SG-27 by Hyndara71
Summary: Nachdem die Antikerin Vashtu Uruhk auf die Erde gekommen ist und sich ... etwas eingelebt hat, erhält sie ihr eigenes Stargate-Team. OC
Categories: Stargate SG-1, Stargate Atlantis Characters: Own Character
Genre: Action
Challenges: Keine
Series: Stargate: Vineta
Chapters: 16 Completed: Nein Word count: 211605 Read: 99723 Published: 08.03.12 Updated: 06.10.12

1. Das beste Team der Milchstraße by Hyndara71

2. Der Planetenkiller by Hyndara71

3. Schatten by Hyndara71

4. Sturmfronten by Hyndara71

5. Teamwork by Hyndara71

6. Highnoon in Kansas by Hyndara71

7. Die geheime Stadt I by Hyndara71

8. Unter fremdem Einfluß by Hyndara71

9. Neue Verbündete by Hyndara71

10. Inhuman by Hyndara71

11. Tom by Hyndara71

12. Möge der Bessere gewinnen ... by Hyndara71

13. Probleme by Hyndara71

14. Die Einzelkämpferin by Hyndara71

15. Becketts letzter Dienst by Hyndara71

16. Die Falle by Hyndara71

Das beste Team der Milchstraße by Hyndara71
Disclaimer: Stargate gehört MGM, Syfy und keine Ahnung wem noch alles. Diese Fanfiktion ist zum Spaß geschrieben worden.

Author's Note: Da ich im Rahmen der Forums-Diskussion über OCs gefragt wurde, ob ich nicht etwas mehr über meine Figuren erzählen könnte, poste ich jetzt hier die "erste Staffel" von SG-27/SG-V.

Jetzt:

Vier Minuten! Nur vier Minuten! Damit dürfte sie dann den absoluten Minusrekord für Verhandlungen über mögliche Allierte oder Geschäftspartner aufgestellt haben. Seit knapp einer halben Erdenstunde auf dem Planeten und dann das.
Die Entladungen einer Stabwaffe schossen über sie hinweg, ließen sie den Kopf einziehen und geduckt weiterrennen. Im Lauf drehte sie sich um und gab kurze Garben mit ihrer P-90 zurück. Weit vor sich sah sie die anderen ihres Teams laufen, zumindest hörten Wallace und Babbis inzwischen auf sie. Mit dem alten Serge Dorn glaubte sie, weniger Probleme zu haben.
Vashtu Uruhk hechtete hinter einen Findling, um ein bißchen Deckung zu haben. Wenn es so weiterging, würde sie bald von ihren Leuten abgeschnitten sein. Und Dorn mit den beiden Wissenschaftlern allein ... ?
„Mam, soll ich zurückkommen und Sie holen?“ meldete sich der ältere Marine gerade über Funk.
Vashtu drückte kurz die Knöpfe, um ihr Funkgerät auf Sendung zu bringen. „Negativ, laufen Sie zurück zum Tor. Ich komme nach.“
Eine Energieentladung direkt über ihrem Kopf ließ sie zusammenzucken.
Was hatte Landry zu ihr gesagt? Wie hatte John Sheppard SG-27 bezeichnet? Das war lachhaft! Und wahrscheinlich auch genau so von ihm gemeint gewesen.
Vashtu kam wieder auf die Beine, rannte geduckt mit langen Schritten weiter und fand Deckung hinter einem Baum. Aus ihrer Brusttasche fummelte sie den Lebenszeichendetektor, den sie von Atlantis mitgebracht hatte. Zum Glück war er bisher niemandem aufgefallen, sonst hätte man ihn ihr sicher abgenommen.
Zehn von Bulls Männern kamen in einem langem Bogen auf sie zu. In ihrer unmittelbaren Nähe konnte sie einen ausmachen, überlegte kurz, verwarf den Gedanken aber gleich wieder.
Wenn sie Teamleader bleiben wollte, durfte sie es sich nicht vollkommen mit diesen Leuten verscherzen. Auch wenn sie persönlich inzwischen wirklich keinen Wert auf ein möglichen Handel legte. Wer so leicht so wütend wurde ...
Sie gab ihre Deckung auf und huschte geduckt zur nächsten. Irgendwie würde sie auf diese Weise auch voran kommen.

***

Vor 4 Tagen:

