Wirklich. Das ist nicht meine erste Verletzung.“ Sam versuchte, Daniel die Besorgnis zu nehmen, die sein Gesicht fest im Griff hatte.

„Wir alle sind froh, dass es nur eine Fleischwunde ist, Sam. Teal’c wollte morgen Früh nach dir sehen.“ Er setzte sich auf die Matratze. „Er meinte, dass Janet einen Tobsuchtsanfall bekommen würde, wenn wir hier alle auftauchen würden.“

Sam lächelte und sank vorsichtig in die Kissen zurück. „Janet lässt mich hoffentlich morgen hier raus. Ich kann mich zu Hause oder in meinem Labor ebenso gut erholen …“ Sie stoppe abrupt, als sie Daniels erhobenen Zeigefinger sah.

„Samantha.“ Er schüttelte den Kopf.

„Nenn mich nicht so.“ Sam schürzte die Lippen.

Daniels Lächeln verschwand, als er zu sprechen begann. „Was ist heute eigentlich genau auf Penau passiert?“

Sam sah verwirrt zu ihm auf. „Aber das weißt du doch, Daniel. Ich hätte genauso gut bereits …“ Sam verstummte.

Daniel schüttelte wieder seinen Kopf. „Davon rede ich nicht. Was ist da heute unten im Verließ passiert“, fragte er eindringlicher.

Sam schluckte und verengte ein wenig die Augenlider. „Daniel, du brauchst hoffentlich keine Erklärung von mir. Er hat sie geschlagen und vergewaltigt, ihr Schmerzen zugefügt und ihr ganz nebenbei eine bittersüße Erinnerung hinterlassen.“

Daniel griff nach ihrer Hand, die nicht in der Armschlinge war. „Sam, ich rede davon, dass du heute als Frau und nicht als Soldatin in diesem Keller anwesend warst. Und wer wäre ich, wenn ich das nicht verstehen könnte? Keine Frage, aber ich hätte nicht erwartet, dass …“ Daniel brach ab und strich ihr stattdessen sanft mit dem Daumen über den Handrücken. „Der Typ wäre so oder so gestorben.“

„Auf meine Art ging es langsamer“, ihre Stimme zitterte nicht. Sie erwartete Daniels schockierten Blick, der auch umgehend kam. Sie schluckte und atmete tief aus. „Du verstehst es nicht?“ Sie lächelte traurig. „Wie könntest du auch“, meinte sie nachdenklich.

„Nein.“ Er schüttelte sacht den Kopf. „Das werde ich auch nicht.“

Sam sah ihn eine Weile schweigend an und blinzelte ruhig. „Daniel, nur sehr wenige Leute wissen, was vor meiner Zeit im Pentagon und somit vor dem Stargate-Programm passiert ist. Und glaub mir, ich bin nicht stolz darauf, wie dieser Abschnitt meiner Laufbahn endete.“ Sam schwieg eine Weile. „Wir haben im Golfkrieg Missionen ohne Marken durchgeführt. Sie waren topsecret. Wir wussten, dass, wenn uns etwas passieren, die amerikanische Regierung abstreiten würde, uns jemals gekannt zu haben. Wir alle waren auf uns allein gestellt.“

„Jack hat ähnlich gekämpft“, meinte Daniel nachdenklich und hatte nicht wirklich vor, sie zu unterbrechen.

„Ja. Das hat er.“ Sam senkte die Lider und richtete sich auf.

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„Hey! Ich dachte, du wolltest erst morgen nach ihr sehen.“ Jack sah verwirrt, wie Teal’c sich hinter ihm in der Glasscheibe spiegelte.

Teal’c lächelte und nickte sanft. „Ist mit Colonel Carter alles in Ordnung“, fragte er Janet.

„Sie wird’s überleben“, meinte dafür Jack und klopfte ihm auf die Schulter. „Glück bis zur letzten Minute.“

Teal’c nickte ihm graziös und zustimmend zu.

„Ich würde vorschlagen, Sie alle gehen bald zu Bett, meine Herren und ruhen sich aus.“ Janet wartete keine Antwort ab, sondern ließ die Männer allein. Es war immer dasselbe. War einer verletzt, hätte sie Feldbetten für die restlichen Mitglieder des Teams aufstellen können. Janet kam nicht umhin, über die Fürsorge sanft zu lächeln.

„Geht klar, Doc.“ Jack war nach dem Schrecken mit sich und der heutigen Mission zufrieden. Sie hatten Marius und Aurora helfen können und er war sich sicher, dass die beiden eine Zukunft in ihrer Welt hatten. Alles würde seine Zeit brauchen, aber sie hatten eine Chance dank SG-1.

Als sich der Mann und der Jaffa wieder der Krankenstation zuwandten, wäre einer von ihnen am liebsten sofort durch die Glasscheibe gesprungen. Denn plötzlich und ohne Vorwarnung fiel Sam weinend in Daniels Arme. Jack beobachtete, wie er sie mit geschlossenen Augen fest an sich gedrückt hielt und ihr sacht über den nicht verletzten Teil ihres Rückens strich.

Er presste die Zähne fest zusammen und Teal’c entfernte sich leise.

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Daniel hielt sie minutenlang in den Armen und schwieg die Zeit über. Er wiegte sie leicht hin und her. „Ich verspreche dir, es wird kein Wort über meine Lippen kommen. Ich werde nicht richten und ich werde dich nicht verurteilen, aber ich kann es nachvollziehen.“

Sam nickte sacht an seiner Schulter. „Danke“, flüsterte sie gegen den dünnen Stoff des Hemdes, das Daniel trug.

„Und jetzt ruh dich aus. Vielleicht schläfst du noch ein paar Stunden“, schlug er vor. Er drücke sie sacht ein wenig von sich, um ihr in die Augen sehen zu können. Er musste sich überzeugen, ob er sie jetzt wirklich allein lassen sollte.

Sam nickte und lehnte sich in die Kissen zurück. Sie würde sich gleich auf den Bauch drehen müssen. Auf dem Rücken zu schlafen, war keine wirkliche Option.

Daniel beugte sich vor und küsste sacht ihre Stirn. „Dein Labor wartet auf dich. Schlaf“, forderte er liebevoll.

Daniel betrat den kaum erhellten Flur und fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht. Er atmete schwer ein und aus und brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Ja, sie hatte Recht gehabt, diese Information ließ ihre heutige Tat in einem ganz anderen Licht erscheinen.

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Vier Monate später.


„Es sind wieder zwei, Sam.“ Leichte Enttäuschung schwang in ihrer leisen, aber konzentrierten Stimme mit. Janet schaute nicht auf, während sie ihre Notizen der letzten Wochen vervollständigte.

Sam, die gerade ihre Hose zuknöpfte, blickte ebenfalls nicht auf. Janet hätte es nicht erwähnen müssen, sie wusste es bereits. Ihre eigene Waage log nie.

Die Ärztin atmete tief aus und beobachtete ihre Freundin, die keine allzu große Schwierigkeit mit dem Gürtel ihrer Hose hatte. Sie schüttelte resigniert ihren Kopf, als der seit einigen Tagen an ihr nagende Gedanke ausgesprochen werden musste: „Ich muss mit General Hammond sprechen.“

„Nein!“ Sam schaute panisch zum ersten Mal auf und zog gleichzeitig ihr schwarzes T-Shirt in die richtige Position. „Ich bekomme es in den Griff. Ein paar Tage Ruhe und …“

Janet presste ungläubig die Lippen aufeinander. „Wie schläfst du?“ Besorgnis schwamm zweifelsfrei mit und obwohl sie die Antwort bereits erahnen konnte, musste sie die Frage stellen.

Sam schluckte ertappt und lehnte sich gegen die Pritsche hinter sich. „Nicht wirklich gut, zu wenig“, gestand sie mit gesenktem Blick.

„Du weißt, dass ich schon längst hätte wenigstens mit General O‘Neill sprechen müssen.“ Sie legte die Unterlagen und den Stift auf den Tisch neben sich und ging auf Sam zu.

„Ich weiß“, pflichtete sie ihr bei und nickte bestätigend, „ich bin dir dankbar, dass du es bisher nicht getan hast.“ Sie sah auf und fing ihren ernsten Blick ein.

„Wenn du weiterhin an Gewicht verlierst, nicht genügend Ruhephasen findest, muss ich mit beiden sprechen.“

Janets Tonfall ließ keine Widerrede zu, doch Sam wusste, dass sie es versuchen musste. Sie öffnete bereits ihren Mund, als Janet in ihre Kitteltasche langte, eine Tablettenschachtel herauszog und sie ihr reichte.

„Eine“, sie zog sie wieder leicht zurück, als Sam danach griff, und gewann dadurch den ersehnten Augenkontakt, „eine am Tag, Sam!“

Sam traf ein sehr strenger Blick. Janets gesamte Körperhaltung verriet ihr, wie angespannt sie war und dass sie sich nicht länger auf ihre Freundschaft berufen konnte. Hier stand mehr auf dem Spiel. Die Situation war für sie beide nicht einfach. Einerseits war Janet ihre Freundin und andererseits ihre Ärztin, die das Wohl aller im Blick haben sollte. Sam war Mitglied eines Teams und alle in diesem Team mussten hundertprozentig einsatzfähig sein. Das waren sie sich schuldig, denn immerhin vertrauten sie sich tagtäglich gegenseitig ihr Leben an. Sie spannte den Bogen des Möglichen für sie sehr weit und Sam wusste das zu schätzen. Der Spagat, den sie von Janet verlangte, war groß und noch duldete sie ihn.

Janet tat es Sam gleich und fand ebenfalls an der Pritsche neben ihrer Freundin Halt. Sie verschränkte ihre Arme vor dem Oberkörper. „Alle möglichen Test hast du durchlaufen und nichts, aber auch rein gar nichts war zu finden.“ Janet sah nach einer Pause auf. „Es gibt keinen körperlichen Auslöser“, konstatierte sie wie zum ersten Mal.

Und dann war es Sam klar, was folgen musste. Janet würde einen Feind beschreiben, gegen den sie nichts ausrichten konnte. Sie schloss die Augen und hoffte inständig, dass es bald vorbei war. Die ehrliche Meinung Janets schmerzte und erreichte immer wieder ihren Verstand. Sie hatte längst begriffen, dass sie Recht hatte, aber es immer wieder vorgebetet zu bekommen, half ihr nicht wirklich. Sam hatte die letzten Wochen inständig gehofft, dass es körperliche Ursachen für ihren Zustand geben würde. Sie würde ein paar Tabletten nehmen, sich zusätzlich Ruhe gönnen und dann hätte es in ein paar Tagen wieder weiter gehen können: Auf in die nächste Schlacht, sich neuen Verbündeten anschließen, neue Technologien entdecken und verstehen und neuen Problemen, Ängsten stellen.

„Ich frage mich, wie wir alle mit den Erfahrungen umgehen werden, die wir hier machen, die nicht erwähnt werden dürfen, über die niemand spricht. Die Verantwortung ist groß. Ihr riskiert jedes Mal dort draußen euer Leben und wenn ihr körperlich gesund zurückkehrt, weiß ich noch lange nicht, wie es um eure Psyche bestellt ist. Du hast in den letzten Jahren viel erlebt. Dein Körper beginnt, die Reißleine zu ziehen. Erste Anzeichen sind da. Hör auf ihn, Sam.“ Janet legte ihrer Freundin zur Verstärkung ihrer eindringlichen Worte eine Hand auf die Schulter.

Sam öffnete ihre Augen und nickte. Die Wahrheit trieb ihr regelmäßig die Tränen in die selbigen. Sie hasste es. Sie hasste es, wenn Janet ihre mentale Grenze so spielend erreichen und vor allem durchbrechen konnte. „Ich versuche es, Janet. Ich verspreche es dir.“ Die Worte klangen aufrichtig und ehrlich.

„Aktivierung von außen!“ Die bekannte Stimme aus dem Kontrollraum von Walter Harriman drang aus allen Lautsprechern der Ebene.

Beide Frauen sahen einander an. „Teal’c kommt von Chulak zurück“, wusste Sam.

„Chefron eins aktiviert“, ergänzte Walter.

„Er wollte sich mit Bra’tac treffen“, fuhr sie fort. Sam erhob sich und griff nach ihrer Jacke, dankbar, endlich die Flucht ergreifen zu können.

„Chefron zwei aktiviert.“

„Ich denke, jetzt kommt Daniel mit seinen Übersetzungen bestimmt einen Schritt weiter. Es kommt nicht oft vor, dass Teal‘c nicht weiter weiß.“ Janet trat neben sie.

„Chefron drei aktiviert.“ Walters Stimme rauschte durch die Lautsprecher.

„Ja, hoffentlich. Es könnte sich wirklich um einen großen Antikeraußenposten handeln. Die Steinplatten sind bisher das Älteste, was Daniel gesehen hat.“

Das plötzliche hektische Piepen der Apparate und die ruckartigen Bewegungen hinter einem Vorhang am Ende der Krankenstation ließen Sam und Janet abrupt aufsehen. Janet hatte sich gerade in Bewegung setzen wollen, als eine Person an ihnen vorbei rannte. Beinahe wäre sie mit ihm zusammengestoßen.

„Captain! Bleiben Sie stehen“, forderte Dr. Fraiser, die sich schnell gesammelt hatte und ihm nachrannte.

Sam ließ ihre Jacke fallen und tat es ihr augenblicklich gleich. Sie hatte sie schnell eingeholt.

„Chefron vier aktiviert.“

„Aufhalten! Sofort“, schrie die Ärztin den Wachen auf dem Flur entgegen, doch leider hatten sie wenig Erfolg. Ihr Patient rannte durch alle Posten, die sich ihm in den Weg stellten und stieß sie zur Seite. „Captain Williams, bleiben Sie verdammt noch mal stehen. Tun Sie das bitte nicht!“ Janet unternahm einen weiteren, hoffnungslosen Versuch.

„Er will in den Torraum, Janet“, erkannte Sam und erhielt ein zustimmendes Nicken.

„Ich weiß!“

Sam konnte deutlich ihre Angst hören und das überraschte sie. Was war hier los?

„Chefron fünf aktiviert.“

Captain Williams kam Meter für Meter dem Torraum näher und obwohl es ihm ein ungeheures Maß an Kraft kostete, trieb er seine Beine mit purem Willen voran. Seine Entschlossenheit war alles, was er hatte.

„Bleiben Sie stehen, Williams“, schrie nun Sam.

„Chefron sechs aktiviert“, kommentierte Harriman professionell wie immer.

Und plötzlich blieb Williams tatsächlich stehen, sah noch einmal über seine Schulter hinweg und fand sofort Sams blaue Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht und Sam begriff auf einmal, was er vorhatte. Sie schloss die ihrigen, als er seine Zutrittskarte durch den Schlitz streifte.

Inständig sah Janet zu ihrem Patienten, der auch ihr ein letztes Kopfnicken schenkte. Sie schluckte hart gegen die aufsteigende Übelkeit an. „Nicht“, flüsterte sie gerade so laut, dass es der Captain hören konnte.

„Es tut mir Leid“, kam es entschuldigend und fest überzeugt von ihm, bevor er im Torraum verschwand.

„Chefron … sieben … aktiviert.“ Stockend kamen Walter die Worte über seine Lippen. Er sah fassungslos auf die Ereignisse vor sich und erhob sich augenblicklich von seinem Stuhl.

„Was ist hier los, Sergeant?“ General Hammond kam mit einem großen Schritt neben ihm zum Stehen. Er schaute abwechselnd auf das Szenario vor sich und auf die Person neben ihm, von der er eine Antwort erhalten wollte.

Captain Williams betrat den Torraum und rannte geradezu in den Vortex. Die Wachen in dem Raum waren nicht in der Lage, zu reagieren, hatten sie doch ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Tor vor sich gerichtet.

Jack, der General Hammond begleitet hatte, trat an seine andere Seite. Er hatte die Hände in seinen Hosentaschen, die er sofort herausriss, um das Mikrofon vor sich zu greifen. „Stopp! Captain! Verdammt noch mal.“ Es war zu spät. Er sah, wie Williams vom Vortex erfasst wurde und er sah den weißen wehenden Kittel von Dr. Fraiser, die Sam unmittelbar hinter Williams zu Boden riss. Beide kugelten den unteren Teil der Rampe hinunter.

„SAM, NICHT!“ Janet konnte Sam, die ihren Arm bereits zu Williams ausgestreckt und ihn fast berühren konnte, gerade noch rechtzeitig aus dem kritischen Bereich herausziehen. Beide mussten mit ansehen, wie Williams nur wenige Meter von ihnen vom Plasmawirbel erfasst wurde. Schützend hoben beide Frauen die Hände vor ihre Köpfe.

„Ich weiß es nicht, General“, antwortete Walter nun verwirrt und fand wieder unbeholfen auf seinem Stuhl Platz. „Wir haben SG-1-Signatur erhalten. Teal’c ist pünktlich.

Während Sam schwer und flach atmend mit ihrer Faust auf den Boden hämmerte, setzte sich Jack gefolgt von General Hammond in Richtung Torraum in Bewegung. Als beide unten ankamen, war bereits Teal’c durch das Gate gekommen und stand oben auf der Rampe. Er überblickte fragend den Raum.

„Ich möchte alle Beteiligten in zehn Minuten im Besprechungsraum sehen.“ General Hammond verließ den Torraum nicht, bevor Dr. Fraiser ihm beflissentlich zunickte.

„Ja, Sir“, bestätigte Janet und hatte alle Mühe, diese zwei Wörter über die Lippen zu bringen. „Sam, ist bei dir alles in Ordnung?“ Sie war dem undefinierbaren Blick von Jack gefolgt und beugte sich sogleich besorgt zu ihr hinab.

„Es geht. Danke“, flüsterte sie und hievte sich langsam hoch. Sie hielt ihren Ellenbogen mit der anderen Hand schützend umklammert.

„Was ist hier passiert“, wollte Teal’c wissen, der sich zu der kleinen Gruppe am Fuße der Rampe gesellte.

„Das wüsste ich allerdings auch gern“, forderte Jack mit angespanntem Kiefer. Er sah zwischen Sam und Janet hin und her und als keine der Frauen sofort antwortete, ruhte sein Blick letztlich auf Sam. Als sie ihn direkt und offen ansah, erschrak er. Einzig seiner jahrelang einstudierten Professionalität hatte er es zu verdanken, dass die Umherstehenden in seinem Gesicht nicht lesen konnten, was sein Herz fühlte und er seine Hände ruhig an seinem Körper beließ und sie nicht schützend um sie schlang. Sie verhielt sich in den letzten Monaten ihm gegenüber reservierter und bedachter als sonst und nun dieser ehrlich verletzte Blick, der soviel beschrieb, wie keine Worte es ausdrücken konnten.

„General?“ Janet hatte sich scheinbar schnell von ihrem Schock erholt. „Ich würde mir gern Sams Ellenbogen anschauen, Sir. Ich glaube, das war meine Schuld.“

Sam sandte ein stilles Stoßgebet gen Himmel.

Jack, der immer noch versuchte, alles aus Sams Blick zu erfahren, was sie ihm die letzten Wochen nicht mitteilte, fühlte sich ein wenig ertappt. „Uhm, sicher, Doc!“ Sein Arm schwang in Richtung Tür. „Nur zu“, verdeutlichte er noch einmal sein Einverständnis und nickte obendrein auch noch.

Sam ließ sich von Janet hinaus befördern, blickte aber dennoch noch einmal über ihre Schulter zu Jack. Sie sah, wie er ihr besorgt und irritiert nachschaute.

Jack entging das klagende Seufzen aus ihrer Kehle nicht.

~~~~~

„Verdammt! Lassen Sie mich in Ruhe! Und schalten Sie diesen blöden Kasten aus!“ Sam war außer sich. Ihre Tränen, die wie reißende Bäche aus den Augen flossen, schien sie gar nicht wahrzunehmen. Sie eilte in den nächsten Korridor und verringerte wenige Meter vor ihrem Quartier die Geschwindigkeit. Abrupt blieb sie stehen und suchte mit der flachen Hand Halt an der kalten Betonmauer. Sie wusste, dass ihr niemand gefolgt war und die Wache an der letzten Biegung sie nicht mehr sehen konnte. Sam lehnte sich für ein paar Sekunden gegen sie. Sie hob ihren Kopf und realisierte, dass ihr Quartier nicht mehr weit war. Sie raffte sich auf und lief zügigen Schrittes weiter. Die grauen Wände um sie herum waren genau das, was ihrer Stimmung nicht sonderlich entgegenkam. Sie seufzte kurz, fuhr sich mit der Zunge über die mit Staub besudelten Lippen und trat dann in ihr Zimmer ein. Hinter der verschlossenen Tür ließ sie ihre Ausrüstung mit einem dumpfen Knall fallen. Die nun vorherrschende Stille tat regelrecht weh und so begann sie, gegen die Tür und die Wand mit der flachen Hand und mit Tritten einzuhämmern und einzuschlagen. Müde sank sie schließlich mit dem Rücken an der Wand in die Knie. „Verdammt, verdammt, verdammt“, schluchzte sie und sogleich verhalten die Worte ungehört in dem winzigen Raum. Die Tür zu ihrem angrenzenden Labor war verschlossen. Ihre Unterarme befanden sich auf den Knien, während die Hände schlaff dazwischen hinunter hingen. Ihre Augen taxierten den Schrank mit den Uniformen. Es war einmal wieder soweit …

Jack beobachtete bereits eine Weile, wie die Schwestern und Pfleger auf der Krankenstation die Verwundeten mit starrer Miene versorgten. Er wollte es nicht unprofessionell nennen, aber das blanke Entsetzen, Dr. Janet Fraiser verloren zu haben, stand jedem hier auf der Stirn. Ein ihm unbekanntes Ärzteteam, unweigerlich musste General Hammond es angefordert haben, welches aus drei Ärzten bestand, erteilte Anweisung nach Anweisung und Janets Team befolgte sie gewissenhaft, routiniert, sich vollkommen der Situation bewusst und als ob sie ihr somit die letzte Ehre erweisen konnten.

Nach und nach war es ruhiger geworden. Einige Verletzte durften die Krankenstation verlassen, andere musste bleiben und wieder andere kamen zu Besuch bevor auch sie wieder gingen. Seit zwei Stunden konnte man lediglich das flache Atmen verschiedener Soldaten hören und mit der einkehrenden Ruhe zog sich auch das Pflegepersonal zurück.

In seinem linken Handrücken steckte eine Flexüle, die er wohl für die Nacht behalten sollte. Abwertend schaute er darauf und drehte seine Hand etwas in der Luft. Vom Tropf hatte man ihn bereits befreit und somit war ihm eine kleine Flexibilität gegeben. Jack kontrollierte noch einmal die Lage, bevor er bedacht und sich selbst prüfend, seine Beine über die Bettkante schwang. Kurz gab er dem dumpfen Schmerz in seiner linken Körperhälfte nach, bevor er ein Bein auf den Beton aufsetzte. Die kleine Wunde mit dem sich malerisch darum bildenden Bluterguss an der Stelle, wo er getroffen wurde, würde er hier noch öfters bei Kontrolluntersuchungen zur Schau tragen müssen. Dem war er sich mehr als bewusst.

Noch immer war keine Schwester oder ein Arzt in Sicht, sodass er entschied, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Janet hätte sich bestimmt hier auf dem Areal eingenistet, soviel war sicher. Als ihm nach ein paar Schritten die Uhr an der Wand auffiel und sie 02:52 Uhr morgens anzeigte, begann er zu überlegen, ob sein Vorhaben überhaupt Sinn machte. Sie würde bestimmt schlafen oder vielleicht auch gar nicht hier im Stützpunkt sein. Widerrum würde er das nie wissen, wenn er sich nicht überzeugen würde. Also lief Jack leise weiter, an den schlafenden Soldaten vorüber bis er zum Korridor kam. Nach einem prüfenden Blick erst nach links und dann nach rechts machte er sich auf den direkten Weg.

Er hatte nicht ganz bemerkt, wie er immer schneller wurde, je näher er ihren Räumen, dem Quartier und dem Labor, kam. Die Wachen, an denen er vorbei musste, salutierten kurz und waren über seine Anwesenheit keineswegs irritiert. Er bog gerade um die letzte Ecke, da sah er bereits, dass sie das Stargate-Center nicht verlassen hatte. Gedämpftes Licht bahnte sich mit einem nicht sonderlich großen Erfolg den Weg aus ihrem Labor. Sie hatte, so wie sie es sich in letzter Zeit angewöhnt hatte, die Tür offen gelassen - eine kleine Gemeinsamkeit mit Daniel. Bedächtig ging er weiter und schaute schließlich, auf alles gefasst, hinein.

Sam saß schlafend an ihrem Schreibtisch. Ihr Oberkörper lag auf der Tischplatte, die Arme darauf ausgebreitet. Um sie herum stapelten sich Armaturen, technisches Equipment und Maschinen bis unter die Decke, die ab und zu immer wieder einmal in verschiedenen Farben aufleuchteten. Auf ihrem großen Schreibtisch lagen verschiedene außerirdische Gerätschaften und warteten darauf, von ihr näher begutachtet zu werden. Jack erkannte einige von den letzten Missionen wieder. Es waren viel zu viele Planeten in den letzten Wochen gewesen. Sie allerdings ruhte vor ihrem Laptop, der ihr Gesicht mal mehr und mal weniger erhellte. Ihr Kopf lag auf dem linken Arm, der der Länge nach die Schreibtischplatte berührte. Gleichmäßig und fast kaum wahrnehmbar hob und senkte sich ihr zierlicher Oberkörper.

Jack trat leise mit einem gefestigten und doch irgendwie erleichterten Gesichtsausdruck näher. Ihr schien es gut zu gehen. Er wusste, dass sie nicht gefährlich verletzt wurde und doch tat es gut, sich selbst davon zu überzeugen. Jack sah, wie sie entkräftet noch immer in ihrer rechten Hand einen Stift hielt. Sein Blick glitt von ihren schlanken Fingern auf das darunter liegende Stück Papier. Er begriff. Sie war gerade dabei, die Trauerrede für Janet zu schreiben. Für einen Moment atmete er kräftig ein und aus. Er erkannte, dass sie geweint hatte. Die noch nicht getrockneten Tränen in ihrem Gesicht waren verräterisch, obwohl einige Haarsträhnen diese verdeckten. Sie sah müde und abgekämpft aus. Der Stress der letzten Stunden zeichnete sich deutlich um ihre Augen ab. Er schloss für einen kleinen Moment die seinen und verzog die Lippen zu einer dünnen Linie, bis der flackernde Laptop seine volle Aufmerksamkeit forderte. Er war hochgefahren und als er genauer hinsah, erkannte er das Video, welches in Endlosschleife lief. Der Tod von Janet wurde von dem Kamerateam, das das Pentagon geschickt hatte, zufällig aufgenommen. Wie oft hatte sie es sich schon angesehen? Sam hatte den Ton ausgeschaltet und so kamen ihm die Bilder noch grotesker vor.

Jack lief leise durch das Labor hinüber in ihr Quartier, griff nach einer Wolldecke und legte sie ihr, wieder im Labor angekommen, vorsichtig um die Schultern. Bevor er ging, klappte er noch den Laptop zu. Jack drehte sich, als er am Türrahmen angekommen war, noch ein letztes Mal um. Sie hatte ihn nicht bemerkt und so schlich er wieder die Korridore entlang, um ein wenig Ruhe in seinem Krankenbett zu finden. Ihm war vollkommen klar, dass er nicht schlafen werden würde, aber seine geschundenen und alten Gliedmaßen schrieen förmlich nach Entspannung.

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„Ihre Rede, Colonel, … danke!“ Hammond nickte anerkennend, während sein Blick die zierliche Frau vor sich musterte. Sam und er waren die Einzigen, die sich noch im Torraum befanden. Hier hatte bis eben noch die Trauerzeremonie für Janet stattgefunden. Sams Augen, eingebettet in dunkle Schatten, waren leer und der sonst so lebensfrohe und lebensbejahende Glanz war nicht auszumachen. Dem General fiel deutlich ihre Körperhaltung auf. Während sie bei der Gedenkfeier, die noch keine zehn Minuten vorüber war, ganz der ‚Colonel“ war, den man auch erwartete, ließ sie es nun zu, die menschliche und private Seite zu erkennen. Vor ihm stand Sam Carter und nicht Colonel Samantha Carter. General Hammond war durchaus bewusst, dass sie sich diese Schwäche vor ihm nicht sonderlich oft erlaubte. „Ich wusste, Sie würden die richtigen Worte finden“, schloss er seinen Dank.

„Ja, Sir.“ Sam schaute auf den Blumenkranz vor dem Rednerpult. „Danke, Sir!“ Sie konnte eine weiße Rose darin fast berühren, unterdrückte aber doch eine aufkommende Bewegung in diese Richtung. Gedankenverloren sprach sie weiter: „Sir? Wie kommen Sie damit klar?“ Mit einem gefestigten Blick, so hoffte sie, schaute sie zu ihm auf.

„Du versuchst dir zu sagen, dass dir jeder Mann und jede Frau unter deinem Kommando gleich viel bedeutet. Alle müssen gleichermaßen wertvoll sein … wenn man Entscheidungen treffen soll, die ihr Leben beeinflussen, so wie ich es tun muss. Aber ich kann es nicht ändern. Manchen Menschen steht man näher. Man will nie jemanden verlieren, aber … na ja …“ Der General sprach nicht weiter.

„Verstehe.“ Sam nickte abwesend.

George Hammond entschied, sie allein zu lassen. Er nickte ebenfalls, als er sich umdrehte und den Weg in sein Büro antrat.

„General?“ Sam war aus ihrer Starre erwacht.

„Ja, Colonel?“ General Hammond hielt inne und wandte sich ihr, nun einige Meter entfernt, erneut zu.

„Ich würde mir gern für die kommenden Wochen frei nehmen, wenn das Ihr Einverständnis finden sollte.“

„Ich habe theoretisch nichts dagegen. Was sagt General O’Neill dazu?“

„Ehrlich gesagt, konnte ich ihn bis jetzt nicht fragen“, gestand Sam und machte einen kleinen Schritt auf ihn zu.

„Legen Sie mir Ihren Antrag auf den Schreibtisch. Ich werde das mit ihm klären. Er hat sicherlich nichts dagegen. SG-1 war zu oft draußen. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen.“

„Danke, Sir!“

Einige Berichte über den heutigen Einsatz mussten noch gelesen und weitergeleitet werden, bevor auch er diesen traurigen Tag endlich abschließen konnte. Und so machte sich Hammond in sein Büro auf. Er wünschte und betete immer wieder zu Gott, dass er solche Ereignisse nicht mehr oft erleben musste. Mal erhörte er ihn, mal wieder nicht.

Sam schloss heute nicht zum ersten Mal die Augen und unternahm somit den Versuch, die Tränen in ihnen bannen zu wollen - erfolglos, wie sie ernüchternd feststellte. Langsam begann sie, ihren Blazer der Uniform zu öffnen und ebenfalls den besagten Raum zu verlassen.

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„Colonel Carter!“ Teal’c stand im Eingang zum Vorraum der Duschen. Er hatte seine Hände auf dem Rücken gefaltet. „Störe ich dich?“ Er wartete geduldig.

Sam hob den Kopf und schüttelte ihn trivial als Antwort auf seine Frage. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und wischte sie noch schnell die Tränen aus dem Gesicht, bevor er näher trat.

Eine ausdrucksstärkere Geste wäre für ihn nicht von Nöten gewesen, Teal’c verstand auch so. Leise kam er näher und setzte sich neben sie auf die hölzerne Bank.

Sam behielt beide Arme durchgedrückt dicht am Körper und stützte sich mit den Handflächen ab. Sie trug einen femininen und bequemen Hausanzug, darunter ein weißes T-Shirt. Ihr nasses langes Haar war komplett nach hinten gekämmt und der Wasserdampf zierte eine glänzende Spur auf ihre Haut. Ihr Kopf hing nach vorn und einzelne Tränen tropften ihr auf die Oberschenkel.

Teal’c zog es vor, genau wie sie zu schweigen und so beobachtete er Sam noch immer, als sie begann, langsam in Gedanken versunken den Kopf zu schütteln. „Ich kann nicht mehr“, flüsterte sie in die entgegengesetzte Richtung, aber er verstand genau. „Ich will nicht mehr“, konkretisierte sie.

Teal’c hatte gerade noch den rechten Arm um sie schließen können, als Sam sich weinend an seinen Oberkörper klammerte.

„Du brauchst Ruhe, Samantha Carter“, entschied er und strich ihr besänftigend über den schmalen Rücken. „Master Bra’tac würde jetzt vorschlagen, dass du dich neu fokussieren musst.“

„Ja, Teal’c“, Sam nickte ruhig, „das würde er, ganz sicher.“

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„Daniel?“ Sam klopfte zwei Tage später leise an seine offene Labortür. Ihr Blick glitt sofort zu seinem, mit Büchern überfüllten Schreibtisch und als sie ihn dort nicht wie erwartet sah, schaute sie sich genauer um. Sie konnte ihn schließlich weiter hinten auf seiner bequemen Couch ausmachen. Er schien sich eine Auszeit zu nehmen.

Sein Blick erhellte sich augenblicklich, als er sie hörte. „Sam, komm rein!“

„Ich wollte mich nur verabschieden.“ Sie sah, wie Daniel aufstand und sich seine Brille wieder aufsetzte.

„Verabschieden“, fragte er verunsichert, während er auf sie zuging.

Sam trat ebenfalls näher und kam vor ihm zum Stehen. „Ja, ich nehme mir die kommenden Wochen frei. Urlaub, sozusagen!“ Sie versuchte sich an einem Lächeln, da sie schnell realisierte, wie abwegig sie wohl das Wort ‚Urlaub’ ausgesprochen haben musste.

„Oh“, stellte Daniel fest und sah das misslungene Lächeln. „Wirst du verreisen“, hackte er unsicher nach und wusste nicht so recht, was er hiervon halten sollte.

„Nein, ich denke nicht.“ Sam hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und stand etwas unbeholfen vor ihm. Sie ahnte, dass Daniel ihr das Schauspiel nicht wirklich abkaufte.

„Verstehe!“ Ob er es tatsächlich tat, wusste er selbst nicht so richtig. Sam nahm Urlaub?

„Pass mir gut auf alles hier und vor allem auf dich auf, hörst du?“ Sie nahm ihn zum Abschied in die Arme.

„Nur wenn du mir versprichst, dass du auch auf dich Acht gibst“, flüsterte er über ihre Schulter hinweg. Er spürte, wie sie nickte und sich gleich aus seiner Umarmung löste. Ihm kam es wie eine Flucht vor, denn mit schnellen Schritten trat sie bereits auf den Korridor.

„Ich habe gehört, dass Jack heute die Krankenstation verlassen darf“, rief Daniel ihr nach und verlangsamte ihre schnellen Bewegungen etwas, bevor sie ganz aus seinem Blickfeld verschwunden war.

„Ja, ich weiß!“ Daniel konnte nicht ahnen, dass sie vorhatte, ihn als nächstes aufzusuchen.

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Jack war gerade dabei, sich sein T-Shirt anzuziehen, als Sam die Tür gedämpft öffnete.

„Sir, ich habe gehört, dass Sie aufstehen können.“ Sacht schloss sie sie, bewegte sich aber nicht tiefer in den Raum hinein. Sie beobachtete ihn aus den Augenwinkeln heraus und ihre Vermutung, dass er noch Schmerzen haben musste, bestätigte er, ohne es abstreiten zu wollen.

„Ja. Tut noch etwas weh, aber die sagen, ich kann gehen.“ Die Tatsache, dass er sich bereits in der vorletzten Nacht aus seinem Krankenlager schlich, um nach ihr zu sehen, verheimlichte er ihr lieber. Bedacht, keine ruckartige Bewegung zu machen, blieb er mit deutlich gestrecktem Oberkörper auf der Bettkante sitzen.

Erst als sie sich bewegte, realisierte sie, dass sie doch noch einen kleinen Schritt auf ihn zu tat und nickte bestätigend. Obwohl sie wusste, dass er nicht lebensbedrohlich verletzt war, ahnte sie, welche Schmerzen er haben müsste.

„Die schusssicheren Westen haben sich gelohnt. Sonst wären Sie jetzt mit Sicherheit … tot.“ Ihr schauderte bei dem, was sie sagte und obwohl sie es so gut es ging verbergen wollte, sah Jack es ihr doch an. Sein Blick würde ihn verraten, wenn Sam ihn nur angeschaut hätte.

„Fraiser hatte nicht so viel Glück“, flüsterte er leise und wendete sich ab.

„Nein.“ Sam musste kräftig schlucken und taxierte fest den Boden unter sich. Erinnerungen an die letzten Stunden drohten sie zu überfluten und mit einer unsagbaren Kraft kroch in ihr wieder das Gefühl der unbeschreibbaren endgültigen Situation hoch, der sie alle unbarmherzig ausgeliefert waren.

Jack stand nun endlich vom seinem Bett auf, griff nach seiner Jacke, welche er sich sogleich anzog und kam ihr etwas entgegen.

„Ja … die Trauerfeier hätte ihr bestimmt gefallen.“ Jack suchte Blickkontakt, den sie ihm immer noch beharrlich verweigerte. „Ihre Rede war großartig, Carter.“

Sam seufzte und nickte gleichzeitig und Jack beobachtete irritiert, wie sie nach Worten rang. Carter hatte noch nie nach irgendwelchen Worten suchen müssen, ganz geschweige davon, überhaupt überlegen zu müssen, wie sie sich ausdrücken möchte. Er kniff die Augenbrauen etwas zusammen und als sie ihn plötzlich und ohne Vorwarnung direkt anschaute, sah er ihre Tränen. Jack versuchte, sich zu erinnern, wann sie jemals vor ihm in Tränen ausgebrochen war. Er wusste sehr schnell, dass es noch nie vorgekommen war. Sie gab ihm die Möglichkeit, bis in ihre Seele blicken zu können und ihm wurde schlagartig bewusst, dass das von ihr auch so gewollt war.

„Sir, … ich wollte nur sagen … als ich Sie da liegen sah …“ Sam rang mit der Erinnerung und vor allem mit ihrer Phantasie. Der Gedanke, ihn für immer verloren zu haben, war unerträglich.

Er hörte die grausame Vorstellung in ihrer Stimme und Sam war es egal, dass er die Tränen bemerkt hatte. „Ich bin so froh, dass es Ihnen gut geht.“

Jack, der sie immer noch auf das Genaueste studierte, kam langsam auf sie zu. Sein besorgter Blick war unentwegt auf sie gerichtet und Sam konnte durch ihren eigenen Tränenschleier erkennen, wie eindringlich er sie musterte. Die Ruhe, die er ausstrahlte, war nur ein trügerisches Bild von dem, was er gern anderen Glauben machen wollte. Sein Gesicht nahm entspanntere Züge an, als er dicht vor ihr stehen blieb.

Beide sahen sie sich an und wussten, was der jeweils andere gerade empfand. Einer glaubte, den anderen für immer verloren zu haben und der andere wusste, wie sich das anfühlte, da auch er öfters diese Gefühle und Ängste ausstehen musste. Jack schaute flüchtig auf ihren Mund, bevor seine sanften Augen ihre aufgewühlten erfassten. „Komm her“, flüsterte er mit einer so barmherzigen Stimme, die Sam nicht oft von ihm hören durfte. Augenblicklich schloss er sie in seine warme Umarmung. Seine starken Hände pressten sie gegen seinen verwundeten Oberkörper.

Sam krallte sich regelrecht an ihm fest und gab den Kampf gegen die Tränen nun vollends auf.

Jack festigte seinen Griff, als er spürte, wie sehr sie zitterte und auch er klammerte wie ein Ertrinkender an der jungen Frau in seinen Armen, die immer alles in den letzten Jahren für ihn gewesen war. Sein Gesicht vergrub er in ihrer Halsbeuge und für einen kleinen Moment gestattete er sich, sich dem Rausch ihres Duftes hinzugeben. Geborgenheit war das einzige, wonach sie beide sich sehnten, auch wenn der Schmerz über Janets Verlust dadurch nicht abebbte.

Ein abschätzender Blick glitt von ihrer Nackenpartie zu der Tür hinter ihr, obwohl sie verschlossen war und während Sam ihr Gesicht an seine Schulter presste, begann er, seine Nase in ihr Haar gleiten zu lassen.

Kaum merklich fuhr sie mit ihrer Hand seinen Rücken auf und ab und bemerkte das Spiel seiner Muskulatur, denn er tat das Gleiche auf ihrem Rücken. Er seufzte leicht, als sie schließlich etwas Raum zwischen sich und ihm zuließ. Dicht an seinem Kinn sah sie zu ihm nach oben. In seinen Augen konnte sie noch immer das lesen, was sie seit ihrer Rückkehr fühlte.

Jack hatte ihr nicht vollends erlaubt, sich zurückzuziehen und so hielt er sie noch immer beschützend in seinen Armen. Just in dem Moment, in dem sie ihren Kopf leicht drehte, fixierte er wieder ihre Lippen. Kontinuierlich langsam kamen sich beide näher, spürten schon den Atem des jeweils anderen und begannen, sich im Strudel der Leidenschaft zu verlieren.

Plötzlich und ziemlich ruppig packte er ihre Schultern und drückte sie bestimmt von sich. Er gestattete ihr nicht, in sein Gesicht zu sehen, er hielt seinen Kopf gesenkt. „Was … tätest du dir an, wenn ich dich nur ließe“, knurrte er zwischen seinen Zähnen hervor. Jack hatte die Kiefer aufeinander gepresst, als ob das helfen würde, seine volle Selbstbeherrschung zurück zu gewinnen.

Sam schluckte schwer und lächelte enttäuscht. „Ich … vergaß … für einen Moment.“ Ihre durchaus auch für sie überraschend schnell wieder gefundene Stimme war nur ein Flüstern. Sie griff augenblicklich blind hinter sich nach dem Türknauf.

Erst als die Tür wieder ins Schloss klagte, sah er kurz auf und fixierte dann wieder den Punkt, wo sie gerade eben noch gestanden hatte. Er fühlte sich schrecklich und ihm tat es leid, wie er sie behandelt hatte. Hecktisch fuhr er sich durch das kurze und abstehende Haar und stemmte dann die Hände in die Hüften. „Scheiße“, gestand er sich im nächsten Augenblick ein und fuhr sich mit der flachen Hand über sein Gesicht. „Herrgott noch mal!“

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„Kommen Sie rein, Jack.“ George Hammond positionierte sich hinter seinem großen Schreibtisch und lehnte sich in seinem Stuhl etwas zurück.

Jack tat ihm wie geheißen. „Sie wollten mich sprechen, Sir?“ Mit gestrafften Schultern blieb er stehen, als er die Tür leise geschlossen hatte.

„Ja, das ist richtig. Setzen Sie sich bitte.“ Er deutete auf einen freien Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite.

„Die letzten Tage waren für alle Beteiligten sehr anstrengend. Und Ihr Team, Jack, hatte in den letzten Monaten die heikelsten Missionen zu bewältigen“, begann er nicht zaghaft.

„Das stimmt“, pflichtete er ihm bei. „Wir waren lange off-world.“ Jack faltete seine Hände. Er konnte förmlich riechen, dass ihm dieses Gespräch nicht gefallen würde.

General Hammond nickte. „Ich habe deshalb angeordnet, dass SG-1 die Möglichkeit bekommen soll, Abstand zu gewinnen.“

Jack sah nun fragend zu ihm hinüber. „Und das soll heißen, Sir?“

„Wer sich Urlaub nehmen möchte, dem sei es uneingeschränkt gestattet. Ich habe hier den Antrag von Colonel Carter.“ General Hammond schob das Stück Papier über den aufgeräumten Schreibtisch zu Jack.

Er konnte nicht verbergen, dass er ziemlich erstaunt war und doch sah er die ihm wohl bekannte Handschrift. „Ich wusste nicht …“, er schaute wieder zu General Hammond auf.

Dieser schüttelte abwehrend den Kopf, während er sich nach vorn lehnte und sich mit seinen Armen auf der Schreibtischplatte abstützte. „Ich sagte ihr, dass ich das mit Ihnen klären würde.“

„Also haben Sie Carter bereits die Erlaubnis erteilt, sich vom Stützpunkt äh“, Jack blickte erneut ungläubig auf den Antrag, „für die kommenden sechs Wochen zu entfernen?“ Er stierte auf die Länge des von ihr angegebenen Zeitraums.

„Das habe ich“, stellte General Hammond noch einmal richtig.

„Wieso? Ich meine, wann war Carter bei Ihnen?“ Jack verfluchte sich im Innern. Er hätte lieber erst denken und dann reden sollen.

„Nun, ich wüsste zwar nicht, warum das eine Rolle spielen sollte, aber ich habe mit ihr nach der Trauerfeier gesprochen.“

Jack nickte und wusste noch nicht so recht, ob er sich darüber freuen sollte. „Was ist mit unseren geplanten Missionen?“

„SG-2 und SG-3 werden ein paar davon übernehmen.“

„Verstehe!“ Jack konnte nicht verhindern, dass er ein wenig enttäuscht klang.

„Keine Angst, es bleiben noch genug für Ihr Team übrig.“ Woher hätte General Hammond ahnen sollen, dass es Jack im Grunde immer egal war, welches SG-Team die Lorbeeren erntete?

„Da bin ich mir sicher, Sir.“ Jack wollte nicht weiter darauf eingehen.

„Ich denke, Ihnen allen täte eine kleine Auszeit ganz gut. Bitte klären Sie Dr. Jackson und Teal’c über die Situation auf.“ General Hammond erhob sich von seinem Platz und deutete somit gleichzeitig an, dass er das Gespräch als beendet ansah.

„Ja!“ Jack stand ebenfalls auf und steuerte unmittelbar die Tür des Büros an.

„Und Jack“, General Hammond sah streng über seine Brille hinweg, „nehmen Sie sich auch ein paar Tage frei. Und bitte, lassen Sie mich nicht erst einen Befehl daraus machen.“

„Ja, Sir“, wiederholte er nachdenklicher und öffnete endlich die Tür.

Jack stand auf dem Korridor, Hammonds Büro lag hinter ihm, als er immer noch nicht so recht wusste, was er von diesem Gespräch eben halten sollte. Das alles sah Carter überhaupt nicht ähnlich. Er zog die Augenbrauen nachdenklich zusammen und entschied, sich auf den direkten Weg zu Daniel zu begeben.

„Störe ich?“ Jack stütze sich am Türrahmen ab und steckte nur seinen Kopf in Daniels Labor. Teal’c kniete vor einer alten Steinplatte, die an der Wand angelehnt stand und Daniel bückte sich mit einem ausgestreckten Arm, um auf ein fragwürdiges Fragment genauer zu deuten.

„Nein, Jack, komm rein! Teal’c und ich sind gerade dabei, das hier zu übersetzen.“ Daniel richtete sich auf und schob seine Brille in die richtige Position.

„Sieht nett aus“, meinte Jack mit einem kurzen Blick von der Seite auf das antike Stück, bevor er sich wieder beiden widmete. „Teal’c, Daniel“, begann er mit einem breiten Grinsen im Gesicht, „was haltet ihr eigentlich vom Fischen?“

Teal’cs Augen richteten sich abrupt nach oben zu Daniel, während dieser im gleichen Augenblick zu ihm irritiert nach unten schaute. Es sah perfekt einstudiert aus, denn auch parallel sahen sie wieder fragend zu Jack zurück, der die Augenbrauen erwartungsvoll nach oben zog.

