Zurückgelassen by Kes
Summary: Die Russen haben mehr in der Galaxie zurück gelassen, als eine leere Schachtel Zigaretten. What happened to "Nobody gets left behind?"
Categories: Stargate SG-1 Characters: Multi-Chara
Genre: Angst, General, Hurt/Comfort
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 1952 Read: 2075 Published: 31.03.12 Updated: 31.03.12
Story Notes:


Spoiler: Eigentlich keine. Eventuell "Das Tempelgrab" - wegen der "Existenz der Russen auf anderen Planeten". ;-)
Staffel: 5

Anmerkung: Irgendwann muss ich mal wieder anfangen, Romance zu schreiben... die folgende Story gehört auf jeden Fall nicht in diese Kategorie.

1. Kapitel 1 by Kes

Kapitel 1 by Kes
Zurückgelassen


Die Gefängnistüren öffneten sich mit einem metallischen Ächzen. Nadja hörte Schritte auf ihre Zelle zukommen, und obwohl das nicht bedeuten musste, dass man tatsächlich zu ihr wollte, wurde sie unruhig. Sie hatte gelernt, Besucher zu fürchten. Sie stand vom erdigen Boden auf und spähte durch die verrosteten Stäbe ihrer Zelle auf den engen Gang.
Die Schritte waren nah, doch wer auch immer das Gefängnisverlies betreten hatte, befand sich noch nicht in ihrem beschränkten Blickfeld. Es mussten mehrere Personen sein. Für einen Augenblick glaubte sie etwas zu riechen, einen angenehmen Duft, etwas wie... Aftershave, doch sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Nichts in dieser von Menschen geschaffenen Hölle roch nach Aftershave oder auch nur im Entferntesten nach etwas Angenehmen. Sie bezweifelte, dass sich in dieser Welt überhaupt jemals jemand wusch. Sie wusste lediglich, dass sie seit einer Ewigkeit keine Chance dazu gehabt hatte. Ihr Körper war mit Dreck bedeckt, getrockneter Schweiß und Blut klebten an ihrer Haut, ihr eigenes und das ihrer Mitgefangenen. Und das ihrer Wärter.
Als der Einäugige, wie sie ihn nannte, zum ersten Mal zu ihr gekommen war, hatte sie ihn angespuckt. Er hatte ihr den kleinen Finger gebrochen. Beim nächsten Mal hatte sie ihn gebissen. Er hatte ihr das Handgelenk gebrochen. Beim nächsten Mal, als er ihr die Kleider vom Leib riss, hatte sie ihre Fingernägel in seine widerlichen, schmutzigen Weichteile gekrallt bis Blut geflossen war. Er hatte Verstärkung gerufen und ihr mit einer groben, verrosteten Zange einen Zahn gezogen. Dann hatten die Wachen sie festgehalten, während er sie vergewaltigte.
Sie hatte gelernt, sich zu fürchten, wenn sie Schritte auf dem Gang hörte.

"Dieses Gefängnis ist unzumutbar", hörte sie eine Männerstimme.

Ihre Hand umfasste das Gitter fester. Englisch. Jemand sprach Englisch. Ein weiterer Mann übersetzte seine Worte in die einheimische Sprache, die sie nur schlecht verstand.

"Er sagt, den Gefangenen ginge es gut", übersetzte der zweite Mann die Antwort des Wächters.

Ihre Knie gaben nach und sie sank zu Boden. Sie hatte Angst. Angst, dass sie träumte. Sie hatte bereits Tage nach ihrer Gefangennahme auf dem Planeten begonnen, Dinge zu sehen, die nicht da waren. Vertraute Stimmen zu hören, die sie längst verlassen hatten. Arme um ihren Körper zu spüren, die ihr Schutz gaben. Doch nichts konnte ihr Schutz geben an diesem Ort. Sie glaubte nicht an Gott, doch wenn es eine Hölle gab, konnte sie nicht finsterer sein.

Sie versuchte wieder aufzustehen, doch ihr rechter Knöchel weigerte sich, ihr Gewicht weiter zu tragen. Er war verstaucht oder gebrochen, sie hatte sich mit einem Häftling angelegt, der ihr Essen gestohlen hatte.
Sie war eine der wenigen Frauen in diesem Trakt des Gefängnisses - des Traktes für die gefährlichen Gefangenen. Und sie war leichte Beute für die brutalen Kolosse, die dort eingesperrt waren. Doch sie gab sich nicht leicht geschlagen. Sie gab nie etwas kampflos auf.

