Spiel mit der Vergangenheit by Mac
Summary: Ein Racheakt hat für Jack und Daniel fatale Folgen - und sie lernen einen Freund fürs Leben kennen.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Multi-Chara, Other Character
Genre: Crossover, Friendship, General
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 4 Completed: Ja Word count: 50009 Read: 19436 Published: 24.04.12 Updated: 24.04.12
Story Notes:
Ein Dankeschön an alle, die mich wissend oder unwissend inspiriert haben, an Lya fürs Betalesen, an Giotto fürs Antreiben sowie an Brummelbär für seine aufgebrachte Geduld und die guten Tips.

1. Kapitel 1: Ein teuflischer Plan by Mac

2. Kapitel 2: Rettung vor der Hölle by Mac

3. Kapitel 3: Der Weg in die Freiheit by Mac

4. Kapitel 4: Zurück nach Hause? by Mac

Kapitel 1: Ein teuflischer Plan by Mac
Spiel mit der Vergangenheit


Teil 1: Ein teuflischer Plan


Washington

Der blaue Winterhimmel füllte sich langsam mit Wolken und ein heftiger Wind ließ die Bäume im Stadtpark erzittern.

Auf einer Bank saß ein Herr mittleren Alters und studierte ein Foto mit einem seltsamen Gegenstand darauf. Sein Mantel verdeckte die darunter liegende Uniform fast vollständig und nur versierte Beobachter konnten erkennen, daß er den blauen Anzug eines Offiziers der Luftwaffe trug. Es war die Zeichnung eines Gerätes, mit dem er sich die Welt erobern würde. Doch zuvor wollte er den Mann vernichten, der Schuld hatte, daß seine besten Männer jetzt im Gefängnis saßen. Ohne seine Einmischung hätte er längst alle Fäden in der Hand halten können.

Er wechselte das Foto in seiner Hand gegen ein anderes aus und grinste wölfisch. Ja, für ihn hatte er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Auf dem Bild war ein Air Force-Angehöriger zu sehen, auf dessen Brust das Namensschild überdeutlich zu erkennen war:

Col. Jonathan O’Neill.

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Colorado – SGC

"Unautorisierte Aktivierung von außen" tönte die Computerstimme aus den im Stargatecenter montierten Lautsprechern. General Hammond saß an seinem Schreibtisch in seinem Büro und hob erstaunt den Kopf. Er hatte immer noch ein ungutes Gefühl im Bauch, wenn das Sternentor unplanmäßig angewählt wurde. Mit einem lauten Seufzen stand er auf und ging durch die Tür in den Besprechungsraum. Das einzige Team, das sich zur Zeit Off-World befand war SG-1, und die waren erst knapp zwei Stunden fort.

Er warf einen kurzen Blick durch das große Fenster auf den runden Kreis, vor dem sich gerade die zuständige Einheit mit ihren erhobenen Waffen versammelte. Die aus Titan bestehende Iris schloß sich und er eilte die Stufen hinab in das Kontrollzentrum. "Noch kein Code, Sir!" wurde er von dem Techniker am Computer begrüßt. Hammond starrte ungeduldig auf den Flachbildschirm, der das Signal des eingehenden GDO-Codes unverzüglich darstellen würde. Nach endlosen Sekunden erschien dann endlich eine Zahlenkombination, die die Eintreffenden als SG-1 identifizierte.

"Iris öffnen" befahl der General erleichtert.

Einen langen Augenblick geschah gar nichts. Dann durchbrachen die Figuren der vier Teammitglieder die unruhige quecksilberähnliche Oberfläche des Ereignishorizontes.

Major Samantha Carter wurde per Rettungssitz vom Teamleiter Colonel Jack O’Neill und dem Jaffa Teal’C getragen. Sie hatte beide Arme um die Schultern ihrer Kameraden gelegt und brauchte ihre ganze Kraft, um sich daran festzuhalten.

Dahinter erschien Dr. Daniel Jackson, der Archäologe und Linguist der Gruppe, der sich mit dem zusätzlichen Gepäck des verletzten Majors abmühte.

"Medizinisches Notfallteam sofort in den Stargate-Raum" ordnete der Leiter des SGC an. Dann ging er in den Torraum hinunter, um seine Mannschaft zu begrüßen. Dort angekommen traf er auch schon auf Dr. Janet Fraiser, die schnell mit einer Trage und zwei Assistenten an ihm vorbeieilte.

"Was ist passiert?" war die erste Frage von ihr, als sie half, Sam Carter aus ihrer mehr oder weniger unbequemen Lage zu befreien.

"Sie ist abgestürzt" bekam sie auch gleich die Erklärung von O’Neill. "Es waren so ca. 6 m. Ihr rechtes Bein hat was abbekommen und vielleicht die Rippen."

Sie legten die Verletzte auf die Bahre und Jack klopfte ihr sanft auf die Schulter. "Wird schon wieder, Major" lächelte er ihr aufmunternd zu und sie erwiderte es mit schmerzverzerrtem Gesicht und ließ sich aufatmend zurückfallen.

General Hammond blickte erwartungsvoll auf seinen zweithöchsten Offizier, sein Blick sagte, daß er mit diesem knappen Bericht noch nicht ganz zufrieden war.

"Keine Goa’Uld, Sir" ergänzte dieser schließlich und setzte sich neben Daniel auf die Rampe, um etwas Atem zu holen. Carter war zwar kein Schwergewicht, aber nach einer Weile kam ihm auch das leichteste Gewicht vor, als wenn eine Tonne an seinem Arm hing. Teal’C schien dagegen keine Probleme zu haben.

"Nach dem Sturz hielt es O’Neill für das Beste, sofort zur Basis zurückzukehren." nahm er Jack die Worte aus dem Mund.

"Carter holte einige Proben von einem steilen Abhang. Sie meinte, die Bodenbeschaffenheit dort gäbe ihr Aufschluß über einige MALP-Daten. Dabei löste sich eine Steinlawine und sie stürzte ab."

Daniel stöhnte und erhob sich aus seiner sitzenden Position, als O’Neill mit seiner Ausführung geendet hatte. Erst jetzt fiel Hammond auf, daß auch der Rest von SG1 mit Kratzern übersät war und Daniel bereits den Ansatz eines ausgewachsenen blauen Auges aufwies.

"Es scheint mir, daß diese Steinlawine nicht nur Major Carter erwischt hat" bemerkte er. "Melden Sie sich bei Dr. Fraiser. Besprechung um 1100." Damit entließ er das angeschlagene Team und kehrte in sein Büro zurück. Die drei packten ihre Ausrüstung und verließen den Raum in Richtung Krankenstation, um sich vor allem zu erkundigen, wie es Sam ging.

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Drei Stunden später waren O’Neill und Dr. Jackson wieder unterwegs ins Krankenrevier. Sie hatten die Besprechung hinter sich gebracht, welche aufgrund der mißglückten Mission und fehlender Erkenntnisse nicht sehr lange gedauert hatte, und den Rest des Tages frei bekommen. Teal’C hatte sich in sein Quartier zurückgezogen und nun waren sie unterwegs, um sich von Sam zu verabschieden und ihr noch mal eine gute Besserung zu wünschen.

Sie stürmten wie zwei ausgelassene Schuljungen in Sams Zimmer und ernteten dafür einen tadelnden Blick von Janet und ein herzerfrischendes Lachen von Sam, welches jedoch sofort wieder verstummte, als sich ihre Rippen darüber beschwerten. Sie lag mit erhöhtem einbandagiertem rechten Bein in einem der Betten und sah schon wieder um 100 % besser aus.

"Na, wie geht’s Ihnen, Carter?" Jack bremste vor dem Bett ab und setzte sich vorsichtig an das Fußende.

"Schon wieder ganz gut, danke" erwiderte sie.

Daniel stellte sich an die andere Seite: "Was fehlt denn jetzt Deinem Bein?"

"Zum Glück ist es nicht gebrochen, nur ordentlich verstaucht. Es wird einige Tage dauern, bis ich das Knie wieder richtig bewegen kann."

"Da hattest Du Glück im Unglück" bemerkte Daniel.

"Ja, ich könnte mich ohrfeigen, daß ich Euch so in Gefahr gebracht habe" sagte sie und deutete auf das Veilchen in Daniels Gesicht.

"Na ja, jetzt müssen Sie endlich mal ausspannen" grinste Jack schadenfroh "und Sie sind auch noch selber Schuld." Dann fuhr ein Schatten über Carters Gesicht und Jack bereute sofort, was er gesagt hatte." "Hey, das ist Ihre Arbeit. Machen Sie sich jetzt bloß keine Vorwürfe!" munterte er sie auf.

"Nein, mach ich nicht" entgegnete sie und hob den Blick.‘ "Ich hab' nur ein anderes Problem."

"Nur raus damit" forderte Jack sie auf. "Wir sind bekannt dafür, jedes Problem lösen zu können!"

Carter drehte den Kopf zu Daniel und sah ihn bittend an:

"Ich habe Cassie versprochen, sie heute nachmittag von der Schule abzuholen. Sie schreiben eine Arbeit in Chemie und ich wollte ihr heute nachmittag in meinem Labor bei einigen Versuchen helfen. – Sie hat sich so drauf verlassen und alleine kann ich sie unmöglich dort arbeiten lassen."

Daniel setzte seinen Hundeblick auf, nicht so recht wissend, wie er ihr diese Bitte abschlagen konnte. Er hatte sich so auf einen ruhigen Nachmittag zu Hause gefreut. Jack kannte den jungen Archäologen lange genug, um erkennen zu können, daß er so gar keine Lust dazu hatte. Er mochte Cassandra sehr gerne.

"Naja, wenn ich etwas von Chemie verstehen würde. Aber wie wäre es, wenn wir Cassie von der Schule abholen, Hausaufgaben machen und sie fragen, ob das Versuchszeug nicht ein paar Tage warten könnte."

Mit diesen Worten sah er Jackson und Carter erwartungsvoll an. "Als Trostpflaster könnte ich ja mit ihr ein Eis essen."

"Das würden Sie tun, Sir?" Erstaunt drehte Sam den Kopf in seine Richtung. "Warum nicht? Solange ich nicht in Ihrem Labor Stunden damit zubringen muß, Cassie davon abzuhalten, alles in die Luft zu jagen" grinste er sie an.

Daniel schluckte. Auf solche Erfahrungen konnte auch er sehr gut verzichten.

"Also gut!" willigte er schließlich ein. "Ich rede mit ihr. Nur die Hausaufgaben. Den Rest könnt Ihr ein anderes Mal nachholen."

Überglücklich drückte sie den jungen Wissenschaftler an sich und strahlte die beiden an. So hatte sie wenigstens kein schlechtes Gewissen mehr.

"Aber jetzt wird sich ausgeruht!" warf der Colonel in seinem besten Befehlston ein. "Ich werde Fraiser Bescheid geben wegen Cassie." Er erhob sich vorsichtig, darauf bedacht, Sams Knie nicht zu belasten und zupfte Jackson am Ärmel. "Komm schon, Du kannst ja später die unersättliche Astrophysikerin mit wissenschaftlichem Gesülze eindecken!"

"Danke Euch beiden!" rief Sam ihnen noch nach und fiel lächelnd in ihre Kissen zurück.

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In einem Wagen vor der Basis sah ein Mann den Colonel und seinen Kollegen aus dem Tunnel kommen. Er legte sich grinsend zurück und beobachtete, wie die beiden in Jacks Jeep stiegen und durch die Kontrollen Richtung Stadt verschwanden.

Er griff zu seinem Telefon und wählte die Nummer seines Kontaktmannes: "Sie fahren jetzt los. Schalte das Peilgerät ein!"

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Die Straße vor Cassies Schule war überfüllt mit Fahrzeugen wartender Eltern und Schüler. So beschlossen Jack und Daniel, ihr Auto in einer Nebenstraße zu parken und zu Fuß zum Eingang zu gehen. Sie hatten noch fast eine Viertelstunde Zeit, bevor Cassie das Gebäude verlassen würde und sie setzten sich auf eine Bank. Es war Winter in Colorado und empfindlich kalt und beide schlugen die Jackenkragen hoch und steckten die Hände in die Taschen.

Unbemerkt hielt ein weißer Lieferwagen neben ihnen und zwei bullige Männer stiegen aus und öffneten die hintere Seitentür. Im Schutz des Wagens holten sie jeder eine Flasche aus der Jackentasche und tränkten eine Flüssigkeit auf ein Stück Stoff. Ein Gespräch vortäuschend schlenderten sie hinter die Parkbank und auf ein geheimes Zeichen hin, legten sie los.

Daniel war gerade dabei, eine seiner auf archäologischen Funden basierende Geschichte auszuschmücken, die Jack meistens schon im Ansatz zu ersticken wußte, als eine kräftige Hand sich von hinten auf seinen Mund legte und er automatisch einen tiefen Atemzug tat. Bevor Jack auch nur reagieren konnte, ereilte ihn daßelbe Schicksal.

Während Daniel ziemlich schnell die Wirkung des Betäubungsmittels zu spüren bekam und schlaff in den Armen seines Angreifers hing, hatte Jacks Gegner kein so leichtes Spiel. Durch jahrelanges Spezialtraining waren seine Sinne geschärft. Er drehte sich um und packte den Mann, noch ehe er das Chloroform einatmen konnte. Er zog den überraschten Täter über die Bank und gab ihm einen gekonnten Kinnhaken, dessen Wucht ihn mitsamt seinem Ziel zu Boden gehen ließ. Doch noch bevor er ihn mit einem zweiten Schlag k.o. schicken konnte, spürte er einen harten Gegenstand mit seinem Kopf kollidieren und sackte bewußtlos nach vorne.

Die ganze Aktion hatte nicht einmal eine Minute gedauert und die beiden Männer schleppten ihre Opfer in den Innenraum des Lieferwagens und verschwanden dann so schnell sie konnten im dichten Verkehr.

Nur ein paar ungläubige Blicke folgten dem weißen Wagen. Als die von Passanten informierten Polizeibeamten wenig später am Tatort eintrafen, ging alles bereits wieder seinen gewohnten Gang und im Eifer des Gefechtes gab es keinen einzigen brauchbaren Hinweis, was eigentlich geschehen war.

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Kopfschmerzen und Übelkeit waren das erste, das Daniel nach seinem Erwachen bemerkte. Er lag auf dem Rücken, in einem kalten stockdunklen Raum, in dem es muffig roch. Seine Arme waren über dem Kopf irgendwo mit Handschellen festgemacht und langsam überkam ihn die Erinnerung an das, was geschehen war. Dann hörte er ein Stöhnen und versuchte, sich danach umzudrehen.

Jack befand sich in derselben Situation und war scheinbar schon eine Weile länger wach. Dem anstrengenden Keuchen nach zu urteilen versuchte er vergeblich, sich aus seinen Fesseln zu befreien.

"Jack" krächzte Daniel heiser.

"Na endlich!" hörte er die erleichterte Stimme seines Freundes. "Dachte schon, Du wachst gar nicht mehr auf."

"Wo sind wir? Ich kann gar nichts sehen."

"Kein Wunder, Du hast eine Augenbinde. Aber auch ohne würdest Du nicht viel erkennen. Es gibt hier keine Fenster – Wir sind in irgendeinem Keller oder Bunker oder sonstwo."

Man konnte die Frustration in seiner Stimme deutlich erkennen. O’Neills Augen hatten sich in der Zwischenzeit an die Dunkelheit gewohnt. Nachdem er ebenfalls mit rasenden Kopfschmerzen aufgewacht war, hatte er den Ernst der Lage relativ schnell erkannt und versuchte nun schon seit einer geraumen Weile, sich aus seiner mißlichen Lage zu befreien. Jedoch ohne Erfolg und die Tatsache, daß Daniel nicht zu sich gekommen war, hatte ihn einer Panik nahegebracht.

Er hatte sich seiner Augenbinde schnell entledigen können, doch das spärliche Licht, das durch den Spalt eine Tür schien, reichte nicht aus, um sich ein Bild von seinem Zustand zu machen.

Daniel begann nun seinerseits an den Handfesseln zu rütteln, rutschte nach oben und streifte sich die Augenbinde herunter, bis sie lose um seinen Hals hing. Trotzdem konnte er immer noch nicht das geringste Bißchen sehen.

"Was soll das, was wollen die von uns?"

Jack schüttelte unbewußt den Kopf, was er jedoch sofort wieder bereute, als erneut ein stechender Schmerz seinen Kopf durchzuckte und die Übelkeit zurückkehrte. Der Schlag auf den Kopf hatte ihm ganz schön zugesetzt.

"Keine Ahnung" sagte er dann. Ich denke wir sind an einem Heizungsrohr oder so angekettet." Während er darauf gewartet hatte, daß Daniel aufwachte, hatte er genug Zeit gehabt, sich in ihrem Gefängnis ein wenig umzusehen. "Irgendwo in einem Keller oder so, riechst Du das Heizöl?"

"Nein" kam die spontane Antwort des Archäologen. "Ich habe noch immer den Geruch dieses Chloroforms in der Nase."

Ein Brummen von O’Neill war das einzige was daraufhin folgte. Jack setzte sich auf und starrte in die Dunkelheit, überlegte fieberhafte das Warum und Wer, und wie sie hier wieder herauskommen könnten. Langsam kroch die Kälte des feuchten Betonbodens durch ihre Kleidung. Vor ihren Gesichtern konnte man den Atem erkennen und Daniel fragte sich, wie lange sie hier schon eingesperrt waren.

"Man wird uns sicherlich schon suchen" unterbrach er die Stille, auch um sich selbst ein wenig Mut zumachen.

"Fragt sich nur wo" war die knappe Antwort seines Freundes.

"Wenn Cassie nicht abgeholt wird, dann ruft sie bestimmt bei Janet an."

Der Colonel wollte gerade etwas erwidern, als sie sich nähernde Stimmen und Schritte vernahmen.

Schnell legte er sich wieder hin. Das Warten hatte ein Ende und schon bald würden sie wissen, wer und warum man sie entführt hatte.

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Die Schritte wurden lauter und die Tür schließlich aufgeschlossen. In dem Raum wurde es schlagartig hell, als der Lichtschalter umgelegt wurde und eine nackte Glühbirne an der Decke blendete die beiden Entführten.

Ein bulliger Mann in Jeans und einem speckigen Flanellhemd kam hindurch und zielte mit einer Magnum auf O’Neill, während ein zweiter, fast noch größer erscheinender Kerl, sich zu ihm hinabbeugte und die aus Kabelbindern bestehenden Fesseln an den Beinen mit einem Messer durchtrennte. Dann holte er einen Schlüssel aus der Hosentasche und schloß die Handschellen auf. Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete Jack mißtrauisch die Aktivitäten des Mannes und rieb sich die Handgelenke.

Er erwartete, daß auch Daniel von seiner mißlichen Lage befreit würde, doch er wurde enttäuscht. Ohne den Archäologen eines Blickes zu würdigen, zerrte er Jack auf die Beine und schubste ihn aus dem Heizungskeller.

Er hatte kaum genug Zeit das Gleichgewicht zu finden, da hörte er hinter sich, wie der Hahn der Waffe gespannt wurde. Für einen schrecklichen Moment lang dachte er, man würde Daniel einfach erschießen und ein eiskalter Schauer jagte ihm den Rücken hinunter.

Bevor man ihm die Augenbinde wieder umband, hatte er Gelegenheit einen kurzen Blick auf Daniel zu erhaschen, der ihn aus geweiteten Augen anstarrte. Er setzte zu einer Frage an, doch wurde brutal weitergestoßen und unterbrochen:

"Keine dummen Bemerkungen, O’Neill! Oder wir machen kurzen Prozeß mit Ihnen und sparen uns das ganze Drumherum. Bewegung!" Jack schluckte seine Frage hinunter und setzte sich mit nach hinten festgehaltenen Armen in Bewegung.

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Daniel beobachtete das Erscheinen der beiden Männer mit wachsender Unruhe. Er war froh, wenigstens nicht alleine zu sein und zuversichtlich, daß sie schon irgendwie wieder einen Ausweg aus dieser Misere finden würden. Sie waren schließlich schon aus schlimmeren Situationen entkommen. Außerdem waren sie hier auf der Erde, da hätten sie zumindest den Vorteil unter Menschen zu sein. Vielleicht stellte sich ja nach einem ersten Gespräch mit den Entführern heraus, daß es sich um eine Verwechslung handelte.

>Hör auf, Daniel< schalt er sich selbst >die sind doch nicht so blöd und kidnappen zwei falsche Männer<.

Er sah zu wie Jacks Fesseln durchgeschnitten wurden und er unsanft auf die Beine gezerrt wurde. Einerseits war er froh, endlich wieder aufstehen zu können, doch andererseits wäre es ihm natürlich lieber gewesen, sie hätten genug Zeit gehabt, sich vorher aus eigener Kraft zu befreien. Dann hätte zumindest die Chance bestanden, ihre Gegner zu überraschen.

Vom Schwindel erfaßt taumelte O’Neill ein wenig und Daniel erkannte die vom Blut verklebten Haare sowie dunkle Flecken auf seinem Kragen. Bisher war er der Meinung gewesen, man hätte sie beide mit Chloroform betäubt, doch scheinbar hatte das für den Colonel nicht ausgereicht. Eine Gehirnerschütterung war das wenigste, was einem solchen Schlag folgte, das hatte der Archäologe bereits mehrfach selbst erfahren. Er rechnete damit, als nächstes befreit zu werden, doch stattdessen zielte das Muskelpaket auf den Rücken seines Freundes.

Jacks blasses Gesicht und seine besorgt blickenden Augen waren das letzte, das der junge Doktor von seinem Freund zu sehen bekam, bevor sie ihn aus der Tür schubsten und diese mit einem satten Knall wieder ins Schloß fiel. Starr vor Entsetzen lag Daniel auf dem Boden und wartete.

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O‘Neill wurde um mehrere Kurven in einen Raum dirigiert, in dem er von dem Muskelpaket in einen wackligen Plastikstuhl gedrückt wurde, die Magnum immer noch im Rücken. Vorsichtig hob er die Hand und faßte sich an den Hinterkopf, um die Ursache seiner Kopfschmerzen zu betasten; vermied es jedoch, die Augenbinde zu entfernen.

"Für dieses kleine Mißgeschick sind sie selbst verantwortlich. Chloroform hat zwar eine ähnliche Wirkung, aber es hinterläßt keine Spuren."

Die raue Stimme, die auf einen immensen Zigarettenkonsum hinwies, unterbrach seine Gedankengänge.

"Auch für Ihren Freund tut es mir leid. Eigentlich war er gar nicht mit eingeplant. Aber Sie sind einfach niemals lange genug zu Hause und so mußten wir unsere Pläne ändern."

O’Neill verstand immer noch nichts. "Dann lassen Sie ihn doch einfach gehen" schlug er nun vor.

Kehliges Gelächter war die Antwort darauf. "Dafür ist es nun wahrlich zu spät. – Das hier ist kein Spiel, Colonel. Wir haben das alles sehr gut geplant. Wir sind im Begriff, Sie zu eliminieren. Gänzlich von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Sie sind zu vielen Leuten ein Dorn im Auge!"

"Warum haben Sie mich dann nicht schon längst umgebracht?" An eine normale Lösegeldforderung hatte er eigentlich nie geglaubt. Zu seiner Verwunderung über das Ganze gesellte sich jetzt eine Mischung aus Angst und Wut. Angst, weil der Unbekannte vor ihm kein Blatt vor den Mund nahm und es anscheinend verdammt ernst meinte. Wut auf sich selbst, weil er wieder einmal durch seine Handlungen einen Unschuldigen mit in Gefahr gebracht hatte. Er wollte nur wissen, wem er so gewaltig auf den Schlips getreten war.

"Aber Sie werden mich doch sicherlich nicht dumm sterben lassen, oder?" Er hob die Hand und schob die Augenbinde nach oben.

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Cassandra wartete jetzt schon eine halbe Stunde auf Sam. Sie saß auf derselben Parkbank, von der vor einer Weile zwei Männer in einen Streit verwickelt waren. Gleich nachdem sie die Schule verlassen hatte, sprachen einige Passanten immer noch von der unschönen Szene, doch sie hatte schnell das Interesse daran verloren. Schließlich passierte es hier fast jeden Tag, daß sich Leute auf der Straße in die Haare bekamen.

Sam hatte ihr versprochen zu kommen und sie war normalerweise sehr zuverläßlich. Als nach weiteren fünf Minuten immer noch niemand zu sehen war, machte sie sich auf den Weg zur nächsten Telefonzelle, die nicht weit von der Schule entfernt war. Sie wählte die Nummer ihrer Mutter im SGC, die dort normalerweise um diese Zeit zu erreichen war. Schon nach kurzem Klingeln meldete sich auch schon die Stimme von Janet.

Nachdem Fraiser erfahren hatte, daß Jack und Daniel noch nicht aufgetaucht waren, versprach sie Cassandra, jemanden zu finden, der sie abholen würde. Dann ging sie schnell zu Major Carters Bett:

"Sam, haben sich der Colonel und Daniel bei Dir nochmal gemeldet? Sie haben vergessen, Cassie zu holen."

Erschrocken öffnete die blonde Wissenschaftlerin ihre Augen. "Oh nein, die beiden waren seit heute morgen nicht mehr hier!" Jack hatte ihr doch zugesagt, Cassie heute nachmittag zu beschäftigen. Eigentlich war es nicht seine Art, solche Dinge so einfach zu vergessen.

"Vielleicht rufst Du mal bei ihm zu Hause an. Die beiden sitzen sicher vor dem Fernseher und haben die Zeit vergessen."

Dr. Fraiser schüttelte den Kopf und ging zurück zum Telefon. Doch ihre Bemühungen waren umsonst. Bei keinem der beiden ging auch nach mehrmaligen Versuchen jemand an den Apparat. >Männer< dachte sie dabei und überlegte sich, wie sie ihrer enttäuschten Tochter den Nachmittag retten konnte. Sie hing an Jack, und daß er sie vergessen hatte, würde sie nicht so einfach glauben können.

Auch in der gesamten Basis konnte man keinen der beiden ausfindig machen. Das Labor von Daniel war aufgeräumt, ebenso das Büro von Jack, wobei "aufgeräumt" nicht für seinen Schreibtisch zutraf, auf dem sich die fälligen Berichte der letzten Missionen stapelten. Nachdem sie alle Möglichkeiten in Betracht gezogen hatte und der Wachposten am Eingang bestätigte, daß sie gegen 13 Uhr den Cheyenne Mountain verlassen hatten, blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten, bis sie sich von selbst meldeten.

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Blinzelnd sah Jack auf einen mittelgroßen schlanken Mann mit einem, auf den ersten Anhieb sympathisch wirkenden Gesicht mit blonden Haaren, den er zuvor noch nie gesehen hatte. Er steckte sich gerade eine Zigarette an und saß auf dem Eck eines einfachen Holztisches. Er ging nicht auf O’Neills Bemerkung ein und fuhr unbeirrt fort:

"Wie ich schon sagte, reicht uns das bei weitem nicht aus. Sie werden Ihr jetziges Leben hinter sich lassen. Kein Colonel mehr, keine Freunde, kein gemütliches Grillfest in Ihrem Garten."

O’Neills ungutes Gefühl wuchs von Minute zu Minute. Scheinbar hatte man ihn schon einige Zeit unter Beobachtung. Das letzte Barbecue lag schon über drei Monate zurück.

Ohne Pause sprach sein Gegenüber weiter: "Und keine Ausflüge zu Ihren außerirdischen Freunden mehr."

In Jacks Kopf überschlugen sich die Gedanken. Auch wenn er den Mann vor sich nicht kannte, so wußte dieser doch, daß er zum Stargate-Programm gehörte. Und das bedeutete, daß er einflußreiche Freunde haben mußte, die etwas gegen seine Arbeit einzuwenden hatten. Leider gab es darauf viel mehr Anwärter, als ihm lieb war. Der NID und etliche Politiker waren nur einige davon. Irgendwie hatte er gewußt, daß ihm seine Spezialaufträge irgendwann das Genick brechen würden.

"Was haben Sie vor? So eine Art Gehirnwäsche?" Er hatte schon vieles über solche Methoden gehört und gelesen, und glücklicherweise bis jetzt noch nie direkt damit zu tun gehabt. Doch allein die Vorstellung daran trieb ihm den Angstschweiß auf die Stirn.

"Nein, Sie sollen sich ja daran erinnern können, was Sie verloren haben."

Höhnisch grinsend kam ihm das Gesicht seines Gegners gefährlich nahe und er roch den nach Zigarettenrauch stinkenden Atem.

"Wo denken Sie hin. Wir sind doch keine Verbrecher. Wir sorgen nur dafür, daß uns Männer wie Sie nicht im Wege stehen und unsere Interessen verraten."

Der Blonde stand auf und ging um den Tisch herum, bis er wieder dicht vor ihm stand. Er nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch dann in O’Neills Gesicht. "Sehen Sie es als eine Art Racheakt. Schließlich haben Sie uns daran gehindert, der Welt eine Chance zur Verteidigung zu geben!"

Nach all diesen Aussagen kam O’Neill schließlich zu dem Schluß, daß sich dieser Racheakt auf seinen damaligen verdeckten Auftrag bezüglich der Diebstähle außerirdischer Waffen bezog. Doch er hatte keine Möglichkeit, es irgendjemandem zu erzählen.

"Es mag ja sein, daß ich Ihnen irgendwie in die Quere gekommen bin, aber Daniel hat damit überhaupt nichts zu tun. Sie können nicht einen Unschuldigen da mit hineinziehen."

Unwillkürlich war seine Stimme lauter geworden, zorniger. Die Ruhe und Überheblichkeit dieses Mannes brachten ihn zur Weißglut und er merkte, wie sein Blutdruck langsam aber sicher in die Höhe kletterte. Wenn man ihn schon absahnen wollte, dann wenigstens nicht ohne Gegenwehr.

"Wer ist heute noch unschuldig? Ein jeder muß Opfer bringen. Ihres ist in Gestalt von Dr. Jackson. Er ist uns zu schlau, als daß wir ihn freilassen könnten. Aber keine Angst, wir werden ihn nicht töten. Er wird Ihr Schicksal in gewisser Weise teilen. Doch seines wird eine Spur angenehmer sein, zumindest wird er als freier Mann sterben."

Bis jetzt waren die beiden anderen Männer regungslos hinter dem Air Force-Colonel gestanden und hatten ihn ohne direkte Bedrohung in Schach gehalten. Durch die lauter werdende Stimme alarmiert wurde die Magnum wieder in seinen Rücken gepreßt und Jack spannte die Muskeln an. Der kleinere der beiden holte auf einen Wink hin einen schwarzen Koffer und stellte ihn auf den Tisch.

"Wer sind Sie?" fragte Jack und beobachtete genau die Bewegungen des Mannes. Der Chef blies noch eine letzte Wolke Zigarettenrauch in O’Neills Richtung und wendete dann seine Aufmerksamkeit dem Inhalt zu.

Aus zwei verschiedenen Ampullen füllte er eine klare Flüssigkeit in zwei Spritzen und Jack war sofort klar, für wen die zweite Dosis gedacht war. "Das tut nichts zur Sache. Sagen wir, ich bin ein guter Freund eines einflussreichen Mannes." Er versah jede davon mit einer Nadel und legte eine davon zurück in den Koffer. Mit der anderen näherte er sich Jack und als dieser aufspringen wollte wurde er von hinten gepackt und mit zwei stählernen Klammern auf dem Stuhl festgehalten. Er versuchte seine Arme auf dem Rücken zu versperren, um zu verhindern, daß die Ärmel hochgezogen wurden.

Doch die Arme waren gar nicht das eigentliche Ziel. Kalte Finger tasteten seinen Hals ab und er senkte seinen Kopf, um eine Injektion unmöglich zu machen. Mit aller Kraft versuchte er sich aus dem Griff zu befreien, das Unabwendbare aufzuhalten. Doch ungewollt half er seinem Feind damit, durch die Anstrengung trat die Halsschlagader hervor und die Nadel fand ihren Weg hinein. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihn, als sich das Mittel in der Blutbahn ausbreitete. Das Letzte was er hörte, war die sich immer weiter entfernende Stimme des Kidnappers, der ihm eine gute Reise ohne Wiederkehr wünschte.

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SGC

Den ganzen Samstag versuchten Sam und Janet mit ihren beiden Freunden Kontakt aufzunehmen. Die Ärztin war sogar bei O’Neills Haus und Jacksons Apartment vorbeigefahren, hatte jedoch nichts ausrichten können. Für ein gewaltsames Eindringen lag kein ausreichender Grund vor und so mußte sie unverrichteter Dinge wieder zurückfahren. Die beiden waren ratlos.

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Es kam Daniel wie eine Ewigkeit vor, seitdem man Jack abgeholt hatte. Die Männer hatten auf ihn einen sehr entschlossenen Eindruck gemacht und jeden Moment befürchtete er, zu seiner Exekution abgeholt zu werden. Irgendwie hatte er das ungute Gefühl, daß Jacks sorgenvolles Gesicht das Letzte war, was er von ihm gesehen hatte. Er grübelte schon die ganze Zeit, wer einen Nutzen aus ihrem Verschwinden ziehen konnte und leider fielen ihm dabei eine ganze Menge Leute ein. An eine Lösegeldforderung mochte er irgendwie nicht so recht glauben. Die Air Force konnte man nicht so schnell erpressen, beim Militär war jeder ersetzbar und niemand wertvoll genug, um eine Menge Geld für ihn zu bezahlen. Selbst wenn er schon die Welt gerettet hatte.

Nachdem man ihn bisher noch gar nicht so richtig beachtet hatte, schloß er daraus, daß Jack derjenige war, den man schnappen wollte. Außerdem hatte er keine reichen Angehörigen oder was man sonst noch braucht, um einen lohnenswerten Entführten darzustellen. Trotzdem viel ihm Nichts und Niemand ein, der ein solches Unternehmen starten würde, nur um sie aus dem Weg zu räumen.

Außer es hatte mit dem Stargate-Programm zu tun, von dem eigentlich nur seriöse und vertrauenswürdige Personen wissen sollten – abgesehen von ein paar Politikern, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten. Aber soweit wollte Daniel gar nicht denken. Sie waren zwar korrupt, aber sie machten sich sicherlich nicht die Hände mit Menschenraub schmutzig. Das konnte er sich bei diesen Schreibtischhengsten nicht vorstellen. Er wollte seine Gedankengänge gerade fortsetzen, da hörte er Schritte auf dem Gang und die Tür wurde aufgeschlossen. Ohne ein Wort zu sagen, wurde Jackson vom Heizungsrohr losgemacht und in denselben Raum gebracht wie zuvor O‘Neill.

"Wo ist Jack! Wo haben Sie ihn hingebracht?" Mit funkelnden Augen starrte der Linguist auf den ihm gegenüberstehenden Mann, den Anführer der drei.

"Beruhigen Sie sich, Dr. Jackson!" beschwichtigte ihn dieser in seiner betont ruhigen Art, die Daniel noch wütender machte. "Für Ihren Freund wird sicher gut gesorgt werden."

Verblüfft hielt Daniel inne und holte Luft. "Sie haben ihn freigelassen?" Ungläubig und mißtrauisch wartete er auf eine Reaktion des Mannes. Diese erfolgte, indem er seinen beiden Helfern befahl, Daniel auf einen Stuhl zu setzen und festzuhalten.

"Ja und Nein." Er nahm eine auf dem Tisch liegende Spritze und zog genüßlich den Deckel der Nadel ab.

"Wir lassen ihn frei und sorgen dafür, das er für den Rest seines Lebens gut aufgehoben ist" lächelte er Daniel an. Langsam fielen die beiden Männer hinter ihm in das Lachen ihres Bosses mit ein, alle drei fanden es scheinbar recht amüsant, in das ratlose Gesicht ihres Gefangenen zu sehen.

Daniel konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen, was das zu bedeuten hatte und er überlegte fieberhaft. Doch die nächsten Worte holten ihn schnell in die Realität zurück.

"Auch für Sie wird sich einiges ändern. Ich wünsche Ihnen, genauso wie Ihrem Colonel, einen erholsamen Aufenthalt in einem neuen Leben." Er machte einen Schritt auf Jackson zu, um ihm die Spritze in die Vene zu jagen, doch er hatte nicht mit der katzenartigen Reaktion des Wissenschaftlers gerechnet.

Daniel tauchte unter dem Arm hindurch weg und schlug mit der Faust auf die Spritze in der Hand und schleuderte sie zu Seite. Dann stand er plötzlich hinter seinem Angreifer. Nach einem schnellen Schlag in die Nierengegend, der ihn in die Knie gehen ließ, schaffte er es sogar fast bis zur Tür, bevor die beiden anderen aus ihrer Starre erwachten und ihn schnell überwältigt hatten. Schnaufend und mit grimmigem Gesicht stellte sich ihr Chef vor Daniel:

"Sie haben zwei Möglichkeiten, Jackson!" bellte er ihn an. "Wir machen es auf die harte Tour – oder Sie benehmen sich und ersparen sich und ihrem Kollegen eine Menge Ärger. Sie möchten doch, daß er zumindest überlebt, oder?"

"Sagen Sie mir, warum Sie das tun, wieso zerstören Sie das Leben von zwei Menschen?" Daniel wußte, daß er nicht die geringste Chance hatte. Doch er war zu aufgebracht, um sich einfach zu fügen. "Geht es Ihnen nur ums Geld? Oder haben Sie eine persönliche Rechnung offenstehen?"

Er versuchte, soviel wie möglich über die Motive zu erfahren. Vielleicht konnte er Jack damit letztendlich doch noch helfen, wenn er wußte was ihnen bevorstand. Langsam beruhigte er sich etwas und entspannte sich.

Eine weitere Spritze wurde gefüllt und ein Gummischlauch um den rechten Oberarm gelegt.

"Ich werde Ihnen etwas verraten, Dr." Der blonde Mann schubste ihn unsanft in den Plastikstuhl zurück und rieb sich seine schmerzende Seite.

"Sie werden einen Ausflug in die Vergangenheit unternehmen. Und ich werde Ihnen die Gelegenheit geben, alles live mitzuerleben."

Er setzte die Kanüle an und begann, ihm das Mittel zu injizieren. Doch die eingespritzte Menge war so dosiert, daß er die Geschehnisse um sich herum noch verfolgen konnte.

Er wurde zu einem Wagen gebracht, auf dessen Rücksitz sich die regungslose Gestalt von Jack O‘Neill befand. Im ersten Moment glaubte Daniel, dessen Leiche zu sehen. Keinerlei Farbe befand sich in dessen Gesicht, doch die regelmäßigen Atemzüge belehrten ihn eines Besseren. Seine Handgelenke waren an der Autotür festgebunden und erleichtert ließ sich Daniel neben ihm nieder.

Sein Kopf fühlte sich seltsam hohl an und er schloß die Augen, als seine Hände ebenfalls mit Handschellen am Vordersitz festgemacht wurden. Ein Gefühl der Gleichgültigkeit machte sich in ihm breit und er schaute aus glasigen Augen aus dem Fenster, als der Wagen sich mit für ihn unbestimmtem Ziel auf seine lange Fahrt machte.

Ein zufriedenes Grinsen bildete sich auf dem Gesicht des Anführers. Seit langem hatten sie diese Aktion geplant und bis jetzt verlief alles wie am Schnürchen. Einige wichtige Schritte waren in der Vergangenheit getätigt worden, um alles in die ausgeklügelten Bahnen zu leiten. Schon bald würde sich O’Neill in sein Schicksal ergeben müssen. Nur schade, daß er selbst nicht dabei sein konnte. Sein Part in diesem Spiel war erledigt.

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SGC

Zum x-ten Mal klingelte in O’Neills Haus das Telefon. Sam legte frustriert den Hörer auf und humpelte zurück zur Couch in ihrem Appartement.

Weder beim Colonel noch bei Daniel nahm jemand ab. So kannte sie die beiden gar nicht, so mir nichts dir nichts zu verschwinden. Sie legte ihr bandagiertes Bein zurück auf das vorbereitete Kissen: "Dann eben nicht!" Sie widmete sich wieder ihrem wissenschaftlichen Magazin. >Wartet nur bis morgen, dann werd‘ ich Euch die Ohren lang ziehen für soviel Unzuverlässigkeit!< dachte sie wütend. Schnell vertiefte sie sich in ihren Artikel, bevor sie in Versuchung kam, sich vor Sorgen lächerlich zu machen. Doch sie konnte sich nicht richtig konzentrieren, immer wieder kehrten ihre Gedanken zu O’Neill zurück und ein seltsames Gefühl in der Magengegend stellte sich ein, das ihr sagte, daß etwas ganz und gar nicht mit ihm in Ordnung war.

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Der Fahrer der Limousine hatte sich bis jetzt kein einziges Mal nach ihnen umgedreht. Ein angebrachtes Gitter trennte den Fond vom vorderen Wagenanteil und die Türen waren per Kindersicherung vor dem Öffnen gesichert.

Der Archäologe hatte vergeblich versucht, O’Neill zu wecken. Sie hatten den Highway längst verlassen und fuhren über eine holprige Straße auf offenes Gelände. Nach einigen Stunden Autofahrt war er wieder klar genug, um sich über die Zukunft Gedanken zu machen, wenn auch die Wirkung des Mittels nur sehr langsam nachließ.

Der blonde Anführer und seine zwei Kumpane waren nicht mitgefahren. Sie hatten die beiden an einen weiteren Mann übergeben, der einen eher unbeteiligten Eindruck auf Daniel machte, so als ob er seine Fahrgäste nur an der nächsten Ecke wieder absetzen müßte.

Auch seine Überredungskünste schlugen nicht an, den dunkelhaarigen Lockenkopf auf dem Fahrersitz von seinem Vorhaben abzubringen und auf ihre Seite zu ziehen. Schweigend fuhr er seine Fracht die einsame Landstraße entlang. Scheinbar war der Verdienst für diese Reise eher persönlicher Natur, denn die Unsummen, die Daniel dem Mann anbot, könnten sogar Rockefeller schwach werden lassen. Vielleicht aber war er auch nur nicht dumm genug, auf sein Gerede hereinzufallen. Eine bleierne Müdigkeit drückte Jacksons Augenlider zu und er konnte dem Drang nach Schlaf nicht länger widerstehen.

Als er die Augen wieder öffnete erschien vor ihnen eine Art privater Flugplatz. Es war inzwischen vollkommen dunkel draußen und Daniel wünschte sich eine Uhr. Er hatte völlig das Zeitgefühl verloren. Das Beruhigungsmittel wirkte nicht mehr so stark und er konnte wieder relativ normal denken. Erst jetzt wurde ihm bewußt, welche Dosis O’Neill wohl abbekommen haben mußte. Obwohl er die Injektion noch vor ihm erhalten hatte, hatte er sich seit der Abfahrt nicht bewegt und machte auch jetzt keine Anstalten, auf Daniels Weckversuche zu reagieren.

Endlich hielt das Fahrzeug neben einem kleinen Hangar an und drei Männer kam aus einer angrenzenden Tür. Mit erhobenen Waffen umstellten sie das Auto und der Fahrer stieg aus und öffnete die hinteren Türen: "Aussteigen und keine Mätzchen!" blaffte er Daniel an. Dieser hielt die gefesselten Hände in die Höhe und machte ein fragendes Gesicht.

Der Lockenkopf zuckte mit den Schultern und holte den Schlüssel aus seiner Hosentasche. Dann öffnete er die Handschellen und winkte Daniel heraus.

In der Zwischenzeit war ein anderer Mann zu O’Neills Wagenseite gegangen und hatte sich den Colonel auf die Schultern gehievt. Er marschierte auf den Hangar zu und verschwand darin.

Los, Jackson!" fauchte der Fahrer. Daniel wurde aus seinen Beobachtungen gerissen und kletterte aus dem Wageninneren heraus. Mit erhobenen Händen wurde er ins Innere des Hangars gelotst, wo eine kleine Verkehrsmaschine bereitstand. Es erwies sich, daß der Fahrer des Wagens scheinbar auch der Pilot des Flugzeugs sein würde. Er schob Daniel in das Heck der Maschine und wandte sich an seine Mitarbeiter. Jack war in den hinteren Teil der Halle gebracht worden eine weitere Spritze wurde vorbereitet. Als Daniel das sah, kletterte er wieder aus dem Flieger, die auf ihn gerichteten Maschinenpistolen ignorierte er völlig.

"Was soll das? Sie bringen ihn noch um. Er ist doch noch gar nicht wach!" Verzweifelt versuchte er, sich aus dem Griff der beiden Kerle zu befreien, die ihn brutal in das Transportmittel zurückbeförderten.

"Er soll auch so bald nicht aufwachen, er macht weniger Schwierigkeiten, wenn er schläft!

Anscheinend hatten sie wirklich eine Stinkwut auf O’Neill. Daniel hatte keine Chance gegen seine Widersacher. Er wußte nur, daß Jack sicher nicht rechtzeitig aufwachen würde, wenn er jetzt ein weiteres Schlafmittel gespritzt bekam. Wie sollte er alleine verhindern, was ihnen bevorstand.

"Aber er hat ein schwaches Herz, er hatte letztes Jahr einen Herzanfall – keiner weiß das. Es wurde geheimgehalten" rief er aufgeregt aus dem Flugzeug, in der Hoffnung, seine Feinde täuschen zu können.

Und scheinbar zeigte seine Lüge Wirkung. Die Angst ihn versehentlich zu töten, war wahrscheinlich doch größer.

"Wartet. Es ist viel zu schade, ihn einfach umzubringen. Nach allem was er zunichte gemacht hat, hat er etwas anderes verdient!" sagte der Dunkelhaarige zu seinen Männern.