~~~~~

Daniel wusste, dass nie der Tag in seinem Leben kommen würde, an dem dieser Gang irgendwie leichter zu gehen werden würde. Im Gegenteil. Sie wurden immer schwerer, je öfters er sie ging. Er hasste Beerdigungen. Seit Janets Tod waren zwei Wochen vergangen. Der letzte Abschied, die letzten Tränen, die letzten Lobpreisungen bevor das Vergessen für viele hier einsetzen konnte. Er fragte sich, wie oft er eigentlich in den letzten Monaten hier gewesen war. Nur ein paar Schritte weiter erkannte er, dass die Trauerweiden um ihn herum zu oft seine Anwesenheit notiert hatten. Als ob sich ein Versprechen einlösen würde, kreisten seine Gedanken immer an dieser Stelle auf dem vertrauten Schotterweg um lieb gewonnene Menschen. Und jedes Mal kam einer hinzu, an den er denken konnte, der viel zu jung aus dem Leben gerissen wurde. Und wofür? Für einen Kampf, der nicht der ihre war, für einen Krieg, der immer härter und grausamer wurde. Daniel beschlich seit einiger Zeit das Gefühl, dass es aussichtsloser war denn je, ihn zu gewinnen. Nur schien ausschließlich er es so zu sehen und die Menschen um ihn herum, die ihm etwas bedeuteten, die sogar über die Jahre hinweg zu seiner Familie wurden, sahen es nicht und starben sinnlos in seinen Augen.

Es war deutlich kälter geworden und so stellte er den Kragen seines braunen Mantels auf und zog den Schal ein wenig enger. Der Knoten unter seiner Krawatte war eindeutig zu eng, aber das pochende Geräusch in seinem Hals überhörte er gekonnt. Einem Wachposten am letzten Tor zeigte er mit fahler Miene seinen Ausweis, holte tief Luft und wappnete sich für die letzte Ehre, die heute Janet zuteil werden sollte.

Daniel hatte bereits eine Weile die Personen vor dem Grab beobachtet, wie sie Kränze und anderen Blumenschmuck niederlegten, seit die Trauergesellschaft in allen Himmelsrichtungen regelrecht vom Friedhof floh. Cassie allerdings verweilte noch immer an Ort und Stelle, wo sie bereits während der Zeremonie mit Sam über stand. Sie schaute dem Personal des Friedhofs aus einem anderen Blickwinkel ebenfalls wie er selbst zu und schien jede Tätigkeit auf das Genaueste überwachen zu wollen. Sie war tapfer gewesen. Auch wenn sie momentan lieber die Einsamkeit bevorzugte, war Daniel bewusst, dass sie auch weiterhin tapfer sein würde. Die Zeit würde den Verlust nicht vergessen machen, aber ein wenig schmerzloser. Er wusste es …

„Daniel.“ Jacks vertraute tiefe Stimme drang an sein Ohr.

„Jack.“ Daniel faltete seine Hände ineinander, ohne den Blick von Cassie zu nehmen, während sein Freund neben ihm zum Stehen kam.

„Wir werden sie nicht vergessen“, wusste Jack nach einem Moment des gemeinsamen Schweigens und Beobachtens. Seine Uniform saß dem Anlass entsprechend perfekt und die Aura, die ihn umgab, hätte er auch in seinem Feldanzug nicht weniger ausstrahlen können.

Daniel fragte sich, wen er wohl meinen würde: Janet oder Cassie. „Nein, werden wir nicht“, pflichtete ihm Daniel dann doch bei, bevor er von einem Fuß auf den anderen trat und seine Schuhspitzen musterte. Angespannt presste er seine Kiefer zusammen und hoffte, Jack würde von seiner Anspannung nicht allzu viel mitbekommen. Er fand es falsch, was sie tat und wie sie es tat. Obendrein hätte er momentan noch nicht einmal gewusst, ob er der Versuchung, Jack alles zu erzählen, widerstanden hätte. Ein Seufzen konnte er gerade noch unterdrücken, als Jack neben ihm wohl ebenfalls an sie denken musste.

„Wo ist Carter?“ Jack blickte noch immer auf die Szenerie vor sich und fühlte die ihm nicht unbekannte Ungerechtigkeit, die Cassie aus jeder Pore ausspie.

Jack hatte die Zeremonie über genutzt, um Sam genauer zu betrachten. Er schaffte es nicht pünktlich zum Friedhof und als er eintraf, begann die Rede von General Hammond. So leise und würdevoll wie nur möglich hatte er sich lediglich bis neben Ferretti vorarbeiten können, der ihn mit einem strafenden Blick auf seine Uhr begrüßte. Schuldhaft hatte er die Augen verdreht und den Worten Hammonds gelauscht.

Sie stand felsenfest neben Cassie und hielt das Mädchen, welches zur Frau heranwuchs, fest an sich gedrückt, schützend, Halt gebend. Dass sie seit zwei Wochen Urlaub hatte, konnte man ihr nicht ansehen. Im Gegenteil. Sam sah abgekämpfter und gestresster denn je aus. Obwohl äußerlich alles perfekt saß, wusste Jack es besser. Ihre Augen verrieten sie in diesem Moment, und auch in vielen anderen, in denen sie sich unbeobachtet fühlte. Wenn sie off-world gingen, konnte er sich regelmäßig darauf verlassen, dass sie diese Schwäche abstellte. Und wenn sie dem Feind gegenüberstand, war dieses Tor zu ihrer Seele ebenso fest verschlossen, wie das Stargate bei einer nicht autorisierten Aktivierung von außen. Enttäuschend registrierte er, dass sie sich dieser Ehrlichkeit sehr wohl bewusst war und sie auch immer öfters ihm den Einblick verwehrte.

Während die Blätter über den Friedhof fegten, schaute sie für einen kleinen Augenblick von Cassie auf. Ihre Blicke fanden sich und er hielt ihn fest. Sams Lippen formten ein stummes ‚Hallo’ und Jack antwortete mit einem angedeuteten Kopfnicken.

Als Daniel ihm eine Antwort schuldig blieb, schaute er zu ihm hinüber und sah gerade noch, wie er eine Geste mit seinem Kopf und den Augenbrauen zu seiner Rechten tat. Jack beugte sich etwas vor und sah, wie sie ihren Zeige- und Mittelfinger gegen die Lippen presste und anschließend ehrfürchtig den liegenden Grabstein berührte, neben dem sie kniete. Zu seiner Verwunderung hatte Teal’c ein paar Meter hinter ihr auf sie gewartet und verfiel in ihren Schritt, als sie auf seiner Höhe war. Jack konnte deutlich erkennen, wie Teal’c versuchte, mit ihr zu reden. Sie aber schüttelte nur ihren Kopf und lief weiter, ohne ihren Gesprächspartner anzuschauen. Jack konnte nicht hören, was gesprochen wurde, aber auch ein zweiter Versuch von Teal’c wurde von Sam rigoros abgewimmelt. Sie blieb schließlich stehen, schaute an ihm hoch und legte eine Hand auf seine Brust. Jack konnte deutlich erkennen, wie hartnäckig und erzürnt sie ihn ansah. Es schien ihr zu missfallen, was Teal’c von ihr wollte. Obwohl sie noch ein kleines Stück entfernt waren, konnte er einen besänftigen Blick ausmachen und auch Teal’c musste nicht ganz blind dafür gewesen sein, denn er nahm sie augenblicklich in den Arm. Jack atmete tief ein, straffte die Schultern und wartete ebenfalls mit Daniel, bis sie beide näher getreten waren.

„Jacob wäre heute sicherlich sehr bestürzt gewesen.“

Jack zuckte innerlich ein wenig zusammen, als er die Stimme von General Hammond neben sich ausmachen konnte. Aufgrund seiner eben durchgeführten und geheimen Observation hatte er nicht mitbekommen, wie sie letztendlich zu dritt gewartet hatten. ‚Nicht gerade sehr professionell’, ermahnte er sich und ein abschätzender Blick zu Daniel verriet ihm, dass seine Beobachtungen wenigstens vor ihm geheim geblieben waren.

„Ich denke auch“, pflichtete ihm Sam bei, als sie sich zu ihnen gesellte. „Er hat Janet sehr geschätzt.“ Sie schaute über ihrer Schulter zu dem Grab ihres Vaters zurück.

Teal’c traf wenige Schritte hinter Sam bei den Wartenden ein und Jack bemerkte sofort, dass es für Teal’c zu früh gewesen war, als Sam sich von ihm entfernt hatte. Worüber sie sich auch immer unterhalten haben mochten, Teal’c war gerade alles andere als zufrieden.

„Kommst du voran, Daniel Jackson“, fragte Teal’c wahrscheinlich um sich abzulenken und hatte plötzlich die ungeteilte Aufmerksamkeit aller.

Daniel schob seine Brille auf und nickte gedankenverloren. „Ich denke, dass ich die Fragmente in den kommenden Wochen entschlüsselt haben werde. Langsam gleicht mein Labor einer Steinmetzgerei.“

„Wie viele sind es inzwischen“, wollte Sam ehrlich interessiert wissen.

„Elf“, bestätigte Daniel. „SG-7 versorgt mich regelmäßig“, freute er sich.

Sam sah zuerst überrascht und dann verärgert aus, als sie verstand. „Du hast die ganzen letzten vierzehn Tage durchgearbeitet“, wusste sie und bestrafte ihn mit einem ärgerlichen Blick.

„Kein einzig freier Tag?“ Nun mischte sich Jack gespielt empört ein und wirkte nicht im Entferntesten sonderlich überrascht.

„Nein. Ich wollte erst die Reihenfolge der Fragmente entschlüsseln, bevor ich zu dir zum Nicht-Fischen gekommen wäre. Das Bier habe ich aber schon!“

„Nicht-Fischen?“ General Hammond wusste, dass er einen Insider nicht verstanden haben musste. Fragend sah er sich in der Gruppe um, als es schließlich Jack selbst war, der ihn erlösen sollte.

Er lächelte ein wenig herausfordernd und drehte sich von seinem Team weg. Sie liefen ein paar Schritte. „Ich würde“, begann er konspirativ zu erklären, „es nicht unbedingt ‚Nicht-Fischen’ nennen, denn die Sache ist eigentlich ganz einfach.“

„Ich habe heute mit General Hammond gesprochen“, begann Sam leise an Daniel gewandt. Teal’c rührte sich nicht.

Daniel war klar, dass sie die Zeit nutzen wollte, weil Jack nicht dabei war.

„Sam.“ Daniel holte seine linke Hand aus der Jackentasche und rieb sich über die Stirn. „Ich bitte dich noch einmal. Überleg dir das reiflich. Du hast noch genügend Zeit, dein Urlaub ist noch nicht vorbei. Nimm dir die Zeit.“

„Daniel Jackson hat Recht“, meinte Teal’c.

„Wenn ich dich doch nur verstehen könnte“, seufzte Daniel resigniert, der ihr Minenspiel beobachtet hatte. „Ich finde immer noch, dass du mit Jack reden solltest. Es ist nicht richtig und eigentlich weißt du das auch, Sam.“

Sam neigte sich noch näher an ihn heran und klang wütend. „In meinem ganzen Leben war mir die Situation noch nie so klar, Daniel. Bitte respektiere das. Und keine Angst, der General wird es noch rechtzeitig erfahren.“

„Das bezweifle ich“, konnte Daniel gerade noch stoisch erwidern.

Sam machte ihm plötzlich mit einem einzigen messerscharfen Blick schnell deutlich, dass sie nichts weiter darüber hören wollte. Dies hatte sicherlich einmal damit zu tun, dass sie hier keinen Streit heraufbeschwören wollte und zum anderen, so war sich Daniel bewusst, weil sich Jack mit General Hammond der Gruppe wieder anschloss.

„Ich verstehe.“ George lachte vergnügt und sah nun Teal’c an. „Teal’c, mich würde interessieren, wie es Master Bra’tac geht?“

Teal’c nickte, gefolgt von einer stolzen Verbeugung, bevor er seine Hände auf dem Rücken faltete.

„Bitte überbringe ihm meine Grüße und ich würde mich sehr freuen, wenn er uns wieder einmal besuchen könnte.“

„Das werde ich mit Sicherheit. Heute Abend reise ich zurück, General Hammond.“

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ihr alle gegen meinen See habt“, beschwerte sich Jack und wippte leicht vor und zurück, während er seine Hände in den Hosentaschen vergrub.

„Na ja“, Daniel schielte vorsichtig zu seinem Freund hinüber „den reinen und ursprünglichen Grundgedanken vom ‚Fischen’“, Daniel hob seine Hände und malte Gänsefüßchen in die Luft, „muss ich wohl noch einmal gründlich überdenken, bevor ich deine Einladung annehmen kann.“ Daniel war froh, Sam mit seinem Kommentar ein kleines, wenn auch kurzzeitiges Lachen zu entlocken.

„Daniel, das hatten wir schon.“ Jack war nicht in der Lage, die Sache zu vertiefen. Zu abgelenkt war er von einem wohltuenden Geräusch, dass er die letzten Wochen so sehr vermisst hatte.

„Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden. Ich muss zurück ins Stargate-Center. Und Sie, Jack, denken bitte daran.“ George Hammond deutete warnend auf die linke Brusttasche von Jacks Uniform.

„Natürlich.“ Jack nickte und bekam nur leicht im Augenwinkel mit, wie Sam, Daniel und selbst Teal’c, wenn auch nicht so angestrengt, den Rasen zwischen ihnen fixierten.

Der Sache keine allzu große Bedeutung schenkend, rief er: „Sir, wer gibt Ihnen eigentlich mal frei?“ Aber er bekam nur einen geringschätzigen Wink von ihm als Antwort.

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Nach der Beerdigung und der Verabschiedung seines Teams stattete Jack noch seinem Haus einen Besuch ab. Sam hatte sich nach einem Anruf schnell, zu schnell für seinen Geschmack, verabschiedet und so wechselte er nur noch einige bedeutungslose Worte mit Teal’c und Daniel. Er holte sich frische Wäsche und kontrollierte den Zustand seines Heims. Zufrieden stellte er fest, dass seine Vorkehrungen vor vierzehn Tagen, als er die Stadt zum ersten Mal während seines Urlaubes verließ, perfekt waren. Obwohl es schon weit nach Mittag war, beschloss er dennoch, die Fahrt anzutreten. Wenn schon Urlaub, dann auch richtig! Er wollte keine Zeit seiner kostbaren freien Tage verlieren und so hatte er sich vorgenommen, sich zu beeilen. Er freute sich schon auf den Sonnenaufgang bei seiner Hütte und von diesem Gedanken angetrieben, setzte er sich hinters Steuer. Er gönnte sich noch nicht einmal die Zeit für eine erfrischende Dusche oder die Zeit zum Umziehen, sodass er lediglich das Jackett seiner Uniform schwungvoll auf die hinteren Sitze beförderte.

Jack spürte seine Verletzung in den letzten Tagen kaum noch und lediglich eine dünne rote Linie, allerdings mit einem beachtlichen Bluterguss, erinnerte ihn daran, was passiert war. Gedankenverloren strich er sich mit der flachen Hand beim Fahren darüber. Sie würde bald vollkommen verheilt und somit vergessen sein. Sie reihte sich in der Liste derer ganz hinten ein und würde später von ihm belächelt werden. Weitere würden folgen, soviel war er sich sicher.

Er kam gut durch. Da einige Gewitterwolken gerade von der leeren Straße hinter ihm Besitz ergriffen hatten, gönnte er sich eine kleine Verschnaufpause. An der nächst besten Gelegenheit fuhr er rechts ran und kaufte sich einen heißen Kaffee. ‚Es wird bald zu regnen anfangen’, stellte er mit einem prüfenden Blick in den Himmel fest. Gerade als er sich zu seinem Auto umdrehte, um weiter fahren zu wollen, sah er den Briefumschlag aus seinem Jackett herauslugen, den ihm der General auf der Beerdigung gegeben hatte. Seine inständigen Worte hatte er noch im Ohr, beschloss ihn aber dennoch hier zu öffnen. Gut, er war noch nicht wieder bei seiner Hütte, aber da sie nicht mehr weit entfernt war, um genau zu sein, trennten ihn gute sieben Stunden Fahrt von der Glücksseligkeit, würde das sicherlich kein Problem darstellen. Hammond musste ja nichts über die Details erfahren. Jack lehnte neben der Fahrertür an seinem Auto, als er den weißen Umschlag mit dem Zeigefinger ungalant öffnete. „Sieht wichtig aus“, meinte er in die Stille, als er das offizielle Briefpapier erkannte. Jack musste die fünf Zeilen zweimal lesen, bevor er sich erlaubte, die erste Vermutung von dem, was er da gerade las, in seinen Kopf sickern zu lassen. Es folgte eine weitere schnelle Attacke des Lesens und ihm gefror folglich das Blut in den Andern, als er Sams Worte richtig verstand.

Jack fuhr die gesamte Strecke nach Colorado Springs zurück, ohne einmal anzuhalten. Seine sich steigernden Wut, je näher er seinem Ziel kam, verlieh er darin Ausdruck, dass das Gaspedal seines Autos mitunter sehr darunter zu leiden hatte. Seine Knöchel an den Fingern traten öfters weiß hervor, als er das Lenkrad umklammerte. Er ärgerte sich und vor allem über sich selbst, weil er tatsächlich auf Hammond gehört hatte und den Umschlag nicht auf der Beerdigung, sondern erst in seiner Hütte bzw. in der ‚Nähe’ seiner Hütte geöffnet hatte. Der Wunsch von Hammond, eine sicherlich äußerst unpassende Diskussion auf der Beerdigung vermeiden zu wollen, ging perfekt auf. Dass Daniel und Teal’c ebenfalls nicht ganz unschuldig waren, bezweifelte er nicht im Geringsten.

Es dämmerte bereits in Colorado Springs und der graue Himmel über ihm war nur noch ein stummer Zeuge des Unwetters, welches hier bereits runter gegangen war. Die Luft roch wunderbar und einige Vögel sangen fröhlich in ihren Nestern.

Jack allerdings hatte weder die Nase noch die Ohren für diese Dinge. Mit starrer Mine bog er ein paar Minuten später schließlich in die Straße zu ihrem Haus ein. Einige Meter weiter war bereits ihr Motorrad auszumachen.

„Nr. 1025. Hier ist es.“ Jack sprach seine eigene Bestätigung laut aus, während er aus dem Beifahrerfenster die Hausnummer fixierte. Kaum hatte er die Handbremse gezogen, griff er nach dem Papier neben sich und verlieh ihm somit einige zusätzliche und nicht notwendige Knitter. Mit voller Wucht knallte er die Tür seines Trucks hinter sich ins Schloss und rannte förmlich mit großen Schritten ihre Auffahrt hinauf. Das feuchte Laub unter seinen Schuhen beachtete er nicht.

Ungeduldig wartete er, während er die Klingel mehrfach hintereinander betätigte. Er stemmte sich mit seinem linken ausgestreckten Arm am Türsturz ab und klopfte abwechselnd mit den Fingerspitzen gereizt darauf. „Carter, kommen Sie, nun machen Sie schon auf.“ Jack klingelte erneut und lauschte in die Stille hinein. „Carter“, wiederholte er kräftiger und eine Spur missgelaunter. Dass die Haustür verschlossen war, sollte er im nächsten Moment erfahren.

Als nach einem dritten Klingelmarathon noch immer nichts geschah, entschied er sich, um das Haus herumzugehen. Mit einem herzhaften Sprung hatte er eine kleine Mauer überwunden und landete direkt in ihrem Garten. Er betete, dass die Nachbarn dieses Handeln nicht falsch verstehen würden.

Als er seinen Kopf hob, sah er Sam, wie sie zunächst erschrocken, dann aber ein wenig erleichtert ihn direkt anstarrte. Sie lag auf einer ziemlich alten und rostigen Gartenliege und war von mehreren Wolldecken umgeben. Ein Buch lag aufgeklappt neben ihr auf einem ebenso nicht attraktiveren Tisch, begleitet von einer Flasche Rotwein und einem halbgefüllten Glas. Sie thronte förmlich im gefallenen bunten Herbstlaub, das bereits vor einigen Tagen die Steinfließen auf der kleinen Terrasse erobert haben musste.

Als Jack hörte, wie sie eine Waffe unter den Wolldecken sicherte, blieb er abrupt stehen. „So etwas kann ins Auge gehen“, seine Stimme klang schlagartig viel zu alt und viel zu traurig. Vor seinem geistigen Auge sah er Charlie, seinen toten Sohn, auf dem Boden liegen. Schusswaffen in einem privaten Haushalt bedeuteten noch nie etwas Gutes.

Sam sagte noch immer nichts, sondern wühlte ihren rechten Arm frei und legte die gesicherte Kanone ebenfalls zu den anderen Gegenständen auf den klapprigen Tisch.

„Sir?“ Sam ging auf seine Aussage nicht weiter ein, obwohl sie natürlich wusste, worauf er anspielte. Fast tat es ihr schon leid, ihn daran erinnert zu haben.

„Was ist das hier?“ Jack hielt die Kopie ihres Briefes nach oben, die er von Hammond zugesteckt bekommen hatte. Wütend raschelte er noch einmal mit dem Papier in der Luft, weil Sam sich anscheinend mit der Antwort Zeit lassen wollte.

„Sagen Sie es mir. Sie halten es in der Hand, Sir“, sprach sie langsam und mit deutlich entkräfteter Stimme, bevor sie nach dem Rotweinglas griff und einen Schluck nahm.

Derweil hatte Jack die Terrasse betreten. „Carter, wie können Sie glauben, dass ich diesen Schwachsinn akzeptieren werde“, brummte er bedrohlich. Er zog seinen Arm zurück und klemmte ihren schriftlichen Versetzungswunsch in das Pentagon zwischen zwei Blumentöpfe in seiner Reichweite. Der darin eingepflanzte Lavendel wackelte kräftig nach der forschen Berührung.

Sam seufzte leicht und richtete sich auf ihrer Liege weiter auf. Sie stellte das Weinglas, welches jetzt nur durch ihre Fingerspitzen am Kelch gehalten wurde, auf den Boden ab. Das leise und durch das Laub gedämpfte Klirren mit dem Geräusch des Windes war alles, was zu hören war. Sie schlug mit festem Griff die Wolldecken über sich zur Seite und schob die Beine nach und nach von ihrer Liegestatt. Kurz sammelte sie sich und stand dann schwerfällig auf. Sie trat an die Steinmauer ihrer Terrasse und wartete einen Moment. Das Buch hinter ihr auf dem Tisch wurde vom Wind erfasst, welcher wie ein Kind unentschlossen mit den Seiten spielte.

Auf was Jack sich konzentrieren konnte, waren ihre schlanken und doch zugleich muskulösen Beine in der schwarzen Jeans, die eng anlag. Seine Augen glitten an ihrem Körper hinauf. Sie trug einen für ihre Statur viel zu großen cremefarbenen Rollkragenpullover im Zopfmusterdesign, der bis über ihre Hüften reichte. Auch das Haar war vom Wind aufgefacht und stand ein wenig ab. Ihm war nicht entgangen, wie schlecht sie eigentlich aussah. Ihre Lippen waren blass und die Augen müde und traurig.

Sam schlang ihre Arme um sich und drehte den Kopf zur Seite in seine Richtung, ohne den Körper mitzudrehen. „Sir, ich weiß, dass General Hammond auf Ihr Urteil sehr viel Wert legt, aber ich bin mir sicher, er wird seine Entscheidung nicht von der Ihrigen abhängig machen ... Sir.“ Sie wendete ihren Blick etwas später von ihm ab, als sie geendet hatte.

Jack traf die Kälte ihrer Worte gepaart mit der unpersönlichen Steifheit unvorbereitet. Er hatte es sich inzwischen an der gegenüberliegenden Seite der Terrasse auf dem Gegenstück der Mauer, vor der sie momentan stand, mit einer Pohälfte auf dem feuchten Stein so gut es eben ging bequem gemacht. Seine Hände waren im Schoß gefaltet, während er wartete und sie beobachtete. „Natürlich wird er das nicht. Mich würde nur interessieren, was das alles soll, Carter? Und warum muss ich erst von Hammond davon erfahren?“

„Was das alles soll“, wiederholte sie, ohne ihn anzusehen. Sie schüttelte ihren Kopf.

„Mein Gott, Carter. Natürlich ist der Verlust von Fraiser schwer zu verkraften, aber Sie sind Soldat. Sie sind Colonel der United States Air Force, Carter. Sieg oder Niederlage, Tod oder Leben - das gehört bei uns dazu. Wir sind im Krieg, verdammt!“ Jack hielt kurz inne und versuchte, ruhiger zu werden. „Ihre Karriere ist unbeschreiblich und ich glaube, nein ich weiß, dass das noch lange nicht das Ende für Ihre Laufbahn sein wird. Sie stehen am Anfang einer unglaublichen Zukunft. Ich kann das hier“, er deutete mit dem ausgestreckten Daumen auf ihren Antrag, „nicht nachvollziehen.“ Die Lavendelpflanzen schienen sich von seinem uncharmanten Angriff gerade erst erholt zu haben und wurden jetzt dankenswerterweise von ihm verschont.

Kaum hatte er ausgesprochen, tobte sie zurück: „Es gehört nicht dazu, täglich Menschen beim Sterben zuzusehen, täglich damit zu rechnen, alles um einen herum könnte in die Luft fliegen. Es gehört nicht dazu, ständig bei jeder Mission in Angst zu leben und nicht zu wissen, ob alle wieder gesund auf der Erde ankommen. Es gehört nicht dazu, jeden Planeten mit einer Waffe in der Hand betreten zu müssen, weil man befürchten muss, dass die Bewohner feindselig sein könnten. Es gehört nicht dazu, weil ich mich entschieden habe, dass es nicht mehr dazu gehören sollte!“ Auch wenn sie erschöpft und ausgelaugt war, ihre aufbrausende Wut konnte sie nicht verbergen. Ihre Schlagader am Hals pulsierte kräftig und in ihren Augen standen die ungeweinten Tränen.

Jack holte tief Luft, stemmte sich schweigend von der Steinmauer ab und lief auf sie zu. Er brauchte einen kleinen Moment, denn mit einem dergleich gearteten verbalen Angriff hatte er ehrlich gesagt nicht gerechnet. Ihm war zwar bewusst, dass viel unter ihrer ruhigen Oberfläche schlummern musste, aber auf diese Intensität war er nicht vorbereitet gewesen; nicht im Geringsten.

Sam registrierte seine Bewegung aus dem Augenwinkel heraus und drückte dabei die Arme noch fester an ihren Körper. Sie schloss die Augen, als sie sein, ihr wohlbekanntes Aftershave riechen konnte.

„Wo ist nur die Frau geblieben, die an ihrem ersten Tag auf dem Stützpunkt mit mir Armdrücken wollte?“ Er berührte sie nicht, stand aber dicht bei ihr.

Sam lachte bitter auf, als sie sich erinnerte und schon wieder bahnten sich Tränen in ihren Augen nach oben. „Sie kniet auf P3X-666 neben Ihnen, in Ihrem Blut, und betet verzweifelt im Kugelhagel, dass Sie nicht lebensgefährlich verletzt sind, als sie kontrolliert, ob Sie überhaupt noch einen Puls haben, Sir.“

Und nun war es Jack schlagartig klar. Es ging die ganze Zeit nicht um Fraiser, sondern um ihn, einzig allein um ihn! Sie beweinte nicht nur eine Kollegin, die wie er wusste in den letzten Jahren zu einer beständigen Freundin geworden war. Versteinert und nicht fähig zu antworten, stand er schräg hinter ihr und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, als er begriff.

Sam kam ihm wieder einmal zuvor. „General, ich glaube, es ist an der Zeit, dass Sie gehen!“ Geschickt hatte sie sich aus dem kleinen gebildeten Gefängnis zwischen der Mauer vor und Jack hinter ihr herausgedreht. Sie griff nach der Waffe auf dem Tisch und ohne noch einmal zurück zu schauen, lief sie in ihr Haus.

Jack stand nun allein hinter ihrem Heim und noch immer halten ihre Worte nach, während er stoisch mit müden Augen dem Spiel des Herbstlaubes zu seinen Schuhen zusah. Sie gab wegen ihm und der stillschweigenden Vereinbarung zwischen ihnen beiden, die Regeln nicht zu verletzen und die an aller ersten Stelle stehende Pflicht, täglich die Welt zu retten, auf. Sam gab auf! Die schmerzhafte und schwerwiegende Wahrheit fesselte ihn an Ort und Stelle, so dass es ihm nicht möglich war, hinter ihr herzulaufen. Sam gab auf!

Er wusste selbst nicht, wie lange er gebraucht hatte, um zu seinem Auto zurück zu kehren. Schließlich hatte er den Mut gefunden, seine Beine zum Laufen zu überreden und letztendlich seine Hand, die Wagentür zu öffnen, ohne noch einmal den Versuch zu unternehmen, mit ihr zu reden. Selbst wenn er sich dafür entschieden hätte, noch einmal zu ihr zu gehen, er hätte nicht gewusst, was er ihr hätte sagen sollen. Und als ob das quietschende Geräusch des Schildes mit der Aufschrift ‚Zu vermieten!’ vor ihrem Haus nötig gewesen wäre, um in ihm den letzten klitzekleinen Widerstand zu brechen, stieg er letztendlich ein und trat die Reise zu seiner Hütte an.

Sam hatte sich entschieden und er würde diese Entscheidung respektieren - müssen. Sie war kein Kind, das die führende Hand der Eltern brauchte und schon gar nicht brauchte sie seine! Seine Gefühle für sie verbannte er wieder einmal in die hinterste Ecke seines Herzens. Er war nicht in der Position, ihr Vorschriften zu machen. Nie in seinem Leben hätte er verlangt, dass sie ihre Karriere für ihn geopfert hätte und nie in seinem Leben hätte sie verlangt, das gleiche mit seiner zu tun. Sie waren an Vorschriften und Regeln gebunden und die Pflicht stand über allem. Sam hatte sich für einen anderen Weg in ihrer Laufbahn entschieden und er würde es akzeptieren - müssen. Sie war talentiert, jung und klug und sie hatte es nicht verdient, von ihm aufgehalten zu werden. „Nie im Leben“, sprach er leise vor sich hin.

Sam hatte mit einem kleinen Sicherheitsabstand hinter den Gardinen in ihrem Schlafzimmer nervös gewartet und registrierte nach einer halben Ewigkeit erleichtert den startenden Motor seines Wagens. Sie hätte nicht die Kraft gehabt, weiter mit ihm zu diskutieren und insgeheim war sie ihm mit seiner Abfahrt sehr dankbar. Er hatte Gott sei Dank nicht noch einmal einen Anlauf unternommen. Seine Anwesenheit kostete zuviel von dem Willen, ihre Entscheidung in die Tat umzusetzen. Sie wusste, dass General Hammond ihr die Versetzung ins Pentagon nicht verbauen würde und so widmete sie sich wieder ihren Umzugskartons.

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Als Jack mit einer noch grimmigeren Mine als er gekommen war, auf dem Highway entlang fuhr, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er nie erfahren hatte, wie er auf P3X-666 geborgen wurde. Mit einem festen Tritt trat er auf die Bremse, legte anschließend den Rückwärtsgang ein und ignorierte das erschreckende und wilde Hupen der anderen Verkehrsteilnehmer hinter ihm, die zum Glück hektisch auswichen. Er fuhr circa zwanzig Meter zurück und nahm die Ausfahrt, an welcher er bereits vorbei gewesen war.

„Teal’c!“ Jack holte erleichtert Luft, als er ihn in der Cafeteria im Stargate-Center endlich gefunden hatte. „Ich bin froh, dir nicht hinterher reisen zu müssen.“

Teal’c hielt seinen Donut noch immer vor seinem Mund, als er Jack mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte. „Ich werde in einer halben Stunde aufbrechen“, erwiderte er trocken und fixierte wieder den Schokoladendonut in seiner Hand. „Daniel Jackson benötigte noch meine Hilfe.“

Jack setzte sich ihm an dem Tisch in der Cafeteria gegenüber. „Ich wollte dich etwas fragen“, begann er überschwänglich, als er sich mit der flachen Hand ins Genick fuhr. Als sein Gesprächspartner nicht weiter reagierte, fuhr er fort. „Von wem … ich meine … wie wurde ich auf P3X-666 geborgen?“

Teal’c legte das Objekt seiner Begierde zu seinem Missfallen noch immer unberührt zurück auf den Teller und richtete seinen Blick wieder auf seinen Gesprächspartner gegenüber. „Colonel Carter hat dich durch das Stargate gebracht.“

„Sie hat …?“ Jack zog fragend seine Augenbrauen zusammen.

„Das ist korrekt. Sie hat gesehen, wie du getroffen wurdest und im selben Moment gab sie ihre Deckung auf.“

„Und dann“, drängte er weiter, obwohl er bereits wusste, was dann geschah.

„Colonel Carter lief direkt auf die Stelle zu, wo du zu Boden gegangen bist und überprüfte deine Vitalzeichen. Sie hatte wirklich großes Glück, dass sie selbst nicht getroffen wurde. Ich war nur wenige Meter entfernt.“

Jack fühlte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht regelrecht floh. ‚Sie hat sich wegen dir altem Esel in Gefahr gebracht.’ Jack stützte sich krampfhaft mit den Ellenbogen auf die Tischplatte, senkte den Kopf und kniff angestrengt die Augen zusammen. Seine geballten Hände presste er gegen die Schläfen und drückte den Kopf dazwischen, bis sein Kinn den Brustkorb berührten konnte. „Wieso hast du mir das nie erzählt?“ Wütend schob er den Stuhl zurück und stand auf.

„Ich denke, dass ist eine Sache zwischen dir und ihr“, machte er seinen Standpunkt deutlich und griff zielsicher nach seinem Donut.

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‚Eigentlich hättest du dir das auch denken können’, schoss es ihm plötzlich in den Kopf. Sie war immer da gewesen, so wie auch er immer an ihrer Seite war. Wütend schritt er immer noch in seiner Uniform vom Vormittag gekleidet durch die Gänge des Stargate-Centers, bis er plötzlich Daniel hörte.

„Jack?“ Daniel sah irritiert von seinem Buch in der Hand aus auf und richtete seine Brille, um besser sehen zu können. „Jack“, rief er lauter, als er sich sicher sein konnte. „Ich dachte, du wärst bereits in Minnesota. Oder habe ich heute Vormittag etwas falsch verstanden?“ Daniel eilte Jack mit eiligen Schritten hinterher. Zum Glück konnte er seinen eigenen noch verlangsamen, als Jack sich auf der Hacke umdrehte und ihm plötzlich schneller entgegen kam.

Er zeigte mit seinem Zeigefinger und vor Wut glühenden Augen auf ihn. „Du hast die ganze Zeit davon gewusst und hast mich auf der Beerdigung auflaufen lassen! Toll, Daniel, wirklich hervorragend.“

Daniel blieb sofort stehen und wusste, dass jetzt der Augenblick gekommen war, seinem Schöpfer gegenüber zu treten. „Sie wollte es so und ich habe das respektiert“, begann er sich zu verteidigen. „Ich bin auch ihr Freund, Jack.“ Daniel klappte das Buch zu.

Schnaubend stemmte Jack die Hände in die Hüften und blieb ebenfalls stehen.

„Jack, hör mal.“ Langsam gehend verringerte Daniel die Distanz zwischen sich und ihm. Für einen Archäologen war er schon immer mutig gewesen. Er behielt Jack wie ein wildes Tier im Auge, das sich über seine Beute hermachte.

Jack rührte sich nicht. Er versuchte angestrengt, seine Wut unter Kontrolle zu bringen und nicht zu platzen.

„Teal’c und ich reden uns abwechselnd schon Fransen an den Mund. Ich kann es ja auch nicht verstehen, aber … aber …“ Daniel gingen bereits jetzt die Argumente aus, das war überhaupt nicht hilfreich.

„Aber was“, wiederholte Jack nun deutlich gefasster, aber immer noch wütend. „Wie lange wisst ihr es eigentlich schon?“

Daniel sah abschätzend über seine Brille hinweg. „Eine Woche.“

„EINE Woche!“ Jack ließ den Kopf in den Nacken fallen. Abwehrend hob er ergebend die Hände. „Ich frage mich die ganze Zeit über, warum zum Himmel mir niemand berichtet hat, was auf P3X-666 alles passiert ist.“

Daniel nickte, obwohl er mit dieser Frage vor allem in diesem Zusammenhang nichts anfangen konnte. „Komm mit“, befahl er fürsorglich und wissend, dass sie schon längst nicht mehr allein waren. Die vorherrschende Lautstärke hatte Zuhörer angelockt.

Daniel führte Jack mit einem Arm auf seiner Schulter in sein Labor. „Warte einen Moment“, bat er und Jack sah zum ersten Mal auf, seit sie den Flur verlassen hatten. Daniel warf sein Buch auf den Schreibtisch und schaltete die kleine Tischlampe auf seinem Schreibtisch aus. Nach einem sicheren Griff in seinen Spint und mit seiner Jacke über dem Arm war er in weniger als fünfzehn Sekunden wieder bei Jack. „Bier ist in meinem Auto, eigentlich fürs ‚Nicht-Fischen’ gedacht, aber dafür ist es jetzt wohl zu spät. Wir fahren zu dir nach Hause“, bestimmte Daniel über Jack hinweg.