General Landry ließ sich hinter seinem Schreibtisch in den altertümlich und gewichtig aussehenden Sessel sinken, seufzte, als er zu ihr hochblickte. „Miss Uruhk.“
Sie blieb auf der anderen Seite des Tisches stehen und zog eine Grimasse. „Ja, Sir.“
Landry beugte sich vor, tippte auf eine recht dicke Akte vor sich. „Was soll ich denn noch mit Ihnen machen? In der Forschung will niemand mit Ihnen zusammenarbeiten, der medizinische Bereich ist zur Zeit überfüllt, und, ehrlich gesagt, hätte ich meine Bedenken. Und innerhalb der letzten Monate mußten wir das komplette Team von SG-15 austauschen, den Leader sogar vier Mal! Und jetzt haben Sie Collins auch wieder irgendwie mundtot gemacht. Sie machen, was Sie wollen, nicht, was Sie sollen. Ist Ihnen das eigentlich klar?“
Vashtu hob etwas hilflos die Schultern, ließ sie dann wieder sinken. „Ich versuche nur zu handeln, wie ich es täte, wenn ich verantwortlich wäre, Sir“, antwortete sie.
Landry sah sie sinnend nickend an, faltete die Hände über der Akte.
Vashtu mußte zugeben, dieser Stapel Papier waren inzwischen um einiges angewachsen. Sie gab sich ja Mühe, aber ...
„Man gab mir zu verstehen, daß Sie, wenn Sie so weitermachen, bald auf Antarktica landen werden. Ich bin mir nicht sicher, ob es Ihnen dort behagen wird, Miss Uruhk. Und ich möchte nicht wissen, was Sie dort noch anrichten können.“
„Sir, ich kam mit einer Aufgabe von Atlantis hierher“, wagte sie endlich zu antworten. „Aber bisher hat man mir nicht die Möglichkeit geboten, diese Aufgabe auch auszuführen. Mir ist klar, daß hier alle fasziniert sind, jemanden wie mich zu treffen, allzu viele von uns gibt es ja nicht mehr. Aber ich versuche mich nur irgendwie einzufügen.“
„Indem Sie Ihren eigenen Kopf durchsetzen?“ Landry hob die Brauen.
„Indem ich versuche zu helfen, Sir“, gab sie prompt zurück.
„Helfen ...“ Der General schien dieses Wort ernsthaft mit dem zu vergleichen, was sie bisher geleistet hatte. Und sie mußte selbst zugeben, es war nicht sonderlich viel.
„Sir, wenn ich erklären dürfte ...“ Ein wenig hilflos sah sie ihn an und wartete.
Landry lehnte sich wieder zurück, winkte ihr, sich ebenfalls endlich zu setzen. „Ich werde es vermutlich bereuen, aber erklären Sie.“
Vashtu nickte eifrig. „Um ehrlich zu sein, Sir, scheint es viele in Ihren SG-Teams zu geben, die nicht sonderlich interessiert an fremder Kultur sind. Aber oft genug ist der einzige Weg, überhaupt angehört zu werden, der, sich dem anderen zu öffnen. Ich versuche das, und habe doch wohl auch schon das eine oder andere aufgespürt, was möglicherweise wichtig sein könnte.“
Widerstrebend nickte der General.
Sie lächelte. „Es ist ja nicht so, als würde ich ständig allein vorpreschen, Sir. Aber ich suche den Kontakt zu den Bewohnern der jeweiligen Planeten. Meines Wissens sollte dies auch überwiegend meine Aufgabe sein. Bisher habe ich jedesmal, wenn ich etwas erfahren habe, meinen Leader darüber informiert. Doch leider erweckten sie auf mich bisher nicht immer den Eindruck, daß sie sonderlich interessiert an dem wären, was man mir zeigen wollte.“
„Ich weiß, daß Sie ein Händchen für fremde Kulturen haben“, wandte Landry ein. „Aber es besteht durchaus ein Unterschied zwischen Nutzen und benutzt werden. Ist Ihnen das auch klar? Sie können nicht ständig irgendwelche Waffen und teure Lieferungen im Austausch für Dinge anbieten, die uns im Kampf gegen die Ori nicht helfen werden. Im Moment suchen wir Technologien, Miss Uruhk, und möchten sie nicht sehr gern hergeben.“
„Die Lucian Alliance sieht das etwas anders. Sie nehmen jeden Planeten, den sie kriegen können, Sir. Die meisten Bewohner dieser Welten sind aber mehr als froh, endlich frei von den Systemlords zu sein und ordnen sich gerade selbst. Die Erde sollte hier helfen, Sir“, entgegnete Vashtu bestimmt.
Landry seufzte. „Gibt es in Ihren Augen noch eine andere Option, oder wollen Sie mir die Pistole auf die Brust setzen? Ich bin nicht der, der entscheidet, Miss Uruhk.“
„Dann schicken Sie mich zurück nach Atlantis.“
Der General schüttelte bestimmt den Kopf. „Das kommt erst recht nicht in Frage. Wir brauchen Sie hier.“
Vashtu seufzte schwer. Diese Antwort hatte sie inzwischen schon einmal zu oft gehört. Irgendwo an ihrem geistigen Horizont schienen ihr in der Sonne glitzernde Eisberge zuzuwinken.
Antarktica.
Landry setzte sich wieder auf, musterte sie nachdenklich. „Ich hatte ein langes Gespräch mit General O'Neill über Sie“, wechselte er jetzt das Thema. „Ich kann ihm zwar nicht ganz zustimmen, aber vielleicht irre ich mich ja.“ Er schob ihre Akte zur Seite und brachte eine andere, ungefähr ebenso dick, zum Vorschein, die er ihr hinhielt.
Vashtu runzelte die Stirn, griff mit einem fragenden Blick danach. Auf dem Pappumschlag stand mit großen Lettern SG-27 geschrieben.
„General O'Neill ist der Meinung, wenn Sie sowieso immer die Führung über Ihr jeweiliges Team an sich reißen, sollten Sie sich doch einmal bewähren. SG-27 ist zur Zeit führerlos und gerade wieder einsatzbereit. Sie werden der neue Leader und P3X-2938 in vier Tagen besuchen, um dort Kontakte zum hiesigen Warlord herzustellen.“
Vashtu blickte irritiert auf und hob eine Braue. „Warlord, Sir?“ In ihrem Kopf ratterte es.
Ihr eigenes Team! Sie hatte ein eigenes Team, endlich! Sie würde verantwortlich für das sein, was auch immer sie finden würden. Sie würde entscheiden. Auf diese Chance wartete sie jetzt seit fast einem Jahr.
Aber ein Warlord? Steckte am Ende wieder einmal die Lucian Alliance dahinter? Wollte die Erde tatsächlich Kontakt zu ihnen?
Landry erhob sich. „Es scheint, er verfügt über etwas, was wir im Kampf gegen die Ori gut gebrauchen könnten. Außerdem sind wir uns nicht sicher, ob er sich dem Verbund angeschlossen hat. Sie werden das herausfinden, Miss Uruhk.“
Vashtu drückte die Akte an ihre Brust und stand ebenfalls auf. Dann fiel ihr ein, was ihr ein Mitglied eines anderen Teams in der Kantine gesagt hatte.
„Lt. Colonel Sheppard war Leader von SG-27 bei seinem kurzen Aufenthalt auf der Erde, nicht wahr?“ Sie lächelte.
Landry nickte. „Ja, das war er. Und seiner Meinung nach war dieses Team das beste der ganzen Milchstraße.“