Die Spritze, die sich bereits in Jacks Vene befand, wurde wieder herausgezogen. Er hatte zwar noch etwas davon bekommen, aber sicher nicht die volle Dosis. Daniel atmete auf:

"Wieso machen Sie das?" fragte er leise. "Was hat er gemacht, daß sie ihn so hassen."

Ohne zu antworten überwand der Pilot die kurze Distanz zur anderen Seite, schnappte sich den schlafenden Colonel und brachte ihn zum Flugzeug, wo er ihn ebenfalls auf die Rückbank verfrachtete. Während der gesamten Prozedur hatte sich Jack nicht geregt.

Daniel begann sich zu fragen, welches Mittel sie ihm wohl gegeben hatten. Jacks Pferdenatur war normalerweise nicht so leicht niederzustrecken und wenn er schon besoffen unter dem Tisch lag, dann sah man dem älteren Mann noch nicht einmal an, daß er getrunken hatte .

> Er müßte schon längst wieder zu Bewußtsein gekommen sein – es sei denn, er hätte etwas anderes bekommen als ich.< dachte Daniel.

Sie wurden beide reisefertig gemacht, indem man ihre Hände wieder mit Handschellen festmachte. Die Männer verabschiedeten sich und Lockenkopf schickte sich an, sich mit dem Vogel aus dem Hangar und in die Lüfte zu begeben.

Sorgenvoll wandte Jackson sein Gesicht nach unten, wo sich Colorado langsam aber sicher seinem Blickfeld entzog. >Wenigstens bekommst Du davon nichts mit< dachte er mit einem Seitenblick auf den bewußtlosen Air Force-Offizier.

 

Das kleine Flugzeug hatte eine einschläfernde Wirkung auf Daniel. Die Droge, die sich noch immer teilweise in seinem Kreislauf befand, tat ihr übriges und so kam es, daß er schon nach kurzer Zeit eingeschlafen war. Ein heftiges Rütteln weckte ihn unsanft wieder auf und er starrte benommen aus dem Fenster.

Sie waren auf einem kleinen Flugfeld inmitten einer trostlosen Gegend gelandet, die sich wüstenähnlich über ein großes Gebiet erstreckte. Er brauchte keine zehn Sekunden um zu erkennen, daß sie sich jetzt in Nevada befanden. Auf dem Weg zum zweiten Stargate, das versteckt in Area 51 auf seinen kriminellen Einsatz wartete. Der Einfluß der Verantwortlichen mußte größer sein, als Daniel sich das vorstellen konnte. Schnell steuerte der kleine Flieger auf eine geöffnete Halle zu und wurde von dem Gebäude geschluckt.

Im diffusen Licht, das durch die Türritzen quoll, erkannte Daniel eine schwarz gekleidete Gestalt, die sich ihnen näherte. Der Pilot stieg aus und begrüßte sie. Dann wurden die Flugzeugtüren geöffnet und Daniel blickte in die ihm jetzt schon bekannte Mündung einer Maschinenpistole und stieg langsam aus, während O’Neill umständlich von seinem Sitz gehoben und weggetragen wurde. Der Mann hatte wahrlich Mühe, den größeren Mann aus dem Flieger zu hieven.

"Zum Verabschieden haben Sie vielleicht später noch Zeit" grinste ihn der Schwarzgekleidete an, als er sah wie Jackson dem regungslosen Körper mit den Augen folgte. "Sie beide begeben sich jetzt auf eine kleine Reise."

Dann schubste er den Archäologen an und sie marschierten zu einem schwarzen Geländewagen, der sie alle innerhalb weniger Minuten an die große Lagerhalle brachte, in der das Stargate gut verpackt gelagert wurde. So zumindest hatte es Daniel noch in Erinnerung.

Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und die kleine Gruppe ging zügig an einigen Containern vorbei, bis sie die Eingangstür passieren konnten. Doch nirgends waren die erwarteten Soldaten, die das Gebiet bewachen sollten und nirgends konnte Daniel jemanden erkennen, der ihnen jetzt noch helfen konnte. Es musste alles bis ins letzte Detail vorgeplant sein. Der letzte Hoffnungsschimmer, das Ganze doch noch verhindern zu können, ging mit dieser Erkenntnis den Bach hinunter und Daniel fühlte den Boden unter seinen Füßen schwanken.

Doch er hatte nicht viel Zeit zum überlegen. Viel zu schnell stand er vor dem aufgebauten Tor, das ihn und Jack in die Vergangenheit bringen sollte. Man legte Jack auf den Boden und er kniete sich neben ihn, als ein kleiner rechteckiger Kasten vor dem Sternentor aufgemacht wurde. Ein kleiner Gegenstand wurde herausgenommen und einer der Männer reichte ihn an den Piloten weiter, der sich von Jackson wegdrehte und ihm somit die Sicht versperrte.

Der Archäologe erkannte in der kurzen Zeit lediglich zwei ovale Knöpfe und mehrere Symbolen, die er auf die Schnelle jedoch nicht genau identifizieren konnte.

Er wollte gerade aufstehen, um sich die Schrift näher anzusehen, als er bemerkte, daß sich der Colonel neben ihm bewegte.

Jack flatterte mit den Augenlidern und versuchte, sich stöhnend aufzusetzen. Auch ihren Entführern war nicht entgangen, daß er zu sich kam.

"Beeilt Euch, wir müssen sie durchschicken!" befahl der Anführer. Er hatte klare Anweisungen und wollte auf keinen Fall, daß so kurz vor dem Ziel noch etwas schiefging.

O’Neill war völlig durcheinander und hielt sich an Daniel fest. Immer noch nicht richtig bei Sinnen wusste er nicht, wo sie sich befanden. Sein Kopf dröhnte und eine stärker werdende Übelkeit stieg in ihm hoch.

Daniel richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Gerät.

"Was ist das?" fragte er argwöhnisch, doch er konnte es sich fast schon denken. "Das ist ein kleines Gastgeschenk. Nicht alles, was wir finden konnten, wurde uns wieder abgenommen. Das ist eine kleine Zeitmaschine, die uns noch sehr gute Dienste erweisen wird."

Dem Doktor wurde bei dem Gedanken allein schon schlecht, was diese Typen mit dem Gerät noch alles anstellen konnten.

"Mit seiner Hilfe können wir in jede Zeit gelangen, die Zukunft und die Vergangenheit verändern. Leider hat es noch einige Eigenschaften, die wir bis jetzt nicht enträtseln konnten."

Fast schon schwärmerisch sprach der jetzige Anführer der Bande über seine Errungenschaft. "Kommen Sie, auf der anderen Seite wartet bereits Ihr Empfangskomitee mit einer kleinen Überraschung."

Er wedelte mit seiner Waffe Richtung Stargate.

"Was wird hier eigentlich gespielt?" Völlig desorientiert starrte Jack auf Daniel, der noch immer neben ihm kniete. Er drehte sich auf alle Viere und wollte aufstehen, doch ein starkes Schwindelgefühl erfaßte ihn und er übergab sich keuchend. Daniel half seinem würgenden Freund auf die Beine, der ,noch immer von Krämpfen geschüttelt, den Oberkörper gebeugt hielt.

Seine Antwort wurde von dem schnalzenden Geräusch des aktivierten Wurmlochs übertönt und O’Neill lehnte sich schwer an ihn. Seine Augen waren tränengefüllt und noch immer war er unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

Doch bevor er noch die Möglichkeit hatte, eine klare Sicht zu bekommen, hörte er auch schon ihren Entführer:

"Gehen Sie durch, wenn Ihnen Ihr Leben noch etwas bedeutet."

Als Daniel sich nicht rührte, hob er seine MP und zielte damit auf ihn. Jeder anderen Chance beraubt setzte sich Daniel in Bewegung, hielt dabei O’Neill im Gleichgewicht, der mit unsicheren Schritten neben ihm herstolperte.

Er atmete tief ein und sofort wieder aus, bevor er mit Jack in die blaue Scheibe eintauchte.

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Das Wurmloch entließ Daniel und Jack aus seiner eisigen Umarmung und taumelnd traten sie auf die raue Oberfläche eines ebenfalls wüstenähnlichen Bodens.

O’Neill spürte die stützenden Hände des jungen Doktors, ohne die er wahrscheinlich nach wenigen Schritten das Gleichgewicht verloren hätte. Sie sahen sich um und konnten noch einen letzten Blick auf das gerade verschwindende Sternentor werfen. Eine Erfahrung, die sie erst ein einziges Mal vorher gemacht hatten. Doch damals war ihnen die Möglichkeit zur Rückkehr gegeben.

"Was zur Hölle ist hier los, Daniel?" krächzte Jack und in seinem Gesicht spiegelte sich eine Ratlosigkeit, die Daniel eine Gänsehaut bekommen ließ.

Er schüttelte den Kopf. Unfähig auch nur ein Wort zu sagen, packte er seinen schwankenden Freund und hielt ihn fest. Gerade war hinter ihnen die letzte Chance verschwunden, je wieder zurück nach Hause - in ihre Zeit - zu gelangen.


weiter: Kapitel 2

Kapitel 2: Rettung vor der Hölle by Mac
Teil 2: Rettung vor der Hölle

1991

Pete Thornton saß an seinem Schreibtisch in seinem Büro der Phoenix-Foundation in Los Angeles und ackerte sich durch den liegengebliebenen Papierkram, als es an seiner Tür klopfte.

"Komm rein!" rief er, es konnte nur seine Sekretärin Sandra sein, die sich wagte, ihn dabei zu stören. Es kam selten vor, daß Sonntags gearbeitet wurde, aber wichtige Termine hatten ihn und Sandra dazu verdonnert. Pete hasste Papierkram und wenn er einmal damit angefangen hatte, dann störte ihn niemand mehr, außer es war wirklich wichtig. Sandra kam herein und überbrachte ihm einen weißen Umschlag.

"Der ist von Mark Stewart. Er sagte, es würde Dich sicher interessieren."

Pete nahm das Kuvert entgegen und lächelte sie an. "Danke Sandra, ein bißchen Abwechslung kann ich jetzt gebrauchen." Er wartete, bis Sandra das Zimmer wieder verlassen hatte und öffnete es.

Heraus fielen ein Foto und ein Ausschnitt aus einer Zeitung von Colorado, die einen Mann zeigten, den er eigentlich sehr gut kannte. Aber die Frisur und der Gesichtsausdruck passten nicht zu ihm, außerdem schien er viel älter.

"Das gibt’s doch nicht" murmelte er und las den Zettel, der dabei mit herausgefallen war.

>Hallo Pete!

Dieses Foto habe ich in Colorado gemacht. Der Artikel wird Dich ein wenig aufklären. Die Ähnlichkeit fällt Dir sicher auf. Er befindet sich wegen Mordes in einem Polizeirevier in Colorado Springs und soll angeblich ein gefährlicher Terrorist sein. Vielleicht macht Dich das neugierig?

Alles Gute, Mark<

Thornton schaute sich die beigefügten Ausschnitte nochmals genau an, schüttelte verwirrt den Kopf und griff zum Telefon. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als einen Freund von seinem wohlverdienten Urlaub zu holen.

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Erst langsam wurde Jack O‘Neill bewusst, in welcher Lage sie sich befanden. Sein Gehirn weigerte sich, das gerade Erlebte richtig zu verarbeiten und er hatte Schwierigkeiten, die wesentlichen Zusammenhänge zu erkennen.

Doch bevor Daniel ihm etwas erklären konnte, wurden sie getrennt und das letzte, das Jack noch wahrnahm war ein erneuter Schlag, der ihn an der Schläfe traf und sein Bewußtsein wieder in eine gnadenlose Schwärze schickte.

Daniel sah seinen Freund in sich zusammensacken und drehte sich überrascht um. "Was soll das?" schrie er erbost und wollte ihm zu Hilfe eilen.

Ein großgewachsener schlanker Mann versperrte ihm jedoch den Weg. Daniel verstand nicht, warum man Jack nicht die kleinste Gelegenheit gab, sich zu erholen. "Tot nützt er Euch doch auch nichts! Das habt Ihr selbst zugegeben!"

Eine Schrotflinte presste sich in seine Rippen und mit erschreckend lauter Stimme vertrieb man ihn:

"Verschwinden Sie Jackson, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. Ein paar Meilen östlich ist eine Straße."

"Aber was haben Sie mit Jack vor?" Langsam wich der junge Mann vor der Waffe zurück.

"Der ist bald gut aufgehoben. In Florence wird es ihm sicher gefallen!" grinste der Mann, spannte den Hahn seiner Waffe und schoß eine Ladung Schrot vor Daniels Füße.

Widerwillig ging Daniel einige Schritte zurück, war jedoch immer noch nicht gewillt, den Colonel so einfach im Stich zu lassen. Doch als die Schrotflinte auf seine Brust zielte, blieb ihm nichts anderes übrig, als schnellstens das Weite zu suchen.

Er hetzte davon und hörte noch im Hintergrund das Lachen der Männer, die den bewusstlosen Jack aufhoben und in einen nahestehenden LKW verfrachteten.

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Los Angeles

>Ich denke, viele Menschen kennen das Gefühl der Erleichterung, wenn man nach längerer Abwesenheit seine Wohnung in demselben Zustand wiederfindet, wie man sie verlassen hat.

Schon zu oft wurde ich in dieser Hinsicht enttäuscht und so war die Freude um so größer, als ich die Appartementtür aufschloß und sah, daß alles da stand, wo es hingehörte. Alles was ich wollte war meine Ruhe für mindestens 48 Stunden. Dann war ich gewillt, der Welt und seinen Problemen wieder ins Auge zu sehn.<

Schon zum drittel Mal riß ein hartnäckiges Telefonklingeln MacGyver aus dem Schlaf. Zweimal hatte er es geschafft, es zu ignorieren und seinen Kopf unter dem Sofakissen zu vergraben. Jetzt wühlte er sich genervt aus seiner Decke heraus und blickte haßerfüllt auf den lärmenden Apparat. Hätte er nur den Anrufbeantworter eingeschaltet.

Erst vor wenigen Stunden war er von einem anstrengenden Auftrag aus Nepal zurückgekommen und er fragte sich, ob auf seiner Stirn ><Ich liebe die Kälte< stand. Er wurde in letzter Zeit so häufig auf die kalten Teile der Erde geschickt, daß ihm schon Handschuhe wuchsen.

Jetzt wollte er schlafen, schlafen und nochmal schlafen.

Nur zwei Personen fielen ihm ein, die hartnäckig genug waren, so oft anzurufen. Jack Dalton und Pete. Jack befand sich mit ziemlicher Sicherheit in Südamerika. Also blieb nur noch Pete. Ein weiteres Klingeln riß ihn aus seinen Gedanken. Mit einem Stöhnen nahm er den Telefonhörer ab.

"Ich bin nicht zu Hause, Pete!" bellte er, noch bevor sein Gesprächspartner einen Ton hervorbringen konnte.

"Woher.... ach was soll’s. Mac, ich hab‘ einen Auftrag für Dich in Colorado."

Für einen Moment sprachlos starrte MacGyver in die Luft.

"Du hast was?" legte er dann los. "Weißt Du eigentlich seit wann ich nicht mehr in meinem eigenen Bett geschlafen habe? Ganz zu schweigen von regelmäßigen Mahlzeiten und WÄRME! Ich bin jetzt noch steifgefroren und in Colorado ist es jetzt eiskalt! – Wieso bin ich Idiot eigentlich ans Telefon gegangen?"

Den letzten Satz sagte er eigentlich mehr zu sich selbst. An der anderen Leitung hörte man einen unterdrückten Seufzer.

"Ich weiß, MacGyver. Ich habe meine Gründe warum ich gerade Dich anrufe. Komm schon, hör Dir die Geschichte wenigstens an. Ich verspreche Dir, es gibt da was, das haut Dich von den Socken."

Pete wußte genau, daß Neugier eine von MacGyvers schwachen Seiten war.

"Sollte es auch, Pete. Denn wenn nicht, kannst Du auf meine weitere Mitarbeit demnächst verzichten!" Er knallte den Hörer auf die Gabel und im nächsten Moment tat es ihm schon wieder leid. Pete mußte schon einen triftigen Grund haben, ausgerechnet ihn um die Erledigung dieses Auftrags zu bitten.

Eigentlich mochte er den Winter und die Rocky Mountains waren allemal einen Ausflug wert. Aber erstens bezweifelte er, daß er Zeit zum Skifahren hatte und zweitens waren 10 Tage und Nächte im tiefsten Schnee von Nepal genug Kälte für mindestens 1 Jahr. Er hob seine Reisetasche auf, die noch immer unausgepackt neben der Couch stand und machte sich auf den Weg ins Bad. Zumindest eine schöne lange heiße Dusche würde er sich genehmigen.

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Daniel lief mit großen Schritten auf dem staubigen Boden Richtung Osten. Zumindest hoffte er, Richtung Osten unterwegs zu sein. Sein Orientierungsvermögen hielt sich in Grenzen, obwohl er es mit den Jahren gelernt hatte, sich so ziemlich überall zurechtzufinden.

Wieder glitten seine Gedanken ab zu O’Neill, für dessen Zukunft es scheinbar nicht so gut aussehen sollte. Der LKW war kurz nach seinem Aufbruch abgefahren, was die riesige Staubwolke vermuten ließ, die er von weitem noch gesehen hatte. Er hatte kaum Zeit gehabt, sich die Gebäude in der Nähe anzusehen, die wie verlassene Lagerhallen in der Einsamkeit der Wüste standen. Irgendwie sah alles anders aus, er war sicher, daß er sich nicht in Area 51 befand. Die Umgebung sah etwas anders aus. Doch er konnte sich keinen Reim darauf machen, wo er sich nun eigentlich befand. Er hatte gedacht, bei Zeitreisen wechselte nur die Zeit und nicht der Ort, doch anscheinend konnte dieses kleine außerirdische Gerät noch eine Menge mehr bewirken.

Endlich fand sein Blick die Straße, ein langes asphaltiertes Band, das sich kilometerlang durch die braune Landschaft zog. Automatisch setzte er einen Fuß vor den anderen, in der Hoffnung, daß ihn über kurz oder lang irgend jemand mitnehmen würde.

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Als Jack wieder erwachte, lag er auf einem flauschigen Teppich. Sein Kopf dröhnte und er öffnete langsam seine Augen. Gerade als er seine Umgebung auskundschaften wollte, hörte er eine scharfe Stimme hinter sich:

"Keine Bewegung – und legen Sie die Waffe weg!"

>Die Waffe?< Erst jetzt bemerkte er die Pistole, die er mit seiner rechten Hand festhielt. Sein Zeigefinger war noch immer am Abzug und er nahm zum ersten Mal die zwei Uniformierten wahr, die mit erhobenen Revolvern über ihm standen und auf ihn zielten.

"Waffe weg!" bellte dieselbe Stimme noch einmal. Schnell holte sich sein strapazierter Verstand einen Überblick seiner Situation.

Neben ihm lag ein Mann von ca. Mitte Vierzig, der augenscheinlich erschossen worden war. Wieder glitt sein Blick zurück zu seiner Hand. Er öffnete sie und die Pistole fiel mit einem gedämpften Geräusch auf den weichen Boden.

Im selben Moment stürzten sich die beiden Polizisten auf ihn, drehten ihn auf den Bauch und fesselten seine Hände mit Handschellen auf den Rücken. Endlich fand er seine Sprache wieder:

"Hey, was soll das alles?" beschwerte er sich, seine Stimme klang nach der langen Zeit seltsam fremd für ihn.

Einer der Beamten ratterte den auswendig gelernten ‚Sie haben das Recht zu schweigen...-Satz‘ herunter, doch Jack verlor mit einmal die Beherrschung. Trotz des starken Schwindels und seiner Desorientierung übernahm jahrelanges Training seine Reaktionen.

In vielen ausweglosen Situationen hatte ihn diese Fähigkeit schon oft gerettet und auch jetzt reagierte sein Körper noch bevor sein Verstand richtig arbeitete.

Er versetzte einem der Männer mit den Beinen einen Schlag und versuchte dann blitzartig aufzustehen. Doch es blieb bei dem Versuch. Nach dieser plötzlichen Anstrengung war ihm, als hätte man ihm den Energiehahn abgedreht. Seine gesamte Kraft war aus ihm gewichen und seine Arme und Beine fühlten sich an, als wenn sie mit Blei gefüllt wären.

Aber auch seine Gegner verstanden ihr Handwerk und so hatten sie ihn sofort wieder überwältigt und zogen ihn unsanft auf die Beine. Routiniert durchsuchten sie ihn nach weiteren Waffen und leerten seine Taschen.

Geldbörse, Schlüssel und einige andere ihm unbekannte Dinge kamen ans Tageslicht. Aus der Seitentasche seiner hellen Cargohose holten sie einen weißen Umschlag, der ein Foto und eine Adresse enthielt. Jack erkannte darauf den Mann, der neben ihm auf dem Teppich gelegen hatte.

"Das hab‘ ich noch nie gesehn" warf er kraftlos ein. "Keines dieser Dinge gehört mir!" Er wollte die Sachen selbst inspizieren, doch nach der ersten Bewegung spürte er einen kalten Gegenstand an seinem Hals.

"Noch so ein dummer Versuch und ich mache mir nicht mehr die Mühe, Sie festzunehmen!" Zur Salzsäule erstarrt blickte Jack in zwei eiskalte Augen.

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MacGyver parkte seinen Jeep auf dem großen Parkplatz der Phoenix-Foundation. Nur wenige Autos befanden sich um diese Zeit vor dem großen Gebäude. Mittlerweile war es fast sieben Uhr abends und in Petes Büro schien das Licht auf den Parkplatz herunter. Schnell ging er in das Hauptgebäude und Jimmy, dem Sicherheitsbeamten in der Eingangshalle zu. Er fuhr mit dem Fahrstuhl in das richtige Stockwerk. Das Vorzimmer war leer, Sandra war bereits nach Hause gefahren und so klopfte MacGyver kurz an und öffnete dann die Tür zum Büro seines Chefs und Freundes.

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Etliche Wagen waren bis jetzt an Daniel vorbeigebraust. Er wusste nicht, wie lange er schon automatisch einen Fuß vor den anderen setzte, doch langsam war er am Ende seiner Kräfte. Wahrscheinlich lag es am Streß der letzten 24 Stunden, daß sein Körper so schnell schlapp machte.

Er hatte jedes Zeitgefühl verloren, er trug keine Uhr und so war er aufgrund reiner Mutmaßungen zu dem Schluß gekommen, daß mindestens 24 Stunden seit ihrer Entführung vergangen waren. Die Sonne stand hoch am Himmel, brannte jedoch nicht so heiß herunter wie erwartet. Wahrscheinlich war es ein warmer Wintertag, denn im Sommer vermutete er hier Temperaturen weit über 40 Grad.

Wieder näherte sich ein Fahrzeug und er hielt den Daumen hoch und machte sich auf der Fahrbahn breit. Vielleicht hatte er dieses Mal Glück. Und tatsächlich verringerte der Wagen seine Geschwindigkeit und blieb neben ihm stehen.

Eine ältere Frau saß am Steuer, herausgeputzt wie eine Diva mit roten Haaren und einem grellen Lippenstift, der sich eigentümlich von ihrer blassen Haut absetzte. Sie trug eine blaue Rüschchenbluse, die einen großzügigen Einblick auf ihr Decollte gewährte. Das ganze Auto war aufgefüllt mit Unmengen von Schachteln und Gepäck und er befürchtete schon eine erneute Abfuhr.

"Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?" frage sie und entblößte übergroße regelmäßige Zähne, die sie wohl einem guten Zahnarzt zu verdanken hatte.

"Äh, ja. Könnten Sie mich vielleicht bis zur nächsten größeren Ortschaft mitnehmen?" Jackson kam sich vor wie ein Schuljunge, als sie ihn mit dem Finger zu sich winkte. "Aber natürlich! Kommen Sie, ein wenig Gesellschaft schadet nicht."

Nur seine hoffnungslose Lage brachte ihn dazu, das Angebot anzunehmen. Sie räumte eine große Tasche vom Beifahrersitz und klopfte einladend darauf. Daniel klemmte sich zwischen Kartons und Beutel voller Plunder und fragte sich, von wo die gute Frau wohl entsprungen war. >Aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen<, dachte er und lehnte sich seufzend zurück.

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O’Neill atmete langsam aus und versuchte wieder etwas zu Atem zu kommen. Er studierte den Mann, der nun direkt vor ihm stand und einen guten Kopf kleiner war als er.

Er trug einen schwarzen Anzug, ein dunkelblaues Hemd und eine hellgraue Krawatte. Er fixierte seinen Gefangenen aus zwei eng beieinanderliegenden grünen Augen, die buschigen Augenbrauen und die schwarzen Haare erinnerten ihn ein wenig an einen Griechen und Jack wußte, daß mit diesem Mann nicht gut Kirschen essen war. Wer ihn zum Feind hatte, hatte sicher nichts zu lachen. Er hatte schon mit vielen Typen dieser Art Bekanntschaft machen müssen und erkannte deshalb auch sofort dessen Kaltschnäuzigkeit.

"Schon gut" versuchte er die Situation zu entschärfen. Er konnte sich überhaupt keinen Reim darauf machen, wie er hierher gekommen war.

"Hören Sie, ich habe einen kompletten Blackout. Vielleicht sagen Sie mir einfach wieso wir hier sind – wieso ICH hier bin."

Seinem Gegenüber entwich ein geheimnisvolles Grinsen.

"Kommen Sie Mr. O’Neill, ich kenne Ihre Maschen. Sie sind ein skrupelloser Killer, der das Pech hatte, daß ihm eins seiner Opfer in die Quere kam."

Er deutete mit dem Handgelenk auf den Körper, der noch immer mit einer Schußwunde in der Brust auf dem Teppichboden lag.

"Das hier war ihr letzter Auftrag. Versuchen Sie erst gar nicht, sich herauszureden. Es hat gar keinen Zweck!"

In Jack machte sich ein Gefühl der Ratlosigkeit breit. Er versuchte sich krampfhaft an etwas zu erinnern, doch alles was sich in seinem Gehirn breitmachte, war eine bodenlose Leere, die ihn schwanken ließ.

"Sie müssen mich verwechseln. Ich weiß wirklich nicht was passiert ist."

"Es wird Ihnen sicher wieder einfallen" erwiderte der vermeintliche Chef mit einem ironischen Unterton und schubste O‘Neill durch die massive Eichentür aus dem luxuriösen Raum. Draußen wurde er von zwei weiteren Polizisten in Empfang genommen und er konnte gerade noch einen Blick zurück auf eine prunkvolle weiße Villa richten, bevor er vorbei an einer weinenden Frau und zwei Kindern in ein Polizeiauto verfrachtet wurde. Sogar Schaulustige und ein Journalist waren anwesend, der ein Foto von ihm machte, als man ihn abführte.

Seine Gedanken rasten. Wo zum Teufel war er hier und wo war Daniel? Er befand sich immer noch Colorado, das erkannte er an den Polizeiuniformen und den Polizeiwagen. Auch wenn alles etwas veraltet wirkte. Und man kannte seinen Namen, wenn auch in einem falschen Zusammenhang. Man drückte ihn in einen Wagen und nach einer zehnminütigen Fahrt brachte man ihn auf ein Polizeirevier.

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2001

Sam Carter und Teal’C saßen im Besprechungsraum des SGC und warteten ungeduldig auf den General.

Nachdem der Colonel und Daniel am Montag morgen nicht zum Dienst erschienen waren, hatte Sam sich doch ernstliche Sorgen um die beiden gemacht. Sam sah aus dem großen Fenster auf das Stargate hinunter und grübelte. Sie waren auf so vielen Welten und hatten es doch immer wieder geschafft, heil oder zumindest lebend wiederzukommen. Sollten die eigentlichen Gefahren auf der Erde liegen, die ihr Team zerstören könnten?

Jack war schon des öfteren übers Wochenende verschwunden, auch wenn es im Laufe der Jahre immer seltener vorkam und meistens wußten sie dann auch warum. Vielleicht hatten sie sich ja nur zu einem Kurzurlaub entschieden – obwohl ihr zumindest Daniel Bescheid gesagt hätte, wenn sie so Hals über Kopf verreisen würden.

Auch Teal’C wußte nichts über den Verbleib ihrer Teamkameraden und so hoffte Sam nun, daß General Hammond ihnen sagen könnte, wo sie waren. Sie wurde jedoch jäh enttäuscht, als er zur Tür hereinkam und sie an seinem Gesichtsausdruck die Überraschung ablesen konnte, nicht das gesamte Team vor sich zu sehen.

So folgte auch nach dem üblichen "Guten Morgen!" ein unvermeidbares:

"Wo sind der Colonel und Dr. Jackson?"

Carter starrte ihn etwas hilflos an und Teal’C übernahm für sie das Reden:

"Dr.Jackson und O’Neill sind seit Freitag nachmittag verschwunden. Wir hatten die Hoffnung, daß Sie uns etwas über ihr Verschwinden sagen könnten."

Auch Sam hatte nun ihre Stimme wiedergefunden:

"Sie wollten Cassie um drei von der Schule abholen und sie hierher bringen. Aber dort sind sie scheinbar nie gewesen."

"Sie wollen sagen, daß niemand die beiden seitdem gesehen hat?" General Hammond setzte ein besorgtes Gesicht auf. Normalerweise konnte er sich auf seine Leute hundertprozentig verlassen und ohne triftigen Grund wurde man von Jack nicht so einfach versetzt.

"Nein, Sir. Ich habe das ganze Wochenende versucht, sie zu erreichen. Auch auf die Nachrichten auf seinem Handy hat Colonel O’Neill nicht reagiert."

Der General verwarf den Gedanken, sich zu setzen und ging stattdessen in sein Büro und fing an zu telefonieren. Nach kurzer Zeit kam er zurück und schüttelte den Kopf. "Beide haben Freitag mittag des Gebäude verlassen. Der diensthabende Soldat war selbst anwesend und bestätigte die Unterschriften."

Nun setzte er sich doch zu den beiden Anwesenden und gemeinsam überlegten sie, was nun geschehen sollte. Sams Befürchtungen schienen sich jetzt zu bestätigen und sie hoffte inständig, daß die beiden Vermißten nicht in allzugroßen Schwierigkeiten steckten.

Trotz langer Überlegungen konnten sie sich alle keinen Reim darauf machen. Hammond beschloß, noch bis mittags zu warten, bevor er irgendwelche Schritte einleiten wollte und jeder suchte sich in der Zwischenzeit irgendeine Arbeit, um vom eigentlichen Problem abgelenkt zu werden.

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1991

Pete blickte von seinem Monitor auf und sein Gesicht hellte sich auf, als er MacGyver eintreten sah. Er saß noch immer vor den Berichten seines letzten Auftrags und ging die Spesenrechnung durch, die dieses Mal relativ niedrig ausgefallen war, da in Nepal keine Hotelkosten oder anderweitige Ausgaben möglich gewesen waren.

"Ich werde Dir die Arztrechnung schicken, weil ich meine Lungenentzündung nicht auskurieren kann, die ich mir dort sicherlich geholt habe" bemerkte Mac scherzhaft. Pete schaute ihn entschuldigend an.

"Tut mir wirklich leid, Mac. Aber ich denke, Du wirst mich verstehen, wenn ich Dir gezeigt habe, was ich heute von Mark Stewart erhalten habe."

MacGyver setzte sich auf den Stuhl vor den Schreibtisch und nahm den Brief und den Zeitungsartikel an, den Pete ihm entgegenhielt. Er starrte ungläubig auf das Foto , das Mark mitgeschickt hatte. Dann las er den Text, der als kleine Anzeige in einer Tageszeitung neben demselben Foto abgedruckt war:

Langjährig gesuchter Terrorist in Colorado Springs endlich gefasst. Der wegen mehrfachen Mordes gesuchte J. O’Neill wurde heute nach einem Blutbad, das das Leben von Senator Merril beendete, auf frischer Tat überwältigt. Die Verhandlung findet morgen früh um 10 Uhr im Südlichen Gerichtsgebäude von Denver statt. Die Polizei geht davon aus, daß O’Neill noch am selben Tag schuldig gesprochen wird . Da die meisten Morde im US-Bundesstaat Arizona verübt wurden, wird er in das Staatstssicherheitsgefängnis nach Florence, Arizona, überführt werden....

Daneben standen noch einige Ausschnitte aus den begangenen Verbrechen, die Vorstrafen und der Lebenslauf des Festgenommenen.

MacGyvers Augen blieben wieder an dem Zeitungsfoto hängen, das nochmals als vergrößerter Ausdruck beilag. Der Mann darauf sah ihm zum Verwechseln ähnlich, Frisur und Alter ausgeschlossen.

"Was soll das?" fragte er seinen Freund. "Wer ist der Mann?"

"Ich habe mit Mark telefoniert. Er war neugierig und hat sich über ihn erkundigt.

Der Mann heißt Jonathan O’Neill, genannt Jack und stammt aus Chicago. Es gibt keinen langgesuchten Terroristen mit diesem Namen. Der einzige Mann dieses Namens, der der Beschreibung nach passen könnte, ist Major bei der Air Force und in Deinem Alter. Er befindet sich zur Zeit bei einem Einsatz im Golfkrieg. Nicht zu erreichen. Aber sieh Dir dessen Foto auch einmal an."

Er reichte Mac ein weiteres Bild, das denselben Mann jünger und in Uniform zeigte. Wie erstarrt hielt MacGyver es in der Hand. Es zeigte sein Gesicht, sein Lachen. Verstört gab er es Pete zurück.

"Ich habe keinen Zwillingsbruder, komm mir nur nicht mit solchen Geschichten."

"Mark wird bei der Gerichtsverhandlung dabei sein. Er hat ein Gespräch belauscht, als der Mann abgeführt wurde. Er habe dauernd seine Unschuld beteuert, er sei Air Force-Colonel und wisse nicht, wie er hierher gekommen sei. Er habe sogar davon gesprochen, daß man ihn hereingelegt habe.

Senator Merril war ein einflussreicher Mann in Colorado. Er hatte vor, sich als Kandidat für die Präsidentschaft aufstellen zu lassen und er wollte drastische Maßnahmen ergreifen, was die militärische Aufrüstung betrifft."

MacGyver hatte sich alles in Ruhe angehört. In seinem Kopf schlugen die Gedanken Purzelbäume. Wenn er nicht schon selbst das Unglaublichste erlebt hätte, dann würde er es für einen schlechten Scherz halten.

"Was soll ich tun?" Fragend blickte er Pete an.

"Ihn da rausholen. Da ist etwas faul. Ich habe alles durch den Computer laufen lassen. Nicht in einem der Staaten wird ein Jack O’Neill als Terrorist gesucht. Wir konnten keinerlei Hinweise auf die Verbrechen finden, die der Mann begangen haben sollte. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Unschuldiger als Sündenbock eingesetzt wird. Merril war jemandem definitiv im Weg. Ich wette, wir bekommen in nächster Zeit einen neuen Kandidaten für das Präsidentenamt!"

MacGyver stand auf und blickte aus dem Fenster auf den Parkplatz hinunter.

"Ich glaube, dieser Mann sitzt ziemlich tief in der Tinte, Mac" hörte er Pete hinter sich sagen. "Vielleicht ist seine Geschichte wahr und wir sind die einzigen, die sich darüber Gedanken machen."

"Vielleicht ist er aber auch nur ein Spinner, der zufällig mein Gesicht hat. - Ich weiß nicht, Pete. Schon der Gedanke daran, daß jemand rumläuft, der so aussieht wie ich. Ich hab’ kein gutes Gefühl dabei. Es ist, als ob man sein zukünftiges Ich kennenlernen soll."

Er drehte sich wieder um und blickte seinen Freund an. "Es ist Deine Entscheidung" betonte der Phoenix-Chef. "Nimm die Unterlagen mit und überleg’s Dir zu Hause. Du kannst mich jederzeit anrufen."

MacGyver steckte den Umschlag ein: "O.K., Du hörst auf alle Fälle von mir."

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Jack stolperte durch den Eingang des Polizeireviers, wurde durch den großen stimmenüberfüllten Raum zu einem kleineren geführt.

"Hey, ich hab‘ Anspruch auf ein Telefongespräch!" fuhr er den vor ihm gehenden Polizisten ungeduldig an.

"Wenn Sie mir schon kein Wort glauben, dann glauben Sie vielleicht jemandem von der Air Force."

Ein Polizist öffnete ihm die Handschellen und Jack rieb sich die Handgelenke. Wortlos führte man ihn zu einem Münzfernsprecher, der an der Wand befestigt war und er kramte in seinen Hosentaschen nach Kleingeld. Schnell wählte er die Nummer von General Hammond. Grimmig dachte er an seinen resoluten Vorgesetzten, der das Verhalten dieser Vorstadtbeamten sicher nicht dulden würde.

"Militärische Forschungsabteilung" meldete sich eine ihm unbekannte Frauenstimme, die ihn sofort stutzig werden ließ.

"General Hammond, bitte!" verlangte er trotzdem. Nach einer kurzen Pause erklang dieselbe Stimme nochmals.

"Bitte wiederholen Sie den Namen noch einmal." Jack bekam wieder dieses ungute Gefühl in der Magengegend und wiederholte Hammonds Namen.

"Tut mir leid, aber ein General dieses Namens ist hier nicht stationiert."

"Aber..." Jacks Kopf hämmerte. "Welcher General ist zuständig?"

"General Hopkins ist der Leiter dieser Einrichtung."

O’Neill lehnte den Kopf gegen die Wand und schloß die Augen. Er mußte sich in der Aufregung verwählt haben. Schon schoben ihn kräftige Hände weiter und ohne Widerstand ließ er sich weiterleiten.

Man führte ihn ohne große Unterbrechungen in einen der Verhörräume. Soviel O’Neill auch Fragen stellte, Beteuerungen seiner Unschuld von sich gab und verzweifelt versuchte Gehör zu finden – keine Menschenseele interessierte sich dafür. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß und er war allein mit sich selbst und einem Haufen unbeantworteter Fragen.

Langsam aber sicher zählte O’Neill 1+1 zusammen. Er saß ganz schön in der Klemme und das einzige Telefonat, das er führen durfte, hatte er in den Wind geschossen. Nach einigen Minuten erschien ein Mann mit einer Arzttasche und untersuchte Jack. Er verarztete die relativ frische Platzwunde an der Schläfe und ließ ihn dann wieder allein, ohne eine seiner vielen Fragen und Aussagen zu kommentieren. Das einzige was Jack noch übrig blieb war warten.

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2001

Zum wiederholten Mal an diesem Montag klopfte Sam Carter an die Tür zu General Hammonds Büro. Sie wartete nicht einmal auf das obligatorische "Herein", sondern öffnete die Tür und blickte fragend zu dem älteren Mann.

"Was Neues?" fragte sie erwartungsvoll. Ein erneutes Kopfschütteln zerstörte ihre Hoffnungen, doch noch etwas von den beiden gehört zu haben.

"Ich habe mit Gott und der Welt telefoniert, keiner weiß etwas oder hat Kontakt mit den beiden gehabt."

Sam blieb unentschlossen im Türrahmen stehen. Dann musste sie ihren Vorgesetzten fragen, was ihr schon die ganze Zeit durch den Kopf ging.

"Glauben Sie, man hat sie entführt oder gar umgebracht?" Schon der Gedanke allein ließ sie frösteln. Es waren jetzt volle drei Tage ohne irgendein Lebenszeichen von ihnen vergangen.

"An Entführung glaube ich nicht. Es sind keine Lösegeldforderungen eingegangen." Hammond stand von seinem Sessel auf . Er trat auf Sam zu und schaute sie fast väterlich an.

"Ich habe eine Vermisstenanzeige aufgegeben."

Sam preßte die Lippen zusammen und schluckte hart. Hammond blickte Carter offen und verständnisvoll an:

"Es ist meine Pflicht als Leiter dieser Basis, die zuständige Polizei von ihrem Verschwinden zu unterrichten. Dr.Jackson ist Zivilist und als solcher unterliegt er den öffentlichen Behörden. In seinem Fall sind der Air Force die Hände gebunden.

Was Col. O'Neill betrifft, so laufen bereits die Untersuchungen." Major Carter nickte und nach einigen Sekunden des Schweigens sagte sie tonlos:

"Ich werde mich noch einmal in Daniels Labor umsehen, vielleicht finde ich irgendeinen Hinweis."

"Wir finden Sie, Major!" Der General lächelte ihr noch einmal aufmunternd zu und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. Mit sorgenvollem Gesicht wandte er sich erneut an seine Berichte. Trotz allem hatte er eine Basis zu führen und die normalen Arbeiten durften nicht vergessen werden.

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1991

Jack ging in seiner Untersuchungszelle wie ein Panther hin und her. Seine Uhr war verschwunden, aber er hatte einen flüchtigen Blick auf die Zeit werfen können und es war bereits nach 19:00 Uhr. Sein Magen knurrte wie verrückt und er konnte sich schon gar nicht mehr an seine letzte Mahlzeit erinnern.

Wieviel Zeit war vergangen, seit sie Cassie von der Schule abholen wollten? Sein Blick fiel auf einen kleinen Schreibtisch, auf dessen Schreibfläche sich ein Jahreskalender befand. Doch als er näher trat erkannte er, daß es sich um einen alten Kalender von 1991 handelte.

Ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Dieses Jahr würde er am liebsten aus seinem Leben streichen. Zehn Jahre waren seitdem vergangen, doch es weckte immer noch viele unangenehme Erinnerungen in ihm.

1991 - fast ein halbes Jahr war er damals von Zuhause weg gewesen, als er im August zurückkehrte. Und ab diesem Zeitpunkt hatte sich sein Leben verändert – er hatte sich verändert. Als vier Jahre später Charlie ums Leben kam, brach eine Welt für ihn zusammen. Abydos sollte seine allerletzte Mission sein.

Doch als er wider Erwarten zurück kam, war Sarah verschwunden. Er hatte sie zurückgewiesen, als sie ihn brauchte und Abydos war der Auslöser gewesen, ihn zu verlassen.

Er hatte sich erst viel später wieder richtig gefangen, als ihn General Hammond aus dem Ruhestand zurückbeordert hatte. Seit damals schlug sein Leben Kapriolen und er hatte wenig Zeit, sich Gedanken zu machen. Seine Augen suchten den Schreibtisch weiter ab, fanden aber nichts weiter von Bedeutung. Er legte sich auf die Pritsche und schloß die Augen, versuchte seine rasenden Kopfschmerzen unter Kontrolle zu bringen und seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.

Depressionen und alte Erinnerungen waren das Letzte, das er jetzt gebrauchen konnte.

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Zum hundertsten Mal drehte MacGyver das Foto in seinen Händen und schaute auf das Gesicht des Unbekannten. Jetzt vermisste er seinen Großvater noch mehr als sonst. Vielleicht hätte er ihm helfen können, schließlich wusste er einiges mehr von seiner Familie. Er war der einzige Verwandte, den er noch gehabt hatte.

Es mußte ein Zufall sein, daß dieser Mann sein Gesicht hatte. Auch eine Fotomontage war schon ausgeschlossen. Schließlich hatte Mark den Mann ja selbst gesehen.

Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit. Was, wenn Pete recht hatte und er die Möglichkeit hatte, ihm zu helfen? Er steckte das Foto in die Innentasche seiner Jacke und griff zum Telefon. Nach langem Überlegen hatte er seine Entscheidung gefällt.

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Nach einer Weile hörte O’Neill sich nähernde Schritte und eine Stimme, mit dessen Besitzer er sich sicher nie anfreunden würde. Die Tür wurde aufgeschlossen und Jack erkannte sofort den Mann, der ihn in diese Situation gebracht hatte.

"Mein Name ist Sgt. Scott" begann er ohne Umschweife. "Ich habe gehört, Sie stellen hier die unmöglichsten Fragen und ich möchte Ihnen hiermit die Gelegenheit geben, sich zu Ihren Verbrechen zu äußern."

"Welche Verbrechen? Verdammt noch mal, ich weiß doch nicht einmal wie ich hierhergekommen bin!" Aufgeregt begann Jack wieder hin und her zu laufen.

Scott winkte dem vor der Tür stehenden Beamten zu und dieser schloß die Tür, um sie allein zu lassen.

"Sie stellen sich also immer noch dumm." Er drückte den Colonel auf den einzigen Stuhl im Raum und stellte sich vor ihn.

"Was haben Sie für ein Problem? Sie sind ein gesuchter Mörder und ich habe Sie erwischt. Was ist daran nicht zu verstehen?"

Höhnisch grinsend blickte er auf Jack herunter, der die Zähne zusammenbiß, um seinen Zorn im Zaum zu halten. Am liebsten würde er jetzt aus dem Mann Hackfleisch machen. Doch das war es ja gerade, was er provozieren wollte.

"Ich habe niemanden umgebracht, wie oft soll ich das noch wiederholen. Ich bin bei der Air Force, seit fast 30 Jahren. Warum überprüfen Sie das nicht einfach und lassen mich gehen."

Seine Hand fuhr unter den Kragen seines Hemdes und er wollte seine Erkennungsmarke hervorholen. Doch sie griff ins Leere – die Kette, die er schon gar nicht mehr spürte, war dieses Mal tatsächlich nicht vorhanden.

"Tatsächlich?" Höhnisch grinsend sah ihn Scott an.

Die Verzweiflung kroch in ihm hoch und er fragte sich, wie lange es dauern würde bis er langsam aber sicher seinen Verstand zu verlor.

"Wir haben alles überprüft, was es zu überprüfen gibt" fuhr der Polizist laut fort. "Morgen früh ist ihre Verhandlung. Wenn Sie kein Geständnis ablegen wollen, dann haben wir uns nichts mehr zu sagen!"