Jack versuchte gerade noch zu widersprechen, als Daniel entschlossen den Kopf schüttelte. „Ich habe die ganze Zeit mit Sam gesprochen, ohne überhaupt zu wissen, worum es eigentlich geht. Jetzt bist du an der Reihe und von dir will ich zur Abwechslung die Wahrheit.“

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Jack sah von seiner Couch aus nach oben und griff nach dem Bier, welches Daniel ihm mit ausgestrecktem Arm reichte. „Danke“, meinte er ehrlich und ruhig.

„Also“, begann Daniel wild entschlossen, das Thema schnell zur Sprache zu bringen. Er wusste, dass sie nicht viel Zeit hatten. Die erste Flasche war geöffnet und der Inhalt floss bereits Jacks Kehle hinunter. Er setzte sich ihm gegenüber in einem alten und ausgedienten Sessel und nahm auch erst einmal einen Schluck.

„Also was?“ Jack spürte dem Geschmack nach und stierte zu Daniel hinüber.

„Sag du es mir. Sam schmeißt hin und sie hat mir bis heute nicht verraten, warum“, erinnerte er ihn noch einmal. „Es ist schwer, jemandem vom Bleiben zu überzeugen, wenn man keine richtigen Argumente vorbringen kann.“

Jack spannte augenblicklich die Kiefer an. Schließlich stellte er langsam die Bierflasche vor sich auf den Tisch und begann den Kopf zu schütteln. „Ist dir wirklich nie der Gedanke gekommen, warum sie gehen könnte?“

Daniel hatte ihn beobachtet und die gekrümmte Körperhaltung, in der Jack verweilte, verhieß nichts Gutes. „N …. Nein.“

Auf Daniels verwirrt und fragenden Blick hin, begann er sich zu erklären. „Kannst du dich noch an die Ereignisse erinnern, als die Allianz zwischen uns und den Tok’ra besiegelt werden sollte?“

Daniel nickte, obwohl er nicht genau verstand, warum Jack gerade jetzt davon sprach.

„Hast du von Fraiser oder von Teal’c irgendwann einmal erfahren, was genau auf Apophis’ Schiff passiert ist, als …“ Jack verlor den Faden, als er sich zu erinnern begann. Er griff wieder nach seinem Bier, trank aber nicht.

Daniel allerdings schüttelte den Kopf auf seine Frage hin und hörte weiter angestrengt zu. Kurz kam ihm in den Sinn, ob Teal’c vielleicht mehr wusste, als er zugeben und deshalb eventuell auch allein mit Sam auf der Beerdigung sprechen wollte.

„Carter schaffte es nicht mehr durch das Energiefeld und ich konnte sie nicht befreien. Sie war dahinter gefangen, unbewaffnet, und nichts schien möglich, daran etwas zu ändern. Sie hat mich angefleht, mit meinen Versuchen, an sie ranzukommen, aufzuhören. Sie wollte, dass ich mich in Sicherheit bringe und endlich das Schiff verlasse. Der Sprengstoff war einsatzbereit und es blieb keine Zeit mehr. Hinter ihr waren bereits Apophis’ Jaffa zu hören.“ Jack blickte auf und sah sofort zu Daniel, der ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen im Blick hatte. „Ich bin geblieben …“

„Anise hatte vermutet, ihr wärt Zatarcs.“ Daniel war überrascht, seinen Gedanken laut ausgesprochen zu haben.

Nun war es Jack, der lediglich nickte und mit seinem Finger das Etikett auf der Flasche mit seinem Daumen entlang fuhr.

„Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer von uns den Mut aufbringen würde, sich versetzen zu lassen.“

„Einer von uns? Aber warum?“ Daniel verlagerte das Gewicht seines Oberkörpers nach vorn. Er stützte sich mit den Ellenbogen auf den Knien ab und wartete gespannt.

Jack hatte den Blick immer noch gesenkt und auf seine Bierflasche gerichtet. Er sprach einfach weiter. „Ich hätte nur nicht vermutet, dass sie es ist und dass sie sogar aus dem Stargate-Center flüchten würde, vor mir flüchten würde. Ein anderes Team wäre doch auch eine Option gewesen, obwohl … nein, vielleicht auch nicht.“

„Jack, wovon redest du bitte? Apophis’ Schiff, Anise, die Zatarc-Geschichte, dass alles ist verdammt lange her. Jahre, um genau zu sein.“ Daniel sah das traurige Lächeln um seinen Mund entstehen, welches nicht die fahlen Augen erreichte.

„Sam und ich … wir … haben in all den Jahren nie aufgehört … Gefühle füreinander zu haben. Im Gegenteil“, gestand Jack und zuckte zugleich mit seinen steifen Schultern.

Aus einer winzigen Ahnung wurde nun pure Gewissheit und dennoch konnte Daniel den Mund nicht wieder schließen. Ohne etwas zu erwidern, blieb er regungslos sitzen. Er sah die vielen Blicke, die vorsichtigen und abschätzenden Berührungen und die nackte Angst in ihren beiden Gesichtern, wenn es auf einer Mission nicht gut lief und sie die Befehle befolgen musste, die er ihr gab, was mitunter kompliziert war, wenn man wusste.

„Mein Gott, Daniel. Nun sieh mich nicht so an!“ Der Inhalt seiner Flasche schwappte hin und her und die Schaumkrone wuchs beachtlich an, als er sein Bier erneut abstellte. Schroff stand Jack schließlich auf und lief zu einem der Bodenfenster hinüber. Was er in der spiegelnden Nacht sah, gefiel ihm nicht im Geringsten und so wandte er sich schnell wieder Daniel zu. „Du tust ja gerade so, als ob ich dir erzählt habe, dass kleine grüne Männchen existieren und Mulder schon immer Recht hatte.“

Daniel räusperte sich und suchte Halt, indem er sich zurücklehnte. Er war bisher nicht nur still geblieben, sondern hatte auch den Atem vergessen. „Nun“, er musste sich erneut räuspern, „eigentlich ist Thor grau, aber nein, es ist keine große Überraschung, aber … aber“, zu schnell geriet er ins Stocken und hätte sich selbst ohrfeigen können. „Habt ihr je mehr … ich meine habt ihr …? Du weißt schon!“ Daniel sah über seine Schulter zu ihm auf.

„Nein!“

„Nein?“

„NEIN. Was denkst du denn?“ Jack hatte sich der Nacht vor ihm mit verschränkten Armen wieder zugewandt. Er kämpfte lieber mit seinem Spiegelbild, als mit Daniel, dessen Vermutung logisch war.

„Warum verlässt Sam das Stargate-Center ausgerechnet jetzt“, sinnierte Daniel nach einem kurzen Moment des Schweigens.

„P3X-666“, sprach Jack gefährlich leise.

„Was meinst du?“ Daniel schien in seinen eigenen Gedanken gefangen zu sein, denn er war überrascht, so schnell eine Antwort zu erhalten.

„Nun, die letzten Ereignisse müssen einen gewissen Anteil daran gehabt haben. Teal’c hat mir vorhin berichtet, was genau passiert war.“

„Und? Jack rede endlich. Himmel! Du weißt, dass ich Janet mit Wells geholfen habe.“ Ja, das war wie Zähne ziehen.

„Nun, was willst du hören? Sie war wie immer da, wenn es haarig wurde.“

„Oh.“

„Ich habe die ganze Zeit über geglaubt, sie würde wegen Fraiser trauern und ich hatte wirklich angenommen, dass ihr Tod sie so sehr aus der Bahn geworfen hat.“ Jack kam zurück und setzte sich. Fest rieb er mit dem Zeigefinger an der Schläfe.

„Und was lässt dich das jetzt nicht mehr annehmen“, fragte er, während er ihn bei seinem Gang zur Couch beobachtet hatte.

„Ich war vorhin bei ihr.“ Seine flache Hand strich über den Mund, als er sich an das Gespräch erinnerte.

„Und? Bleibt sie?“ Hoffnung keimte plötzlich in Daniel auf. Es war doch nur logisch, dass der Mann vor ihm sie zur Vernunft gebracht hatte. Erwartungsvoll lehnte er sich vor.

„Daniel, ich werde ihr nie diesbezüglich reinreden. Ich werde nichts von ihr verlangen oder sie gar bedrängen. Es ist ihr Leben, ihre Karriere.“

„Mein Gott, Jack. Ihr beide liebt euch und das dürfte meiner Meinung nach keine einfache Gefühlsduselei sein.“ Nun stand Daniel auf, umrundete den Sessel und stützte sich an der Rückenlehne ab. Er ignorierte Jacks grimmigen Blick tapfer und stierte zurück.

„Daniel, sie und ich respektieren die Vorschriften. Die sind aus gutem Grund vorhanden. Uns sind die Hände gebunden.“ Jack wusste bereits vor seiner Erklärung, dass Daniel die militärische Sicht auf die Dinge nicht verstehen würde.

„Scheiße, Jack! Du weißt genau so gut wie ich, dass das scheiße ist! Man hat immer eine Wahl. Immer.“ Seine geballte Faust knallte auf die Lehne.

„Dein Soll an Flüchen ist für heute wirklich erreicht.“ Jack sah besorgt auf die Lehne, seines geliebten alten Sessels. „Daniel“, begann er sogleich versöhnlicher, „Carter dient nicht in der Air Force, nur weil ihr die Klamotten so gut gefallen. Sie ist ein verantwortungsbewusster Colonel. Ehre, Loyalität, Pflicht - all das sind für Carter nicht nur hohle Phrasen. Wir haben uns dem Kampf gegen die Goa’uld verschrieben und das nicht, weil wir uns das ausgesucht, sondern weil wir die Aufgabe übertragen bekommen haben. So ist es nun einmal. Wir tun das, was getan werden muss.“

„Jack, du musst sie aufhalten. Rede mit ihr. Du kannst doch unmöglich hinnehmen, dass sie … geht.“ Der alte Sessel stand Daniel jetzt im Weg. Er setzte sich ebenfalls auf die Couch.

Jack schüttelte leicht seinen Kopf. „Hast du mir gerade nicht zugehört? Es ist besser so, glaub mir. Wenn herauskäme, was wir füreinander empfinden, wäre das das Ende! Hammond müsste reagieren. Und die Situation wäre noch beschissener. Es wäre dann offiziell. Kannst du dir vorstellen, was das vor allem für sie bedeuten würde?“ Jack schwieg für eine kleine Weile. Er dachte nach. „Ich werde Hammond bitten, mich zu versetzen. So hat sie wenigstens eine Chance, ihre Karriere im Stargate-Center zu verfolgen. Das ist alles, was ich für sie tun kann, Daniel.“ Jack nahm einen großen Schluck von seinem Bier. „Das ist alles.“ Er nickte, vermutlich mehr zu sich selbst als zu Daniel.

„Ich hoffe wirklich, Jack, dass du diese Entscheidung nicht eines Tages bereuen wirst. Ich bin mir nicht sicher“, Daniel nahm seine Brille ab und knetete an seinem Nasenrücken herum, bevor er sich korrigierte, „ich weiß, dass wir alle unser Leben gerade in den letzten Jahren auf den Kampf gegen die Goa’uld ausgerichtet haben und auch mussten. Aber weißt du was? Wenn wir uns selbst dabei verlieren, werden wir angreifbar, Jack. Und das macht mir verdammt noch mal eine Heidenangst.“ Daniel lief in die Küche zurück, um weitere zwei Flaschen aus dem Kühlschrank zu holen. Wer weiß, vielleicht hatte Jack ja auch etwas Stärkeres. Er könnte es jedenfalls ganz gut gebrauchen.

Jack sah ihm kurz hinterher und senkte bekümmert den Blick. Daniel sprach das aus, was Jack bereits wusste und langsam fragte er sich, wann es begann, aus dem Ruder zu laufen. Er flüsterte noch einmal: „Das ist alles, was ich für dich tun kann, Sam.“

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„Also schön!“ General Hammond gab sich geschlagen. „Bevor das hier zur Gewohnheit wird!“ Er faltete die Hände ineinander und positionierte sich hinter seinem Schreibtisch.

„Gewohnheit, Sir?“ Jack saß ihm gegenüber und lächelte amüsiert. Dieser Stuhl kam ihm ungewöhnlich vertraut vor.

„Jack, ich mag Sie, wirklich, und mal davon abgesehen, dass Sie wirklich unerträglich sind, wenn Sie etwas wollen“, General Hammond sah das genüssliche Grinsen. „Noch einen Besuch von Ihnen überstehe ich wirklich nicht. Da ihr Team noch nicht wieder einsatzbereit ist, helfen Sie Colonel Hamsen und SG-7 bei der Bergung weiterer Fragmente für Dr. Jackson.“

Endlich. Jack war zufrieden. Arbeit würde ihm gut tun. Er musste sich ablenken und mit einer Mission würde das wunderbar funktionieren. Natürlich war das Ausbuddeln von jahrhundertalten Steinplatten für Daniel keine ‚richtige’ Mission, aber immerhin konnte er sich ablenken. Ihr letzter Tag rückte immer näher.

„Und das hier, Jack“, Hammond holte einen weißen Briefumschlag aus seiner obersten Schublade und hielt ihn hoch, „hat nie existiert.“

„Sir, bitte. Überlegen Sie es sich noch einen Tag lang.“ Jack wäre fast aufgesprungen. „Leiten Sie ihn weiter.“

General Hammond schüttelte den Kopf. „Sie sind für das Programm zu wichtig. Ich kann Ihrem Antrag nicht stattgeben. Selbst wenn ich es täte, würden andere über mir die Angelegenheit noch lange nicht akzeptieren. Vor allem verstehe ich den Grund in keinster Weise und wenn ich ehrlich bin, möchte ich ihn auch nicht verstehen. Was auch immer Ihre Beweggründe sein mögen, Jack, ich glaube nicht, dass ich derjenige bin, der sie lösen kann.“

Jack brachte ein unpassendes und vor allem überflüssiges „Ja, Sir.“ über seine Lippen. Wie wahr!

General Hammond sah das Minenspiel seines Gegenübers und schwieg einen kleinen Augenblick. „Jack“, begann er väterlich. „Meinen Sie nicht, ein paar weitere Tage zum Abschalten würden Ihnen gut tun? Wie lange waren Sie weg? Knappe drei Wochen? Solange Ihr Team noch nicht wieder vollständig ist, sollten Sie die Zeit nutzen, um sich Ruhe zu gönnen. Ich glaube, wir werden in den kommenden Tagen einen Ersatz für Colonel Carter gefunden haben und dann kann es meinetwegen auch schnell wieder losgehen.“

„Ich danke Ihnen, aber mir ist momentan mehr geholfen, wenn ich SG-7 unterstützen kann. Daniel ist unerträglich, wenn er nichts zu tun hat“, log er.

„Möchten Sie vielleicht die Kandidaten vorher kennen lernen? Es geht hier schließlich um Ihr Team. Ich möchte Ihnen die Gelegenheit geben, Einfluss zu nehmen.“

„Sir, ich vertraue Ihnen voll und ganz! Informieren Sie mich bitte, wenn SG-1 wieder einsatzbereit ist. Bis zu diesem Zeitpunkt, werde ich Hamsen Sauerstoff zufächern.“

Auf Jacks gespieltem Grinsen hin ergänzte Hammond: „Also gut, aber halten Sie sich ein wenig zurück. Bedenken Sie, Sie haben nicht die Leitung dieser Mission. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Colonel Hamsen nicht gerade begeistert sein wird, wenn ich ihm einen General vor die Nase setze.“

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„Die letzte Kiste!“ Sam stöhnte leicht, als sie sie zu den anderen stellte.

„Du hast praktisch hier gewohnt, Sam. Ist doch klar, dass sich da ne Menge Zeug ansammelt.“ Daniel, der bislang im Türrahmen gewartet und sie beobachtet hatte, reichte ihr einen Kaffee.

„Zeug“, echote sie fragend, griff nach der Tasse und war zufrieden, als Daniel sofort zurückrudern wollte. „Danke“, sprach sie schnell und fing seinen Entschuldigungswall ab, „aber du hast Recht. Ich glaube, den Kaffee werde ich wohl am meisten vermissen.“ Zu schnell hatte sie einen Schluck genommen und fächerte sich nun mit der flachen Hand etwas Luft in den geöffneten Mund.

„Lass das bloß nicht Teal’c hören.“ Daniel schmunzelte. „Wir werden dich alle vermissen“, meinte er todernst etwas leiser.

„Apropos! Wo ist er überhaupt?“ Sam hatte Daniel mit einem Wink zu verstehen gegeben, er solle näher treten.

„Er verbringt einige Tage auf Chulak bei seinem Sohn.“ Daniel stützte sich mit dem Oberkörper auf einem Pult ab.

„Schön! Wie sieht es eigentlich mit deinen Steinplatten aus dem Trümmerfeld aus? Seit ihr durch?“ Sam widmete sich wieder einem Stapel Bücher, deren Rücken sie flüchtig begutachtete.

„Momentan schon. SG-7 wird in drei Tagen zurückerwartet, dann kann es endlich weiter gehen.“ Daniels linke Hand spielte mit einem Bleistift.

„Prima! Du musst mich unbedingt auf dem Laufenden halten. So nah waren wir noch nie an den Antikern dran.“ Sam lief auf und ab und packte dabei alles, was sie griff in die Kartons.

„Sicher, ähm … aber, was ist eigentlich mit … ich meine, dürfen wir dann noch ähm … reden, ich meine miteinander, du weißt schon, über … das hier.“ Daniel schlug leicht den Bleistift gegen die Tischplatte, während er ihr mit seinem kreisenden Blick durch den Raum zu verstehen gab, was er meinte.

Sam sah bei seinem Tonfall augenblicklich auf. „Daniel, keine Angst. Ich gehöre nach wie vor zum Stargate-Center, auch wenn ich zunächst meine Zeit damit verbringe, Nachwuchs für weitere SG-Teams zu unterrichten. Du darfst mir alles erzählen!“

„Sam, ich wollte … ich meine, ich hatte nicht vor …“ Er klang reumütig und sah, wie sie einen neuen Stapel Bücher zur Seite legte.

„Schon gut, Daniel. Ich bin dir nicht böse.“ Sie schaute über ihre Schulter zu ihm hinüber.

„Danke!“ Er war erleichtert, als er sie lächeln sah. „Wie geht es dann eigentlich weiter? Ich meine, irgendwann werden erst einmal genug fähige Leute dort unten vor dem Stargate stehen?“ Daniel sah sehr schnell, dass er besser seinen Mund gehalten hätte. Sie zuckte leicht zusammen.

„Wann sagtest du, dass SG-7 zurückkommt? In drei Tagen?“ Sam griff erneut nach dem Stapel. Wie hätte sie etwas erwidern sollen?

Daniel wusste, dass sie nicht auf diese Frage eingehen wollte und er kannte sie schließlich lange genug, um zu wissen, dass er keinen Erfolg haben würde, wenn er es noch einmal versucht hätte. Also nickte er lediglich stumm als Antwort auf ihre Frage, während er einen weiteren Schluck von seinem Kaffee nahm. Er beobachtete sie über den Rand seiner Tasse.

„Schade, ich hatte eigentlich vor, euch morgen zu einem kleinen Abschiedstrunk zu mir nach Hause einzuladen. Nichts Großartiges“, beeilte sie sich zu sagen. „Mein Haus steht zwar voller Umzugskisten, aber ein paar Sitzmöglichkeiten sind durchaus noch vorhanden.“

„Was spricht dagegen?“ Daniel hatte kaum seine Frage formuliert, da fiel es ihm wieder ein. Nach seinem Gespräch mit Jack waren kaum vier Tage vergangen, als dieser den Dienst wieder aufgenommen hatte. Augenblicklich sah er zu Sam hinüber, die die Bücher nun in weiteren Kartons verstaute. „Tschuldige, ich vergaß. Dein Flieger nach Washington geht ja bereits übermorgen.“ Er presste seine Lippen aufeinander.

Sam nickte traurig. Es stand fest. Jack würde es nicht rechtzeitig schaffen.

Daniel bemerkte ihr trauriges Minenspiel. Er wusste, dass sie an Jack dachte. „Sam“, Daniel stieß sich von ihrem Schreibtisch ab und warf den Stift auf den Tisch zurück. „Es ist noch nicht zu spät. Wenn du mit ihm reden würdest“, Daniel sah, wie sie die Augenbrauen fragend zusammenkniff. Er atmete einmal tief ein und aus. „Ich bin mir sicher, dass es eine Lösung gibt. Jack wäre ...“

„Wovon redest du eigentlich, Daniel?“ Sam war alarmiert und hielt es für besser, ihn zu unterbrechen. Als Daniel ihr eine Antwort schuldig blieb, ließ sie ihren Schraubendreher zurück in die Werkzeugbox fallen und seufzte resigniert. „Ist es schon so offensichtlich, ja?“

„Nein. Nein das ist es nicht, nur für Teal’c und mich.“ Daniel hielt sie an den Schultern fest. „Ich wünschte, ich könnte euch irgendwie helfen.“

~~~~~

Jack saß fünfzehn Meter von der fast vollkommen zerstörten Antiker-Stadt auf P3X-666 entfernt im feuchten Gras. Er stützte sich mit seinen Händen nach hinten ab, während die Beine vor ihm ausgestreckt Ruhe fanden. Die Umgebung hatte er sich heute Vormittag bereits zweimal angeschaut und so konnte er es sich erlauben, sich ein wenig zu isolieren. Er beobachtete seit einer geraumen Zeit, wie Hamsen seine Leute antrieb und einen Befehl nach dem anderen erteilte. Es war sicher für das SG-Team, welches akribisch jeden noch so kleinen Stein, der wichtig aussah, vorsichtig barg. Jack lächelte. Der Junge würde sich vor Steinen nicht mehr retten können und für die nächsten fünfzig Jahre nicht mehr aus seinem Büro raus kommen. Jack nahm sich vor, so schnell wie möglich mit General Hammond zu sprechen. Daniels Büro war viel zu klein für all das hier, was nach dem Angriff der Jaffa noch übrig geblieben war. Er allein würde nie in einem Leben alles protokolliert und übersetzt haben. Natürlich hatte dieses Engagement für die Archäologie auch einen weiteren positiven Effekt: Jack hatte keine fünfzig Jahre, um auf Daniel zu warten. Die nächsten Missionen wurden bereits geplant, auch wenn für Carter noch kein Ersatz vorhanden war.

Hamsen war natürlich alles andere als begeistert gewesen, O’Neill zu sehen und die neuen Befehle von Hammond entgegen zu nehmen. Jack, der damit gerechnet hatte, bevor er einen Fuß auf diesen Planeten setzte, hielt sich zu Hamsens Überraschung mehr als zurück. Er kritisiere nicht, wie Hamsen die Dinge anging, sondern kooperierte bereitwillig. O’Neill schien zeitweise ein Gefangener seiner Gedanken zu sein und so versuchte Hamsen auch nicht, Jack zum Reden zu bringen. Obwohl er ihn duldete, beobachtete er ihn stets aus dem Augenwinkel.

Jack war regelrecht von der Erde und vor allem vor ihr davongelaufen und stellte hier nun in der warmen Umgebung von P3X-666 fest, dass die Flucht in eine andere Galaxie für umsonst war. Auch hier kreisten seine Gedanken um sie, um ihr Handeln, um ihr Verderben, in das sie sich wegen ihm stürzte. Wenn er ehrlich zu sich war, musste er sich eingestehen, dass der Schmerz hier noch stärker fühlbar war. Unbewusst hatte er zu der Stelle geschaut, wo er getroffen wurde und zu Boden ging. Rings um diesen Fleck herum war keine Deckung auszumachen und sie beide waren der wollenden Hand des Schicksals mal wieder vollkommen ausgeliefert gewesen.

Jack schüttelte den Kopf. Sam war nie leichtsinnig oder handelte überstürzt, wenn sie gemeinsam auf einen neuen Planeten gingen. Sie war die Stimme der Vernunft und hielt das Team im Gleichgewicht. Er wusste es, er hatte es schon immer gewusst. Auch wenn er die Befehle gab, war sie der Kopf des Teams gewesen. So wie es momentan stand, würde P3X-666 der letzte gemeinsame Planet sein, den sie gemeinsam besucht hatten. Ausgerechnet!

Bleib still liegen mein Herz,
erschreck dich nicht.
Ich bin ein Freund
der zu dir spricht.


Er schnaufte und richtete sich auf. Kurz schlug er die Hände zusammen, um die störenden Grashalme loszuwerden. Als er wieder Hamsen ausmachen konnte, zog er sein Cappie vom Kopf und fuhr sich durch das Haar. Was zum Himmel machte er hier eigentlich?

Ich hab gewartet und gehofft,
dass der Moment vielleicht niemals kommt.
Dass er einfach vorübergeht.
Oder vielleicht niemals geschieht.


Er hätte es kommen sehen müssen. Er hätte derjenige sein müssen, der zuerst um eine Versetzung hätte bitten müssen. Es war einzig und allein seine Angst gewesen, die ihn all die Jahre von dieser Möglichkeit abhielt. Sie zu verlieren, hieß sein Schicksal endgültig besiegelt zu haben und die Tatsache, dass er allein dafür verantwortlich gewesen wäre, hätte er nicht ertragen. Und so war er egoistisch geblieben. Jeden Tag mit ihr hatte er förmlich in sich aufgenommen und genossen. Ihre Stimme klang am hellsten, wenn es um ihn düster wurde. Ihr Mut war unbeschreiblich, wenn es nirgends Hoffnung gab. Und nun war sie es, die wieder einmal ihre unerschöpfliche Entschlossenheit bewies und den ersten und endgültigen Schritt unternahm.

Jack schloss traurig die Augen bei dem Gedanken, als er erkannte, dass es völlig unerheblich war, ob er oder sie das Lebewohl heraufbeschwor. Konnte es sein? Hatte er sie sogar mit seinem Nichthandeln zu diesem Schritt gezwungen? Er fühlte, wie die Einsamkeit Sekunde um Sekunde immer mehr Besitz von ihm ergriff. Er hätte es tun sollen, denn die Dunkelheit, die über ihm schwebte, wäre die gleiche gewesen, wenn er nur selbst den Mut für eine Versetzung aufgebracht hätte. Dass sie die komplizierte Lage zwischen ihnen irgendwann nicht mehr ertragen konnte, war vorauszusehen. Schiffbrüchige waren sie beide und beide taumelten auf diesen einzigen Moment hin zu. Sein Egoismus hatte ihre Karriere ins Stocken gebracht, wenn nicht sogar beendet. Die Last seiner Gedanken traf ihn schwer und so legte er sich flach auf den Boden.

Jack gestattete sich für einen kleinen Moment, seine Gedanken in eine andere Richtung schweben zu lassen. Hammond hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass er ‚zu wichtig für dieses Programm’ sei. Im Grunde schien es also völlig egal zu sein, wer die räumliche Distanz schuf. Hammond hätte ihn auch dann nicht gehen lassen, wenn er seine eigene Feigheit überwunden hätte. Hatte er es aber überhaupt einmal in Erwägung gezogen? Hätte er den Mut aufgebracht? Er und zu wichtig! Sam war diejenige, die er hätte nicht gehen lassen dürfen. Bereits als er zum Brigadier General befördert wurde, hätte er die Gelegenheit ergreifen müssen! Einzig allein zum Schutz vor sich selbst und vor seinen Dämonen war er geblieben, überlebte in ihrem Dunstkreis und füllte seine Lebensenergie mit ihrem Lachen auf.

Jack richtete sich abrupt auf. Hatte sich Hammond vielleicht geirrt? Begann der Mann den ersten schwerwiegenden Fehler in seiner Karriere? Jack grübelte. Sie war die Wissenschaftlerin, deren Wissen und Kombinationsfreudigkeit unerschöpflich war. Sam war der eigentliche Schatz des Stargate-Centers und der seines Herzens.

Er entschied sich, langsam aufzustehen und ein paar Schritte bis zum nächsten Steinhaufen zu laufen. Hinter ihm nahm er Platz und lehnte sich dagegen.

Ich schau zurück
auf eine wunderschöne Zeit.
Warst die Zuflucht
und die Wiege meines Seins.
Hast gekämpft
und jeden Moment mit mir geteilt.
Ich bin stolz
auch jetzt bei dir zu sein.


Die angenehme Kälte, die von dem Geröll ausging, tat auf seiner aufgebrannten Haut gut. Jack wusste es, es war unausweichlich. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich bei seiner Arbeit ein wenig abzulenken. Aber was bereits auf der Erde begann, hörte hier nicht auf. Die vergangenen Tage auf diesem Planeten brachten schemenhaft Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit zurück und so wunderte er sich nicht, dass auch jetzt Bilder vor seinem geistigen Auge auftauchten. Er sah sich zurückversetzt in gemeinsame Abenteuer, in harte Kampfszenen, erinnerte sich an Verletzungen und an Momente, die manchmal so endgültig schienen.

Ich fang ein Bild von dir
und schließ die Augen zu.
Dann sind die Räume nicht mehr leer.
Lass alles andere einfach ruhen.
Ich fang ein Bild von dir
und dieser eine Augenblick
bleibt mein gedanklicher Besitz.
Den kriegt der Himmel nicht zurück.


Obwohl sich die Sonnenbrille noch immer auf seiner Nase befand, lehnte er nun auch den Kopf zurück und schloss die schweren Lider. Er gab sich der schmerzlichen Erinnerungen hin. Sofort als er seine geschlossen hatte, hatte er ihre lachenden vor Augen, der aufgeregte ja fast kindliche Ausdruck von Begeisterung in ihrem Gesicht, wenn eine neue Technologie gefunden wurde, die es zu auseinander nehmen und zu entdecken galt. All die Angst, die Freude, die Schmerzen, die Gewissheit, dass sie ihn liebte - all das trug Sam bei jedem Schritt mit sich. Sie ruhte in sich und gab auch ihm somit etwas wie innere Zufriedenheit und das Gefühl von Frieden.

Jack lächelte gequält, als er sich erinnerte, wie er zum ersten Mal fühlte und begriff, wie viel sie ihm wirklich bedeutete, wie viel zu geben er bereit war, um bei ihr bleiben zu können. Sie war in diesem Moment so schutzlos wie ein Neugeborenes. Selbst jetzt nach so vielen Jahren konnte er das stampfende Geräusch des Unheils hören und die unbeschreibliche Angst, sie für immer zu verlieren. Er ahnte, wie intensiv die Ereignisse hier auf P3X-666 für sie gewesen sein mussten. Sie hatte gedacht, ihn verloren zu haben. Jack, der bei diesem Gefühl nicht atmen konnte, richtete sich schnell auf.

Du kamst zu mir
vor jedem allerersten Ton.
Als das Zeitglas unerschöpflich schien.
Du hast gelebt,
in jedem Sturm mit mir gekämpft.
Nie etwas verlangt,
nur gegeben und geschenkt.


Er war nur ein Schatten seiner selbst gewesen, als er Sam vor der zweiten Mission nach Abydos kennen gelernt hatte. Neun Jahre war das nun her. Nie in seinem Leben hätte er damit gerechnet gehabt, eine Wissenschaftlerin in seinem Team zu haben. Eine Wissenschaftlerin und dazu ein Archäologe waren eine ziemliche Herausforderung für ihn gewesen. Schnell hatte sie ihn davon überzeugen wollen, dass sie auch militärische Erfahrungen vorzuweisen hatte. Und bei Gott, die hatte sie! Sam hätte ein schlafendes Kind in ihren Armen halten und selbst dann noch einen Angreifer erschießen können, ohne dass das Kind aus seinen friedvollen Träumen gerissen worden wäre. Jack gestand sich ein, dass sie nicht nur seinen Körper, sondern vor allem sein Seelenheil immer wieder gerettet hatte, wenn er sich auf der felsigen Klippe kurz vor dem Sprung befand. Wenn er mit ihr zusammen war, waren die Erinnerungen an Sara und Charlie zwar vorhanden, aber nicht so schmerzlich. Und Sam war immer an seiner Seite gewesen.

Hast mir gezeigt
was wirklich wichtig ist.
Hast ein Lächeln gezaubert
mit deinem stillen Blick.
Ohne jedes Wort,
doch voll von Liebe und Leben.
Hast so viel von dir
an mich gegeben.


Sie hatten nie wirklich über Sara und Charlie gesprochen und doch konnte sie fühlen, wann es für ihn im Jahr an der Zeit war, die qualvollen Stunden erneut zu durchleben. Wie oft hatte sie ihn gestützt, wenn er es am nötigsten hatte? Sie war an seiner Seite und das immer im richtigen Augenblick. Viele Worte waren noch nie nötig gewesen, wenn sie allein waren. Und meistens waren sie das, wenn es auf einem Planeten hart auf hart kam.

„General? Wo sind Sie, Sir?“

Jack zuckte furchtbar zusammen, als er plötzlich Hamsens Stimme hörte. Er griff sich nach seinem Funkgerät und drückte den Knopf, um ihm antworten zu können. „Was gibt es, Hamsen?“ Erwartungsvoll sah er auf das Gerät an seiner äußeren Brusttasche.

„Hier ist gerade eine Nachricht für Sie durch das Stargate gekommen, Sir. Dr. Jackson bat darum, sie Ihnen unverzüglich auszuhändigen. Over.“

„Ich bin schon auf dem Weg zu Ihnen. O’Neill Ende.“

~~~~~

Es regnete mal wieder in Colorado Springs, als Jack seinen Wagen in der Straße gegenüber ihrem Haus in der schützenden Dunkelheit parkte. Langsam rollte er noch ein paar Meter, bevor er zum Stehen kam. Er schaltete erst den Motor und dann das Licht aus. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass er sich über zwei Stunden verspätet hatte. Er sah das warme verhaltene Licht in ihrem Wohnzimmer und erkannte immer wieder Personen, die am Fenster vorbeihuschten. Jack umklammerte das Lederlenkrad ein wenig stärker, als sein Blick sich entmutigt nach vorn richtete. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht? Wie um alles in der Welt hätte er jetzt klopfen können, um sich von ihr zu verabschieden? Wie sollte er ihr alles Glück der Welt wünschen, wenn er der Grund für ihr Gehen war? Er wollte sich nicht verabschieden und schon gar nicht wollte er die aufgestapelten Kartons sehen müssen, die unweigerlich den Schritt in eine andere Zukunft bedeuteten, den er mitzuverantworten hatte.

Das Geräusch der prasselnden Regentropfen wurde stärker, als sich ihre Haustür schwungvoll öffnete. Jack sah, wie sich Daniel und Teal’c mit einer langen Umarmung von Sam verabschiedeten und mit schnellen Schritten zu Daniels Wagen eilten. Jack selbst hatte sich kurz und eigentlich unnütze geduckt, als Daniel das Licht einschaltete und losfuhr. Sam war ihnen gefolgt und blieb auf dem kleinen Bürgersteig vor ihrer Auffahrt stehen. Sie ließ langsam den winkenden Arm sinken und stand nun still ohne Schirm im Regen, als sie immer noch die Stelle fixierte, wo ihre Freunde gerade aus ihrer Sicht verschwunden waren. Und plötzlich, als ob sie spürte, dass er irgendwo da draußen sein musste, schaute sie in die Dunkelheit hinein und direkt auf seinen Wagen. Jack hatte seinen Standpunkt geschickt gewählt. Mit bloßem Auge hätte sie ihn nie sehen können, dennoch ging ihm ihr zielgerichteter Blick in seine Richtung durch Mark und Bein. Für einen Moment schaute er zurück und überlegte, ob er nicht doch aussteigen sollte, als er von einem strahlenden Scheinwerfer auf der anderen Straßenseite geblendet wurde. Der Wagen hielt direkt vor Sam und ein junger, hochgebauter Mann stieg aus. Jack beobachtete, wie er ihr zur Begrüßung die Wange streichelte und sie dann in den Arm nahm, was sie willenlos geschehen ließ. Mit weiteren noch gefalteten Umzugskisten, die er aus dem Kofferraum holte, liefen sie schließlich in ihr Haus zurück. Jack startete den Motor und löste die Handbremse.