Ihre dunklen Haare waren mittlerweile auf Kinnlänge gewachsen, was ihre Vorgesetzten nicht tolerieren würden. Doch sie glaubte nicht mehr, dass sie sie jemals wiedersehen würde. Und es gab keine Möglichkeit, sie zu schneiden. Ihre Zehen- und Fingernägel waren abgebrochen, ihre Zähne waren belegt, sie stank und musste erschreckend aussehen. Doch es war ihr egal. Sie hatte aufgehört, darüber nachzudenken. Alles was zählte, war Überleben. Trivialitäten, die sie zu Hause interessiert hatten, waren unwichtig, geradezu lächerlich, an diesem Ort des Grauens. Es gab keine Toiletten und keinen Platz zum Waschen. Es gab keine frische Luft und kaum Tageslicht.
Es gab Tage, an denen sie sterben wollte, doch noch war ihr Überlebenswille stärker. Sie hoffte noch immer. Hoffte auf eine Rettung, auf eine Rückkehr ihres Teams. Sie hoffte, dass Russland sie nicht im Stich lassen würde. Doch sie hatte aufgehört, daran zu glauben.

"Natürlich, die sehen alle wohlerholt aus. Wo genau ist der Fitnessraum?", hörte sie die sarkastische Stimme des ersten Mannes.

"Colonel, ich denke, wir sollten General Hammond Bericht erstatten", meldete sich eine Frau zu Wort.

"Das denke ich auch, Major. Unter diesen Umständen kann ich eine Allianz unserer Völker nicht empfehlen."

Der zweite Mann übersetzte erneut und der Wächter reagierte aufgebracht. Die Schritte hielten an.

"Okay, das war's. Wir kehren zum Stargate zurück", befahl die erste Stimme.

Nadja geriet in Panik. Sie schlug mit der flachen Hand gegen die Stäbe, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie versuchte, ihre Stimme zu finden. Mit letzter Kraft zog sie sich an den Gitterstangen hoch.

"Warten Sie! Warten Sie! Gehen Sie nicht weg!!", krächzte sie.

Die Schritte, die sich bereits wieder in Richtung Ausgang bewegt hatten, hielten abrupt an.

"Jack, haben sie das gehört?"

"Bitte! Bitte!!", schrie sie.

Die Schritte setzten sich wieder in Bewegung, diesmal schneller. Ein Mann in einer amerikanischen SGC-Uniform trat vor ihre Zelle und starrte sie an.

"Oh mein Gott", sagte er.

"Sir, was..."

Die Frau führte den Satz nicht zu Ende, als sie Nadja hinter dem Gitter erblickte.

"Hier sind auch Frauen untergebracht?", fragte sie schließlich, ihre Stimme war leise und ihr Gesicht blass.

"Wer sind Sie?", fragte der Mann, während die zwei anderen Mitglieder seines Teams sie ebenfalls anstarrten.

"Lieutenant Nadja Zerkow, Russische Streitkräfte, Dienstnummer 2-11-738-739", antwortete sie wie in Trance.

Ihre Augen waren klein und gerötet, ihr ganzer Körper zitterte.

"Oh Gott", brachte der Mann hervor.


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Daniel wählte die Erde auf dem DHD des fremden Planeten an und wartete, bis sich der Ereignishorizont etablierte. Dann klemmte er den Naquadareaktor vom Anwahlgerät ab und folgte seinem Team die Stufen des Stargates hinauf. Carter ging voran, gefolgt von Teal'c, der die bewusstlose Russin trug, O'Neill bildete den Schluss und kontrollierte noch einmal, ob ihnen niemand zum Tor gefolgt war. Man war nicht glücklich über das Urteil von SG-1 gewesen, der Planet sei nicht bereit für eine Allianz mit der Erde. Ebenso wenig war man damit einverstanden gewesen, dass das Team eine Gefangene mitnahm - doch SG-1 hatte ihnen keine Wahl gelassen. Sie waren besser bewaffnet und hatten ihren Gastgebern klargemacht, dass ein nutzbringendes Bündnis für immer unmöglich würde, wenn man ihnen nicht erlaubte, die Frau mit zur Erde zu nehmen.

Die Einheimischen hatten eingewilligt. Sie brauchten die Hilfe der Erde. Ihre Gesellschaft ging zu Grunde, die Nahrungs- und Energiequellen waren ausgeschöpft und ihre einzige Hoffnung war eine Möglichkeit, dass defekte DHD ihres Tores zu reparieren, wozu sie selbst nicht in der Lage waren.

Daniel warf einen letzten Blick zurück. Er wusste, dass es trotz seiner Proteste unwahrscheinlich war, dass sie auf diesen Planeten zurückkehren würden. Die Menschen dort brauchten Hilfe. Doch die Air Force würde nur unter für sie günstigen Umständen Unterstützung gewähren.

Er trat in den Ereignishorizont und verschwand von der Oberfläche des Planeten.



"Willkommen zu Hause, SG-1", begrüßte General Hammond sein Flagschiff-Team über das Intercom. Er stand am Fenster des Kontrollraumes und sah auf das Tor hinab.

Ein Team von Sanitätern stand bereit und nahm Teal'c ohne Fragen die noch immer bewusstlose Frau ab. Die Männer legten sie auf eine Trage und eine Ärztin begann, ihre Vitalwerte zu prüfen.

"Wen haben Sie da mitgebracht?", fragte Hammond.

"Wir wissen es noch nicht, Sir. Sie scheint Russin zu sein", antwortete O'Neill.