Jack glaubte, wahnsinnig zu werden. Erregt sprang er auf:

"Verflucht, warum hören Sie mir nicht zu. Ich bin nicht Ihr Terrorist. Ich weiß nicht, wie ich hierher gekommen bin. Ich weiß doch nicht einmal, welcher Tag heute ist! Man hat mir eine Falle gestellt und mich hereingelegt!"

Verzweifelt fuhr er sich durch die grauen Haare und setzte sich auf die Liege.

"Das gibt’s doch nicht. Sie können mich tagelang verhören und ich kann immer nur daßelbe sagen."

Sgt. Scott sah ihn kalt an und sagte dann so leise, daß nur er es verstehen konnte. "Das brauche ich nicht, Colonel O’Neill. Ich weiß alles, doch das nützt Ihnen nichts. Sie werden bezahlen für Ihre Taten. Was mit Ihnen geschieht, wird eine Warnung sein für alle anderen, die Ihrer Ansicht sind."

Er drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen. Kurz vor der Tür drehte er sich noch einmal um:

"Übrigens. Heute ist der 9. Februar 1991. Nur zu Ihrer Information."

Ein sadistisches Lächeln umspielte seine Lippen, bevor er hinter sich die Tür ins Schloß fallen ließ.

O’Neill saß wie vom Blitz getroffen auf der Pritsche. Der 9. Februar 1991. Ganz langsam sickerte das Datum in sein Inneres. Es gab Tage, die er nie in seinem Leben vergessen würde – und das war einer davon. An diesem Tag begann seine Gefangenschaft im Irak.

Kreidebleich stützte er den Kopf auf die Hände und ließ sich auf die Seite fallen. Vieles wurde ihm jetzt klar. Die alten Autos, die Abwesenheit von General Hammond.

Jetzt wußte er, was sein Entführer angedeutet hatte. Indem man ihn in die Vergangenheit schickte, hatte man ihn in seiner Zeit ausgelöscht.

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Seit Stunden fuhren sie dieselbe öde Straße entlang ohne anzuhalten. Scheinbar war das Wort Gaspedal ein Fremdwort für die Rothaarige. Daniels Ohren glühten von den unglaublichen Geschichten, die ihm seine Reisebegleitung erzählte. Nach ihren Ausführungen war sie schon um die ganze Welt gereist und Daniel traute ihr zu, die ganzen Städte und Länder ohne Punkt und Komma aufzählen zu können.

Gelangweilt starrte er aus dem Seitenfenster auf die braune, keine Abwechslung bietende Landschaft und hoffte, bald in eine Stadt oder zumindest in eine bewohnbarere Gegend zu kommen.

Jackson hatte schnell erfahren, daß er sich im Jahr 1991 befand. Doch seine Vermutung, daß er noch in Nevada war, bewahrheitete sich nicht. Er fuhr durch Arizona und jetzt, da er das wußte, bemerkte er auch die unterschiedliche Vegetation.

Bald hatte er die Freude an der doch sehr einseitigen Unterhaltung verloren und hing seinen eigenen Gedanken nach.

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Langsam begannen die Geräusche vor O’Neills Zellentür zu verebben. Die Nacht brach an und es hatte sich keiner der Polizisten bei ihm blicken lassen. Nur einmal hatten sie etwas zu essen gebracht, ihm seinen Gürtel und die Schnürsenkel abgenommen und wieder allein gelassen. Als ob es nicht noch andere Methoden gab, um sich umzubringen. Aber von solchen Maßnahmen hatte Jack schon vor langer Zeit Abstand genommen.

Immer wieder kehrten seine Gedanken zurück zu dem toten Mann in der Villa. Wenn er sich doch nur erinnern könnte. Hatte er ihn tatsächlich umgebracht und wenn ja, wieso. Alles ergab keinen Sinn, doch je länger er darüber grübelte, desto sicherer wurde er sich, daß er niemanden getötet hatte. Es gehörte alles zu ihrem ach so fabelhaften Plan, ihn loszuwerden. Wenigstens wollten sie ihn nicht verhungern lassen. Er setzte sich auf seine schmale Pritsche und fing an lustlos in seinem Teller herumzustochern. Doch schließlich gab er sich einen Ruck und verschlang das vor ihm stehende undefinierbare Menü. Wer wußte schon, wann er wieder etwas Genießbares zwischen die Zähne bekam und zum Grübeln hatte er noch lange genug Zeit.

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Fliegen ist heutzutage etwas völlig normales. Das stetige Brummen der Motoren, die Geräusche der Stewardessen und das Geplapper der Passagiere hat etwas Beruhigendes an sich – und solange sich solide Wände um mich herum befinden, macht es sogar Spaß. Ich war gespannt, auf welch abenteuerliche Aktionen ich mich noch einlassen würde, bevor ich meinem unbekannten Ebenbild gegenüberstehen würde.

MacGyver nutzte den Inlandflug, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf nachzuholen. Dabei verpasste er allerdings das Mittagessen und als er in Denver aus dem Flugzeug stieg, knurrte sein Magen wie ein mittleres Erdbeben. Schnell erledigte er die Formalitäten und holte sich seine Reisetasche, die er zu Hause aus- und sofort wieder eingepackt hatte. Dann marschierte er Richtung Ausgang.

Eigentlich sollte ihn Mark Stewart hier treffen, der Mann von dem Pete die interessanten Informationen erhalten hatte. Doch Mac konnte ihn nirgends entdecken. So machte er sich erst einmal auf den Weg zum Taxistand, um in sein von der Phoenix-Foundation bereits gebuchtes Hotelzimmer zu gelangen und sich zu allererst etwas zu Essen zu besorgen. Als er die Ausgangstüren aufdrückte, schlug ihm der kalte Wind des coloradischen Winters entgegen und er zog sich den Reißverschluß seiner schwarzen Fliegerjacke bis unters Kinn hoch und steckte seine Hände in die Taschen. Dann trottete er zum nächstgelegenen Taxi, immer umherschauend, ob er Mark nicht doch noch irgendwo entdecken konnte.

Ohne Erfolg setzte er sich in einen Wagen und nannte die Adresse seines Hotels. Das Taxi reihte sich in den recht regen Verkehr ein und nach ca. 20 Minuten, die MacGyver wiederum fast nur schlafend verbrachte, waren sie am Ziel angekommen. Er bezahlte den Taxifahrer und ging in das kleine Haus, das sich inmitten einer belebten Straße an anderen Häusern unscheinbar einfügte.

Es war absichtlich eine etwas einfache Pension ausgewählt worden, um es notfalls auch als Unterschlupf zu benutzen. Der Portier war ein freundlicher alter Herr, der ihnen bereits des öfteren ein Zimmer gegeben hatte, das nicht unbedingt zum Hotel gehörte.

Die Phoenix-Foundation hatte ihre Mittelsmänner überall und MacGyver wunderte sich immer wieder, warum gerade er das Glück gehabt hatte, Pete damals zu treffen, um hier seine wahre Bestimmung zu finden. Anderen Menschen zu helfen, wenn sie es selbst nicht mehr konnten.

Als er an die etwas abgegriffene Anmeldung kam, blickte er in das Gesicht eines ca. 70-jährigen kleinen Mannes mit wenigen weißen Haaren und einer dicken Brille. Er lächelte ihn freundlich an:

"Ah, ich habe Sie bereits erwartet. Mr. MacGyver?" "Einfach MacGyver" lächelte er zurück und steckte den Schlüssel ein, den ihm der Alte entgegenhielt.

"Zweiter Stock links. Und ich habe eine Nachricht für Sie." Der Portier gab ihm einen weißen Umschlag mit seinem Namen darauf und wartete bis Mac die Treppe hinaufging, bevor er sich wieder in seinen Schaukelstuhl zurücklehnte und die Zeitung las.

Mac ging die knarrenden Holztreppen zwei Stockwerke nach oben. Er blickte auf den Zimmerschlüssel, in dessen Mitte eine verschnörkelte 7 zu erkennen war. Er lächelte und wusste, daß das sicher Petes Verdienst war. 7 war seine Glückszahl und er erkannte Petes subtile Art, sich auf diese Weise für diesen Einsatz zu entschuldigen.

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Am nächsten Morgen wurde Jack ohne weitere Erklärungen nach Denver gebracht. Kurz vor der Verhandlung lernte er seinen Pflichtverteidiger kennen.

Der schmalgesichtige Anglo-Amerikaner erklärte ihm in einer 5-Minuten-Sitzung, daß er wenig Chancen hatte und von Anfang an ein Geständnis ablegen sollte.

Doch O’Neill war nicht der Typ, der sich in seiner Meinungsfreiheit beeinflussen ließ – schon gar nicht, wenn es um seine eigene Zukunft ging. Er würde alles versuchen, um das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Doch er wusste auch, daß er das Stargate-Programm nicht erwähnen durfte.

Zwei Stunden später wurde er von drei Polizisten regelrecht aus dem Gerichtssaal gezerrt. Er konnte nicht glauben, daß sich sogar sein Verteidiger auf die Seite der Staatsanwaltschaft geschlagen hatte. Die Anklagen erstreckten sich ins uferlose und umspannten ein weites Feld, von Morden in ganz Amerika bis hin zur Entführung von Staatspersonen. Der Richter war korrupt und als Jack sich nicht mehr zu helfen wusste, wollte er dem Staatsanwalt am liebsten den Hals umdrehen. Man brachte ihn zurück ins Denver Polizeirevier, wo ihm sein Pflichtverteidiger dann nicht gerade diplomatisch das Urteil mitteilte:

"Zweimal lebenslänglich im Hochsicherheitsgefängnis von Florence, Arizona."

Irgendwie hatte er das Gefühl, daß er wahrscheinlich mit dem hochkarätigsten Staranwalt von Amerika kein anderes Urteil bekommen hätte.

Der Rest des Tages zog sich wie Kaugummi dahin. Jack drehte sich auf seinem schmalen Bett unruhig hin und her. Draußen war es schon seit Stunden dunkel. Wie sollte er auch Schlaf finden, wenn ihn andauernd seine innere Stimme an das Urteil erinnerte.

Er hatte schon lange keine Alpträume mehr gehabt, doch in den paar Minuten, die er eingenickt war, fühlte er den Horror der Vergangenheit in neuer Intensität aufflammen. Immer dringlicher wurde sein Verlangen, sich aus dem Staub zu machen. Die einzige Möglichkeit bestand darin, irgendwie hier herauszukommen. Vielleicht auf die Krankenstation. Das war zwar der älteste und bekannteste Trick, doch etwas Besseres fiel ihm im Moment nicht ein.

Außerdem lief ihm die Zeit davon. Wenn er erst einmal nach Florence unterwegs war, gab es kein Zurück. Seine jetzige Unterkunft hatte das typische Aussehen einer Gefängniszelle und er hatte Stunden damit verbracht, sich den Kopf über Daniel und seine Chancen, ihn je wieder zu sehen, zu zerbrechen. Hoffnungsvolle Gedanken wechselten sich mit aufkeimender Panik ab und jetzt war er soweit, daß er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.

Seine Chancen waren gleich Null und in der Dunkelheit der Nacht wurde ihm das nur zu klar. Ab morgen, bzw. heute früh war sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Er rollte sich zusammen und verbarg seinen Kopf in der rauhen Wolldecke – und dann tat er etwas, das er schon seit Jahren nicht mehr bewußt getan hatte: beten.

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Colorado Springs- Hotel

Die Tür zu seinem Zimmer war nicht abgeschlossen. MacGyver trat ein und sah einen einfach eingerichteten Raum. Tisch, Stuhl, eine Couch und ein Wandschrank waren die einzigen Möbel. Eine geöffnete Tür ließ ein großes Bett im Nebenraum erkennen. Vom Fenster aus hatte man eine gute Sicht auf die Straße und den Eingang. Auch ein Telefon stand auf dem Tisch und daneben lag ein Telefonbuch. Das Badezimmer war winzig aber sauber.

Er warf seine Reisetasche auf das Bett und öffnete den Umschlag. Eine kurze Nachricht von Mark und eine Diskette war darin. Er teilte ihm mit, daß er verhindert war, ihn vom Flughafen abzuholen. Er sollte sich um 17 Uhr in einem kleinen Cafe mit ihm treffen.

Mac sah auf seine Armbanduhr. Er hatte noch knapp zwei Stunden Zeit, um sich frisch zu machen, etwas zu essen und sich einen Leihwagen zu organisieren.

Er schaltete den kleinen Computer ein, der auf dem kleinen Tisch an der Wand stand und wohl von dem Journalisten geordert worden war. Er schob die Diskette ins Laufwerk und betrachtete den Inhalt. Es waren die wichtigsten Daten der inzwischen stattgefundenen Gerichtsverhandlung darauf gespeichert.

Keiner der Beteiligten kam ihm dem Namen nach bekannt vor. Der Richter war ein kleiner, gedrungen wirkender Mann ohne Ausstrahlung – von Autorität ganz zu schweigen. Stattdessen hatte der Staatsanwalt das Gemüt eines Fleischerhundes. Er hatte einen Auszug der Verhandlung auf dem Computermonitor und ging die Aussagen nochmals durch. Anscheinend hatte der Mann seit seinem Auftauchen in der Villa eine Gedächtnislücke, die mindestens 24 Stunden betrug. Alles andere war wirres Zeug und der Richter hätte ihn eigentlich statt zu lebenslanger Haft in einem Sicherheitsgefängnis in eine Psychiatrische Anstalt einweisen müssen. Keine einzige logische Erklärung gab es für die sinnlosen Erzählungen des Fremden. In seiner Verzweiflung behauptete er, sogar aus der Zukunft zu stammen, konnte oder wollte aber keinerlei Angaben machen, wie denn das geschehen sei. Nach ca. 2 Stunden, in denen der Verteidiger die Ansicht des Staatsanwaltschaft eher bekräftigte, verlor der Angeklagte die Beherrschung und beschuldigte den hiesigen Polizeichef, von der ganzen Angelegenheit zu wissen, wurde sogar handgreiflich, als man ihm seine Aussagen negativ auslegte.

Der Rest war Geschichte. Das Urteil wurde nach 10 Minuten ohne große Beratung und aufgrund der Indizien verkündet. Morgen früh würde er in Florence, Arizona sein neues Zuhause kennenlernen.

MacGyver schaltete den Rechner ab und legte das Foto daneben. Er musste versuchen, den Unbekannten noch vor der Verlegung sprechen zu können. Doch als erstes musste er Pete Bescheid geben, daß er in Colorado angekommen war. Er griff nach dem Telefon und legte sich aufs Bett.

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Irgendwie war die Nacht dann doch vorbeigegangen und die ersten Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch das vergitterte Fenster. Eine Lösung war O’Neill jedoch immer noch nicht eingefallen. Alles hatte sich gegen ihn gestellt und dann kam noch die Sorge um Daniel. Sollte er auch noch sein Leben auf dem Gewissen haben? Lange lag er einfach nur so auf seinem Bett und starrte Löcher in die Luft.

Dann endlich wurde es auf dem Gang laut, ein Polizist kam, um ihn für seine Fahrt ins Gefängnis vorzubereiten. Sie gaben ihm einen orangefarbenen Overall und schickten ihn in einen Waschraum, der natürlich keine Fenster und keinerlei Fluchtmöglichkeiten aufwies. Nicht einmal ein Spiegel befand sich an der Wand. Eine sterile Leuchtstoffröhre verbreitete ein kaltes weißes Licht, das von den dunklen Fließen reflektiert wurde.

O’Neill fuhr sich mit der Hand über seinen Dreitagebart und seufzte. Er stieg in die Duschkabine und sog die Energie des heißen Wassers in sich auf. Mit geschlossenen Augen lehnte er den Kopf an die Wand und ließ die prickelnden Strahlen über sein Gesicht laufen.

Am liebsten wäre er nie wieder auf den Gang zurückgekehrt, doch nach 10 Minuten klopfte es an der Tür und ein ungeduldiger Beamter drängte ihn zur Eile.

Draußen legte er ihm Handschellen an und führte ihn den noch leeren Korridor entlang, der sie wieder das Revier durchqueren ließ.

Der Zufall verhalf ihm dieses Mal zu einer vielleicht letzten Chance, seinem Schicksal zu entgehen. So früh am Morgen waren noch nicht viele Leute im Raum.

Auf einem Schreibtisch lag ein achtlos vergessenes Jagdmesser mit einem weißen Zettel daran. Ein Beweismittel, das jemand dort vergessen hatte.

Doch für Jack war es der Rettungsanker. Zu allem entschlossen stürzte er sich nach vorne, griff das Messer und packte sich den nächstbesten Polizisten, um seine gefesselten Arme um dessen Hals zu legen.

Keiner hatte damit gerechnet und so hatte er ein paar Sekunden Zeit, sich einen Vorteil zu verschaffen.

"Alle die Hände nach oben und keine Bewegung!" brüllte er. Mit seiner um einen Kopf kleineren Geisel bewegte er sich rückwärts Richtung Ausgang, vorbei an einem großen Fenster. Aus diesem Grund bemerkte er auch nicht den jungen Beamten, der aus einer Nische trat und sich von hinten an ihn heranschlich.

Das Klicken eines gespannten Hahnes erregte seine Aufmerksamkeit und er drehte sich mit seinem Opfer blitzschnell um. Er blickte in die Mündung einer Polizeiwaffe, der einzige Fluchtweg war verstellt. Mit einem kräftigen Stoß beförderte er den Festgehaltenen Richtung Pistole, gehetzt blickte er sich um. Das Fenster bot den einzigen Ausweg. Ohne lange nachzudenken hechtete er auf das Fenster zu. Er versuchte, es in fliegender Hast zu öffnen, was mit den Handschellen und dem Messer, das er immer noch in den Händen hielt, ein schwieriges Unterfangen war.

Ein Schuß zerriss die Stille und es kam Leben in die geschockten Menschen, die von seiner Aktion völlig überrascht worden waren.

Panik verhinderte sein normales Denken und er versuchte mit den Ellbogen die Scheibe zu zertrümmern, was ihm jedoch außer blauen Flecken nichts einbrachte.

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Zwei Tage waren vergangen, seit Daniel und Jack hierher geschickt worden waren. Daniel hatte sich gleich nach Ankunft in Gleeson, einem kleinen Nest in der Nähe der Mexikanischen Grenze von der aufdringlichen Frau losgesagt. Auch wenn er ihr unendlich dankbar war, daß sie ihn aufgelesen hatte, so war er doch froh gewesen sie wieder losgeworden zu sein. Einen anstrengenderen Menschen hatte er wirklich noch nicht kennengelernt.

Die hiesige Bücherei hatte nicht viel zu bieten und er hatte einen ganzen Tag damit vergeudet, Informationen zu sammeln, die ihm vielleicht helfen konnten. Jetzt war er auf der Suche nach einem weiteren Transportmittel, das ihn in die nächste größere Stadt bringen sollte, die eine etwas umfangreichere Bibliothek hatte. Vielleicht hatte er Glück und er konnte irgendwie in Erfahrung bringen, wohin man Jack gefahren hatte.

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O‘Neill drehte sich um und umklammerte mit beiden Händen das Messer, noch immer nicht bereit aufzugeben. Noch im Drehen hörte er den zweiten Schuß, der neben ihm die Scheibe des Fensters zertrümmert. Auf diese Gelegenheit hatte er nur gewartet. Mit der Schulter drückte er auf das Loch im Glas und warf sich dann mit aller Kraft dagegen.

Mit samt den Scherben flog er aus dem Fenster und landete unsanft zwischen Mülltüten und Abfalltonnen, die dort auf ihre Abholung warteten. Als er auf den Boden stürzte, hätte er sich beinahe noch das Messer in den Bauch gerammt. Fluchend rappelte er sich auf und sah sich um.

Außer einigen geparkten Wagen war niemand auf der Straße. Es war ja auch erst früh am morgen und der Arbeitsverkehr würde ja auch erst beginnen. Doch auch die Polizeibeamten war nicht tatenlos. Es dauerte nur ein paar Sekunden und schon hörte er ihr Brüllen.

Er hetzte über die schneebedeckte Straße auf die geparkten Fahrzeuge zu und versuchte die Türen zu öffnen. Beim dritten Wagen hatte er Glück, die Fahrertür öffnete sich und sogar der Schlüssel steckte im Zündschloß.

Doch gerade als er sich auf den Sitz zwängte erschall ein dritter Schuß. Von der Wucht des Aufpralles wurde er in das Auto geschleudert, wo er für einen Moment benommen liegen blieb. Die Schmerzen stellten sich fast augenblicklich ein, doch den Luxus ihnen einfach nachzugeben konnte er sich nicht leisten. Schon hörte er wie sich die Tür des Polizeireviers öffnete.

Er zwang sich dazu, halb im Liegen den Zündschlüssel zu drehen und den Motor anzulassen. Dann lugte er über das Lenkrad hinweg und gab Gas, rammte das vor ihm stehende Auto und preschte die Straße entlang – weg von seinen Verfolgern, deren Schüsse die Reifen des Wagens Gott sei Dank verfehlten.

Erst nach mehreren hundert Metern wagte er es, sich stöhnend hinter dem Lenkrad aufzurichten.

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MacGyver war zeitig unterwegs. Er wollte den Unbekannten unbedingt noch vor seiner Überführung nach Florence sprechen, ihm zumindest noch ein paar ermutigende Worte mit auf den Weg zu geben und sich seine Geschichte anzuhören. Sein Aussehen war von Vorteil für ihn, konnte er doch behaupten, ein Verwandter des Verurteilten zu sein.

Er saß in seinem Leihwagen, einem blauen Ford, der ihm im Fußraum genug Platz für seine langen Beine bot, und fuhr auf dem kürzesten Weg zu dem Polizeirevier in einem dicht besiedelten Stadtteil von Denver. Dicke Wolken verhangen den Himmel und es sah so aus, als würde es jeden Moment schneien.

Gerade als er einen Parkplatz ergattert hatte, hörte er das Klirren einer Fensterscheibe, sah einen Mann aus der Öffnung fallen und über die Straße hetzten. Sofort erkannte er den Overall eines Gefangenen und gebannt blieb er im Wagen sitzen.

Selbst von der Entfernung konnte er die Ähnlichkeit in der Statur und Bewegung des Fliehenden erkennen. Auch wenn er noch keine Gelegenheit hatte, das Gesicht zu sehen, wusste er wer dort gerade zu fliehen versuchte. Der Mann hatte einen offenen Wagen gefunden. Da zerriß ein Knall die Stille und er wurde direkt in das Fahrzeug hineingewuchtet. Kurz darauf setzte sich der Wagen in Bewegung.

MacGyver folgte dem Mann. Ein seltsames Gefühl der Verbundenheit machte sich in ihm breit. Auch er musste schon mehrmals vor den Gesetzeshütern Reißaus nehmen und eine Landung in Mülltonnen war ihm nichts Unbekanntes.

Was, wenn er tatsächlich unschuldig war. Kurzentschlossen gab er seinem Gefühl nach und folgte dem davonrasenden Wagen. Vielleicht konnte er sich ein paar Antworten beschaffen.

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Die Straßen füllten sich mit Leben. Immer mehr Autos bewegten sich stadtauswärts und Jack fügte sich in den Verkehr ein. Die verfolgenden Polizeiwagen hatten sich schnell in dem Verkehrsgewühl verloren, zu groß war die Gefahr eines Unfalls.

Seine gesamte linke Seite schmerzte, ausgehend von einer Schusswunde in der Schulter, wo ihn die Kugel irgendwie doch erwischt hatte. Sein Hemd war bereits blutdurchtränkt und er konnte den linken Arm nur noch mit Mühe bewegen. Durch die Handschellen blieb ihm jedoch nichts anderes übrig, als ihn in derselben Höhe wie den rechten zu halten und so klammerte er sich krampfhaft am Lenkrad fest.

Sein einziger Gedanke galt der Straße, die ihn aus der Stadt führte. Er hoffte, irgendwo eine Möglichkeit zu finden, sich auszuruhen. So fuhr er Kilometer um Kilometer dahin, wie ein Autopilot, der seinen Kurs eingestellt hatte.

Es hatte leicht zu Schneien begonnen und auf der Straße sammelte sich der Schnee. Doch Jack bemerkte die Kälte nicht, die durch den Wagen kroch. Es schien das Einzige, das ihn noch aufrecht hielt, war der Gedanke an seine wiedergewonnene Freiheit, die er um keinen Preis wieder verlieren wollte.

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Zuerst raste der Geflohene wie ein Irrer über den Asphalt. Seltsamerweise konnte er im Rückspiegel keine Polizeiwagen ausmachen. Nach einigen Minuten verlangsamte der Wagen vor ihm sein Tempo, so daß es Mac leichter fiel ihm zu folgen. Nach ca. 20 Minuten wurde der Fahrstil unruhig. Er kam mehrmals über den Mittelstrich und MacGyver wunderte sich, was in den Mann vor ihm wohl vorging. Er war mit Sicherheit verletzt und brauchte über kurz oder lang Hilfe.

Der Schnee fiel jetzt sehr dicht und die Straße wurde rutschiger. Trotzdem sah er an dem Fahrzeug kein Licht. Mac überlegte, ob er ihn zum Anhalten bringen sollte, doch er entschied sich dagegen. Er hoffte, die Vernunft des Unbekannten würde siegen und er würde bald eine Pause einlegen.

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Die Schneeflocken tanzten vor O’Neills Augen wie weiße Federn und die Straße wurde zu einem endlosen weißen Band. Fast kam es ihm vor, als würde er einige cm über der Erde fahren.

Das Drängen die Augen zu schließen wurde fast übermächtig und er wusste, daß sich langsam aber sicher der Blutverlust bemerkbar machte. Seit einiger Zeit schon hielt er Ausschau nach einem Parkplatz, doch es bot sich nirgends die Möglichkeit einer Rast. Außerdem wusste er, daß sich bestimmt eine ganze Horde Polizisten an seine Fersen gehängt hatten.

Seit seiner Flucht folgte ihm bereits ein Wagen und auch wenn sich der Verfolger recht geschickt anstellte, hatte ihn Jack schon kurz danach bemerkt. Er umklammerte das Messer, seine einzige Waffe, fest entschlossen sich auf keinen Fall zurückbringen zu lassen. Mit aller Gewalt versuchte er seine Gedanken auf der Straße zu halten und doch war es dann soweit.

Er schreckte hoch und trat reflexartig auf die Bremse, was ein Schlingern und Schleudern des Autos zur Folge hatte. Er musste für einige Sekunden das Bewusstsein verloren haben. Mit einem satten Plumps rutschte sein Fahrzeug in den Straßengraben und er stöhnte, als er mit der Schulter gegen die Rückenlehne prallte. Er ließ sich auf die Seite fallen und konzentrierte sich auf das Rauschen in seinen Ohren. Der Adrenalinsschub hielt sicher nicht lange an und er musste auf sein ganzen Glück hoffen, daß sich sein Verfolger, der mit Sicherheit gleich auftauchen würde, durch Drohungen verscheuchen ließ. Zu mehr war er sicher nicht imstande.

Schon hörte er, wie sich eine Gestalt an der Autotür zu schaffen machte. Er nahm seine ganz Kraft zusammen und wartete.

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Dunkle Schneewolken hingen über der Straßen und dichte Flocken wurden von einem immer stärker werdenden Sturm hin und her getrieben.

MacGyver hatte Schwierigkeiten, die Straße vor sich zu erkennen und er dachte mit Schrecken daran, daß der Wagen vor ihm nicht einmal den Vorteil hatte, frischen Spuren folgen zu können.

Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gebracht, kam der braune Plymouth auch schon ins Schleudern und rutschte seitlich in den schmalen Graben, der an der Straße entlanglief. Mit einem dumpfen Geräusch blieb er darin liegen.

Mac hatte Mühe, seinen eigenen Wagen zum Stehen zu bringen und schlitterte neben das liegengebliebene Fahrzeug. Der Innenraum war dunkel. Das Licht, das durch die Wolken kam, war diesig wie in der Abenddämmerung, obwohl es erst früh morgens war. Schnell stieg er aus und lief auf die Fahrerseite zu.

Keine Bewegung war im Inneren zu erkennen und Mac gab sich einen Ruck und öffnete die Tür.

Der Mann darin lag zusammengekrümmt über dem Schaltgetriebe, halb auf dem Beifahrersitz und um ihn sich anzusehen, mußte er sich hineinbeugen.

Doch kaum hatte er seinen Oberkörper in das Wageninnere gesteckt, packte ihn eine blutige Hand und drückte ihn gegen das Wagendach.

"Keine falsche Bewegung!" warnte ihn eine raue zittrige Stimme und er spürte das kalte Metall eines Messers an seinem Hals. Langsam streckte er beide Hände nach vorne und sah in das Gesicht, das er schon von den Zeitungsfotos her kannte, nun blaß und blutverschmiert, die braunen Augen halb geschlossen und vom Fieber glänzend.

Für einige Sekunden starrten sie sich nur an. Ungläubiges Erstaunen zeichnete sich im Blick des Mannes ab und Mac fühlte den Griff des Mannes lockerer werden. Dann löste sich die Hand vollständig von seinem Hemdkragen und das Messer fiel zu Boden, als der Unbekannte mit einem Seufzer die Augen schloß und ohnmächtig wurde.

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"Verdammt das ist doch nicht möglich!" fluchte Scott und trommelte mit den Fäusten auf den Schreibtisch ein, der vor ihm stand. Die Nachricht von Jacks Flucht hatte ihn vollkommen aus dem Konzept gebracht.

Vier Polizeiwagen konnten den Flüchtenden nicht ausfindig machen. Zu groß war bereits der Vorsprung gewesen und zu dicht der morgendliche Berufsverkehr. Schon nach mehreren Straßenkreuzungen verloren sie den braunen Wagen aus den Augen. Der blaue Ford, der sich sofort an dessen Hinterräder geheftet hatte, war von allen unbemerkt geblieben.

Scott knallte den Telefonhörer auf die Gabel und fuhr sich durch die dichten Haare. Sein Auftraggeber würde ganz sicher nicht vor Freude an die Decke springen, wenn er seinen Bericht ablieferte. Zuviel an Vorbereitung war nötig gewesen, um die Rache besonderer Art umzusetzen.

Seit einem halben Jahr arbeiteten eine Menge Menschen an diesem Projekt "O’Neill". Alle hatten nur kurze Auftritte, so daß niemand über längere Zeit mit diesem Fall verwickelt war. Nur er und zwei seiner Männer waren über den gesamten Plan aufgeklärt.

Sie hatten das Sternentor von Waschington nach Arizona verfrachtet, ungestört und ohne, daß es jemand bemerkt hatte. Noch war das Tor keine Attraktion und es war nicht bewacht gewesen. Dort stand es nun und diente als Verbindung zur Zukunft, versteckt in grauen verlassenen Lagerhallen, die seit Jahren niemanden mehr interessierten.

Scott schüttelte den Kopf. Sie mußten diesen O’Neill ausfindig machen, bevor er die Gelegenheit hatte, irgend etwas Fatales zu unternehmen.

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Der Straßenlärm suchte sich langsam seinen Weg in Jacks Gedanken und es dauerte eine Weile, bis er die Geräusche richtig einordnen konnte. Er lag in einem Bett, seine Schulter war fachmännisch verbunden und der auffällige Overall verschwunden.

Viele Fragen gingen durch seinen Kopf und auf keine einzige wusste er momentan eine Antwort.

Plötzlich hörte er aus dem Nebenzimmer eine leise Stimme:

"Pete, was soll ich machen. Ich kann ihn hier nicht ewig verstecken! Die setzen hier Himmel und Hölle in Bewegung, um ihn zu finden."

Angestrengt lauschte O’Neill, die angelehnte Zimmertür dämpfte die ohnehin schon leise Stimme, so daß er fast nichts verstehen konnte.

"Nein, er schläft jetzt. Aber ich glaube nicht, daß er dazu in der Lage ist."

Scheinbar telefonierte jemand. Jemand, der ihn nicht unbedingt sofort an die Polizei ausliefern wollte.

Jack wusste nicht so recht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Immerhin gab es genug Gauner auf der Welt, die aus seinem Pech noch Geld machen wollten. Aber hätten die sich die Mühe gemacht, ihn erst aufzupäppeln?

Er versuchte sich, den Unbekannten vorzustellen. Obwohl er eigentlich ein gutes Gedächtnis für Gesichter hatte, konnte er sich nicht daran entsinnen. Seine Erinnerung schien ihm einen schlechten Scherz zu spielen, hatte er doch tatsächlich geglaubt, sein eigenes Gesicht zu sehen.

Er versuchte aus dem Fenster zu schauen, das direkt auf die Straße gerichtet war. Vielleicht wäre es das Beste, ganz einfach zu verschwinden. Gesagt – getan. Leise schlüpfte er unter der Decke hervor und stand auf.

Doch er hatte die Rechnung ohne seinen angeschlagenen Kreislauf gemacht. Ein Schwindelgefühl ließ ihn schwanken und ihm wurde schwarz vor Augen. Schnell setzte er sich zurück auf das Bett.

"Ich halte das für keine so gute Idee!"

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2001

Cassie saß in ihrer Schule und freute sich auf den einmal in der Woche stattfindenden Zeichenunterricht. Sie traf hier eine ihrer Freundinnen, die sie seit mehreren Tagen schon nicht mehr gesehen hatte. Mit Lucy hatte sie schon die verrücktesten Dinge angestellt. Sie war ein verrücktes Huhn und unendlich abenteuerlustig. Kaum daß sie den Kopf in den Unterrichtssaal gesteckt hatte, fing sie auch schon an zu erzählen:

"Cassie, stell Dir vor, was ich am Freitag gesehen habe – aber denk jetzt nicht, es ist gelogen. Nein, ehrlich. Es ist bestimmt die Wahrheit. "

Cassie kannte Lucys Art, sie redete ewig herum, bevor sie auf den eigentlichen Punkt zu sprechen kam.

"Was denn, Lucy. Hast Du zwei Lehrer beim Knutschen erwischt?"

Kichernd schubste Cassie ihre Freundin an. "Nein, viel aufregender."

Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. "Einen richtigen Krimi hab’ ich gesehn. Zwei Männer wurden in einen Lieferwagen gezerrt und entführt. Direkt vor der Schule. Ich habe es natürlich Mr.Parker erzählt, aber er hat nur gelacht und gemeint, ich solle nicht soviel Romane lesen."

Cassie bekam große Augen. Janet hatte ihr natürlich vom Verschwinden ihrer beiden Freunde erzählt und daß es bis jetzt keinerlei Hinweise gab. Lucy flunkerte gern und erzählte die haarsträubendsten Geschichten. Aus diesem Grund hatte der Lehrer ihr auch nicht geglaubt.

Doch Cassie wurde hellhörig und völlig ernst, als sie Lucys Worte vernahm. Sie packte ihr Freundin am Arm und zog sie zur Seite.

"Was weißt Du genau, Lucy? Du musst mir alles erzählen!" Bereitwillig gab das Mädchen Auskunft. Die Beschreibung paßte auf Jack und Daniel und scheinbar hatte sie wirklich gesehen, wie sie verschleppt wurden. Als Cassie ihr sagte, daß es sich vielleicht um ihre Freunde handelte, war sie wahnsinnig stolz auf sich. Ohne sich um die beginnende Schulstunde zu kümmern, rannten sie aus dem Klassenzimmer zum nächsten Telefon.

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1991

O’Neill erschrak, als er plötzlich diese Worte hinter sich vernahm.

"Da draußen laufen eine Menge Leute herum, die gerne berühmt werden wollen."

Jack drehte sich extra langsam um, um einen erneuten Schwindelanfall zu vermeiden. Er wollte zu einer Antwort ansetzen, doch als er den anderen Mann im Zimmer anblickte, verschlug es ihm die Sprache.

"Ging mir genauso!" sagte MacGyver und trat näher an Jack heran. "Man muß sich erst daran gewöhnen. Wie geht es Ihnen? Die Kugel ist über dem Schlüsselbein glatt durchgegangen. Sie hatten Glück, daß es ein so kleines Kaliber war."

Er beobachtete O’Neill wachsam und wartete auf eine Reaktion seines Gegenübers. Jack schluckte schwer und schaute den Fremden misstrauisch an.

"Wie komme ich hierher?"

"Ich habe Sie bei Ihrer Flucht gesehen und bin Ihnen gefolgt. Nach Ihrem Unfall konnte sich Sie nicht so einfach zurücklassen. Sie sind in meinem Hotelzimmer in Denver."

"Und wer sind Sie?"

"Mein Name ist MacGyver. Ich habe Ihr Bild in der Zeitung gesehen und war, nun sagen wir, neugierig."

Er machte eine kleine Pause. "Um ganz ehrlich zu sein," fuhr er fort, "ein Freund hat mich gebeten, Ihnen zu helfen. Er hat ein paar Recherchen angestellt und kam zu dem Schluß, daß Sie vielleicht Hilfe bräuchten."

Jack lachte trocken und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück.

"Hilfe, das ist nicht das richtige Wort. Ich bräuchte ein Wunder" sagte er dann mehr zu sich selbst.

"Wenn ich Ihnen erzähle, was mir passiert ist, dann liefern Sie mich nicht an die Polizei aus, sondern ins nächste Irrenhaus!" wandte er sich an Mac.

"Lassen Sie’s drauf ankommen" forderte dieser ihn auf. Er packte einen Stuhl und setzte sich rücklings darauf.

"Sie sind schon in großen Schwierigkeiten, schlimmer kann es doch nicht mehr kommen."

O’Neill musste ihm Recht geben. Aus einem unerklärlichen Grund begann er langsam, dem Fremden zu vertrauen, der mit seinem Gesicht vor ihm saß. Auch wenn ihn die langen Haare etwas irritierten. Vielleicht war es auch der Schock, sich selbst gegenüberzusitzen, der ihn gesprächig machte. Aber er war froh, daß er jemanden gefunden hatte, der ihm zumindestens zuhörte – und das konnte MacGyver sehr gut. Er unterbrach ihn nur einige Male, um gezielte Fragen zu stellen und nach etwa ¼ Stunde wusste Mac das Wichtigste, das Jack seit seiner Entführung zu erzählen hatte. Dabei hatte der Colonel das Stargate mit keinem Wort erwähnt.

Er beobachtete seinen Doppelgänger dabei ganz genau, hoffte nicht in irgendeine Falle geraten zu sein. Als er geendet hatte, schüttelte MacGyver den Kopf:

"Klingt alles sehr unglaubwürdig, das muß ich zugeben. Aber ich habe auch schon das Verrückteste erlebt."

Er stand auf und verließ das Schlafzimmer des kleinen Appartements, das er Jack überlassen hatte.

"Sie sollten sich ausruhen. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns, wenn wir Ihren Freund finden wollen."

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Endlich hatte Dr. Jackson es bis Tucson geschafft. Hier saß er vor einem Stapel Bücher und ackerte eines nach dem anderen durch. Er nutzte die Möglichkeiten der hiesigen Bücherei so gut es ging – das Computerzeitalter war leider bis hierher nur beschränkt durchgedrungen, zumindest konnte man noch nicht vieles auf Disketten finden.

Sein vorrangiges Ziel war es jetzt, so schnell wie möglich Jack ausfindig zu machen. Zusammen würden sie schon eine Möglichkeit finden, hier wieder herauszufinden. Er klammerte sich an die Worte des Mannes, der erwähnt hatte, man würde in Florence gut für Jack sorgen.

Er hatte neun verschiedene Florence ausfindig gemacht, die sich in den Staaten befanden. Das italienische Florence ließ er außer acht, er glaubte nicht, daß man Jack nach Europa bringen würde. Außerdem war er bei einem ziemlich sicher, das richtige gefunden zu haben.

Es handelte sich um eine Stadt in der Nähe von Phoenix, in der ein bekanntes Hochsicherheitsgefängnis stand. Dort hatten sie den Colonel bestimmt untergebracht. Er konnte sein Glück fast nicht fassen. Er befand sich in Arizona und brauchte nur noch jemanden, der ihn in die Nähe des Komplexes brachte.

Doch als er die Beschreibung des Gefängnisses gelesen hatte, verlor er fast den Mut. In dieses Gefängnis kamen nur die Schlimmsten. Terroristen, Massenmörder und dergleichen. Die Methoden der Wachhabenden waren dementsprechend ruppig, um sich den nötigen Respekt zu verschaffen, ganz zu schweigen von den Gefangenen untereinander.

Jack hatte ihm einmal erzählt, jedes Gefängnis habe seine eigenen Regeln. Dieses hatte sicher keine angenehmen. Wer ein einigermaßen akzeptables Leben haben wollte, musste zurückstecken. Er kannte O'Neills irischen Sturkopf gut genug, um zu wissen, daß es nicht lange dauern würde, bis er sich dort Feinde machte. Auch wenn er sich noch keinen Reim darauf machen konnte, was das alles zu bedeuten hatte, würde er alles versuchen, Jack dort herauszuholen.

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Das Wenigste, daß Pete Thornton für seinen Freund machen konnte, war, ihm einen ungestörten Platz zu verschaffen, wo er sich in Ruhe ein paar Tage verstecken konnte. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Schließlich war er es, der ihn überredet hatte, auf diese Exkursion zu gehen.

Das Telefon war zur Zeit sein meistgebrauchtes Hilfsmittel und schon wieder griff er zum Hörer, um sich mit MacGyvers Hotel verbinden zu lassen. Er hoffte, daß es noch nicht zu spät war, um sie gefahrlos aus Colorado verschwinden zu lassen.

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Ein energisches Klopfen ließ MacGyver aus seinem leichten Schlaf aufschrecken. Er wälzte sich von der kleinen Couch und öffnete vorsichtig die Appartementtür.

Der alte Mann aus der Rezeption stand vor ihm und Mac ließ ihn eintreten.

"Sie müssen hier verschwinden. Ihr Freund hat eine Menge Aufregung verursacht und überall werden Fotos von ihm verteilt."

Mac wusste, daß das kein leicht zu lösendes Problem war. Er hatte daßelbe Gesicht und das bedeutete, daß sie auch hinter ihm her waren. Fast bereute er, daß er nach Colorado gekommen war, doch dann dachte er an den hilflosen Blick des Mannes im Schlafzimmer, als er zu sich gekommen war. Seine Geschichte war so unglaublich, daß er sie im wirklich abnahm.

Der Portier hielt ihm einen Autoschlüssel hin:

"Im Hinterhof steht ein alter Nissan. Auf dem Rücksitz finden sie eine Landkarte. Dort ist ein Weg eingezeichnet, der sie über die Berge nach Utah führte. Dauert zwar etwas länger, doch es ist sicherer. Auf halbem Weg können sie in einer Berghütte in den Rocky Mountains übernachten"

Dankbar nahm Mac die Schlüssel und verabschiedete sich. Er steuerte das Telefon an, um sich nochmals mit Pete abzusprechen, als er Jack in der Türe stehen sah.

Er war weiß wie die Wand und stützte sich mit der gesunden Schulter im Türrahmen ab.

"Sie stürzen sich wegen mir in Schwierigkeiten, warum machen Sie das?"

"Sagen wir, mir gefällt Ihr Gesicht?!"

Ein gequältes Lächeln stahl sich auf Jacks Lippen. "Ich habe eine Idee, wo sich Daniel aufhalten könnte."

"Dazu haben wir später noch Zeit. Zuerst müssen wir von hier verschwinden." MacGyver holte einige Kleidungsstücke aus seiner Reisetasche und gab sie dem Colonel. "Die müssten eigentlich passen", meinte er, "oder möchten Sie wieder in Ihren schicken Overall?"

O’Neill entspannte sich ein wenig und verschwand mit den Sachen im Schlafzimmer. Mac packte all seine Sachen zusammen und verstaute Jacks Gefängniskleidung in einer Plastiktüte. Der alte Mann an der Rezeption würde sie garantiert spurlos verschwinden lassen.

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2001

Carter war völlig aus dem Häuschen, als ihr Janet von den Neuigkeiten erzählte. Endlich hatte sie eine Spur.

Sie saß mit Teal’C wieder im Besprechungsraum und wartete auf Hammond, der hoffentlich gute Nachrichten hatte. Kurz darauf kam er auch schon durch die Tür, doch das erhoffte Lächeln auf seinem Gesicht fehlte. Ohne lange Umschweife kam er zum Thema.

"Es tut mir leid. Wir haben die Aussage des Mädchens aufgenommen und es sieht auch so aus, als ob sie die Wahrheit sagt."

Das ABER lag direkt in der Luft und Sam sah Hammond ratlos an.

"Aber den weißen Lieferwagen, der erwähnt wurde gibt es nicht. Er hatte keine Nummernschilder, keine auffälligen Details. Es ist unmöglich, diese Spur weiterzuverfolgen."

Er endete mit einem resignierenden Schulterzucken. Teal’C durchbrach mit seiner sonoren Stimme die Stille:

"Jetzt wissen wir aber wenigstens, daß sie entführt wurden. Vielleicht bringt uns das weiter." Sam konnte diesem Hinweis nichts Positives abgewinnen und stützte ihren Kopf in die Hände. Die gerade aufgebaute Hoffnung war zerstört und die Enttäuschung umso größer.

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1991

Man mag es vermessen nennen, aber ich glaube es gibt Menschen, die die kleinen und großen Katastrophen im Leben richtiggehend anziehen. Anscheinend gehöre ich zu diesen Unglücklichen oder wie sonst ist es zu erklären, daß ich mit einem Doppelgänger mitten in den Rockys unterwegs bin, um ihn vor dem Gefängnis zu bewahren. Als ob ich in den letzten Jahren nicht schon genug Unglaubliches und Verrücktes erlebt hätte.