Ich lass dich gehen
und wünsch dir alles Glück der Welt.
In diesem Augenblick
bist du das Einzige was zählt.
Lass dich fallen
und schlaf ganz einfach ein.
Ich werde für immer an deiner Seite sein.


~~~~~

„Sie alle“, Sam machte eine kurze Pause und sah jeden einzelnen an, „sind für ein Projekt vorgesehen, was direkt dem Pentagon unterstellt ist. Der inoffizielle Codename ‚Area 52’ wird nur selten verwendet. Ihnen dürfte der Begriff ‚Stargate-Kommando’ mehr sagen. Die Aufgabe dieses Kommandos ist es, Aufklärungsarbeit zu leisten, Bedrohungen zu erkennen und wenn möglich friedlichen Kontakt zu anderen Völkern herzustellen. Der Hauptzentrale in einem militärischen Komplex innerhalb des Cheyenne Mountains gehören zurzeit neun Stargate-Teams an. Sie werden SG-10, SG-11 und SG-12 bilden, wenn ich es befürworte und an der Zeit halte. Der Cheyenne Mountain ist eine ehemalige Air Force-Raketentestbasis in der Nähe von Colorado Springs.“

Sam sah sich zwölf Frauen und Männern gegenüber, die sich mit gespitzten Ohren Notizen anfertigten. Die Sonne schien in Washington und die schönen Zeiten des endenden Herbstes begannen langsam zu gewinnen. Ein angenehmes Licht tauchte diesen streng abgesicherten Konferenzraum in einen unschuldigen Ort. Sam befand sich seit zwei Wochen in Washington und der Tapetenwechsel tat ihr gut. Ihre kleine Wohnung, die aus zwei Zimmern neben der Küche und dem Bad bestand, hatte sie gemütlich eingerichtet. Ihr Haus in Colorado Springs vermietete sie und die Einnahmen halfen hier bei dem Neubeginn. Richard und Marie unterstützten sie wo auch immer sie um Hilfe bat und da sie dies nicht oft tat, standen beide am letzten Wochenende von sich aus mit Schlagbohrmaschine und mit Putzutensilien bewaffnet vor ihrer Wohnungstür. Sam lachte seit langer Zeit aus vollem Herzen.

‚Hier nehmen sie also die letzte Hürde ihrer Ausbildung’, dachte Sam, als sie vor einer Woche den Konferenzraum das erste Mal betrat. Ihre Aufgabe war es, sie auf das Unmögliche vorzubereiten und sie bis zu ihrem ersten Einsatz zu begleiten. Nach der theoretischen Ausbildung schloss sich ein Training von zwei Wochen auf verschiedenen Testbasen an. Sam hatte die Akten ihrer Schüler studiert und sich auf die erste Unterrichtsstunde vorbereitet, die seit genau einer Minute angebrochen war.

„Nehmen Sie Abschied vom Tageslicht, wenn Sie den Berg betreten und hoffen Sie auf so etwas Ähnliches wie Sonnenschein auf einem anderen Planeten.“ Sam stand mit der Hüfte angelehnt an ihrem Tisch, als ihr zwei Männer in der letzten Reihe auffielen, die sich gegenseitig und fast schon lautstark lachend immer wieder in die Rippen stießen.

„Kann ich Ihnen vielleicht in irgendeiner Weise behilflich sein, Lieutenant?“ Mit verschränkten Armen sah sie zu beiden hinüber.

„Nein, Ma’am. Bitte entschuldigen Sie“, wehrte der linke der jungen Männer ab.

„Nun, ich denke, Sie haben bestimmt Freude daran, mir mitzuteilen, was Sie veranlasst hat, so angeregt zu diskutieren?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen stierte sie nach oben.

„Na ja“, begann nun der rechte und grinste erneut auffällig zu seinem Freund hinüber. „Mich würde interessieren, zu welchen Auszeichnungen Ihnen dieses Projekt bereits verholfen hat? Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass es nicht schwierig …“

„Auszeichnungen?“ Sam sah empört und geschockt nach oben. „Sie sind also der Meinung, in der Air Force Auszeichnungen als Prestigemittel sammeln zu müssen?“ Sam ging um ihren Tisch herum. Sie klappte den Laptop auf und hörte, wie die zwei Entschuldigungshymnen anstimmten.

„Nein, nein, so war das …“

„Nicht gemeint“, schlug sie verärgert vor und unterbrach den linken der beiden.

Die restliche Gruppe schwieg und die Empörung, die Sam fühlte, stand allen anderen auch ins Gesicht geschrieben.

„Manchmal frage ich mich, warum man euch ausgewählt hat.“ Eine junge Frau mit langem schwarzem Haar drehte sich zu ihnen um und sah zuerst Maloney, der links saß, und dann Anderson, rechts, an.

Sam schielte zu dem Sitzplan hinüber und las den Namen der jungen Offizierin. ‚Judith Simmons’. Ohne dem Gespräch ein weiteres Wort zuzumessen, verdunkelte Sam den Raum und ließ einen Film laufen.

„Beeilung! Er hat ne Menge Blut verloren. Ich gebe Ihnen von oben aus Deckung.“

„Okay. Ich bin Dr. Janet Fraiser. Können Sie mich hören?“

„Ja … mich hat es schwer erwischt. Ich kann mich nicht bewegen! Ich spüre meine Beine nicht! Das war ein Volltreffer.“

„Wie ist Ihr Name?“ ‚Daniel’, dachte Sam, während sie noch immer mit verschränkten Armen ihren Schülern den Rücken zugewandt das Video mit ansah.

„Ich bin Senior Airman Wells … Simon Wells … Muss ich sterben?“

„Nicht, wenn es nach mir geht. Okay, wir müssen ihn umdrehen und die Blutung stoppen. Alles klar? Simon, halten Sie das aus?“ Janet sah Hilfe suchend zu Daniel.

„Ja.“

„Na gut … vorsichtig. Okay, auf drei. Eins, zwei, drei.“

Als Janet Wells umdrehte und er zu schreien begann, während das Gefecht weiter ging, ging ein stiller Ruck durch die Zuschauenden.

„Ich bin Daniel Jackson.“

„Ich weiß … ich weiß … SG-1.“

„Hey, es wird alles gut.“

„Mistkerl … stand plötzlich einfach da ... Hat mir in den Rücken geschossen.“

„Reden wir lieber über etwas anderes, Simon … äh, was ist bei Ihnen zu Hause los?“

„Mein … Meine Frau … ist … schwanger.“

„Ja? Ist das, ist das Ihr erstes Kind?“ Daniel tat alles, um ihn abzulenken, während Janet ihn versuchte, zu stabilisieren.

„Ja.“

„Glückwunsch!“

Im nächsten Moment schrie Wells auf, als Janet ihn berührte.

„Das ist gut … Sie spüren noch was.“

Über das Funkgerät war ein weiterer Soldat zu hören. „General O’Neill, unsere Stellung ist in Gefahr! Wir können das Tor nicht mehr lange halten!“

„Das spielt keine Rolle! Wir können uns hier wahrscheinlich auch nicht mehr lange halten“, Sam erinnerte sich. Bald daraufhin wurde er getroffen.

„General, ich brauche mehr Zeit, um diesen Patienten zu stabilisieren. Er ist nicht transportfähig!“ Janet sah besorgt zu ihrem Patienten, der zu verstehen begann.

„Das können wir vergessen … lassen Sie mich zurück.“

„Wir lassen niemals jemanden zurück!“

„Gott, dass ich meinen Sohn nicht sehen soll.“

„Halten Sie durch … halten Sie durch. Sie wissen bereits, dass es ein Sohn wird?“ Daniel versuchte weiterhin, ihm Mut zu machen.

„Sagen … Sie mir die Wahrheit … ich schaffe es nicht, oder?“

„Wir bringen Sie durch.“

„Dr. Jackson … bitte, bitte, sagen Sie meiner Frau … sagen Sie meiner Frau, dass ich … Aaaahhh!“

„Okay, okay!“ Daniel begann in seinem Rucksack nach einer Kamera zu wühlen.

„Geschafft.“ Janet war froh, wenigstens hier mitten im Gefecht, etwas Positives vermelden zu können.

Während Daniel die Kamera herausholte, bat Janet: „Weiter atmen, Simon.“

„Okay, sagen Sie es ihr selbst.“ Daniel begann selbst zu filmen.

Als das schmerzverzerrte Gesicht von Wells zu sehen war, schluckten Sams Schüler gewaltig.

„Es tut mir alles wahnsinnig Leid.“ Wells Schmerzen verstärkten sich und er begann leicht zu weinen. „Ich liebe dich so sehr … ich wollte nur…. Aaah! Aaah! Aaah! Gott! Schalten Sie das ab! Ich will nicht, dass sie mich sterben sieht! Bitte … Gott.“

„Simon! Simon… sehen Sie mich an“, bat Janet.

Sam schloss ihre Augen.

„Sie werden nicht sterben, okay? Ich habe den Weg hierher doch nicht umsonst gemacht. Also, ich habe die Blutungen gestoppt. Wir legen Sie gleich auf eine Trage und dann schicken wir Sie nach Hause zu Ihrer Familie, okay? Also, halten Sie durch, Simon.“ Janet beugte sich von der Seite zu ihm hinüber und sah ihm direkt in seine Augen.

„Ja, Ma’am.“

In dem Moment, wo der Schuss der Stabwaffe zu sehen war, drehte sich Sam ihren Schülern wieder zu und erblickte genau das in ihren Gesichtern, was sie wohl ausgestrahlt haben musste, als sie das Band zum ersten Mal sah. Sam erkannte vor ihrem geistigen Auge, wie Janet getroffen und nach hinten geschleudert wurde. Sam tat sich selbst einen Gefallen und sah nicht hin.

„Was … was ist passiert?“ Wells sah sich verwirrt um.


Als Schüsse der eigenen Waffen zu hören waren, schwenkte die Kamera von Wells zu Janet hinüber. Sie lag regungslos mit geöffneten Augen am Boden.

Sam ließ die Rollos an den Fenstern wieder nach oben fahren und klappte den Laptop zu. Ihre Klasse schwieg und auch als das Licht die schockierten Gesichter erfasste, rührte sich noch immer keiner. Sam stützte sich mehr als sie saß mit ihrem Po an ihrem Schreibtisch ab und wartete geduldig auf die erste Reaktion.

„Wer … wer hat das … gefilmt und … was war das für ein … Blitz“, fragte ausgerechnet Anderson.

„Ein Kamerateam, geschickt vom Pentagon und eine Stabwaffe eines Jaffa.“ Sam schaute kurz zu ihren Fußspitzen und dann direkt zu Maloney und Anderson. „Sie werden nie wissen, was sie auf einem Planeten erwarten wird. Sie werden nie wissen, ob Sie lebend, verletzt oder tot nach Hause kommen. Sie werden nie wissen, ob das, was Sie tun, vielleicht das letzte Mal sein wird. Sie werden nie wissen, ob Sie es verdient haben, anstelle Ihres Freundes am Abend bei Ihrer Familie am Tisch sitzen zu dürfen, während die Frau Ihres Kameraden gerade die persönlichen Sachen ihres Mannes ausgehändigt bekommt. Aber eines werden Sie dann ganz genau wissen: Sie werden nie einen Orden dafür bekommen wollen, weil sie überlebt haben.“

Sam wartete und als die beiden schuldig ihrem Blick auswichen, redete sie weiter. „Dr. Janet Fraiser starb an diesem Tag im Alter von vierunddreißig Jahren und hinterließ eine Adoptivtochter im Alter von sechzehn Jahren. Aber Simon Wells schaffte es dank ihrer Hilfe, nach ein paar Wochen wieder einsatzbereit zu sein. Seine Frau gebar ihm einen gesunden Jungen.“

Sie schaute nun zu ihren anderen Schülern. „Ich denke, wir machen eine kurze Pause von fünf Minuten und fahren dann fort.“ Sam senkte ihren Blick und erhob sich ebenfalls, als die Stühle krachend zurück geschoben wurden.

„Colonel?“ Maloney kam eher als der Rest seiner Kameraden in den Konferenzraum zurück.

„Ja?“ Sam schaute von ihren Unterlagen auf.

„Ich wollte mich entschuldigen. Das vorhin war nicht anständig und eigentlich ist er … sind wir nicht so, Ma’am.“

Sam schaute ihm für einen kleinen Augenblick in die Augen und erhob sich. „Lassen Sie mich herausfinden, wie Sie sind und ob ich ein gutes Gefühl dabei habe, Sie für dieses Projekt endgültig vorzuschlagen. Und obwohl es strengster Geheimhaltung unterliegt, sehe ich keinen Grund, Sie schneller hier raus zu befördern, als Sie Naquadria sagen können, wenn ich es für nötig erachte.“

Maloney nickte ergebend und wollte schon gehen, als Sam anfügte: „Ihre Entschuldigung, Lieutenant, ist angenommen.“

Maloney lächelte dankbar und nahm mit den anderen wieder seinen Platz ein.

„Gut“, Sam überzeugte sich mit einem Blick in die Runde, ob alle wieder auf ihrem Platz waren, „dann machen wir weiter.“ Sie griff nach ihren Aufzeichnungen und erläuterte, wie sie die kommenden Wochen gestalten wollte.

~~~~~

„Colonel, ich bin froh, Sie gesund in Washington zu sehen!“ General Hammond kam durch die große schwere Eingangstür des geräumigen Hauses, welches Richard und Marie bewohnten. Draußen begann es langsam zu schneien und so befreite er sich kurz von einigen Schneeflöckchen auf seinen Schultern.

„Auch ich freue mich, General. Es ist schön, dass Sie kommen konnten.“ Sam lief ihm entgegen und schüttelte sogleich Hammonds Hand, die er noch rechtzeitig aus dem Handschuh gezogen hatte.

„Sie sehen großartig aus, wenn ich das sagen darf.“ General Hammond schaute Sam mit einem prüfenden Blick an. Man hatte sich darauf geeinigt, da das Essen im privaten Rahmen stattfand, auf Uniformen zu verzichten und nun standen sie sich alle in ziemlich ungewohnter Kleidung gegenüber.

„Danke.“ Sam fühlte sich geschmeichelt und glättete noch einmal vorsorglich mit der flachen Hand ihr Kleid. „Ich darf Ihnen Lieutenant Colonel Richard Langley und seine Frau, Marie, vorstellen. Sam deutete kurz mit ihrer rechten Hand zu ihren Freunden. Sie waren Sam wortlos in den Eingangsbereich gefolgt.

„Richard, Marie, das ist General Hammond“, stellte Sam ihren langjährigen Vorgesetzten vor.

„Ich freue mich sehr, Sie kennen lernen zu dürfen, General.“ Richard nahm Haltung an und salutierte.

„Sie haben ein wunderschönes Haus“, George Hammond erwiderte den Salut kurz und reichte nun Richard seine Hand. Er spähte sogleich zu Marie hinüber, „und eine bezaubernde Frau, wie ich unschwer erkennen kann.“

„Vielen Dank, Sir“, antwortete Richard stolz und beobachtete, wie sich der General seiner Frau zuwandte.

„Ich danke Ihnen für die Einladung, Mrs. Langley“, meinte er charmant, „und wie ich sehe, darf ich Ihnen gratulieren.“ General Hammond deutete auf Marie. Sie war schwanger.

„Und ich danke Ihnen, dass Sie uns die Ehre erweisen. Sam hat viel von Ihnen erzählt und nun freue ich mich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen, General.“

„Richard war mein äußerst zuverlässiger Flügelmann im Golfkrieg und ich bin froh, dass er an meiner Seite war“, erklärte Sam und schaute mit einem liebevollen Blick zu ihm hinüber. „Ich habe ihm mein Leben zu verdanken.“

General Hammond war nicht blind für die Bedeutung des letzten Satzes. Sie hatte ihn voller Erfurcht und Dank ausgesprochen. Er erinnerte sich nur allzu gut an jedes einzelne Wort in dem Teil ihrer Personalakte, der ihm erst in den letzten Monaten mit seiner letzten Beförderungsstufe zum Lieutenant General zugänglich gemacht wurde.

„Das ist verdammt lange her“, beeilte Richard sich zu sagen. Sein Körper war angespannt. Bei dem Gedanken an diese für Sam schreckliche und schwierige Zeit wurden jedes Mal seine Gliedmaßen steif. Die Kraft der Erinnerung hielt ihn an Ort und Stelle. „Und ich darf dich daran erinnern, dass du mein Leben gerettet hast.“ Richard legte Sam eine Hand auf ihre Schulter „Und wenn du das nächste Mal Hilfe bei deinem Umzug brauchen solltest, ruf’ bitte jemand anderen an.“ Richard sah zu General Hammond. „Ich habe noch nie eine Frau mit so vielen Büchern gesehen.“

„Wenn ich das richtig verstehe, würdest du lieber mit mir in den Krieg ziehen, als meine Kisten zu schleppen?“ Sam sah gespielt empört zu ihrem alten Freund auf und war dankbar, dass er das Thema schnell wechselte.

Selbst Marie, die der Unterhaltung bislang alarmiert und still zugehört hatte, lachte mit allen anderen auf. „General, möchten Sie vielleicht etwas trinken?“ Sie deutete zu den Getränken hinüber.

„Gern.“ General Hammond nickte und ließ sich von Marie wegführen.

„Danke noch einmal Richard, dass ich bei euch das kleine Abendessen veranstalten kann.“ Sam hackte sich bei ihm unter.

„Ich sagte dir doch bereits, dass das kein Problem ist.“ Richard tätschelte ihre Hand. „In deiner Wohnung herrscht immer noch ein zu großes Durcheinander, um deinen Vorgesetzten zu empfangen.“ Er erhielt einen strafenden Blick von Sam, welchen er mit einem gütigen Lächeln quittierte. „und außerdem“, fuhr er ernster fort, „freue ich mich, ihn endlich kennen zu lernen. Auch wenn du mir nie sonderlich viel von deiner Arbeit erzählen durftest, habe ich das Gefühl, General Hammond schon eine Ewigkeit zu kennen.“

Marie hatte in der Zwischenzeit jeden ihrer Gäste mit einem Aperitif versorgt, als sie zurück in die Küche ging, um nach dem Essen zu schauen.

„Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?“ Sam lugte um die Ecke. „Richard und General Hammond unterhalten sich über Kampfstrategien während des Golfkrieges und ich habe mir gedacht, damit lasse ich sie lieber allein.“

Marie nickte, ohne den prüfenden Blick aus der Suppe zu nehmen. Sie bewegte vorsichtig einen Holzlöffel in einem großen Topf. „Wenn du willst, kannst du das Brot schneiden.“

„Zu Befehl!“ Sam betrat schließlich die Küche und widmete sich ihrer Aufgabe. Marie wirbelte von einer Ecke in die nächste, als Sam plötzlich stutzig wurde und aufsah. Marie hatte sich nach einer Weile nicht mehr bewegt und Sam bemerkte, wie sie sie von der Seite beobachtete.

Auf Sams fragenden Blick hin antwortete sie schlicht: „Du siehst fantastisch aus. Weißt du das eigentlich? Ich bin froh, dass du dich langsam ein wenig erholst.“ Marie besah sie sich noch einmal ganz genau. Sam trug ein bodenlanges schwarzes Kleid, welches mit dem weich fließenden Stoff ihre Figur optimal beschrieb. Es hatte eng anliegende und lange Ärmel, welche ihr bis auf den Handrücken reichten. Mit einem geraden Abschluss weit oben am Hals betonte es ihre schmalen Schultern und wenn Sam jemandem den Rücken zudrehte, konnte jeder die Raffinesse des Kleides erkennen: Der Rücken war tief bis zur Hüfte ausgestellt und der ebenso weich fließende Abschluss begann dort, den Po außergewöhnlich zu betonen. Sam hatte ihr Haar mit Gel versorgt und zurückgekämmt. Sie trug keinen Schmuck, sondern ließ das dezente Make up wirken.

„Das Kleid ist einzigartig“, nickte Marie noch einmal zur Bestätigung. „Ich war in letzter Zeit sehr besorgt. Und ich weiß, dass auch jetzt in deinem Leben noch nicht alles wieder in Ordnung ist, aber …“

„Danke, Marie. Ich glaube, ohne dich hätte ich nie den Mut gehabt, dieses Kleid tatsächlich auch zu kaufen. Langsam gewöhne ich mich auch wieder an die Höhe der Absätze.“ In dem Moment als Sam geendet hatte, tat es ihr bereits leid, dass sie Marie unterbrochen hatten.

„So was verlernt ‚frau’ doch nicht, nicht wahr?“ Marie sortierte das geschnittene Baguette fein säuberlich in die Brotschalen, als sie Sams dankbares Grinsen registrierte. Marie nahm einem so schnell nichts übel.

„Gut, dann wollen wir mal.“ Mit Schüsseln bewaffnet, betrat zuerst Marie und dann Sam das Esszimmer.

„Ich bin unterwegs!“ General Hammond steckte das Handy in sein schwarzes Jackett und sah besorgt zu Sam hinüber, die gerade dabei war, eine große Schüssel Salat auf dem ausladenden Tisch abzustellen.

„General?“ Sam kannte diesen Gesichtsausdruck nur zu gut und machte ein paar Schritte auf ihn zu.

„SG-1“, meinte dieser kryptisch. Er fühlte Richards und Maries Blick auf sich.

Sam wusste, dass etwas nicht in Ordnung war und der sich verfinsternde Gesichtsausdruck ihres Vorgesetzten machte sie nervös. „Was ist passiert“, flüsterte sie leise.

General Hammond antwortete ebenso leise: „SG-1 ist gerade zurückgekehrt. Ein Mitglied ist lebensgefährlich verletzt. Ich muss umgehend zurück nach Colorado Springs.“

Sam griff Halt suchend nach der nächstbesten Stuhllehne und atmete tief durch. „Wissen Sie, wer verletzt wurde und wie schlimm es ist?“

General Hammond schüttelte seinen Kopf. Er machte sich bereits Gedanken, auf welchem schnellsten Weg er zurück nach Colorado Springs kam. „Ich glaube, Colonel, wir müssen ein anderes Mal über … reden.“ Er kürzte ab, als er die fragenden Gesichter von Richard und Marie sah.

„Ich komme mit“, beschloss Sam in der nächsten Minute und ergänzte, als sie den überraschten Blick von General Hammond sah: „Wenn es Ihnen recht ist, Sir.“

„Sam, und was ist mit ihren Verpflichtungen hier in Washington?“ George Hammond legte ihr eine Hand auf die Schulter und bemerkte erst jetzt, wie stark sie eigentlich zitterte.

„Heute ist Samstag. Am Wochenende findet kein Unterricht statt und vor Montag werde ich sicherlich zurück sein. Fragt sich jetzt nur, wie wir sofort zum Center zurückkommen?“ Sam überlegte fieberhaft.

„Ähm … Entschuldigung“, bat Richard, „ich will mich nicht aufdrängen und erst recht will ich nicht wissen, worum es eigentlich geht, aber ich könnte Sie General und dich Sam von der Bolling Air Force Base ab fliegen. Mir würde es nichts ausmachen. Ehrlich nicht.“ Fragend blickte er zwischen den beiden hin und her.

Sam und General Hammond sahen sich kurz an und als er schließlich nickte, fragte Sam: „Wie schnell könntest du eine Maschine startklar bekommen?“

Richard sah auf seine Uhr. „In einer Stunde könnte es losgehen.“

„Perfekt“, stimmte General Hammond dem Plan abschließend zu.

Dies war das Stichwort für Richard. Er klemmte sich sofort an das Telefon, während Marie zu Sam eilte. „Ein Glück, dass du heute bei uns übernachten wolltest. Ich hole dir deine Tasche.“

Sam nickte abwesend und suchte verängstigt den Blickkontakt zu General Hammond. „Auf welchem Planeten waren sie“, fragte sie schließlich doch, als sie allein waren.

„P3X-666“, antwortete Hammond knapp, der nach seinem Mantel griff.

Sam glaubte, sich verhört zu haben. Dieser Planet bedeutete die reinste Hölle für das Stargate-Kommando.

~~~~~

‚Das kann nicht wahr sein. Bitte’, flehte Sam die gesamte Fahrt über zum Flughafen. Der Gedanke, dass Jack, Daniel oder Teal’c verletzt wurden, war unerträglich. Sie war kaum in der Lage, zu atmen, geschweige denn, ihre Mimik zu kontrollieren. Sam entschied sich dann doch, tief einzuatmen. Es brachte jetzt rein gar nichts, sich von ihren Gefühlen überschwemmen zu lassen. Wichtig war, so schnell wie möglich nach Colorado Springs zu kommen. Vielleicht würden sie dann dort bereits eine entwarnende Information erhalten. Sicher, so musste es sein. Ganz bestimmt!

General Hammond, der neben ihr auf der Rückbank in Richards Wagen saß, hatte ihren stummen Kampf mitbekommen. Mit einem aufbauenden Lächeln griff er nach ihren gefalteten Händen und drückte sie beruhigend.

Sam war über die Geste erschrocken und richtete schnell ihren Blick zu ihm hinüber. Ihr wurde schlagartig klar, dass sie jetzt die Fassung behalten musste; mehr noch: Sie musste vor ihrem Vorgesetzten die Fassung behalten.

„Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, meinte George Hammond väterlich und schenkte ihr noch einmal ein aufbauendes Lächeln.

Wie viel hatte dieser Mann eigentlich schon über die vielen Jahre mitbekommen? Sam wusste es nicht. Sie war dankbar für seine Worte und die Geste seiner väterlichen Hand. Sie nickte ihm dankbar und wie sie hoffte überzeugend zu.

„Da hinten“, Richard deutete aus dem offenen Fenster, „steht unsere Maschine.“

~~~~~

Sie hatten keine Zeit gehabt, sich umzuziehen und so eilte Sam so schnell es ihr ihr Kleid ermöglichte an dem Wachposten vorbei, der ihren Ausweis zu genau und vor allem für ihren Geschmack zu lange studiert hatte. General Hammond hatte die Information erhalten, dass man der verletzten Person im Stargate-Center nicht helfen konnte und man daher beschloss, sie in ein nahe gelegenes Militärkrankenhaus zu überführen. Richard war zunächst am Flughafen zurückgeblieben, um sich um diverse Formalitäten kümmern zu können. Sam eilte unterdessen voraus, während General Hammond weitere Informationen über das Handy im Eingangsbereich des Krankenhauses erhielt.

Das Geräusch der High-Heels passte so gar nicht in diese Umgebung und je tiefer Sam in die Gänge des Militärkrankenhauses eindrang, desto kurioser kam ihr ihr Erscheinen vor. Sie zitterte am ganzen Körper und lief dennoch jede einzelne dieser unendlich vielen Treppenstufen immer schneller werdend nach oben. Die Bequemlichkeit des Fahrstuhles hatte sie bewusst ignoriert. Jetzt, in diesem nervösen Zustand, in einem vielleicht zweimal zwei Meter großen Kasten sprichwörtlich gefangen zu sein, erschien ihr unerträglich. Unerträglich vor allem auch daher, weil sie auf etwas angewiesen wäre, wozu sie den Mut nicht aufbringen wollte. Sam hätte sich gedulden müssen, bis man sie zu der sehnlichst erwünschten Etage gebracht hätte. Mit der Wahl, die Treppen zu nehmen, entschied sie sich einmal mehr dafür, auf sich selbst zu vertrauen.

Für einen kleinen Moment hielt sie auf einer Plattform inne und ließ die Augen hektisch über das große graue Schild wandern, welches ihr hoffentlich mitteilen konnte, wie weit sie noch entfernt war. Sam musste sich zusammenreißen. Die weißen Buchstaben sollten ihren Irrweg durch das Krankenhaus endlich beenden, doch zu ihrem Verstand waren sie noch nicht endgültig durchgedrungen. Ihre Hand umklammerte fester die kalte Stange des Treppengeländers, als sie durch das gemusterte Glas der Tür erkannte, wie eine ihr bekannte Person daran vorbeihuschte. Schnell reckte sie ihren Arm nach oben und riss die Klinke herunter. Unsanft und laut machte die Tür mit dem Stopper im Treppenhaus Bekanntschaft, als ihre Beine in einen weiteren kahlen Flur dieses grausigen Gebäudes hinausgetreten waren. Sie sah, wie er ohne eine Reaktion weiterlief. Ihn einzuholen, erschien ihr unrealistisch. Stur überzeugte Sam ihre Lunge, doch noch etwas Luft für einen akustischen Laut aufzubringen. „Was ist passiert“, rief sie völlig außer Atem der männlichen Gestalt hinterher.

Überrascht hielt er inne und setzte sich sogleich wieder in Bewegung. Teal’c umrundete zu schnell, um anmutig zu wirken, die Ecke, die er gerade eben noch einigermaßen in senkrechter Pose genommen hatte. Fast hätte die Seitenlage seines Körpers, kombiniert mit dem rutschigen PVC-Boden, einen Sturz verursacht. Schnell war er die letzten Meter stumm zurückgelaufen, ohne zornige Blicke auf sich zu ziehen. Teal’c verhielt sich akustisch leise, was in Anbetracht der Situation schwierig erschien. Er hatte sich schon am anderen Ende des Ganges, wo sie ihn gerade noch hatte sehen können, genötigt gefühlt, ihr zu antworten.

„Colonel Carter“, Teal’c schien zunächst überrascht, hatte sich dann aber schnell unter Kontrolle, „bitte hier entlang.“ Er griff sanft nach ihrem Oberarm. „Wir sind gleich da“, nickend sah er zu ihr hinab und war sich spätestens in der nächsten Sekunde bewusst, dass sein seltenes Lächeln kläglich versagte. Er hatte sich vorgenommen, die notwendige Sanftheit in seine Stimme zu legen, die ihm immer wieder in kritischen Situationen zum bedachten Handeln animierte. Doch hier schien es utopisch und nicht machbar. Er hatte sich vom desolaten Zustand seines Freundes überzeugen können, da er selbst den kaum noch schlagenden Plus gefühlt hatte. Teal’c hatte die außergewöhnliche Kälte gespürt, die von dem zitternden und geschundenen Körper ausging und er wusste bereits auf P3X-666, dass nicht mehr viel Zeit blieb.

Zielstrebig führte er Sam in seinem Arm durch zwei weitere Flure, die sie still und immer schneller durchschritten. Beharrlich erhellten Strahlen der tief stehenden Sonne die unendliche Spur ihrer Tränen auf den Wangen, als sie an kleinen Fenstern vorbeikamen. Doch so schnell sie ein Fenster auch erreicht hatten, so schnell waren sie auch schon weitergelaufen. Seit einigen Metern allerdings hatte man dem Tageslicht verwehrt, den Seelen etwas Licht zu spenden. Der Weg verdunkelte sich zusehends, bis sie letztendlich benahe gleichzeitig vor einer weiteren Glastür inmitten des Gebäudes zum Stehen kamen. Sam riss auch diese Tür sofort auf und erkannte schließlich ihn, den sie nicht geglaubt hatte, im Flur auf einem Stuhl sitzend zu sehen.

„General“, fragte sie unsicher, als ihre Füße sich wie ferngesteuert auf ihn zu bewegten.

An der Stelle, wo er sich befand, erlaubte er dem Licht nur sparsam, seinen Körper zu erhellen. Er saß an der Stirnseite des nackten Flures und hatte sich mit seinen Unterarmen auf den Knien abgestützt und der Schwere seines Kopfes schließlich nachgegeben. Nun hob er schnell und überrascht sein Haupt, als er ihre vertraute aber verwirrte Stimme hörte. Jack sah sie sofort unverwandt an und beobachtete ihr Minenspiel. Sie bewegte sich zwar mit festem Gang auf ihn zu, studierte ihn aber zunächst, um dann nachdenklich vor ihm stehen zu bleiben. Er konnte nicht recht glauben, was er sah. Der Schock schien ihr regelrecht ins Gesicht gemeißelt zu sein und die unbeschreibbare Angst der Unsicherheit in ihren Augen ließ sie zittern. Sie brachte kein weiteres Wort über ihre Lippen. Ihre Wangen waren gerötet und sie atmete hektisch und flach. Jack überkam eine unangenehme Ahnung und die gefiel ihm überhaupt nicht.

Vorsichtig ging Sam vor ihm in die Knie und griff zitternd nach seinen Händen, seine Finger waren immer noch ineinander verschränkt. „Daniel“, als sie schließlich verstand, dass er es sein musste, der im angrenzenden Operationsbereich um sein Leben kämpfte, und nicht Jack oder Teal’c, senkte sie den Kopf und schloss die Augen. „Daniel“, wiederholte sie qualvoll und leiser.

„O’Neill! Mit deiner Erlaubnis werde ich zu P3X-666 zurückkehren und sehen, wie ich helfen kann.“

Jack nickte gedankenverloren und eigentlich nur, weil er seinen Namen gehört hatte. Er sah immer noch zu Sam hinunter. „Bitte melde dich regelmäßig im Stützpunkt“, ergänzte er seiner trivialen Geste. Dankbar schaute er dann doch zu ihm auf.

„Natürlich. Colonel Carter“, begann er an Sam gerichtet, „ich freue mich, dich wohl auf zu sehen.“

„Danke Teal’c.“ Sam hatte inzwischen auch aufgesehen, aber ihre Pose nicht verändert. „Ich bin sehr froh, dass es dir gut geht.“

Teal’c nickte graziös zum Abschied und lief schnell zum Aufzug zurück. Er hatte keine Zeit zu verlieren.

Sie beide wussten nicht, wie lange sie allein und schweigend auf dem Flur im diffusen Licht verharrten, seit Teal’c gegangen war. Niemand war zu sehen, der die intime Vertrautheit hätte unterbrechen können. Und auch wenn dies bedeutete, nicht zu erfahren, wie es Daniel ging, so waren sie über den Moment der Zweisamkeit erleichtert.

Jack saß nach wie vor leicht nach vorn gebeugt auf dem schmalen Stuhl, während sie mit gesenktem Kopf zwischen seinen Beinen kauerte und Halt an seinen verschränkten Händen suchte. Schließlich wippte Sam kraftlos nach vorn und ihre Knie berührten den kalten Boden. Seitlich rutschte sie von den Kniescheiben auf den Po und stützte ihren Oberkörper mit dem rechten Arm ab. Jack drückte augenblicklich seinen Rücken durch und zog sie in eine warme Umarmung hinauf. Ihre Knie berührten jetzt wieder den Boden, während er ihren Oberkörper fest an den seinen drückte.

„Gott“, flüsterte sie erleichtert gegen seine Brust, als sie ihren Griff unter seinen Armen entlang verstärkte.

„Shh! Ich weiß“, murmelte er gegen ihr Haar. Jack versuchte sie zu beruhigen und strich ihr zärtlich mit seinen zerkratzten und schmutzigen Fingern über den entblößten Rücken. Als er ihre samtweiche Haut unter seinen rauen Fingern spürte, wollte er bereits von ihr lassen, aber ihre sich einstellende Gänsehaut ließ es sich ihn noch einmal überlegen. Er war sofort nach Daniels Bergung mit dem Rettungshubschrauber vom Stargate-Center hier her geflogen. Er hatte nur einige Minuten, um seine Jacke mit dem geheimen Emblem auszuziehen und gegen seine alte Lederjacke einzutauschen. Kampfspuren waren überall an ihm auszumachen. „Ich weiß“, flüsterte er ein weiteres Mal.

„Colonel Langley.“

Jack hörte, wie General Hammond sich näherte und auch Sam musste seine Stimme erkannt haben, denn sie löste sich schneller von ihm, als Jack es erwartet hatte. Mit einer übereilten Geste stand sie wieder auf ihren beiden Beinen, richtete ihr Kleid und fuhr sich übers Gesicht.

„Ich danke Ihnen außerordentlich für Ihr rasches Handeln.“ Richard und General Hammond betraten schließlich den Flur und liefen auf Jack und Sam zu, die sie bereits erwarteten.

Jack erkannte sofort, dass er diesem Mann an General Hammonds Seite bereits einmal begegnet war. Trübsinnig registrierte er, dass auch die Vertrautheit zwischen ihm und Sam die gleiche wie damals war. Jede Geste und jeder Schritt wurden automatisch von ihm genauestens beobachtet.

Richard stellte Sams Reisetasche auf den erstbesten Stuhl in seiner Nähe. Er legte ihren Mantel, den sie im Flugzeug vergessen hatte, darauf. Neben ihr kam er schließlich zum Stehen und schlang seinen linken Arm um Sams Hüfte. Als er ihr einen Kuss auf das Haar gab, schloss Sam vertraut die Augen und ließ es befreit geschehen.

„Jack, ich freue mich, Sie gesund anzutreffen.“ General Hammond schien erleichtert.

„Danke“, räusperte sich Jack beiläufig und stand auf.

„Das hier ist Lieutenant Colonel Richard Langley. Er hat Colonel Carter und mich von Washington hier her geflogen, als ich informiert wurde.“

Jack war überrascht und eigentlich viel zu müde, als das er sein Erstaunen überspielen konnte. Da Richard einen hellgrauen Anzug trug, war nicht auszumachen, dass er einen militärischen Rang bekleidete. Er schätzte, dass er nicht viel älter als Sam selbst war. Sein schwarzes Haar war leicht gewellt und seine Gesichtszüge markant. Eine große Narbe über dem rechten Auge fiel Jack sofort auf.

„Brigardier General O’Neill.“ Richard salutierte und Jack tat es ihm gleich, wenn auch nicht ebenso enthusiastisch und wie aus dem Lehrbuch.

Woher wusste Langley eigentlich, welchen Rang er inne hatte? Seine Kleidung verriet im Moment nichts außer, dass ihm eine Lederjacke gehörte und die schreckliche Tatsache, dass ein Kampf stattgefunden hatte.

„Wie geht es Dr. Jackson“, wollte General Hammond wissen und forderte somit seine volle Aufmerksamkeit.

Sam und Richard sahen nun ebenfalls voller Spannung zu Jack hinüber.

Jack fuhr sich mit seiner Hand durch das Haar. „Ich weiß es nicht. Sie operieren schon einige Stunden. Er musste zweimal im Helikopter wiederbelebt werden.“

„Mhm … verstehe!“ General Hammond sah nach einem langen Schweigen aller zu Richard hinüber. „Colonel Langley, es tut mir Leid, aber ich muss …“

„Bitte verzeihen Sie, Sir“, Richard nutzte einen kurzen Moment des Luftholens, „ich denke, ich muss nach Washington zurück.“ Sam hatte nie oft oder detailliert über die letzten Jahre gesprochen, aber ihm war auch so bewusst, dass er hier jetzt störte.

„Sicher, Ihre Frau wartet bestimmt.“ General Hammond nickte verständlich.

Jack versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. ‚Seine Frau’, wiederholte er in Gedanken und beobachtete Sam, die sich leicht von ihm löste, nur um ihn sodann richtig zu umarmen.

„Du warst wie immer eine ganz große Hilfe. Grüß bitte Marie von mir. Ich werde sie in den kommenden Tagen anrufen.“ Sam löste sich wieder von ihm.

„Das Essen, Colonel, holen wir nach. Es roch wirklich viel versprechend.“ General Hammond reichte ihm zum Abschied die Hand.

„Das hoffe ich, General. Marie wird sich freuen.“ Richard salutierte zuerst, griff dann aber trotzdem nach der Hand und nickte Jack kurz zu. Er drehte sich anschließend Sam wieder entgegen. „Pass auf dich auf und flieg nicht zu hoch“, befahl er leicht lächelnd, unterdessen er ihr Kinn anhob.

Jack entging nichts an den beiden.

„Wird gemacht!“ Sam versuchte sich an einem Lächeln und begleitete ihn bis zu den Aufzügen.

„Ich werde Marie sagen, dass er gut aussieht“, sinnierte Richard süffisant und grinste, als er und Sam sich einige Meter entfernt hatten.

Sie hatte den Knopf an den Aufzügen gedrückt und lächelte. Sam umarmte ihn ein letztes Mal. „Verrate ihr nicht zu viele Details. Du kennst sie. Marie verschickt sonst schneller mein Rücktrittsgesuch, als ich salutieren könnte.“ Hinter ihr kam der Fahrstuhl zum Stehen und öffnete sich.

„Ich drücke deinem Freund da drin die Daumen und bete, dass er es schafft. Melde dich, wenn du in Washington bist.“ Richard verschwand winkend hinter den sich schließenden Türen des Aufzugs.

„Die Jaffa sind wieder zurückgekehrt, Sir“, berichtete Jack, als Sam sich neben ihm setzte. General Hammond saß auf der anderen Seite und hörte weiterhin zu. „Jedenfalls war es ein perfekt durchorganisierter Hinterhalt und Daniel wurde überrascht. Er hatte keine Chance. Teal’c und ich waren nicht rechtzeitig bei ihm. Er wurde mehrfach getroffen und ging augenblicklich zu Boden. Die haben genau gewusst, wann sie zuschlagen müssen. Irgendetwas ist dort, was verdammt wichtig ist. Daniel hatte von Anfang an Recht, Sir. Es muss sich um eine wichtige Antikerstadt handeln.“ Jack ballte seine Hand zur Faust.

„Verstehe. Ich werde jetzt zum Stargate-Center fahren und mir dort ein Bild über die Lage machen. Wo ist Teal’c“, suchend sah er auf.

„Er bat um Erlaubnis, auf P3X-666 zu helfen“, erklärte Jack.

„Das ist gut.“ General Hammond stand auf, Sam und Jack taten es ihm gleich. „Sie fahren jetzt nach Hause. Haben Sie mich verstanden.“

„General, ich würde lieber hier warten, bis Daniel aus dem Operationssaal kommt.“

„Das ist ein Befehl, Jack. Sie können sich kaum noch auf den Beinen halten. Ich erwarte sie morgen um vierzehnhundert auf dem Stützpunkt. Keine Minute eher. Haben wir uns verstanden?“

„Ja, Sir.“ Jack biss sich auf die Lippen und taxierte seine staubigen Schuhspitzen.

„Ich werde mit den Ärzten hier sprechen und ihnen klar machen, dass ich sofort unterricht werden will, was Dr. Jacksons Zustand betrifft. Colonel Carter, ich würde es begrüßen, wenn wir morgen um fünfzehnhundert unsere geplante Besprechung nachholen können.“

„Ja, Sir. Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich hier bleiben. Irgendwann müssen sie uns ja sagen können, wie es ihm geht.“ Sam schaute zu der verschlossenen Tür hinüber.

„Sam, auch Sie werden die Nacht nicht hier verbringen. Sie können im Moment für Dr. Jackson nichts tun. Wir alle sind in Gedanken bei ihm und beten. Ruhen Sie sich aus.“

Sie schluckte und richtete ihren Blick ebenfalls gen Boden. Sie hatte befürchtet, dass auch sie sein Befehl treffen würde.

„Ruhen Sie sich beide aus. Wir sehen uns morgen.“ General Hammond verschwand mit großen Schritten im Treppenhaus.

Jack nahm wieder etwas unbeholfen auf seinem Stuhl Platz, während Sam zu ihrer Tasche lief. „Was halten Sie davon, wenn ich uns ein Taxi rufe, Sir. Ich kann Sie zu Hause absetzen“, fragend sah sie zu ihm hinüber.

„Wo wollen Sie heute Nacht schlafen, Carter?“ Jack griff sich mit Daumen und Zeigefinger an den Nasenrücken und setzte sich anschließend sein schwarzes Cappie auf. „Wenn ich mich recht erinnere, vermieten Sie Ihr Haus.“

„Ich denke, ich werde mir ein Hotelzimmer nehmen.“ Sam hatte sich abgewandt und hob ihre Tasche hoch.

Jack nahm sie ihr augenblicklich aus der Hand.

~~~~~

Sam suchte in ihrer kleinen Reisetasche nach dem Pyjama, als sie hörte, wie Jack über ihr die Dusche abstellte. Für einen kurzen Moment hielt sie inne und schloss die Augen. Er hatte nicht mit sich reden lassen und darauf bestanden, dass sie sein Gästezimmer nutzte. Als Sam widersprechen wollte, hob er abwehrend die Hand und holte ihre Tasche aus dem Kofferraum des Taxis. Erst als der Fahrer sich nach ihrem Befinden erkundigte, stieg sie ebenfalls aus. Das Augenpaar des älteren Herren im Rückspiegel hatte sie besorgt gemustert und sein Mund ihr Hilfe angeboten. Es war einfach nicht der Abend für Missverständnisse und sie wollte es nicht darauf ankommen lassen. Mit einem unwiderstehlichen Lächeln gab sie schließlich dem besorgten Herren zu verstehen, dass alles in Ordnung war.

Sams Kleid lag über einem sehr neuwertig scheinenden Sessel, der wohl unweigerlich zur Couch in seinem Wohnzimmer gehörte. Für einen Augenblick fragte sie sich, warum auch er dort nicht stand. Sie entschied sich, dem Umstand keine größere Bedeutung zuzumessen und flüchtete ebenfalls wie er es getan hatte in die warme Dusche.

Sam hatte gerade die Laken des Bettes zurückgeschlagen, als es melodisch an ihrer Tür klopfte.

„Carter? Sind Sie angezogen?“

„Ja, Sir“, bestätigte sie die Tatsache, dass sie sich in ihrem Pyjama befand.

„Nun, ich wollte sicher gehen, dass Sie auch alles haben.“ Jack hatte zwar die Tür geöffnet, trat aber nicht ein.

„Danke, Sir. Es ist alles bestens.“ Sam sah, dass einige Wassertropfen von seinem Haar auf die Schultern tropften. Sein dunkelblaues T-Shirt war schon richtig durchnässt.

„Möchten Sie vielleicht noch ein Bier mit mir trinken?“ Jack hatte die Hände in den Hosentaschen einer legeren Jogginghose vergraben und lehnte nun mit seiner Schulter am rechten Türpfosten.

„Sir, wenn ich ehrlich bin …“, erklärte Sam und ging auf ihn zu.

„Schon gut, Carter. Sie müssen nicht, wenn Sie nicht wollen.“

„General, wenn ich ehrlich bin“, begann sie erneut und benutzte aus gutem Grund seinen Rang, „würde ich lieber einen Schluck Whiskey trinken, falls Sie welchen haben sollten.“

Jack hob überrascht eine Augenbraue und bedeutete ihr schließlich, voraus zu gehen.

Sam schluckte bereits den Inhalt des zweiten Glases in einem Zug hinunter und rümpfte bei dem brennenden Gefühl in ihrer Kehle die Nase. „Wow!“

Jack wollte sich gerade selbst einschenken, als er sie bewundernd und zugleich überrascht ansah. „Noch einen?“ Der Inhalt der Flasche schwappte in ihre Richtung, als er ihr Nachschub anbot.

„Nein. Danke, Sir.“ Sam musste sich wieder räuspern, als sie das Glas auf den Tisch im Wohnzimmer vor sich abstellte.

Jack nahm mit seinem ersten in der Hand direkt neben ihr auf der Couch Platz. Er lehnte sich zurück und trank ebenfalls wie sie, ohne einmal abzusetzen.

Sam zog ihre Beine hinauf und lächelte, als sie einen ziemlich schmutzigen und ausgedienten Sessel gegenüber sah, der seine besten Tage schon vor zehn Jahren hinter sich gehabt haben musste. Die Seitenlehnen waren abgegriffen und fleckig. Der Stoff an den Ecken war so dünn, dass sich bereits einige Löcher bildeten. Der neue in ihrem Zimmer musste wohl hier diesem antiken Stück Platz weichen.

Jack war ihrem Blick gefolgt und antwortete: „Den habe ich mir gekauft, als ich aus irakischer Gefangenschaft zurückkam“, erklärte er emotionslos und stand auf.

Sam beobachtete ihn, wie er sich ein zweites Mal einschenkte. Dabei fiel ihr Blick auf einen großen Schnitt an seinem rechten Handgelenk.

„Was ist mit der Wunde, Sir?“ Sam deutete nickend darauf.

„Geht schon“, antwortete er knapp und trank wieder in einem Zug.

Sam allerdings stand auf und lief in das Gästezimmer zurück. Sie hatte im Badschrank diverses Verbandsmaterial entdeckt. Wortlos kam sie zurück und hielt an den Stufen, die zum Wohnzimmer führten, inne, als sie sah, wie er entkräftet in seinem alten Sessel saß. Er hatte den Kopf zurückgelegt und die Augen geschlossen. Da sie barfuß war, kam sie zu leise für ihn zum Stehen und ging erneut an diesem Tag vor ihm in die Knie. Mit ein paar routinierten Griffen hatte sie das Notwendigste herausgeholt und begann, die Wunde zu säubern und zu verbinden. Jack schlief und Sam tat ihr Möglichstes, um ihn nicht zu wecken. Er sah plötzlich viel zu alt aus und Sam begriff, wie er unter den Geschehnissen litt.

Draußen war es bereits dunkel, als Sam damit fertig war, die Schnittwunde zu versorgen. Sie lehnte seit einer Weile mit dem Rücken an seinem Sessel und hatte die Beine angestellt. Ihre Arme verweilten auf den Knien. Sie lauschte seinem gleichmäßigen Atem, der auch sie langsam beruhigte. Das Licht hatte sie ausgeschaltet, um ihm der Erlösung des sanften Schlafes zu überlassen.