***

Jetzt

Vashtu warf sich hart gegen den Grashügel, während über ihr eine Salve nach der anderen in die Erde einschlug.
Jetzt reichte es! Sie ließ sich ja so eine Jagd eine Zeitlang gefallen, aber allmählich verlor sie die Geduld.
Sie aktivierte ihren Detektor, drehte sich dann um und schlich, tief hinter die Büsche geduckt, zurück.
Bulls Männer hatten sie von ihrem Team abgeschnitten. Sie hätte es sich ja schon denken können, daß soetwas passieren würde, immerhin hatte sie den Beschuß auf sich gezogen, um Dorn zu ermöglichen, die Wissenschaftler zum Tor zu führen. Aber so hatten sie nicht gewettet.
Vashtu näherte sich der Stellung ihres Angreifers. Sie nutzte jede Deckung, die sie finden konnte, den Mann schon im Auge. Sie steckte den Detektor wieder ein und hob die P-90. Mit einem leisen Klicken schaltete sie die Waffe von Automatik auf manuell, um Einzelschüsse abgeben zu können, schlich sich durch das dünne Unterholz näher. Dann sprang sie auf und schoß gezielt. Die P-90 bellte drei Kugeln aus. Und zumindest eine traf. Der Mann, der auf sie geschossen hatte, wurde durch die Wucht herumgewirbelt und brach zusammen. Vashtu mußte sich zwingen, nicht zu knurren.
Sie schlich kurz zu seiner Stellung, um zu überprüfen, daß er auch wirklich außer Gefecht gesetzt war, dann trabte sie zurück auf den Weg zu ihren Männern.
„Mam, alles in Ordnung?“ meldete Dorn sich.
„Alles bestens, es steht Eins zu Null für uns. Wie sieht es am Tor aus?“
„Negativ. Wir sind abgeschnitten. Es gibt da eine kleine Senke, zirka 700 Schritt östlich. Dort warten wir auf Sie, Mam.“
Wieder aktivierte sie den Detektor, stützte ihre Waffe mit dem Unterarm und kontrollierte die Richtung.
Wenn sie sich beeilte, würde sie es schon schaffen, ehe es zu noch einem Zwischenfall kommen würde. Allerdings würde sie mit Babbis eine kleine Diskussion zu führen haben.
Vashtu trabte los.

***

Nach der Wanderung

Sie betrat nach Loyla das niedrige Holzhaus, fand sich in einer gemütlichen Stube wieder. Es war sehr warm und roch nach Rauch.
Als sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah sie sich aufmerksam um. Dies war das Hauptquartier des hiesigen Warlords, für sie sah es allerdings eher wie ein Gasthaus aus. Einige schwere Holztische standen in dem Raum verteilt, Bänke und Stühle um sie herum. Becher und Steine beschwerten diverse Papiere. Am anderen Ende des Raumes zog sich eine schmale Theke hin, die jedoch unbesetzt war.
„Okay, wir verhalten uns unauffällig und versuchen, Informationen zu bekommen“, wandte sie sich an ihre Gruppe. „Dorn, Sie bleiben bei der Tür, nur für den Fall der Fälle.“
Der grauhaarige Marine nickte, lehnte sich an die Wand und nutzte sein Sturmgewehr als Armstütze.
Dr. James Wallace, einer der beiden Wissenschaftler, hatte das Ende ihres ersten Satzes schon nicht mehr gehört. Er eilte Loyla nach. Soweit Vashtu es verstanden hatte, wollte sie ihm irgendein Problem zeigen. Ihr sollte es recht sein. Dr. Babbis folgte den beiden.
Sie drehte sich um und ging zu dem Ecktisch hinüber, an dem ein stiernackiger Mann mit finsterem Gesicht saß. Nach der netten Loyla sollte dies der Unterhändler sein, mit dem sie in Verhandlungen treten konnte.
Vashtu setzte ein unverbindliches Lächeln auf, schob sich die Riemen ihres Rucksacks von den Schultern. „Ich bin Vashtu Uruhk“, stellte sie sich vor und neigte den Kopf. „Wir kommen, wie besprochen, von der Erde, um über die Waffe zu verhandeln, die ihr gefunden habt.“
Die stechenden Augen des Mannes ließen sie nicht eine Sekunde aus den Augen, während sie sich das Uniformhemd vom Körper streifte und auf ihren Rucksack legte. Darunter trug sie einen dunklen Militärpullover. Die Hemdjacke behinderte sie und erschien ihr viel zu groß. Aber bisher hatte sie noch keine Möglichkeit gehabt, sich des ungeliebten Kleidungsstücks zu entledigen.
„Ihr habt schöne Frauen auf der Erde.“ Die Stimme des Mannes war dunkel und voll.
Vashtu streifte ihre Überlebensweste wieder über und ließ sich, nach einem auffordernden Blick von ihm, auf einem Stuhl ihm gegenüber nieder. „Ich komme nicht von der Erde“, entgegnete sie. „Aber ich nehme es als Kompliment. Danke. Und du scheinst ein starker Mann zu sein.“
Der Fremde grunzte nickend.
Sie faltete die Hände vor sich auf dem Tisch, sah ihm fest in die Augen. Wenn er dachte, er würde ein leichtes Spiel mit ihr haben, würde er eine Überraschung erleben.
„Also, ich gehe nicht davon aus, daß du Bull der Schlächter von Nathea bist“, fuhr sie fort. „Will er nicht mit mir reden?“
Der Mann beugte sich vor. „Und was sagt dir, daß ich nicht Bull bin?“
Vashtu lächelte zuckersüß. „Du hast zu wenig Gefolge. Wenn du Bull wärst, würden die Frauen dich umschwärmen, starker Mann. Aber Loyla hat dich kaum eines Blickes gewürdigt. Also kannst du nicht Bull sein.“
Er nickte. „Gut erkannt, hübsche Frau, die nicht von der Erde kommt. Bist du Teil des Handels?“
„Mich würdet ihr nicht haben wollen, glaub mir.“ Kurz aktivierte sie die Iratus-Zellen in sich, beugte sich vor, daß das Licht auf ihre Augen fallen konnte.
Der Mann zuckte zurück, sein Gesicht war bleich geworden.
Vashtus Lächeln wurde breiter. „Ich mag eine Frau sein, aber ich bin auch eine Kriegerin. Die Erde hat mich hergeschickt, damit ich mir ansehe, was ihr gefunden habt und euch den Wert dieses Gegenstandes nenne. Den Preis, den die Erde bereit ist zu zahlen.“
Der Mann sah sie immer noch abschätzend und ein wenig angewidert an, nickte aber. „Wie du willst, Vashtu Uruhk. Ich werde deine Worte an Bull weitergeben.“
„Ich bitte darum und werde warten.“ Sie kreuzte die Arme vor der Brust.
Er sah überrascht aus, doch er erhob sich und ging.
Dann brach plötzlich hinter ihr das Chaos aus ...