MacGyver studierte die Landkarte, die er auf dem Rücksitz des roten Vans gefunden hatte. Der Weg, der darauf verzeichnet war, schlängelte sich jetzt in schneebedeckten Serpentinen die Rocky Mountains hinauf.

Sie waren jetzt ca. 9 Stunden unterwegs, was zumeist die Schuld des schlechten Wetters war. Inzwischen war es bereits dunkel geworden. Der letzte Halt war vor ca. 7 Stunden in Lakewood gewesen, wo er in einer kleinen Tankstelle etwas zu essen, Reserve-Benzin und für den Colonel Schmerztabletten besorgt hatte.

Die Lichtkegel der Scheinwerfer durchdrangen die Dunkelheit nur spärlich, da die Sicht wegen des stetigen Schneefalles fast Null war. Im Wagen hatten sie ,Anoraks und noch einige nützliche Kleinigkeiten gefunden, ohne die sie die Flucht hierher nicht durchführen hätten können. Wieder bewunderte Mac die Zusammenarbeit so vieler Leute über so weite Strecken.

O’Neill hatte sich auf dem Rücksitz ausgestreckt. Er hatte die meiste Zeit schlafend verbracht, zu erschöpft, um gegen die Schmerzen anzukämpfen. Erst die Tabletten ließen ihn ein wenig entspannen. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, so hatten ihn die letzten Tage doch sehr geschafft.

Mac faltete die Karte zusammen und setzte das Gefährt wieder in Bewegung. Der Schnee kam in dichten Flocken angeflogen und setzte sich auf die eisbedeckte Fahrbahn. Je höher sie kamen, desto glatter und gefährlicher lag die Straße vor ihnen. Der Phoenix-Mann wollte die kleine Hütte, welche mit einem roten Kreuz markiert war, so schnell wie möglich erreichen. Sie konnten beide ein bequemes Bett und eine heiße Suppe gebrauchen und nach seinen Berechnungen dürften sie nur noch wenige Kilometer davon entfernt sein.

"Soll ich Sie ablösen?" Jack schälte sich aus seiner Decke und setzte sich auf.

"Nein, ich denke es ist nicht mehr weit."

Die Reifen des Allradwagens drehten durch und Mac brauchte sein ganzes Fußspitzengefühl, um auf der ebenen Fläche der Straße zu bleiben. Er hatte keine Ahnung, wie die Landschaft neben ihnen aussah, so sehr konzentrierte er sich auf das weiße Band vor ihm. Langsam fuhren sie die vereiste Straße entlang, jeder in Gedanken versunken.

O’Neill beobachtete die fahrende Gestalt, wohl bewußt, daß der Mann vor ihm über den Rückspiegel wahrscheinlich daßelbe tat. Er hatte lange Zeit gehabt, sich über seine Situation klar zu werden. Seine Sorge galt vor allem Daniel, der irgendwo in dieser Zeit versuchte, wieder zurück zu kommen. Den Gedanken, sein Freund könnte von denselben skrupellosen Gangstern getötet worden sein, hatte er schnell verdrängt. Dieser großkotzige Polizist hätte das sicher erwähnt, um seine diesbezüglichen Hoffnungen im Keim zu ersticken.

Der Archäologe hatte lange gebraucht, um im SGC ein neues Zuhause zu finden, nach Sha’res Tod ein neues Leben zu beginnen und Jack hatte ihm die erste Zeit über den Schmerz hinweggeholfen. Zu genau wusste er, was in dem jungen Mann vorgegangen war.

Seine Erinnerung brachte ihn erneut zurück zu Charlie. Hier war sie. Die Möglichkeit ihn und seine Ehe zu retten. Was hätte er damals dafür gegeben, diese Chance zu bekommen. Er könnte sogar sich selbst retten, doch er wusste, daß er keine Gelegenheit dazu haben würde - und daß er nichts von alledem je tun dürfte, um die Zukunft, die seine eigene Zeit war, nicht zu verändern Alles war so verwirrend, er hatte immer noch Schwierigkeiten, der Realität ins Gesicht zu sehen. Sollte er sein gerade in den Griff bekommenes Leben wegen eines Racheaktes wieder verlieren? Sein letzter Gedanke galt wieder Daniel, den er unbedingt finden mußte, bevor seine Lider wieder schwer wurden und er zurück in einen unruhigen Schlaf fiel.

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2001

Sam saß in ihrem Quartier auf dem Bett und kämpfte mit den Tränen. Sie hatte sich die ganzen Tage so zusammengerissen, niemandem ihre wahren Gefühle gezeigt. Doch seit diesem verhängnisvollen Freitag hatte sie nicht mehr richtig geschlafen.

Ihre Gedanken wanderten wieder zu ihren Freunden. Sie malte sich die schrecklichsten Dinge aus, was mit den beiden passiert war. Was ihr jedoch noch mehr Gedanken machte, war die Tatsache, daß sie sich einfach ein Leben ohne Jack an ihrer Seite nicht mehr vorstellen konnte. Sie vermißte ihn und seine Witze, die Wärme seiner braunen Augen bei einem Lächeln, das er viel zu selten zeigte. Erst jetzt wurde ihr wieder bewußt, was es ihr bedeutete, in seiner Nähe zu sein.

Sie wusste, sie konnte es ihm nie zeigen, aber das war ihr im Moment egal. Wenn er nur wieder auftauchen würde.

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1991

Auch MacGyvers Konzentration ließ merklich nach. Nach weiteren zehn Kilometern kam er fast ins Zweifeln, ob sich seine Kartenlesekunst in Luft aufgelöst hatte, als er an eine kleine Kreuzung kam, welche ihm den direkten Weg zu ihrem kurzfristigen Aufenthaltsort zeigte.

Er fuhr mit neuem Elan durch den kniehohen Schnee, froh darum, daß das Fahrzeug eine so gute Haftung hatte. Plötzlich tauchte vor dem Auto ein Schatten auf. Überrascht trat er auf die Bremse, kam auf der unter dem Schnee vorhandenen Eisschicht sofort ins Rutschen.

Der Van kam von der Straße ab und der schwere Wagen sank sofort in den tiefen Schnee, rutschte seitwärts weiter und kippte vornüber. Lautes Ächzen verriet, daß das Gewicht allein von der Vorderachse gehalten wurde. Vor ihnen ging es steil bergab, die Strahler bohrten sich durch die Nacht und beleuchteten einige schneebedeckte Bäume, die als stumme Zeugen des Unfalls gen Himmel ragten. Mac starrte mit weit aufgerissenen Augen aus der Windschutzscheibe, die Hände hielten das Lenkrad immer noch fest umklammert.

O’Neill war völlig unvorbereitet nach vorne zwischen Fahrer- und Beifahrersitz gerutscht. Fluchend preßte er die Hand an seine Schulter, die durch den ungebremsten Aufprall auf den Schalthebel wieder zu bluten begonnen hatte. Die beinahe schon geschlossene Verletzung sandte erneute Schmerzwellen aus und er versuchte, sich aufzurichten. Der Wagen kam bedrohlich ins Schaukeln und kippte merklich vornüber, als zusätzliches Gewicht nach vorne drängte.

Mac brauchte ein paar Sekunden, um sich von seinem Schreck zu erholen. Trotz der geringen Fahrgeschwindigkeit war er gehörig in den Gurt gedrückt worden und er bereute, den schlafenden Jack aus Rücksicht auf seine Verletzung nicht angegurtet zu haben.

"Nicht bewegen! Denken Sie nicht mal dran!"

O’Neill erkannte am Tonfall die Ernsthaftigkeit der Worte. Er blieb in seiner ungemütlichen Position liegen und erstarrte, wagte kaum zu atmen obwohl im speiübel war.

Langsam beruhigte sich der Van. Vor ihnen lag ein steiler Abhang mit vereinzelten zugeschneiten Bäumen und einer normalerweise grandiosen Aussicht ins Tal, die jedoch von dichten Schneewolken verhangen war.

MacGyver entledigte sich seines Gurtes und öffnete langsam die Fahrertür. Dann rutschte er aus dem Sitz und hielt den Wagen so gut es ging mit seinem Oberkörper in Balance. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht nach draußen, hielt die Fahrertür heruntergedrückt und deutete Jack an, sich aus seiner verkeilten Lage zu befreien. O’Neill, der sich schon zu dreiviertel im vorderen Wagenanteil befand, schob sich ganz langsam zurück, um sein Gewicht in den hinteren Teil des Vans zu verlagern. Er lehnte sich zurück und öffnete dann die Schiebetür.

MacGyver hing inzwischen mit seinem ganzen Gewicht an der Fahrertür und hoffte, daß Jacks Aussteigen nicht zum Abrutschen des Autos führte. Der Wind war stärker geworden und wehte ihm frischen Pulverschnee ins Gesicht. Mit angehaltenem Atem stieg Jack aus dem schaukelnden Gefährt, dessen Hinterräder sich leicht vom Boden abhebten. Ein letzter schneller Schritt brachte ihn in Sicherheit und Mac ließ die Fahrertür los und sprang zurück.

Beide hörten das Knarren und Schaben, als sich der Untergrund unter dem Lieferwagen löste und erwarteten schon dessen Absturz. Doch nach etwa ½ Meter blieb er mit der Motorhaube im tiefen Schnee stecken. Mit einemmal war es stockdunkel, da das Licht von den dichten Schneehaufen fast völlig verschluckt wurde. "Sind Sie in Ordnung?" fragte Jack, der den jüngeren Mann aus den Augen verloren hatte. MacGyver nickte und dachte nicht daran, daß man das im Dunkeln gar nicht sehen konnte. Erst nach der zweiten Anfrage fand er seine Sprache wieder:

"Ja, ja ich bin ok. Und Sie?" Ein brummender Laut war die Antwort und Mac hörte, wie O’Neill sich in den Schnee setzte.

"Das war knapp. Was machen wir jetzt?" MacGyver holte eine kleine Taschenlampe aus der Jackentasche und leuchtete in Jacks blasses Gesicht. Er hielt sich die Schulter und zwischen seinen Fingern sah man etwas Blut. Es war Stunden her, seit der Verband angelegt worden war und die raue Behandlung von vorhin tat ihr übriges. Außerdem hatte Jack keinen Anorak an und zitterte merklich.

"Die Hütte ist höchstens noch 3-4 km entfernt. Das müssten wir auch zu Fuß schaffen." MacGyver hatte seine Jacke ausgezogen und reichte sie Jack.

"Morgen früh versuchen wir, den Wagen zu bergen."

Widerwillig nahm Jack das angebotene Kleiderstück und folgte MacGyver die Straße entlang.

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Jackson hatte nie gedacht, daß der Weg nach Florence so anstrengend sein konnte. Die paar Dollar, die er noch bei sich hatte, reichten kaum für Übernachtung und eine Zugfahrkarte nach Phoenix. Keine seiner Kreditkarten hatte Eindruck auf die Geldautomaten gemacht. Kein Wunder, sie waren ja alle in der Zukunft ausgestellt. Er war nun schon den 4. Tag unterwegs und hatte es endlich bis hierher geschafft. Doch das Gefängnis selbst war unerreichbar für ihn. Die Sicherheitsvorkehrungen so verschärft, daß kein Unbefugter in die Nähe kommen konnte.

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Gemeinsam stapften O’Neill und MacGyver durch den kniehohen Schnee und nur Macs kleine Taschenlampe ließ sie die stetig bergan führende Straße erkennen. Der Wind blies ihnen kalte Luft entgegen und die zurückgelegte Strecke kam ihnen schon als endlos vor, obwohl noch keine zehn Minuten vergangen waren.

"Ob das so eine gute Idee war?" keuchte Jack, der sichtlich Mühe hatte mit MacGyver Schritt zu halten. Bei jeder Bewegung schmerzte seine Schulter und ein brennendes Gefühl, soviel Erfahrung hatte er mittlerweile, kündigte eine Entzündung der Wunde an.

"In den Wagen zu klettern, wäre zu gefährlich gewesen. Es könnte schon ein Anstoßen genügen und er rutscht den Hang hinunter. Im Tageslicht und mit einem Seil könnten wir es schaffen, ihn zu sichern und auf die Straße zurück zu bekommen."

Mac wartete, bis der Air Force-Offizier zu ihm aufgeschlossen hatte. Keuchend blieb Jack neben ihm stehen und nickte.

"Dann machen wir, daß wir weiterkommen. Sie haben nicht zufällig ein Paar Ski in Ihrer Hosentasche?"

MacGyver mußte trotz ihrer mißlichen Lage grinsen und ging dann mit hochgezogenen Schultern weiter. Skifahren, ja. Wenn die Umstände ein wenig anders wären, dann würde es ihm hier wirklich gefallen.

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2001

In einem dekadent eingerichteten Büro in Washington klingelte das Telefon. Der Mann hinter dem Schreibtisch nahm den Anruf entgegen.

"Was soll das, Manuel. Ich sagte Ihnen, Sie sollen mich nicht über diese Leitung anrufen!"

Ärgerlich hörte er der Stimme am anderen Ende zu und sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr.

"Dann leiten Sie die nötigen Schritte in die Wege. Suchen Sie diesen Journalisten, er wird wissen, wo sich der Mistkerl aufhält."

Er knallte den Telefonhörer auf den Apparat und lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. Er fragte sich auf einmal, ob es eine so gute Idee war, seinen Widersacher am Leben gelassen zu haben. Wenn sie Pech hatten, würde er in der Vergangenheit einen ganz schönen Wirbel verursachen. Doch er wußte auch, daß seine Geschichte zu verrückt war, als daß sie ihm jemand glauben würde. Mit einem unguten Gefühl nahm er erneut das Telefon zu Hand und wählte eine Nummer. Er mußte selbst mit seinen Hintermännern Kontakt aufnehmen.

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1991

Nach einer weiteren halben Stunde betraten die beiden Männer völlig durchnäßt die Veranda einer stattlichen Hütte. Der Wind hatte zugenommen und schwere Schneeflocken wehten ihnen ins Gesicht. Vor der Türe hatte sich ein beachtlicher Schneeberg angesammelt und es bedurfte ihrer beider Kraft, sie aufzuziehen.

Erst einmal im Inneren lehnten sie sich beide an die Wand und standen in einem geräumigen Wohnraum mit einem steinernen Kamin, an dessen Wand sogar schon Holz gestapelt war. Es dauerte dann auch nicht lange und das Knistern eines Kaminfeuers durchdrang die Stille.

"Ob wir es je nach Utah schaffen?" fragte O’Neill, der seit dem Eintreffen in der Hütte geschwiegen hatte. Erst jetzt bemerkte Mac das blasse Gesicht seines Begleiters und die steifen Bewegungen.

"Ich denke, so weit sollten wir noch gar nicht denken. Für den Augenblick sind wir hier sicher."

Er drängte Jack auf das Sofa und half ihm beim Ausziehen. Der angelegte Verband war blutverkrustet und ließ sich nur schwer entfernen. Um die Schußwunde war eine leichte Rötung zu erkennen, die Verletzung selbst sah jedoch weniger schlimm aus als erwartet.

"Die Kälte hatte durchaus auch ihr Gutes" bemerkte Mac und suchte die Kästen nach brauchbarem Verbandsmaterial durch. Schnell wurde er fündig. Der Besitzer der Hütte hatte scheinbar für alle Eventualitäten vorgesorgt. An Vorräten fand er Fertigsuppen und Dosen, die Mac sofort willkommen hieß. Sein Magen hatte sich schon vor einer geraumen Weile beschwert.

Er kehrte zur Couch zurück und wickelte die verletzte Schulter gekonnt erneut ein. "Die Wunde wurde gut gekühlt und vielleicht kommen Sie um eine stärkere Infektion herum." "O’Neill fiel es sichtlich schwer, sich so bedienen zu lassen."

"Mr.... MacGyver?" In der langen Zeit seit sie zusammen waren hatte er den Mann nie mit seinem Namen angesprochen. "Aus welchem Grund lassen Sie sich in meine Probleme ein?" Er konnte nicht verstehen, daß sich jemand aus reiner Hilfsbereitschaft in eine solche Situation bringen ließ.

MacGyver war mit Verbinden fertig und setzte sich O’Neill gegenüber.

"Lassen Sie das Mr. weg. MacGyver reicht vollkommen!" meinte er lächelnd. "Ich arbeite bei einer Organisation, die sich um spezielle Fälle kümmert – ohne große Bürokratie. Politisch Verfolgte, Entführungen, Staatsbesuche u.s.w. – und ab und zu auch unschuldig Verurteilte." Bei dem letzten Zusatz sah er Jack aufmunternd an. "Was macht Sie so sicher, daß ich unschuldig bin?" Neugierig sah er MacGyver zu, der sich an den Fertigsuppen vergriff und ein buntes Durcheinander kochte.

"Eine Portion Menschenkenntnis und gute Beobachtungsgabe. Sie hatten genug Gelegenheiten, mich umzubringen und sich aus dem Staub zu machen."

Mac stellte einen dampfenden Topf und zwei Teller auf den Tisch.

"Ich hoffe, Sie sind nicht wählerisch, was das Essen betrifft."

Jack schüttelte den Kopf und schöpfte sich einen großen Löffel auf sein Teller.

"Das hab‘ ich mir schon vor Jahren abgewöhnt."

MacGyver blickte ihn über den Löffelrand hinweg an. "Erzählen Sie mir ein wenig. Haben Sie eine Ahnung, wer Ihnen ans Leder will?"

Jacks Gesicht nahm einen abweisenden Ausdruck an. "Ich möchte Sie nicht noch weiter hineinziehen als nötig. Vielleicht versuchen wir nur einmal von hier wegzukommen. Je weniger Sie wissen, desto besser."

MacGyver akzeptierte die Antwort. "Ich habe im zweiten Raum ein Funkgerät gesehen. Wie wär’s wenn wir nach dem Essen versuchen, jemanden zu erreichen?"

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2001

Es war schon lange dunkel, als General Hammond in seine Limousine stieg und nach Hause fuhr. Fast eine Woche war es her, daß sein zweithöchster Offizier und Dr. Jackson entführt wurden. Mittlerweile war es allen klar geworden, daß es niemand auf Geld oder einen Tauschhandel abgesehen hatte. Die Entführer hätten sich schon längst melden müssen.

Gedankenverloren steuerte er die dreispurige Autobahn entlang, seinem Haus entgegen. Seit seine Frau vor 8 Jahren gestorben war, bewohnte er es alleine. Seine Kinder kamen oft zu Besuch und dann erschallte in dem großen Gebäude wieder Kinderlachen, wenn seine Enkel durch die Räume tobten. Doch manchmal kam es ihm richtig feindselig vor, als ob es ihn hämisch angrinste und seine Einsamkeit entgegenflüsterte – wie heute.

Er ließ den Wagen an der Auffahrt stehen und schloß die Haustür auf. Im Dunkeln ging er durch den Flur in das große Wohnzimmer, blickte durch das große Panoramafenster auf den schneebedeckten Garten. Seine Gedanken kreisten um die Ereignisse der vergangenen Woche. Nichts war wie vorher, sein bestes Team war zerstört und er wusste nicht, wie er die Lücken füllen sollte.

Er seufzte und trat zurück in den Gang, zog seinen Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Dann knipste er das Licht an und wollte schon seinen Weg in die Küche fortsetzen, als er einen weißen Umschlag vor der Tür auf dem Boden liegen sah. Neugierig hob er ihn auf.

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1991

Jack beendete seine Mahlzeit und ging in das Nebenzimmer, das gleichzeitig das Schlafzimmer der Hütte war. Ein großes Bett war an einer Wand aufgestellt und ein breiter Wandschrank bedeckte fast die gesamte Wand der anderen Seite. Auf einem kleinen Tisch stand tatsächlich ein Funkgerät. Er begutachtete die vielen Knöpfe und Tasten und schaltete es schließlich ein. Welche Frequenz er wohl brauchte? Er wollte auf keinen Fall die falschen Leute erwischen.

Schlagartig wurde ihm bewußt, daß er außer MacGyver wirklich niemanden hatte, der ihm helfen würde. Ein seltsames Gefühl des Ausgeliefertseins überkam ihn und sein natürliches Mißtrauen kam an die Oberfläche. Er war plötzlich unglaublich müde, wollte sich am liebsten in ein Eck verkriechen und nie wieder denken müssen. MacGyver trat neben ihn und riß ihn aus seinen Gedanken. Er stellte eine Frequenz ein und versuchte, eine Verbindung aufzubauen.

"Ich weiß vielleicht eine Möglichkeit, wie wir meinen Freund finden können" sagte Jack leise. "Kann Ihr Freund eine Zeitungsanzeige aufgeben, die man in ganz Amerika zu lesen bekommt?" Mac blickte den Air Force-Colonel aufmunternd an.

"Kein Problem für Pete. Sagen Sie mir den Text!"

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Müde lehnte sich Daniel an eine Hauswand. Er versuchte schon seit geraumer Weile, ein Fahrzeug anzuhalten, doch die Leute hier schienen sehr misstrauisch gegenüber Fremden zu sein. Er hatte sich den Kopf zerbrochen, wie er Jack aus der Festung des Gefängnisses befreien könnte, doch war zu keinem Ergebnis gekommen.

Jetzt wollte er versuchen, zurück zum Stargate zu gelangen. Es bestand ja noch die Möglichkeit, auch wenn er sich in der Vergangenheit befand, trotzdem zu einem ihrer außerirdischen Freunde zu reisen, auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wie.

Er beobachtete die Autos, dessen stetiger Strom nie zu enden schien. Da fiel sein Blick auf den Arizona Daily Star – eine verbreitete Tageszeitung, die in durchsichtigen Plastikkästen angeboten wurde. Auf der Titelseite zwischen den verschiedenen Schlagzeilen prangte in einem rot umrandeten Feld eine Anzeige, die sofort seine Aufmerksamkeit erlangte:

>SPACEMONKEY – BRAUCHST DU EIN WUNDER ODER SUCHST DU EINEN FREUND? DANN WÄHLE LA 555-230150<

stand dort in Großbuchstaben. Jack machte sich einen Spaß daraus, ihn mit diesem Spitznamen aufzuziehen. Daniel schluckte, warf eine Münze in den Kasten und holte sich ein Exemplar heraus.

Sollte Jack tatsächlich in der Lage sein, eine Anzeige aufzugeben oder war alles nur ein riesiger Zufall? Vor allem stellte sich Daniel noch eine Frage.

Wie kam O'Neill nach Californien?

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O’Neill lag auf dem Rücken und starrte in die Dunkelheit. Neben ihm hörte er die gleichmäßigen Atemzüge seines Retters. Nach langem Diskutieren hatte er sich überreden lassen, das große Bett mit MacGyver zu teilen. Die rustikale Couch war wirklich etwas zu kurz, um bequem darauf schlafen zu können. Außerdem brauchten sie am nächsten Tag ihre gesamten Kräfte, um den Wagen aus dem Schnee zu holen.

Pete Thornton, der Boß der Phoenix, hatte nicht nur die Anzeige in die Wege geleitet, er hatte auch versprochen, sich um Daniel zu kümmern, falls er sich melden würde. Jack hoffte, daß der Archäologe den Strohhalm erkannte, an den er sich klammern könnte.

Obwohl Jack todmüde war, wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Immer wieder kehrten seine Gedanken zurück ins SGC, zu seinen Freunden, zu Sam. Er schätzte seine Chancen als sehr gering ein, sie je wiederzusehen und es fiel ihm schwer, das zu akzeptieren.

Welche Möglichkeiten sie wohl hatten, die Wahrheit herauszufinden? Er war Realist und es brauchte kein Abitur um zu erkennen, daß selbst wenn sie das Stargate in dieser Zeit erreichen würden, es keine Möglichkeit gab, die Zukunft anzuwählen. Über all die Grübeleien schlief er dennoch ein, doch wirre Träume und die schmerzende Schulter hielten ihn von einem erholsamen Schlaf ab.

Nach dem Frühstück machten sie sich auf den Weg zurück zum Van. Die Hütte war gut ausgerüstet, eine Kletterausrüstung und viele nützliche Dinge befanden sich im Wandschrank. MacGyver hatte außerdem ein stabiles Abschleppseil, Werkzeug und Schneeschaufeln gefunden und sie hofften, den Wagen zu zweit befreien zu können. Der Sturm der Nacht hatte sich gelegt und die Sonne schien auf sie herunter. Der Anblick war wunderschön, die schneebedeckten Bäume glitzerten im Licht und der blaue Himmel hob ihre Stimmung.

Jack war den ganzen Morgen recht einsilbig gewesen und MacGyver hatte ihm seine Ruhe gelassen. Das war ein weiterer Punkt, den er an diesem Mann schätzte. Er konnte auch den Mund halten und mußte nicht wie viele andere unentwegt reden. Schweigend kam der Kastenwagen in Sicht. Er war zur Hälfte eingeschneit, lag fast auf der Seite und machte einen leider ganz und gar instabilen Eindruck.

Die beiden wechselten einen vielsagenden Blick und begannen, den Schnee rund um das Auto wegzuschaufeln. Nach ca. 1 Stunde hatten sie es geschafft ohne größere Schwierigkeiten, den hinderlichen Schnee zu entfernen. Die kalte Luft stach in ihren Lungen und MacGyver holte eine Thermoskanne mit heißem Tee aus dem Rucksack. Dankbar nahm Jack einen Schluck und setzte sich auf einen Stein. Er verzog das Gesicht, als seine malträtierte Schulter zur Ruhe kam und sich zurückmeldete. "Brauchst Du eine Pause?"

Irgendwann nachts waren beide automatisch ins Du übergegangen.

"Nein, geht schon!" winkte er ab. Er wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden und war auch viel zu stolz, seine Schwäche einzugestehen.

"Machen wir weiter."

Nach weiteren zwei Stunden lagen dann jedoch beide atemlos im Schnee. "Verdammter Mist!" keuchte O’Neill und schlug mit der Faust auf den gefrorenen Boden. MacGyver hatte mindestens einmal sein gesamtes Repertoire an Flüchen gehört und ihn zum Teil kräftig unterstützt. In der ganzen Zeit hatten sie es nicht geschafft, das Transportmittel auch nur einen Meter weiter zur Straße hin zu bewegen. Stattdessen rutschte der Wagen immer weiter dem Tal entgegen, obwohl sie ihn mit Seilen gesichert hatten. Langsam aber sicher kamen sie zu dem Ergebnis, daß sie hier wohl tatsächlich festsaßen.

Gegen Mittag waren sie wieder an der Hütte angekommen. Jack taten alle Knochen weh und er setzte sich mit einem Seufzer auf die Couch. Jeder Atemzug den er tat kam ihm vor wie eine Strafarbeit. Müde schloß er die Augen und wurde nach einiger Zeit von dem Geruch frischen Kaffees und einer erneuten Suppen-Kreation von MacGyver aus seinem Nickerchen geholt.

"Eigentlich bin ich dran mit Kochen" bemerkte er mit einem Gähnen.

"Wenn uns nichts einfällt, dann werden wir uns das Mittagessen selber besorgen müssen – und das überlasse ich dann gerne Dir!"

Grinsend servierte Mac das Menü. Nach dieser langen Schufterei waren beide ausgelaugt, aber bei Jack wollte sich der Hunger nicht so recht einstellen. Seine Schulter brannte wie die Hölle und er hielt seinen linken Arm fest an den Körper gepreßt. Mac stand auf und holte erneut den Erste Hilfe-Kasten. Wortlos steckte er O’Neill ein Thermometer in den Mund und fing an, seinen Verband zu wechseln.

"Mr ght’s gt!" murmelte dieser mit halb geschlossenem Mund. Kommentarlos ließ er das Verbandwechseln über sich ergehen. Dann nahm er das piepsende Thermometer heraus und legte es auf den Tisch.

"Nicht einmal Fieber!" "Jaja, das seh ich" bemerkte Mac.

"Du schläfst Dich jetzt aus und ich versuch, Pete zu erreichen."

"Wenn Du mir jetzt noch mit einer Lampe in die Augen leuchtest, werde ich ungemütlich. Du bist ja der reinste Medizinmann." Mac grinste ihn an, ohne auf sein Argument einzugehen: "Mal sehn, ob er eine Idee hat, wie wir hier verschwinden können."

Mit diesen Worten drückte er Jack ein Paar Aspirin in die Hand und deutete zum Schlafzimmer. Einige Stunden ungestörter Schlaf konnte Wunder bewirken. Schon allein die Tatsache, daß Jack nichts dagegen einzuwenden hatte, bekräftigte seine Vermutungen hinsichtlich O’Neills Verfassung und er schaltete das Funkgerät ein, um die Phoenix zu kontaktieren. Pete war nicht da, aber er konnte eine Nachricht für ihn hinterlassen. Sie mussten warten, bis er sich meldete. In der Zwischenzeit hatte MacGyver genug Zeit, sich etwas genauer in der Hütte umzusehen. Vielleicht konnten sie ja etwas brauchen.

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In einem kleinen Hotelzimmer in Los Angeles läutete das Telefon. Ein bulliger Dunkelhaariger nahm gelangweilt den Hörer ab. Zum wievielten Male war ein Verrückter am Telefon, der von Außerirdischen quatschte. Der Mann hatte Anweisungen, den Anruf sofort zu Pete durchzustellen, falls sich ein Anrufer mit dem Namen Daniel melden sollte. Was auch immer der Phoenix-Chef damit meinte. "Hallo?" sprach er mit nasaler Stimme in den Telefonhörer.

"Hallo. Mein Name ist Daniel Jackson, äh – und Ihre Anzeige hat mich neugierig gemacht." Der Dunkelhaarige setzte sich auf:

"Darf ich Ihren Namen noch mal hören?" "Äh, ja. Daniel Jackson. Ich habe Ihre Anzeige gelesen."

"Bitte bleiben Sie am Apparat. Sie werden weitergeleitet."

Aufgeregt stellte er die Verbindung zu Thorntons Büro her. Nach dem zweiten Leuten meldete sich Pete.

"Hallo, Mr.Thornton. Hier ist ein Daniel in der Leitung."

Pete machte ein erfreutes Gesicht. Vielleicht hatten sie doch Glück.

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Früh morgens gab Pete ihnen einen neuen Fluchtplan über Funk durch. Hinter der Hütte ging ein schmaler Pfad einige Kilometer bergan bis an eine Felswand. Diese Wand war ein Kletterparadies. Der Besitzer der Hütte hatte dort schon etliche Klettertouren absolviert und viele Kletterhaken hinterlassen. Über der Wand befand sich ein weites Schneefeld, auf dem sogar ein Hubschrauber landen konnte. Von dort wollte er sie abholen lassen. Er hatte außerdem noch die gute Nachricht, daß sich Daniel doch tatsächlich bei ihnen gemeldet hatte. Man sah Jack den Riesenstein direkt an, der ihm vom Herzen fiel.

Nach dem Frühstück suchte MacGyver die Kletterausrüstung zusammen, die er am Tag zuvor in den Schränken gefunden hatte. Zum Glück hatten sie beide schon etwas Klettererfahrung, auch wenn es sich nicht um ihre Lieblingsbeschäftigung handelte. Doch zuerst mussten sie einige Kilometer durch den Schnee stapfen.

Mac steckte die Karte in die Tasche, auf der er den Weg markiert hatte. Bis zum frühen Nachmittag müssten sie es eigentlich bis zu dem Plateau geschafft haben. Frisch gestärkt marschierten sie los. Die lange Ruhepause hatte ihnen beiden gut getan, vor allem Jack war wieder mit vollem Elan unterwegs. Rückte er doch seinem Ziel, so schnell wie möglich wieder zu Daniel zu kommen, mit jedem Schritt näher. Gegen 11 Uhr kamen sie an der steilen Felswand an und MacGyver schaute in die Höhe.

Jack erkannte in seinem Gesicht eine gewisse Unsicherheit und trat entschlossen nach vorn.

"Klettern ist nicht Deine Stärke, oder?" bemerkte er. "Ich geh’ voran, dann fall ich wenigstens weich, wenn Du unter mir bist!"

Grinsend nahm er MacGyver das Seil aus den Händen und hängte es sich um die rechte Schulter. "Klettern wäre nicht das Problem, ich hab’s nur nicht so mit Höhen."

"Jeder hat seine Grenzen" meinte Jack und fing an, die Wand hochzusteigen.

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Pete hatte Paul Forrester, einen Hubschrauberpiloten auf den er sich 100 % verlassen konnte, damit beauftragt, die beiden aus den Rocky Mountains zu holen. Er war schon sehr gespannt auf den Doppelgänger von MacGyver. Außerdem wartete er immer noch auf diesen Daniel Jackson, der bald hier eintreffen würde. Er hatte kurzerhand Nicki damit beauftragt, ihn aus Florence abzuholen. Sie würde ihn sicher noch vor Einbruch der Dunkelheit herbringen. Vielleicht konnte er ihn schon einmal ein wenig über den Fremden ausfragen.

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O’Neill konnte sich nicht erinnern, daß ihm das Klettern jemals so schwer gefallen war. Er war erst ca. 15 m über dem Boden und die kalte Luft brannte in den Lungen. Etwa 2 m unter ihm kletterte MacGyver. Immer wieder sah er nach oben und wartete, bis Jack 1-2 m weitergeklettert war, um ihm dann zu folgen. Obwohl O‘Neill keinen Rucksack trug und das Seil durch den Karabiner an seinen Hüften glitt, kam es ihm vor als hinge alles an seinen Schultern.

Er blickte nach oben, noch immer konnte er das Ende der Felswand nicht erkennen. Ca. alle 50 cm waren die eingeschlagenen Haken zu erkennen. Zumindest brauchte er sie nicht selbst anzubringen. Ein eisiger Luftstrom erfasste ihn und er drückte sich in die Wand. Schnaufend suchte er einen sicheren Stand auf dem vereisten Gestein. Der Wind rüttelte an seinem Anorak und er verfluchte sein Schuhwerk, das sicher nicht zum Klettern ausgelegt war. Durch die dicke Sohle hatte er fast kein Gefühl, wo er hintrat. Seine Hände klammerten sich an scharfe Kanten und er hielt die Luft an und schickte ein Stoßgebet gen Himmel.

Von unten hörte er MacGyver etwas Rufen, aber er konnte es wegen des starken Windes nicht verstehen. Er blickte nach unten, versuchte das Gesagte erneut von den Lippen abzulesen und sah, wie der jüngere Mann sich abkämpte. MacGyver hatte ihn jetzt fast erreicht, war mit seinen Fingerspitzen schon bei seinen Schuhen angekommen und kämpfte sich neben ihn.

"Dachte nicht, daß es so schwierig wird?" brüllte er ihm ins Ohr.

Jack nickte und kletterte dann langsam weiter, das schlechte Wetter ignorierend. MacGyver blieb jetzt ganz dicht hinter ihm, vermied es nach unten zu blicken, um kein Schwindelgefühl heraufzubeschwören. Er hatte gerade wieder einen festen Standplatz ergattert, da hörte er über sich das Rieseln von Steinen und einen unterdrückten Schrei.

Den Bruchteil einer Sekunde später rutschte Jack an ihm vorbei und krallte sich neben ihn in festgefrorenen Schnee. Keuchend kam er zum Stillstand, hing am Seil, das straff gespannt durch einen Kletterhaken an der Wand gehalten wurde. Der Schreck war ihm deutlich anzusehen. Weiß, fast wie der Schnee, in den er sein Gesicht jetzt drückte.

MacGyver packte ihn mit der rechten Hand am Anorak und verhalf ihm wieder zu einem einigermaßen gesicherten Stand. Jack blickte nach unten, wo immer noch lose Steine und Schnee in die Tiefe rieselten. Sie warteten einige Minuten, bis sich das Zittern in seinen Armen verringert hatte.

Dann übernahm MacGyver die Führung. Sie waren mittlerweile fast vier Stunden geklettert und so ziemlich am Ende ihrer Kräfte angekommen. Doch gemeinsam schafften sie es, ohne weitere Zwischenfälle bis an den Rand zu gelangen. Mit letzter Kraftanstrengung hievte MacGyver Jack über den Rand des Felsens.

Keuchend blieben beide einige Minuten liegen, bis sich Jack aus dem Seilgewirr befreite und einige Meter auf die schneebedeckte freie Fläche stolperte, die sich leicht nach oben wölbte. MacGyver packte die Kletterausrüstung zusammen und folgte ihm.

Vor ihnen lag ein weißes unberührtes Plateau aus glitzerndem hartgefrorenen Schnee, der durch ihr Gewicht kaum nachgab. Er schloß zu O’Neill auf und beide blickten auf die in der Ferne erkennbaren Berggipfel der Rocky Mountains.

Jack zog tief die reine Luft in seine Lungen. Er versuchte seinen hämmernden Herzschlag etwas zu beruhigen und schaute auf den gut 10 Jahre jüngeren Mann. Er unterdrückte das deprimierende Gefühl, das sich einstellte. Obwohl er sicherlich durchtrainierter war als manch einer in seinem Alter, spürte er diese 10 Jahre nur allzu deutlich in seinen Knochen. Vielleicht wurde er langsam wirklich zu alt und sollte sich zur Ruhe setzen.

Eine aufkommende Bö blies ihm kalten Wind ins Gesicht und er steckte seinen Kopf tiefer in den roten Anorak, den sie in der Hütte gefunden hatten.

"Bis wann wollte der Hubschrauber kommen?" fragte er laut, um den anschwellenden Sturm zu übertönen.

MacGyver warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. "Er müsste eigentlich schon da sein. 15 Uhr war ausgemacht. Wir haben länger gebraucht als vermutet." "Am besten wir suchen uns einen geschützten Platz, bevor uns der Wind die Ohren abfriert. Vielleicht verspätet er sich wegen des Sturms."

Gemeinsam wanderten sie über das Plateau bis zu ein paar verkrüppelten Bäumen, die von den kleineren Felsen am Weiterwachsen gehindert wurden. Sie suchten sich einen schneefreien Unterschlupf und warteten schweigend.

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2001

Major Carter saß mit Teal’C gerade beim Abendessen, als das Telefon klingelte.

Der Jaffa hatte sich in den letzten Tagen des öfteren bei Sam einquartiert. Es war zur Routine geworden, jeden Tag aufs Neue in Krankenhäusern und Polizeistationen anzurufen. Außerdem sollte Sam nicht alleine sein. Sie wollte das Geschehene nicht wahrhaben und so suchte sie ständig nach einer Gelegenheit, nicht Grübeln zu müssen. Wenn Teal’C die Menschen auf Tau’ri auch noch nicht vollständig verstand, so wusste er doch, daß Gesellschaft da die besten Medizin war. Auch ihm fehlten seine Teammitglieder, waren sie doch so etwas wie eine neue Familie für ihn.

Sam ging an den Apparat und ihr Gesichtsausdruck wechselte von sorgenvoll in erstaunt, als der Anrufer ihr den Grund für die späte Störung nannte. Sie packte ihre Jacke und rief:

"Wir müssen zur Basis, der General hat eine Spur!"

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1991

Es dauerte noch über 1 Stunde, bis der Sturm nachließ und sich die Sonne wieder zeigte. So schnell das schlechte Wetter gekommen war, war es auch wieder verschwunden.

Trotz der unbequemen Lage waren Jack und MacGyver in einen leichten Schlaf gefallen. Die Sonne berührte schon fast die Bergkette und tauchte den Berg in ein rötliches Licht, als O’Neill plötzlich erwachte. Automatisch wußte er, daß etwas nicht in Ordnung war. Auf seine Instinkte konnte er vertrauen und er wünschte, er hätte seine Waffe bei sich.

Er richtete sich vorsichtig auf und schüttelte MacGyver, der mit dem Rücken an einem Baum lehnte. Gerade als sich Mac alarmiert zu ihm umdrehte, schoß aus dem Hinterhalt ein dunkler Schatten auf sie zu.

Ein Fauchen und Knurren erfüllte die Luft und wurde dann jäh von einem Schmerzensschrei übertönt, als sich messerscharfe Krallen durch MacGyvers Daunenjacke gruben und seinen Rücken aufschlitzten. Er fiel nach vorne, stützte sich mit beiden Händen ab und wand sich hin und her, um das ausgehungerte Tier in den Griff zu bekommen. Scharfe Zähne versuchten an die Kehle zu gelangen, während sich die Pfoten des großen Pumas schwer gegen seinen Brustkorb stemmten und die Jacke zerfetzten.

O’Neill hatte nicht die Zeit, sich um eine brauchbare Waffe zu kümmern. Mit dem Mut des Verzweifelten wuchtete er sich gegen den Berglöwen, lenkte ihn von seinem eigentlichen Opfer ab und brachte ihn dabei aus der Balance. Mit seinem gesamten Gewicht drückte er die um sich schlagende Raubkatze nach unten, grub seine Hände in das Fell und versuchte, den großen Tatzen auszuweichen.

MacGyver versuchte seine malträtierten Lungen mit Luft zu füllen, als das Gewicht von seiner Brust verschwunden war. Er ignorierte das Brennen des Rückens und holte sein Taschenmesser aus der Hosentasche. Mit aller Kraft stieß er es in den Körper des Tieres und erregte somit dessen erneute Aufmerksamkeit. Mit einer blitzschnellen Bewegung schlug er seine Krallen in Macs Arm und dieser ließ die lächerlich wirkende Waffe in den mittlerweile rötlich verfärbten Schnee fallen.

Mac hörte O’Neill röchelnd atmen und husten, hechtete sich zu Seite und bot der Großkatze somit keine Gelegenheit, ein zweites Mal zuzuschlagen. Stattdessen sprang sie ihn elegant an, bereit ihr Ziel mit einem einzigen tödlichen Biß in den Hals zu töten.

Wie erstarrt blickte MacGyver auf den Puma - unfähig sich zu bewegen. Mitten im Sprung bäumte sich der braune Leib auf einmal auf. Jacks roter Anorak wurde von den braunen Fellhaaren fast völlig bedeckt, als der schlaffe Körper auf den des Colonels sackte.

Als O’Neill den Angriff des Tieres auf MacGyver sah, hatte er das offene Taschenmesser ergriffen und es bis zum Anschlag in den Leib gestoßen, hatte offenbar zu ihrem Glück das Herz getroffen. Der abgemagerte Zustand des Tieres hatte es ihm ermöglicht, es zu töten.

Doch es hatte auch seinen Tribut gefordert. Völlig erschöpft blieb Jack liegen, brauchte einige Sekunden bis er das tote Tier von seinem Körper herunterschob. MacGyver saß im Schnee, kaum fähig einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Langsam fand er in die Realität zurück und setzte sich neben Jack.

"Danke!" sagte er und er half ihm sich aufzurichten. Sein Rücken brannte, als hätte jemand Salz in die Wunden gerieben. Beide hatten sie mehr oder weniger tiefe Fleischwunden davongetragen, doch zum Glück nichts Ernstes. "Wo zum Teufel bleibt der verdammte Hubschrauber!" fluchte Jack und schaute MacGyver erschöpft an.

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Daniel bestellte seine 3.Tasse Kaffee und starrte ungeduldig aus dem Fenster auf die Straße. Er war in einem Cafe und wartete auf einen Mann, der ihn von hier nach Los Angeles bringen sollte. Er konnte es kaum glauben, als er hörte, der Mann habe Kontakt zu Jack und könnte sie zusammenbringen. Jetzt war er vor Spannung fast am Platzen und nicht einmal sein Kaffee schmeckte ihm.

Eine Dreiviertelstunde über der vereinbarten Zeit war bereits verstrichen, als er einen dunkelgrünen Jeep vor dem Lokal parken sah. Eine schlanke modisch gekleidete Frau in Cowboystiefeln stieg aus, ihre braunen Haare fielen locker auf die Schultern und sie lächelte ihn durch das Fenster freundlich an, als ob sie wusste, daß er auf sie wartete. Beschämt musste er feststellen, daß er sie angestarrt hatte wie auf dem Jahrmarkt. Sie trat durch die Eingangstür und steuerte direkt auf ihn zu. Außer ihm waren nur noch sehr wenige Personen anwesend, die neugierige Blicke auf die junge Dame warfen.

"Hallo, Dr.Jackson?" fragte sie ihn geradeheraus.

"J... Ja. Entschuldigen Sie bitte. Ich habe einen Mann erwartet." Er stand auf und bot ihr einen Stuhl an, den sie dankbar annahm.

"Mein Name ist Nicki. Ich komme im Auftrag von Pete Thornton. Sie haben mit ihm telefoniert."

Daniel stieß einen erleichterten Seufzer aus. "Dann ist es also wahr? Sie haben mit Jack gesprochen? Geht es ihm gut?" Die Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus. "Tut mir leid, Dr.Jackson. Ich weiß leider nichts von ihrem Freund oder wo er sich aufhält. Ich soll sie lediglich nach LA bringen."

Sie sah die Enttäuschung in seinem Gesicht und ergänzte:

"Aber ich bin sicher, Pete kann Ihnen mehr sagen." Daniel nickte und trank seinen Kaffee aus.

"Möchten Sie mit mir eine Tasse trinken?" fragte er dann und Nicki nickte lächelnd. Nach dem langen Flug tat es sicher gut, sich ein wenig auszuruhen, bevor es zurück nach Californien ging.

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Kaum hatte Jack die Worte gesprochen, hörten sie ein Brummen, das die Luft erfüllte. MacGyver stand auf und ging auf die freie Fläche des Platzes hinaus. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und ein wieder aufkommender starker Wind zerrte an Macs Kleidung.

Seine Gestalt hob sich vom leicht abschüssigen weißen Feld ab. In der Mitte blieb er stehen und winkte dem sich nähernden Hubschrauber zu, der helle Suchscheinwerfer eingeschaltet hatte und versuchte, direkt über dem Mann in der Luft stehenzubleiben. Er hatte sichtlich Schwierigkeiten, die Maschine ruhig zu halten.