"Russin?", wiederholte Hammond ungläubig. "Besprechung in einer halbe Stunde. Auf die Krankenstation."

"Ja, Sir."

Jack blieb in der Nähe der Trage und folgte mit dem Rest des Teams den Sanitätern.

"Auf die Geschichte bin ich gespannt", murmelte er.


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Nadja öffnete langsam die Augen. Sie war orientierungslos. Doch dieser Zustand überraschte sie nicht. Sie wachte seit Monaten mit dem Gefühl auf, aus einem Alptraum zu erwachen, nur um festzustellen, dass die Realität schlimmer war. Sie gab keinen Laut von sich. Es war nicht gut, Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hatte Hunger, etwas, was sie kaum mehr registrierte, weil sie immer hungrig war. Es gab niemals genug zu Essen. Und niemals etwas Nahrhaftes. Kein Obst, kein Fleisch, nur schmutziges Wasser und widerlicher Brei, in dem Fliegen und Ameisen schwammen.
Erst langsam begann sie zu begreifen, dass sie nicht in ihrer gewohnten Umgebung war. Sie lag nicht auf dem harten, erdigen Boden ihrer Zelle, sondern auf etwas Weichem. Und noch etwas war anders: der Gestank fehlte. Es roch... sauber. Vielleicht hatten der Hunger und die Erschöpfung ihren Sinnen wieder einen Streich gespielt... Sie fühlte sich unwohl. Es war nicht richtig. Irgendetwas war nicht richtig. Der Boden war zu weich, viel zu weich. Ihr Körper wehrte sich gegen das Gefühl, er hatte sich zu sehr an die Umgebung des Gefängnisses angepasst. Vorsichtig, kaum wahrnehmbar, drehte sie ihren Kopf zur Seite und sah sich um. Sie war in einem riesigen, weiten Raum voller Betten und Menschen, die umher liefen. Sie trugen Uniformen, die ihr bekannt vorkamen, doch alles schien so seltsam fremd. Sie selbst lag auf einem der Betten. Sie fühlte sich unsicher und beobachtet. Sie wollte zurück in ihre Zelle, wo sie sich in eine Ecke kauern konnte. Wo sie mit dem Rücken zur Wand sitzen konnte. Plötzlich wurde ihre Hand berührt und sie fuhr zusammen. Sie riss ihren Arm weg und stürzte aus dem Bett. Sofort brach sie zusammen, weil ihr Knöchel sie nicht trug. Doch sie stand wieder auf. Wer am Boden lag, wurde getreten. Sie durfte nicht am Boden liegen.

"Lieutenant! Lieutenant, beruhigen Sie sich!", hörte sie eine Stimme auf sie einreden, die sie schon einmal gehört hatte.

Jemand aus dem Gefängnis, sie war noch im Gefängnis. Sie scheute vor einem Mann in Weiß zurück, der versuchte, nach ihr zu greifen und flüchtete in eine Ecke. Sie stolperte über einen Tisch, auf dem ein Bildschirm stand, doch sie blieb auf den Beinen. Sie durfte nicht fallen.

"La'ka she ma'k!", schrie sie.

"Daniel?", wieder die Stimme.

"Es heißt, fasst mich nicht an."

Englisch. Die Männer sprachen Englisch. Plötzlich erinnerte sie sich... jemand war an ihrer Zelle gewesen. Amerikaner... Und dann war alles um sie herum schwarz geworden...
Einer der Männer begann, auf sie zu zu gehen. Er bewegte sich langsam und bewusst berechenbar. Seine Arme waren leicht ausgebreitet, seine Handflächen nach oben geöffnet.

"Lieutenant, niemand wird Ihnen etwas tun. Sie sind im SCG. Auf der Erde." Es war wieder die Stimme. "Sie sind hier sicher. Sie sind wieder auf der Erde."

Nadjas Atem wurde schneller. Erde. Zu Hause. Sie war zu Hause? Wie oft war sie aufgewacht und hatte geglaubt, in ihrer Wohnung zu sein. Oder in ihrem Quartier auf der Basis. Doch es war nie Wirklichkeit gewesen. Konnte es diesmal wahr sein? Sie wollte es so sehr. Sie sehnte sich so sehr nach ihrem zu Hause. Sie wollte fort aus der Hölle, in der sie gefangen war. Sie betrachtete den Mann. Er war rasiert, seine Haare waren kurz geschnitten, er war sauber. Er kam noch etwas näher. Er roch gut. Aftershave.

"Sie sind in Sicherheit", wiederholte er.

Sie wollte glauben.
Sie überwandt die Distanz, die noch zwischen ihnen war, mit einem Schritt und umklammerte den Mann mit all der Kraft, die sie noch hatte. Sie wollte ihn nicht gehen lassen. Wenn er eine Wahnvorstellung war, wollte sie, dass sie nie vorüber ging. Sie hielt ihn fest, krallte ihre Finger in seinen Rücken, drückte ihren Körper an seinen. Zu Hause. Sie wollte zu Hause sein.

Ende

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