***

Jetzt

Der Schlag traf sie unvorbereitet und ließ kurz Sterne vor ihren Augen tanzen. Ihr Kinn fühlte sich taub ab. Sie verstärkte den Druck auf die Schultern ihres Gegners und versuchte ihn unten zu halten. Ein kurzer Handkantenschlag und der Mann rührte sich nicht mehr. Vashtu überlegte einen Moment, ob sie ihn nicht vielleicht doch erschießen sollte. Doch damit würde sie ihre Position zu erkennen geben.
Sie griff sich seine Schlangenwaffe, harkte sie in eine Schlaufe ihrer Weste und robbte dann, die P-90 stützend, den kleinen Hügel hinauf, ließ sich in die Senke rollen und landete mitten zwischen ihrem Team.
Irritiert sah sie zu Wallace hinüber, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den rechten Knöchel hielt, dann kroch sie auf der anderen Seite den niedrigen Hang hinauf, wo Sergeant Dorn noch immer die Stellung hielt.
„Drei zu Null“, flüsterte sie ihm zu, während sie das Fernglas aus einer ihrer Taschen kramte. Vorsichtig lugte sie über den Abhang, das Gerät an die Augen gedrückt, und sah zum Tor hinüber.
„Schlimme Sache“, bemerkte Dorn.
Mindestens ein Dutzend Männer hatte Bull dort postiert. Allein würde sie sich vielleicht durchschlagen können, aber ...
Sie rutschte etwas hinunter und wälzte sich auf den Rücken. Stirnrunzelnd sah sie zu Wallace.
„Was ist passiert?“ wisperte sie.
Der Wissenschaftler blickte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. „Ich bin hier reingefallen.“
„Scheint sich den Knöchel verrenkt zu haben. Kann nicht auftreten“, ergänzte Dorn.
Vashtu nickte sinnend, dann fiel ihr Blick auf Babbis, der versuchte, seinem Kollegen Erste Hilfe zu leisten. Ihre Brauen schoben sich zusammen.
„Was haben Sie Bull gesagt?“ fragte sie.
Babbis sah nun ebenfalls auf. „Ich habe gar nicht mit ihm gesprochen!“ protestierte er lauter, als er sollte.
Vashtu rutschte den Hang ganz hinunter, kniete sich vor ihm hin. „Ich war schon weitergekommen, als er plötzlich reinkam. Und er war ziemlich wütend, wie Sie sicherlich auch bemerkt haben dürften. Also, was haben Sie gesagt?“
Babbis preßte die Lippen aufeinander. „Ich sagte doch, mit ihm habe ich gar nicht gesprochen, bis er mich plötzlich am Kragen hatte“, entgegnete er.
„Irgendwie fällt es mir schwer, das zu glauben“, sagte Vashtu. „Immerhin habe ich Sie erst einmal von ihm trennen müssen. Was war los?“
„Sie benehmen sich schon wieder wie Colonel Sheppard“, murmelte Babbis.
„Dann benehme ich mich eben wie er. Ich bin der Leader, schon vergessen? Was war los?“
„Loyla erzählte uns von einem ihrer Bullen, mit dem sie immer Schwierigkeiten hätte. Ich meinte bloß, sie könne ihn ja kastrieren lassen“, berichtete Wallace.
Vashtu war verblüfft, mußte ein Lachen unterdrücken.
Ein Bulle!
Seufzend wandte sie sich ab und schüttelte den Kopf. Sie hätte die Akten doch lesen sollen.

***

Vor drei Tagen:

Vashtu blickte sich etwas hilflos um. Natürlich stand ihr als Anführerin eines eigenen SG-Teams ein Büro zu, aber was sie damit anfangen sollte, hatte ihr noch niemand so richtig erklärt. Ihre Berichte konnte sie immerhin, wie sie es bisher getan hatte, auch in der Kantine oder zu Hause schreiben.
Der Raum wirkte groß und bedrückend auf sie, mit einem gewaltigem Schreibtisch und zwei nicht mehr ganz frischen Bürostühlen. Einige Regale waren an den Wänden aufgehängt, aber weitestgehend leer. Auf dem Putz konnte sie noch Reste von Klebefilmen und die Schatten von Bildern sehen. Und der amerikanische Präsident hing direkt über ihrem Sitzplatz.
Vashtu legte die Team-Akte auf den Schreibtisch, musterte noch einmal den Raum.
So groß war er doch nicht, aber ziemlich groß. Das bedrückende Gefühl hing einfach damit zusammen, daß es kein Fenster gab.
Seufzend zog sie die Hemdjacke aus und hängte sie über den Besucherstuhl.
Jemand klopfte.
Sie drehte sich um und sah einen Schatten an der Tür. „Nur herein.“
Ein älterer Mann mit grauem Haar trat ein und salutierte.
„Ich gehöre nicht zum Militär, das können Sie sich sparen ...“ Sie zögerte kurz, bis ihr der Name einfiel. „Sergeant Dorn.“
„Mam.“ Der ältliche Marine ließ die Hand sinken. „Man sagte mir, Sie wollten mich sprechen.“
Vashtu nickte, setzte sich auf ihren Schreibtisch und bot ihrem Gast einen der Stühle an. „Ich würde mein Team gern kurz kennenlernen, ehe wir losziehen. Ich hoffe, das bereitet Ihnen keine Unannehmlichkeiten.“
Dorn zögerte einen Moment, dann ließ er sich auf dem Besucherstuhl nieder. Das Gestell ächzte.
Vashtu hob eine Braue und machte sich eine geistige Notiz, sich von irgendwoher neue Stühle zu besorgen. So schwer war der Sergeant nun auch wieder nicht. Das Geräusch klang in ihren Ohren eigentlich mehr nach Altersschwäche.
„Sie sind wie lange in SG-27?“ fragte sie.
Dorn sah sie kurz fragend an. „Gerade versetzt worden. Früher SG-9. Das Team wurde aufgelöst.“
Vashtu nickte verstehend, beugte sich leicht vor. „Sie haben also schon einige Erfahrung, das ist gut. Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann, sollte etwas unvorhergesehenes passieren.“
Dorns Augen waren grau, aber dunkler als sein Haar. Jetzt schloß er sie halb und nickte. „Ich bin Waffenexperte, Mam. Da dürfte es keine Probleme geben, wenn Sie mir nicht in den Weg kommen.“
Aha.
Vashtu richtete sich wieder auf und kreuzte die Arme vor der Brust. „Inwieweit sind Sie über mich informiert, Sergeant Dorn?“
Der Marine zögerte, zog die Wangen ein. „Man sagte mir, Sie seien ... etwas anders als wir.“
Vashtu nickte. „Ich bin eine genmanipulierte Antikerin, Dorn. Ich komme aus Atlantis.“
Überrascht sah er auf. Sie lächelte.
„Ich weiß nicht, wie weit Sie über die Probleme in der Pegasus-Galaxie informiert sind, Sergeant. Es gibt dort Gegner der Menschheit, die mit nichts zu vergleichen sind, mit dem Sie bisher hier auf der Erde zu tun hatten. Bevor Atlantis aufgegeben wurde, habe ich gegen diese Feinde gekämpft.“
Dorn musterte sie aufmerksam, sagte jedoch nichts.
„Ich lag zehntausend Jahre in Stasis, Sergeant, bis ich durch die Ankunft Ihrer Expedition aufgeweckt wurde. Dann versuchte ich, dem dortigen Team zu helfen und wurde schließlich auf die Erde geschickt. Hier scheint man meine Hilfe auch zu brauchen, wenn ich vielleicht auch ... Nun, meine Methoden scheinen nicht immer sehr konform mit denen zu gehen, die hier angewendet werden.“
Dorn nickte zögernd, sagte noch immer nichts.
„Unser Team, SG-27, besteht aus den beiden wissenschaftlichen Mitarbeitern Dr. Peter Babbis und Dr. James Wallace, Ihnen und mir. Ich werde als Beraterin geführt, doch sollten wir in Gefechte verwickelt werden, können Sie sich auf mich verlassen. Wenn Sie Waffenexperte sind, umso besser. Das eine oder andere können Sie mir dann vielleicht noch erklären.“
Dorn nickte wieder. „Klingt gut und fair, Mam“, sagte er endlich.
Der Mann war ihr sympatisch.