~~~~~

Daniel schüttelte erschöpft mit geschlossenen Augen den Kopf. „Was meinst du damit?“

Jack sah ihn nur schweigend an und Daniel begann langsam zu verstehen. Wieder schüttelte er den Kopf. „Nein“, entgegnete er entsetzt.

„Die werden gleich wiederkommen und Ba’al wird mich erneut töten. Mach, dass es das letzte Mal ist.“ Er sah ihn unverwandt an.

„Bitte mich nicht darum.“ Tränen bildeten sich in seinen Augen.

„Du könntest dem ein Ende bereiten“, drängte er weiter.

„Das werde ich nicht tun.“

Beide schauten kurz nach oben. Die Jaffa kehrten zurück.

„Ich würde es für dich tun. Und das weißt du.“ Jack legte sich auf den Fußboden. Er wollte nicht schon wieder mit der anderen Wand Bekanntschaft machen, die gleich den Fußboden bilden sollte. „Ich will diese Zelle nicht wieder sehen, Daniel“, meinte er bestimmt.

Aber er sah sie wieder: Jack saß auf dem Boden seiner Zelle und sah nach oben. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er mittlerweile gefoltert, getötet und im Sarkophag wiederbelebt wurde. „Daniel?“

„Ich bin hier“, es klang traurig.

„Du warst weg.“ Jack hoffte, dass es vorwurfsvoll klang.

Daniel kniete sich zu ihm auf den Boden. „Ich weiß … tut mir Leid … Ich hatte etwas zu erledigen. Jetzt verspreche ich dir, hier zu bleiben, bis das alles vorbei ist.“

„Es wird nie vorbei sein.“ Es kostete ihn Kraft, diese Worte auszusprechen.

„Doch, das wird es.“

„Daniel, du musst es beenden.“

Daniels Blick zersprang in tausend Scherben, als er die flehenden Worte seines Freundes hörte.

Und plötzlich war Daniel nicht mehr an seiner Seite und er fühlte, wie sich Ba’als Messer in seinen Brustkorb bohrte, Blut aus seinem Körper lief und sich hinter ihm erneut das Gitter öffnete, was ihn hier hielt. Er fiel in die Unendlichkeit und starb wieder dabei.


Schwer atmend schreckte Jack aus seinem Traum auf und griff sich instinktiv an die Stelle auf seinem Brustkorb, wo ihn das Messer eben noch getroffen hatte. Hier um ihn herum war es ebenfalls dunkel und somit kam für ihn die Erkenntnis zu langsam zurück, dass er nur geträumt haben musste. Keuchend und mit rasendem Herzen erhob er sich.

Sam war sofort aufgesprungen und hatte die kleine Lampe neben dem Sofa eingeschaltet. Sie stoppe in ihrer Bewegung auf ihn zu, als sie den angsterfüllten Ausdruck in den weit aufgerissenen Augen sah. Jedwede Farbe war aus seinem Gesicht verschwunden.

Jack blinzelte mehrfach, bis sich seine Augen an die latente Helligkeit in seinem Wohnzimmer gewöhnt hatten. Er ließ seinen Blick schweifen, erfasste jedes seiner Möbelstücke wie ein Ertrinkender und dann sah er sie. Schlagartig wich der vernebelte Schleier der sonderbaren Realität, in der er nicht mehr von Ba’al gefangen halten wurde, aber es dieses Mal Daniel war, der um sein Leben kämpfen musste. Er lief zu seinem Kamin hinüber, stützte sich mit beiden Handflächen an ihm ab und drückte den Rücken durch, um seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen.

Sam schwieg, während ihr besorgter Blick unentwegt auf ihm ruhte. Er hatte ganz leise den Namen seines Peinigers gebrummt und Sam hatte es gehört. Es vergingen nur Sekunden, bis Sam sich erneut bückte. Sie schaltete die Lampe wieder aus und ließ ihm und sich die notwendige Zeit.

Jack verharrte noch immer in seiner Position, obwohl er sich wieder gefasst hatte. Die Tatsache, dass sie zu ahnen schien, was er in diesem Moment brauchte, ließ ihn sich behaglich fühlen. Zunächst hatte er sich verbarrikadiert, alles fest zusammengehalten, was nach Charlies Tod übrig geblieben war, und neun Jahre später wusste wieder eine Frau, die nicht Sara war, was er ersehnte. Er hörte die tappsenden Geräusche ihrer nackten Füße auf dem Boden hinter sich. Jack hob den Kopf.

Ganz zart griff sie nach seiner unverbundenen Hand am steinernen Vorbau des kalten Kamins und führte ihn zurück zu seinem Sessel. Jack ließ sich bereitwillig die paar Meter lotsen und verschränkte die Finger mit ihren.

Sam sah ihn nicht an und auch dann nicht, als er sich setzte und sie auf seinen Schoß zog. Sie saß quer auf ihm, lehnte an seinem Oberkörper und ihre Beine hingen über der Lehne, an welcher sie bis vor kurzem noch gekauert hatte. Sein rechter Arm war um ihren Rücken geschlungen; hielt sie nah bei sich. Mit seiner linken befahl er ihr sanft, den Kopf auf seine Schulter zu betten.

Sie wusste, dass er weder seinen Albtraum noch Daniels Zustand kommentieren wollen würde. Also schwieg sie mit ihm. Wenn er reden wollte, würde er beginnen. Sie spürte an seiner Schulter durch den dünnen Stoff des T-Shirts hindurch, wie er sich bewegte, als er sie streichelnd berührte.

Er schien in Gedanken versunken, denn er sagte tatsächlich eine ganze Weile nichts. „Carter, dass mit Daniel tut mir Leid.“ Mit zusammengepressten Lippen sah er zu ihr hinab.

Sam war so sehr erstaunt, dass sie zunächst nichts sagen konnte. Nie im Leben hätte sie damit gerechnet gehabt, dass er sich erklären würde. „Sie trifft an dem, was passiert, überhaupt keine Schuld. Sie müssen sich für nichts rechtfertigen und schon gar nicht bei mir, General.“ Sam wich seinem Blick aus, nicht weil sie nicht daran glaubte, was sie sagte, sondern weil dieses Mal keine militärische Maske seine Seele schütze.

Jack schüttelte den Kopf und mit einem sanften Griff an ihrem Kinn zwang er sie zärtlich, ihn anzuschauen. „Ich trage immer die Verantwortung. Gerade du solltest das eigentlich wissen.“

Sam atmete daraufhin ergebend aus. Er roch nach Seife und Aftershave, welches ihr so sehr vertraut war. „Es hat Sie nie irgendjemand von uns für einen Schicksalsschlag verantwortlich gemacht, Sir.“ Sie sah ihm kurz in seine dunklen Augen. Er machte sich selbst verantwortlich, das war schlimmer. „Daniel wird Ihnen das nie verzeihen, wenn Sie so denken“, wisperte sie, bis ihr schließlich nur noch übrig blieb, die Augen zu schließen. „Warum zum Teufel war er eigentlich wieder dort, Sir?“ Diese Frage quälte sie die letzten Stunden ununterbrochen.

„Daniel hatte Hammond überzeugt, dass die Fragmente wertvoll sind und es eine Tragödie wäre, sie zurück lassen zu müssen. Je mehr er übersetzt hatte, desto euphorischer wurde er. Er war nicht zu bremsen. Irgendwann stand er wieder selbst auf diesem beschissenen Planeten. Mit einem Kollegen zusammen wollte er die weitere Planung der Bergung besprechen. Genau dann passierte es.“ Jack schloss bei der Erinnerung seine Augen. „Ich hatte angenommen, dass du erst später von den Ereignissen hören würdest“, meinte er plötzlich ziemlich leise und bewegte seinen Daumen rhythmisch auf ihrem Handrücken. „Ich hätte es dir lieber selbst erzählt.“ Sein Griff um sie herum festigte sich.

Sam musste Raum zwischen sich und ihm schaffen. Was sie hier taten, war eigentlich schon nicht mehr grenzwertig, sondern verboten. Sam setzte sich schließlich durch und stand auf. „General Hammond war in Washington, um mit mir über die neuen SG-Teams zu sprechen. Richard war mein Flügelmann im Golfkrieg gewesen und hatte gehört, dass ich unter ihm diene. Er wollte ihn kennen lernen, obwohl er nichts vom Stargate-Kommando weiß. Ich saß also heute Abend direkt an der Quelle der Informationen.“ Sam wischte sich schnell über das Gesicht, als sie auf der Couch Platz nahm. „Am liebsten wäre ich selber geflogen, um so schnell wie möglich nach Colorado Springs zu kommen. General Hammond hätte mich vielleicht danach nie wieder in die Luft gelassen.“ Sam lächelte leicht bei dem Gedanken. „Zum Glück hat Richard die Nerven behalten.“

Jack hatte sich in der Zwischenzeit ebenfalls erhoben und sich neben sie gesetzt. Wortlos hatte er seinen linken Arm um ihre Schultern gelegt und sie sanft zu sich gezogen. Sam ließ sich treiben und rückte mit ihrem Po näher an ihn heran. Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust, als sie erschöpft die Augen schloss. Beide sprachen sie kein weiteres Wort an diesem Abend.

Die ersten Sonnenstrahlen begannen langsam, seine bodenlangen Fenster zu erreichen und erhellten zaghaft den Raum. Jack war bereits eine Weile wach und beobachtete zufrieden, wie Sam schlafend ihren Kopf auf seinem linken Oberschenkel bettete. Sie lag mit angezogenen Beinen seitlich auf seiner Couch und ihre linke Hand griff schützend um sein Knie. Er hatte seinen linken Arm ausgestreckt auf ihrer Hüfte und streichelte rhythmisch die nackte Hautpartie, die zwischen der tief sitzenden Hose und ihrem Oberteil aufblitzte. Jack sah auf die Uhr und war erleichtert, dass es gerade erst sechs Uhr durch war. Also legte er seinen Kopf wieder zurück und ertrank seine Selbstvorwürfe in ihrer wohltuenden Wärme an seiner Seite.

Sam genoss seine streichelnden Berührungen und die kurzen Momente, in denen er seinen Fingern gestattete, den Bereich weiter vorn mit ein zu beziehen. Vorsichtig begann auch sie, ihre Hand massierend um sein Knie zu bewegen. Sam hatte bereits gestern an seinem Gang gesehen, dass er wieder Schmerzen haben musste und so hoffte sie, ein wenig Ablenkung schaffen zu können.

Überrascht hob er seinen Kopf und sah zu ihr hinab. Sie schlief nicht mehr und begann, sich langsam zu bewegen. Sie positionierte ihre Beine neu und streichelte nach dem Knie den Bereich seines Oberschenkels, der nicht von ihrem Kopf bedeckt war. Sie drückte sich näher an seinen Körper und seufzte leise.

Sie waren beide wach, wussten es von einander und genossen stillschweigend die Berührungen. In diesem Augenblick schien sich die Welt nicht mehr zu drehen und sein Haus war die Zufluchtsstätte sämtlicher Galaxien geworden, die sie immer gesucht hatten. Hier gab es keine Regeln.

Das schrille Geräusch seines Telefons auf der Kommode zu ihren Füßen ließ Sam hochfahren. Sie stützte sich mit ihrem Unterarm ab, während sie ihre Beine immer noch auf der Couch hatte.

Jack sah entschuldigend zu ihr hinüber, streckte sich tief über Ihren Schoß hinweg und griff dann nach dem Telefon auf der anderen Seite. „O’Neill“, meldete er sich knapp und schnell. „Ich verstehe, vielen Dank“, meinte er nach ein paar wenigen Sekunden des schweigenden Zuhörens und schaute zu Sam hinüber. „Danke, Sir. Ich werde Colonel Carter informieren.“

„Und“, drängte sie, als Jack aufgelegt hatte.

„General Hammond hat heute Morgen erfahren, dass Daniel noch einmal später nach der Operation auf der Intensivstation wiederbelebt werden musste. Er hat sehr starke innere Verletzungen.“ Jack schluckte hart. „Sie haben stundenlang nach der Blutungsquelle gesucht.“

„Oh Gott“, flüsterte Sam entkräftet.

Jack sah zu den Bäumen in seinem Garten hinaus, bevor er weiter sprach. „Sie wollen ihn in Washington noch einmal operieren.“ Jack brach ab.

„Warum“, fragte sie vorsichtig alarmiert und schob dabei ihre Beine von der Couch.

„Die haben bis jetzt nichts finden können“, beendete er nun und sah sie wieder unverwandt an. „Sie sind dabei, bereits die Verlegung zu organisieren. Sie wollen keine Zeit verschwenden. Es könnte durchaus sein, dass … dass …“ Jack brach erneut ab.

Sam schloss die Augen und schüttelte ihren Kopf. „Das kann nicht sein“, meinte sie schließlich, als sie ihn verstand und griff nach einem Kissen, das sofort hart an seinen Fenstern und dann auf dem Boden landete.

„Er könnte sterben, wenn sie die Blutung nicht bald in den Griff bekommen.“ Nun sprach Jack es aus, was Sam bereits in seinen Augen gelesen hatte. „Es ist ein Kampf auf Zeit und in Washington haben die einen Spezialisten.“

Sam schwieg und drehte ihren Kopf mit einem ernsten Blick zu ihm hinüber. „Und warum ist der nicht seit gestern Abend hier“, fragte sie wütend.

Jack senkte die Lider und stand schließlich von der Couch auf. Er schaffte es im Moment nicht, so dicht neben ihr sitzen zu bleiben. Er hatte keine Antwort auf ihre Frage.

„Wir sollten die Tok’ra oder besser vielleicht Thor verständigen“, schlug sie nun hektisch vor.

Jack schüttelte trivial seinen Kopf. „Du weißt, dass wir bereits seit einiger Zeit keinen Kontakt zu Thor haben. Das hat sich auch in den letzten Wochen nicht geändert. Hammond arbeitet indes an einer Möglichkeit, mit Jonas in Verbindung zu treten.“

Sam rieb sich mit dem Zeige- und Mittelfinger über die Stirn. „Langsam frage ich mich, General, ob ich den jungen Offizieren in Washington überhaupt die Wahrheit gesagt habe.“

Jack drehte sich sprachlos zu ihr um.

„Ich meine“, begann sie sich zu erklären, „ich bezweifle, dass sie nach meiner Einweisung wissen, was auf sie zukommt.“

„Haben wir es denn je gewusst?“ Jack legte das Telefon aus der Hand und rieb sich die Augen. „Trauen Sie es Ihnen zu, Carter“, fragte er nach einer Weile.

Sam nickte bedächtig, ohne ihn anzusehen. „Ja! Und ich bin diejenige, die den Weg in die Hölle erklärt.“

Jack hob das Kissen auf, welches sie quer durch den Raum geschleudert hatte.

„Tut mir Leid.“ Mit einem schuldbewussten Blick sah sie auf das Kissen in seinen Händen.

„Schon gut“, meinte er und stützte sich an seinem Sessel ab. „Ich könnte uns Kaffee machen“, schlug er zweifelnd vor. Er befürchtete, dass diese Nacht eine Ausnahme bleiben sollte. Sie würde nicht bleiben wollen.

Sam stand auf und schüttelte den Kopf. Sie kämpfte mit ihren Tränen.

Jack umrundete in drei Schritten seinen Sessel und nahm sie sanft in die Arme.

Zuerst sträubte sie sich ein wenig, ließ es dann aber bereitwillig geschehen. „Ich frage mich die ganze Zeit, was wäre, wenn du dort liegen würdest, wenn du mit dem Tod kämpfen würdest. Ich denke nicht, dass ich … dass ich …“, schluchzte sie leise und brach letztendlich ab.

„Sam, ich bin hier und Daniel wird es schaffen. Vertrau ihm!“ Jack drückte sie näher an sich.

Sie nickte an seinem Ohr und wollte sich seiner Berührung schon wieder entziehen, als er weiter sprach: „Glaub mir, Daniel wird es schaffen.“

Sam nickte erneut. „Ich hoffe es!“

Jack hielt ihren Kopf zwischen seinen Händen und fixierte fest ihre blauen Augen. „Er hat gar keine andere Wahl. Was sollten wir sonst ohne ihn tun?“

Sam musste schlucken. Sie empfing seine Wärme, die ihren Körper sofort entspannen ließ. Als sie sah, wie er ihrem Gesicht näher kam, öffnete sie leicht ihren Mund. Sie konnte seinen warmen Atem bereits spüren, der sich wie ein Schleier auf ihre Haut legte. Ihr Becken presste sie stärker an ihn. Leicht hob sie den Kopf und verringerte den letzten kleinen Abstand zwischen sich und ihm.

Wenige Millimeter vor ihren Lippen hielt er inne und realisierte, was sie hier taten. Er spürte ihren Körper. Auch er hatte seinen Mund leicht geöffnet und genoss, wie sich ihr Atem mit dem seinen vermischte. Sanft trafen schließlich seine Lippen auf ihre und für einen kleinen Moment stahl sich ein Lächeln in sein Gesicht.

Jack erwiderte den Kuss und war erleichtert, nicht zurückgestoßen zu werden. Sie löste in ihm Gefühle aus, die ihn zu überrumpeln drohten, ihm die Sinne raubten. Zaghaft streichelte er ihre Lippe mit seiner Zunge, erbat Einlass. Seine Hand vergrub er ihn ihrem Haar, übte leichten Druck auf ihren Hinterkopf aus, um ihr zu zeigen, dass er sie nie mehr gehen lassen wollte.

Sam ließ ein leichtes Stöhnen in seiner Kehle ersticken. Die Gänsehaut auf ihrem Körper war die Bestätigung ihrer Gefühle, die er in dem Moment, als er mit seiner Zunge eindrang, in ihr zum Explodieren brachte. Bedacht steigerte sie das Tempo, als Jacks Hände zu ihrer Hüfte hinunter glitten und unter dem dünnen Stoff ihres Oberteils verschwanden. Ihre Hand massierte seinen Nacken und griff anschließend die Wange hinauf in sein Haar. Sinnlich fuhren die Finger der anderen Hand Konturen auf seinem Rücken nach und pressten ihn stärker und näher an sich heran.

Seine Finger umrundeten derweil ihre Taille und trafen sich kitzelnd auf ihrem Bauch. Automatisch zog sie ihn ein und schaffte Raum zwischen sich und ihm. Jack musste lächeln. Mit einem bestimmten, aber leichten Druck hatte er sie wieder an sich herangezogen und glitt nun mit dem linken Zeigefinger unter den Gummizug ihrer Pyjamahose.

Plötzlich und ohne Vorwarnung entzog sie sich ihm und presste ihre Stirn an seine.

Jack war von dem eben Geschehenen überwältigt, um direkt zu reagieren. Sie ließ ihn und seine Gefühle schlagartig nackt in der Dunkelheit zurück und darauf musste er sich erst einstellen. Langsam öffnete er seine Augen und suchte fragend und vor allem entschuldigend, da er annahm, eine Grenze überschritten zu haben, nach ihrem Blick.

Traurig sah sie ihn an: „Was tätest du dir an, wenn ich dich nur ließe!“ Sam ging einige Schritte rückwärts und setzte sich wieder auf die Couch. Den Kopf stützte sie mit ihren Handflächen ab.

~~~~~

„Es … tut mir … Leid. Ich wollte nicht …“ Jack hatte seine Hände in die Hüfte gestemmt und den Kopf gesenkt. Er hatte sich keinen Millimeter bewegt. „Sam, hör zu …“

„Entschuldige dich nicht“, bat sie leise und schwieg wieder. „Vielleicht … ist es besser, wenn ich jetzt gehe!“ Sam drückte sich schnell auf und lief die kleinen Stufen aus seinem Wohnzimmer nach oben.

„Selbst wenn du jetzt wieder nach Washington fliest, werden wir uns lieben, Sam.“ Jack sah ihr nach und streckte den Arm in die Himmelsrichtung ihrer Zufluchtsstätte.

Sam rührte sich nicht. Sie hielt in ihrer Bewegung inne und spürte seinen Worten nach. Zum ersten Mal hatte er all die heimlichen Blicke, die sanften kleinen Berührungen der letzten Jahre und die verdrängten und unterdrückten Gefühle in ein Wort verpackt. Liebe. Die Sanftheit und Ehrlichkeit in seiner Stimme bescherte ihr eine Gänsehaut am ganzen Körper. Bevor sie weiter sprechen konnte, schluckte sie und drehte sich ganz langsam zu ihm um. „Du hast Recht.“ Es klang traurig. „Aber genau deshalb werde ich auch wieder zurück fliegen. Wir können uns nicht schaden, wenn ich in Washington bin.“

„Dass kann unmöglich das sein, was du willst.“ Jack atmete aus und ließ es geschehen, dass sie zurück in sein Gästezimmer lief.

Dort angekommen, schmiss Sam hektisch alles zusammen, was sie am Vorabend ausgepackt hatte. Als sie ihr schwarzes Kleid vom Sessel nehmen wollte, sah sie ihn im Türrahmen stehen und stoppte. „Jack, ich bitte dich. Mach es uns nicht unerträglich.“ Sam sah auf den Stoff in ihren Händen.

Mit den gleichen homogenen Bewegungen und dem bedächtigen Tempo, wie er ihr durch sein Haus nachgegangen war, kam er nun näher und setzte sich auf die untere Betthälfte. Er schwieg zunächst, sammelte seine Gedanken und sah schließlich von der offenen Reisetasche neben ihm zu ihr hinüber. Sie stand noch immer vor dem Sessel und hatte ihm den Rücken zugedreht. „Ich könnte meinen Rücktritt einreichen“, meinte er ernst und fing ihren verärgerten Blick ein, als sie über ihre Schulter zu ihm sah.

Er machte es ihr unerträglich. „Ich werde das nie von dir verlangen und schon gar nicht werde ich es akzeptieren, wenn du es tun würdest.“ Dies war der absolut blödeste Vorschlag, den es auszusprechen gab.

„Was jetzt?“ Wieder schwieg er und fuhr sich gedankenverloren durch das ungekämmte Haar.

Sam erschrak bei der Hilflosigkeit, die in diesen zwei Wörtern mitschwang. Ihn machtlos zu sehen, war schwer zu ertragen.

„Ich kann und werde es ebenso wenig dulden, wenn du deine militärische Laufbahn weiterhin gegen die Wand fährst. Vor allem wegen mir“, ergänzte er deutlich leiser. „Washington ist nicht der richtige Platz für dich, Sam. Glaubst du, dass du mit dieser Entscheidung, die du getroffen hast, für immer leben kannst?“ Jack griff nach seinem pochenden Knie. „In den letzten Wochen habe ich mich immer gefragt, ob du es vielleicht nicht doch schaffen könntest. Vielleicht hattest du die richtige Wahl getroffen.“

Sam ließ ihr Kleid zurück auf den Sessel sinken. „Ich sage dir, was ich nicht schaffen werde. Ich kann mittlerweile unmöglich so tun, als ob du nur mein Vorgesetzter bist. Ich werde keine vierundzwanzig Stunden an deiner Seite überstehen, wenn wir im Einsatz sind, wenn ich dich nicht berühren darf oder ich nicht weiß, wo du bist oder ob du lebst. Bitte begreif’ doch, dass Washington die einzige Möglichkeit für uns ist, zu überleben.“ Sie sah in seinen Garten hinaus.

Jack schüttelte seinen Kopf und zwang sich, ihren Rücken anzusehen. „Als du gestern im Krankenhaus erschienen bist, wusste ich, dass Washington rein gar nichts bringt. Wir werden nicht aufhören, Gefühle für einander zu haben, nur weil wir nicht zusammen sind. Und was wichtiger ist: Du wirst dich bereits in ein paar Jahren nicht im Spiegel betrachten können, wenn du wegen mir deine Möglichkeiten nicht genutzt hast. Und ich werde es ebenso wenig können, Sam. Siehst du es denn nicht? Du verlangst gerade von mir, dass ich das Ende deiner Karriere akzeptiere, wenn du in Washington bleibst.“

„Das ist nicht das Ende meiner Karriere. Jack, wir waren damals nach Anise damit einverstanden, das zu akzeptieren, was wir bekommen konnten und das war nun einmal nur unsere gemeinsame Zeit, während wir im Einsatz waren. Für eine Weile schien das auch völlig genug zu sein. Wir waren uns einig, dass, wenn das Schlimmste eintreten sollte, wir wenigstens zusammen sein konnten. Verstehst du nicht, dass ich das mittlerweile nicht mehr ertragen kann?“ Sam schluckte kräftig gegen die Tränen an. Sie wollte nicht, dass er sie weinen sah. „Washington ist meine einzige Chance. Und seit gestern Abend weiß ich, dass ich mit der Entscheidung zu gehen, akzeptiert habe, ewig in Angst um dich leben zu müssen. Aber weißt du was? Ich habe einfach nicht die Kraft für mehr und schon gar nicht kann ich dabei sein. Meine Angst ist so groß und hindert mich, auch nur einen Schritt geradeaus zu laufen. Wenn wir dort draußen sind, sind wir es allen anderen schuldig, dass wir uns auf die Sache an sich konzentrieren können.“

Jack sah Sam unverwandt an. Er verstand sie, wusste aber nicht, was er darauf erwidern sollte. Schließlich sagte er: „Ich liebe dich.“

Sam seufzte leise und setzte sich neben ihn auf das Gästebett. Sie nickte. „Und wann war Liebe jemals genug, hm?“ Sie schloss die Augen und startete einen weiteren Versuch, ihre Tränen aufzuhalten. „Du darfst mich nicht so lieben. Ich darf dich nicht so lieben. Lass mich meinen Weg gehen, Jack. Wir sind vor neun Jahren angetreten und mittlerweile haben wir das Recht verwirkt, nur an uns denken. Du hast ein Recht darauf, glücklich zu werden – nach allem, was passiert ist.“ Sie war überrascht, wie überzeugend sie klang.

Jacks Hand fuhr zu ihrem Gesicht. „Nicht“, flüsterte er erstickt. „Tu das nicht, Sam. Ich werde zurücktreten. Es wäre dann alles so einfach.“ Sein Daumen strich über ihre Unterlippe.

Sam schüttelte den Kopf. „Nein, das wäre es nicht. Irgendwann würdest du mich für diese Entscheidung nicht mehr ansehen können. Und jetzt sag bitte nicht, dass das nie passieren würde. Du bist ein ehrenhafter Mann, Jack und niemand kann das, was du kannst.“ Sam sammelte sich ein wenig. „Und vor allem: Du hast ein Recht darauf, endlich dein Glück zu finden“, wiederholte sie starr. „Und weiß Gott, ich bin nicht diejenige, die … die.“ Sam verlor den Faden und stand daher schnell auf.

„Lass mich das entscheiden“, bat er übermütig, als auch er sich erhob und hinter ihr zum Stehen kam. Er streckte die Hand nach ihr aus.

„Du weißt ja nicht, wovon du redest.“ Sam lachte dunkel auf und entzog sich seiner Berührung.

„Dann rede mit mir. Herrgott noch mal.“ Langsam spürte er, wie vielschichtige Wut aufkam und pure Angst und reine Verzweiflung sich verabschiedeten.

Sam schüttelte ihren Kopf. „Lass mich jetzt bitte allein. Ich will noch einmal zu Daniel ins Krankenhaus.“

„Sam, du kannst nicht einfach gehen. Nicht nach alledem. Nicht jetzt“, flehte er. Seine ganze Welt stand auf dem Kopf und er brauchte sie an seiner Seite.

„Gerade deswegen.“ Sam hatte sich zu ihm gedreht und legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen. „Lass mich gehen, Jack. Lass mich einfach nur los“, wisperte sie und hielt nun ihre Tränen nicht mehr zurück.

Jack schluckte schwer gegen das Gefühl an, was in seinem Hals brannte. Er hatte den Eindruck, zu fallen, die Ewigkeit tat sich unter ihm auf und die Dunkelheit um ihn herum zog ihn immer tiefer. Er hatte schon oft überlebt, in dem er seine Empfindungen aus der Sache raus hielt, sie einfach in sich isolierte und sie ganz weit hinten in seinem Herzen einschloss. Sam hatte ihm einen klaren Schlag verpasst und er würde zu Boden gehen; hier vor ihr. Die letzten Fetzen seines Selbstbewusstseins ergriff er gerade noch im richtigen Moment und hielt sie verzweifelt zusammen. Er war dran und drauf, die Kontrolle zu verlieren; hier vor ihr. Das Gefühl, dass es falsch war, was sie hier taten, nagte unerlässlich an ihm. Und doch war er wie betäubt, nicht fähig zu handeln. Sie beendete hier etwas, an was er sich langsam über Jahre hinweg herangetastet hatte. Wozu er eigentlich nie wieder bereit sein wollte. Einzig allein ihr Lächeln war der Schlüssel dazu und sie war nicht mehr bereit dazu, es ihm zu überlassen. Schon wieder. Jetzt sah Jack plötzlich ein, dass sie wohl genau deswegen ihn übergangen und sich gleich mit Hammond abgesprochen hatte.

Jack sah ihr noch immer tief in die leeren Augen und hoffte, irgendetwas darin zu erkennen - Wahrheit, Lüge, Schmerz, Liebe. Sam allerdings war nicht bereit, ihm hier und jetzt irgendetwas zu geben und drehte den Kopf weg. Rigoros wirbelte er um und verließ wortlos das Zimmer.

Sam wollte noch etwas sagen, überlegte es sich dann doch anders. Auch wenn sie nur eine Silbe über die Lippen bekommen hätte, hätte er sie nicht gehört.

Er wollte nicht rennen, wollte sich das bisschen Würde behalten und doch musste er sich kontrollieren, seine Schritte gleichmäßig auf dem kalten Boden zu setzen. Als er den Türknauf in seiner Hand spürte, riss er sie fast aus den Angeln und schleuderte sie in einer ruckartigen Bewegung hinter sich zu. Zum Glück war sie nicht unweigerlich wieder aufgesprungen, denn als Jack auf der anderen Seite ankam, stemmte er seinen Rücken gegen die Wand und rutschte augenblicklich an ihr herunter. Mit der flachen Hand fuhr er sich selbst mehrfach angespannt über das Gesicht und versuchte, sich aus dem Strudel zu befreien, der ihn immer tiefer mit sich riss.

Die einzige glasklare Wahrheit, die er ungehindert erkannte, war ihr leises Schluchzen in seinem Gästezimmer.

~~~~~

Sam lief im Stargate-Center wie ein Bär auf wunden Pfoten zum Büro General Hammonds. Sam wusste, dass die Besprechung zwischen Jack und General Hammond vor einer dreiviertel Stunde begann und sie selbst hatte den Complex erst vor zehn Minuten betreten. Sie wollte ihm nicht begegnen. Doch ihre Angst war unbegründet. Jack war bereits wieder weg.

„Kommen Sie rein, Colonel!“ General Hammond stand neben seinem Schreibtisch und legte eine Akte zur Seite. Kurz hintereinander musste er mehrfach blinzen, als er sie sah. Er hatte sie noch nie so müde und traurig erlebt. Sie sah genauso aus, wie Jack, der vor dreißig Minuten sein Büro fluchtartig verlassen hatte.

„Bitte entschuldigen Sie mein Erscheinungsbild, Sir.“ Sam sah an sich hinunter. „Ich hatte mir eigentlich mein dienstfreies Wochenende mit meinen Freunden in Washington anders vorgestellt.“ Sam trug mangels Auswahlmöglichkeiten in ihrer Reisetasche lediglich eine blaue Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover.

„Schon gut. Ich habe leider nicht allzu viel Zeit. Ein Treffen mit meinem Vorgesetzten, der von mir über den gestrigen Zwischenfall informiert werde möchte, wurde vorverlegt.“ General Hammond bedeutete ihr, sich zu setzen. „Genauer gesagt, muss ich in zehn Minuten los.“ Er sah auf seine Uhr. „Nun, was halten Sie von den neuen Anwärtern?“

Sam faltete ihre Hände im Schoß. „Sie sind alle uneingeschränkt zu empfehlen und obwohl ich denke, dass ein paar von ihnen ziemlich übermütig die Dinge angehen werden, hoffe ich, dass gerade diese Eigenschaft sich als positiv herausstellen wird und dadurch schwierige Situationen zu unserem Vorteilt gemeistert werden, Sir.“

„Ich verstehe, jugendliches Temperament also“, konstituierte General Hammond, der in der Zwischenzeit hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. „Man hat mir vor allem Judith Simmons ans Herz gelegt. Was halten Sie von ihr?“

Sam überlegte kurz. „Ich denke, sie wird sich fabelhaft eingliedern können. Sie hat einen wachen Verstand und kann sich optimal auf unbequeme Zustände einstellen. Sie erinnert mich ein wenig an mich selbst.“

General Hammond lächelte in Anbetracht dieser Feststellung. „Sehr schön. Wie lange wird die Ausbildung aller noch dauern?“ Er beugte sich vor und stützte sich interessiert mit den Unterarmen auf seinem Schreibtisch ab.

„Ich werde die geplanten acht Tage für die theoretische Unterweisung noch benötigen, Sir.“ Sam schlug ihre Beine übereinander.

„Sam“, begann George Hammond eine Spur väterlicher. „Als Sie mich damals baten, einen Teil der Ausbildung der neuen Teams zu übernehmen, habe ich zugestimmt, weil ich ahnte, dass das für Sie das Richtige sein könnte, um den Kopf frei zu bekommen, um ein wenig abzuschalten. Sie wollten dafür Ihren Urlaub unterbrechen und ich hatte nichts dagegen. Sie müssen sich ganz sicher sein, wie Sie Ihre Zukunft gestalten möchten und ich möchte, dass Sie wissen, dass, wenn Sie in Washington bleiben sollten, ich Ihre Entscheidung akzeptieren werde. Das heißt nicht, dass ich Sie begrüße. Alles, was ich beitragen kann, damit Sie Ihre Mitte finden, werde ich tun.“ Er schaute eindringlich über den Rand seiner Brillengläser hinweg. „Ich habe es Ihrem Vater versprochen.“

„General, ich danke Ihnen vielmals. Das bedeutet mir sehr viel. So wie es jetzt aussieht, werde ich zunächst die Ausbildung beenden, damit Colonel Marten sie ordentlich durchs Feld jagen kann. Und ich danke Ihnen für den Spielraum, den Sie mir lassen. Ich versichere Ihnen, dass ich nach dem Ende meines Urlaubes, Ihnen meine Entscheidung mitteilen kann.“

General Hammond nickte und entschied sich in dieser Sekunde, Sam folgendes zu sagen: „SG-1 ist ebenso unerlässlich für das Programm, wie jeder einzelne von Ihnen selbst. Ich denke, dass ich die ganze Situation nicht vollkommen verstehe und wenn ich meinem Instinkt Glauben schenken kann, bin ich froh, dass ich nicht alles weiß. Ich hoffe für Sie und nicht zuletzt für uns, dass Sie und General O’Neill bald wieder wissen, was Sie wollen. Wenn Sie beide nicht zurückkehren sollten, werden wir einige Probleme haben“, nachdenklich nickte er zu seiner Tischplatte.

„General?“ Sam sah erstaunt zu ihrem Vorgesetzten. „Was hat General O’Neill damit zu tun?“

George Hammond öffnete stumm eine Schublade und holte einen großen Umschlag aus dem Schreibtisch. Mit ernstem Blick überreichte er ihr den Brief.

Sam las schnell und schloss für einen Moment die Augen. Das konnte er nicht machen. „Haben Sie …“, fragte sie leise.

General Hammond erlaubte ihr, die Frage nicht zu beenden. „Nein“, antwortete er ruhig. „Aber er weiß genauso gut wie ich, dass es Möglichkeiten gibt, auch wenn ich nicht einverstanden bin.“ Er hatte sich in seinen Stuhl zurückgelehnt und studierte aufmerksam die junge Frau vor sich.

Sam legte leicht zitternd Jacks Versetzungsgesuch auf dem Tisch ab und mied den Augenkontakt mit dem Freund ihres Vaters. „Sir, lassen Sie bitte nicht zu, dass er sich selbst das hier nimmt. Seine Arbeit bedeutet ihm viel.“ Sie schluckte.