O’Neill sah eine Person, die sich aus der geöffneten Tür zu Mac hinunterbeugte. Gerade als er sich mühsam auf den Weg machen wollte, um sich zu MacGyver zu gesellen, machte der Helicopter eine plötzliche Schlingerbewegung und ein Schuß hallte durch die angebrochene Nacht.

MacGyver wurde durch den Aufprall nach hinten geworfen und blieb reglos auf dem Boden liegen. Der Hubschrauber kam erneut ins Trudeln, eine weitere Salve fegte über den Platz und ein Kugelhagel schlug in den Schnee ein. Die Hubschraubertür schloß sich und der Pilot wollte den Schauplatz des Geschehens verlassen.

Doch der Wind drehte sich und eine starke Bö drängte ihn von seinem ursprünglichen Kurs ab und er flog in eine steile Aufwärtskurve über ein Schneebrett, dicht über die Gipfel der Bergtannen, die dort spärlich besiedelt waren. Die Turbulenzen der Rotorblätter hatten fatale Folgen. Die überhängenden Schneemassen lösten sich und mit einem gewaltigen Donnern fing der ganze Berg an zu beben.

O’Neill beobachtete erstarrt wie MacGyver nach dem ersten Schuß zu Boden ging und liegenblieb. Nachdem der Hubschrauber verschwunden war, lief er so schnell er konnte zu dem Mann, der reglos auf dem gefrorenen Schnee lag.

Macs Anorak war auf der rechten Seite von einer Kugel zerfetzt und dunkel verfärbt. Beim Sturz hatte er sich eine Platzwunde an der Stirn zugezogen, die ziemlich stark blutete.

Gerade als er sich die Wunden genauer ansehen wollte, spürte Jack ein Zittern des Bodens, das sich rapide verstärkte und ein donnerähnliches Geräusch begleitete. In fliegender Eile packte er MacGyver unter den Achseln und zog ihn über den Schnee zu einem großen überhängenden Felsen, der einsam am Rand des Platzes aufragte. Er schob ihn ganz nah an die Wand und ignorierte die Schmerzenslaute, als er MacGyver auf den Rücken drehte und an die Felswand preßte.

Das Beben wurde heftiger, die ersten Schneebrocken rieselten über den Hang und Jack hob den Kopf und sah über den Felsrand. Was er sah, raubte ihm den Atem. Eine gewaltige Lawine brach über sie herein und er zog blitzschnell den Kopf ein und warf sich schützend über seinen neu gewonnenen Freund.

Das Getöse war unbeschreiblich, als die Schneemassen über den Vorsprung hinwegrasten und alles neben und über ihnen mitrissen. Jack vergrub seinen Kopf zwischen den Armen und betete. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sich der Berg beruhig hatte. Nach scheinbar endlosen Minuten kehrte Stille ein und O’Neill rutschte von MacGyver herunter.

Völlige Dunkelheit hüllte sie ein und der typische Geruch von Schnee und eingeschlossener Luft erfüllte den entstandenen Hohlraum. Immer noch hörte er das Rieseln von der weißen Masse, die sich seinen Platz in die kleine Höhlung suchte, die sich unter dem Felsen gebildet hatte. Er suchte in MacGyvers Taschen nach der kleinen Lampe.

Ein lautes Stöhnen lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Verletzten.

"MacGyver" flüsterte er, die eigene Stimme klang seltsam hohl in ihrem kleinen Gefängnis. Ein erneutes Stöhnen war die Antwort und er setzte seine Suche erfolgreich fort. Schnell knipste er das Licht an und begutachtete die Wände aus weißen Kristallen. Ein Hohlraum mit ca. 2x2 Metern war entstanden.

Jack holte tief Luft und bemerkte beruhigend, daß er frische Luft in seine Lungen sog, gefiltert durch weiß Gott wieviel Schnee. Jetzt, nachdem der Adrenalinschub sich senkte, spürte er alle Knochen einzeln, konnte sich kaum bewegen.

Er beleuchtete MacGyvers Körper. Die Spuren des Puma-Angriffs waren deutlich zu sehen. Doch größere Sorgen bereitete ihm der größer werdende Fleck auf der rechten Seite. Er zog den Reißverschluß des Anoraks auf und leuchtete den Bauch ab. Das Hemd darunter war blutdurchtränkt und ein Einschußloch in der rechten Flanke war zu erkennen. Als er das Hemd hochzog, konnte er zu seiner Erleichterung feststellen, daß die Gewehrkugel MacGyver nur gestreift hatte. Eine ca. 1 cm tiefe Fleischwunde zog sich in Höhe der Nieren von vorn nach hinten entlang. Es war eine sicherlich schmerzhafte, aber nicht lebensgefährliche Verletzung. Doch unter den gegebenen Umständen war das eher nebensächlich.

"Warum hast Du mir bloß geholfen, Mac?" O’Neill zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und preßte es gegen die noch leicht blutende Wunde. Er zog den Anorak zurück an seinen Platz und verlor auf einmal allen Mut. Müde legte er sich zurück, zu müde um der Panik entgegenzuwirken, die sich langsam in ihm ausbreitete.

Nun hatte er ein weiteres Leben auf dem Gewissen – einen Mann, der sicher eine Familie und Freunde hatte, die er jetzt nie wieder sehen würde. Hysterisches Lachen erklang in seinem Inneren. Sogar in der Vergangenheit gelang es ihm noch, andere Menschen ins Unglück zu stürzen. Das altbekannte Gefühl der Schuld kam mit voller Wucht zurück und er blickte ein letztes Mal in Macs zerkratztes Gesicht, bevor er die Lampe ausknipste. Er wußte von MacGyver gar nichts – nicht einmal den Vornamen. Schließlich fiel er in einen albtraumhaften Schlaf. Draußen strahlte ein leuchtender Mond auf das vom Schnee überflutete Plateau und wachte über die Natur.


weiter: Kapitel 3

Kapitel 3: Der Weg in die Freiheit by Mac
Teil 3: Der Weg in die Freiheit

1991

Manchmal kommt es mir so vor, als ob ein Fluch auf mir lastet, der schön langsam beträchtliche Formen annimmt. In den letzten 48 Stunden waren die Gelegenheiten zu Tode zu kommen dramatisch angestiegen und ich hoffte inständig, daß ich meinen nächsten Geburtstag noch erleben durfte – auch wenn es momentan gar nicht danach aussah.

MacGyver lag mit geöffneten Augen auf dem eisigen Boden und starrte in die Dunkelheit. Nur langsam sickerten die Ereignisse der letzten Minuten in sein Gehirn. Ein brennender Schmerz in seiner rechten Seite bestätigte seine Erinnerung, daß vom Hubschrauber aus auf ihn geschossen wurde. Noch konnte er sich keinen Reim darauf machen, wo er sich befand. Augenscheinlich waren sie in einer Höhle und der Eingang war eingestürzt. Zumindest konnte er sich vage an ein Erdbeben erinnern. Neben ihm hörte er Jack, der sich im Schlaf unruhig hin und her wälzte. O’Neill murmelte unverständliches Zeug, war scheinbar in einer Art Alptraum gefangen.

Ein lautes Stöhnen entkam MacGyvers Lippen, als er seine Verletzung untersuchte und mit einem Schlag war Jack wach und fuhr hoch. Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht, um die eben noch so realen Bilder seines Traumes aus dem Gedächtnis zu verbannen.

Die Vergangenheit hatte ihn wieder einmal eingeholt. Jedes Mal wenn er die Augen schloß, sah er die schmutzigen Wände seiner Gefängniszelle im Irak, das Gesicht der hämisch grinsenden arabischen Wache. Mitten auf dem sandigen Boden saß Charlie, der mit seiner Pistole spielte und sie in kindlicher Unschuld gegen sich selbst richtete. Er sah sich daneben stehen, unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen. Normalerweise ließ ihn der Knall eines einzelnen Schusses aus dem Schlaf hochfahren, doch dieses Mal blieb ihm das erspart.

Er knipste die Taschenlampe wieder an und leuchtete die kleine Höhle ein wenig aus. "Willkommen im Land der Lebenden" sagte er zu MacGyver, ein Satz den er von Doc Fraiser selbst nur allzu oft gehört hatte. "Was ist passiert?" Die Worte klangen seltsam hohl in Jacks Ohren. "Wir wurden von einer Lawine verschüttet. Der Hubschrauber muß ein Schneebrett gelöst haben."

Mac schloß die Augen und ließ die Neuigkeit auf sich einwirken. Seine Gedanken wanderten um einige Jahre zurück. Es war nicht das erste Mal, daß er von einer Lawine begraben wurde, doch damals waren die Retter sofort vor Ort und wußten, wo sie suchen mußten. Er hatte gehofft, niemals wieder in eine ähnliche Situation zu geraten. Leider hatte sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Im Gegenteil, dieses Mal war es noch um eine gehörige Portion schlimmer.

"Es ist alles meine Schuld" hörte er plötzlich die heisere Stimme von O’Neill flüstern. "Warum hast Du Dich in meine Angelegenheiten gemischt?"

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Nikki und Dr. Jackson stiegen aus dem Flugzeug aus, das sie nach Los Angeles gebracht hatte. Vor dem Gebäude wartete bereits ein Wagen auf sie, der sich auch sofort Richtung Phoenix Foundation in Bewegung setzte. Im Büro des Leiters angekommen, begrüßte sie Pete mit einem breiten Lächeln.

"Sie sind also Dr. Daniel Jackson. Mein Name ist Thornton. Wir haben miteinander telefoniert." Er schüttelte Daniel die Hand und wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.

"Wo ist Jack. Wie konnte er hierher kommen?" Daniel konnte es kaum erwarten, endlich etwas Neues zu erfahren.

"Sie müßten eigentlich schon hier sein. Ein Hubschrauber holt sie aus dem Rocky Mountains ab." Pete verstand die Ungeduld des jungen Mannes.

"Ich möchte Sie vorwarnen. MacGyver und Ihr Jack O’Neill sehen sich sehr ähnlich." Daniel grinste den älteren Mann an: "Ich kann mir nicht vorstellen, daß es jemanden wie Jack noch einmal gibt. Wie kommt er in die Rocky Mountains?"

Ein Telefonklingeln unterbrach die beiden und Pete nahm den Hörer von der Gabel und hörte aufmerksam zu.

"Es tut mir leid. Leider muß ich zu einer wichtigen Besprechung und kann mich nicht weiter um Sie kümmern."

Er verließ mit Nikki das Büro und winkte Daniel zurück in den Vorraum, wo seine Sekretärin vor einem Computer saß.

"Sandra, bist Du so nett und gibst unserem Gast hier ein wenig Informationen über die Phoenix. Ich bin sicher, er möchte mehr über uns erfahren."

Er nickte Jackson zum Abschied noch einmal zu und ließ ihn dann mit der jungen Frau alleine. Sie führte ihn um den Schreibtisch herum und rief das Internet-Programm auf, bestätigte den Zugang zu den Phoenix-Daten erneut mit einem Paßwort.

"Ich bin sicher, Sie sind mit einem Computer vertraut. Hier werden Sie so ziemlich alles finden, was sie wissen wollen."

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Mark Stewart verließ gerade das kleine Hotel in Colorado Springs, um zurück zum Flughafen zu fahren. Er hatte seine ursprüngliche Aufgabe hier erfüllt und freute sich auf ein Wiedersehen mit seine Frau.

Pete Thornton hatte ihn davon unterrichtet, daß er MacGyver und den Unbekannten auf dem Plateau in der Nähe von Conrads Hütte, Richtung Pikes Peak abholen ließ. Er war schon sehr gespannt auf den Fremden – auf seine Geschichte und ob sich seine Menschenkenntnis auszahlte.

Von dem Phoenix-Mitarbeiter unbemerkt folgte ein südländisch aussehender Mann. Noch bevor Stewart sich bewußt wurde, in welcher Lage er sich befand, hatte der Mann ihn in seiner Gewalt und brachte ihm unmißverständlich bei, daß Widerstand zwecklos sei. Er hatte keine spezielle Ausbildung für solche Situationen und war somit kein wirklicher Gegner für den Abgesandten von Scott.

Er mußte sich entscheiden: entweder die Pläne der Phoenix verraten oder seine Frau nie wieder zu sehen.

Die ausgesprochenen Warnungen und Andeutungen reichten aus, um die nötigen Informationen aus ihm herauszuholen.

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Daniel saß vor dem Computer und begann, sich ein wenig über die Phoenix Foundation zu informieren.

Thornton war schon seit mehreren Jahren der Leiter der Stiftung. Zuvor war er für eine Organisation mit dem Namen DXS (Department of External Services) tätig, die sich in etwa mit der CIA vergleichen ließ. Er surfte durch alle möglichen Seiten, bis er auf einen Link für das Personal stieß. Schnell hatte er den Namen MacGyver ausfindig gemacht und wartete gespannt, daß sich die Seite aufbaute.

Das Foto auf dem Monitor verschlug ihm die Sprache.

Ein junger Jack O’Neill lachte ihm entgegen und er mußte an Petes Worte denken. Unter Ähnlichkeit hatte er sich wahrlich etwas anderes vorgestellt.

Daniel studierte die wenigen Angaben, die auf der Seite zu lesen waren. Als er jedoch weitere Informationen aufrufen wollte, verlangte der Rechner erneut ein Paßwort. Fragend blickte er auf Petes Sekretärin, doch die schüttelte nur mit dem Kopf.

"Die Daten unterliegen alle der Geheimhaltung." Daniel verstand auch ohne große Erklärung, daß sie ohne MacGyvers Einverständnis niemandem das Paßwort verraten würde.

"Ja, so etwas kommt mir bekannt vor" erwiderte er. Etwas unbefriedigt schloß er das Programm und Sandra führte ihn in eines der Gästezimmer.

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MacGyver wälzte sich stöhnend auf den Rücken, zuckte beim Kontakt mit dem kalten Boden unwillkürlich zusammen.

"Würdest Du nicht wissen wollen, woher der Mensch kommt, der so aussieht wie Du?" flüsterte er durch zusammengebissene Zähne.

Auf diese Antwort wußte Jack nichts zu sagen. Schweigend lagen sie eine Weile nebeneinander, bis auf einmal MacGyver die Stille unterbrach:

"Hörst Du das auch?"

O’Neill lauschte, konzentrierte sich auf jedes bißchen Geräusch, bis er es ebenfalls vernahm. Ein stetiges Tropfen, das sich hinter dem jüngeren Mann befand. Solange sich MacGyver in Seitenlage befunden hatte, war das Geräusch von seinem Körper gedämpft worden. Jetzt war deutlich ein Plätschern zu hören, wie in einer Tropfsteinhöhle. Außerdem fühlten die beiden einen kalten Lufthauch, der vom Boden nach oben zog.

"Dahinter muß sich eine Höhle oder so befinden."

Neue Hoffnung keimte in Jack auf. Er knipste erneut das Licht an und beleuchtete die Wand hinter MacGyver. Tatsächlich war in Bodennähe ein ca. 20 cm breiter Spalt zu erkennen, der wie der Eingang in einen Hohlraum dahinter aussah.

"Das ist unsre Chance" wisperte MacGyver. "Es muß einen zweiten Ausgang geben, wo sonst kommt der Luftzug her?"

Er versuchte sich aufzurichten, um den Spalt auszukundschaften, wurde jedoch von O’Neill aufgehalten.

"Warte. Wir haben Nacht und draußen ist es stockdunkel. Es wäre besser wir suchen erst morgen früh danach. Ich hab‘ keine Lust mich in irgendeinem Labyrinth zu verirren und das Sonnenlicht hilft uns vielleicht."

Der Einwand war berechtigt und Mac legte sich seufzend und gleichzeitig froh, sich noch nicht allzu sehr bewegen zu müssen, zurück auf den Boden:

"Am besten wir versuchen, ein bißchen zu schlafen. Bist Du verletzt?"

"Nicht mehr als vorher" antwortete Jack. Nach einer kurzen bedrückenden Pause ergänzte er: "Die Kugel war für mich bestimmt, MacGyver."

"Ist nur ein Kratzer" flüsterte der Angesprochene.

Er hörte den Air Force-Colonel leise fluchen und ergänzte etwas lauter:

"Ach komm schon. Du bist nicht der Erste, für den ich mein Leben riskiere. Das ist mein Job."

O’Neill wußte nicht so recht, wie er sich gegenüber MacGyver verhalten sollte. Er hatte noch nie einen so außergewöhnlichen Menschen getroffen, der ohne Fragen zu stellen seinen Instinkten vertraute und trotz der gefährlichen Umstände zu ihm hielt. "Dann hast Du Dir aber einen Scheißberuf ausgesucht!" fügte er leise hinzu. MacGyver machte es sich etwas bequemer, rutschte dabei etwas von dem Spalt ab, um eine bessere Luftzufuhr zu ermöglichen und den kalten Strom nicht ständig im Rücken zu haben.

"Naja, eigentlich hat der Beruf mich ausgesucht. Es ist jedenfalls immer noch besser, als zur Air Force zu gehen und hinter einem Schreibtisch zu enden."

Jack seufzte und legte sich neben seinen Freund. Bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, mußten sie erst einmal hier herauskommen. Er wußte, daß sich bei ihm der Schlaf sicher nicht einstellen würde, aber zumindest konnte er ein wenig Kraft schöpfen.

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Dr. Jackson blätterte lustlos in einer alten Fernsehzeitschrift, das laufende TV-Gerät unbeachtet im Hintergrund. Man hatte ihm ein ausgiebiges Abendessen gebracht und er wollte sich eigentlich noch etwas ausruhen.

Es war jetzt bereits nach 2 Uhr nachts und er konnte immer noch kein Auge zutun. Seit Stunden wartete er auf Jack und MacGyver, doch bis jetzt hatte er noch keine Nachricht von ihnen erhalten.

Langsam kamen Daniel Zweifel. Zuviel Unglaubliches war in den letzten Tagen passiert, da könnte auch das hier Teil des Planes sein, um ihn von einer Suche nach Jack abzuhalten. Es klopfte leise an der Tür und Daniel zuckte zusammen, als er aus seinen Überlegungen gerissen wurde.

Pete Thronton kam mit sorgenvollem Gesicht in den Raum.

"Entschuldigen Sie. Ich habe gesehen, daß noch das Licht brennt und dachte, Sie wollen die Neuigkeiten ebenfalls sofort erfahren."

Er setzte sich auf einen der hellbraunen Ledersessel und reichte dem Archäologen ein Telefax. Ohne zu warten, bis der junge Mann es gelesen hatte, fing Pete an zu erklären:

"Der Hubschrauberpilot wurde am Flughafen abgefangen und zusammengeschlagen. Mark Stewart, unser Journalist in Colorado ist verschwunden. Zwei Unbekannte haben sich damit gebrüstet, die notwendigen Informationen von ihm erhalten zu haben, um Ihren Freund ausfindig zu machen. Sie haben den Hubschrauber gestohlen und sind damit weggeflogen. Ich befürchte, sie werden MacGyver und O’Neill an unserer Stelle abholen und die beiden haben nicht die geringste Ahnung, daß es eine Falle ist."

Er stockte und sah Daniel fest an. "Es muß etwas geben, daß diese Verbrecher von ihrem Freund wollen. Man betreibt doch nicht einen solchen Aufwand ohne einen triftigen Grund. Was verschweigen Sie uns?"

Er konnte seinen Ärger nicht vollständig verbergen, versuchte nun, seine Sorgen damit zu überdecken. Ärger, der sich vor allem gegen ihn selber richtete, weil er MacGyver zu dieser ungewissen Reise aufgefordert hatte.

"Jack hat sicher nichts getan, was diese Aktionen gerechtfertigt. Im Gegenteil, er hat viele Male sein eigenes Leben als zweitrangig betrachtet, um andere Leben zu retten!" verteidigte Daniel den Colonel vehement. "Ich habe Ihnen gesagt, warum wir hier sind. Ich habe darauf vertraut, Jack hier zu treffen."

Er war aufgestanden und tigerte zwischen Schrank und Couch hin und her.

"Vielleicht waren diese Typen ja gar nicht hinter Jack her, sondern wollten sich Ihren Freund greifen. Es ist schließlich Ihr Journalist, der sie darauf gebracht hat!" drehte er den Spieß um, doch im selben Moment wußte er, daß er zu weit gegangen war. "Entschuldigung. Ich..." Er setzte sich zurück auf die Couch und nahm die Hände vor das Gesicht. All seine Hoffnung, Jack doch wiederzusehen, verlief auf einmal im Sand.

Pete klopfte Daniel auf die Schulter. Er verstand nur zu gut die Gedanken, die durch den Kopf des jungen Mannes schossen. "Versuchen Sie sich ein wenig auszuruhen. Wir werden gleich bei Sonnenaufgang zu dem vereinbarten Treffpunkt fliegen. Vielleicht sind sie noch dort."

Jackson lehnte sich zurück und starrte auf das laufende Fernsehbild, ohne es zu sehen. Er wußte nicht, ob er es wegstecken könnte, wenn sie Jack O’Neill nur noch tot finden würden.

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SGC -2001

Es herrschte eine seltsame Stimmung im Besprechungsraum. Die anwesenden Personen – General Hammond, Sam Carter und Teal’C – saßen in ihren Lederstühlen und starrten auf ein weißes Blatt Papier. Mit einem Drucker geschriebene Wörter standen darauf zu lesen, dessen Buchstabengewirr überhaupt keinen Sinn ergaben: >HTOCQ KQRZR XQDÜCAW GÜVD ÜC FRZ BQUFSBYRBFTZ!<

Fragend sahen die restlichen Mitglieder von SG1 ihren Vorgesetzten an. "Das soll eine Spur sein?" brachte Sam dann enttäuscht zum Ausdruck. "Ich habe diese Nachricht vor 2 Stunden in meinem Flur gefunden. Ich weiß auch, von wem sie stammt und was sie bedeutet." Aller Augen richteten sich überrascht auf den General, der mit neutraler Stimme die Auflösung kundtat.

>DEINE LEUTE BEFINDEN SICH IN DER VERGANGENHEIT!<

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1991

Zum hundertsten Mal, so kam es ihm zumindest vor, blickte O’Neill auf MacGyvers Armbanduhr. Um fünf Uhr früh hielt er es dann doch nicht mehr aus. Er weckte MacGyver, der in einem leichten Dämmerzustand neben ihm lag. Der Luftzug war unverändert geblieben und bestärkte sie in ihrem Vorhaben, die Höhle dahinter zu erkunden.

Jack tastete mit beiden Händen den Spalt ab und rutschte dann auf dem Bauch hindurch. Die Dunkelheit war immer noch undurchdringlich und er leuchtete mit dem schwachen Licht der Taschenlampe ein wenig herum. Nasser Fels war alles was er sah, ein schmaler Pfad führte geradewegs hinein.

Er richtete sich auf alle Viere auf und krabbelte den schmalen und nur etwa 1 m hohen Gang entlang, betete, daß er sich vergrößern würde. Ein Umdrehen war unmöglich und die gesamte Strecke rückwärts zurückzulegen, daran mochte er gar nicht denken. Wieder spürte er die Panik, die ihm den Schweiß aus den Poren trieb, doch er kroch unbeirrt weiter. Endlich tasteten seine Hände eine kleine Stufe und er konnte fühlen, daß sich die Höhe ausbreitete. Seinem Gefühl nach waren es an die 20 Meter gewesen, die er hinter sich gebracht hatte.

"MacGyver?" Er hörte seine eigene echoverstärkte Stimme und dann die Stimme des Phoenix-Mannes.

"Wie sieht’s aus?"

Er erklärte ihm die Situation und MacGyver kroch zu ihm, etwas langsamer und darauf bedacht, keine unnötigen Bewegungen zu machen. Schnaufend kam er neben Jack zum Stehen.

"Ich hoffe nur, das entpuppt sich nicht zu einem Labyrinth. Die Batterie würde uns nicht mehr lange herhalten." Er deutete auf das schwächer werdende Lampenlicht, das Jack gerade wieder anknipste.

O’Neill grummelte etwas Unverständliches und ging dann vorsichtig weiter. Die Dunkelheit um sie herum nervte ihn und er wollte so schnell wie möglich raus.

Von Zeit zu Zeit knipste er die Lampe aus, erstens um Batterie zu sparen und zweitens, um nach eventuellem Sonnenlicht Ausschau zu halten. Hinter ihm hörte er MacGyver schwer atmen. Er konnte sich vorstellen, was der Mann gerade durchmachte und bewunderte ihn, wie verbissen er war. Schweigsam wanderten sie immer geradeaus. Rings herum hörte man Wasser, das von den Wänden hinablief. Dann war die Batterie der kleinen Taschenlampe leer und die beiden standen in völliger Finsternis.

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SGC – 2001

General Hammond stand mit seinen beiden Untergebenen vor dem Fahrstuhl. Sie waren unterwegs ins Besprechungszimmer. Sam wiederholte in Gedanken den Inhalt der Nachricht ungläubig, den Hammond für sie übersetzt hatte.

"Wie soll das funktionieren?"

George schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht. Aber ich werde mich mit dem Absender treffen."

Teal’C trat in den eintreffenden Aufzug. "Wenn die Information wirklich stimmt, dann bräuchten wir die exakte Zeit. Sonst gibt es für die beiden kein Zurück!"

"Ich kann mir das nicht vorstellen!" bemerkte Carter.

Sie preßte die Lippen aufeinander und schickte den dicken Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte, hinunter. Wie groß wären die Chancen, daß sie jemanden fanden, der die genauen Daten wußte?

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1991

"Verdammt" schalt Jack. Bis jetzt hatte er sich doch noch gute Chancen ausgerechnet, den Ausgang finden zu können.

"Geh weiter" drängte ihn MacGyver. "Wir folgen dem Luftstrom. Er kam die ganze Zeit von vorn, dort muß eine Öffnung sein!"

Er lehnte sich von hinten an O’Neill, stabilisierte so seinen Stand. "Brauchst Du eine Pause?" "Nein, nun mach‘ schon. Ich will hier keine Wurzeln schlagen."

Obwohl es nur eine Fleischwunde war, spürte er bei jedem Schritt einen tobenden Schmerz unterhalb der Rippen. Irgendwie hatte er das Gefühl, er würde nach einer Pause nicht mehr den Mut aufbringen, sich wieder in Bewegung zu setzten. Außerdem kroch die feuchte Luft regelrecht seinen Körper hinauf und die Bewegung hinderte ihn daran, vor Kälte mit den Zähnen zu klappern.

Langsam tastete sich Jack weiter nach vorne, dicht gefolgt von seinem Doppelgänger. Plötzlich machte er einen diffusen Lichtschein in der Ferne aus. Rechts vor ihnen fand die inzwischen aufgegangene Sonne einen Durchlaß in ihr nasses Gefängnis. Voller Hoffnung beschleunigten sie ihre Schritte, hießen die stärker gewordene Luftströmung willkommen. Ein senkrechter Spalt in ca. 3 m Höhe, der ca. einen halben Meter breit und ebenso hoch war, war der Ursprung des stetigen Luftzugs. Der Lichtschein war nicht überwältigend, doch man konnte die Umrisse und sogar ein wenig des Höhleninneren erkennen. Ein "wurde auch Zeit" konnte sich O’Neill nicht verkneifen und bekam von MacGyver recht. Ihr Glück war scheinbar doch noch nicht ganz aufgebraucht.

Jetzt blieb nur noch die Frage, wie sie beide an die so nahe Freiheit gelangen konnten. In ihrer jetzigen Verfassung kamen ihnen die 3 Meter schon fast unüberwindbar vor.

Doch beide waren stur genug, um nicht bei so einem geringen Hindernis aufzugeben. Mit einer Räuberleiter verhalf Jack seinem Begleiter in die richtige Höhe und Mac schlüpfte mit angehaltenem Atem durch den Spalt.

Doch anstatt in die lang ersehnte Freiheit, führte der Spalt in eine weitere Höhle. O’Neill hatte sich bereits mit einem Sprung an den oberen Rand gebracht und keuchend half ihm MacGyver, sich vollständig nach oben zu ziehen. Jetzt lagen beide schnaufend auf dem kalten Boden und starrten auf den "Ausgang". In ca. 5 Meter Höhe zeigte er sich in Form eines ca. dreieckigen Loches in der Decke, das halb von Felsen verdeckt war.

Die Strahlen der Morgensonne suchten sich ihren Weg durch die Nebelschwaden, die sich in der Höhlung gebildet hatten und tauchten den Raum in ein unheimliches Licht. Sie erhellten die Wände, die teilweise zerklüftet waren wie ein Riff. Doch der größte Teil war mit dickem Eis bedeckt und so glatt, daß sich das einfallende Licht darin spiegelte. Der Innenraum einer Kathedrale kam O’Neill in den Sinn und er schlug die Hände vors Gesicht:

"Ich hab’ das Gefühl, irgend jemand ganz weit oben hat etwas gegen uns!"

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Als die ersten Strahlen der Morgensonne durch das Fenster schienen, war Daniel schon wieder hellwach. Er konnte es kaum erwarten mit dem Leiter der Phoenix auf die Suche zu gehen. Nikki brachte sie zum Hubschrauber, der bereits abflugbereit auf dem Flugfeld stand. Jackson hatte es sich nicht nehmen lassen, Pete zu begleiten.

Als er erfahren hatte, daß Jack geflohen war, bevor man ihn nach Florence verlegen konnte, war er unendlich erleichtert. Die Tatsache, daß sie bald wieder zusammen waren hatte ihn das eigentlich Problem fast vergessen lassen. Sie saßen immer noch in der Vergangenheit fest,

Somit hatten die Drahtzieher der ganzen Misere auf ganzer Linie gewonnen. Es gab kein Verbrechen; keine Leichen; nicht einmal Hammond oder sonst wer war in der Lage, den Verantwortlichen etwas anzuhängen. Selbst falls sie herausfinden könnten, wer dahinter steckt, es gab keine Möglichkeit sie zur Rechenschaft zu ziehen.

Der Flug dauerte länger als gedacht. Mittlerweile hatte ihn Pete in alles eingeweiht, was er wußte – was zu Daniels Bedauern leider nicht viel war. Am Morgen des vergangenen Tages hatte er den letzten Kontakt zu MacGyver gehabt. Sie hatten keine Ahnung, was in der Zwischenzeit passiert war. Jetzt blieb ihnen nichts weiter übrig, als Pauls Platz einzunehmen und in die Rockies zu fliegen, mit der Hoffnung die beiden noch lebend zu finden.

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Ein entferntes Brummen ließ Jack und MacGyver erstarren. Beide erkannten auf der Stelle das typische Geräusch eines Hubschraubers. "Das ist Pete!" flüsterte Mac und stemmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hoch. "Er sucht uns!"

"Na, da oben wird er uns kaum finden können" bemerkte O’Neill und starrte durch das Loch. Außer Schneeflocken und Wolken konnte er jedoch nichts erkennen. Manchmal war das Geräusch so nah, als wenn der Helikopter direkt über ihnen kreisen würde. Doch dann entfernte sich das Geräusch und Mac lehnte sich schwer atmend an die Eiswand. Jetzt, nachdem sich ein Weiterkommen als äußerst schwierig entpuppte, brach die Erschöpfung über ihn herein und er rutschte auf den Boden.

"Er kommt zurück, ich weiß es. Pete gibt nicht so schnell auf." Sein dunklen Augen waren starr nach oben gerichtet und Hoffnung war auf seinem Gesicht zu lesen.

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Daniel starrte fassungslos auf die weiße Wüste unter ihnen. Eine gewaltige Lawine hatte den größten Teil der Bäume weggerissen, die Hütte war nicht mehr aufzufinden und weit und breit gab es nicht den geringsten Anhalt für zwei Überlebende. Ungläubig schaute er auf Thornton, der mit kalkweißem Gesicht die Umgebung absuchte. Er mochte gar nicht daran denken, daß sein bester Freund dort irgendwo unter den Schneemassen begraben lag.

Daniel wußte nicht, wie oft sie schon über dem schneebedeckten Abhang geflogen waren. Seine Augen brannten, er starrte auf die weiße Fläche hinunter, unfähig das Offensichtliche zu akzeptieren.

Pete suchte unablässig mit dem Fernglas die gesamte Gegend ab, bis der Pilot auf den Rückflug bestand, weil der Treibstoff zur Neige ging. Schweren Herzens gab er das Zeichen zum Abbruch und sie verließen das Suchgebiet. Daniel legte den Kopf in seine Hände, versuchte die Tränen zurückzuhalten, die sich langsam aber sicher in seinen Augen sammelten. Die Hoffnung nach Hause zu kommen schrumpfte mit dem Gedanken, Jack nie wieder zu sehen.

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Mac saß hinter einer vorspringenden Wand, um der kalten Luft, die durch die Höhle zog, ein wenig zu entgehen. Er vermied es, mit dem Rücken an die Höhlenwand zu geraten. Die Daunen seiner Jacke hatten sich alle so ziemlich gelöst und die Kälte drang durch den jetzt dünnen Stoff. Die tiefen Kratzer sandten ein anhaltendes Brennen aus und Mac fragte sich, ob O’Neill wohl dieselben Probleme hatte und er sich nur nichts anmerken ließ.

Die Wanderung bis hierher hatte gute zwei Stunden gedauert. Solange sie in Bewegung waren, hatten beide die Kälte gut wegstecken können, jetzt merkten sie wie kalt es wirklich war. Die Temperatur unter der Erde betrug normalerweise über 0 °C, doch der stetige Luftzug hatte das Wasser an den Wänden in Eis verwandelt, was es wesentlich kälter werden ließ.

Er blickte zum Ausgang hinauf, der von seiner Position aus nur als schmaler Spalt zu sehen war. Von Zeit zu Zeit fanden frische Schneeflocken ihren Weg in die Tiefe, die von starken Böen angetrieben wurden. In seinem Kopf war eine seltsame Leere, wie durch Watte hörte der das Pfeifen des Windes und er nahm eine handvoll Schnee und rieb ihn in sein Gesicht. Sein Gesicht war heiß, er fror und vermutete, daß er sich eine Infektion eingefangen hatte. Außerdem brannte seine Kehle von den häufiger werdenden Hustenanfällen und jeder Atemzug tat weh. Trotzdem mußte er sich etwas einfallen lassen, wenn sie hier herunten nicht erfrieren wollten.

Er beobachtete O’Neill, der schon zum dritten Mal sein Vorhaben aufgeben mußte, die glatten Wände hochzuklettern. Sein Verstand arbeitete fieberhaft nach eine Lösung ihres Problems. Je höher die Sonne stieg, um so heller wurde es in ihrem Gefängnis. Mac suchte die Umgebung nach irgend etwas Brauchbarem ab.

"Verdammt noch mal, um da hochzukommen, brauche ich Spikes!" O’Neill schlug mit dem Fuß an die vereiste Felswand, "oder zumindest ein Seil!".

"Ja, aber auch das bleibt nicht von allein oben kleben..." MacGyver hielt inne und kramte in seiner Hosentasche. Erst jetzt fiel ihm ein, daß er ja eine Menge Zeug mit sich herumschleppte. Er holte die Handschellen heraus, die er dem Colonel am Morgen seines Unfalls abgenommen hatte. Sie waren aus massivem Stahl und würden sicher das Gewicht eines Mannes aushalten. Dann leerte er die Taschen seines Anoraks. Sein Taschenmesser, eine Spule Draht, ein Feuerzeug, die Taschenlampe, eine Sonnenbrille und eine Rolle seines bevorzugten Klebebandes kamen zum Vorschein, das ihm schon mehr als einmal eine große Hilfe war. Er wickelte den Draht ab, bis die gesamte Spule vor ihm ausgebreitet auf dem Boden lag.

"Was wird das denn?" fragte Jack, der neugierig seine Aktivitäten mit den Augen verfolgte.

"Ich bau Dir ein Seil – oder so was ähnliches" erwiderte der jüngere Mann und verfiel dann wieder in Schweigen. Mit klammen Fingern drehte er den Draht zusammen, konstruierte ein dickes starres Seil, das ca. 5 Meter lang war. Je länger er arbeitete, desto mehr kehrte die Beweglichkeit in die Finger zurück. Dann wickelte er in dicken Bahnen das Klebeband um die gesamte Länge; um die Griffigkeit des Seiles zu erhöhen, verstärkte er es alle 30 cm zu einem kleinen Knoten. Als er damit fertig war fädelte er ein Ende durch eine der beiden Handschellen und befestigte es mit dem Rest des Drahtes.

"Versuch es nach oben zu werfen, benutz die zweite Handschelle als Anker. Vielleicht haben wir Glück." Er reichte O’Neill das etwas starre Seil und sah ihm zu, wie er seine ersten Versuche startete.

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SGC – 2001

Sam Carter verstand die Welt nicht mehr. General Hammond hatte sie alle erneut in den Besprechungsraum gebeten, um ihnen das Ergebnis seiner Recherchen mitzuteilen. Es waren keine 12 Stunden vergangen, seit der Leiter des SGC die Nachricht gefunden hatte, die jetzt vor ihnen auf dem Tisch lag und die Worte brannten sich in die Köpfe der Anwesenden.

DEINE LEUTE BEFINDEN SICH IN DER VERGANGENHEIT!

Hammonds ehemaliger Zimmergenosse, Stan Norris, hatte ihm die verschlüsselte Nachricht zukommen lassen. Sie standen in losem Kontakt, seit sie damals zusammen die Air Force-Akademie besucht hatten, waren seit über dreissig Jahren sehr gute Freunde. Norris war Senator in Washington gewesen. Seit drei Jahren befand er sich im Ruhestand. Hammond war soeben von seinem Treffen mit ihm zurückgekommen.

Durch Zufall hörte Stan ein Gespräch, in dessen Verlauf der Name von George Hammond gefallen war. Die Neugier hatte gesiegt. Er belauschte die Besprechung und erfuhr so, von der Entführung. Der Hinweis, daß die beiden in der Vergangenheit gut aufgehoben waren, hatte ihn etwas verwirrt und er beschloß, Hammond davon zu unterrichten. Anhand der Stimmen erkannte er die Personen nicht, doch das war nicht weiter verwunderlich. In drei Jahren kamen und ginge viele Menschen.

Stan wußte über das Stargate Bescheid. Er hatte mit George Hammond lange Gespräche geführt, hatte ihm bei seinen seltenen Besuchen viele gute Ratschläge gegeben. Doch ihre Treffen fanden immer an abgeschiedenen Orten statt. Keiner kannte die Verbindung der beiden Männer.

Stan Norris war ein Mensch, dem Hammond 100 Prozent vertraute. Seit dem Tod seiner Frau war er der einzige außerhalb des SGC gewesen, dem er vertrauliche Informationen gegeben hatte. Auch ein General braucht ab und zu eine Müllhalde. Viel zu oft mußte er Entscheidungen treffen, die ihm schlaflose Nächte bereiteten. Vielleicht war das jetzt die Rettung für Jack und Daniel.

Dem General war es leider nicht möglich gewesen, genauere Information zu erlangen. Doch zumindest wollte sich Norris ein wenig weiter umhören. Vielleicht hatten sie Glück und man konnte die Verantwortlichen ausfindig machen.

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1991

Jack brauchte noch mindestens 20 weitere Versuche, bevor sich der stählerne Ring fest genug in einem Felsen verkantet hatte. Dann wickelte er sich ein paar Stoffetzen um die Hände und begann mit dem mühevollen Aufstieg. Dabei benutzte er Macs Taschenmesser als kleinen Eispickel, zog sich Zentimeter um Zentimeter hinauf. Jeder Kletterzug trieb ihm den Schweiß aus den Poren und nur mit seiner gesamten Willenskraft unterdrückte er das Bedürfnis einfach loszulassen, als heftige Stiche in der Schulter ein Festhalten fast unmöglich machten.

MacGyver hielt das lose Ende mit beiden Händen fest und zog es so straff er konnte. Falls es Jack gelang bis nach oben zu kommen, war das schon die halbe Miete. Schon einer allein reichte aus, um von Pete gesehen zu werden. Er hoffte nur, daß es wirklich sein Chef war, der sie mit dem Hubschrauber gesucht hatte.

Jack gelang es tatsächlich, nach oben zu klettern. Er zog sich durch das recht große Loch und blieb einen Moment keuchend im Schnee liegen. Doch er gönnte sich erst gar keine längere Pause, sondern kroch mit dem Oberkörper zurück, um MacGyver behilflich zu sein. Er warf das Taschenmesser zurück auf den Höhlenboden, damit auch er es als Kletterhilfe benutzen konnte.

Das Pendeln des provisorischen Seiles behinderte seinen Aufstieg und bereits nach der Hälfte schien es, als verließen ihn die Kräfte. Ein weiterer Hustenanfall ließ ihn fast wieder nach unten fallen und Jack beugte sich so weit es ging nach unten, wäre am liebsten selbst wieder zu ihm nach unten geklettert. Dann robbte er vollends zurück und packte kurz entschlossen mit beiden Händen das Seil, stemmte die Beine gegen das Felsgestein und fing an, mit aller Kraft zu ziehen. Nach endlosen Minuten hatte er es geschafft.

MacGyver erreichte den Ausgang der Höhle und zog sich durch die Öffnung. O’Neill half ihm auf die Beine. Er hatte es fast nicht mehr geglaubt, doch Jack hatte es geschafft, die verbliebenen Meter Distanz zwischen Höhlenboden und Freiheit für ihn zu überwinden. Er gab es auf, gegen die Bewußtlosigkeit anzukämpfen und mit einem lauten Seufzen ließ er sich in den Schnee fallen.

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SGC – 2001

Sam stocherte lustlos in ihrem Mittag essen herum, während ihr Teal’C mit starrem Blick gegenüber saß. Sie hatten hin und her spekuliert, wie es möglich war in die Vergangenheit zu reisen. Sam waren etliche Theorien durch den Kopf gegangen. Das zweite Stargate mußte dabei eine Rolle spielen. Es war an einem sicheren Ort verwahrt. Der Verantwortliche müßte dorthin Zugang haben und auch einen Grund für eine solche Aktion vorweisen. Bei all den Überlegungen war ihr jedoch niemand eingefallen, der in diese Kategorie paßte.

Frustriert schob sie den Teller von sich. Hoffentlich konnte der General etwas Licht in die Angelegenheit bringen.

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1991

Jack war sofort an MacGyvers Seite. Mit steifen, schmerzenden Fingern versuchte er einen Puls zu finden, was jedoch nicht gelang. Er wußte, daß es wahrscheinlich nur die Kälte seiner Finger war und doch spürte er, wie ihn die Panik überkam. Er drehte MacGyver auf den Rücken, wartete auf ein Lebenszeichen.

Jetzt erst bemerkte er die eisigen Temperaturen. Kalter Wind schnitt ihm die Luft ab, als er sich mühsam aufrappelte. Außerdem war der Wärmeeffekt der zerrissenen Kleidung gleich null. Eigentlich waren sie jetzt um keinen Deut besser dran als vorhin. Ihre einzige Hoffnung war der Hubschrauber, den sie sehnlichst zurück erwarteten. Für den Moment mußten sie sich jedoch irgendwo einen Unterschlupf finden, vor der Kälte und vor möglichen anderen Gefahren.

Er legte seine Hände auf MacGyvers Stirn und fühlte trotz der Taubheit in seinen Fingern die Hitze, die von ihm ausging. Der Blutverlust hatte seinen Tribut gefordert. Der geschwächte Körper konnte der Kälte nicht mehr lange standhalten, setzte sein gesamtes Immunsystem ein, um der Infektion entgegenzuhalten. Jack fragte sich, seit wann Mac die Anzeichen dafür gemerkt hatte. Er war die ganze Zeit hinter ihm gewesen und er war sosehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, daß er dessen Verschlechterung nicht wahrgenommen hatte.

Bewundernd blickte er zurück auf das Seil. Ohne Macs Einfallsreichtum säßen sie noch immer dort unten fest.

Er packte MacGyver unter den Achseln und zog ihn in den Schutz einiger Felsen, die aus der weißen Schneemasse herausragten. Er zog die Überreste seines Anoraks aus und deckte ihn damit zu.

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Ein altes Sprichwort sagt, was Dich nicht umbringt, macht Dich stark. Und ich glaube, da ist etwas Wahres dran. Mit dem Tod vor Augen erkennt man erst, wieviel einem das Leben zu bieten hat und man klammert sich daran fest– und ich nehme auch stark an, daß ich zur Zeit nicht der Einzige bin, der dieser Ansicht ist.

MacGyvers Lider flatterten und langsam kam Leben in die hochgewachsene Gestalt. Die Sonne strahlte mit Unterbrechungen auf sie herunter. Der kalte Wind war verschwunden. Auch wenn es nicht warm war, so fühlte sich die Luft viel angenehmer an als vor ein paar Stunden. Es war vollkommen windstill.

"Wie geht es Dir? Du warst ganz schön lange weg!"

Jacks besorgtes Gesicht beugte sich über ihn. Er half ihm, sich aufzusetzen. Ein Hustenanfall schüttelte den jüngeren Mann und er hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die rechte Seite.

"Ging schon besser" antwortete er wahrheitsgemäß und gab Jack seine Jacke zurück. "Danke."

Jack winkte ab. "Ich hab ein Zeichen gelegt. Falls der Hubschrauber wiederkommt sollten sie wissen, daß wir noch leben.

"Pete kommt zurück, ich weiß es."

"Ja, Daniel auch." Jack blickte nach oben. Die Wolken zogen schnell über den sonst blauen Himmel. Fast erwartete er jeden Moment das Brummen der Rotoren, doch es blieb ruhig. Zu ruhig. Die Sonne hatte bereits ihren höchsten Stand überschritten und senkte sich stetig.