***

„Dr. Peter Babbis, freut mich, Sie kennenzulernen.“ Seine Hand war feucht und kalt, Druck übte er so gut wie gar nicht aus. Sie fühlte sich, als habe sie einen toten Fisch in ihrer Rechten, zog sie vorsichtig zurück und bot ihm einen Sitzplatz.
Babbis ließ sich das nicht zweimal sagen. Mit großen, staunenden Augen sah er sie an.
Vashtu fühlte sich wie ein Tier in einem Zirkus, den sie vor kurzem besucht hatte. Doch sie beschloß, erst einmal gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
„Es tut mir leid“, Babbis gestikulierte ein wenig hilflos. Irgendwie erinnerte er sie plötzlich an jemand anderen. „Ich bin nur so aufgeregt, daß es wieder losgeht. Sie können sich nicht vorstellen, wie aufre... Oh, Sie können das wahrscheinlich.“
Wenig überzeugend nickte sie. „Und Sie sind ... ?“ Sie neigte den Kopf und hob fragend die Brauen.
Babbis schien einen Moment lang irritiert zu sein, dann strahlte er sie wieder an. „Ich besitze ein abgeschlossenes Maschinenbaustudium und arbeite gerade an meiner Disertation in Mathematik, Miss Uruhk. Daß ich mit Ihnen reden kann!“
Skeptisch nickte sie.
Er schien ihr noch sehr jung, dafür, daß er ja Mitglied eines SG-Teams war. Bisher war ihr noch nicht aufgefallen, daß es viele so junge Männer wie ihn hier gab. Allerdings wirkte auch sie um einiges jünger als sie war. Aber wie sollte eine über zehntausend Jahre alte Antikerin auch aussehen?
„Sie können also Maschinen auseinandernehmen und auch wieder reparieren?“
Babbis schien nicht gerade glücklich über ihre Worte. „Die Sache liegt meistens doch ein bißchen anders, Miss Uruhk. Maschinen sind einfach mehr als grobe, unbeseelte Klötze. Es kann sehr kompliziert sein, sie zu reparieren. Und gerade die Technik Ihres Volkes ...“
„Ja.“ Sie zog dieses Wort in die Länge.
Irrte sie sich, oder hatte sie hier wirklich eine jüngere Ausgabe von Rodney McKay vor sich.
„Sie waren bereits in SG-27, als Lt. Colonel Sheppard das Team leitete?“ fragte sie, versuchte sich damit selbst abzulenken.
„Er hatte nur einen Einsatz mit uns, der in einem Debakel endete.“ Babbis winkte ab. „Aber was erzähle ich Ihnen, Sie kennen ihn doch selbst.“
Vashtu war nun aber doch neugierig geworden. „Sind Sie in ein Gefecht geraten?“
„Ein Gefecht? Gott bewahre, nein! Es gab einen Unfall, bei dem Dr. Wallace sich verletzte.“
Einen Unfall?
Allmählich nagten leichte Zweifel an ihr. Hatte Landry ihr vielleicht einen Bärendienst erwiesen, als er sie zur Teamleiterin machte?