„Das weiß ich, Colonel, und genau deswegen habe ich Ihnen davon erzählt. Momentan sehe ich nichts, was ein Ersatz dafür wäre.“

~~~~~

Daniel war an so vielen Maschinen im Krankenhaus in Colorado Springs angeschlossen gewesen, dass sie sie nicht alle zählen konnte. Überall an seinem Körper hingen Schläuche und das monotone Piepen der Geräte übertönte für einen Moment alles um sie herum. Sam hatte den kraftlosen Körper Daniels taxiert, dessen Brustkorb sich dank des Beatmungsgerätes regelmäßig hob und sank. Sie festigte für einen Moment den Griff um das Bettgestell, als sie ihren Blick über seinen Körper gleiten ließ. Seine Augen waren komplett zugeschwollen und von tiefen blauen Rändern umgeben. Sein rechter Arm wurde bis zur Schulter eingegipst und auf seiner Stirn befanden sich mehr Platzwunden, als sie zählen wollte.

Der Mann, der dort im Bett lag, war der, mit dem sie die letzten neun Jahre verbracht hatte und doch sah er ihm überhaupt nicht ähnlich. Daniel wirkte so hilflos, dass Sam für einen Moment dachte, ihr Herz hätte aufgehört zu schlagen. Er hatte soviel Mut bewiesen und sich einem Kampf gestellt, der zunächst sein ganz persönlicher war und der dann für eine gewisse Zeit höheren Idealen weichen musste. Er war zu ihnen zurückgekehrt und das sollte nun sein Schicksal sein?

„Sha're, wo auch immer du bist, steh ihm um Himmelswillen bei“, flüsterte Sam in ihr Kopfkissen. Es war Montagfrüh. Sie lag noch immer in ihrem Bett, obwohl sie bereits vor dem Klingeln des Weckers, der inzwischen seinen Job erfüllt hatte, wach war. Sie sorgte sich um Daniel und sie sorgte sich um Jack.

Sie hatte ihn gestern auf dem Flur im Krankenhaus gesehen, wie er zum Ausgang des Gebäudes schlich. Er hatte sie nicht bemerkt und Sam war dafür dankbar gewesen. Sie hätte nicht gewusst, wie sie auf ihn oder er auf sie reagiert hätte. Sam hatte Jack zwar nur von hinten wahrgenommen, aber das reichte. Sie wusste, dass er sich verantwortlich fühlte für das, was mit Daniel passiert war. Er trug soviel Schuld auf seinen Schultern, dass er davon fast zu Boden gedrückt wurde.

Draußen regnete es und heulend fauchte der Wind auf. Der Tag konnte nicht besser werden. Sam verließ ihre Wohnung fünfzehn Minuten nach dem sie aufgestanden war und ohne gefrühstückt zu haben.

„Colonel?“ Anderson hob seine Hand mit dem Bleistift darin.

Sam nickte und bedeute ihm, seine Frage zu stellen.

„Wie viele Chevron’s gibt es?“

„Sieben“, war ihre schlichte und kurze Antwort. Sam beobachtete ihn weiterhin, wie er seine Notizen vervollständigte. „Nachdem alle notwendigen Chevrons aktiviert wurden, bildet sich der Vortex. Er ist der instabile Wirbel eines sich bildenden Wurmlochs. Sie sollten sich, wenn das geschieht, nicht in der Nähe befinden.“ Sam stützte sich von der Schreibtischplatte ab und lief zum Projektor hinüber. Erinnerungen an Lieutenant Williams kamen langsam hoch gekrochen.

„Colonel, was passiert, wenn man doch zu nah dran sein sollte?“ Maloney erwartete gespannt eine Antwort.

„Nun“, Sam sah zu ihm hinüber, „der Wirbel besteht aus Plasma und verdampft alles, was er berührt. Sie sollten definitiv nicht zu nah dran sein.“

„Verstehe.“ Maloney brauchte nicht seine ganze Vorstellungskraft, um zu erahnen, was Sam meinte.

„So, und hier hätten wir auch ein Bild davon.“ Sam zog eine Folie auf den Projektor.

Judith Simmons richtete sich in ihrem Stuhl etwas auf. „Colonel, haben Sie vielleicht auch ein Bild vom Ereignishorizont. Ich würde ihn zu gern einmal sehen.“ Vor Neugier angespannt, bearbeite Judith ihre Finger.

Sam schmunzelte in sich hinein und tauschte die Folien wortlos in ihrer Hand und auf dem Projektor aus.

„Hübsch“, meinte nun Anderson und blickte automatisch zu Judith, die sich von seiner Bemerkung verleitet sofort umdrehte und ihn grimmig taxierte. Er liebte es, sie ein wenig zu necken.

„Anderson, wenn Sie je einmal in Ihrem Leben davor stehen sollten, werden Sie wissen, was Simmons so begeistert.“ Sam schob eine weitere Folie des Ereignishorizonts auf den Projektor. „Sobald die Verbindung besteht, können Sie reisen. Allerdings kann Materie nur in eine Richtung transportiert werden, vom Anwahl- zum Empfangstor. Funkwellen zum Beispiel können auch in die entgegengesetzte Richtung passieren. So haben Sie jederzeit die Möglichkeit, mit dem Stargate-Center Kontakt aufzunehmen.“ Sam richtete ihre Augen wieder auf ihre Zuhörer und sah, wie sie sich angestrengt alle Notizen anfertigten.

Das Öffnen der oberen Konferenztür forderte schlagartig ihre Aufmerksamkeit. Irritiert nahm sie wahr, wie die Tür Millimeter für Millimeter geöffnet wurde, um bloß keinen Laut von sich zu geben. Als Jack auf Zehenspitzen hindurch schritt, blieb ihr fast das Herz stehen. In dem Moment war er nur für sie sichtbar und Jack nutzte diesen, um ungehindert zu ihr sehen zu können. Er hob seine Hand und gab ihr sogleich zu verstehen, dass sie nicht reagieren sollte. Stumm blieb er direkt hinter der Tür stehen und besah sich nun die Mitglieder der neuen SG-Teams. Jack trug seine Uniform und zollte somit der Umgebung entsprechenden Respekt. Sam versuchte sich zu erinnern, wann sie ihn das letzte Mal mit allen Ordnen und Auszeichnungen vor sich gesehen hatte. Sie brauchte nicht lange, um sich an Janets Beerdigung zu erinnern.

„Ma’am, wie lange bleibt die Verbindung bestehen?“

„Mein Gott, wir werden nie vorankommen.“ Jack beobachte, wie Lieutenant Simmons während sie sprach, genervt ihren Stift zur Seite legte und sich zu Anderson umdrehte. „Colonel Carter hat das vor circa zehn Minuten ...“ In diesem Moment erkannte sie Jack und sprang sofort salutierend auf. Ein paar Blätter Papier schwebten von ihrem Tisch zu Boden.

Sam ahnte bereits, was als nächstes geschehen würde und so lief sie derweil zu ihrem Schreibtisch zurück, um den Projektor auszuschalten.

Alle anderen in dem Raum sahen zuerst skeptisch zu Simmons und dann zurück auf den Punkt, den sie hinter ihnen fest anstarrte. Fast erhoben sich alle zeitgleich und salutierten ebenfalls, als sie den General im Raum erkannten.

Jack, der mit der Synchronität der ausgeführten Salute nicht im Entferntesten gerechnete hatte, schritt die Treppe hinunter und schaute nun direkt in die Gesichter der jungen Offiziere. ‚Gott, sie sind zu jung.’

„Stehen Sie bequem“, sprach er unten angekommen.

„Colonel“, Jack lief auf Sam zu.

„General, ich bin überrascht, Sie zu sehen.“ Sam war ebenfalls die Steifheit in Person. Alle Augen waren nun auf sie gerichtet, während Jack den Anwesenden den Rücken zugedreht hatte.

‚Und das war noch nicht einmal gelogen’, dachte er.

Sam ahnte bereits, dass er sich unwohl gefühlt haben musste, als die Offiziere ihn begrüßten. Jetzt allerdings konnte sie in seinen Augen sehen, wie schrecklich er litt, als sie direkt vor ihm salutierte oder besser gesagt salutieren musste. Sam zog die Augenbrauen fragend zusammen. Warum war er hier? Daniel wurde heute Morgen verlegt. War etwas passiert?

„Colonel, ich hatte nicht vor, Sie zu stören. Wann sind Sie fertig?“ Jack hatte seine Hände auf dem Rücken gefaltet und drehte sich für einen kleinen Moment der Gruppe zu.

Er klang so fremd. Aus jeder einzelnen Pore spie seine Wut, die Verzweiflung und die Schuld. „Nun, eigentlich machen wir bereits seit ein paar Minuten länger als geplant, Sir.“ Sam blickte auf ihre Unterlagen zurück.

Anderson und Maloney sahen verwundert parallel auf ihre Uhren. Und Simmons, die ihre Aufzeichnungen aufhob und sortierte, lächelte triumphierend.

„Also“, Jack setzte sich in die erste Reihe. Der junge Offizier neben ihm wäre beinahe von seinem Stuhl gerutscht. Irritiert sah Jack von ihm zu Sam hinüber. „Beenden Sie den Unterricht nach Ihren Vorstellungen, Colonel.“

„Danke, Sir.“ In Ordnung, er hatte sich gesetzt, also konnte nichts Dringendes sein, sein Auftauchen hier konnte nichts mit Daniels Zustand zutun haben. Nur, warum war er hier in diesem Raum? Sam setzte sich ebenfalls und sah in die Gesichter der jungen Leute vor ihr. „Ist die offene Fragerunde noch gewünscht?“

„Colonel, wurden Sie eigentlich oft von einer Zat-Waffe getroffen?“ Lieutenant Roberts antwortete ihr auf eine ungewöhnliche Art und Weise. Sie hatte plötzlich ein ungutes Gefühl.

Sie wusste allerdings ganz genau, dass gerade diese zehn Minuten, die für die offene Fragerunde zur Verfügung standen, für alle ihrer Schüler das Interessanteste am Unterricht war. Sie konnten Fragen stellen, die ihnen auf dem Herzen lagen und meistens bezogen sie sich auf einen direkten Einsatz. Sam versuchte so gut es ging und vor allem wahrheitsgemäß zu antworten. Sie legte viel Wert darauf, dass die jungen Offiziere den Unterricht mitbestimmen konnten und es gab definitiv nichts zu beschönigen. Sie sollten wissen, was dort draußen auf sie zukommen könnte. „Nun, dass kommt natürlich darauf an, wie Sie ‚oft’ definieren. Aber Sie sollten sicher sein, dass Sie Bekanntschaft mit dem Ding machen werden. Vielleicht öfter als Ihnen lieb ist.“

„Und der zweite Schuss ist tödlich?“ Lieutenant Roberts wollte es nun einmal genau wissen.

Für einen kleinen Augenblick sah sie zu Jack hinüber. „Das hängt von dem Abstand zum ersten Treffer ab. Aber ja, ein zweiter Schuss verläuft in der Regel tödlich.“

Jack schloss für einen Moment die Augen und lehnte sich zurück. Er erinnerte sich, wie Sam bewusstlos zu Boden ging, nachdem er den ersten und den zweiten Schuss auf sie abgefeuert hatte.

„Colonel, ich wollte Sie noch einmal etwas Persönliches fragen. Ich meine, als Frau.“ Lieutenant Simmons senkte ihren Blick. Sie war sich nicht ganz sicher gewesen, die Frage vor allen, meist männlichen Anwesenden zu stellen.

„Schießen Sie los, Simmons. So schlimm wird’s schon nicht werden.“ Sam erhob sich von ihrem Stuhl und ging zu ihr hinüber.

„Ähm … Colonel, als Frau … auf einem fremden Planeten … ich meine, die verschiedenen Kulturen haben doch bestimmt auch …“

„Ich verstehe Sie“, half Sam. „Ja, es gibt durchaus Völker, die mit einer Frau ein Problem haben. Ich kann Ihnen nur raten, sich zunächst anzupassen, scharf die Lage zu beobachten und sich nicht alles gefallen zu lassen. Vertrauen Sie auf Ihr Team. Vertrauen Sie auf Ihren Instinkt.“

„Ist Ihnen … na ja“, Simmons schaute sie nun direkt an. „Ist Ihnen, Colonel, schon einmal einer zu nah gekommen?“

Sam fühlte Jacks neutralen Blick auf sich ruhen und auch die anderen stierten gespannt zu ihr. Und für einen Augenblick dachte sie, sie müsste zu Boden sinken. Bilder längst vergangener Tage kamen ihr ins Gedächtnis. Verschiedene Laute, Schreie anderer Gefangener und vor allem sein Geruch waren so extrem allgegenwärtig, dass Sam gegen die nahende und schützende Ohnmacht ankämpfen musste. Sam ließ sich für eine Antwort Zeit, denn ihre Stimme war verschwunden. Sie war wie damals verschwunden, als sie die Nächte im Irak durchgeschrieen hatte. „Simmons, mit sexueller Belästigung müssen Sie rechnen, aber denken Sie nicht, dass Ihnen auf jedem Planet einer an die Wäsche will. Ich kenne nicht einen Goa’uld , der einen Unterschied machen würde. Ihnen ist es gleich, ob sie eine Frau oder einen Mann vor sich haben.“

„Was ist mit Folter“, wollte Maloney wissen und zog alle Aufmerksamkeit auf sich.

Sam nickte nachdenkend, während sie zu ihm hinüber lief. Ausgerechnet heute mussten diese Fragen gestellt werden. „Kann vorkommen.“ Erinnerungen drohten sie zu überfluten.

„Wurden Sie gefoltert?“ Anderson zuckte teilnahmslos mit seinen Schultern, als er Maloneys strafenden Blick neben sich wahrnahm.

Jack saß am anderen Tischende und Sam blickte direkt zu ihm hinüber. Seine Lippen waren nur noch ein dünner Strich und jegliche Farbe war aus seinem Gesicht verschwunden. „Ja“, antwortete sie Anderson, obwohl sie Jack noch immer ansah. Als er widerstandslos seinen Blick senkte, konzentrierte sie sich wieder auf den Lieutenant. „Ich wurde unter anderem mehrere Tage von einer außerirdischen Lebensform, von Replikatoren, gefangen gehalten und gefoltert.“

„Sie meinen das Maschinenvolk“, fragte Simmons ungläubig nach.

Sam nickte und suchte Jacks Blick, den er ihr immer noch nicht bereit war, zu schenken.

„Wie hält man so was aus“, fragte Lieutenant Miller ehrfürchtig.

Sam befeuchte sich die Lippen mit der Zunge und dachte nach. Die Stille im Konferenzraum war zum Greifen nah und als Jack sich schon halb erhoben hatte, um der Sache ein Ende zu machen, begann sie zu sprechen. Jack setzte sich wieder, als er ihre beschwichtigende Handbewegung in seine Richtung bemerkte.

„Sie können sich nicht vornehmen, Grausamkeiten der Goa’uld oder von wem auch immer, zu überleben. Sicher, letztendlich hat das viel mit Lebenswillen zu tun, aber glauben Sie mir, mit der Zeit wird dieser schwinden. Es wird definitiv auch nicht leichter, wenn Sie mit Qualen rechnen und sich vor einer Mission darauf einstellen wollen. Sie können sich nicht vorstellen, wie es tatsächlich sein wird und auch meine Erinnerungen daran, werden Ihnen nichts nützen. Ich werde Sie auf die Schmerzen nicht vorbereiten und Ihnen auch nicht lehren können, wie Sie sie aushalten. Es kommt darauf an, wer Sie sind und wofür Sie leben. Es kommt darauf an, ob Sie den Tod respektieren und ob Sie den Mut aufbringen, ihm letztendlich auch in die Augen zu sehen. Die Möglichkeit, dass Ihnen Ihr Team einmal nicht helfen kann, liegt immer nahe und damit müssen Sie rechnen. Jede Mission ist eine Gefahr und jede Mission wird Ihnen deutlich machen, wofür es sich zu kämpfen lohnt.“ Sam hatte sich während ihren Ausführungen dem Fenster zugewandt. Sie drehte sich langsam ihren Schülern wieder zu und hielt den angespannten Gesichtern der Offiziere ohne große Anstrengung stand.

„Es gab viele ausweglose Situationen, nehme ich an.“ Maloney hatte die Hände auf dem Tisch gefaltet.

Sam nickte. „Sehr viele.“

„Colonel, eine Frage habe ich noch.“ Anderson balancierte gekonnt seinen Bleistift durch die Finger hin und her.

„Und die wäre?“ Sam verschränkte leicht ihre Arme und wartete. Anscheinend hatten heute die anderen in ihrer Gruppe keine Fragen oder sie waren Anderson und Simmons dankbar, dass diese Fragen endlich gestellt wurden.

„Haben Sie je einmal aufgegeben, einfach losgelassen?“

Sie machte einen Schritt auf ihn zu. „Ja … das habe ich“, antwortete sie mit fester Stimme.

„Und doch sind Sie am Leben, Ma’am.“ Er zog eine Augenbraue nach oben.

Sam schaute unweigerlich zu Jack hinüber, der sich langsam wieder von seinem Platz erhob. „Ja … das bin ich“, war ihre ruhige Antwort, mit dem Blick fest auf ihn gerichtet.

Lieutenant Miller hatte mit Lieutenant Simmons einen kurzen, aber viel sagenden Blick ausgetauscht. Der junge blonde Mann beobachtete nun Jack, der sich zwar erhob, aber nicht auf Sam zuging. „General, darf ich Ihnen eine Frage stellen?“

Überrascht schaute Jack zu ihm zurück. Was tat sie sich hier nur an? „Sicher, nur zu, fragen Sie!“

„Sir, ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es nicht immer einfach ist als Kommandant von SG-1. Bei allem Respekt … ähm haben Sie je eine Entscheidung in all den Jahren bereut? Ich meine, haben Sie je einmal darüber nachgedacht, wie es hätte sein können, wenn Sie anders entschieden hätten, Sir?“

Jacks Züge wurden schlagartig ernst und schienen wie in Stein gemeißelt. „Nein, ich habe keine Entscheidung bereut und ja, ich gehe oft hart mit mir selbst ins Gericht. Ich … bin für ein ganzes Team verantwortlich und muss die Gesamtheit der Dinge im Auge behalten. Sie müssen sich klar darüber sein, dass alles, was Sie entscheiden, Konsequenzen haben wird, für Sie selbst und für die Menschen in Ihrem Team. Der Rang eines ‚Colonels’ oder eines ‚Generals’ lastet im Stargate-Center manchmal schwer und doch würde ich alles wieder so machen, wieder alles so entscheiden. Selbst wenn mein eigenes Leben auf dem Spiel stehen würde … ich bereue nicht eine Sekunde.“

Sam senkte den Blick und verschränkte die Arme fester vor ihrem Oberkörper.

„Vielen Dank für Ihre ehrliche Antwort, Sir. Colonel, auch Ihnen möchte ich danken.“ Miller sah zu Simmons neben sich, die nickte.

Judith ergänzte ehrfürchtig: „Wir werden wohl nie erfahren, was Sie in all den Jahren erlebt und überlebt haben. Welche Entscheidungen Sie beide getroffen haben mussten, damit Sie heute vor uns stehen können. Aber ich denke, ich spreche im Namen aller hier, wenn ich sage, dass wir uns geehrt fühlen, von Ihnen in das Stargate-Programm eingeführt zu werden, Ma’am. Vielen Dank!“
2. Teil by moonlight
~~~~~

„Mensch, ich kann es gar nicht glauben. Zwei Mitglieder von SG-1. Wahnsinn!“ Lieutenant Roberts konnte anscheinend sein Glück nicht in Worte fassen. Sein Gesicht strahlte mit dem von Simmons um die Wette. Gemeinsam mit ihr verließ er als Letzte den Unterrichtsraum. Sam und Jack blieben allein zurück.

„Ist irgendetwas mit Daniel, Sir?“ Jetzt, wo sie allein waren, hatte sie auch aufgehört, ihre Unterlagen zusammenzusuchen.

„Nein“, Jack erhob sich schwerfällig. Sein Knie schmerzte. Sein Blick ruhte auf ihrem zitternden Körper und auf den gestrafften Schultern. „Ich dachte nur, dass es richtig wäre, wenn SG-1 als Team bei Daniel erscheint.“ Hoffnungsvoll schaute er zu ihr hinüber. Sam stand an ihrem Schreibtisch an der Fensterfront und er vor seinem Stuhl auf der anderen Zimmerseite. Mehr Abstand zwischen ihnen gab der Raum wirklich nicht mehr her.

Sam erlaubte sich für eine kleine Ewigkeit, ihn genauer anzuschauen und erwiderte seinen Blick trotzig und heldenhaft. Sie hatte nicht neun Jahre mit ihm zusammengearbeitet und würde jetzt plötzlich die Fähigkeit verlieren, in seinen Augen lesen zu können. Seine Gesichtszüge waren immer noch verhärtet, er hatte zu wenig oder überhaupt nicht geschlafen und wirkte plötzlich hier in dieser steifen Uniform älter, als in seinem grünen Feldanzug mit der Waffe im Anschlag. Sie ahnte, wie schwer es ihm fiel, hier her zu kommen und sie zu bitten, gemeinsam mit ihm nach Daniel zu sehen. Aber er hatte Recht. Ja, nach allem was zwischen ihnen beiden vorgefallen war, gehörten sie noch immer zu einem Team. Und ein Mitglied dieses Teams brauchte sie mehr denn je. Es ging nicht um sie oder ihn, es ging einzig allein um das Team. Und mehr hatten sie nicht. „Wo ist Teal’c“, wollte sie schließlich wissen.

„Er ist bereits bei ihm. Ich hatte nicht vor, hier komplett alles aus der Bahn zu werfen. Wollen wir?“ Er lächelte nicht.

„Ja, Sir.“ Sam klemmte die Tasche unter den Arm und ging durch die Tür, die er ihr aufhielt.

Sie nahm in dieser kleinen Sekunde, als sie an ihm vorbeiging, sein Aftershave, das sich mit seinem eigenen Duft vermischte, wahr. Schweigend gingen sie nebeneinander her, bis sie auf dem Parkplatz ankamen. „Mein Auto steht dort drüben.“ Sie zeugte in die Richtung.

„Wir sehen uns dann am Haupteingang des Krankenhauses. Ich weiß, wo sie Daniel hingebracht haben.“ Er lief zu seinem Wagen.

Sam wollte nicht überrascht sein, doch zu ihrem eigenen Missfallen war sie es. Er tat eigentlich nur das, worum sie ihn gebeten hatte. Sam schluckte gegen die Tränen an und machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen. Er reihte sich bereits in den fahrenden Verkehr ein, als sie den Motor startete.

Die Fahrt dauerte zwanzig Minuten und Sam war für diese Auszeit von ihm dankbar. Er hatte am Eingang auf sie gewartet und verfiel schweigend in ihren Schritt, als sie das Foyer betraten.

„O’Neill, Colonel Carter.“

Beide begannen zu rennen, ohne vorher einander anzusehen. Es war keine Abstimmung notwendig. Teal’cs Stimme hatte einen ungewöhnlichen Klang. Und meistens, wenn sie diesen Klang hatte, waren ihm mindestens zwanzig gegnerische Krieger auf den Fersen.

„Teal’c, was ist?“ Jacks Anspannung war nicht zu überhören.

„Es sieht nicht gut aus.“ Teal’c sah zuerst ihn, dann Sam an.

„Wo“, wollte sie zaghaft wissen, als Jack noch die Information verarbeitete und mit der Wahrheit kämpfte.

Als alle drei auf der Etage ankamen, hörte Sam bereits von weitem ein gleichmäßiges, maschinelles Geräusch. Es war leise und doch kroch es schreiend zu ihren Ohren vor. Und während Jack und Teal’c rennend in einem Zimmer ein paar Meter entfernt verschwanden, blieb Sam im Flur kerzengerade stehen. Ihre Beine versagten ihr den Dienst und sie hörte jetzt nur ihren eigenen, alles übertönenden Herzschlag. Gleichmäßig zu atmen, war ihr nicht mehr möglich. So griff sie Halt suchend mit der flachen Hand an die Wand. Tränen bildeten sich in ihren Augen und die Wirklichkeit verschwamm. Ohne, dass sie es wusste, fühlte sie bereits, dass das Unmögliche gerade eben passiert war. Er hatte sie alle verlassen und hinterließ ein unbeschreibbares Chaos, das zu sortieren unmöglich war. Jetzt hatten sie beide noch nicht einmal mehr das Team. Ihr Magen verkrampfte sich auf ungewöhnliche Weise, als Teal’c aus Daniels Zimmer herauskam und sich suchend nach ihr umsah. Ärzte in perfekt sitzenden, strahlendweißen Kitteln traten hinter Teal’c links und rechts an ihm vorbei. Sie hatten aufgegeben, sie hatten einfach aufgegeben! Sam war es nicht möglich, sich von der Stelle zu bewegen. Teal’c musste es ebenfalls bemerkt haben, denn er kam auf sie zu und führte seinen Arm behutsam um die Taille. Mit einer zitternden Hand griff sie schließlich in seine und stützte sich ab. Ganz langsam näherten sie sich. Sams Herz zersprang, als sie schließlich in das Zimmer sah. Jack setzte sich ungeschickt auf einen Stuhl neben dem Bett und nahm vorsichtig Daniels Hand. Er schloss seine Augen und sprach ganz leise mit ihm. Sam konnte nicht hören, was er sagte, aber Teal’c festigte latent seinen Griff um ihre Hüfte. Würde er sie nicht halten, Sam wäre auf der Stelle auf den Boden gerutscht. Die letzte verbliebene Schwester schaltete den piependen Apparat aus und notierte etwas in einer Akte. Sie ging schweigend hinaus und hielt ihren Kopf gesenkt.

„Colonel Carter“, erkundigte Teal’c sich besorgt, „möchtest du dich vielleicht setzen?“

Jack blickte nicht zu ihr auf. Er schaute stoisch auf Daniel und lächelte verständnisvoll. Seine Hand bettete er ruhig zurück auf die Matratze neben seinem Körper.

Sam hatte Teal’c nicht geantwortet, sondern griff nach vorn zu dem Bettgiebel. Der Jaffa ging mit ihr einen Schritt nach vorn, sodass sie ihn auch erreichen konnte. Noch immer schaute er auf die Frau in seinen Armen zurück.

„General“, wisperte sie. Die Tränen liefen ihr stumm über die Wangen. Sie atmete noch krampfhafter als zuvor. Fragend schaute sie zu ihm hinunter. Erst wenn er es aussprach, war es real. Erst wenn er es bestätigen würde, dass Daniel gestorben war, konnte sie es auch begreifen.

Jack erhob sich gemächlich und blickte starr auf seinen besten Freund zurück, der vor ein paar Minuten seinen letzten Atemzug tat. Sein Gesicht war aschfahl und schmerzhaft verzerrt.

Um sie herum war es mit einmal ganz still und es kostete sie ihre ganze Konzentration, nicht in Ohnmacht zu fallen. Ihre Beine versagten ihr immer noch den Dienst. Sam war nicht in der Lage, um das Bett herum zu gehen.

Jack sagte kein einziges Wort, sondern lief mit schnellen Schritten aus dem Zimmer, ohne auch nur irgendjemanden angesehen zu haben. Er nahm den letzten Anblick von Daniel mit sich.

Sam riss sich los und schaffte es mit übermenschlicher Kraft zurück auf den Flur. „Jack, wo willst du hin“, schrie sie ihm weinend hinterher. Teal’c war wieder schnell an ihrer Seite.

„Beruhige dich, Sam“, flüsterte er in ihr Ohr, nachdem er sie in seine starken Arme schloss. Alle Dämme brachen in dieser einzigen Sekunde gleichzeitig, in der er sie schützend hielt. Sie sank gegen ihn und schrie qualvoll ihre Verzweiflung aus, während Jacks Schritte auf dem gefliesten Boden immer leiser wurden.

Sam saß noch immer an Daniels Bett, als George Hammond eintraf. Das Pflegepersonal hatte bereits die Apparaturen abgebaut und das Licht im Raum gedämmt. Es mussten Stunden vergangen sein, als Teal’c mit Sams Handy in Colorado Springs den notwendigen Anruf getätigt hatte.

„Colonel Carter, wo ist General O’Neill?“ Seine Hand ruhte leicht auf ihrer Schulter. Er wollte sich bemerkbar machen, sie aber auch nicht unbedingt erschrecken.

Sam hatte auf niemanden reagiert, auch nicht auf die Menschen um sie herum, dass routiniert die notwendige Arbeit verrichtete. So hatte sie auch nicht mitbekommen, wie General Hammond mit Teal’c vor ein paar Sekunden das Zimmer betreten hatte. Sie hatte nicht einmal den Kopf gehoben, geschweige denn einen Gedanken an den notwendigen Respekt ihrem Vorgesetzten gegenüber verschwendet. Sam befand sich in ihrer eigenen Welt, abgeschottet von der Außenwelt hielten die Tränen das Tor fest verriegelt. Gemeinsam mit ihrer masochistischen Ader rief sie sich Erinnerungen der letzten gemeinsamen Jahre mit Daniel ins Bewusstsein. Sie war ganz und gar darin versunken.

„Wir wissen es nicht. Er hat das Gebäude vor drei Stunden verlassen.“ Teal’c antwortete an ihrer statt.

General Hammond nickte und sah auf Daniels leblosen Körper hinab. Auch an ihm ging der Tod nicht ohne weiteres vorbei. Sie waren eine Familie gewesen und in kürzester Zeit nacheinander zwei wichtige Menschen seiner Familie zu verlieren, war auch für den alten Mann schwierig, der eigentlich mit soviel Lebenserfahrung aufzuwarten hatte. Es war ungerecht. Ja, das war es. „Vielleicht ist er aufgestiegen?“ Er musste einfach fragen.

„Das glaube ich nicht. Wir waren hier, General Hammond. Ich sah keine Erscheinung.“ Teal’c blickte regungslos.

Jack saß in seinem Auto auf dem Parkplatz und krallte die Finger in das Leder des Lenkrades. Er hatte General Hammond beobachtet, wie er mit großen Schritten in das Gebäude eilte. Ein weiterer Wagen fuhr kurz daraufhin schnell vor und er konnte sehen, wie Colonel Langley fast aus dem Auto fiel. Er parkte mitten auf dem Weg und ließ die Fahrertür offen. Eine Schwester sprach ihn an, doch es kümmerte ihn nicht. Nach ein paar Minuten kam er mit Sam an seiner Seite wieder heraus. Und als sie eigentlich durch die Tür in den Regen treten konnten, stoppte Sam und Langley sah fragend zu ihr hinab. Sie schüttelte den Kopf und rührte sich nicht mehr. Langley machte kurzen Prozess und hob sie in seine Arme hinauf. Sie hielt sich an seinem Hals fest und ihr Kopf rutschte matt auf seine Schulter. Er konnte sehen, wie er leise mit ihr sprach. Sam schloss flatternd die Augen. Behutsam beugte er sich mit ihr in sein Auto und sie rollte sich augenblicklich auf der Rückbank zusammen. Er selbst hatte den Wagen schnell umrundet und startete unverzüglich den Motor. Mit quietschenden Reifen schaffte er sie so schnell wie möglich von hier fort und Jack war ihm dankbar, dass er den Job übernahm.

Er selbst war zu sehr in seiner eigenen Hilflosigkeit gefangen, als dass er sich um sie hätte kümmern können. Er wusste, wie sehr sie ihn bereits dort oben gebraucht hatte. Er konnte sie ja noch nicht einmal ansehen, weil es auch ihm in diesem Moment das Herz zerriss. Sein eigenes Leid war unbeschreiblich und auch noch zu sehen, wie sie schmerzvolle Qualen erlitt, war zu viel für seine blutende Seele. Das Gefühl des Verlustes machte ihn schutzlos und dieser Zustand kam schleichend und würde lange anhalten. Es war schon immer so gewesen, wenn er verlassen wurde. Er nickte in die Dunkelheit. Er war wieder bereit, in den ihm viel zu bekannten, tiefschwarzen Tunnel einzutreten und was von seiner Seele am Ende wieder herauskam, dass wussten nur die Sterne allein.

~~~~~

Fünf Tage später.


‚Das setzt dem ganzen wirklich die Krone auf’, dachte Jack bizarr. Daniel hatte tatsächlich verfügt, dass seiner Beerdigung keinen einzigen militärischen Touch verliehen bekommen sollte. Noch nicht einmal Uniformen waren erwünscht. Und so saß Jack in zivil bekleidet bereits seit Stunden auf dem Friedhof, den Daniel ebenfalls bestimmt hatte. Er beobachtete träge die Vorbereitungen der Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens und stellte schließlich seinen Mantelkragen auf. Die ersten Schneeflocken dieses Jahres in Colorado Springs hatten sich ausgerechnet Daniels Tag ausgesucht. Jack trug eine Sonnenbrille und war sich sicher, dass seine nach außen getragene Stimmung dazu beitrug, nicht angesprochen zu werden. So ging sein Plan wenigstens in dieser Hinsicht auf.

Jack war so sehr in Gedanken versunken, dass er nicht gleich mitbekam, wie Sam eintraf. Sie war ebenfalls viel zu zeitig und allein. Sie nahm ihm gegenüber auf einer anderen Bank Platz, die sich allerdings näher an Daniels Grab befand. Auch sie trug eine Sonnenbrille und beobachtete mit blassem Gesicht, wie die Männer schließlich ihre Arbeit beendeten und sich zurückzogen.

Jack sah auf und bewegte kaum merklich den Kopf. Er sah sie an, aber Sam wich seinem Blick aus. General Hammond gesellte sich zu ihr und als er auf Jack zugehen wollte, hielt sie ihn mit schüttelndem Kopf auf. Er konnte erkennen, wie er widersprach, aber Sam setzte sich durch. General Hammond ließ von seinem Vorhaben ab und begrüßte stattdessen gemeinsam mit Sam die anderen, die nach und nach eintrafen. Cassie war auch gekommen und man konnte deutlich sehen, wie schwer ihr auch dieser Gang fiel. Es war nicht nur für sie zu wenig Zeit vergangen, seit sie Janet zu Grabe tragen mussten.

Als die Zeremonie begann, erhob sich Jack, trat aber nicht näher heran. General Hammond sprach ein paar Worte, doch Jack hörte sie nicht. Dafür hörte er, wie auf P3X-666 der Überfall der Jaffa über sie hereinbrach und er erinnerte sich an Daniels Gesicht, als er getroffen wurde. Nach all den Jahren war diese eine notwendige Zehntelsekunde nicht vorhanden gewesen.


„Ich scheine mich dauernd von dir zu verabschieden.“

„Ja, ist mir auch aufgefallen. Wieso bleibst du nicht einfach ein Weilchen?“

„Das geht nicht.“

„Hast du doch schon getan.“

„War auch ein besonderer Anlass.“

„Weihnachten?“

„Nein.“

„Irgendein Geburtstag?“

„Nein.“

„Ich habe meinen Weg und du deinen?“

„So in etwa, ja.“



Dieses Mal war es endgültig und sie wurden der Chance beraubt, sich zu verabschieden.

Sam stand erstarrt neben Teal’c und blickte nun doch besorgt zu ihm zurück. Sie biss sich auf die Lippen und nickte ergebend, als Jack sich nicht rührte. Stocksteif stand er da und machte auch ihr bewusst, dass er zu niemandem Kontakt wollte. Keine Gefühlsregung war zu erahnen. Sein Gesicht war unergründlich und die Sonnenbrille verdeckte den Rest.

Als Daniels Sarg nieder gelassen wurde, drehe sich Sam erneut zu ihm um, sah ihn aber nicht mehr. Ihr Blick huschte über den Friedhof, doch Jack war verschwunden.

Teal’c griff nach Sams Hand und drückte sie kaum merklich. „O’Neill weiß, was er tut.“

„Hoffentlich hast du Recht, Teal’c. Hoffentlich hast du Recht.“

Es waren Sam und Teal’c, die bis zuletzt an seinem Grab verweilten. Gemeinsam verließen sie den Friedhof und verabschiedeten sich. Teal’c lief zum Auto von General Hammond, der auf ihn gewartet hatte.

Marie kam auf Sam zu und musterte sie besorgt. Sie nahm sie tröstend in die Arme. „Sollen wir vielleicht deinen Freund mitnehmen?“

Sam atmete aus und setzte erschöpft die Sonnenbrille ab. „Nein. Er muss zur Basis zurück. Er verreist für eine Weile. Besucht seine Familie, bis wir wissen, wie es weiter geht.“

Marie öffnete die Autotür und Sam lief um den Wagen. „Mir ist nicht wohl dabei, dich allein im Hotel zurückzulassen, Sam.“ Marie biss sich auf die Unterlippe und überlegte sich Alternativen.

„Ich werde nicht allein sein. Richard wird bald kommen. Außerdem will er niemanden sehen. Bitte. Fahr zu ihm und gib ihm den Brief.“

„Und du glaubst im Ernst, er öffnet mir die Tür, wenn er niemanden sehen will?“ Ungläubig sah sie hinüber auf den Beifahrersitz, startete aber den Motor.

„Das trifft nicht auf dich zu. Er will niemanden von uns sehen.“ Sam faltete ihre Hände im Schoss.

„Also schön. Ich sehe nach ihm.“ Marie fädelte sich in den Verkehr ein.

~~~~~

Es klopfte nicht zaghaft, aber dafür sehr rhythmisch. Insgesamt dreimal. „Ja, bin schon unterwegs.“ Mit einem großen Schritt war er vor der schweren Holztür angekommen und öffnete sie im weiten Bogen.

„Guten Tag, General.“

Jack sah eine in schwarz gekleidete Frau vor sich. Sie trug einen Wollmantel, der ihr bis zu den Knien ging und stand äußerst sicher auf sehr hohen Absätzen. Sie war vielleicht Mitte dreißig, sehr elegant und komplett in schwarz gekleidet.

„Ja“, fragte er nachdenklich. Dann fiel es ihm ein. Er hatte sie eben noch vor dem Friedhof gesehen.

„Ich bin Marie, Colonel Langley’s Frau und Sams Freundin“, erklärte sie und Jack vermutete, dass wohl die Frage auf diese Antwort in seinem Gesicht lesbar war.

„Mrs. Langley, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Irgendetwas strahlte diese Frau aus, das ihn friedlich stimmte.

„Ich möchte Ihre Zeit nicht länger beanspruchen, als ich es muss, aber ich würde gern drinnen mit Ihnen reden, General.“ Marie deutete mit dem Kopf in das Innere seines Hauses.

„Mrs. Langley, es ist sicherlich nicht gerade der richtige Zeitpunkt. Außerdem möchte ich heute Abend noch verreisen.“ Jack trat trotz seiner Worte zur Seite und ließ sie eintreten.

„Ich verstehe und ich kann mir sehr gut vorstellen, was Sie bewegt. Bitte, hören Sie mich kurz an.“ Marie stand im Flur und hatte sich ihm wieder zugewandt. Er bedeutete ihr, ins Wohnzimmer zu gehen. Grazil lief sie die drei Stufen nach unten und zog sich dabei die ledernen Handschuhe aus.

„Möchten Sie etwas trinken“, bot er an, als er ihr nachging.

„Nein.“ Marie legte ihre Handtasche auf den Couchtisch und zog ihren Mantel aus. „Ich vertrage momentan nur Tee und solange möchte ich nicht bleiben.“ Ihr Gesicht ließ keine Regung zu und ihr Mantel landete sicher auf seinem antiken Sessel.

Jack, der auf der letzten Stufe stand, merkte, wie sich sein Gesicht entkrampfte. Sie war schwanger und das schwarze Etuikleid betonte die Schwangerschaft sehr galant. „Meinen Glückwunsch“, er nickte zu ihrem Bauch.

„Vielen Dank, General und nennen Sie mich bitte Marie“, bat sie ebenfalls lächelnd. Und wie alle Schwangeren es taten, ruhte auch ihre Hand auf ihrem Bauch. Der goldene Ehering schimmerte zurückhaltend. „Ich bin hier, um Sie kennen zu lernen. Ich möchte wissen, ob Sam mir die Wahrheit erzählt hat“, ergänzte sie ruhig. Sie sah ihn aus ihren braunfarbenen großen Augen an, studierte ihn regelrecht. Sie hatte keine Angst, ihn unverwandt und länger als nötig anzusehen und Jack gefiel ihr Mut. „Ob es das alles wert ist“, fügte sie nachdenklicher an und legte den Kopf leicht schief.

„Nun,“ Jack kam von der letzten Stufe runter und lehnte sich an seinen Sessel. „Was auch immer Ihnen Colonel Carter offenbart haben muss, ich hoffe, es war es wert, zu hören.“

Marie lachte. „Colonel Carter“, fragte sie amüsiert. „General, ich habe mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich kenne, nein, muss Sie unweigerlich kennen, seit Sam Ihnen am ersten Tag erklären musste, dass es nicht darauf ankommt, wo sich die Reproduktionsorgane befinden. Sie konnten die letzten Jahre nicht einmal niesen, ohne dass ich es erfahren habe.“

Jack sah verwundert zu ihr hinüber. Worauf hatte er sich hier nur eingelassen? „Oh, das klingt … irgendwie bizarr.“ Er kniff die Augenbrauen zusammen.

Marie lief auf die bodenlangen Fenster zu und schaute in seinen Garten. „Sam und ich haben an der gleichen Universität studiert.“ Marie sah zu ihm hinüber. „Und nein, ich bin keine Wissenschaftlerin. Gott bewahre!“

Jack musste tatsächlich grinsen. „Sieht so aus, als ob Sie mich wirklich kennen und ich weiß noch nicht, ob mir der Gedanken gefallen soll.“ Wie zum Schutz steckte er seine Hände in die Hosentaschen.

„Ich habe Englische Literatur studiert“, erklärte sie. Sie wollte ihm etwas über sich erzählen. „Sam habe ich zum ersten Mal getroffen, als sie im Wohnheim eine ihrer übergroßen Pflanzen im Gemeinschaftsraum drapierte.“ Marie musste bei der Vorstellung unweigerlich schmunzeln. Dann fuhr sie ernster fort: „Ich verbringe, wenn es möglich ist und Sam nicht gerade auf irgendwelchen Dienstreisen weilt, die Tage im November mit ihr.“ Marie lächelte verlegen.

Jack ahnte, dass sie zwar nichts Genaueres wissen konnte, aber ihr völlig bewusst war, wie abstrus zu einer eventuellen anderen Version der Begriff ‚Dienstreise’ klingen musste.

„Novembertage bedeuten nichts Gutes. Sie bedeuten nichts Gutes für Sam“, fügte sie sichtlich traurig an. „Dieses Jahr ist es allerdings für uns alle schwerer.“ Sie strich mit der flachen Hand sacht über ihren Bauch und sah zu ihrer Bewegung hinunter.

Jack hatte einen Verdacht, dass sich ihr letzter Satz nicht nur auf aktuelle Geschehnisse bezog. Er konnte es nicht erklären, aber als sie nach wie vor schwieg, war es deutlicher zu erahnen.

„Mrs. Langley“, begann Jack, die Stille zu durchbrechen.

Marie sah auf und ihre Mundwinkel zuckten. „Also schön, bleiben wir förmlich, General. Ich hatte auch nichts anderes erwartet.“

Jack fühlte sich, als ob er eine Prüfung bestanden hatte. Ob er jetzt die Kraft für diese Art von Spielchen aufbringen konnte, wusste er nicht so recht. Er sah, wie Marie sich von dem Ausblick seines vernachlässigten Gartens losriss und aus ihrer Handtasche einen weißen Briefumschlag herausholte. Nun lief sie direkt auf ihn zu. Die Frau hatte wirklich Courage.

„Hier“, mit einem ausgestreckten Arm hielt sie ihm den Umschlag entgegen.

Schockiert riss er seinen Blick von seinem handschriftlich darauf geschriebenen Namen zu ihr. „Woher …“

„Sam räumt seine Wohnung aus“, antwortete sie ruhig und blickte ihn wieder länger als nötig an.

„Allein?“ Jack musste bei der Vorstellung gegen einen Würgereflex ankämpfen.

„Sie hat Hilfe“, versicherte sie ihm eine Spur sanfter. Ihr Arm war noch immer ausgestreckt.

Jack griff nach dem Umschlag. Er wollte nicht zittern und doch tat er es.

Marie ging noch einen weiteren Schritt auf ihn zu und hielt seinen Blick. Ihre dezent geschminkten Lippen spannten sich das erste Mal an. „General, ich bin nicht hier, um mich einzumischen. Ich werde niemals über Dinge sprechen, die mir Sam über viele Jahre hinweg anvertraut hat, denn dann wäre ich wohl eine ziemlich schlechte Freundin. Allerdings ...“ Sie hatte den Blick von ihm abgewandt und starrte schockiert auf das Foto seiner Familie an der Wand. „Das sind Sara und Charlie“, sprach sie gedankenverloren und wie Jack wusste, mehr zu sich selbst, denn sie war ihm eigentlich keine Erklärung schuldig.

„Mrs. Langley, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber …“, Jack verlor langsam seine von Natur aus höfliche Geduld. Diese Sache hier kostete ihn zu viel Kraft und weiß Gott, Kraft war für ihn ein Luxusgut geworden.

„Nein, nein. Ich bin ich es, die unhöflich ist. Und ich fürchte, ich muss noch eine Spur indiskreter werden“, fiel sie ihm irritiert ins Wort. Marie lief schnell um ihn und den Sessel und sah sich das Foto genau an. „Wie alt war Charlie …“ Marie brach ab und drehte sich zu ihm um. Diese Frage erforderte Augenkontakt.

Jack erkannte, dass sie das Bild extrem aus der Bahn geworfen hatte. In ihrem Gesicht war zu sehen, wie sehr es in ihrem Kopf arbeitete.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, General. Aber ich muss wissen, wie alt Charlie war, als das damals passiert ist? Neun? Zehn vielleicht“, schlug sie flehend vor.

„Elf.“ Er wunderte sich, warum er ihr überhaupt antwortete. Diese Frau konnte einem wirklich Angst einjagen.

Marie schloss qualvoll die Augen. Ihre Finger der linken Hand fuhren an ihre Lippen. Sie atmete hörbar und lange aus. „Das ändert alles. Alles! Sam, warum hast du nichts gesagt, warum hast du nichts gesagt?“ Marie hatte kombiniert und verstand endlich, was ihre Freundin hier tat. Sie erkannte die traurigen Beweggründe, die Sam seit Wochen die Luft zum Atmen nahmen.

Jack sah sie forschend an, sagte allerdings nichts.

„General, darf ich mich vielleicht kurz setzen“, bat Marie nachdenklich und kreidebleich.

„Ähm, sicher. Möchten sie einen Stuhl?“ Sara hatte sich die ganze Schwangerschaft über auf nichts Weichem wie zum Beispiel auf einem Sessel oder auf einem Sofa setzen können. Allein wäre sie da nie wieder herausgekommen und Jack war manchmal nicht da.

„Danke, machen Sie sich keine Umstände. Es geht.“ Sie wählte seinen alten Sessel. Bevor sie sich setzte, hatte sie ihren Mantel über die Rückenlehne gehangen.

Jack sah, wie sie aus der Handtasche ihr Handy herausholte und mit einer Schnellwahltaste einen Anruf tätigen wollte.

Jack, der sich auf dem Sofa niedergelassen hatte, wollte sich bereits wieder erheben, als Marie den Kopf schüttelte.

„Richard, ich bin es. Wo ist Sam?“ Nervös sah sie zu ihm hinüber und erkannte, wie sich sein Kiefer anspannte.

Jack ließ erst jetzt Daniels Umschlag aus seinen Fingern auf seinen Couchtisch gleiten und beobachtete ihn, wie er auf dem glatten Untergrund ein wenig weiterschlitterte.

„Wie? Nicht bei dir? Ich dachte, du wolltest mit ihr …“ Marie hörte ihrem Mann zu. „Richard, bitte sag mir, dass du sie nicht allein gelassen hast. Ich habe dir erzählt, was gestern passiert ist.“ Marie hatte sich für einen kurzen Moment abgewandt.

Jack, der eigentlich nicht Zeuge des Gespräches werden wollte, schaute jetzt alarmiert zu ihr auf.