"In ein paar Stunden wird es dunkel. Ich hoffe, wir sind dann nicht mehr hier."

MacGyver sagte nichts. Er kauerte sich an den Felsen und schloß die Augen. Nur sein rasselnder Atem und das Knirschen unter Jacks Stiefeln durchbrach die Stille, als er in die Mitte des Feldes zurückkehrte, um das Zeichen im Schnee zu überprüfen.

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Washington – 2001

Zufrieden grinsend verabschiedeten sich zwei Männer auf dem großen Soldatenfriedhof von Washington. Der Ort ihres Treffens war mehr als passend, dachte der schlanke ältere Mann und ging zu seinem Wagen zurück, der am Straßenrand parkte. Wie es aussah, hatte sich das Problem "O’Neill" gerade sehr geschickt von selbst erledigt. Soeben hatte er die Bestätigung erhalten, daß er zusammen mit seinem Helfer von einer Lawine begraben wurde. Keine Leichen – besser konnte es gar nicht laufen. Zwar war sein Plan gescheitert, Jack für Jahre in Florence festzuhalten, doch auch so war er hochzufrieden. Jetzt stand ihm niemand mehr im Weg, die Welt zu manipulieren.

Keiner der beiden bemerkte den schwarzgekleideten Herren, der ihnen den Rücken zuwandte und vor einem Grab ein stilles Gebet sprach.

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1991

Erneut saß Dr. Jackson auf dem Rücksitz des Hughes 500D. Mit mehreren Stunden Unterbrechung waren sie erneut in die Rocky Mountains unterwegs, um die Suche fortzusetzen. Zu allem Unglück hatte es Schwierigkeiten mit der Steuerung des Hubschraubers gegeben und zwei Techniker brauchten fast den ganzen Nachmittag, um sie zu reparieren. Sie hatten alle Möglichkeiten einer Rettung durchdiskutiert, Daniel wollte sogar einen Lawinenhund organisieren, doch aus Platzmangel hatten sie sich dagegen entschieden. Falls sie die beiden Männer fänden, bräuchten sie alle fünf Sitzgelegenheiten.

Die hiesigen Rettungskräfte hatten ihnen von vornherein keine großen Hoffnungen gemacht, noch jemanden lebend zu bergen. Doch beide – Pete und Daniel – hatten schon mehrmals erlebt, daß ihre Freunde gegen jede Chance das Unmögliche überlebt hatten.

Sie waren jetzt bereits seit einer guten halben Stunde unterwegs und die Sonne stand schon relativ tief. Nur die hartnäckigen Forderungen von Pete und ihm hatten den Piloten zu einem so späten Start überredet. Er warf Thornton einen erneuten besorgten Blick zu und starrte weiter aus dem Fenster. In ein paar Minuten würden sie den Abhang erreichen und das Ergebnis der Suche akzeptieren müssen.

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Die Sonne wurde allmählich wieder rot und warf ihr goldenes Licht auf den Ort der Zerstörung. MacGyvers steigendes Fieber, die schweren Atemzüge und die sich einstellenden Schmerzen in der Brust waren ein überdeutliches Zeichen einer Lungenentzündung. Jack hatte seinen Anorak wieder ausgezogen und über den vom Schüttelfrost zitternden Mann gelegt. Der Bewegungsmangel in der eisigen Höhle war wohl der Grund dafür. Während Jack immer wieder versucht hatte, die vereisten Wände hochzuklettern, war MacGyver lange regungslos in der Kälte gesessen.

Jack brauchte kein Arzt zu sein, um zu sehen, daß sich sein Zustand verschlechterte. Wieder redete er auf den jüngeren Mann ein, obwohl er glaubte, daß er ihn gar nicht hörte.

Wie oft schon hatte er auf Daniel eingeredet, der wie es schien, ein Geschick dafür hatte, auf Missionen verletzt zu werden. Er erinnerte sich an Momente, wo sie alle schon das schlimmste erwartet hatten, und doch hatte Daniel dem Tod immer wieder ein Schnippchen geschlagen.

Er beobachtete MacGyver, der mit angezogenen Beinen im Schnee lag und ihn mit fast schwarzen, glänzenden Augen anblickte. Was er jetzt wohl sehen mochte? Die Realität schien weit weggerückt und er bereute es, ihn nicht nach seiner Familie gefragt zu haben, als noch die Gelegenheit dazu war. Er strich ihm die schweißnassen Haare aus dem Gesicht und wickelte ihm den Anorak fester um die Schultern.

Dann stand er auf, rieb sich seine Oberarme und überquerte wieder das Schneefeld, um erneut zur Markierung zu gehen, die er aus dem selbstgemachten Seil und abgerissenen Ästen erstellt hatte. Es würde nicht schaden, sie noch ein wenig zu vergrößern.

Die Sonne hatte ihre Wärme verloren und Jack spürte seine Finger kaum, als er das starre Material auseinanderzog. Er stolperte über die vereisten Schneeplatten zum Waldrand. Der spärliche Baumwuchs war von der Lawine fast vollständig niedergerissen worden. Hinter einigen Felsen fand er weitere übriggebliebene Äste und er sammelte so gut es ging die größten Stücke zusammen. Er legte sie links und rechts an und bildete somit einen Pfeil, der in ihre Richtung zeigte.

Zufrieden mit seiner Arbeit kehrte er zu MacGyver zurück. Der Versuch ein Feuer zu machen, war schon zuvor kläglich gescheitert. Zu naß und grob war das verwendete Material, so daß er es jetzt erst gar nicht mehr versuchte.

Zitternd setzte er sich neben ihn und legte Macs Kopf in seinen Schoß. Bald würde es Nacht werden. Eine lange Nacht, falls eine erneute Suche auf sich warten ließ. Ob sie diese überleben würden, stand auf einem anderen Blatt.

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SGC – 2001

Der Rest von SG1 und General Hammond waren in einem kahlen Raum kurz unter der Oberfläche des Cheyenne Mountain. Auf einem schwarzen Ledersessel saß ein Soldat. Stanley Norris hatte ihnen den Mann ausgeliefert.

Es war der Fahrer des weißen Lieferwagens, der Jack und Daniel vor einer guten Woche entführt hatte. Doch er konnte oder wollte nicht mehr Details preisgeben, als sie ohnehin schon wußten. Um genau zu sein wußte er sogar weniger. Als sie das Stargate erwähnten, sah er sie nur aus großen Augen an und schüttelte dann den Kopf. Scheinbar war er nur als Fahrer eingesetzt worden und man hatte ihn nicht in das eigentliche Vorhaben eingeweiht. Eine Vorsichtsmaßnahme, die sich jetzt als äußerst gewichtig erwies.

Er gab an, keinen seiner Auftraggeber zu kennen oder auch nur gesehen zu haben. Trotz Androhung der schärfsten Strafen konnte nicht mehr aus ihm herausgebracht werden.

Mit versteinertem Gesicht saß Hammond auf seinem Stuhl und hielt seinen Kugelschreiber so fest, daß sich die Knöchel weiß abzeichneten. Es hatte den Anschein, daß es für sie unmöglich schien, die beiden Mitglieder von SG1 zurückzuholen.

Ein Mitarbeiter des SGC betrat den Raum und reichte Hammond ein Handy. Mit grimmiger Miene hörte er seinem Gesprächspartner zu und bedankte sich dann knapp.

Er winkte dem Wachhabenden zu, den Gefangenen mitzunehmen und lehnte sich zurück. Sein Blick traf Carter, die weiß wie die Wand geworden war. Irgendwie spürte sie, daß sich die Lage jetzt verändert hatte.

"Das war Stan" begann der General bedächtig. Zu Carter gewandt ergänzte er dann: "Sie hatten mit Ihrer Vermutung recht. Sie haben das Sternentor benutzt, um in die Vergangenheit zu kommen. Er konnte ein Gespräch mitverfolgen, in dem leider noch ein wichtiger Hinweis gefallen ist."

Er machte eine Pause und schaute seine Leute durchdringend an.

"Scheinbar hat es den Anschein, daß Colonel O’Neill und ein unbekannter Mann von einer Lawine verschüttet wurden."

Sam holte tief Luft, preßte mit Gewalt die Tränen zurück, die sich unaufhaltsam den Weg nach draußen suchten.

Es war tatsächlich wahr. Nie hatte sie es für möglich gehalten, daß Menschen zu so etwas fähig waren. Goa’Uld ja, aber Menschen. In ihr wuchs eine unbändige Wut auf das NID, das Militär und sogar auf das Pentagon. Sie alle ermöglichten es erst, daß Personen wie Simmons, Kinsey und wie sie alle hießen zu solcher Macht gelangten.

"Was ist mit Daniel?" warf Teal’C ein.

Hammond schüttelte den Kopf. Er wurde nicht erwähnt. Er ist scheinbar nicht das eigentliche Ziel, vielleicht haben sie ihn dort freigelassen."

"Wie konnten sie das bewerkstelligen? Und warum eine Lawine?" fragte Sam fassungslos. "Unsere Wissenschaftler arbeiten schon seit Jahren an einer Möglichkeit, mit dem Stargate die Zeit einzustellen. Es geht nicht!"

"Vielleicht gelingt es den Wissenschaftlern der Erde nicht, aber wie geht es den Tollanern oder den Asgard?" Teal’C, der schweigsam alles mit angehört hatte, schürte mit seinen Worten wieder neue Hoffnung in Sam.

"Wir müssen sie kontaktieren. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen." Sie griff sich mit der Hand an die Stirn.

"Wenn wir die Möglichkeit hätten, Sir. Wir könnten zurückgehen und Jack..." sie stockte kurz und fuhr dann fort, "zumindest Daniel suchen."

Bittend sah sie ihren Vorgesetzten an. "General, ohne Hilfe aus der Zukunft könnte er nie mehr zurück!"

Hammond wäre am liebsten sofort selbst zu ihren Verbündeten gereist, um sie um Hilfe zu bitten. Doch er wußte, daß er sich in dieser Angelegenheit nicht über seine Vorgesetzten hinwegsetzen durfte.

"Tut mir leid, Major Carter. Ich muß vorher mit dem Präsidenten sprechen. So eine Entscheidung darf und kann ich nicht alleine fällen." Er stand auf und griff sich seine Unterlagen. "Ich werde Ihnen Bescheid geben, sobald ich etwas in Erfahrung gebracht habe." Er entließ die beiden aus der Besprechung und ging in sein Büro.

Wie in Trance ging Sam zu ihrem Quartier und bemerkte nicht einmal die besorgten Blicke von Teal’C, der ihr folgte bis sie hinter ihrer Tür verschwunden war.

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1991

Durch ein näherkommendes Knattern wurde Jack aus einem leichten Dösen gerissen. Trotz der Kälte hatte die Erschöpfung seinen Körper übermannt. Er brauchte einige Sekunden, um seinen umnebelten Verstand auf die gegenwärtige Situation einzustellen. Ungläubig starrte er in den dunkler werdenden Himmel, bis er die Silhouette eines Hubschraubers ausmachen konnte. Er rutschte unter MacGyver heraus und stolperte mit steifen Gliedern so schnell er konnte aus seiner Deckung. Auf allen Vieren krabbelte er auf die Schneefläche hinaus.

"Daniel!" brüllte er aus Leibeskräften. Seine Hände sanken ungeschützt in den kalten Schnee, doch es war ihm egal. Er stürzte zur Markierung, benutzte dabei die vorher schon gebildeten Fußstapfen, um schneller voranzukommen. Ein erneuter Adrenalinschub verlieh ihm neue Energie. Er starrte in den Himmel und ruderte mit den Armen, verdrängte vor Aufregung die Schmerzen, die durch die wilden Bewegungen in seine Schulter zurückkehrten.

"Daniel" wiederholte er heiser und ließ sich auf die Knie fallen. Jegliche Kraft schien aus ihm geflossen zu sein. Fast ehrfürchtig beobachtete er, wie der Hubschrauber einen Bogen flog und zu ihm zurückkehrte. Jack fuhr sich mit der Hand durch das stoppelige Kinn:

"Ich wußte Du kommst zurück" flüsterte er, "ich wußte es."

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Mehrere Male überflog der Helikopter das Gebiet, bis er eine geeignete Stelle zur Landung entdeckt hatte. Selbst hier war es ein gewagtes Unterfangen, obwohl es sich um eine große ebene Fläche handelte. Daniel und Pete konnten es kaum glauben. Der große Pfeil war von weitem schon zu erkennen. Bei ihrer ersten Suche war noch nichts davon zu sehen gewesen. Das bedeutete definitiv, daß sich jemand dort unten befand. Die Rotorblätter des Hubschraubers wirbelten die umliegenden Äste und den leichten Schnee auf wie bei einem Schneesturm. Noch bevor das Fluggerät richtig auf dem Boden war, drückte Jackson schon die Türe auf und stürmte, dicht gefolgt von Pete, zurück auf den Abhang.

O’Neill saß noch immer zwischen den Ästen. Er regte sich nicht und schaute den beiden Personen mit tränengefüllten Augen entgegen. Daniel war als Erster bei ihm, ließ sich in den Schnee fallen und umarmte seinen Freund, als würde sein Leben davon abhängen.

"MacGyver..." wisperte Jack kaum hörbar. Mit einer letzten Kraftanstrengung deutete er zu dem verletzten Mann, bevor alles schwarz wurde und er schlaff in Daniels Arme sank.

Daniel fing den klammen Körper seines Freundes auf und folgte Pete mit den Augen, der mit angstgeweiteten Augen loslief, um seinen Freund zu bergen. Hinter dem Vorsprung sah er die zusammengerollte Gestalt.

"Mac!"

Sein Puls beschleunigte, als er den regungslosen Körper umdrehte und in das blutverkrustete Gesicht von MacGyver blickte. Langsam öffnete Mac die Augen zu schmalen Schlitzen, nur um sie gleich wieder zu schließen.

"Pete?" Ungläubig schüttelte er den Kopf. Er glaubte nicht daran, was er sah und fiel zurück in eine bodenlose Schwärze.

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SGC – 2001

Sam kam es wie endlose Stunden vor, bevor der General sie wieder zu sich beorderte. Als sie zur Uhr sah, waren noch nicht einmal zwanzig Minuten vergangen. Zusammen mit Teal’C ging sie in das Büro, das sie nur selten aufsuchten. Meistens war es aus einem unangenehmen Anlaß. Nur Jack verlief sich ab und zu freiwillig dorthin, um mit Hammond zu plaudern. So hatte sie auch dieses Mal wieder kein gutes Gefühl, als sich die Türe hinter ihnen schloß.

"Es tut mir leid. Der Präsident befürwortet meine Bitte nicht. Das Risiko des Mißbrauchs ist ihm zu hoch. Selbst mein Argument, daß die beiden schon mehrfach die Erde gerettet haben, konnte ihn nicht umstimmen." Er bedeutete den beiden, sich in die vor dem Schreibtisch stehenden Stühle zu setzten. "Falls die Technik in falsche Hände gelangt, könnte es sich negativ für die ganze Zukunft auswirken."

Carter glaubte nicht, was sie hörte. "Aber sie befindet sich doch schon in den falschen Händen. Wie sonst konnte man die beiden in die Vergangenheit schicken?"

Hammond schüttelte traurig den Kopf: "Tut mir wirklich leid, Sam. Aber mir sind die Hände gebunden."

Niedergeschlagen senkte Sam den Kopf. Noch war sie nicht bereit, so leicht aufzugeben. Sie suchte nach einem Argument, das Hammond umstimmen könnte, aber in ihrem Kopf wirbelte alles durcheinander. Nach allem was der Colonel und Daniel für ihr Land getan hatten, ließen sie sie fallen wie heiße Kartoffeln.

Sie machten sich auf den Weg zurück zu den Quartieren. Sam entschuldigte sich bei Teal’C. Sie wollte allein sein. Langsam reifte ein verwegener Plan in ihrem Kopf heran. Sie hatte Jack schon einmal zurückgeholt, vielleicht würde sie es bei Daniel auch schaffen.

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1991 – Los Angeles

Ein stetiges Piepsen war das erste, das O’Neill nach seiner langen Ohnmacht wahrnahm. Seine Finger befühlten das warme Laken und er öffnete die Augen. Über ihm sah er die weiße Decke eines Krankenzimmers und für einen kurzen Moment dachte er, er lag im SGC. Dann traf ihn die Erinnerung wie ein Schlag. Daniel! Er drehte den Kopf und hätte fast wetten können, was er dort sah.

Der junge Archäologe saß in einem bequemen Stuhl und schlief und Jack wollte ihn nicht wecken. Er konnte sich vorstellen, daß sich Jackson wahrscheinlich seit ihrer Rettung nicht von seinem Bett bewegt hatte und er brauchte den Schlaf genauso wie er. Der Colonel stützte sich auf und blickte sich um.

Rechts neben ihm lag in einem identischen Bett die regungslose Gestalt von MacGyver. Dessen Herztöne waren es auch, die mit einem monotonen Piepsen die Stille unterbrachen.

Für einige Sekunden schloß er die Augen. Sie hatten es geschafft. Trotz aller Hindernisse und Widrigkeiten hatten sie es geschafft. Daniel war bei ihm. Jetzt brauchten sie nur noch nach Hause zu kommen.

Doch Jack war zu müde, um sich darüber jetzt Gedanken zu machen. Er ließ sich zurückfallen und sank in einen erholsamen Schlaf. Um alles andere konnten sie sich später kümmern.

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Sechs Tage später

MacGyvers starke Unterkühlung, die Lungenentzündung sowie seine infizierte Schußwunde hatten einen längeren Krankenhausaufenthalt unumgänglich gemacht. Da O’Neill sowieso nicht wußte, wohin, hatte er sich entschlossen, Mac Gesellschaft zu leisten. Außerdem waren auch an ihm die Ereignisse der letzten Tage nicht spurlos vorübergegangen und noch immer hatte er Probleme mit seiner Schulter.

Als Jack das zweite Mal im Krankenhaus die Augen geöffnet hatte, war das erste das er gesehen hatte ein Paar besorgter blauer Augen, die ihn eingehend musterten.

O’Neill war nicht der Typ für großartige Gefühlsausbrüche und ein langer intensiver Blick genügte, um auszudrücken, wie froh er war, den jungen Doktor wiederzusehen. "Bist hier festgewachsen, oder?" krächzte er dem jungen Mann entgegen.

"Naja, ich hatte gerade nichts anderes vor" erwiderte Daniel und schenkte ihm ein breites Grinsen.

Bis sich beide gegenseitig ihre Erlebnisse berichtet hatten, vergingen mehrere Stunden. Daniel hatte relativ gelassen auf MacGyver reagiert. Er hatte sich inzwischen damit vertraut gemacht, einen jüngeren Jack O’Neill vorzufinden, wenn sich auch kein richtiger Vergleich anstellen ließ. Zu unterschiedlich war das jetzige Erscheinungsbild der beiden. Auch er verstand sich sehr gut mit ihm und schon bald saßen sie stundenlang zu dritt im Krankenzimmer und tauschten Erfahrungen aus.

Dank der hochdosierten Antibiotika war Macs Lungenentzündung schnell abgeklungen und die Hustenanfälle seltener geworden.

Mac hörte auf zu reden, als sich die Tür zu ihrem Krankenzimmer öffnete und Pete hereinkam. Er und Jack verstanden sich – jetzt bei entspannteren Verhältnissen und ohne lebensbedrohlichen Vorkommnissen – immer besser. Auch eine weitere Gemeinsamkeit hatten sie gefunden: Eishockey. MacGyver war gerade dabei, O’Neill für ein Wohltätigkeitsspiel zu gewinnen.

"Bevor Du zurück aufs Eis gehst, kurierst Du Dich vollständig aus!" sagte er väterlich und schaute seinen Freund ernst an. "Oder ich sorge dafür, daß Ihr beide dieses Zimmer nicht unter einer weiteren Woche verlassen werdet!"

Dann hielt er grinsend zwei Klemmbretter und zwei Stifte in die Höhe. "Welcher von Euch beiden will als erster hier heraus?" Überraschte Gesichter starrten ihn an, bevor sich beide gleichzeitig darauf stürzten.

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Ein herrlich blauer wolkenloser Himmel hing über Los Angeles und dem Phoenix-Gebäude. Petes Büro war belagert von vier Personen, die sich seit geraumer Zeit den Kopf zerbrachen, wie es weitergehen sollte.

MacGyver war immer noch etwas blaß und matt, was ihn jedoch nicht mehr davon abhielt, an den Besprechungen teilzunehmen.

Der Colonel und Daniel hatten lange überlegt, ob sie es verantworten konnten, die Leute der Phoenix in das Stargate-Programm einzuweihen.

Nun hatten sie sich entschlossen, Pete und MacGyver unter dem Siegel der Verschwiegenheit vom Stargate zu erzählen. Die Loyalität diese Leute war nicht mehr in Frage zu stellen und wenn sie wieder nach Hause kommen wollten, brauchten sie Hilfe.

Mit kurzen knappen Worten klärte Jack die zwei über das "Wunder Stargate" auf, unterbrach dabei den Redeschwall des Archäologen, der in seiner gewohnten Art die ganze Sache auszuschmücken drohte.

MacGyver zweifelte nicht an der Wahrheit der Geschichte, die ihnen Jack auftischte. Sie war ebenso glaubwürdig oder unglaubwürdig wie die Tatsache selbst, daß die beiden Männer aus der Zukunft kamen.

"Daniel, Du sagst, Du hast diese Zeitmaschine gesehen ?" griff Jack den Faden wieder auf.

"Ja – und es muß auch eines hier in der Vergangenheit existieren. Wie sonst kommen diese Verbrecher wieder zurück?"

"Vielleicht wollen die gar nicht mehr zurück?" warf Pete ein.

Daniel schüttelte den Kopf. "Kann ich mir nicht vorstellen. Sie müssen sicher in der Zukunft Bescheid geben, wie die ganze Sache läuft. Es wäre sonst viel zu unsicher."

"Am einfachsten wäre es, diesem Scott hier gewaltig in den Arsch zu treten und uns die Zeitmaschine unter den Nagel zu reißen!" Jack sprang auf und ging unruhig vor Petes Schreibtisch hin und her.

"Wo befindet sich das zweite Stargate 1991?" wandte er sich an den Linguisten. Jackson sah ihn etwas verdutzt an: "In der Antarktis, nehm' ich doch an." Jack fuhr sich über das zerkratzte Gesicht. "Oh – Gut. Wo befindet sich das erste Stargate 1991?" wiederholte er seine Frage.

"Es ist in Arizona. Frag mich nicht, wie es dorthin gekommen ist. Eigentlich müßte es immer noch gut verstaut in Washington sein. Wir müßten auf alle Fälle mit der Zeitmaschine dorthin zurück. Aber wer auch immer das alles inszeniert hat, muß von woanders die Fäden in der Hand halten."

Die zwei Phoenix-Mitglieder verfolgten das Gespräch der beiden mit neugierigen Blicken. Sie hatten im großen und ganzen nicht viel Ahnung von dem Gesprochenen und hörten aufmerksam zu.

"Wir brauchen eine Bezugsperson zu Eurer Zukunft" bemerkte nun MacGyver und beteiligte sich das erste Mal aktiv an der Besprechung.

Jack machte ein etwas gequältes Gesicht: "Der einzige, der mit dazu einfällt ist dieser falsche Sergeant in Colorado Springs. Dieser Scott, wie er sich nannte, wußte meinen Namen. Er wußte meinen Dienstgrad und er wußte....." Er machte eine kleine Pause und fing wieder an, hin und her zu wandern. "Er hatte eine Menge Informationen über mich, die nicht viele Leute haben" beendete er dann den Satz. Mit Schaudern dachte er an diese Nacht zurück.

"Die Frage ist nur, ob er hier geblieben ist, nachdem Du geflohen bist" grübelte MacGyver.

"Ich werde ein wenig herumtelefonieren" bot Pete an. Ihm war klar, daß er nicht viel zur Lösung des Problem beitragen konnte. Doch was in seinen Kompetenzbereich fiel, wollte er gerne übernehmen.

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SGC – 2001

Major Carter ging mit entschlossenen Schritten in General Hammonds Büro. Sie hatte lange überlegt und war zu einem einzigen Resultat gekommen. Sie würde so oder so die Möglichkeit einer Hilfe von außen ersuchen. Mit oder ohne Hammonds Hilfe.

Mit innerlich wackligen Beinen stand sie nun vor dem Schreibtisch ihres Bosses und holte tief Luft.

"Sir. Ich möchte Sie bitten, mir die Erlaubnis für eine Reise durch das Stargate zu erteilen. Ich möchte Kontakt zu den Tollanern aufnehmen. Vielleicht gibt es dort eine Möglichkeit, mich in die Vergangenheit zu schicken."

"Das kann ich nicht genehmigen, Major – und Sie wissen das." Hammond stand von seinem Ledersessel auf und umrundete seinen Schreibtisch. "Sie sind für diese Einrichtung zu wertvoll. Eine Rückkehr ist mehr als ungewiß und was soll aus SG1 werden, wenn auch Sie noch verschwinden?"

"Es existiert kein SG1 ohne Jack und Daniel!"

Sam war den Tränen nah und mußte sich sehr zusammenreißen, um ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. "General, wenn Sie diesen Einsatz nicht genehmigen, werde ich meinen Dienst quittieren und mich auch ohne Air Force-Uniform auf die Suche machen! Ich werde die letzte Chance, wenigstens Daniel zu retten, nicht ungenützt lassen." Die junge Frau machte ein zu allem entschlossenes Gesicht.

"Und ich werde Major Carter begleiten." Teal’C war in der Türöffnung erschienen und hatte die letzten Worte von Carter gehört.

"Sie können mich so oder so verlieren, Sir." Sam wartete gespannt auf eine Reaktion von Hammond. Der glatzköpfige Offizier hatte in seiner Laufbahn schon einiges erlebt. Vor allem, seit er Leiter des SGC war, konnte ihn so schnell nichts mehr überraschen. Die Verbundenheit seines ersten und besten Teams hatte ihn immer wieder erstaunt. Diese vier völlig unterschiedlichen Charaktere bildeten eine Einheit, die kein anderes SG-Team bis jetzt erreichen konnte und der Einsatz von Carter und Teal’C für ihre vermißten Kameraden imponierte ihm.

Nach einer langen Pause, in denen Carter wie ein Zinnsoldat vor ihm stand und Teal’C reglos hinter ihr, nickte er schließlich.

"Ich genehmige Ihnen 1 Woche Urlaub, Major. Nutzen Sie ihn gut."

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1991

"Ich werde versuchen, Scott in eine Falle zu locken. Ihr könnt darauf wetten, daß er immer noch scharf darauf ist, mich zu erwischen."

Daniel sah Jack mit seinem typischen >weißt Du was Du tust< Blick an, schob dabei mit dem Zeigefinger seine Brille höher.

24 Stunden nachdem Pete und MacGyver vom Stargate in Kenntnis gesetzt worden waren, lief eine hitzige Diskussion, wie man den ersten Schritt Richtung Rückkehr anpacken sollte.

Der falsche Polizist Scott befand sich tatsächlich noch in der Vergangenheit. Er war bereits seit ca. ½ Jahr hier und hatte scheinbar alles bis ins kleinste Detail vorgeplant gehabt. Durch seine Tarnung als Sergeant befand er sich in einer einflußreichen Position und Pete konnte herausfinden, daß er Verbindung zu mehreren politischen Größen hatte. Doch Jack wußte, daß keiner davon der Drahtzieher sein würde. Der Verantwortliche befand sich in der Zukunft und war auch sicher dort geblieben.

O’Neills Ungeduld wuchs von Minute zu Minute an.

"Ich bin dagegen!" meldete sich Daniel zu Wort.

"Ich bin dafür! Nur er kann uns sagen, wer dahinter steckt!" beharrte Jack und blickte zu MacGyver, der sich noch nicht zu diesem Vorschlag geäußert hatte.

"Meiner Meinung nach ist es riskant. Dieser Kerl könnte Dich genauso gut gleich über den Haufen knallen. Er hat nichts zu verlieren."

"Ich habe es verdammt noch mal satt, hier ewig untätig rumzusitzen" entgegnete er gereizt. "Lieber werde ich erschossen. Ich hab meinen Hals schon für weniger riskiert." Jack stand auf und steckte die Hände in die Hosentaschen.

Er hatte sich in seiner eigenen Zeit ein neues Leben aufgebaut. Jedes Detail seiner Vergangenheit wurde hier mit einem Mal wieder lebendig. Jede Nachrichtensendung, die er sah, erinnerte ihn an sein früheres Leben und langsam aber sicher war er an dem Punkt angelangt, an dem ihm alles besser schien, als hierzubleiben. Er starrte mit blinden Augen aus dem Fenster auf den großen Parkplatz. Bilder von Charlie huschten durch sein Gehirn. Sein Lachen grub sich fast schmerzhaft in seinen Kopf. Er drehte sich abrupt um:

"Es ist mein Risiko, und wenn es sein muß, hol ich mir diese verfluchte Maschine alleine zurück!"

Mac tauschte einen vielsagenden Blick mit Pete. Daniel senkte resigniert den Blick. Er kannte O’Neill gut genug, um zu wissen, daß es ihm ernst war.

"Na schön. Scheinbar ist es wirklich der einzige Weg, eine Spur zu bekommen" lenkte MacGyver ein. "Wir geben Dir Rückendeckung und versuchen, Dich so schnell wie möglich wieder rauszuholen. Pete hat einige Informationen, die wir vielleicht für diesen Zweck nützen können."

Der Colonel schaute Thornton an: "Können Sie für mich eine Waffe besorgen? Ich könnte sie sicher gut gebrauchen. Für die Rückendeckung wären sie sicher auch wichtig."

Er deutete mit der rechten Hand auf Daniel und MacGyver.

Jackson willigte sofort in Jacks Vorschlag ein, doch Mac schüttelte entschlossen mit dem Kopf: "Nein."

Jack und Daniel sahen ihn überrascht an.

"Ich hab’ da so meine eigenen Methoden!" ergänzte MacGyver und beendete damit das Thema.

Sie verließen Petes Büro und O’Neill zupfte MacGyver am Ärmel und zog ihn zur Seite. Er hatte ihm bis jetzt noch nicht für seine uneigennützige Hilfe gedankt und hielt sie für mehr als überfällig.

"Ich, äh.... , danke. Ich weiß, ich kann Dir niemals zurückzahlen, was Du für mich riskiert hast" fing er unbeholfen an.

MacGyver schüttelte den Kopf.

"Ich sagte Dir doch, das ist mein Job. Auch wenn mir dieses Mal wirklich was daran gelegen hat, Dir zu helfen. Ich hab’s gern getan – außerdem sind wir quitt."

"Du bist ein seltsamer Vogel, MacGyver!"

Mac klopfte Jack auf die Schulter und lächelte: "Du bist mir noch ein Schachspiel schuldig."

"Darauf kannst Du wetten, und wenn ich Dich dafür in zehn Jahren besuchen muß. Ich versprech’s" grinste O’Neill zurück.

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Colorado Springs – Am nächsten Vormittag

Scott stand von seinem Platz in dem kleinen Lokal auf und legte ein paar Dollar auf den Tresen. Gerade hatte er erfahren, daß er seine Tätigkeit hier in der Vergangenheit aufgeben mußte. Nachdem er seinen Auftraggeber davon unterrichtet hatte, daß O’Neill gerettet wurde, war es zu gefährlich hier geworden. Solange er sich auf freiem Fuß befand, würde er alles versuchen zurück zu kommen. Dafür war er das beste Ziel. Dieser Colonel mußte neun Leben haben wie eine Katze und langsam fing er an, diesen Mann zu hassen.

Mit grimmigem Gesicht verließ er die Kneipe und trat auf die Straße. Es war ein trüber Nachmittag und der wolkenverhangene Himmel ließ keinen Sonnenstrahl durch. Zwei seiner Männer warteten vor dem Eingang und er nickte ihnen fast unmerklich zu. Sie würden warten, bis sich der Bote im Lokal, mit dem er sich getroffen hatte, als ungefährlich erwies.

Sein Wagen parkte in einer dunklen Seitenstraße. Er ging zielstrebig darauf zu und holte den Autoschlüssel aus der Tasche, als er hinter sich Schritte hörte.

Jack wußte genau, wie sich ein Typ wie Scott verhalten würde. Sobald er alleine war, konnte man seine Unsicherheit direkt riechen – doch hatte er seine Bodyguards um sich, war er großspurig und voller Selbstsicherheit.

Er sah sich vorsichtig um, wollte den richtigen Moment abpassen, um ihm zumindestens einen Schrecken einjagen, der sich gewaschen hatte. Seine Hand umschloß die Beretta fester, die er in der Jackentasche hatte.

Langsam trat er aus seiner Deckung hervor und schlich sich nah an den kleineren Mann heran.

"Lange nicht gesehen" flüsterte ihm Jack drohend zu.

Scott wirbelte herum und für einen kurzen Moment sah O’Neill so etwas wie Angst in den Augen seines Gegenübers, der sich jedoch sofort wieder in der Gewalt hatte.

"Ich weiß von Ihrem hinterhältigen Spielchen, Scott. Und ich verstehe keinerlei Spaß in dieser Hinsicht!" fuhr er unbeirrt fort.

Er hielt die Waffe hoch und spannte den Hahn, zielte genau zwischen die Augen des Mannes.

Aus den Augenwinkeln sah er die beiden Begleiter des Sergeants um die Ecke kommen. Er zwang sich, sie zu ignorieren und tat so, als sei er sich der Gefahr, in der er sich befand, nicht bewußt. Sein kalter Blick war auf Scott gerichtet, auf dessen Stirn nun tatsächlich Schweißperlen standen. Jack genoß den kurzen Augenblick des Triumphes und drückte mit dem Finger ganz langsam auf den Abzug, bis er den ersten Widerstand spürte.

"Ich sollte dich wirklich erschießen, du Bastard" wisperte er zu sich selbst und bereitete sich innerlich auf den Schlag vor, von dem er wußte, daß er kommen würde – und er wurde auch nicht enttäuscht. Sterne explodierten vor seinen Augen und er fiel mit einem dumpfen Geräusch auf die Straße.

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SCG – 2001

Carter hatte den Tollanern eine Nachricht geschickt und wartete nun ungeduldig auf eine Antwort. Sie hatte lediglich um einen Besuch gebeten, das Anliegen selbst würde sie besser persönlich vorbringen.

Erst nach einigen Stunden kam die erwartete Einladung und sie machte sich mit Teal’C auf den Weg. Mit einem letzten Blick zu General Hammond, der mit gemischten Gefühlen die Abreise beobachtete, durchschritten sie den Ereignishorizont.

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Daniel sah seinen Freund zu Boden gehen und das ungute Gefühl stellte sich erneut in ihm ein.

"Ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee war" murmelte er leise und blickte zu MacGyver, der mit ihm in einem Hauseingang stand.

"Vielleicht bringen sie ihn einfach zurück zur Polizei."

"Wenn er droht, seine Identität platzen zu lassen, wird er es nicht wagen, ihn der Öffentlichkeit auszusetzen." Mac machte eine kleine Pause. "Wahrscheinlicher wäre es, sie bringen ihn gleich um."

Er warf Daniel einen entschuldigenden Blick zu und zuckte mit den Achseln.

"Danke" erwiderte der Archäologe trocken und widmete sich wieder den drei Männern, die Jack inzwischen durchsucht und in einen Kofferraum geladen hatten. Schnell stiegen sie in den gemieteten Geländewagen und folgten ihnen durch die Stadt. Daniel hoffte, daß sie dem Zeitsprunggerät mit dieser Aktion einen Schritt weitergekommen waren.

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Ein gleichmäßiges Brummen drängte sich in O’Neills Gehirn. Es dauerte einige Momente, bis er es als Motorengeräusch identifizieren konnte. Um ihn herum war es dunkel und eine schaukelnde Bewegung erinnerte ihn daran, daß sein Magen nicht für die Seefahrt geschaffen wäre. Er tastete seine Umgebung ab und bemerkte schnell, daß er sich in einem Kofferraum befand. Er hoffte nur, Daniel und MacGyver konnten sich rechtzeitig an das Fahrzeug hängen.

Außer dem Reserverad und dem Wagenheber befand sich nichts Brauchbares bei ihm. Er wühlte unter die Fahrzeugverkleidung und suchte nach verborgenen Kabeln. Die meisten Wagen hatten ein Kabel, durch das das Schloß zusammen mit der Zentralverriegelung geöffnet wurde. Vielleicht hatte er Glück und er konnte das Kofferraumschloß durch Ziehen an einem der Kabel selbst aufmachen. Gerade, als er fündig wurde, hielt der Wagen an und die Autotüren wurden geöffnet. Alles hörte sich seltsam hohl an aus seiner Position. Er schloß die Augen, in der Hoffnung sie täuschen zu können.

Schwungvoll öffnete sich der Kofferraumdeckel und Jack wurde an den Schultern gepackt und herausgezogen, was ihn durch den plötzlichen Schmerz scharf einatmen ließ. Automatisch stützte er sich mit den Armen ab, als er auf den Boden rutschte. Sofort spürte er einen Stiefel im Kreuz, der ihn daran hinderte, sich umzudrehen.

"Keine dumme Bewegung oder Du wirst es bereuen!" hörte er die Stimme des Anführers. Mit dem Gesicht nach unten lag er schnaufend in einer Wasserlache, sein Blick wanderte über den feuchten Betonboden. Sie befanden sich in einer Tiefgarage, nicht weit von einem Treppenaufgang entfernt.

Der Druck auf seinen Rücken verschwand und er stand langsam auf, wischte sich mit den Händen das Wasser von Jacke und Hemd. Die beiden Begleiter nahmen ihn in die Mitte und führten ihn zum Aufgang, stießen ihn die steile Treppe nach oben ohne ein Wort zu sagen. Scott folgte dicht auf, Jacks eigene Pistole feuerbereit im Anschlag.

"Lerne ich jetzt endlich den Oberboß kennen, der Euch an den Fäden zieht?" grollte O’Neill und warf einen schnellen Blick nach unten zur Treppenhaustür.

"Halt’s Maul!" fuhr ihn Scott an "Wenn’s nach mir ginge, würde ich Dir das Licht gleich hier ausblasen!"

Jack fluchte innerlich, nicht mit einem besseren Kontakt zu Daniel ausgerüstet zu sein. Den Vorschlag Petes, ein Mikrofon zu benutzen, hatte er abgelehnt. Jetzt wäre er froh darum, wenigstens diese Art der Verbindung zu haben.

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MacGyver wandte sein ganzes Können ein, um der unauffälligen Limousine im regen Verkehr zu folgen. Gemessen an der Tatsache, daß sie sich mitten im Feierabendverkehr befanden, war das gar nicht so einfach, vor allem wenn man nicht auffallen wollte.

Sie fuhren von der dreispurigen Autobahn ab Richtung Innenstadt, links und rechts mehrten sich die Häuser und verwandelten sich in die vielstöckigen Betongebäude.

Daniel neben ihm verrenkte sich den Hals, um das Auto nicht aus den Augen zu verlieren.

"Nach rechts, er ist nach rechts abgebogen!" drängelte er nervös und Mac unterdrückte einen Fluch, als ein Lieferwagen ihm die Sicht versperrte. Er wechselte die Spur hinter einen roten Sportwagen, der ebenfalls rechts abbog. Jetzt hatte er wieder freie Sicht, holte langsam aber sicher auf den zu verfolgenden Wagen auf.

Bürohäuser und Behörden säumten ihren Weg. Er bremste scharf ab, als der Flitzer vor ihm plötzlich stehenblieb und eine Hupe riß ihn aus seiner Konzentration.

"Verdammt noch mal, fahr weiter!" schimpfte er. Daniel neben ihm seufzte auf und wäre dem Wagen am liebsten zu Fuß gefolgt. Die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung und MacGyver sah gerade noch, wie der Wagen im Eingang einer Tiefgarage verschwand, bevor sie erneut durch den Verkehr aufgehalten wurden.

"Ich werde hineinlaufen, such einen Parkplatz vor dem Gebäude, dann übersiehst Du uns nicht. Bleib im Wagen, vielleicht haben wir’s eilig!"

Bevor MacGyver darauf reagieren konnte, war Daniel schon aus der Tür. Unschlüssig, ob er den Tatendrang des jungen Mannes stoppen sollte, starrte er auf die Straße, bis der Verkehr weiterlief. Nach einem erneuten Bremsmanöver steuerte er den Jeep die Rampe hinunter, fuhr jedes Deck der Tiefgarage langsam ab. Von Daniel oder den Entführern war nichts zu sehen und so fuhr er zur Straße zurück, um auf der gegenüberliegenden Seite des großen Bürogebäudes einen Parkplatz zu suchen.

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SGC – 2001

Als Sam auf Tollan aus dem Wurmloch trat, wurde sie von Narim überschwenglich begrüßt. Er nickte Teal’C zu und umarmte sie herzlich, merkte aber sofort, daß sie etwas auf dem Herzen hatte.

"Das ist kein Höflichkeitsbesuch, nicht wahr Sam?" Erblickte sich suchend um: "Wo sind der Rest von SG1?" fragte er dann, als niemand mehr folgte und sich das Wurmloch schloß.

"Aus diesem Grund bin ich hier, Narim. Es ist etwas Schreckliches passiert. Der Colonel und Daniel wurden entführt und in die Vergangenheit geschickt. Ihr habt eine so hoch entwickelte Technologie, könnt sogar durch Wände gehen, ich dachte, ihr könnt uns vielleicht helfen!"

Die Sätze sprudelten nur so aus Sam heraus. Sie hatte so lange warten müssen, bevor sie nun endlich selbst etwas unternehmen konnte, daß sie vor Ungeduld fast zu platzen schien.

"Bitte Narim, sag daß Du mir helfen kannst!" Narims Antwort würde über das Schicksal von Daniel entscheiden und auch Jack hatte sie noch nicht vollkommen aufgegeben. Vielleicht lebte er ja noch. Erwartungsvoll schaute sie Narim an.

Das Gesicht des Tollaners verschloß sich. Er löste die Umarmung und trat einen Schritt zurück.

"Du weißt, daß unsere Technologie für andere Rassen nicht zur Diskussion steht. Egal welche Umstände auch eintreten, unser Gesetz verbietet es."

Sams Augen weiteten sich ungläubig. Sie blickte zu Teal’C , der mit regungslosem Gesicht neben sie getreten war.

"Aber ich werde Euch zum Hohen Rat bringen. Dort kannst Du Deine Bitte nochmals vortragen."

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1991

Zu zweit versuchten Scotts Helfer O’Neill in ein Büro im 6. Stock zu stoßen. Nachdem sie das Erdgeschoß erreicht hatten, waren sie mit dem Fahrstuhl weitergefahren und hatten so eine Begegnung mit anderen Menschen vermieden.

Er spreizte sich dagegen, in den Raum zu treten und hielt sich mit den Fingern am Türrahmen fest. Er wollte so lange wie möglich auf dem Gang bleiben, um Daniel und MacGyver die Gelegenheit zu geben, ihn doch noch ausfindig zu machen.

Er wußte, daß Scott in dem öffentlichen Gebäude nicht schießen würde. Zu viele Zeugen waren hier und es gäbe zu viele Fragen, warum er den Geflohenen nicht direkt der Polizei übergeben hatte. Tief gruben sich seine Fingernägel in das weiße Holz des Türstocks, bevor ihm ein kräftiger Hieb in die Rippen die Luft aus der Lunge trieb.

Jack griff sich an die Seite und stolperte über die Türschwelle. Das eigene Gewicht wuchtete ihn nach vorne und er landete auf allen vieren auf einem abgetretenen Teppich. Bevor er aufatmen konnte, brachte ihn ein weiterer Tritt vollends in eine liegende Position und er starrte in die Mündung von Scotts Waffe.

"Noch so ein Versuch, Freundchen, und meine Leute verarbeiten Dich zu Fischfutter" fauchte er Jack an. O’Neill rappelte sich langsam auf und stand nun mit wackeligen Beinen wieder zwischen seinen Angreifern.

Scott ging um den Schreibtisch, der in der Mitte des Zimmers stand, herum und griff zum Telefon. Er wählte eine Nummer und wartete dann ab, bis sich am andere Ende jemand meldete.

Mit knappen Worten erklärte er die Situation und legte dann wieder auf.

"Jetzt, Colonel O’Neill, jetzt werden wir sehen, was mit Ihnen geschehen soll. Ich möchte Ihnen etwas zeigen." Er ging zu einem Tresor an der Wand und öffnete ihn mit wenigen Handgriffen. Heraus holte er einen zigarrenkistenähnlichen Gegenstand, den er fast ehrfürchtig auf dem Schreibtisch abstellte.

"Falls Sie mir eine Zigarre anbieten möchten – ich hab das Rauchen schon vor Jahren aufgegeben. Es gefährdet die Gesundheit" sagte er heiser und deutete mit der Hand auf die Kiste.

"Immer ein Scherz auf den Lippen, nicht wahr, Colonel?" grinste der falsche Polizist und öffnete das Gebilde.

"Ihre Gesundheit geht mir am Arsch vorbei, O’Neill. Sie sind ein schwarzer Fleck auf meiner weißen Weste und das werde ich ändern."

Mit einer schnellen Bewegung ließ er den Deckel nach hinten schnappen und Jack lief eine Gänsehaut den Rücken hinunter. Schon befürchtete er, irgendein außerirdisches Foltergerät kennenzulernen und konzentrierte sich darauf, seinen Blick ruhig zu halten. >Wo zum Teufel blieb Daniel, wenn man ihn brauchte< dachte er und starrte auf den Inhalt der Kiste.