***

Als Dr. Wallace endlich ihr Büro betrat, war Vashtu überzeugt, in einen Alptraum geraten zu sein. Kaum war der schmale, junge Wissenschaftler zur Tür herein, als ihm auch schon der Kaffeebecher aus der Hand fiel und er sich seine Hemdjacke bekleckerte. Durchdringender Geruch verbreitete sich in dem Raum. Andere mochten ihn würzig oder aromatisch finden, sie dagegen mochte ihn nicht.
„Sie müssen Dr. Wallace sein?“ begrüßte sie ihn.
Hilflos blickte er sich nach etwas um, womit er den Kaffeesee vor seinen Füßen aufwischen konnte.
„Lassen Sie das jetzt gut sein“, fuhr sie im freundlichsten Tonfall fort, den sie aufzubringen vermochte. „Setzen Sie sich. Ich möchte gern mit Ihnen ein paar Worte wechseln.“
Wallace blickte auf. „Tut mir leid“, murmelte er.
Vashtu nickte und wies auf den Besucherstuhl.
Er trat in die Kaffeepfütze, als er sich endlich entschloß, ihrer Aufforderung zu folgen.
Sie seufzte ergeben und wartete.
Ungeschickt setzte er sich. Der Stuhl knarrte wieder verdächtig.
„Dr. James Wallace, richtig?“
Er nickte, knetete die Hände in seinem Schoß.
„Und Sie sind Doktor in ... ?“ fragend sah sie ihn an.
„Agrarwissenschaften“, platzte es aus ihm heraus.
Vashtu lehnte sich zurück. Ihr war nicht entgangen, daß seine Aussprache wohl etwas feucht war.
„Ich komme aus dem Mittleren Westen. Meine Eltern haben dort eine Farm. Sie wissen sicher, wie man unsere Gegend auch nennt.“
Vashtu runzelte die Stirn. Hatte sie da gestern nicht etwas in den Nachrichten gehört. „Tornado Alley?“
Wallace dunkle, feuchte Augen starrten sie entsetzt an. „Nein, nein, nein!“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Wir sind die Kornkammer der Vereinigten Staaten.“
„Ah ja.“
Was hatte das jetzt mit dem Stargate-Programm zu tun?
Vashtu war sich nicht ganz sicher, was sie von dieser Vorstellung halten sollte. Sie beschloß, sich erst einmal nicht mehr darum zu kümmern und das Thema zu wechseln.
„Sie sind schon länger bei SG-27?“
Wallaces Gesicht verfinsterte sich. „Sie meinen Lt. Colonel Sheppard? Ja, den kenne ich. Er hat mich mit einer Schlangenwaffe betäubt.“
Um ihn von weiteren Unfällen abzuhalten?
Vashtu musterte ihren Gast wieder und wartete.
„Ich hatte mir den Knöchel verstaucht, Miss Uruhk, darum wurden weitere Expeditionen durch das Stargate ausgesetzt“, fuhr Wallace fort. „Ich traf ihn und ein paar andere in den Gängen und fragte sogar noch, ob er ohne mich losziehen wollte. Das nächste, was ich weiß ist, daß ich in einer Gerätekammer aufwachte. Der Lt. Colonel war weg ... zurück nach Atlantis!“
„Und hat die Stadt aus den Händen der Replikatoren befreit“, fügte Vashtu hinzu, ein bißchen Stolz in sich wachsen fühlend.
Wenn sie damals hier gewesen wäre, sie hätte sich ohne zu zögern John und den anderen angeschlossen. Vielleicht hätte sie danach in der Pegasus-Galaxie bleiben dürfen? Vielleicht ...
„Ich höre aus Ihrer Stimme, daß Sie nicht einverstanden sind mit dem, was Lt. Colonel Sheppard getan hat.“
„Er hat direkte Befehle ignoriert, Mam!“ Wallace richtete sich auf. „Ich gehöre zwar nicht zum Militär, aber soetwas wird bei mir nicht vorkommen. Darauf können Sie sich verlassen.“ Die Stuhllehne brach ab.
Vashtu hob nachdenklich die Brauen.

***
Jetzt

„Mam!“
Sie hörte ein Rumpeln, wandte sich von Babbis ab und kroch den Abhang vorsichtig wieder hinauf. Dorn hatte seinen Feldstecher gezückt und beobachtete etwas, was am Gate vor sich ging.
„Sieht übel aus.“
Sie zückte ihr Fernglas und hielt es sich wieder vor die Augen.
Den Weg entlang, den sie vorhin zu Bulls Unterkunft genommen hatten, rumpelte jetzt ein Karren, gezogen von vier Rindern, die hintereinander gespannt waren.
Vashtu betrachtete das, was sich auf diesem Gefährt befand.
Daß es sich um eine Waffe handelte, war unschwer zu erkennen. Nur hatte sie soetwas bisher noch nicht gesehen.
„Was ist das?“ zischte sie Dorn zu.
„Eine Flag der Goa'uld.“
Sie nickte, stellte ihren Feldstecher schärfer. „Sieht aufgemotzt aus“, murmelte sie dann, tippte dem Militär auf die Schulter und ließ sich an seiner Seite ein Stück hinunterrutschen.
„Übel, Mam.“ Dorn nickte andächtig.
„Was ist denn los? Was ist das für ein Krach?“ fragte Babbis.
Vashtu rammte unwillig den Kopf auf die sandige Erde und runzelte die Stirn. Dann zwang sie sich nachzudenken.
Wenn sie die Waffe nicht ausschalten konnten, sah es wirklich sehr übel für sie aus. Dann war das Gate entgültig für sie gesperrt. Und die Frage war, ob eine eventuelle Verstärkung durchkommen würde. Oder würde Landry sie hier zurücklassen?
Nein, das glaubte sie nicht. Und im Moment fühlte sie sich in ihrem Stolz auch verletzt. Auf Verstärkung warten ... Nicht solange sie noch hoffen konnte, es auch allein zu schaffen.
Die Frage war allerdings, inwieweit sie es allein schaffen konnten. Bei sich selbst und dem Serge hatte sie weniger Bedenken. Er war ein alter Soldat, der sich vielleicht auf eine ruhige Gruppe gefreut hatte, aber immerhin wußte, was er tat. Aber die beiden Wissenschaftler ... Nun ja, der eine Wissenschaftler. Wallace fiel jetzt wohl endgültig aus.
Sie sah Babbis nachdenklich an, drehte sich dann zu Dorn um. „Kommen Sie hier ein paar Minuten allein klar?“
Der Sergeant sah sie mit einem amüsierten Zug um die Lippen an. „Wenn's sein muß.“ Er nickte.
Sie lächelte, griff nach ihrer P-90 und kontrollierte das Magazin. Mit einer Hand tastete sie nach dem Reservemagazin, dem letzten, das ihr noch geblieben war. Dummerweise hatte sie den Rucksack mit der restlichen Ausrüstung zurücklassen müssen.
„Passen Sie auf die beiden auf.“
Vorsichtig kroch sie den Abhang wieder hinauf, linste kurz über die Krone und ließ sich dann zur Seite herunterrollen bis zu einem Dornengestrüpp. Dann machte sie sich auf den Weg.