Marie hatte seinen Blick bereits erwartet und hoffte, tröstend zu lächeln. „In Ordnung, Schatz, ich bin gleich auf dem Weg.“ Richard musste wohl noch etwas zu fragen haben, denn sie antwortete leiser: „Ich bin immer noch bei ihm.“ Wieder lächelte sie.

Jack erhob sich nun doch. Er wollte aus niederen Gründen nicht, dass sie sah, wie er sich sorgte.

„Ja, ich fahre vorsichtig und ja, ich melde mich. Bis später.“ Marie rollte die Augen und Jack, der es gesehen hatte, verspürte wieder den Drang, sein Gesicht zu entspannen.

„General, falls ich mich ungebührend verhalten habe, möchte ich mich entschuldigen.“ Marie hatte sich zu Jacks Verwunderung mit einer Leichtigkeit aus seinem Sessel erhoben, die ihn staunen ließ. Sie verstaute ihr Handy in der kleinen Tasche und griff nach ihrem Mantel und den Handschuhen. Marie zog allerdings nichts davon an.

„Nein, das haben Sie nicht, Mrs. Langley. Keine Sorge.“ Jack führte sie hinaus und öffnete die Tür. „Da gibt es etwas, was ich …. gerne wissen möchte.“ Er konnte sie nicht ansehen. Jack hatte das Gefühl, dass sie tief in seine Seele blicken und alle Mauern und Barrikaden spielend umgehen konnte.

Marie legte ihm ihre Hand auf seinen Unterarm. „Ich wäre ehrlich überrascht wenn nicht.“

„Ich denke mal nicht, dass es ihr sonderlich … gut geht.“ Jack sah nun doch von ihrer Hand in ihr Gesicht.

„Nein, ebenso wenig wie es Ihnen sonderlich gut geht, Jack. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich bei ihr sein werde. So wie immer.“ Sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Sie ist weniger streitlustig, seit hier drinnen jemand Tango tanzen lernt.“ Sie deutete mit dem Zeigefinger auf ihren Bauch. „Eigentlich schade, wenn man es genau betrachtet. Die Zeit vergeht zu schnell. Irgendwann muss ich es wieder ohne Schutzschild mit ihr aufnehmen.“

Und wieder zwang sie ihn zu einem Lächeln, wenn auch nur zu einem dünnen. „Ich wünschte, es wäre anders.“ Er wurde wieder trübsinnig.

„Oh, keine Sorge. Noch habe ich ein paar Monate vor mir und die werde ich nicht unnütze verstreichen lassen. Sie fahren nach Minnesota“, fragte Marie beiläufig und trat nach draußen.

Jack nickte und war nicht sonderlich überrascht, dass sie von seiner Hütte wusste.

Marie entgegnete nichts, sondern lief die Einfahrt hinunter. Sie hatte alle Informationen, die sie haben wollte und darüber hinaus sogar noch mehr.

Jack sah zum ersten Mal ihren Wagen. Der BMW war ebenso wie sie: mehr als geschmackvoll und komplett in schwarz gehalten. „Mrs. Langley“, rief er hastig. „Danke.“ Und Jack hoffte, dass alles, was er nicht sagen konnte, sie wissen würde.

Sie war an ihrem Auto angekommen. Nach dem piepsenden Geräusch öffnete sie die Fahrertür und hielt in der Bewegung inne. Marie suchte Halt an der Tür und sah zu ihm zurück. „General, bitte vergessen Sie niemals, dass Sam eine starke Frau ist, die sich ab und zu den Geistern der Vergangenheit stellten muss. Und manchmal kostet sie es mehr Kraft, als sie aufbringen kann. Dieses Jahr ist genau das passiert. Novembertage!“ Sie sah ihn noch eine zeitlang an, ohne weiter zu sprechen. Dann wandte sie sich von ihm ab, stieg ein, als ob sie nicht schwanger wäre, und brauste in die Dämmerung davon.

Jack schloss Stirn runzelnd die Tür und alles, an was er denken konnte, war einzig und allein Daniels Brief auf seinem Couchtisch. Ruhig griff er nach seinem Bier, das er im Flur abgestellte hatte, bevor Marie geklopft hatte. Schwerfällig lief er in sein Wohnzimmer zurück. Hier hatten sie alle zusammen gesessen, es waren nur Monate seit damals vergangen. Es würde nie wieder so sein. Die Last der Endgültigkeit traf ihn und zwang ihn wieder einmal mehr zu Boden. Daniel war tot und Sam wollte nichts mehr von ihm wissen.

~~~~~

Sam, Marie und Richard waren wieder in Washington. Sam versuchte, sich in der Akademie auf ihre Arbeit zu konzentrieren, aber das war leichter gesagt als getan. Alles erinnerte sie an Daniel, Jack oder an SG-1. Je mehr ihre Schüler erfuhren, desto lernbegieriger und euphorischer wurden sie und Sam schaffte es sogar öfters als erhofft, sich einfach mitreisen zu lassen. Heute war der letzte Tag der theoretischen Unterweisung und morgen um 0700 würde ein Flugzeug ihre Schützlinge in die Hände von Colonel Marten bringen. Sie hatte vor ein paar Minuten mit ihm telefoniert und ihm ihre Meinung über die neuen Anwärter mitgeteilt.

Jetzt klingelte ihr Handy erneut. ‚Unterdrückte Nummer’, dachte Sam für einen kleinen Augenblick. „Hallo?“

„Colonel Carter, gut, dass ich Sie erreiche“, hörte Sam eine männliche erleichterte Stimme am anderen Ende der Leitung. Sie sah überrascht zu Marie, die sogleich ihre Teetasse auf dem Tisch abstellte. Von ihrem Gesichtsausdruck alarmiert, zuckte sie kurz fragend mit ihren Achseln und hielt dem Blickkontakt stand.

„General Hammond?“ Endlich hatte Sam ihre Stimme wieder gefunden.

Marie hörte angestrengt zu und erhob sich nun.

„Es tut mir Leid, Sie zu stören, vor allem um diese Uhrzeit.“ Er war noch immer im Stargate-Center und saß hinter dem Schreibtisch in seinem Büro.

„Ich bin überrascht, Sir.“ Sam schielte zu Marie hinüber.

„Das glaube ich Ihnen. Ich bin mir bis jetzt noch nicht ganz sicher, ob ich Sie überhaupt mit meinem Anliegen behelligen sollte, Colonel.“

„Sir, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Sam war froh, dass ihre Stimme keinen Zweifel zuließ.

„Nun, … es geht um General O’Neill.“

Sam zog die Augenbrauen fragend zusammen und als ihr bewusst wurde, dass General Hammond dies nicht sehen konnte, öffnete sie ihren Mund und wurde bereits von ihm am Weitersprechen gehindert.

„Er ist drei Tage überfällig. Wir können ihn nicht erreichen und langsam beginne ich, mir Sorgen zu machen.“

Er machte sich Sorgen? Irgendwie klang das aus seinem Mund ziemlich fremd. „Drei Tage?“ Unweigerlich begann sie, an ihrem Daumennagel zu knabbern.

„Ja, so ist es.“ General Hammond lehnte sich in seinem Stuhl ermattet zurück. Diese dunklen Tage wollten einfach nicht enden.

„Ist jemand bei seinem Haus gewesen“, fragte sie nervös.

Marie schüttelte gleich den Kopf. „Dort ist er nicht“, meinte sie leise.

„Ja, natürlich. Er ist nicht in Colorado Springs. Das Haus ist definitiv verlassen.“ Hatten sich General Hammond und Marie abgesprochen?

„Und in Minnesota“, fragte Sam hoffnungsvoll.

„Noch nicht. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich niemanden aus dem Stargate-Center zu ihm schicken. Deshalb rufe ich an.“

„Sir?“ Sie ahnte es bereits.

„Colonel, ich habe kein Recht, aber mir persönlich wäre es lieber, wenn Sie vielleicht …“, George brach ab.

Sam schluckte und überlegte. „Ja, Sir. Ich verstehe.“

„Ich denke, es ist besser, wenn Sie ihn finden. In welchem Zustand auch immer.“ Jepp, er wusste definitiv mehr, als ihrem Vorgesetzten gut tat.

Die Worte ‚In welchem Zustand auch immer.’ hallten unaufhörlich in ihrem Kopf. Und genau davor hatte Sam Angst. „Sir, ich melde mich umgehend, wenn ich etwas in Erfahrung gebracht habe.“

„Danke.“ General Hammond hielt kurz inne. „Vielleicht interessiert es Sie ja, dass Ihre Schützlinge morgen das erste Mal durch das Tor gehen werden.“

„Gut, dann haben sie die Feuertaufe bald hinter sich“, meinte sie abwesend. ‚Dann mussten sie also nur noch überleben’, dachte sie dafür bitter.

„Ja.“ George hatte betrübt festgestellt, dass sein Versuch, ihre Stimmung zu erhellen, fehlgeschlagen war. „Ich wünsche uns allen viel Glück, davon können wir ruhig ein bisschen mehr gebrauchen.“

„Ja, das stimmt allerdings. Danke, dass Sie mich angerufen haben, General.“ Sam legte auf und blickte zu Marie, die mittlerweile neben ihr stand.

„Er wird vermisst“, fragte die Schwarzhaarige ehrlich besorgt.

Sam nickte und biss auf ihrer Unterlippe herum.

„Wer wird vermisst?“ Richard betrat den Raum mit zwei Weingläsern in der Hand.

„Die kannst du gleich wieder zurückstellen, Schatz. Sam fährt heute Abend noch nach Minnesota“, erklärte Marie ein wenig zu aufgeregt.

„Warum“, fragte Richard und runzelte die Stirn.

„Jack“, erklärte Sam nachdenklich. Sie hielt noch immer das Telefon in der Hand.

„Er ist AWOL“, meinte Marie leise.
(Anm. der Autorin: absent without official leave - unerlaubt abwesend)

„Seit wann?“ Richard blickte Antwort erheischend zwischen den Frauen in seinem Wohnzimmer hin und her.

„Seit drei Tagen. Ich muss wissen, ob es ihm gut geht, Richard.“ Ihre Finger umschlossen nun fester das Telefon.

Er stellte die Gläser auf der Kommode ab. „Du musst nicht mich überzeugen“, er legte ihr seine Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich um, „wenn es für dich in Ordnung ist, dann fahr.“ Er blickte ihr tief in die Augen.

Marie hatte sich wieder gesetzt und beobachtete beide von ihrer Kissenhochburg auf dem Sofa aus. „Du musst endlich mit ihm reden, Sam. Ich denke, du würdest einen großen Fehler machen, wenn du ihm nicht erklärst, was damals passiert ist. Das ist eure Chance. Er ist es wert, Sam.“

Sam schluckte. „Marie, ich werde nachsehen, ob er in seiner Hütte ist und dann wieder verschwinden. Und ganz sicher nicht mit ihm reden. Ich weiß nicht, wie oft ich dir das schon gesagt habe. Ich werde ihm nicht erklären, was ich damals getan habe und wie du jetzt weißt, ausgerechnet auch noch in dem Jahr, als sich sein Sohn mit seiner Waffe erschossen hat. Herrgott noch mal! Hör endlich damit auf!“

„Er wird es verstehen, Liebes. Da bin ich mir ganz sicher“, fuhr Marie mit fester Stimme und völlig unbeirrt fort. Sie lächelte ermutigend.

Sam sah Hilfe suchend zu Richard, der schließlich mit den Schultern zuckte. „Ich habe dir damals schon gesagt, dass du mit ihm eine gute Wahl getroffen hast. Nun beeil dich, pack deine Sachen und fahr los. Verschwende keine Zeit. Hilf deinem Mann.“

~~~~~

Jack führte mit schwerer Hand das kaum noch gefüllte Glas an seinen Mund. Es war dunkel in seiner Hütte und noch nicht einmal der Kamin im Wohnzimmer konnte ihm ein wenig Licht oder Wärme schenken. Jack fror bereits seit einiger Zeit, schaffte es aber nicht, sich aufzuraffen, um es sich ein wenig gemütlicher zu machen. Der Winter zeigte in den letzten Stunden sein hässliches Gesicht: Der Wind heulte immer stärker auf und der fallende Schnee wurde dichter. Jack war sich sicher, dass die restliche Nacht auch nicht gerade friedlicher ablaufen würde. Er hatte hier viele Tage und Nächte im Kalten verbracht und die Erfahrung der letzten Jahre hatte ihn nie im Stich gelassen. Ein Blizzard war im Anmarsch.

Er trank den Rest in einem Zug aus. Das Glas erwischte gerade noch die sichere Tischplatte, bevor er sich träge in seinen Sessel zurückfallen lies. Er rutschte tief nach unten und schloss die müden Lider seiner Augen. Sein Kopf glitt leicht zur Seite und Jack gab sich völlig der ersehnten Wirkung des Alkohols hin, die langsam einsetzte. Der Whiskey brannte noch immer in seiner Kehle und während er dem Geschmack nachspürte, klingelte schroff sein Telefon. Jack öffnete langsam wieder seine Augen und fixierte das Fenster neben der Eingangstür. Er konnte sehen, wie hoch der Schnee mittlerweile lag. Der Anrufer war hartnäckig. Unaufhörlich schrillte das monotone Klingeln durch die leeren Räume seiner Hütte und störte ihn bei seinem Vorhaben, sich mit dem Rest der brauen Flüssigkeit in der Flasche, die zu seinen Füßen stand, zu betäuben und sich wieder einmal von der Realität zu verabschieden. Jack wusste, dass sein Kopf die gellende Störung mit jedem weiteren Ton nicht länger ertragen konnte. Und gerade dann, als er mit dem Gedanken spielte, aufzustehen, erstarb schlagartig das Geräusch hinter ihm. Jack schluckte zufrieden. Als plötzlich aus dem Nichts sein Telefon erneut läutete, entschloss er sich, sich langsam zu erheben. Es sollte wirklich verdammt wichtig sein; das Leben des Anrufers hing letztendlich davon ab.

„O’Neill!“ Jack räusperte sich anschließend. Die raue Stimme, die er hörte, war seine eigene.

„Jack? Hier ist Paul.“

„Wer?“ Jack versuchte, sich zu konzentrieren. Er schloss seine Augen, als er mit zwei Fingern seinen Nasenrücken bearbeitete.

„Nun hör … auf, … Junge!“ Wie hätte Paul ahnen sollen, dass Jack die Frage im ersten Augenblick durchaus ernst gemeint hatte?

„Nun … Paul, was gibt’s?“ Jack lehnte sich sicherheitshalber mit dem Rücken an die Wand, an der das Telefon hing. Seine Hütte samt Inventar drehte sich immer schneller.

„Ich … nur auf Nummer … gehen“, erklärte Paul aufgeregt, der der Besitzer der Tankstelle einige Kilometer entfernt von Jacks Hütte war. Paul war weit und breit die einzige Menschenseele, die für die wenigen Hüttenbewohner hier in der Gegend alles Mögliche zur Verfügung stellte. Er hatte sich dem Bedarf seiner Kunden angepasst und so stellte er Lebensmittel, Hygieneartikel, Werkzeug und andere nützliche Dinge bereit, ohne die man hier draußen aufgeschmissen wäre.

„Paul, die Leitung ist beschissen, der Schneesturm!“ Jack verdrehte die Augen. Er war kurz davor, einfach aufzulegen, nur um seinen Frieden zu haben.

„Ich … nur wissen, ob die ... Frau es bis zu dir … hat. Sie … nach dem Weg …“

Jack war plötzlich klarer, als er es für heute Abend geplant hatte. „Paul, wiederhol das!“

„Blonde, verdammt gutaus … Frau. Mensch Jack, ich … Zimmer … aber sie wollte …, heute … deiner Hütte ...“

„Paul! Paul! Hörst du mich?“ Jack sprach lauter, stierte auf den alten Telefonhörer in seiner Hand und hing schließlich frustriert ein. Die Leitung war nun völlig zusammengebrochen. Langsam kroch eine Ahnung seinen Verstand hinauf und die verursachte ein schweres Gefühl in seiner Magengegend.

Jack atmete einmal tief ein und aus. Schwankend kam er zu seinem Sessel und hätte am liebsten die Flasche neben ihm mit dem Fuß quer durch den Raum befördert. Ein denkbar ungünstiger Moment, um sich volllaufen zu lassen.

„Denk nach“, befahl er sich. Er drehte sich für seinen Mageninhalt gefährlich schnell und griff nach seiner Jacke. Während er nach seinem Handy wühlte, atmete er ein weiteres Mal tief ein und aus. Im nächsten Moment hatte er es in der Hand, sah darauf und beförderte es im hohen Bogen auf die Couch: Er hatte keinen Empfang. Fast belustigend hüpfte das kleine Ding auf den weichen Polstern einige Zentimeter weiter und fiel schlussendlich auf den Boden.

Jack fuhr sich mit der flachen Hand über den kratzigen Bart und das zerzauste Haar und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Selbst wenn es Sam gewesen wäre, die sich bei Paul nach dem Weg zur Hütte erkundigt hatte, hätte sie die Gefahr mit großer Wahrscheinlichkeit erkannt und sich Schutz gesucht. Carter war vernünftig. Carter überstürzte nie etwas. Carter konnte auf sich aufpassen. Und wenn es nicht Carter war?

Jacks Gedanken überschlugen sich und doch bedachte er bereits alles Wesentliche für eine Suchaktion, während er sich darauf konzentrierte, seinen Körper unter Kontrolle zu bekommen. Plötzlich hörte er ein Klopfen an seiner Tür, die sich bereits kurz danach öffnete. Ruckartig schoss sein Kopf nach oben. Jack blieb sprichwörtlich sein „Herein“ in der Kehle stecken. Samt Wind, viel Schnee und einer extremen Kälte stand Samantha Carter vor ihm, die sichtliche Mühe hatte, die Tür gegen den Sturm wieder zu schließen.

Sie hatte es wenige Augenblicke später tatsächlich geschafft und drehte sich schwer atmend zu ihm um. Halt suchend lehnte sie ihren steifen Körper gegen die schwere Holztür.

Jack blieb wie angewurzelt stehen und ließ seine Augen über die Person vor sich wandern. Sam war in zivil. Sie trug einen schwarzen langen Wollmantel, der vollkommen mit Schnee bedeckt war. Die Lederstiefel waren völlig durchnässt, ihr Kopf und ihr Haar waren schutzlos dem wütenden Wetter ausgesetzt gewesen. Einzig allein Handschuhe waren neben einem Schaal auszumachen, die ihren Körper vor dem Blizzard schützten.

„Carter! Was um Himmels Willen?“ In Anbetracht der letzten Minuten, in denen er sich sorgte, war es ihm einfach nicht möglich, seine Frage friedlicher zu formulieren.

Sam antwortete nicht. Sie lehnte ihren Kopf zurück, bis sie das Holz hinter sich spüren konnte und rutschte daran hinunter. Sie atmete flach und schloss erschöpft die Augen.

Jack dachte, für einen Moment Erleichterung darin gesehen zu haben. Er konnte den Reflex, auf sie zuzugehen, gerade unterdrücken, als er sah, was sie tat.

„Colonel Carter hier.“ Sam zitterte am ganzen Körper, was auch in ihrer Stimme zu hören war. Sie sah ihn noch immer ernst und unverwandt an. „Ich möchte mit General Hammond sprechen.“ Sie hielt ein Satellitentelefon in ihren Händen und hatte mit steifen Fingern einige Tasten betätigt.

Jack fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht. „Ah, Hammond!“ Er nickte beiläufig und stemmte seine Hände in die Hüften. Jetzt war es ihm klar.

„Die Leitung ist mir scheißegal!“ Sie schrie beinahe. Stille, Unverständnis und vor allem ein Hauch Wut wanderte zwischen ihnen durch den Raum hin und her. Während allerdings ihr Gesicht ernstere Züge annahm, schaute er mittlerweile enttäuscht auf sie hinab. „Ich bin angekommen, Sir. Er ist hier.“ Sam war redlich bemüht, ihre augenblicklichen Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Sie spannte den Kiefer an. „Nein, nein, der Sturm ist nicht das Problem, Sir.“

Jack kehrte ihr den Rücken und lief auf seine Couch zu.

Sam beendete das Gespräch mit einem gezielten Tastendruck und ließ das Gerät neben sich auf die Holzdielen fallen. Im gleichen Augenblick befreite sie sich schnell von ihrem völlig durchnässten Mantel und dem Schal um ihren Hals. Einige Knöpfe flogen im hohen Bogen gen Boden. Den zweiten Handschuh zog sie mithilfe ihrer Zähne aus.

„Wenn ich warmes Wasser hätte, würde ich Ihnen jetzt eine Dusche anbieten, Carter.“ Jack setzte sich schwerfällig und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.

„Kein warmes Wasser? Ich bin im Paradies gelandet!“ Sam wusste genau, dass er nicht scherzte. Sie zog ihre Stiefel aus. Die Socken waren ebenfalls durchnässt.

„Nun, wie ich sehe, haben Sie wenigstens in Sachen Humor dazugelernt.“ Jack erhob sich schwerfällig und Sam beobachte, wie er in ein anderes Zimmer verschwand.

Als er zurückkam, saß sie noch immer auf dem Boden an der Eingangstür. Er hatte einen grauen Strickpullover und ein paar Socken in der Hand und reichte ihr beides. „Hier!“ Für einen kleinen Augenblick war er von ihren weichen und allzu vertrauten Gesichtzügen wie gelähmt.

Sam konnte deutlich riechen, das und vor allem an seinem Gang erahnen, wie viel er getrunken hatte. Sie seufzte und stand behäbig auf. „Danke.“

Jack presste die Zähne aufeinander und riss sich von ihrem Anblick los. Gott, wie viel Macht sie immer noch über ihn hatte! Er fand es in seinem Sessel und somit mit etwas Abstand zu ihr sicherer.

Mit klappernden Zähnen hatte sie sich den übergroßen Pullover über ihren eigenen gezogen. Beinahe andächtig strich sie sich über den Arm und spürte die weiche Wolle. Sie nahm auf der Couch unter dem Fenster Platz und streifte die weichen Socken über ihre eisigen Füße. Instinktiv massierte sie sie. Als sie sah, dass unter dem Tisch sein Handy lag, streckte sie sich, hob es auf und legte es schließlich auf den Tisch. „Was tun Sie hier, Sir?“

Jack lehnte sich zurück und drehte den Kopf zum schweigenden Kamin. Er hatte ihre Frustration gehört.

Sam schloss enttäuscht ihre Augen, als sie erkannte, dass er ihr eine Antwort schuldig bleiben würde. Sie hätte wissen müssen, dass seine Mauern höher und dicker als üblich waren. Mit Daniel war auch in jedem von ihnen etwas gestorben und Sam erkannte seinen Schmerz. Fühlte sie ihn doch jede Minute selbst.

Beide schwiegen sie für ein paar Minuten und hingen ihren eigenen trägen Gedanken nach. Und dann war Sam überrascht, dass er es war, der sprach: „Hammond hätte mein Rücktrittsgesuch bereits erhalten müssen.“ Seine dunklen Augen mieden es nach wie vor, in ihre sehen zu müssen.

„Und das soll entschuldigen, dass wir“, kurz hielt sie inne, schloss ihre müden Augen und war über ihren eigenen aufkeimenden Mut überrascht, „dass ich mir keine Sorgen mache?“ Sam konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. „Mal ganz davon abgesehen, dass“, setzte sie deutlich an, „General Hammond den Brief erst bekam, nachdem Sie bereits drei Tage überfällig waren, Sir.“ Sam hatte es einfach nicht glauben können, als General Hammond sie auf der Fahrt hier her anrief. Leiser fuhr sie fort: „Seit … Daniels Tod …“

Jack unterbrach sie barsch. „Das war nicht das, was ich wollte.“ Er beugte sich vor und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln ab. „Es tut mir Leid. Ich hatte nicht vor …“ Jack stoppte. Er hatte in einem unbedachten Moment mit heroischem Leichtsinn zu ihr hinüber gesehen und konnte Tränen in ihren Augen ausmachen. Er schluckte und schüttelte trivial seinen Kopf. Es half nichts; er konnte seine Gedanken und Gefühle ihr gegenüber nicht verscheuchen.

„Die Beerdigung ist Tage her“, merkte sie missbilligend an und zog die Beine weiter auf die Sitzfläche hinauf.

Er zog seine Augenbrauen zusammen und sein Blick verfinsterte sich. „Nicht, Carter“, bellte er. Es klang beinahe wie ein Befehl. Blitzartig erhob er sich und blieb erst, als er an seiner Kücheinsel ankam, stehen. Seine Hand suchte Halt an der kalten Arbeitsfläche. Ihm fehlte schlichtweg die Kraft, mit ihr über Daniels Tod zu reden. Er senkte den Kopf. „Bitte.“ Es war ein sanftes Flüstern, als wolle er seine harten Worte abmildern.

Sam schaute auf seinen angespannten Rücken und ihr fehlten schlichtweg die Worte. Leise stahl sich eine Träne den Weg über ihre Wange. Irritiert darüber, dass sie über sie die Kontrolle verloren hatte, wischten ihre Fingerkuppen das Nass aus ihrem Gesicht. Langsam nickte sie mehrfach nacheinander. Als ihr bewusst wurde, dass er diese subtile Geste nicht sehen konnte und sich ihre Lippen nicht bewegen wollten, seufzte sie leise.

Ihr Blick streifte durch sein kleines Reich, in das er sie so oft schon entführen wollte. Und nun war sie hier. Sie wünschte sich, es gäbe einen anderen Anlass. Sam war nicht freiwillig hier. Quälende Sorgen hatten sie zu seinem Zufluchtsort getrieben. Er trauerte und plötzlich fühlte sie sich nicht gewollt. Die Hütte war kalt, dunkel und ungemütlich und Sam ahnte, dass es in seinem Herzen nicht anders aussah. Jack hatte sich lange nicht rasiert und seine Kleidung entsprach auch nicht dem, was sie sonst von ihm gewohnt war. Ihm ging es nicht gut und er tat nichts, um das zu ändern.

Sie schaltete zusätzlich eine kleine Lampe neben der Couch ein und konnte so mehr erkennen. Die Hütte hatte im Wohnbereich einen Kamin und ihm gegenüber stand die Couch mit den Sesseln. Unweit davon war die offene Küche und von dort aus schien es in den ebenfalls offenen Schlafbereich zu gehen. Neben dem Kamin war die einzige Tür zu sehen, die neben der Eingangstür vorhanden war. Sam schlussfolgerte, dass dahinter das Bad sein würde.

Sam erhob sich zitternd und lief zu dem Kamin hinüber. Ein paar Sekunden später hatte sie es geschafft und es loderte das Feuer auf. Schweigsam blieb sie davor stehen und wärmte sich die steifen Hände. Draußen pfiff der Wind.

~~~~~

Jack fühlte seinen Körper auf etwas weichem und warmen liegen. Seine Muskeln hatten sich im Schlaf vollends entspannt und waren noch nicht bereit, ihm zu gehorchen. Er hätte schwören können, dass er von irgendetwas Schwerem nieder gedrückt wurde. Jack zwinkerte mehrfach und schaffte es dann, seine Augen zu öffnen. Überrascht stellte er fest, dass es noch mitten in der Nacht sein musste. Alles um ihn herum war in Grautöne gebettet und still. Die Vorhänge waren nicht völlig geschlossen und Jack sah den Schnee im seichten Mondlicht glitzern. Erleichtert darüber, dass der Sturm nicht mehr wütete, drehte er seinen Kopf auf die andere Seite und sah nun sie. Sam saß am Fußende auf seinem Bett, hatte die Beine an den Körper herangezogen und ihre Arme darum geschlungen. Sie schaute zu ihm. Er registrierte, wie sie intensiv ein- und ausatmen musste.

Jack wühlte seinen Arm aus seiner Wolldecke und reckte ihn ihr entgegen. Sam reagierte nicht sofort. „Komm“, bat er sie liebevoll und untermalte seine Geste mit einem einzigen Wort. Sam löste ihre Haltung und kroch an seine Seite. Seine Arme hießen sie zärtlich willkommen und mit einem gezielten Wurf von ihm landete die Wolldecke über ihren beiden Körpern, die nicht aufhörten, sich eng aneinander zu drücken. Sam konnte seinen warmen Atem an ihrem Hals spüren, als er den Kopf näher an ihren bewegte. Seine Nase streichelte sanft die empfindliche Haut hinter ihrem Ohr, während seine Beine sich zwischen die ihrigen schmuggelten. Bereitwillig griff Sam nach seiner Hand auf ihrer Hüfte und zog sie um ihren Oberkörper zu ihrem Gesicht hinauf. Jack verlagerte unmerklich sein Gewicht auf ihren Rücken und Sam seufzte leise und zufrieden. „Bleib ein paar Tage hier“, murmelte er mit geschlossenen Augen.

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Sam musste unweigerlich lächeln, als sie noch einmal zurück blickte und ihn immer noch tief schlafend in den Kissen fand. Er hatte sich inzwischen bewegt. Jack lag auf dem Bauch, ein Arm hing über die Matratze und sein Kopf war in das Innere der Hütte gerichtet. Er sah friedlich aus, die Gesichtszüge waren entspannt und die Hände einmal nicht zu Fäusten geballt. Sam griff nach ihrem Mantel und legte einen Zettel auf ihr Kopfkissen.

Ich sehe nach dem Mietwagen und bin eine Weile weg. Er steht unweit eines Ladens in der Nähe des Flusses.

Sie war bereits seit einiger Zeit wach, denn eigentlich hatte sie nicht tief geschlafen. Die ruhigen Atemzüge des Mannes neben ihr waren wie Balsam für ihre traurige Seele. Vorsichtig hatte sie sich aus seiner Umklammerung gestohlen und blickte unsicher zurück, als die Matratze unter ihr nachgab. Sie wollte ihn nicht geweckt haben, denn obwohl er soviel Kraft aufwandte, es zu verbergen, litt er unermesslich; genau wie sie. Sam wusste, dass es noch ein langer, sehr langer Weg sein würde, bis sie beide ansatzweise Daniels Tod verarbeitet hatten. Schlaf tat ihm gut und mit Sicherheit war das momentan auch das einzige, was einigermaßen über diese Zeit hinweg tröstete.

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„Oh, dem Himmel sei Dank!“ Paul stand hinter dem kleinen Tresen seines Geschäftes und schlug die Hände betend zusammen. „Ihnen ist nichts passiert. Meine Frau und ich haben uns sehr große Sorgen gemacht“, meinte Paul sichtlich erleichtert, während er den Tresen, der eigentlich nur ein einfacher Holztisch war, umrundete und auf sie stürmisch zuging.

„Das war nicht nötig. Es ist alles in Ordnung.“ Sam musste über den Mann, der nur ein wenig älter als Jack war, lächeln. Er trug eine schwarze Wollhose, ein weißes Hemd und war ein wenig untersetzt. Das vollkommen ergraute Haar wurde langsam lichter. Sams Menschkenntnis verließ sie nicht. Er hatte ein gutes Herz und seine Fürsorge war echt. „Dank Ihrer Beschreibung habe ich die Hütte von General O’Neill schnell finden können.“

„Trotz des Schneesturmes?“ Paul sah nicht sonderlich überzeugt aus.

„Ja“, meinte sie schlicht und schloss die Tür hinter sich. Die kleine Glocke über der Tür ertönte abermals.

„Als ich den Wagen entdeckte und mir denken konnte, dass Sie zu Fuß unterwegs sind, wollte ich einen Suchtrupp losschicken.“ Paul erinnerte sich an diese Schrecksekunden. „Meine Frau hat Ihre Reisetasche reingeholt. Sie hat es wirklich nur gut gemeint.“ Paul musterte sie aufmerksam. „Sie dachte, wir könnten vielleicht jemanden anrufen“, schloss er entschuldigend.

„Gut, sie ist hier“, meinte Sam erleichtert. „Ich war ehrlich gesagt ziemlich erschrocken, als ich eben den Wagen leer vorfand. Wie sind Sie da rein gekommen?“ Sam zog die Handschuhe aus.

Über Pauls Gesicht huschte eine Spur Stolz. „Ich habe mich bemüht, keine Schadspuren zu hinterlassen. Ein Kinderspiel bei diesem Fabrikat.“ Jetzt lächelte er vielsagend. „Die lernen einfach nicht dazu!“

Sam verstand und war eher amüsiert als verärgert. „Ich müsste kurz telefonieren. Geht das von hier aus?“ Das Satellitentelefon hatte sie vorsorglich in Jacks Hütte gelassen. Sam war nicht wohl bei dem Gedanken gewesen, ihn ohne Kontaktmöglichkeit zurückzulassen.

„Sicher, sicher.“ Paul bedeutete ihr, ihm zu folgen. „Jacks Telefon geht noch nicht wieder“, fragte Paul etwas irritiert. „Ah, kann auch nicht“, fiel ihm ein, „seine Hütte ist einfach zu weit oben und die haben heute Morgen erst begonnen, aufzuräumen. Er wird sich wohl noch ein wenig länger gedulden müssen“, meinte Paul nickend. „Hier“, er deutete auf einen Wandapparat und wie Sam vermutete, wohl bereits zwanzig Jahre alt sein musste. „Als ich hörte, dass Sie noch nicht bei ihm angekommen waren … Mein Gott, rutschte mir da das Herz in die Hose.“ Pauls Hand ruhte auf seinem Brustkorb.

„Sie haben mit General O’Neill gesprochen?“ Sie hatte ihn nicht erreichen können, was wohl an der defekten Leitung lag. Sam schloss resignierend die Augen und ignorierte somit Pauls Stimmung. Sie hätte nicht fragen müssen. Jack hatte sich gesorgt, dass hatte sie gesehen und jetzt wusste sie auch warum. Das war eigentlich genau das, was sie nicht gewollt hatte.

Paul nickte wortlos und sich keiner Schuld bewusst. „Aber jetzt telefonieren Sie erst einmal in Ruhe.“ Er führte sie mit einer Hand auf dem Rücken näher zum Telefon. „Ich hole meine Frau, damit sie Ihnen Ihre Tasche geben kann.“ Paul eilte hinter einer Seitentür ein paar Stufen nach oben und ließ Sam allein.

Seufzend wandte sie sich dem Telefon zu. Sam hatte schnell eine junge Frau im Callcenter der Mietwagenfirma am Apparat, der das Auto gehörte. Die freundliche Stimme versicherte ihr, umgehend jemanden zu schicken, der sich vor Ort ein Bild machen sollte. Die Aussicht auf einen Tausch des Wagens war tröstlich. Sam hatte nicht vor, auf dem Rückweg Zeit zu verlieren, nur weil das Auto nicht so wollte wie sie. Langsam lief sie in den Laden zurück und besah sich Pauls gefüllte Regale.

Paul erschien kurz darauf und meinte zuvorkommend: „Meine Frau wird gleich hier sein.“

„Danke. Ähm …“ Ihr fiel jetzt erst auf, dass sie eigentlich nicht wusste, wie der Mann hieß.

Paul begriff und lächelte. „Nennen Sie mich einfach Paul. Das tun hier eh alle.“ Aufgeschlossen streckte er seine Hand vor.

„Paul“, nickte Sam und schlug ein. „Ich bin Sam Carter.“

„Ich weiß“, sagte er und zuckte mit den Achseln. „Anna, meine Frau,“, stelle er klar, „hielt mich ab, den Suchtrupp zusammenzutrommeln, als sie in ihrem Ausweis las, dass Sie Colonel der United States Air Force sind. Sie waren also nicht ganz schutzlos. Ich meine …“ Paul versuchte angestrengt, seine Äußerung abzumildern. „Überlebenstraining und so“, meinte er schließlich verschwörerisch.

Sam lachte, als sie den Gesichtsausdruck des Mannes vor sich sah. Was hatte Paul eigentlich für Vorstellungen? Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass Jack wohl nicht ganz unschuldig an Pauls Meinung sein konnte. Er hatte ein sicheres Talent, Offensichtliches unkommentiert zu lassen und somit lieber die Personen zu verunsichern. Sicher, so ganz einfach war es nicht gewesen, zu der Hütte zu gelangen. Aber dass sie bereits in aussichtsloseren Situationen noch dazu auf fremden Planeten feststeckte, konnte sie ihm nicht wirklich erklären.

Plötzlich wurde die kleine Nebentür geöffnet und eine hübsche, dunkelhaarige Frau betrat Pauls heilige Halle. „Ah, ich konnte es gar nicht glauben, als Paul meinte, Sie wären hier!“ Sie trug eine graue Jeans und ein einfaches T-Shirt mit einer schwarzen Strickjacke. Sie war schlank und in Pauls Alter. In ihrer rechten Hand hielt sie die kleine Reisetasche. „Hallo, ich bin Anna“, sagte sie, als sie an Paul vorbei und auf Sam zulief. „Schön, dass Sie wohlauf sind.“ Anna reichte Sam die Hand zur Begrüßung. „Bitte entschuldigen Sie. Wir wollten nicht indiskret sein.“ Anna schenkte Sam einen gütigen Augenaufschlag.

Auch wenn Sam die Aktion der beiden nicht verstanden hätte, wäre dieser Blick entwaffnend gewesen. „Sam, guten Tag.“ Sie stellte sich ebenso freundlich vor, auch wenn das eigentlich nicht mehr notwendig war. „Ist schon gut. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe.“

„Immer wieder gern. Wir kennen Jack schon eine ganze Weile und er hat nicht sehr oft Besuch hier oben, wissen Sie.“ Paul stellte sich neben seine Frau.

„Ja, ich denke, dass hat sie nun verstanden, Paul.“ Jack betrat das Geschäft. Er trug eine blaue Jeans, einen grauen Pullover und darüber eine dicke Jacke, die offen an seinen Seiten wedelte. Jack hatte geduscht und war rasiert und wirkte insgesamt aufgeräumter als gestern Nacht.

Alle sahen zu ihm zurück.

„Hey, Jack, Kumpel. Geht’s dir gut? Du warst kaum hier!“ Paul klopfte ihm auf die Schulter.

Sam blickte ihn an. Er hatte Paul nicht geantwortet, was ihr wiederum Antwort genug war.

Paul musste Jacks Schweigen nicht zu deuten gewusst haben, denn er drängte weiter: „Brauchst du irgendwas? Ich könnte dir …“

„Schon gut, Paul. Ich habe alles. Carter“, Jack sah zu ihr, „was ist mit dem Wagen?“

„Er springt immer noch nicht an, Sir.“ Sam senkte den Blick.

Jack presste die Lippen zusammen und fuhr sie finster an. „Den ganzen Weg zu Fuß? Bei dem Wetter? Carter!“

Sie nickte und sah schließlich zu Paul. Ja, auch Paul hatte es dieses Mal mitbekommen. Das eben war General Jack O’Neill.

„Ja, das habe ich ihr auch gesagt, Jack. Sie hat einen ziemlichen Dickschädel.“ Paul hatte das dringende Bedürfnis, sich entschuldigen zu müssen.

„Anscheinend muss man ihr Befehle erteilen, damit sie vernünftig bleibt“, meinte Jack eine Spur sanfter, presste aber immer noch die Zähne zusammen. Seine Wut war noch nicht vollends verflogen.

Sam räusperte sich unmerklich und hielt es für besser, nicht darauf einzugehen. Ja, sie war unvernünftig gewesen. Aber dafür gab es auch einen Grund. „Die Mietwagenfirma wird jemanden vorbeischicken. Wäre es möglich, dass ich den Schlüssel bei Ihnen lassen könnte, Paul? Dann müssen Sie nicht wieder Ihre verborgenen Kenntnisse anwenden.“

Paul hatte sich wieder gefangen und lächelte nun bübisch. Eifrig begann er zu nicken. Es war offensichtlich, dass er unbedingt helfen wollte.

„Ich komme dann morgen Früh einfach noch einmal vorbei und sehe nach dem Rechten“, schlug sie vor.

„Nein, nein. Das wird nicht nötig sein“, beeilte Anna sich zu sagen. „Wir sind doch hier. Der Weg von Jacks Hütte und zurück ist viel zu weit. Geben Sie mir den Schlüssel. Ich kümmere mich. Soll ich dem Monteur Beine machen? Wann wollen Sie eigentlich wieder zurück?“

Sam schielte zu Jack, der sie ausdruckslos musterte. Er schien auf ihre Antwort gespannt zu sein – und das seit gestern Abend. „Ich bin mir noch nicht sicher, Anna. Nein, ich denke nicht, dass Sie ihn hetzen müssen. Hier ist der Schlüssel und nochmals danke“, stimmte sie Annas Vorschlag schließlich zu.

Jack, der hinter ihr stand, griff, bevor sie überhaupt die Möglichkeit zum Bücken hatte, nach der Tasche und war in Richtung Tür unterwegs.

Anna meinte plötzlich: „Moment, Colonel Carter. Das wichtigste hätte ich fast vergessen.“ Sie rannte in die Wohnung zurück. Ihre eiligen Schritte auf dem Holz der Treppe waren deutlich zu hören.

Jack hatte nicht vor, draußen in der Kälte zu stehen und somit schloss er wieder die Tür.

Sam wartete gespannt und plötzlich fiel ihr Blick auf das, was die wieder herannahende Anna in der Hand hielt. Sam hatte es längst erkannt. So sehr sie sich auch bemühte, sie schaffte es nicht, rechtzeitig aus ihrer Starre zu erwachen und Anna zu stoppen, bevor es Jack sehen konnte.

Und so meinte Anna schließlich freudestrahlend: „Ich habe das Ultraschallbild auf dem Beifahrersitz gefunden. Hier, ihm ist nichts passiert. Haben Sie eine Tochter oder einen Sohn, Sam?“

Stille. Absolute, erdrückende, quälende Stille. Sam fühlte seinen eingefrorenen Blick ganz genau auf ihrem Rücken und doch schaute sie nicht zu ihm, sondern griff wortlos, aber zitternd nach dem Bild. In einer einzig fließenden Bewegung steckte sie das alte und vergilbte Ultraschallbild in ihre Manteltasche. „Ich habe kein Kind, Anna“, wisperte sie gegen den Drang der Übelkeit an.

„Aber … das ist doch … Ihr Name …“, erwiderte Anna stotternd und verstummte augenblicklich, als sie verstand. „Oh. Oh, Sam, es tut mir Leid. Sam, bitte, es tut mir Leid. Ich wollte nicht …“

Sam schluckte kräftig und unterdrückte die Tränen. Sie lief, ohne Jack zu beachten oder auch nur zu zögern, an ihm vorbei. Sam flüchtete schnellen Schrittes und ignorierte auch seinen parkenden Truck. Sie lief stoisch den Weg zurück, den sie zu Fuß vor ein paar Stunden angetreten hatte. ‚Was nun’, dachte sie hilflos.

„Jack, ich wollte wirklich nicht ... Tut mir Leid.“ Anna war am Boden zerstört. Paul hatte schützend den Arm um seine Frau gelegt und versuchte sie zu trösten. Seine Hand strich ihr seicht und kontinuierlich den Oberarm auf und ab.

Jack, der Sam aufgewühlt und vor allem besorgt nachsah, rieb sich mit der flachen Hand, die nicht die Tasche hielt, übers Gesicht und beeilte sich zu sagen: „Schon gut, Anna. Dich trifft keine Schuld. Mach dir keine Sorgen. Sie kann ne Menge vertragen.“ Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass ein Nachlaufen nicht erfolgversprechend war.

„Das mag wohl sein. Aber eine Frau …“ Anna schüttelte betrübt ihren Kopf.

Das klare Glockenläuten über der Eingangstür verstummte leise und ließ drei verwirrte Personen zurück.