Auf rotem und schwarzem Samt lag ein metallisch glänzender Gegenstand, dem Jack sofort ansah, daß er nicht irdischen Ursprungs war. Es war rechteckig mit abgerundeten, farblich unterschiedlichen Rändern. Links und rechts befanden sich ovale Knöpfe, die rötlich schimmerten und mit Symbolen versehen waren, die ihm zwar bekannt vorkamen, er jedoch nicht genau einordnen konnte. Am unteren Rand befanden sich fremdartige Schriftzeichen, die er schon des öfteren gesehen hatte.

Er versuchte sich zu erinnern, wo er solche Zeichen schon einmal gesehen hatte. Auf Tollan, da war er sich ziemlich sicher.

Der obere Rand war von links nach rechts mit den Symbolen des Sternentores gekennzeichnet und verdünnte sich zu einer Platte.

Ohne Zweifel handelte es sich bei dem Gerät um die Zeitmaschine und Jacks Herz machte einen Freudensprung, als er sich dessen bewußt wurde.

Er hielt unwillkürlich die Luft an. >Jetzt wäre das richtige Timing, Daniel< dachte er hoffend. Da klingelte das Telefon und er wurde aus seinen Überlegungen gerissen.

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SGC – 2001

Carter stand in dem schon bekannten Konferenzraum der Tollaner und wartete darauf, daß der Hohe Rat erschien. Dann endlich kam die Hohe Kanzlerin Travell und lächelte sie freundlich an.

"Samantha Carter. Wie schön Dich wieder zu sehen."

Sam lächelte gewinnend zurück und stand auf, um an den großen Tisch zu treten.

"Ich komme mit einer großen Bitte, ..." Sie schluckte und trug den Grund ihres Besuches erneut vor.

"...Jack wurde irgendwo von einer Lawine verschüttet, aber Daniel ist noch dort und ohne Hilfe ist er verloren" schloß sie ihren Bericht atemlos ab.

"Colonel O’Neill und Daniel, also." Travell nickte mit dem Kopf und blickte dem Major in die Augen.

"Ich weiß, daß Dir beide sehr viel bedeuten. Es sind loyale Mitglieder Deines Teams und ich kann verstehen, daß Du alles versuchen willst, sie wieder zurückzuholen." Sie machte eine bedeutende Pause und studierte dabei Sams Gesicht.

"Es existierte eine >Zeitmaschine<, wie Du sie nennst und man kann mit ihr in die Vergangenheit reisen. Doch sie wurde uns gestohlen und beunruhigenderweise war sie nicht bei den Gegenständen, die wir durch O’Neills Aktion zurückbekommen haben." Sie machte eine Pause und ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, daß es ihr sehr leid tat, Sam nicht helfen zu können.

"Glaub mir Samantha Carter, wenn wir die Möglichkeit hätten, Deinen Colonel und Daniel Jackson zu retten, wir würden es tun."

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1991

Scott schloß den Deckel der Kiste und griff zum Telefon. Sein breites Grinsen bestätigte Jacks Befürchtungen, daß sein Leben nicht mehr viel wert war. Der Sergeant legte mit einem knappen "In Ordnung" den Hörer zurück auf die Gabel und blickte triumphierend zu seinem Gefangenen.

"Auf der Flucht erschossen! Wie hört sich das an?" fragte er scheinheilig.

"Nur schade, daß die Glaubwürdigkeit darunter leidet, wenn ich mich noch ein wenig amüsieren würde." Er griff nach seiner Pistole, die er im Holster verstaut hatte. Aus dem selben Holster holte er einen Schalldämpfer und schraubte ihn bedächtig darauf.

"Dreht ihn um und haltet seine Arme nach unten!"

Seine Begleiter packten seine Arme und Jack versuchte mit aller Gewalt, sich zu befreien, jedoch ohne Erfolg. Dann plötzlich erstarrte sein Körper.

Ein mittlerweile bekanntes Gefühl der Panik stieg ihn ihm hoch, als er mit nach unten gedrückten Armen und dem Gesicht zur Tür wie in einem Schraubstock zwischen den beiden Männern stand. Sein Verstand spielte ihm das feine Klicken des Abzugs vor, bevor es überhaupt stattgefunden hatte und ein feiner Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. Er krümmte und wand sich im eisernen Griff seiner Feinde und wußte doch, daß es ihm rein gar nichts nutzen würde.


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Kapitel 4: Zurück nach Hause? by Mac
Teil 4: Zurück nach Hause?

Daniel starrte die Treppen der Tiefgarage hinauf und sah gerade noch, wie die Tür zum Erdgeschoss zufiel. Er hetzte die Stufen der vier Stockwerke hoch und kam schnaufend in der großen Halle an. Keine Spur von Jack war zu sehen und in seiner Not lief er zu einem Jungen, der beim Eingang auf einem Sessel saß und Löcher in die Luft starrte.

"Entschuldige, aus der Tiefgarage sind gerade eben vier Männer gekommen. Hast Du gesehen, wo sie hingegangen sind?"

Der blonde Junge schaute ihn an und witterte wahrscheinlich eine Gelegenheit, sein Taschengeld aufzubessern.

"Was krieg’ ich dafür? Vielleicht hab’ ich sie ja gesehn!"

"Vielleicht?" Daniel geriet in Panik und war drauf und dran, dem Teenager an den Kragen zu gehen. "Kannst Du Dich mal etwas genau ausdrücken?"

Sein Vorhaben wurde von einer piepsenden Kinderstimme unterbrochen.

"Ich hab gesehen, daß sie in den Aufzug gestiegen sind, Mister."

Daniel drehte sich um und sah ein kleines Mädchen von ca. 5 Jahren, das auf einen der Fahrstühle wies. Er lächelte ihr zu:

"Bist Du sicher?"

"Ja, bestimmt. Einer hatte eine schwarze Jacke an, die drei anderen waren ohne Jacken."

Daniel lief wie der Blitz hinüber. Im Hintergrund hörte er den Jungen schimpfen, daß kleine Schwestern einem die besten Geschäfte kaputtmachen würden, doch er ließ sich nicht aufhalten und stürzte zu der Aufzugstür. Außen war keine Anzeige der Stockwerke vorhanden und so raste er in den ersten Stock und begann seine langwierige Suche nach Jack.

Es dauerte ca. eine Viertelstunde, bevor er im 6. Stock angekommen war. Er verschnaufte einige Sekunden, bevor er wieder von Tür zu Tür ging und lauschte. Bei der dritten Tür stutzte er. Im Türrahmen sah er tiefe Kratzer und als er das Ohr anlegte, hörte er eine scharfe Stimme auf der Gegenseite, die unmissverständlich die Absicht aussprach, jemanden zu töten. Er schloss die Augen und hielt die Luft an.

"Dreht ihn um und haltet seine Arme nach unten!"

Daniel wusste, daß er keinen Moment länger warten durfte. Er griff nach seiner Waffe und legte die Hand auf den Türknauf.

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Vor dem Haus trommelte MacGyver mit den Fingern auf das Lenkrad. Er fragte sich, was dort drinnen vor sich ginge und überlegte, ob es vielleicht besser wäre, nach den beiden zu suchen.

Doch Daniel hatte schon recht. Wenn die beiden eine schnelle Flucht brauchten, war es besser, im Wagen zu warten.

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Gerade im richtigen Augenblick kam Daniel mitsamt der sich öffnenden Tür ins Zimmer gestürzt. Er hechtete damit unabsichtlich auf die beiden Gangster, die mit Jack, den sie in der Mitte festhielten, rangen und brachte sie damit alle drei aus dem Gleichgewicht - gerade als Scott seine Pistole abfeuerte. Die Kugel verfehlte den Colonel und bohrte sich stattdessen in die Schulter eines seiner Komplizen.

Die Wucht des Aufpralls riß Daniel nach vorne auf den Schreibtisch und er verlor dabei seine Pistole. Bevor der Sergeant ein zweites Mal schießen konnte, packte er das Telefon und warf es dem Mann zu. Reflexartig fing dieser den fliegenden Gegenstand auf und verlor dabei sein Ziel aus den Augen.

O’Neill, inzwischen nicht untätig, verpasste dem am Boden liegenden Mann einen rechten Haken. Er stieg über den zweiten Angreifer, der benommen auf dem Boden lag und sich die verletzte Schulter hielt, und griff sich den Kasten mit der Zeitmaschine.

"Lauf, ich hab sie!" schrie er, schlug Scott mit demselben Kasten die Waffe aus der Hand und hetzte zur Tür. Daniel hob seine Pistole auf und zielte auf den Anführer, der sich hochrappelte und nach seiner eigenen Waffe greifen wollte.

"Laß es!" drohte Jackson und kickte das gefährliche Werkzeug mit dem Fuß weg.

"Daniel! Komm schon!" Jacks Stimme klang überlaut zu ihm herein. Dann war er aus der Tür und folgte dem Colonel.

Mit fliegenden Schritten eilten sie die Treppe hinunter. Im Erdgeschoß angekommen, wollten sie so schnell wie möglich auf die Straße, doch der Eingang war von einer großen Menschentraube versperrt, ein Vorbeikommen auf die Schnelle unmöglich.

Sie hetzten zum Abgang in die Tiefgarage, hörten hinter sich das Poltern der Verfolger, die alles daran setzten, die beiden zu schnappen.

"Wo ist MacGyver?" Jack suchte mit den Augen die Etage ab. "Wir haben keine Zeit auf ihn zu warten!"

Eilig rannte er auf eine an der Wand lehnende Geländemaschine zu, die sicher schon bessere Zeiten gesehen hatte. Doch momentan war sie das einzige Transportmittel, das zur Verfügung stand. Jack konnte sein Glück kaum glauben, als er sah, daß der Zündschlüssel im Schloß steckte.

"Steig auf, rief er Daniel zu und gab ihm die Kiste mit der Zeitmaschine. "Paß gut darauf auf, das ist unsere einzige Chance, heim zu kommen."

Jackson packte die Zeitmaschine unter seinen Anorak und nahm hinter O’Neill auf dem Motorrad Platz. Mit einem lauten Quietschen und in letzter Sekunde fuhren sie los, an den zornigen Gesichtern ihrer Verfolger vorbei, die gerade aus der Tür stürmten.

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MacGyver saß ungeduldig am Steuer und beobachtete die Ausgänge des Gebäudes. Er hatte sowohl auf den Ausgang der Tiefgarage als auch den Vordereingang eine gute Sicht. Gerade war ein Bus mit einer großen Gruppe Touristen angekommen, die wie es den Anschein hatte alle auf einmal durch die Türen wollten. Er schüttelte unwillig den Kopf und wunderte sich, was so viele Menschen in einem Bürogebäude wollten.

Es kam ihm schon wie eine Ewigkeit vor, seit Daniel die Verfolgung Jacks aufgenommen hatte. Plötzlich sah er die beiden auf einem Motorrad aus der Ausfahrt auf die Straße preschen.

Der flüssige Verkehr wurde jäh unterbrochen, als die beiden ohne Rücksicht auf die Verluste die Vorfahrt missachteten. MacGyver startete den Motor und wollte sich so schnell wie möglich an die beiden hängen, als ein weiteres Fahrzeug wie verrückt aus der Auffahrt schoß. Mac erkannte den Wagen, in dem Jack hergebracht wurde, sofort und beeilte sich umso mehr, den Anschluß nicht zu verlieren.

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Daniel krallte sich wie ein Ertrinkender an Jacks Jacke fest, die Zeitmaschine fest zwischen sich gedrückt fuhren sie die sechsspurige Autobahn aus der Stadt hinaus, wechselten wild die Spur, um die Verfolger abzuschütteln.

Doch das Motorrad hatte nicht genug Leistung, um auf Dauer den Vorsprung halten zu können. Die Verfolger rückten immer näher.

Gehetzte Blicke über die Schulter sagten Jack, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis sie von der Straße gedrängt wurden, die sich in einen zweispurigen Highway verwandelt hatte. Braune, teilweise mit Schnee bedeckte Felder begleiteten den Asphalt und auf der rechten Seite verlief eine direkt daneben liegende Bahnlinie.

Das Motorengeräusch dröhnte in ihren Ohren und der Wind zog ihnen fast die Kleider vom Leib. Von der Kälte waren Jacks Hände fast gefühllos. Mit aller Kraft hielt er den Lenker fest, so daß die Knöchel weiß hervortraten.

Vor ihnen fuhr ein Pickup, der auf der Ladefläche eine Menge Kleinkram geladen hatte. Mit einem Mal kam ihm eine Idee.

Er deutete Daniel an, mit ihm den Platz zu tauschen. Ungläubig schüttelte dieser den Kopf. Jack fuhr ganz nahe an den vorausfahrenden Wagen auf, der zum Glück nicht allzu schnell unterwegs war. Der Vorderreifen seines Motorrads berührte fast den Hinterreifen des Trucks. Nur langsam gelang es ihm, längs des Fahrzeugs zu gelangen.

Mit der linken Hand griff er an die seitlichen Wände der Ladefläche und warf einen auffordernden Blick nach hinten zu Daniel, der mit undefinierbarem Gesichtsausdruck nach vorne rutschte und den Lenker ergriff. Jack zog sich langsam hoch, brauchte dazu seine ganze Kraft, um das Motorrad nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er ließ sich keuchend fallen und landete inmitten alter Möbelstücke und diverser Kleinteile. Scheinbar hatten die Besitzer gerade ihren Speicher entrümpelt.

Dann begann er gezielt, alle möglichen Gegenstände auf Scotts Wagen – der mittlerweile direkt hinter ihnen fuhr – zu werfen, veranlasste die Verfolger somit den Abstand zu vergrößern. Er war sich durchaus bewusst, daß das keine Dauerlösung sein würde und suchte nach etwas Wirkungsvollerem. Schon bald fand er nichts mehr, das er alleine über den Rand des Wagens werfen konnte und er duckte sich und lugte über die Klappe hinweg nach hinten.

Scotts Begleiter hatte den Kopf aus dem Fenster gesteckt und feuerte auf vorausfahrenden Fahrzeuge. Jetzt schien auch der Fahrer des Pickups von der ganzen Aktion etwas bemerkt zu haben. Er wurde schneller und fuhr in schlingernden Bewegungen, wohl um Jack von der Ladefläche zu bekommen.

Jack fiel unsanft auf seinen Allerwertesten und ruderte mit den Armen. Suchend blickte er sich um, entdeckte auf einer Kiste eine große Plastikplane. Hastig riß er sie lose und ließ sie heftig wehend nach hinten aus dem Truck fallen.

Der Verfolgerwagen bremste fast augenblicklich ab, als ihm die Sicht durch die große Plane genommen wurde. Er stellte sich quer und wurde vom nachfolgenden Verkehr beinahe mitgenommen. Erboste Autofahren stiegen aus und verhinderten so ein schnelles Weiterkommen.

Mit sich zufrieden winkte er Jackson zurück, der sicherheitshalber etwas Abstand eingehalten hatte. Er kletterte zurück auf das Motorrad und mit mehr Glück wie Verstand plumpste er unversehrt hinter Daniel. Er stieß ein Stoßgebet gen Himmel und schloß die Augen, um seinen Blutdruck wieder einigermaßen zu beruhigen, als ihn schon die nächste Hiobsbotschaft erreichte.

"Benzin!" schrie ihm Daniel nach hinten und deutete auf die Tankanzeige. Sogar von seiner Position aus konnte er erkennen, daß sich der Zeiger bereits weit im roten Bereich befand.

Ihre Verfolger waren momentan aus dem Blickfeld verschwunden. Der abgeladene Truck war stehengeblieben, als der Fahrer erkannte, daß seine gesamte Habe auf der Straße verteilt war und er blockierte für einen geraumen Zeitraum die linke Fahrspur.

Jacks Blick blieb an einem Güterzug hängen, der gemächlich neben der Straße fuhr. Die langsame Geschwindigkeit ließ in O’Neill eine kühne Idee heranreifen, er sah es als einen Wink des Schicksals und griff unter Daniels Arme hindurch an den Lenker und brachte das Zweirad von der Straße herunter auf das Feld.

"Wir wechseln das Transportmittel" brüllte er über den Lärm hinweg.

Der Archäologe schaute ihn fast entsetzt an, schüttelte den Kopf und war sich jetzt sicher, daß O’Neill den Verstand verloren hatte. Jack verringerte die Geschwindigkeit und gab ihm somit zu verstehen, daß er es wirklich ernst meinte. Widerwillig übernahm er auf dem holprigen Untergrund die Führung und fuhr auf die schneebedeckte Fläche. Sie näherten sich schnell den vorbeifahrenden Waggons und O’Neill machte sich bereit, das Motorrad zu verlassen. >Schön langsam komm ich in Übung< dachte er grimmig und hielt sich an Daniel fest, während er mit den Beinen auf den Sitz stieg.

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In der Zwischenzeit hatten sich die Verfolger von der Plane befreit und ließen die anderen Verkehrsteilnehmer mit offenen Mündern auf der Straße stehen. Mit schussbereiter Waffe kamen sie den beiden wieder näher und Scott fluchte, als er sah, wie das Motorrad die Straße verließ. Durch die höhere Geschwindigkeit überwand der Wagen sehr schnell die noch fehlende Distanz und Scott schüttelte den Kopf, als er die Aktion des Colonels verfolgte.

Er eröffnete das Feuer, gerade als Jack sich abstieß und mit beiden Händen an der stählernen Leiter festhielt, die auf das Waggondach führte. Der Fahrer der Limousine holperte nun ebenfalls über das Feld, was seine Schussbahn verriss und verhinderte, einen Treffer zu erzielen. Er wollte gerade erneut sein Ziel anvisieren, als ein Geländewagen sich zwischen ihn und die beiden SG1-Mitglieder schob.

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MacGyver war in dem allgemeinen Durcheinander, das Jacks Auslademanöver nach sich gezogen hatte, aufgehalten worden. Jetzt suchte er mit den Augen die zu verfolgenden Fahrzeuge und entdeckte sie neben der Straße. Er sah, wie Scott auf den Colonel anlegte und schoss, beschleunigte seinen Wagen, um das Schlimmste nötigenfalls mit einem Auffahrunfall zu verhindern.

Mit Erleichterung stellte er fest, daß der Gangster sein Ziel verfehlt hatte und verließ nun ebenfalls die Straße. Er drängte sich zwischen die beiden Fahrzeuge und hoffte, den beiden somit die nötige Zeit zu verschaffen, um sich in Sicherheit zu bringen.

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Es war nicht das erste Mal, daß Jack auf einen Güterzug aufsprang, wenngleich die Art eine völlig neue war. Er hatte in seiner frühen Jugend halb Amerika damit durchquert. Doch damals war er leichter, wendiger und vor allem nicht verletzt gewesen. Jetzt spürte er jeden Knochen und nur reine Willenskraft trieb ihn noch voran.

O’Neill stand mit wackligen Beinen auf dem Sitz. Daniel gebrauchte seine gesamten Fahrkünste - von denen er nicht einmal wusste, sie zu besitzen – ,um das Motorrad im Gleichgewicht zu halten.

"Fahr neben den offenen Waggon!" hörte er Jacks Stimme im Ohr. Er versuchte sein Bestes, doch die Tür des Waggons war nicht weit genug geöffnet, um direkt umsteigen zu können. Jack griff nach den Eisenstangen, wollte sich so gut es ging abstoßen, ohne Daniel damit umzuwerfen.

Gerade versuchte er sein Gewicht zu verlagern, um die Beine auf die untere Sprosse zu bekommen, als ein Schuss den ganzen Lärm übertönte und eine Kugel neben ihm abprallte und ihn als Querschläger beinahe noch getroffen hätte. Instinktiv duckte er sich weg und verlor damit den Kontakt mit dem Motorrad.

Er hing für eine Zehntelsekunde völlig in der Luft, bevor er die Beine anzog und Halt am Auflieger suchte. Der Ruck in den Armen ließ ihn aufschreien und trieb ihm die Tränen in die Augen, als sich die gerade verheilte Schulterwunde mit neuer Intensität zurückmeldete. Er schnappte nach Luft, presste sich mit zitternden Beinen an den Viehwagen und versuchte mit der rechten Hand die Tür weiter zu öffnen.

Nach mehreren Versuchen gelang ihm das auch und mit einer letzten Kraftanstrengung hievte er sich in den dunklen Innenraum und ließ sich fallen. Sein Herz trommelte wie wild und in seinen Ohren hörte er das eigene Blut rauschen.

Dann plötzlich wurde ihm bewußt, wo er sich befand und er riss erschrocken die Augen auf.

"Daniel!" kam flüsternd über seine Lippen und er lauschte, versuchte das Rumpeln des Waggons zu ignorieren, um Daniel auf dem Motorrad zu orten. Doch nichts mischte sich in das Geräusch der massiven Räder, die über die Gleise donnerten.

Panisch krabbelte er hoch, schob die Tür auf und blickte ins Freie.

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SGC – 2001

Sam saß wieder in ihrem Quartier und starrte Löcher in die Luft. Die Tollaner hatten alle Register ihres Könnens gezogen, doch selbst ihnen war es unmöglich, ihr bei der Suche nach ihren Freunden zu helfen. Alle Hoffnung war aus ihr gewichen. Die Woche Urlaub war fast vorbei und sie hatte alles versucht. Sogar mit Thor und den Nox hatte sie gesprochen und es tat ihnen allen sehr leid, daß ihre Freunde verschwunden waren.

Alles hatte sich verändert und sie wusste, daß das Leben weitergehen musste. Mit oder ohne Daniel. Mit oder ohne ....Jack. Selbst jetzt noch brachten sie die Gedanken an ihn zum Verzweifeln. Ja, das Leben musste weitergehen, sie wusste nur nicht wie.

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1991

Der Wagen des Sergeants und ein Jeep waren das erste, das Jack sah. Schon befürchtete er das Schlimmste, doch da entdeckte er Jackson, der gefährlich nahe in Schlangenlinien neben dem Güterzug herfuhr. Die beiden Wagen folgten ihnen stetig, wenngleich auch keine Gefahr von ihnen ausging.

Der Jeep schirmte sie vom Verfolgerauto ab und Jack erkannte MacGyver, der mit unruhigem Blick zu ihnen herüberschaute. Im Innern dankte er dem lieben Gott, daß er einen Mann wie Mac geschickt hatte, um ihnen zu helfen.

Er hob die Hand und winkte Daniel zu sich heran. Er hoffte, daß der Zug nicht schneller werden würde und hielt ihn zur Eile an.

Auf gleicher Höhe angekommen holte Daniel die Zeitmaschine unter dem Anorak hervor und reichte sie O’Neill, der sie in den hinteren Teil des Waggons schubste. Er ließ den Lenker los und ergriff die ausgestreckte Hand seines Freundes, ließ sich von ihm in den Waggon ziehen.

Unter ihm verlor das Motorrad seine Stabilität und fuhr einige Meter führerlos weiter, bevor es umstürzte. Der Linguist strampelte mit den Beinen bis er festen Untergrund spürte. Mit Jacks Hilfe gelang es ihm schließlich vollständig in den Wagen zu klettern. Erschöpft blieb er neben Jack liegen und ihr atemloses Keuchen wurde vom Rattern des Zuges übertönt.

Zusammen schauten sie zurück auf die beiden Wagen, die in diesem Moment ineinander fuhren und verkeilt anhielten.

Mit Schrecken sahen sie, wie der bewaffnete Scott aus seinem Auto stieg und rasend schnell auf die Fahrerseite des Jeeps lief. Ihr letzter Blick fiel auf MacGyver, der aus dem Jeep gezerrt und auf die Knie gezwungen wurde.

Jack setzte sich auf und lehnte sich seitlich an eine Wand des Waggons:

"Warum zum Teufel hat der Junge keine Waffe mitgenommen!" fluchte er durch zusammengebissene Zähne und starrte Daniel mit verschleiertem Blick an.

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Mit großen Schritten umrundete Scott die beiden Wagen und riss die Fahrertür von MacGyvers Jeep auf. Der Lauf einer Smith&Wesson war auf seinen Kopf gerichtet, noch ehe er reagieren konnte. Mit einem kräftigen Ruck zog er Mac vom Fahrersitz herunter und drückte ihn auf die Knie. Erst jetzt warf er einen genauen Blick auf sein Gesicht und erstarrte:

"Wer sind sie?" fragte er barsch und winkte seinem verbliebenen Komplizen zu. Dieser packte MacGyver, zog ihn hoch und drückte ihn gegen den Wagen.

"Wer sind Sie?" wiederholte er die Frage seines Bosses ungehalten.

Scott überlegte, wie er das Gesicht vor ihm einordnen sollte. Die jüngere Version des Colonels konnte es nicht sein, zu dieser Zeit befand sich O’Neill zu 100 % nicht in den Staaten. Er hatte dessen Vergangenheit regelrecht studiert und konnte den Mann vor sich nirgends unterbringen. Außerdem machte er nicht den Eindruck eines Militärs.

MacGyver schwieg beharrlich, starrte den viel kleineren Mann ausdruckslos an. Zu seinem Pech verlor Scott schnell die Geduld. Ein kurzer Blick von ihm genügte und ein gezielter Schlag in die Magengrube ließ ihn zusammensinken und sich fast übergeben. Ein Hustenanfall schüttelte ihn, der nicht enden wollte und er hob die Arme, deutete auf seine Jackentasche, in der seine Hustentropfen lagen.

Mac wurde unsanft wieder etwas höher gezogen und sein Gegenüber holte zu einem erneuten Schlag aus, der jedoch abrupt aufgehalten wurde.

"Warte! Laß ihn, wir brauchen ihn noch."

Schnell schluckte er die erforderliche Menge der Tropfen, sein Atem beruhigte sich etwas und er richtete sich langsam auf.

"Ich wusste nicht, daß dieser Mistkerl einen Bruder hat" bemerkte Scott höhnisch. "Umso besser!"

MacGyver schaute Scott aus zusammengekniffenen Augen an. Regungslos stand er vor ihm, als dieser mit dem Gesicht nur Zentimeter vor seinem eigenen war.

"Ein kleiner Tausch unter Freunden. – Sie gegen die Zeitmaschine?"

"Vergessen Sie’s, wir stehen uns nicht sehr nahe" presste Mac mit rauher Stimme heraus. Er musterte den kleinen Mann vor ihm und verstand auf einmal O’Neills Worte, daß die Kälte dieses Kerls sogar Eisberge schmelzen ließ.

Scott hielt ihm die Waffe an den Kopf und bugsierte ihn in den Jeep zurück.

"Erzähl das einem anderen. O’Neills Schwäche war schon immer sein Verantwortungsbewusstsein. Ich glaube nicht, daß er nach seinem Sohn auch noch seinen Bruder durch seine Schuld sterben sehen will!"

MacGyver verstummte und Scott interpretierte sein Schweigen als Zustimmung. Er schob ihn weiter in den Wagen und setzte sich ans Steuer. Sein Bodyguard stieg auf der anderen Seite ein und drückte ihm eine Pistole in die Rippen.

"Eine falsche Bewegung und Du bist tot!" drohte er. MacGyver hatte nicht vor, sein Schicksal herauszufordern. Ein anhaltender dumpfer Schmerz in der Magengegend belehrte ihn eines Besseren und so blieb er regungslos zwischen den Beiden sitzen. Scott startete den Wagen und fuhr auf die Straße zurück.

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Der kalte Fahrtwind trieb O‘Neill erneut die Tränen in die Augen und er schloß mit einer heftigen Handbewegung die Schiebetür des Waggons. Von einem Augenblick zum anderen war es stockdunkel in dem Viehwagen. Die geschlossene Tür dämpfte das laute monotone Rattern und eine seltsame Ruhe kehrte ein.

"Durch seine Schuld ist sein bester Freund erschossen worden. Er war damals selbst noch ein Kind, als der Unfall passierte. Seither hasst er Schusswaffen."

Daniels Stimme war leise und durch das Getöse kaum zu verstehen. Trotzdem schnitten die Worte in Jacks Gehirn und weckten unwillkommene Erinnerungen. Er starrte ihn durch die Dunkelheit an.

"Woher weißt Du das?" fragte er heiser.

"Nikki hat es mir erzählt. Ich wollte ihn überreden, doch eine Pistole einzustecken, bin wahrscheinlich etwas zu heftig geworden. Er wurde wütend, sagte mir, ich solle mich um meinen eigenen Kram kümmern und verschwand." Jackson machte eine Pause.

Er wartete auf eine Reaktion des älteren Mannes, doch er wartete vergebens.

O’Neills Wut war wie weggeblasen. Geschockt ging er in den hinteren Teil des Wagens.

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Nach einer zweistündigen Autofahrt kamen Scott und seine Geisel an einem hübschen Häuschen am Stadtrand von Colorado Springs an. Es war ein Ortsteil, in dem man sicher keine Verbrecher erwartete. Nette ältere Menschen wohnten in den eher luxuriösen Häusern, alle Straßen waren frei von Schnee, der in sauber aufgeschichteten Haufen angesammelt wurde. Kurzum eine Gegend, in der niemand nach vermißten Personen suchen würde.

Roland, der große Leibwächter von Scott, brachte MacGyver in den Eingangsbereich. Ein kleinerer, etwas gedrungen wirkender Mann mit einem Schulterverband stolperte aus dem Wohnbereich heraus, seine Whiskey-Fahne konnte man bereits an der Haustür riechen und eine glühende Zigarette hing in seinem Mundwinkel.

"Nettes Bürschchen, Boss."

"Bringt ihn nach oben und durchsucht seine Taschen!" befahl der Polizist und nahm ihm die angebrochene Flasche aus der Hand.

"Wie oft hab‘ ich Dir schon gesagt, Du sollst nicht schon nachmittags zu saufen anfangen?" ergänzte er ärgerlich.

MacGyver wurde eine steile Treppe nach oben geführt. Der kleinere der beiden tastete ihn ab und leerte seine Taschen. Alles außer den Tropfen wurde ihm abgenommen. Ein beachtliches Häufchen diverser Utensilien landete in den Händen der Gangster und Mac verzog das Gesicht, als sein Taschenmesser den Besitzer wechselte und in der Jackentasche von Roland verschwand. Doch als er auch noch sein Feuerzeug einstecken wollte, fing er an lauthals zu jammern:

"Hey Leute, nicht das Feuerzeug. Habt Ihr nicht ein paar Zigaretten für mich? Nur ein paar – Ihr wißt doch wie das ist, wenn man nichts zu rauchen hat!"

Er machte ein mitleidiges Gesicht, fiel fast automatisch in das klägliche Ich seines Dexter Fillmore-Charakters und starrte auf die Zigarette.

"Mit einem Feuerzeug kann ich doch bestimmt nicht ausbrechen, glaubt mir." Mit nervösen Blicken schaute er die beiden abwechselnd an, hoffte, daß die beiden ihm seine Not abkaufen würden.

Etwas irritiert überlegte Roland, was er von diesem Auftritt halten sollte. Schließlich nickte er und warf ihm das Feuerzeug zusammen mit einer angefangenen Schachtel Zigaretten zu.

"Verhalt Dich ruhig und wir lassen Dich in einem Stück!" brummte er und stieß ihn in eines der Zimmer. MacGyver machte einen Schritt vorwärts und rumpelte wie zufällig mit ihm zusammen.

Als er hinter sich die Tür des Zimmers zuschließen hörte, öffnete er langsam seine Hand und grinste. Wenigstens sein Taschenmesser hatte er wieder.

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Jack lehnte mit dem Rücken an der Wand und schloß die Augen. Das Toben in seiner Schulter ließ allmählich nach und er versuchte in seinen gehetzten Körper etwas Ruhe zu bringen. Für den Augenblick konnten sie nichts anderes tun, als warten. Die Eisenbahnlinie führte nach Nordwesten und der nächste Stop würde sicherlich einige Stunden auf sich warten lassen.

Daniels Worte gingen ihm durch den Kopf. Er hatte noch nicht viel Gelegenheit gehabt, MacGyver kennenzulernen. Seit er ihn das erste Mal getroffen hatte, befanden sie sich fast durchwegs in Streßsituationen, doch die wenigen Tage im Krankenhaus hatten sie sich prächtig verstanden. Wer hätte gedacht, daß sie beide einen ähnlichen Schicksalsschlag hinter sich hatten, wenngleich er sich auch verschieden auf ihr Leben ausgewirkt hatte.

Er öffnete die Augen und beobachtete Daniel, der mit einer Schaufel eine kleine Luke in der Decke aufgestoßen hatte, um ein wenig Licht zu bekommen. Der junge Doktor schnappte sich die Zeitmaschine und setzte sich darunter.

Jack wußte, daß er sich auf ihn verlassen konnte. Er hatte bis jetzt noch immer alles übersetzen können, was man ihm vorgelegt hatte. Das hatte er dutzende Male bewiesen. Er spürte, wie seine Ungeduld nach Hause zu kommen immer mehr anstieg.

Daniel saß seit einigen Minuten im Schneidersitz in der Mitte des Viehwagens. Im diffuses Licht betrachtete er sich die außerirdischen Zeichen, die auf dem seltsamen Gegenstand zu erkennen waren.

Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getäuscht. Es handelte sich tatsächlich um tollanische Schrift, die jedoch von Teilen ergänzt war, die Daniel noch nie gesehen hatte. Er fuhr mit dem Finger über die ovalen Knöpfe. Man konnte sie drücken und drehen.

"Sieht ziemlich kompliziert aus!" bemerkte er zu Jack, der seit ihrem kurzen Gespräch ungewöhnlich still geworden war.

"Kannst Du sie bedienen?"

"Ich denke schon. Aber die Zeichen sind schwer zu deuten. Es wird eine Weile dauern."

Er vertiefte sich wieder in die Übersetzung. Ein schönes Stück Arbeit lag vor ihm.

Jack beobachtete seinen Freund, der mit verbissenem Gesichtsausdruck über den Symbolen brütete. In gewissem Maße beneidete er ihn, hatte er doch etwas, das ihn vom Grübeln abhielt.

Er dachte an Sam. Was sie jetzt wohl machen würde. Er konnte sich bildlich vorstellen, daß sie alle Hebel in Bewegung gesetzten hatte, sie zu finden und die Hoffnung nicht so bald aufgeben würde. Nur er und Daniel wußten, daß sie keine Chance dazu hatte.

Immer öfter kam sie ihm in den letzten Tagen in den Sinn und erst jetzt merkte er, wie er ihre strahlenden Augen und ihr Lachen vermisste, das sie immer aufsetzte, wenn sie wieder eine ihrer wissenschaftlichen Experimente beendet hatte. Sogar ihr Technik-Gebabbel ging ihm irgendwie ab.

Mit Gewalt zwang er seine Gedanken in eine andere Richtung und überlegte wie es weitergehen sollte, bis das Rütteln des Zuges ihn in den Schlaf wiegte während sie der Nacht entgegen durch die einsame Gegend fuhren.

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MacGyver blickte sich in seinem neuen >Heim< um. Es war ein hübsch eingerichtetes Zimmer mit allem was man brauchte, um sich wohl zu fühlen und stand im krassen Gegensatz zu Scott, der den Eindruck machte, seine Gefangenen in einem Kerker unterzubringen.

Er wusste nicht, wie viel Zeit er hatte, bevor einer der beiden oder gar alle drei zurückkamen. So beeilte er sich, die wenigen Schränke und Schubladen gründlichst zu durchsuchen. Vielleicht ließ sich etwas Brauchbares dabei finden.

Nach ca. 10 Minuten hatte er sich einen groben Überblick über seine Möglichkeiten geschaffen.

Ein lautes Poltern kündigte Besuch an und er zündete sich schnell eine Zigarette an und setzte sich auf das große Bett. Schnell paffte er ein paar Rauchwolken in den Raum und verteilte ihn gleichmäßig über seinen Sitzplatz. Ein Hustenanfall schüttelte ihn, als der Rauch seine lädierten Bronchien erreichte und er blickte aus tränenden Augen auf die Tür, durch die Roland mit einem Tablett hereinkam. Ein kurzes Nicken in seine Richtung, dann war er wieder verschwunden. Zurück blieb ein Teller mit bereits kalter Suppe, Brot, ein Glas und eine Flasche Wasser.

Mit einer abwertenden Bewegung schnippte er die Zigarette aus dem vergitterten Fenster und schüttelte sich. >Was tut man nicht alles für seine Tarnung< dachte er und griff nach dem Löffel. Er stutzte und für einen kurzen Augenblick kam ihm der Gedanke, man könne ihn vergiften. Doch er verscheuchte ihn und tauchte das Besteck in die gelbliche Flüssigkeit, schluckte sie, ohne großartig auf den Geschmack zu achten.

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Daniel brannte es auf den Nägeln. Es wurde zunehmend schwieriger, die Symbole im Mondlicht zu erkennen, die nach der Aktivierung ein leichtes Leuchten hervorbrachten. Er hatte jetzt etliche Stunden damit verbracht, die Übersetzung zu beenden. Was er anfangs nur als kleine Gebrauchsanweisung eingeschätzt hatte, entpuppte sich jetzt als umfangreiche Informationsflut. Zwei Drittel der Zeichen waren tollanischen Ursprungs, das letzte Drittel konnte Daniel nicht entschlüsseln. Er hatte sie noch nie gesehen und hoffte, daß sie nicht zu bedeutend für den Gebrauch der Zeitmaschine waren.

Jetzt konnte er es kaum erwarten, sein Wissen auszuprobieren.

Jack lag zusammengerollt auf dem schmutzigen Waggonboden und schlief. Ein leises Schnarchen, das er immer noch einer leichten Erkältung zu verdanken hatte, begleitete seine Atemzüge und ab und an bewegte er sich im Schlaf.

Wie immer, wenn er von etwas gänzlich fasziniert war, vergaß Jackson vollkommen seine Umgebung. So war er völlig überrumpelt, als ein lautes Quietschen das Bremsmanöver des Zuges einleitete.

Jacks Kopf schnellte nach oben und er blinzelte, brauchte einige Momente, um sich zu orientieren. Er stellte sich wacklig auf die Beine und lehnte sich an die Längswand, bedeutete Daniel, daßelbe zu tun.

Endlich blieben sie stehen und ein letzter Ruck ging durch den Wagen. Vorsichtig öffnete O’Neill die Schiebetür einen Spaltbreit und spähte hindurch.

"Verfluchter Mist!" fluchte er. Vier uniformierte Männer durchsuchten die verschiedenen Anhänger. Soweit er erkennen konnte, befanden sie sich an einer Grenze oder einem Bahnhof. Die Umgebung war schneefrei und auch die Temperaturen waren trotz der Nacht angestiegen, wenngleich es immer noch eiskalt war. Zwei Waggons waren noch zu überwinden, bevor der Suchtrupp zu ihnen stoßen würde.

Daniel drückte Jack zur Seite und schielte ebenfalls durch den Schlitz.

"Die suchen doch nicht uns, oder?" fragte er erschrocken und verstaute die Zeitmaschine sicher unter seinem Anorak.

"Kaum anzunehmen" entgegnete O’Neill leise. "Aber es wäre ein Jammer, wenn sie uns als obdachlose Penner oder illegale Ausreisende verhaften würden. Ich wollte zum Essen eigentlich zu Hause sein!"

Wie ein Tiger lief der junge Doktor hin und her.

"Was machen wir jetzt?"

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MacGyver sah aus dem Fenster, als er sich entfernende Stimmen vernahm. Scott und der breitschultrige Bodyguard Roland verließen das Haus und fuhren mit dem Jeep fort. Blieb noch der kleinere der beiden, der verletzt war und den sie wahrscheinlich als Wache zurückgelassen hatten.

Er überlegte krampfhaft, wie er den verbliebenen Mann überwältigen konnte und sein Blick fiel auf einen Medizinschrank, der an der Wand hing. Mehrere Verbandsrollen, Pflaster, Q-Tips und ein Plastikfläschchen mit Augentropfen waren darin.

Er holte seine Hustentropfen aus der Jackentasche und seinem Gesicht sah man an, wie er nach und nach einen Plan ausarbeitete.

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Jack suchte in den Erinnerungen seiner Jugend.

Damals waren sie jung, abenteuerlustig und unbelehrbar. Dachten, die Welt gehöre ihnen und niemand könne sie aufhalten.

Heute hatten sie weder die Energie noch den jungenhaften Verstand, um sich grundlos in Gefahr zu begeben. Und doch blieb ihm keine andere Wahl.

"Wir klettern aufs Dach" entschied er und öffnete ganz leise die Schiebetür. Kalter Wind schlug ihm entgegen. Er passte einen günstigen Moment ab, wartete bis die vier Personen im Waggon neben ihnen verschwunden waren und kletterte die Eisenleiter hinauf auf das Waggondach und rutschte auf allen Vieren die glatte vereiste Oberfläche entlang. Daniel folgte ihm so schnell er konnte. Oben angekommen presste er seinen Körper so fest wie es ging auf das kalte Metall. Es war Vollmond und man konnte die Umrisse der Personen überdeutlich erkennen, die sich ihrem Wagenabteil näherten.

Jack zog ihn mehr in die Mitte, als er von unten die lauter werdenden Stimmen hörte.

"Kopf runter und absolute Stille. Die hören da unten sogar Deine Flöhe husten!" befahl er dem jüngeren Mann flüsternd.

Mit flachen Atemzügen lagen sie da und lauschten den Stimmen der Polizisten. Die Schiebetür wurde vollständig aufgezogen und sie suchten das riesige Abteil durch. Durch das Dach hörten sie die Geräusche überlaut. Die offene Luke ließ außerdem jedes Wort klar und überdeutlich klingen und was Jack hörte, ließ ihn das Blut in den Adern gefrieren. Er verfluchte sich, daß er nicht daran gedacht hatte, die Luke zu schließen.

Er hörte, wie die Versuche gestartet wurden, durch die Luke zu blicken und schloss die Augen. Sein Herz fing an gnadenlos in seiner Brust zu hämmern und am liebsten wäre er zusammen mit dem abtauenden Eis unter seinem Körper zerflossen. Zwei Meter trennten ihn noch von dem Gefängnis, in dem er mit Sicherheit wieder landen würde.

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In vielen Hustenmitteln ist Codein enthalten. So auch in meinen Tropfen, die ich Gott sei dank noch immer in der Jackentasche habe.

Codein ist ein Opium-Alkaloid und gehört zu den Betäubungsmitteln. Es wird im Körper zu Morphium umgewandelt und wirkt im Normalfall leicht dämpfend. Hochdosiert führt es jedoch zu übermäßiger Erregung – und in Verbindung mit Alkohol kann man sogar einen Blackout verursachen. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl und dem nötigen Glück, habe ich vielleicht die Chance, für meinen Bewacher einen schönen Cocktail zu mixen.

MacGyver nahm das Glas vom Tablett, spülte es aus und kippte den Inhalt seiner Tropfen vollständig hinein. Dann ging er zum Bett und entfernte aus dem Lattenrost eine der darin befindlichen Sprungfedern. Das gefüllte Glas hatte darin einen guten Halt und war nur einige Zentimeter vom Boden entfernt. Dann stellte er das Feuerzeug darunter und drehte die Flamme zur höchsten Stellung. Mit einer Büroklammer hielt er den Verschluß des Feuerzeuges offen, um einen stetige Flamme zu bekommen. Der flüssige Anteil der Tropfen hoffte er, würde über kurz oder lang verschwinden

Aus einer der Schubladen holte er einen Kugelschreiber. Er zerlegte ihn und reinigte die metallene Mine mit einem Wattestäbchen, bis er ein leeres Röhrchen vor sich liegen hatte. Dann holte er das Fläschchen mit den Augentropfen aus dem Medizinschrank und leerte es aus. Er vergrößerte das Loch der Tropfenöffnung, so daß die Mine genau passte und hatte so eine improvisierte Pipette. Er spitzte das andere Ende des Aluminiumröhrchens mit dem Taschenmesser zu, so daß er die Form einer übergroßen Nadel erhielt, vergewisserte sich mit dem Finger, daß sie auch scharf genug war.

Er ging zum Glas zurück, der alkoholische Teil der Tropfen war fast vollständig verdunstet, die Flüssigkeit schäumte ein wenig und auf dem Boden erkannte man bereits weiße Kristalle. Jetzt brauchte er nur noch etwas Geduld und Glück.

Einige Minuten später war in dem Glas eine weiße Schicht, das Codein hatte seine ursprüngliche kristalline Form angenommen und MacGyver verdünnte die Substanz mit einem klein wenig Wasser. Gerade soviel, daß sich die Kristalle wieder lösten. Er hoffte, daß diese Menge genügte, um den alkoholisierten Mann außer Gefecht zu setzen.

Er holte sein Kunstwerk und zog die Flüssigkeit in das Röhrchen. Ein paar Mal überprüfte er die Funktion und nickte dann zufrieden, verzog das Gesicht, als er sich vorstellte, wie er seine >Spritze< benutzen wollte. Doch dann schüttelte er den Kopf und machte sich bereit, sein Opfer zu holen.

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SGC – 2001

Ein erneutes ankommendes Wurmloch riß Carter aus ihren Gedanken. Bei jedem neuen unangemeldetem Alarm rannte sie atemlos in das Kontrollzentrum, nur um enttäuscht in die Gesichter der ankommenden Personen zu blicken, die aus irgendeinem für sie unwichtigen Grund den Zeitplan nicht eingehalten hatten. Nicht eine Nachricht von ihren Verbündeten hatte die Ruhe im SGC unterbrochen und morgen schon sollte Sam mit einem neuen Team durch den Ereignishorizont gehen. Trotz der neuen Aufgabe, ein eigenes Kommando zu haben, konnte sie sich nicht darüber freuen.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke, der all ihre vorherigen Überlegungen beiseite warf. Mit schnellen Schritten durchquerte sie den Raum und klopfte an Hammonds Tür.

"Herein!" hörte sie die Stimme des Generals.