***

Was im Hauptquartier weiter geschah:

Als Vashtu herumfuhr, sah sie als erstes die riesenhafte Gestalt mit dem wirren roten Vollbart und den schwarz-glänzenden Augen, die eine zappelnde Gestalt am Kragen gepackt hielt. Dann erst ging ihr auf, daß die Tür, die vorher nach hinten geführt hatte, nicht mehr da war. Sie lag am Boden, und der Riese stand auf ihr. Als letztes registrierte sie, wer die Gestalt war, die da so hilflos zappelte: Babbis!
Ehe sie überhaupt begriffen hatte, was sich da abspielte, hatte sie bereits ihre Beretta im Anschlag.
„Keine Bewegung“, hörte sie Dorn von der Tür grollen und war beeindruckt, wie tief und entschlossen seine Stimme klang.
Wallace taumelte jetzt hinter dem Riesen durch die Türöffnung. Er wirkte benommen.
Vashtu legte sehr sorgfältig auf den Eindringling an. „Laß den Mann los!“ befahl sie mit kalter Stimme.
Bull, der Rothaarige konnte nur Bull sein, so wie die anderen vor ihm zurückwichen, schüttelte Babbis gründlich durch.
„Laß den Mann los!“ Vashtus Stimme klang wie Eis.
Wallace taumelte auf sie zu. Sie nickte ihm kurz, damit er aus ihrer Schußlinie verschwand. „Zum Sergeant, los!“ befahl sie ihm.
Wallaces Blick schien sich zu klären. Er starrte sie einen Moment lang an, dann änderte er tatsächlich seine Richtung.
Bull schien endlich zu registrieren, daß er nicht allein war. Er musterte sie von oben bis unten. Sein Gesicht verzog sich zu einem hämischen Grinsen. Mit einem Ruck zog er Babbis an sich heran.
Vashtu trat vorsichtig, Schritt für Schritt, näher. „Ich sagte, du sollst den Mann loslassen. Er gehört zu mir.“
„Willst du auf mich schießen, kleine Frau?“ Bull lachte verächtlich.
„Dorn, wir gehen zum Stargate zurück“, sagte Vashtu betont ruhig und sachlich. „Nehmen sie Wallace mit. Babbis und ich kommen gleich nach.“
„Mam.“
Sie hörte, wie sich die Außentür öffnete. Den Blick noch immer unverwandt auf Bull gerichtet, die Beretta im Anschlag.
„Zum letzten Mal, laß den Mann los, dann wird niemand verletzt und wir gehen“, sagte sie.
Babbis schien allmählich zu verstehen, was vor sich ging. Seine albernen Versuche, sich von Bull zu lösen, stellte er ein. In seinen Augen stand Angst.
„Das wagst du nicht, kleine Frau. Du wirst nicht deinen eigenen Mann erschießen.“
Vashtu lächelte kalt. „Sicher?“
Sie zog den Abzug durch und riß im gleichen Moment die Waffe nach unten. Die Beretta bellte einmal kurz, dann folgte unmittelbar der Schrei. Bull führte auf einem Bein einen irren Schmerzenstanz auf.
Vashtu nutzte die momentane Verwirrung, hetzte die letzten Schritte vor und riß Babbis los, während sie mit der geballten Faust, in der sich der Lauf der Beretta befand, so daß ihn der Griff treffen mußte, auf Bulls Magen einschlug. Der Riese klappte zusammen wie ein Taschenmesser.
„Raus hier!“
Sie wirbelte herum, Babbis im Schlepptau und raste los.

***

Jetzt

Vashtu glitt durch die Büsche näher auf den ihr am nächsten stehenden Mann zu.
Sie mußte vorsichtig sein, weil die Wachen vor dem Tor in Sichtweite voneinander standen. Aber sie hatten nur diese Chance. Das Geschütz war zu gut bewacht, das würde sie allein nicht schaffen. Und Dorn konnte sie nicht von den beiden Wissenschaftlern abziehen, so gern sie es auch getan hätte. Sie mußten jetzt durch das Tor, ehe es zu spät war.
Als sie in der günstigsten Position war, tastete sie nach der Zat, die sie erbeutet hatte. Die vertrauteren Waffen von der Erde machten zuviel Krach.
Die Handwaffe war nicht mehr da. Sie mußte sie verloren haben.
Vashtu unterdrückte einen Fluch, tastete statt dessen nach dem Messer und zog es.
Dann duckte sie sich so tief wie möglich, versenkte die Klinge unter ihrer Hand. Unvermittelt sprang sie den Mann von hinten an, schlug mit dem Knauf auf seinen Hinterkopf.
Mit einem leisen Stöhnen sank er zu Boden. Eilig zerrte sie ihn in das Gebüsch zurück und wartete.
Nichts.
Vashtu atmete tief ein, huschte im Schutz der Büsche weiter, so tief gebeugt, wie es nur ging. Ihre relative Größe kam ihr dabei ganz gut zu statten. Vor allem unterschätzten mögliche Angreifer sie nur zu gern.
Der nächste in der Reihe.
Vashtu beobachtete ihn genau, sah sich dann aufmerksam um, das Messer wieder in der Hand. Sie kauerte sich zusammen, um genug Schwung zu holen, und schnellte hoch.
Und in diesem Moment drehte der Wächter sich um.
Vashtu sah das Licht der Waffe, fühlte Hitze an ihrem Arm, wurde zurückgerissen und herumgeschleudert.
Verdammt!
„Hier sind sie, hier!“
Sie fluchte in ihrer Muttersprache, glitt zurück in den Schatten und trat den Rückzug an, während sie die Schritte der anderen Wächter hörte, die sich ihrer Stellung näherten. Sie gab eine Salve von Schüssen nach hinten ab, um ihren Rückzug zu sichern, und schlug einen Bogen um dem Hügel mit der Senke.
Wo war sie unvorsichtig gewesen? Warum hatte dieser Idiot sich nur so plötzlich umgedreht?
Sie wußte es nicht, doch sie schätzte, sie hatte zu lange gezögert.
Im Schutz des Hügels kroch sie wieder zu ihrer Stellung zurück, ließ sich in die Senke rollen und mußte einen Schmerzenslaut unterdrücken, als sie auf ihrem verwundeten Arm zu liegen kam.
„Zwei ausgeschaltet.“ Dorns Stimme klang beeindruckt.
Babbis sah sie groß an, als sie sich, ihren Arm haltend, wieder aufrappelte. „Aber leider einen Anschlußtreffer“, knirschte sie, kroch zu dem Sergeant hinauf. „Haben sie bemerkt, wohin ich verschwunden bin?“
Dorn schüttelte den Kopf.
„Sie sind verletzt!“ entfuhr es Babbis endlich.
Dorns Interesse richtete sich sofort auf ihren Arm. Sie winkte ab. „Nur ein Streifschuß. Das wird schon.“
Der Sergeant griff in seine Überlebensweste und zog einen Verband daraus hervor. „Lassen Sie mal sehen.“ Ohne auf ihren Einwand zu achten, packte er ihren Arm und schob den Ärmel hoch.
Vashtu, die jetzt die Verletzung selbst ansehen konnte, mußte leider zugeben, daß ein Streifschuß etwas anders aussah. Ihr Oberarm wies eine häßliche Verbrennung auf, in deren Mitte sich eine ordentliche Fleischwunde befand. Der Knochen schimmerte an einer Stelle hervor.
Ohne ein Wort zu verlieren band Dorn ihr den Verband über die Wunde, zog ihn so fest er konnte, ohne die Blutzufuhr abzuschnüren.
„Und was machen wir jetzt?“ ließ Babbis sich vernehmen.
Vashtu bewegte den Arm ein wenig. Es ging. Und sie konnte fühlen, wie ihre Wraith-Zellen bereits die Arbeit aufnahmen. Die Wunde prickelte. Binnen relativ kurzer Zeit würde sie sich regeneriert haben. Und dann mußte sie sehen, wie sie ihre Leute hier herausbrachte.
„Noch drei Stunden“, sagte Dorn.
Vashtu warf ihm einen bösen Blick zu. „Wir brauchen keine Verstärkung. Irgendetwas fällt uns schon ein.“
Dorn zuckte mit den Schultern, kroch den Abhang wieder hinauf, um seine Wache erneut aufzunehmen.
Vashtu tastete vorsichtig über den Verband. Die Schmerzen hatten bereits nachgelassen. Dann spürte sie Babbis' Blick auf sich und sah auf. „Was?“
Der Wissenschaftler wies auf ihren Arm. „Das sieht böse aus.“
Sie zuckte mit den Schultern. Vor zehntausend Jahren, als sie sich auf Wraith-Schiffe geschmuggelt hatte, die Atlantis belagerten, hatte sie mehr einstecken müssen. Ein- oder zweimal hatte sie selbst gezweifelt, ob sie wieder nach Hause kommen würde. Dagegen war das hier einfach nur lächerlich.
Es ärgerte sie, daß ihr Plan nicht funktioniert hatte. Irgendeinen Fehler hatte sie begangen, aber sie wußte immer noch nicht welchen.
Sie wandte sich um, ohne Babbis weiter zu beachten, und kroch an die Seite von Dorn.
„Sie bringen die Flag in Stellung.“
Vashtu beobachtete das Treiben am Tor mit ihrem Feldstecher, biß sich auf die Lippen. Irgendetwas mußte ihr doch einfallen. Irgendetwas mußte dieses Monster von einer Waffe doch abhalten können!
„Meinen Sie, das Ding kann überhaupt noch schießen? Sieht ziemlich fremdartig aus“, murmelte sie, den Blick noch immer auf die Waffe gerichtet.
„Schätze schon. Sieht nicht aus, als hätten sie am Rohr herumgefummelt.“
Vashtu drehte sich wieder auf den Rücken, starrte in den Himmel hinauf.