~~~~~

Jack trommelte mit seinen Fingern seit gut und gerne fünf Stunden auf den Küchentresen, auf die Fensterbank, auf die Lehne seines Sessels, auf den Couchtisch und schließlich auf die Türklinke seiner Hüttentür. Unentschlossen und zähneknirschend drückte er sie nicht herunter, sondern setzte sich auf seinen Posten. Kurz darauf stand er wieder auf, lief im Wohnzimmer auf und ab und nahm schließlich wieder Platz. Er hatte den Sessel so ausgerichtet, dass er von dort aus gleichzeitig die Tür und Sam durch das verschneite Fenster beobachten konnte, ohne den Kopf zu drehen. Sam war zwei Stunden nach ihm bei seiner Hütte angekommen. Sie lief direkt auf den Steg am See zu und stoppte erst auf dem letzten Holzbalken ihren Schritt. Dort verharrte sie stehend seit nunmehr fünf Stunden. Mittlerweile was es dunkel und, obwohl er das Licht ausgeschaltet hatte, konnte er sie draußen nicht mehr erkennen.

„Das reicht jetzt“, meinte er bestimmt und stand auf. Bevor er hinaustrat, schaltete er das Licht wieder ein und zog die Tür schnell hinter sich ins Schloss. Das Licht flutete harmonisch durch die Fenster und erhellte nur geringfügig die Umgebung um die Hütte herum. Der Kamin knisterte vor sich hin und verbreitete eine angenehme Wärme. Was auch gut war, denn es war eisig kalt geworden. Bei jedem seiner eiligen Schritte, die er auf sie zu tat, knirschte der gefrorene Schnee unter seinen Füßen. Jack hatte es nicht anders erwartet: Sam stand noch immer kerzengerade auf seinem kleinen Holzsteg und zitterte wie Espenlaub. Er stoppte nah bei ihr und hob sie ohne lange zu überlegen in seine Arme hinauf. Er lief mit ihr geradewegs in die warme Hütte zurück. Als ob er nie etwas anderes getan hatte, hatte er die Tür geschickt geöffnet und ihr schließlich von der anderen Seite mit der Hacke seines Stiefels einen schroffen Tritt verpasst. Jack setzte Sam auf seine Kücheninsel und begann mit geschulten Fingern, sie aus dem steifgefrorenen Mantel zu befreien. Alarmiert hatte er registriert, dass sie noch immer keinen Widerstand leistete. Sie beobachtete ihn träge und hielt sogar seinem forschenden Blick stand, den er besorgt über ihr Gesicht schweifen ließ. Nachdem er den Mantel von ihren Schultern streifte, griff er nach den Schnürsenkeln ihrer Stiefel. Die Schuhe plumpsten geräuschvoll zu Boden. Als nächstes zog er ihr den Pullover aus. Wie bei einem Kleinkind befreite er erst den einen, dann den anderen Arm. Sam ließ ihn gewähren und als er den Pullover über ihren Kopf streifen wollte, trat er zwischen ihre Beine, um ihr dabei nicht wehzutun. Er konnte die Kälte spüren, die von ihrem noch immer zitternden Körper ausging und entschied schnell, sie auch von ihrer Hose befreien zu müssen. Er hätte gar nicht erst so lange warten sollen. Er hätte der Sache früher ein Ende bereiten müssen.

Sam, die mittlerweile vor ihm nur in einem dünnen Seidenhemd und BH mit Jeans auf dem Mantel, dessen Stoff sich malerisch auf der Kücheninsel drapierte, saß, hielt seine Hand an der Knopfleiste auf.

Sie sprach nicht, aber Jack verstand. Er schaute schnell zu ihr nach oben und auf direktem Wege in die Augen. Beinahe schmerzte die Stelle, wo sie ihn mit ihren kalten Fingern berührte. „Ich hole dir eine Decke“, murmelte er schließlich und war mit großen Schritten wieder schnell bei ihr.

„Was hast du zu Daniel gesagt“, wollte sie wie aus dem Nichts wissen, die Augen fest verschlossen.

„Wann?“ Jack glaubte, sich verhört zu haben. Was fragte sie da? Er achtete darauf, dass die am Kamin gewärmte Wolldecke auf ihren Schultern blieb und entfernte sich wieder.

„Du weißt wann“, blaffte sie zurück und stierte zu ihm hinüber.

Jack war bereits auf halbem Wege in sein Badezimmer, um sein Vorhaben, ihr ein warmes Bad einzulassen, in die Tat umzusetzen.

„Was.Hast.Du.Ihm.Mitgegeben“, drängte sie schreiend.

Er hielt in der Bewegung inne und benetzte sich die Lippen mit seiner Zunge. Jack schätzte die Situation ab, denn er wusste genau, dass sie das Thema nicht fallen lassen würde. Schließlich wandte er sich ihr zu und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich sagte, dass ich ihm verzeihe.“ Er wich ihrem bohrenden Blick zum ersten Mal seit langer Zeit aus. „Die Zeit damals … Ba’al und Kanan. Das war das einzige, was zwischen uns ungeklärt blieb.“

Sam hatte den Bourbon gerochen, den er getrunken haben musste, und wischte sich kapitulierend mit beiden Handflächen über das Gesicht. Dort hielt sie sie über ihren Augen und atmete zitternd hinter ihren Handflächen.

„Was passiert hier“, fragte er, als er sich mit beiden Händen durch das Haar fuhr.

Sam konnte eindeutig die Ratlosigkeit heraushören und nun war sie es, die seinen Blick suchte.

Jack hatte sich nicht merklich von der Stelle gerührt. Nur jetzt lehnte er gegen die Wand neben der Badezimmertür. Die Hände waren in seinen Hosentaschen unter Kontrolle.

„Wir haben Daniel verloren und alles fällt mit seinem Verschwinden auseinander“, wisperte sie leise und verlor den Kampf mit den Tränen.

Jack schwieg und sah sie beharrlich an. Er sank an der Wand hinunter auf den Boden, winkelte die Beine an und senkte den Kopf zwischen seinen Schultern. Seine Unterarme lagen ruhig auf den Knien.

Seufzend rutschte Sam schließlich von der Kücheninsel und wühlte in ihrem Mantel nach dem Bild. Sie kniete sich vor ihn hin und reichte es ihm. „Es liegt bei uns, ob wir das akzeptieren.“

Er hob den Kopf und überlegte kurz. Nach einem abschätzenden Blick zu ihr tat er es schließlich. Er schlug seine Augen nieder und besah sich das alte Bild von vor über zwölf Jahren. Anna hatte Recht, Sams Name stand darauf und vermutlich das Krankenhaus, in dem es aufgenommen wurde. Es war nicht amerikanisch.

„Dreh es um“, forderte sie angespannt.

Jack tat es und las ein Datum. Er erkannte ihre Handschrift und er erkannte das Jahr. In diesem Jahr zerstörte ein Schuss sein ganzes Leben.

„An diesem Tag habe ich abgetrieben“, erklärte sie ruhig, als ob sie nicht von sich selbst, sondern von einer anderen Frau sprach.

Er bewegte ruckartig den Kopf zu ihr und presste die Kiefer zusammen.

Sam ließ keine Pause entstehen und sprach weiter. „Mein Flugzeug stürzte damals ab. Ich hatte als einzige überlebt, nur damit man mich sechs Wochen in einem irakischen Gefängnis festhalten konnte. Wir waren ohne Kennmarken in diesem gottverdammten Krieg unterwegs und du weißt, was … was“, sie drohte, jetzt schon den Faden zu verlieren. Sam schaute schnell auf den Teppichboden.

Jack gab ihr und sich die Zeit zum Sammeln. Er wusste es, was sie nicht aussprechen konnte und so musste er dann doch mehrfach tief ein- und ausatmen. In ihm wirbelte Glut auf und drohte, alles in einem einzigen Feuersturm nieder zu brennen. Was hatte sie durchgemacht?

„Es war Richard, der sich schließlich ohne Befehl mit ein paar Männern auf die Suche nach mir machte. Sie haben dieses verdammte Loch zur Hölle gebombt und nachdem sie selbst zehn Tage unterwegs waren, kamen nur … drei von ursprünglich sieben mit mir zurück.“ Sam setzte sich im Schneidersitz ihm gegenüber. Ihre Hände langen ineinander. „Ich brauchte keine medizinische Untersuchung, um zu wissen, dass ich nach den Vergewaltigungen“, Sam stoppte kurz, als Jack scharf die Luft einzog und sich mit schmerzverzogenem Blick abwandte, „schwanger war.“ Sam weinte still, aber erzählte tapfer weiter. „Als Richard davon erfuhr, betrank er sich so stark, dass er in der Nacht im Krankenhaus auftauchte und dort ein Zimmer nach dem anderen verwüstete. Daher die Narbe an seinem rechten Auge.“ Sam wischte sich mit den Fingern die Tränen aus dem Gesicht. Sie schwieg für einen weiteren Moment und Jack tat es ihr wieder gleich. Sie sahen sich an. „Ich habe vier Tage danach abgetrieben, Jack. Es war schließlich Marie, die mir von damals an nicht mehr von der Seite wich. Mit der Zeit wurden diese Wochen des Novembers eine bittere Erinnerung. Als ich ein paar Monate später im Pentagon vom Stargate-Projekt erfuhr, wusste ich, dass das mein Licht am Ende eines langen schwarzen Tunnels ist. Nicht danach zu greifen, hätte bedeutet, meinen Untergang zu akzeptieren. Zwei Jahre später trafen wir uns zum ersten Mal im Besprechungsraum, bevor es wieder nach Abydos gehen sollte. Ich war auf alles vorbereitet.“ Sam schaute zur Decke der Hütte und ließ den Kopf in den Nacken fallen. „Auf alles, nur nicht auf dich; nicht auf den Unfall deines Sohnes, der im gleichen Jahr stattfand wie ... Ich war nicht auf deine Liebe vorbereitet, die mich abhielt, zu akzeptieren, dass alles endlich ist.“ Sam erhob sich und positionierte die Decke, die sie immer noch um ihre Schultern hatte, neu. Sie sah aus einem der Fenster. Es hatte wieder angefangen zu schneien. „Ich kann keine Kinder mehr bekommen“, sagte sie leise, aber so laut, dass Jack es hören konnte.

Jack saß noch immer regungslos neben der Badezimmertür auf dem Boden. Nur das Knistern des Kamins und ihr Schluchzen erfüllten den Raum. Sam schwieg seit einer Weile und Jack hoffte inständig, dass das bedeutete, nun alle grausamen Details zu kennen. Jack stützte sich ab und kam ungeschickt auf die Beine. Sein Knie schmerzte.

Von seiner ersten Reaktion nach ihrer Geschichte veranlasst, drehte sie sich zu ihm um. „Und nun“, fragte sie erschöpft, als sie ihn auf sich zukommen sah.

Jack stand dicht vor ihr und nahm sie tief in seine schweren Arme. „Ich liebe dich“, flüsterte er mit fester Stimme.

Sam spürte die Erleichterung in sich hochkriechen und krallte die Fingernägel in den Stoff seiner Kleidung. Schließlich weinte sie hemmungslos und drängte sich noch tiefer in seine Umarmung. Ihre wärmende Decke rutschte von ihren Schultern und landete unbeachtet auf dem Boden.

~~~~~

Sam schreckte panisch auf und versuchte, sich zu orientieren und dabei ihre Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Sie schwitze und ihr Herz raste vor Angst.

Jack saß mit überschlagenen Beinen auf der Couch und schaltete die Lampe in seiner Nähe ein. Die Hütte war ebenso trivial erleuchtet wie sein Wohnzimmer damals. Er schaute zu seinem Bett hinüber und ihre Blicke begegneten sich.

Sam warf die Decke über ihrem Körper und blieb an der Bettkante sitzen. Sie fuhr sich mit bebender Hand durch das Haar.

Er richtete sich nachdenklich auf, stellte sein Bier zur Seite und entschied sich dagegen, zu ihr zu gehen. Sam hatte gerade erst zwei Stunden in seinem Bett geschlafen, seit ihr in seinen Armen die Augen zugefallen waren.

Leise stand sie ein paar Sekunden später auf und griff in ihrer Handtasche nach einem kleinen Fläschchen. Sie nahm einen tiefen Atemzug und beruhigte sich merklich.

„Zu viele Erinnerungen“, fragte Jack behutsam nach, der sie beobachtet hatte.

„Ja“, flüsterte sie und setzte sich zu ihm.

Jack reichte ihr sein Bier und Sam nahm dankbar einen großen Schluck.

„Willst du mir davon erzählen“, fragte er unsicher nach.

Sam spielte mit dem Etikett der Flasche und ihr Blick war fest darauf gerichtet. „Ich habe für eine Sekunde gedacht, ich würde ihn riechen können.“

Jack, der sich nun mit den Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln abstützte, fuhr sich langsam mit seiner Zunge über die Oberlippe. „Möchtest du, dass ich hier schlafe“, überlegte er laut, ohne sie anzusehen.

„Nein“, meinte sie schnell und ziemlich laut. Sam war so schockiert, dass sie das Atmen vergas. Sie wollte noch etwas sagen, öffnete ihren Mund und schloss ihn aber sogleich wieder. Mit den Fingerkuppen fuhr sie sich über die Stirn und sammelte ihre Gedanken. „Sitzt du deshalb hier?“ Sam bekam nur einen abschätzenden Blick. „Jack“, fuhr sie nachdenklich fort, „ich habe Jahre nicht über das gesprochen, was du vorhin erfahren hast und ich habe auch nicht vor, diese Wörter noch einmal in den Mund zu nehmen. So lange ich lebe“, meinte sie bestimmt. „Ich liebe dich und ich möchte nicht, dass meine Vergangenheit ein unüberwindbarer Brocken wird“, wiederholte sie eindringlich. „Du könntest mich nicht verletzen.“

Jack lächelte milde und griff nach ihren Händen.

~~~~~

Sam krabbelte wieder zu ihm und schmiegte sich dicht an ihn. Das Feuer im Kamin loderte neu auf, denn sie hatte gerade eben einen weiteren Holzbrocken nachgelegt. Seit einer Weile lag er nun mit ihr seitlich auf seiner schmalen und viel zu kurzen Couch. Sein Kinn ruhte auf ihrem blonden Schopf und sie drücke ihr Gesicht an seinen Hals. Streichelnd berührten sie sich und lagen in den Armen des jeweils anderen.

„Hat Daniel davon gewusst“, fragte Jack konzentriert. Die Augen hatte er geschlossen und gab sich ganz der Ruhe nach dem Sturm hin.

Sam nickte und hörte seinem pochenden Herzen zu. „Damals, nach Penau.“

„Teal’c?“

„Nein.“

„Pete Shanahan?“

„Nein.“

„Hast du dir Sorgen gemacht, weil du glaubtest, ich möchte wieder Kinder?“

Es lag nicht in seiner Natur, Dinge ungeklärt zu lassen. Sam wusste das. Sie wusste auch, dass er nicht lange warten konnte, bis er Fragen stellen musste. Er wollte verstehen und dazu gehörten sie nun einmal. „Ja, aber nicht nur deswegen.“

„Was noch?“

Sam überlegte, wie sie es am besten formulieren sollte. „Wir haben nie über Charlie gesprochen. Ich wusste, dass du es nicht wolltest und somit schwieg auch ich. Als ich dann erfuhr, wann Charlie starb, konnte ich nicht mehr mit dir reden.“ Sam hob den Kopf. „Ich hatte eine Wahl, Sara und du nicht.“ Sie bettete ihren Kopf zurück.

Jack verdaute die Informationen und schwieg wieder. Er positionierte sein Bein, das über ihrer Hüfte lag, neu und übte mehr Druck aus. Ein paar Minuten später meinte er leise: „Ich kann nicht glauben, dass mir in all den Jahren nie etwas aufgefallen ist. Gerade ich hätte doch …“

Sam rutschte zu ihm nach oben. Er öffnete seine Augen. „Fang nicht damit an, dir darüber Gedanken zu machen. Niemand, auch nicht General Hammond hat irgendetwas Genaueres gewusst. Und ich wollte es auch nicht.“

„Noch nicht einmal er?“

„Nein. Na ja, jetzt schon – die neue Beförderungsstufe“, erklärte sie nachdenklich.

„Was habt ihr dort unten nur gemacht“, fragte er gedankenverloren, als Sam wieder ihre Position an seiner Halsbeuge einnahm und er mit seiner Hand über ihren Kopf fuhr.

Sam schwieg und er auch - jedenfalls für eine Weile. „Marie gab mir Daniels Abschiedsbrief.“

„Ich weiß.“

„Ich hatte den Eindruck, dass sie nicht nur deswegen kam.“

„Ich weiß.“

„Du hast dir wirklich eine sehr mutige Freundin ausgesucht. Sie steht dir in nichts nach.“

„Ich weiß.“

„Sie hat mein Familienfoto gesehen. Das, was im Wohnzimmer hängt.“

„Ich weiß.“

„Sam.“

Obwohl es ruhig klang, hörte sie die kleine mitschwingende Warnung. Sie schmunzelte. „Wie lange wolltest du eigentlich hier bleiben“, wollte sie ehrlich interessiert wissen.

Jack war über den plötzlichen Richtungswechsel verunsichert. „Eigentlich für den Rest meines Lebens. Warum?“

„Ich denke nicht, dass General Hammond uns beiden das erlauben würde.“

„Uns beiden“, fragte er schmunzelnd, aber überglücklich nach. Sein Gesicht zersprang vor Freude.

„Oder … nicht“, fragte sie schnell und schaffte es nur, bis zu seinem Mund aufzusehen. Sie hatte den Humor nicht gehört.

Jack hob ihr Kinn an, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Er küsste sie lang und innig. „Ich lasse dich nie wieder gehen, Sam.“

Und jetzt war es Sam, die ihn küsste und das Tempo ein wenig steigerte. Sie hatte befürchtet, er würde sich zurückhalten und genau das tat er auch. Seine Berührungen waren zögerlich und befangen. Sie wusste, dass ihre Vergangenheit ihn unnötigerweise bremste und das war falsch. Sie presste ihre Stirn an seine. „Jack, hör nicht auf, bitte. Ich sehne mich nach deinen Berührungen. Hör nicht auf.“

Sam konnte die unausgesprochene Frage in seinen Augen lesen und nickte daraufhin noch einmal kaum merklich. Obwohl die Bewegung so subtil war, war sie doch auch eindrucksvoll. Oft hatten sie sich auf Missionen nur mit Blicken verständigen können. Sam lächelte bei dem Gedanken, dass sie beide diese vertraute Art des Kommunizierens nie verlernt hatten.

Und Jack hörte nicht auf. Der Damm brach explosionsartig und spülte ihn und sie in einer einzig großen Welle der Erlösung fort. Die über Jahre verleugneten Gefühle, die Angst und die trüben Erinnerungen der letzten Zeit entluden sich in diesem einen Moment und beide hatten die Kontrolle über ihr Handeln verloren. Er war hektisch, wild und ungestüm, aber Sam lächelte unentwegt. Seine Hände rannten über ihren Körper und er atmete die ganze Zeit über stoßweise gegen ihre Haut. Ungeniert hatte sie schnell auf ihn reagiert und ihn ohne langes Zögern willkommen geheißen. Beide klammerten und zitterten und doch hätte sie es nicht anders gewollt. Und während sie noch in der süßen Erlösung ihres ersten Males schwamm, begann er bereits erneut, ihren Verstand zu entführen.

Das zweite Mal war leidenschaftlicher, langsamer, ernster. Sanft hatte er sie mit seinen Lippen berührt, wo nur er es durfte. Sie hatte nicht im Entferntesten mit dieser Zärtlichkeit gerechnet. Er hatte soviel gesehen und getan und er war so sinnlich. Sam war in seinen rhythmischen Bewegungen gefangen, die er gekonnt steigerte. Er kannte ihren Körper gut, berührte sie vertrauter als je ein anderer und zögerte den Moment hinaus. Sie ließ sich fallen, überließ ihm gern die Führung. Stumm rief sie seinen Namen und las in seinen dunklen Augen, was sie selbst empfand. Seine schmalen Finger ließen nicht von ihr ab. Und als er schließlich keuchend auf sie nieder sank, flehend ihren Namen rief, folgte Sam ihm nur ein paar Sekunden später.

~~~~~

Es begann ganz langsam zu dämmern und wie bei einem Kaleidoskop zierten kleine Schatten ein abenteuerliches Muster auf sein Gesicht und auf seinen Körper. Jack schlief und Sam beobachtete ihn von einem Stuhl neben seinem Bett aus. Sie hatte ein Bein auf die Sitzfläche gezogen und die Arme darum geschlungen. Sam trug sein weich fallendes, graumeliertes Flanellhemd und ihren Slip. Die Kissen, Decken und Laken ließen die letzten Stunden der Nacht erahnen und Sam verlor sich in der Erinnerung. Mit ihren Fingern strich sie sich durch das Haar und lächelte, als sie unweigerlich seinen Berührungen nachspürte. Jack murmelte leicht im Schlaf etwas Unverständliches und forderte so wieder ihre Aufmerksamkeit. Er schlief auf dem Rücken und die Zudecke lag tief auf seiner Hüfte. Er bewegte sich und seine rechte Hand fuhr zu dem leeren Platz neben ihm. Er seufzte. Suchend griffen die Finger über den Stoff der Laken und der Decken. Sams Lächeln wurde breiter und schließlich stand sie auf.

„Was muss ich eigentlich noch tun, damit du dich nicht ständig aus meinem Bett stielst“, fragte er vorwurfsvoll und schläfrig. „Das ist schon das zweite Mal und ich würde sehr gern einmal mit dir gemeinsam aufwachen.“

Sam lief zu seiner Bettseite hinüber und setzte sich. Sie beugte sich leicht nach unten und küsste ihn federleicht. Schnell stand sie wieder auf, bevor er ihn intensivieren konnte. Seine Hände hatten bereits den Weg unter das kaum zugeknöpfte Hemd gefunden.

Unzufrieden warf er sich wieder in die Kissen zurück und sah ihr mit hinter dem Kopf verschränkten Armen nach, wie sie die Küche betrat.

Plötzlich schwankte sie, hielt in der Bewegung inne und griff Halt suchend nach der Arbeitsplatte. Ihr war schwindelig und sie musste die Augen schließen.

Jack war sofort an ihrer Seite und stützte sie. „Whoaou, langsam! Was ist los“, fragte er besorgt und musterte sie.

„Nichts Besonderes“, sagte sie sarkastisch und berührte streichelnd seine Hand auf ihrem Oberarm, „ich müsste nur mal wieder versuchen, etwas zu essen.“ Sam kämpfte bereits jetzt schon gegen die Übelkeit an und dabei hatte sie das Wort nur erwähnt.

Jack überlegte kurz. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie gestern nichts gegessen hatte und am Vortag ihrer Anreise wohl auch nicht besonders viel. Kurzentschlossen hob er sie auf die Kücheninsel hoch und lief in das offene Schlafzimmer zurück. Er zog sich nicht mehr als eine schwarze warme Hose über den nackten Po und begann dann, ein paar Eier mit Speck in der Pfanne herzurichten. Die Kaffeemaschine gluckerte fröhlich und Sam sah ihm von ihrem zugedachten Posten aus zu. Es hatte keine zehn Minuten gedauert, als er ihr einen Teller in die Hand drückte. „Iss“, befahl er konzentriert.

Sam sah von ihm, auf den großen Haufen Rührei auf dem Teller und wieder zu ihm zurück. Seine Augen hefteten auf ihrem Gesicht. Gern hätte sie zu seinem geschmetterten Befehl etwas gesagt, ließ es dann aber doch sein. Also stocherte sie ein wenig ratlos in dem Ei. Sam schaffte es schließlich, und das war ihrer Willenskraft zu verdanken, ein bisschen zu essen.

Jack lehnte ihr gegenüber mit verschränkten Armen an der Küchenzeile und studierte sie. Schließlich griff er nach seiner Tasse und nahm einen großen Schluck Kaffee.

„Mir fällt das Essen schwer“, meinte sie unnötigerweise, als sie bereits überlegte, den Teller neben sich zu stellen und ihm damit zu erklären, dass sie einfach nicht mehr konnte.

Jack nickte und kräuselte die Stirn ein wenig. „Schritt für Schritt, Sam. Und jeden Tag ein bisschen mehr.“ Jetzt reichte er ihr eine Tasse Kaffee.

„Danke“, meinte sie. Das warme Porzellan fühlte sich gut in ihren Händen an. „Hat“, begann sie vorsichtig und senkte schuldbewusst den Blick, „Janet je mit dir über meinen Gewichtsverlust gesprochen?“

„Nein.“ Er stellte seine eigene Tasse ab und trat zu ihr. „Das war auch gar nicht nötig, ich habe es mitbekommen.“

Natürlich hatte er das. Sam sah ihn still an. „Hammond?“

„Nein, natürlich nicht“, meinte er ernst. „Mir wäre es von nun an lieber, wenn du zukünftig die Dinge nicht mehr mit dir allein ausmachen würdest.“

Ihr stiegen bei seinen liebevollen Worten Tränen in die Augen.

„Ich meine … wer könnte dich besser verstehen … als ich.“ Jack erwartete ihren Blick und als ihr Kopf sich wie vorausgesehen hob, versuchte er sich an einem Lächeln. „Sam, ich verspreche dir, wir überstehen diese, unsere Novembertage und wir werden Daniels …“ Jack brach ab und blickte zur Seite.

„Gemeinsam, so wie immer“, sagte sie schließlich und nickte ihm aufmunternd zu. Ihre Hand griff nach seiner und er verstärkte den Druck.

„Ja“, stimmte er zu, „denn, wenn nicht … ich wüsste ...“

Sam legte ihm den rechten Zeigefinger auf seine Lippen. „Shh“, nuschelte sie leise und küsste ihn. „Gemeinsam“, bestätigte sie noch einmal.

~~~~~

Nach drei Tagen funktionierte Jacks Telefon wieder. Dieser Umstand wurde ihnen schrillend mitgeteilt, als ein Anruf kam. Es waren Anna und Paul und ließen Sam wissen, dass ihr Auto fahrbereit hinter ihrem Haus stehen würde. Sam sprach noch ein paar beruhigende Worte mit Anna und Paul hatte Jack gebeten, seine letzte Bestellung abzuholen. Jack machte sich dann zwei Tage später endlich auf den Weg. Es schien die Sonne und Sam glaubte, dass, wenn die Lebensmittel nicht zu neige gegangen wären, er nie die Hütte verlassen hätte. Sie hatten bislang jede Minute zusammen verbracht und versuchten, die versäumte Zeit nachzuholen. Stunden, gemeinsam zu verbringen, hatte oberste Priorität und war auch nötig. Sam hatte keine Schuldgefühle und fühlte plötzlich eine Leichtigkeit, die sie von damals kannte, bevor sie im Irak mit dem Flugzeug abstürzte.

Sam wusste, dass er sich nicht lange aufhalten wollen würde. Also nutzte sie die Gelegenheit, um noch einmal bei Marie und Richard anzurufen. Beide waren über die Neuigkeiten glücklich und Marie versicherte ihr, dass mit dem Baby alles in Ordnung war. Sam wollte hier ihren restlichen Urlaub der ursprünglichen sechs Wochen verbringen und gemeinsam mit Jack entscheiden, wie es von nun an weiter gehen sollte.

Jack war seit Mittag von Paul zurück und nun war es später Nachmittag. Sam hatte nach dem Telefonat mit ihren Freunden etwas aufgeräumt und abgewaschen und vor allem den Kamin angezündet. Gemeinsam hatten sie sich nun davor niedergelassen. Sie trank Tee, er einen Kaffee. Jack hatte sich als erster hingelegt und bettete seinen Kopf in ihrem Schoß.

„Hey, Sam“, flüsterte er. Er strich ihr federleicht eine Strähne hinter das Ohr und streichelte sacht über ihre Wangenpartie. Er sah, wie sie langsam erwachte.

„Ich dachte, du wolltest duschen gehen“, murmelte sie völlig schlaftrunken. Sie lag in den Kissen und Decken vor dem Kamin.

„Das war ich, vor zwei Stunden.“ Jack lächelte amüsiert.

Erst jetzt schien Sam die Decke über ihrem Körper zu spüren und befreite schließlich ihre Arme daraus. Sie schluckte schwer und versuchte sich zu orientieren.

„Komm, ich bring dich ins Bett.“ Jack fuhr mit seinem linken Arm unter ihre Knie und mit dem rechten um ihren Oberkörper.

Sam fielen die Augen an seiner Brust erneut zu. „Einverstanden“, stimmte sie mit dem Tonfall eines Kleinkindes zu.

Jack lachte leise. Wie oft hatte er Zeit und Raum in seiner Hütte vergessen? Wie oft konnte er sich einfach fallen lassen, wenn er hier zur Ruhe kam? Jack konnte völlig von dieser und von anderen Welten abschalten, seine Erinnerungen ausblenden und Kraft schöpfen. Diese Gegend hatte etwas Magisches oder vielleicht war es auch nur die Bequemlichkeit, die sein geschundener Körper nach einer anstrengenden Mission suchte.

Sam fühlte noch im Halbschlaf, wie er sie auf das Bett legte und sorgfältig zudeckte. Es kostete sie viel Kraft, um ihre Augen zu öffnen und doch tat sie es, nur um wage seine Gestalt erkennen zu können. „Bleib“, befahl sie ihm erschöpft, als sie in dem dunkeln Raum seine Silhouette schwinden sah.

Jack zögerte nicht wirklich und ging dann wieder zurück. Ein paar Sekunden später fand er an ihrem Rücken ebenfalls Ruhe.

Sie griff blind nach seiner Hand und führte sie um ihre Hüfte herum.

Er rutschte mit seinem Becken näher an sie heran und übte auf ihrem flachen Bauch einen seichten Druck aus.

Sam korrigierte ihre Position leicht in seine Richtung und er kuschelte sein Gesicht in ihr Haar.

~~~~~

Jack war nicht von seiner Entscheidung abzubringen. Er wollte den Rücktritt und Sam verstand nach ein paar Diskussionen auch warum. Er hatte schon zuviel gesehen, dass es für mehrere Leben reichte und jetzt brauchte er diese Zeit in seinem Leben. Nach Daniels Unfall war etwas in ihm zerbrochen und auch Sam konnte ihn nicht überzeugen, wieder in den aktiven Dienst einzusteigen. Über beratende Möglichkeiten wollte er mit General Hammond sprechen, wenn sie beide wieder nach Colorado Springs zurück fahren würden. Dies sollte aber noch ein paar Wochen dauern.

Sam begann, abzuschalten und sich zu erholen. Die Ruhe hier oben war gerade zu Beginn so laut, dass sie das Gefühl hatte, es nicht länger ertragen zu können. Sam joggte dann meistens durch den Wald und Jack hatte schnell eingesehen, dass sie sich durchaus noch „im offenen Feld“, wie er es nannte, bewegen konnte, ohne sich zu verirren. Sie genoss die Zeit mit ihm und hatte ihre anfänglichen Befürchtungen, Jack eigentlich nur auf dienstlicher Ebene zu kennen, schnell über Bord geworfen. Er war immer noch er.

Jack hingegen hatte zu kämpfen. Er fühlte sich noch immer für Daniels Tod verantwortlich und auch Sams Erlebtes nagte an ihm. Jedes Mal, wenn Sam und er sich über die letzten neun Jahre im Stargate-Center unterhielten, durchwühlte er seine Erinnerung und hinterfragte gedanklich all ihre Entscheidungen. Ab und zu kam er ihr sogar auf die Schliche.

„Du hast damals gesagt, du wusstest es, dass Cassies Bombe nicht hochgehen würde, als wir alle in diesem beschissenen Bunker warteten.“ Jack war wirklich sauer. Seine Faust landete auf der Tischplatte und ließ Sams Tee überschwappen. Sein jetziges Wissen ließ ihr Bleiben in einem anderen Licht erscheinen.

„Jack, ich konnte sie dort unten nicht allein sterben lassen.“ Sam erhob sich und lief ihm nach.

„Gott verdammt, Sam.“ Er rieb sich resigniert über die Augen.

„Cassandra stolperte genauso unerwartet in mein Leben wie du. Und damals dachte ich wirklich, sie wäre mein Schicksal. Gerechter Ausgleich, wenn du so willst.“ Sam legte ihre Handfläche über sein Herz und Jack atmete daraufhin tief durch.

~~~~~

Wenn Sam einmal nicht bei ihm war, setzte er sich vorwiegend an seinen zugefrorenen See und schaute in die Ferne. Hier drifteten seine Gedanken ab und meistens vergaß er die Zeit. Einmal war es sogar vorgekommen, dass Sam nach dem Joggen bereits geduscht war und er sich immer noch nicht zu ihr gesellte. Nachdem sie sich mit einer Decke und einer Flasche Bier bewaffnet hatte, ging sie zu ihm nach draußen. Sie wollte ihn im Gesicht berühren. Nie im Leben hätte Sam gedacht, dass er so erschrocken zusammenfahren würde. Seine große Hand schnellte zu ihrem Handgelenk hoch und umfasste es kräftig. Sams Körper geriet in Alarmbereitschaft. Während sie reflexartig die Umgebung taxierte, rutschte ihr ein unangebrachtes „Sir?“ heraus. Kurz darauf besann sie sich und nahm schweigend seine Hand. Sie lotste ihn in die von nun an stets warme Hütte zurück.

Der Tag war wieder einmal wie alle anderen auch schnell verflogen und so sehr Sam auch versuchte, die Stunden mit ihm festzuhalten, rann ihr die Zeit ungehindert durch die Finger. Die Sonne ging langsam unter, als sie gerade beschloss, sich wieder von ihm zu erheben. Er griff an ihre Hüfte. „Hier geblieben.“ Jack lag mit dem Rücken auf seinem Bett.

„Aber dein Knie“, protestierte sie ohne Aussicht auf Erfolg und verlagerte ihr Gewicht auf ihre Kniescheiben.

„Nicht so schlimm. Also weiter“, bat er freundlich und drückte sie auf sich zurück.

„Wir werden ein Umzugsunternehmen brauchen“, meinte sie.

Sam hatte mangels an Alternativen schließlich doch eingewilligt, erst einmal in Colorado Springs zu ihm zu ziehen. Die Mieter in ihrem Haus hatten es sich erst vor ein paar Wochen bequem gemacht und würden jetzt nicht wirklich ans ausziehen denken wollen. Ihre Wohnung in Washington wäre definitiv zu klein und zu weit weg gewesen und so hatte Jack, dessen Augenbrauen daraufhin gefährlich zuckten, Recht bekommen.

„Das denke ich auch. Langley wird nicht noch einmal helfen wollen, nehme ich an“, fragte er grinsend.

„Wie kommst du darauf, dass Richard mir beim Umzug geholfen hat?“

Jack atmete entwaffnend aus. „Ich habe ihn gesehen.“

Sam überlegte kurz und setzte sich neben ihn. „Du warst da draußen“, schlussfolgerte sie.

„Natürlich!“ Er hatte fest einen Balken seiner Decke taxiert.

„Du hättest klingeln können.“ Sie sah angespannt zu ihm hinüber und schüttelte sogleich den Kopf. Sie senkte den Blick. Natürlich hätte er das nicht gekonnt.

„Sam“, sprach er beschwichtigend und schaute nun ebenfalls zu ihr, „was hätte ich sagen sollen?“

„Woher wusstest du eigentlich von dem Treffen?“ Sam kreuzte die Beine.

„Daniel“, antworteten sie gemeinsam und nickten sich geknickt zu.

„Er hat immer an uns geglaubt“, meinte Sam nachdenklich.

Jack presste die Lippen aufeinander und schaute gebannt zu ihr. „Als ich Langley sah, dachte ich wirklich, dass es vielleicht an der Zeit wäre, dich loszulassen. Du solltest in Washington glücklich werden.“

~~~~~

In Colorado Springs hatte es zur Abwechselung mal länger nicht geschneit, als Jack und Sam bei seinem Haus ein paar Wochen später ankamen. Beide hatten sich so an eine schneebedeckte Umgebung gewöhnt, dass es hier schon etwas sonderlich aussah.

„Wenn du nicht augenblicklich deine Hüfte still hältst, garantiere ich dir, werden wir uns beide heute bei Hammond verspäten.“ Jack griff nach ihrer Hand, die sich obendrein auf seinem Bauch streichelnd abwärts bewegte. Während er mit ihr auf seinem Bett im Schlafzimmer lag, befand sich Sam halb auf ihrem Bauch liegend dicht an ihn gedrückt. Sie hatte ein Bein in seinen Schritt gelegt und ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter.

Sam öffnete ihre Augen und lachte angesichts seiner Bemerkung leise. „Wie spät ist es?“

Jack drehte seinen Kopf, um die Uhr sehen zu können. „Gleich elfhundert“, meinte er und verschränkte seine Finger mit ihren. Langsam schloss er wieder die Lider, als er ihr einen Kuss auf das Haar gab.

„Wir haben noch viel Zeit“, flüsterte sie müde gegen seine Brust.

„Von nun an zu wenig. Wir hätten Minnesota nicht verlassen sollen. Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern.“

Sam stützte sich auf seinem Oberkörper ab und richtete sich auf, um ihn ansehen zu können. Er streichelte nun ihren Rücken und Sam küsste sein Kinn.

Jack lächelte ruhig und schob die Frau in seinem Arm nun ganz auf seinen Körper hinauf. Gemeinsam atmeten sie im Takt und sahen sich an.

Sam überlegte kurz. „Wie geht es dir?“ Sie faltete ihre Hände auf seiner Brust und stützte ihr Kinn darauf ab.

„Wieso fragst du?“ Jack senkte stutzig seinen Blick.

Sam zählte auf: „Rücken, Knie, Schnittwunden … Willst du noch mehr?“

„Bloß nicht!“ Jack faltete seine Hände auf ihrem Rücken. „Klingt so, als ob du dich in einen ziemlich alten Mann verliebt hast, Sam“, sinnierte er.

„Das stimmt nicht.“ Sam küsste genüsslich seine Unterlippe.

Augenblicklich öffnete er seine Augen. „Dass du dich verliebt hast“, fragte er unbegreiflich nach.

„Dass du alt bist“, antwortete sie schnell und lächelte erneut, als nun er sie küsste.

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General Hammond wirkte nicht sonderlich überrascht, als Jack gemeinsam mit Sam in seinem Büro erschien. Jack erklärte ihm, wie er sich seine Zukunft vorstellte und dass Sam darin eine zentrale Rolle spielen würde.

George Hammond hatte sich lediglich nach dieser Ansprache in seinen Stuhl zurückgelehnt und lächelte milde. „Ihr Vater, Sam, hätte es nicht anders gewollt. Glauben Sie mir. Er sagte immer, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis beide von Ihnen erkennen würden, auf was es ankommen sollte.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er an Jack gewandt weitersprach: „Jack, mir schwebt da etwas ganz Spezielles vor, was ich genauer mit Ihnen diskutiere möchte. Lassen Sie mich ein paar Anrufe erledigen.“

„Keine Missionen mehr, Sir“, bekräftige Jack noch einmal seinen Wunsch.

Sam hingegen hatte sich mit dem Gedanken angefreundet, wieder einem SG-Team beizutreten. Sie wehrte sich aber vehement, SG-1 anzuführen, was George Hammond ihr durchaus in der Zukunft in Aussicht stellte.

Teal’c war zwei Tage zuvor wieder auf der Erde angekommen und er und Sam waren nun Mitglieder von SG-2. Es sollte nie wieder ein SG-1-Team geben und das versprach General Hammond Sam in die Hand.

Mit verschränkten Fingern und festem Schritt liefen sie durch die Gänge des Cheyenne Mountains und traten in den Fahrstuhl, der sie an die Oberfläche bringen sollte. Als die Türen sich schlossen, zog er Sam in seine Arme und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Danke. Danke hierfür.“

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Richard blieb mit Marie an seiner Seite stehen und beide sahen Jack und Sam zu, wie sie auf Daniels Grab zuliefen.

Sam ließ seine Hand los und nickte ermutigend. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf den Mundwinkel. Ernst sah sie ihn an. „Na los“, meinte sie sicher.

Jack ging die letzten Meter allein und Sam hatte alle Mühe, ihn auch allein gehen zu lassen.

Marie trat schnell an ihre Seite und legte eine Hand um ihre Taille. Beide Frauen sahen zu, wie Jack an Daniels Grab in die Knie ging. Sam begann zu zittern und unweigerlich stiegen Tränen in ihren Augen auf. Ihre Hand schnellte an den Mund.

Ihre Freundin festigte den Griff und hielt sie auf. „Nein, Sam. So und nicht anders ist es richtig.“

Sam nickte unsicher, ließ aber Jack nicht aus den Augen.

Ein paar Minuten später kam er zurück, zog seinen Handschuh der rechten Hand aus und wischte Sam mit seinem Daumen eine Träne aus dem Gesicht, gefolgt von einem federleichten Kuss auf ihre kalten Lippen.

Marie hatte sich zurückgezogen und wartete nun neben Richard, der noch immer an dem großen Eisentor stand.

„Daniel hatte Recht“, meinte er und fuhr mit einem traurigen Lächeln fort, „wie immer - meistens jedenfalls.“

Sam sah zu ihm auf und wartete, dass er sich erklären würde.

„Man hat immer eine Wahl“, sagte er dann und führte Sam in seinem Arm vom Friedhof.


~~~~~ ENDE ~~~~~
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