Noch im Öffnen platzte es aus Sam heraus: "Sir, wir müssen das zweite Tor bewachen lassen."

Hammond sah sie überrascht an, wußte im ersten Moment nichts mit dem Vorschlag anzufangen.

"Das zweite Tor ist die Verbindung zur Vergangenheit. Wer auch immer die beiden dorthin geschickt hat, wird diese Möglichkeit sicher noch öfter in Betracht ziehen."

"Wir werden ein Benutzen des Tores verhindern und es unter ständiger Bewachung halten."

Sam nickte eifrig. Vielleicht war noch nicht alles verloren.

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1991

O’Neill hielt die Luft an und presste seine Finger auf das Waggondach, um das Zittern und stoppen. Gleich müsste der erste Kopf in der Öffnung erscheinen.

Plötzlich bellten mehrere Schüsse hintereinander durch die Luft. Mit wildem Geschrei und Gehetze stürmten die Polizisten nach draußen, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Mit einem lauten Krachen schloß sich die Schiebetür und der Viehwagen erzitterte. Vergessen war das Waggondach und die Luke.

Jack und Daniel waren anscheinend nicht die einzigen, die diesen Zug als Fluchtmittel genommen hatten.

Langsam löste sich die Starre, die den Colonel befallen hatte und er hob den Kopf, blickte Daniel an, der ebenfalls erleichtert tief durchatmete.

"Das war knapp!" murmelte er und ließ seinen Kopf zurück auf die Hände fallen.

Langsam rutschten sie zur Luke und nacheinander ließen sie sich in das dunkle Loch fallen, froh, ihren Weg unbeschadet fortsetzen zu können.

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"ES BRENNT!" MacGyvers Stimme überschlug sich fast, als er immer wieder diese beiden Worte brüllte. Zwischendurch schickte er immer wieder dicken Zigarettenqualm durch die Türritzen und das Schlüsselloch nach draußen. Etwas Panik, so dachte er sich, würde sicher nicht schaden, um den letzten verbliebenen Gauner aus der Ruhe zu bekommen. Das einzig echte war sein Husten, der durch die Türe bis nach unten hallte.

Es dauerte dann auch nicht lange, da hörte er auch schon die polternden Schritte auf der Treppe. Sein Ablenkungsmanöver hatte Erfolg. Ohne lange nachzufragen, wurde die Tür aufgeschlossen, um ihn aus dem angeblich brennenden Zimmer zu bergen.

Mit einem schnellen rechten Haken schickte er den Hereinkommenden zu Boden und rammte ihm sein Knie in den Magen. Er drehte den Arm, der in der Schlinge lag nach hinten und ein lauter Aufschrei überzeugte ihn davon, daß es reichte. Vor Schmerzen gekrümmt lag der Verbrecher auf der Seite und MacGyver drückte ihm das spitze Ende seiner >Waffe< an die Halsschlagader, entleerte den Inhalt mit einem kräftigen Druck auf die Plastikflasche.

Überrascht riß der Mann die Augen auf, ungläubig fasste er sich an die Einstichstelle und wollte Mac am Kragen packen, als die Wirkung des Codeins einsetzte. Ein paar kräftige Krämpfe schüttelten ihn, bevor er schlaff zu Boden sank, weißlicher Schaum drang aus dem Mund, er verdrehte die Augen und blieb regungslos liegen. Erschrocken sprang MacGyver zur Seite, fühlte nach dem Puls und atmete erleichtert auf, als er die regelmäßigen, starken Schläge gegen seine Finger spürte. Einige Minuten müßte dieser Zustand jetzt anhalten.

Schnell stand er auf und lief nach unten. Er musste sich beeilen, um eventuelle Hinweise, wohin seine Freunde unterwegs waren, noch rechtzeitig zu finden.

Im Wohnbereich unten fing er zu suchen an.

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Noch einige Minuten lang stand der Güterzug still, dann nahm er ruckelnd seine Fahrt erneut auf. Daniel hoffte, daß sie ihren Bestimmungsort jetzt ohne größere Unterbrechungen erreichen würden. Sie hatten beide überlegt und waren zu der Überzeugung gelangt, daß sie sich auf südwestlichem Weg durch die USA befanden, also näherten sie sich ihrem eigentlichen Ziel.

"Du bist sicher, Du findest den Standort des Stargates?"

"Ja, ich denke schon." Daniel war erneut in die unbekannten Schriftzeichen vertieft. Er überlegte, welche Rassen ihnen schon begegnet waren, die die Herstellung einer Zeitmaschine technisch möglich machten.

O’Neill langweilte sich. Er brauchte etwas, um seine Gedanken von der ewigen Grübelei fernzuhalten und suchte nach irgendwelchen Möglichkeiten, sich abzulenken.

"Und Du meinst auch wirklich, Du kannst das Ding da in Betrieb nehmen?"

Daniel blickte genervt auf. Seit mehr als 10 Minuten beantwortete er mehr oder weniger immer die selben Fragen.

"Ja. Und wenn Du mich nicht immer dabei störst, kann ich es sogar mit ziemlicher Sicherheit."

Jack zog eine Augenbraue hoch und verstummte.

Das Licht, das durch die Öffnung fiel änderte sich. Der Mond wurde von dicken Wolken verdeckt und verdunkelte den Himmel. Seufzend legte Jackson die Zeitmaschine zurück in die Kiste und schloss den Deckel.

"Ich denke, wir sollten versuchen zu schlafen. Wir werden sicher irgendwann irgendwo ankommen und sollten uns inzwischen ein wenig erholen."

"Ich werde in meinem ganzen Leben nur noch 1. Klasse reisen!" beschwerte sich O’Neill, als er sich wieder auf dem harten Boden zusammenrollte.

Die Chancen standen gut, daß sie nach Hause zurückkehren konnten und Daniels Beteuerungen, die Zeitmaschine würde funktionieren, hatte seine Laune etwas angehoben. In Gedanken sah er sich schon durch die blaue Scheibe verschwinden.

"Und ich schwöre Dir, die Extrakosten hol’ ich mir vom General persönlich!"

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MacGyver saß in einem Taxi, das ihn zurück zum Flughafen bringen sollte.

Nachdem er erfolgreich die nötigen Hinweise gefunden hatte, wollte er so schnell wie möglich alles daran setzen, dieses ominöse Stargate selbst zu suchen. Er hatte keine Ahnung, wohin es Jack und Daniel verschlagen hatte, doch auch sie hatten daßelbe Ziel. Er war ihnen sogar einen Schritt voraus. Hatte er doch den genauen Standpunkt des Tores sowie die Bewachung und die Liste der beteiligten Leute gefunden.

Nach einem kurzen Telefonat mit Pete kamen sie zu dem Ergebnis, daß es wohl das Beste sei, alles von der Phoenix aus zu erledigen.

Scott würde Augen machen, wenn er bei seinem nächsten Besuch zu Hause eine Überraschung vorfinden würde. Mac hatte den letzten Mann gut verschnürt und zu seiner Erleichterung auch putzmunter – den Alkoholgehalt in seinem Körper nicht mitgezählt – zurückgelassen.

Auch Scott würde nach Arizona kommen, um O’Neill und den jungen Archäologen an einer Heimreise zu hindern und seine Wundermaschine wieder zu bekommen. Wenn alles glatt ging, dann warteten bereits Petes Leute auf ihn, um ihn auf frischer Tat zu ertappen.

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Ein paar Stunden später öffnete O’Neill langsam die Schiebetür des Güterzuges. Sie waren schon vor einer Weile stehengeblieben, doch hektische Geräusche hatten sie von einem sofortigen Aufbruch abgehalten. Seit einigen Minuten war es ruhig draußen und Jack konnte seine Ungeduld nicht länger zügeln und wollte endlich wissen, wo sie gelandet waren.

Ein paar einsame Gleise mit mehreren Waggons war das erste, das er sah. Keine Menschenseele ließ sich blicken und so verließen die Beiden das Abteil und schlichen zu den Bahnsteigen. Solange sie nicht wussten, in welchem Staat sie sich befanden, konnten sie kein Risiko eingehen.

Der fruchtbare Boden von Colorado war einer trockenen, staubigen Ebene gewichen und endlose Weiten braunen Landes hatten die Bäume und Berge abgelöst. Es war ein einsam gelegener Güterbahnhof, der etwas außerhalb einer Stadt angelegt war. Der eigentliche Bahnbetrieb spielte sich näher an der Zivilisation ab, wo sich der tägliche bzw. frühmorgendliche Arbeitsalltag abspielte.

Vorsichtig gingen Jack und Daniel zwischen den Zügen entlang, bis sie von weitem das Ortsschild über dem Bahnhofsgebäude erkennen konnten. Ein breites Grinsen setzte sich auf das Gesicht des Colonels, als er die schwarzen Buchstaben entzifferte:

Carizozo, New Mexico

Sie waren ihrem Ziel ein ganzes Stück nähergekommen und mit neuer Energie wollte Jack die restliche Distanz so schnell es ging überwinden.

"Wir brauchen einen Wagen" flüsterte Daniel.

"Dann holen wir uns einen" schlug Jack vor und deutete auf einen Parkplatz.

"Du kannst doch nicht einfach ein Auto klauen!" entrüstete sich der Archäologe und hielt Jack am Arm zurück.

"Ich werde wegen Mordes gesucht, vergessen?" grinste Jack. "Da kümmert mich eine Anzeige wegen Autodiebstahls herzlich wenig."

Ziemlich sicher, daß sich sein Steckbrief nicht bis hierher verirrt haben konnte, übernahm O’Neill die Führung und Daniel folgte ihm. Er ging zu dem Parkplatz, auf dem nur wenige Fahrzeuge standen. Einer nach dem andern wurde unter die Lupe genommen, doch keiner war in sonderlich gutem Zustand. Jack entschied sich dann für einen kleinen weißen VW-Käfer, der in dieser Gegend sicherlich nicht stark auffallen würde und sich noch in einem einigermaßen brauchbaren Zustand befand.

Schnell hatte er den Motor zum Leben erweckt und die beiden machten sich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem "Staub".

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"Verdammt noch mal, ich glaub’ es einfach nicht!" Scotts hysterische Stimme hallte durch das Haus und eine weitere Ohrfeige traf den noch immer am Boden liegenden Mann. Roland schnitt die Fesseln auf und half ihm auf die Füße. In abgehackten Sätzen hörten sie die spektakuläre Flucht von MacGyver, ausgeschmückt mit Details, die man in Horrorromanen lesen konnte und die sein Versagen rechtfertigen sollten.

Scott schüttelte den Kopf, sein Plan hatte sich durch diesen großen Fehler in Luft aufgelöst. Noch dazu waren all seine Aufzeichnungen verschwunden. Beweismittel, die ihm den Kopf kosten könnten.

"Packt zusammen, wir müssen so schnell wie möglich zum Sternentor!" bellte er seine Begleiter an und verließ das Gebäude.

Entweder hielt er MacGyver, O’Neill und diesen Jackson auf oder er konnte sich gleich selbst ein Grab schaufeln. Sein Auftraggeber kannte kein Erbarmen...

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Es war Nacht, als MacGyver in Californien eintraf. Er hatte Pete telefonisch mitgeteilt, daß ihm die Flucht gelungen war und jetzt erwartete er ihn in seinem Büro.

Thornton hatte schon vermutet, daß ihre geplante Aktion irgendwie schiefgelaufen war und war erleichtert, als Mac ihn am späten Nachmittag informierte.

Mit besorgtem Gesichtsausdruck öffnete MacGyver die Bürotür und ließ sich in den Sessel vor Petes Schreibtisch fallen.

"Was ist passiert?" wollte der Phoenix-Chef wissen.

In knappen Worten unterrichtete ihn Mac von den Geschehnissen. Pete notierte sich Uhrzeit und Ort, von wo aus Jack und Daniel auf den Zug "umgestiegen" waren. Er wollte versuchen, den genauen Zielort des Güterzuges zu erfahren.

Doch zuerst widmeten sie sich den Aufzeichnungen, die MacGyver vor seiner Flucht in dem Haus gefunden hatte.

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Gegen Abend fuhren O’Neill und Dr. Jackson auf dem selben Highway entlang wie Daniel bei ihrer Ankunft. Sie hatten sich entschlossen, erst in der Dunkelheit zum Stargate zu gelangen. Das erhöhte ihre Chancen, ungesehen bis an den großen Ring heranzukommen.

O’Neill dachte an MacGyver und was wohl aus ihm geworden war. Er hoffte nur, daß er es irgendwie geschafft hatte, sich von Scott und seinem Wachhund loszueisen.

Links und rechts reckte sich die Wüste Arizonas und deren Einsamkeit. Ab und an kam ihnen ein Fahrzeug entgegen.

Daniels Blick haftete am Straßenrand. Er suchte nach bestimmten Hinweisen. Er hatte sich ab einem bestimmten Zeitpunkt seinen Weg sehr genau eingeprägt und seine Fähigkeiten als Archäologe – Gesteinsformationen, Sandhügel und ähnliches – in bestimmte Kategorien einzuteilen, hatte ihm dabei sehr geholfen.

"Hier, hier geht’s rein!" rief er plötzlich. Er drehte sich auf dem Beifahrersitz um und deutete aufgeregt nach hinten.

Jack trat auf die Bremse und blieb am Straßenrand stehen. Er wusste nicht so recht, ob der klapprige Wagen eine Fahrt durch so unwegiges Gelände überstehen würde. Doch dann wendete er und fuhr der Richtung nach, in die der Finger seines Freundes zeigte.

Immer öfter erkannte Daniel bestimmte Punkte im Gelände.

Insgeheim musste Jack ihn bewundern. Er dachte an den unbeholfenen jungen Mann vor 5 Jahren, dem man nicht einmal einen Alleinflug von Amerika nach Europa zugetraut hätte. Jetzt fand er sich ohne Karte nur anhand einiger Steinhaufen in einer Wüste zurecht.

Nach ca. einer halben Stunde gab der Motor nur noch einige spukende Laute von sich, bevor er erstarb und der Käfer stehenblieb.

O’Neill sah zu Daniel, der ihn fragend anblickte. Ungläubig klopfte er auf die Tankuhr, die noch vor kurzer Zeit halbvoll angezeigt hatte. Scheinbar war beim letzten "Auffüllen" des Kraftstoffs etwas schiefgegangen, was eigentlich kein Wunder war, denn der Tankstellenbesitzer hatte ihnen ein paar Kugeln nachgeschickt und sie überlaut verflucht.

"Soviel zum Tanken ohne zu bezahlen" murmelte Jack und stieg aus.

"Wie weit ist es noch?" fragte der Colonel und umrundete das Auto.

"Naja, ich denke so eine Stunde? Ich bin die erste Zeit ziemlich gelaufen. Die Gebäude sieht man schon von weitem."

"Ich hoffe wirklich, Du findest auch nachts den Weg, Daniel. Hier liegen hunderte von Skeletten, die auch gedacht haben, daß es nicht so schwer sein könnte."

Mit einem Seitenblick auf seinen jüngeren Freund setzte sich Jack entschlossen in Bewegung und lief in die Wüste.

"Äh... Jack!" O’Neill blieb stehen und drehte sich um, sah Daniel, der mit dem Finger in die entgegengesetzte Richtung deutete.

"Wir müssen da lang."

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SCG – 2001

Fast drei Wochen waren vergangen seit diesem verhängnisvollen Freitag. General Hammond hatte die undankbare Aufgabe, dem verbliebenen Teil von SG1 mitzuteilen, daß sie ihre Arbeit und somit die Routine im Stargate-Center wieder aufnehmen mußten. Selbst Personen wie O’Neill und Dr. Jackson waren nicht unersetzbar und er mußte sich um die Zuweisung eines höheren Offiziers bemühen, der im Notfall seine, und somit jetzt Jacks, Stelle übernehmen würde. Eine Einrichtung wie Cheyenne Mountain lief nicht von alleine und die Aufgaben, die der Colonel – ausgenommen seine Missionen mit SG1 – innehatte, mußten von einem anderen Mann ausgeführt werden. Mit der Zeit würde die Routine die Lücken auffüllen, die zwei seiner besten Leute hinterließen.

Er stand in Jacks Büro und räumte gerade den Schreibtisch ab, als Carter in der Türöffnung erschien.

"Ich weiß, Sie halten es für verfrüht.." begann Hammond das Gespräch und stellte die Schachtel zurück auf den Ledersessel. Bevor Sam zu einer Antwort ansetzen konnte, fuhr er fort: "aber ich bin verpflichtet, diese Basis nicht ins Hintertreffen kommen zu lassen und die Aussagen von Stan – je eher wir uns damit abfingen, desto besser ist es."

Er schaute auf seinen Major, der mit zusammengesunkenen Schultern und Tränen in den Augen vor ihm stand. Dann konnte er nicht anders und nahm Sam in den Arm:

"Ich habe die Hoffnung trotz allem noch nicht aufgegeben und Sie wissen das!" murmelte er und streichelte ihr väterlich über den Rücken.

"Vielleicht haben wir noch Glück mit dem zweiten Tor?" Er wußte wie sehr Sam an den Vermißten hing und sie beide gleichzeitig zu verlieren, war ein besonders schwerer Schlag.

In Sam entlud sich die ganze Anspannung der letzten Tage und sie verbarg ihren Kopf in der Schulter des älteren Mannes und schluchzte.

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Auf Pete Thorntons Schreibtisch waren die Aufzeichnungen Scotts ausgebreitet. Die Lage des Stargates, die Blaupausen der Zeitmaschine und vor allem die Namen der Beteiligten, alles war sorgsam aufgelistet. Mit diesem Beweismaterial könnten sie O’Neill zu 100 % entlastet. Doch beide wussten, daß nichts von alledem an die Öffentlichkeit gelangen durfte. Diese Dinge gehörten in die Zukunft und Jack und Daniel waren diejenigen, welche die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen mußten.

Sie studierten die geplante Reiseroute und bereiteten alles für einen schnellen Aufbruch vor. Nach langem Hin und Her entschieden sie jedoch, niemandem außerhalb der Phoenix von ihrem Wissen zu erzählen. Wenn das Überraschungsmoment auf ihrer Seite war, würden sie mit Scott wahrscheinlich alleine fertig werden.

In ein paar Stunden würden sie nach Arizona aufbrechen und bis dahin hatten sie noch eine Menge Arbeit. Sie würden zwar erst am Abend dort ankommen, doch vielleicht würde das ihre Situation sogar verbessern. MacGyver hoffte nur, daß sie noch rechtzeitig am Sternentor ankommen würden.

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Von der mondbeleuchteten Umgebung hoben sich in der Ferne die klotzigen Umrisse der Lagerhallen ab. O’Neill und Jackson beschleunigten ihre Schritte und näherten sich bald darauf dem ersten Gebäude. Nur die normalen nächtlichen Geräusche waren zu hören. Sie schlichen sich näher an die im Mittelpunkt des Platzes angeordneten Container.

Daniel holte seine Pistole aus der Jackentasche und reichte sie O’Neill. Jack nahm sie kommentarlos entgegen und kontrollierte die Munition. Fünf Kugeln waren alles, was sie gegen einen möglichen Angriff entgegenzusetzen hatten.

Jack war nicht dumm. Er wusste, daß Scott und seine Männer auf alle Fälle schneller waren und wahrscheinlich irgendwo auf sie warten würden. Sein militärischer Verstand schaltete sich ein und er arbeite in Gedanken einen Plan aus.

"Daniel! Ich gehe allein weiter. Du bleibst mit unserer Reiserücktrittsversicherung hier und wartest!"

Sein Tonfall war leise, ruhig. Nichts drang von Jacks Nervosität nach außen.

Daniel stellte sich ihm in den Weg. "Aber Jack...."

"Kein ABER! Ich will hier nicht versauern. Falls dieser Hundesohn hier irgendwo ist, dann will er mich. Und dann soll er auch nur mich erwischen. Ich gehe jetzt da rein und schau mich um. Vielleicht kann ich sie vom Tor weglocken, falls sie dort drin auf uns warten." Er wedelte mit seiner Waffe herum. "Im übrigen freue ich mich darauf, ihm seinen verdammten Polizistenarsch wegzublasen."

Daniel sah ihn überrascht an, trat dann jedoch einen Schritt zur Seite und ließ Jack an sich vorbei.

"Mach Dich bereit. Versuch nach Hause zu kommen, Daniel, unter allen Umständen!"

"Viel Glück!" murmelte der Doktor Jack zu und duckte sich hinter die Container. Mit wachsamen Augen beobachtete er seinen Freund, der sich vorsichtig der großen Hangartür näherte.

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Er war nur noch einen Katzensprung von zu Hause entfernt. O’Neill fühlte seine Energien zurückkehren, als er das Stargate sah. Einsam und verlassen stand es hoch aufgerichtet vor ihm. Endlich konnte er diese verflixte Geschichte hinter sich lassen und zurück in sein Leben treten.

Das hereinfallende Licht reichte kaum aus, um den Raum zu erhellen. Immer um sich blickend trat der Colonel näher an das Sternentor heran. Unter der Jacke hielt er die verborgene Berretta bereit.

Als er noch ca. 5 m von der provisorischen Rampe entfernt war, hörte er auf einmal das viel zu bekannte Geräusch einer entsichernden Waffe. Wie von der Tarantel gestochen drehte er sich um. Im Schatten der Hangartür standen zwei Männer, deren Umrisse unscharf zu erkennen waren. Einer von beiden wurde mit einer Waffe bedroht und in Jack stellte sich ein ungutes Gefühl ein. Daniel oder MacGyver? Wer von beiden es auch war, O’Neill war nicht bereit, einen von ihnen sterben zu lassen.

"Beweg Dich O’Neill, oder ich blas’ Deinem Bruder das Hirn weg!" ertönte eine eiskalte Stimme.

"Was willst Du?" rief Jack in die Dunkelheit und näherte sich langsam dem Duo.

"Ich will die Zeitmaschine – und Dich!" Scotts Stimme durchschnitt die Stille wie rollender Donner. "Dann lasse ich ihn frei."

Jetzt hatte Jack Gewissheit. Er musste versuchen, Scott nach draußen zu lotsen, um Daniel die Möglichkeit einer Flucht zu geben. Außerdem hoffte er, daß MacGyver schlau genug war, um seinen Plan zu unterstützen.

"Einverstanden! Laß ihn los und ich führe Dich zur Zeitmaschine."

"Komm her und heb’ Deine Arme!" befahl der Sergeant und ging mit seiner Geisel einen Schritt auf O’Neill zu.

Jack tat wie ihm geheißen, steckte vorher noch die Pistole in den Hosenbund und ging langsam auf Scott zu.

Sein Blick fixierte seinen Feind und beobachte jeden Atemzug von ihm. Noch immer konnte er nur Umrisse ausmachen.

Urplötzlich sprang der vermeintliche MacGyver nach vorne und packte den völlig verdutzten O’Neill, drehte ihm den Arm auf den Rücken und drückte ihn nach unten.

Scott richtete sein Gewehr auf Jack: "Mach Licht und such mir diesen Jackson!" befahl er seinem Komplizen und trat dann wütend zu O’Neill, der auf dem sandigen Boden kniete.

Das höhnische Lachen von Scott dröhnte ihm in den Ohren, als ihn ein wuchtig ausgeführter Schlag traf. Während rundum helles Licht den Hangar durchflutete, wurde es um Jack dunkel und er fiel nach vorne.

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Eigentlich wollte Daniel sein Versteck sofort verlassen, als er Scott und einen seiner Männer sah. Doch eine innere Stimme riet ihm, zumindest solange in Sicherheit zu bleiben, bis er mit einem Plan aufwarten konnte. Sein einziger Trumpf war die Maschine, die er unter seiner Jacke versteckt hielt.

Er überlegte hin und her. Hielten sich seine restlichen Männer irgendwo im Hintergrund, um auf ihn zu warten.

Plötzlich ging das Licht an und Daniel erkannte an der Hangartür zwei Gestalten. Eine davon sackte gerade nach vorne und kurz darauf hörte er die fordernde Stimme ihres Erzfeindes:

"Dr. Jackson! Ich mache Ihnen ein faires Angebot. Geben Sie mir das Zeitsprunggerät und ich überlasse Ihnen Ihren Freund."

Daniels Gedanken rasten. Er hatte keine großen Auswahlmöglichkeiten, wollte er Jack lebend dort herausholen.

"Die Maschine verbirgt viel mehr Geheimnisse als Sie denken. Das Zeitreisen ist nur ein Teil davon." Daniel hoffte, daß die Neugier Scott unvorsichtig werden ließ.

"Wer sagt mir, daß Sie Ihr Versprechen halten und Jack am Leben lassen?"

" O’Neill oder die Zeitmaschine – noch haben Sie die Gelegenheit zu wählen. Wenn Ihnen sein Leben etwas bedeutet, dann geben Sie auf."

Der Archäologe erkannte die Ausweglosigkeit und wünschte sich nichts stärker, als woanders zu sein. Doch die Realität holte ihn zurück und er trat mit erhobenen Händen aus seinem Versteck. So oder so hatte er ohne Waffe nicht die geringste Chance.

Kaum hatte er den Schutz der Container verlassen, wurde er von einem großen Mann in Empfang genommen, der in der Dunkelheit auf ihn gewartet hatte. Er schubste Daniel ins Licht und hielt ihn fest.

Scott holte sich sofort den Gegenstand seiner Begierde und reichte ihn an Roland weiter.

"Wähl uns hier heraus. Wir müssen machen, daß wir verschwinden."

Mit schnellen Schritten ging der Bodyguard zum Sternentor, das majestätisch vor ihnen stand. Mit geübten Handgriffen aktivierte er die Zeitmaschine und betätigte die notwendigen Knöpfe.

Daniel senkte resigniert die Schultern und spähte über die Schulter seines Widersachers. Dieser hatte in der Zwischenzeit ein Seil um Daniels Handgelenke gewickelt und drückte ihn auf die Knie. Er schickte sich an, ihn an den auf dem Boden liegenden Colonel zu binden. Daniels Gedanken stürzten in die Zukunft. Wenn es Scott gelang, dorthin zu gehen, war es ihnen beiden unmöglich, je wieder nach Hause zu gelangen.

Nur langsam erreichten die gesprochenen Worte Jacks Verstand, als er von einer kurzen Bewusstlosigkeit erwachte. Verschwommen sah er Scott, der damit beschäftigt war, Daniel zu verschnüren. Doch seine Muskeln befolgten keinen seiner geistigen Befehle und so musste er hilflos miterleben, wie er mit Daniel Rücken an Rücken zusammengebunden wurde.

Scott beobachtete Roland, der noch immer damit beschäftigt war, das Wurmloch zu etablieren. Zufrieden verließ er den Hangar, um seinem zurückgebliebenen Mann den Erfolg zu melden.

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MacGyver und Pete hatten aus sicherer Entfernung die Geschehnisse verfolgt. Noch wagten sie nicht, den beiden zu Hilfe zu kommen. Zu schnell konnten sie entdeckt werden und der Überraschungsmoment war verflogen.

Nach einigen Minuten kam Scott aus dem Hangar gelaufen, ging zielstrebig zu den weiter entfernten Containern. Mac wußte, daß sich dort irgendwo der noch fehlende Komplize versteckt halten mußte.

"Ich geh‘ rein und hol die beiden da raus" flüsterte er Thornton zu und stand vorsichtig auf. "Am besten Du bleibst hier in Deckung. Sobald jemand kommt, warnst Du uns."

Pete nickte und starrte zurück in die Dunkelheit.

MacGyver machte sich auf den Weg, benutzte einen Umweg um die Container, um nicht sofort von innen heraus entdeckt zu werden.

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"Verdammter Mist, Daniel. Warum bist Du nicht geblieben, wo Du warst?"

Jack zog an den Fesseln und starrte der Gestalt von Scott nach, die in der Dunkelheit verschwand. Der Hangar war hell beleuchtet und noch immer arbeitete Roland daran, das Tor funktionstüchtig zu bekommen. Scheinbar ohne nennenswerte Erfolg, wenn man den Flüchen und Bemerkungen des großen Mannes Aufmerksamkeit schenkte.

Er war so in seine Tätigkeit versunken, daß er nicht einmal bemerkte, wie sich die beiden Gefangenen Rücken an Rücken hochkämpften und ebenfalls in die Nacht eintauchten.

"Sieht so aus, als wären die beiden allein" vermutete Daniel und versuchte den Knoten zu lösen, der ihn mit Jack verband. Sie hatten sich hinter einer Holzwand verschanzt und hofften nun, ihre etwas unbequeme Situation ändern zu können.

"Vielleicht wird ihm der Boden hier zu heiß." O’Neill drehte sich hin und her, um etwas mehr Bewegungsfreiheit zu erlangen.

"Ich möchte bloß wissen, was sie mit MacGyver gemacht haben" dachte er laut.

"Sie hatten keine Gelegenheit, viel mit mir anzustellen."

Die flüsternde Stimme ließ Jack und Daniel zusammenfahren. Jackson ließ einen erleichterten Seufzer hören, als er MacGyver sah.

"Mach das noch einmal und Du kannst mich einbuddeln" zischte Jack und hielt Mac seine und damit auch Daniels Hände entgegen.

Schnell waren die Fesseln gelöst und Jack schickte einen dankbaren Blick auf den jüngeren Mann, der nun grinsend vor ihnen stand.

"Wie konntest Du uns finden?" wollte Daniel neugierig wissen.

MacGyver reichte ihm eine Diskette: "Hier sind die Pläne von Scott drauf, die Beschreibung der Zeitmaschine und wer hier alles mitmischt. Ich dachte, bei Euch ist es besser aufgehoben."

Daniel steckte sie in seine Brusttasche und lugte über den Rand ihres Versteckes.

"Wo ist dieser Scott hin....."

Seine Frage wurde von dem bekannten Geräusch des sich drehenden Ringes und der einrastenden Chevrons unterbrochen. Roland hatte es anscheinend geschafft, den Weg in die Zukunft zu öffnen.

Leise schlichen sich die drei Gestalten zurück an die große Halle.

Drei Männer näherten sich von der anderen Seite der großen Tür und MacGyver erkannte mit Schrecken, daß sich Pete dabei befand. Für den verschlagenen Sergeant war es anscheinend ein Leichtes gewesen, ihn zu überwältigen. Soviel also zu ihrem Überraschungsangriff.

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>Ankommendes Wurmloch<. Wieder klangen die Alarmsirenen durch den Berg und wieder rannte Sam, dieses Mal gefolgt von Teal’C, die Wendeltreppe nach oben in den Besprechungsraum. Der diensthabende Ltd. wartete bis er alle Zeichen auf seinem Monitor hatte, schüttelte mit dem Kopf und verglich die Koordinaten in Windeseile in seinem Kopf.

"Major Carter! Das sollten Sie sich ansehen!"

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Mit zusammengehaltenen Armen stolperte Pete zwischen den Verbrechern durch das Schiebetor.

"Nein, Pete." MacGyver ließ seine beiden Freunde stehen und lief dem Trio hinterher. Er durfte auf keinen Fall zulassen, daß sie ihn mitnahmen.

Jack und Daniel folgten ihm und gelangten gerade als sich das Wurmloch stabilisierte in Sichtweite des Sternentores.

"Lassen Sie ihn gehen, Scott" hörten sie MacGyvers Stimme durch den großen Raum hallen.

"Er hat mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun."

Die Mitglieder von SG1 standen nur wenige Meter entfernt in der Dunkelheit. O’Neill beobachtete Scott, der mit seiner Waffe den wehrlosen Phoenix-Chef bedrohte und rückwärts zu Roland ging, der vor dem Stargate auf die hölzernen Rampe ging. Nur zu deutlich konnte er zuerst die Enttäuschung über ihre Flucht und dann die Entschlossenheit im Gesicht des Polizisten ablesen, seinen Plan auf alle Fälle durchzusetzen. Koste es was es wolle.

Scott nickte dem neben ihm stehenden Mann zu und dieser verschwand mit großen Schritten im Ereignishorizont. Die blaue Oberfläche warf flackernde Schatten auf die Umgebung. Roland packte Pete und schleuderte ihn mit einer schnellen Bewegung auf die gegenüberliegende Seite des Stargates, wo er benommen im Sand liegenblieb. Dann schickte er sich an, ebenfalls die Vergangenheit zu verlassen.

Scott lenkte seine Pistole auf die Zeitmaschine, die das Wurmloch aufrecht erhielt.

MacGyver machte einen Schritt auf ihn zu, wollte ihn davon anhalten, daß er die Zeitmaschine zerstörte.

Da änderte Scott blitzschnell die Richtung der Pistolenmündung und feuerte auf den zu ihm laufenden Mann.

Mac wurde nach hinten gerissen. Mit einem Ausdruck des Erstaunens im Gesicht fiel er nach hinten und blieb liegen.

Ein Dejavu-Gefühl flutete durch Jack und er sah in Gedanken MacGyver nochmals in den Schnee fallen.

"Neeiiin!" Mit einem Aufschrei sprintete Jack aus der Dunkelheit auf Scott zu, noch ehe dieser in der Lage war, sich auf die neue Herausforderung einzustellen. Er hechtete auf den etwas erhöht stehenden Mann und riß ihn zu Boden. Scotts Kopf knallte auf die Bretter und er fuchtelte wild mit der Waffe herum.

Jack packte den Kragen der Jacke und schüttelte den kleineren Mann mit aller Gewalt durch, kniete sich fast mit seinem ganzen Gewicht auf die strampelnde Figur. Seine ganze Wut und Frustration steckte in seinen Attacken, als er auf den um sich schlagenden Sergeant wie ein Wilder eindrosch.

Seine wilden Beschimpfungen wurden durch den Knall eines plötzlichen Schusses unterbrochen. Scott war es gelungen, trotz des massiven Angriffs von O’Neill, einen halbwegs gezielten Schuß abzufeuern. Die Kugel hatte Jacks linken Oberarm gestreift und war dann unbeirrt auf die Zeitmaschine geprallt. Jetzt versuchte er, sich mit einer weiteren Kugel von seiner Last zu befreien.

Doch O’Neill hatte sich in Wut geboxt. Der brennende Schmerz schürte seinen Zorn noch an und mit der linken Hand umfaßte er Scotts Handgelenk und hämmerte es auf den Boden, bis sich die Hand öffnete und die Waffe in den Sand fiel. Immer wieder trafen seine zur Faust geballten Hände den kleineren Mann, der in der Zwischenzeit besinnungslos unter ihm lag. Erst Daniels durchdringende Stimme brachte ihn auf den Boden der Realität zurück.

"Jack! Jack!"

Daniel lief zu O’Neill und riß ihn von seinem Opfer weg.

Jacks Blick klärte sich und er blickte etwas verwirrt um sich. Seine Rachegefühle waren wie weggeblasen, als er MacGyver auf dem Boden sitzen sah, etwas durcheinander, aber offensichtlich nicht ernsthaft verletzt.

MacGyver sah ihn an und deutete auf die kugelsichere Weste, die er unter seiner Jacke trug. Ebenso wie Pete, der jetzt neben ihm stand.

Von irgendwoher hörte er ein knisterndes Geräusch und er blickte auf das Sternentor.

Daniel hob die Zeitmaschine auf, die qualmend auf dem Boden lag.

Plötzlich verstärkte sich das Knistern, wurde ergänzt durch ein Zischen, das von den Energiespitzen ausging, die das Stargate umgaben. Blaue Blitze züngelten um den Ring und das Wurmloch fing an, instabil zu werden.

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SGC – 2001

"Öffnet die Iris!" befahl Carter und blickte nach unten auf das Sternentor. Der blaue Ereignishorizont waberte ruhig und friedlich in seinen Begrenzungen. Sam hoffte inständig, daß sich ihre Vermutung bestätigte und vielleicht das Wunder geschehe, auf das sie alle so sehr warteten.

Die Soldaten standen mit erhobenen Gewehren in Bereitschaft, Hammond hatte die Mannschaft verdoppelt, nichts und niemand konnte ihnen entgehen, das war sicher.

Fünf Minuten vergingen, ohne daß etwas passierte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Sam auf das Tor.

Als dann die erste Person aus dem Horizont trat, zuckte sie vor Schreck zusammen. Doch schnell erkannte sie, daß es weder Jack noch Daniel waren. Die Soldaten taten ihre Arbeit, nahmen den Mann sofort gefangen. Ebenso den zweiten, der kurz darauf auf der Rampe erschien.

Schnell wurden die beiden abgeführt und in die Zellen gebracht. Man würde sich ausgiebig mit ihnen beschäftigen.

Weitere endlose Sekunden verstrichen, dehnten sich zu Minuten - ohne erneute Unterbrechung. Plötzlich begann der Energieverbrauch zu steigen. Die Monitore zeigten erhöhte Werte und die Alarmsirenen fingen an zu heulen.

Hammond trat neben Carter, die wie wild auf der Computertastatur herumhackte.

"Ich verliere das Wurmloch, Sir." Ihre Stimme wurde schrill, als die ersten Anzeichen der Instabilität deutlich in Form blauer Blitze erschienen.

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1991

"Verschwindet" schrie MacGyver. "Das ist Eure letzte Chance!"

Jack stand hastig auf. Er packte Daniel an der Schulter, der noch immer fasziniert auf die Zeitmaschine starrte, die er in den Händen hielt. Dann zog er ihn die Holzrampe hinauf. Immer lauter wurden die energiegeladenen Blitze und Jack warf einen letzten Blick auf MacGyver, der vor dem Sternentor saß und zu ihnen aufsah.

Ein letzter Blick stummer Übereinkunft zwischen zwei Menschen, die innerhalb kurzer Zeit Freunde fürs Leben geworden waren. Ein Leben, daß in zwei verschiedenen Zeiten lag.

Dann glitten die beiden Männer aus der Zukunft durch den blauen Vorhang - keine Sekunde zu früh – bevor mit einem lauten Schnalzen das Wurmloch zusammenfiel und die Verbindung unterbrochen wurde.

MacGyver starrte ihnen noch eine Weile nach. Dann stand er langsam auf und atmete tief durch. Einige neue blaue Flecken würden ihn noch eine Weile an dieses Erlebnis erinnern und er war heilfroh, daß Thornton auf die Weste bestanden hatte.

Er ging zu dem immer noch bewusstlosen Gauner. Dort angekommen hob er die Pistole auf und reichte sie Pete. Eine Menge Fragen kamen auf sie zu und sie mussten die richtigen Personen ausfindig machen, um den Vorfall so diskret wie möglich behandeln zu können.

Langsam glitt sein Blick über den 7m hohen Ring aus Naquada. Dieses Bauwerk war mit Abstand das Verrückteste, daß er je gesehen hatte.

"Ob wir die beiden jemals wiedersehen?" wandte er sich an Pete, der neben ihn getreten war.

"In 10 Jahren vielleicht" antwortete er seinem jüngeren Freund und klopfte ihm auf die Schulter.

"Ich kann Dich wohl nicht zu einem solchen Haarschnitt überreden?" fragte er und machte eine Winkbewegung auf das Tor.

"In 10 Jahren vielleicht, Pete. In 10 Jahren" grinste MacGyver zurück und wendete sich dem am Boden liegenden Mann zu.

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Im selben Moment als Jack und Daniel auf der anderen Seite aus dem Wurmloch traten, brach es zusammen. Sie sahen in die Mündungen der pflichtbewussten Soldaten und Soldatinnen, die das Stargate umrundet hatten. Und für beide gab es nichts Schöneres im Moment, als der Anblick von General Hammond und Sam Carter, die mit offenem Mund und aufgerissenen Augen durch das große Fenster aus dem Kontrollzentrum zu ihnen hinunterblickten.

Hinter ihnen fiel der Ereignishorizont in sich zusammen und die Stromzufuhr wurde abrupt unterbrochen. Alle Lichter gingen aus und im Gateraum sowie in den umliegenden Räumen war es für wenige Sekunden stockdunkel. Dann ging die Notbeleuchtung an.

Hammond schickte die Begrüßungstruppe zurück auf ihre Posten und grinste.

Sams erstaunter Gesichtsausdruck verschwand vom Fenster, nur um Sekunden später in der großen Schiebetür wieder zu erscheinen. Das erste Mal seit Wochen huschte ein strahlendes Lächeln über ihr Gesicht, bevor sie vor den beiden Männern stehenblieb.

Kurz darauf traten auch schon General Hammond und Teal’C hinter sie:

"Schön Sie beide gesund wiederzusehen!" sagte er förmlich. Dann schüttelte er Jack und Daniel lachend die Hände und beglückwünschte sie zu ihrer Rückkehr.

Selbst Teal’C konnte seine stoische Ruhe nicht lange halten und umarmte die beiden.

Daniel reichte ihm die Zeitmaschine und die Diskette, brachte im allgemeinen Freudentaumel jedoch keinen Ton heraus.

"Ich erwarte Ihren Bericht und eine sofortige Meldung in der Krankenstation!" befahl der General lächelnd und ließ SG1 allein im Gateraum zurück.

Gemeinsam verließen sie den Raum, um sich bei Janet einzufinden.

Daniel war nun vollends damit beschäftigt, Teal’C mit den haarsträubenden Neuigkeiten ihrer Rückkehr zu versorgen und die beiden verschwanden um die nächste Ecke des langen Korridors.

"Haben Sie mich vermisst?" fragte O’Neill und ging langsam neben seinem Major her. Sam war seltsam still und er hielt sie etwas zurück, drehte sie zu sich und sah ihr in die Augen.

Erst jetzt bemerkte Jack die Tränen, die unaufhörlich über Sams Wangen liefen.

"Ich dachte, ich seh‘ Sie nie wieder" sagte sie und versuchte, ihre Stimme wieder etwas unter Kontrolle zu bekommen.

"Ich weiß" entgegnete Jack sanft und nahm sie in den Arm. "Ging mir genauso."

Im rötlichen Licht der Notbeleuchtung hielt er sie fest und spürte langsam, wie die Anspannung aus ihr wich.

"Aber Sie müssen sich eines merken, Carter. Ich bin wie ein falscher Fünfziger und komme immer wieder zu Ihnen zurück."

Mit einem Mal wurde der Gang wieder taghell und zerstörte die vertraute Atmosphäre. Er löste die Umarmung ein wenig und trocknete ihre Tränen mit seinem Handrücken. Ein scheues Lächeln kehrte in ihr Gesicht zurück und er erwiderte es gewinnend. Irgendwie konnte er sein Glück nicht fassen. Er war zu Hause und sein Leben war wieder ins Lot gerückt.

"Was halten Sie von Urlaub?" fragte er sie dann plötzlich und setzte den Weg in die Krankenstation fort.

"Ich für meinen Teil habe mir einen Urlaub verdient und einem guten Freund versprochen, ihm beim Schach eine Revanche zu geben. Möchten Sie mitkommen?"

Auffordernd sah er sie an. Sie konnte nicht nein sagen, dieses Mal nicht.

Carter blickte ihn fragend an, nickte jedoch dann freudig mit dem Kopf. Dieses Mal würden sie keine zehn Pferde davon abhalten.

8 Wochen später

SG1 saß an einem Tisch und löffelte gerade den Nachtisch eines Drei-Sterne-Kantinen-Menüs in sich hinein. Lockeres Geplauder begleitete diese Aktion, das von der autoritären Stimme General Hammonds unterbrochen wurde. Es geschah selten bis gar nicht, daß man den General in der Kantine traf und um so verwunderter blickten die vier Freunde ihren Vorgesetzten an.

"Auch einen Schoko-Pudding?" fragte O’Neill und löffelte genüßlich weiter.

"Nein, danke. Eigentlich bin ich nur hier, um Ihnen mitzuteilen, daß man den beiden Männern, die mit Ihnen zurückgekommen sind, den Prozeß machen wird. Ich habe soeben den Anruf erhalten."

Er holte sich einen Stuhl und setzte sich zu seinem Team an den Tisch.

"Na, das sind doch gute Nachrichten!" freute sich Daniel und schaute den General über den Rand seiner Brille an.

"Wie man‘s nimmt. Sie waren nicht sehr gesprächig und die Informationen auf der Diskette betreffen leider nur die Vergangenheit.

Nur soviel konnten wir herausfinden: Ihr Anführer war ein gewisser Stavros Theodopolis. Er ist mit einer falschen Identität schon lange vorher zurückgereist, um den Weg für einen politischen Umschwung freizumachen. Sie brauchten nur noch einen Schuldigen, um die letzte schmutzige Arbeit zu erledigen."

"Und da kam Jack ins Spiel" warf Carter ein.

"Ja, und eigentlich wäre es nur Colonel O’Neill gewesen, hinter dem sie her waren. Dr. Jackson war sozusagen eine Zugabe."

"Sie denken, es ist jemand, dem O’Neill im Wege steht?" Teal’C legte seine Stirn in Falten und überlegte.

"Ich weiß es nicht, wahrscheinlich werden wir es nie erfahren. Ich hoffe nur, es war ein einmaliger Versuch, Ihr Leben auszulöschen."

"Ich hab‘ jedenfalls nicht vor, den Löffel so schnell abzugeben" bemerkte Jack und legte demonstrativ seinen Löffel neben die inzwischen leere Puddingschüssel.

Hammond stand mit einem unbefriedigten Gesichtsausdruck auf und ließ SG1 in Gedanken versunken im Speiseraum zurück.

Die Zukunft würde zeigen, welche Überraschungen sie für sie bereithielt.

Washington

Mit einem wütenden Aufschrei zerriß der Mann in der blauen Air Force-Uniform das Foto von O’Neill. Langsam ließ er die kleinen Schnitzel zu Boden rieseln und sein zorniger Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes, als er zu seinem Telefon griff.

Mit der Zeit würde ihm schon noch etwas Besseres einfallen, davon war er felsenfest überzeugt.

ENDE


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