***

Nach der Flucht

„Sie haben auf mich geschossen!“ warf Babbis ihr vor.
Vashtu lugte um den Felsen herum, hinter dem sie Schutz gesucht hatte. Dorn und Wallace lagen hinter einem anderen, in Rufweite.
„Wie konnten Sie soetwas tun? Sie hätten mich treffen können! Sie benehmen sich wie Colonel Sheppard!“ wütete Babbis weiter.
„Das letzte nehme ich als Kompliment“, knurrte sie, drehte sich zu dem Wissenschaftler um. „Ich hatte nicht Sie im Visier, falls Sie das tröstet.“
Babbis starrte sie einen Moment lang nach Luft schnappend an, dann verfinsterte sich sein Gesicht. „Ich dachte, unter der Leitung einer Frau, die keinen militärischen Hintergrund hat, könnte ich besser arbeiten. Aber das scheint eine Fehleinschätzung gewesen zu sein. Sie benehmen sich wie ... wie ...“
Sie beugte sich vor, funkelte ihn an. „Vielleicht sollte ich Sie das nächste Mal zurücklassen, Babbis!“ zischte sie.
Der Wissenschaftler zuckte zurück.
Sie nickte. „Dann halten Sie jetzt endlich Ihren Mund und lassen mich nachdenken.“ Sie spähte wieder um die Ecke und erstarrte.
Oh nein! Weit über zwanzig Männer verließen das Gebäude und schwärmten aus.
Wenn sie bis jetzt vielleicht noch gehofft hatte, sie könnte die Lage irgendwie wieder einrenken, damit war es vorbei. Das sah eher nach einem kleinen Krieg aus.
„Was haben Sie angestellt, Babbis?“ Sie klopfte auf ihr Funkgerät. „Rückzug zum Gate, Dorn. Und nehmen Sie Wallace und Babbis mit. Ich decke uns nach hinten.“

***

Jetzt

Da war doch etwas gewesen. Sie hatte doch etwas gesehen.
Vashtu starrte in den wolkenverhangenen Himmel, bis es ihr einfiel: Der Frachter!
Sie gab Dorn ein stummes Zeichen und rutschte an seiner Seite wieder in den Kessel zurück.
Babbis und Wallace blickten auf, sagten aber nichts.
„Was haben wir noch an Munition?“ fragte Vashtu leise.
Dorn kramte in seinen Taschen und zauberte noch zwei Reservemagazine für sein Sturmgewehr hervor, außerdem noch ein Magazin für seine Handwaffe und vier Granaten.
Vashtu breitete ihrerseits die mageren Reste vor sich auf dem Boden aus. Ihr wurde schnell klar, daß sie die P-90 wohl oder übel zurücklassen mußte, harkte sie aus und legte sie Dorn hin. Der schob ihr dafür das Ersatzmagazin der Handwaffe hin. Die Granaten teilten sie unter sich auf.
„Was planen Sie denn jetzt wieder für einen Irrsinn?“ ließ Babbis sich endlich vernehmen.
Dorn blickte sie ebenfalls fragend an, sagte aber nichts. Doch in seinen Augen stand wieder sehr deutlich Belustigung.
Vashtu brachte die beiden Granaten noch unter, ehe sie aufblickte. „Bull hat doch das Schiff. Und das wird bestimmt Waffen an Bord haben.“
„Lernen Sie denn nicht dazu? Sie sind schon verwundet!“ Babbis wies auf ihren verbundenen Arm.
Vashtu zog eine Braue hoch. „Das ist nicht schlimm.“
„Oh ja, natürlich!“ Babbis schnaubte und kreuzte die Arme vor der Brust.
Er w a r eine jüngere Ausgabe von McKay. Anders konnte sie sich ihn nicht erklären.
„Das wird nicht leicht, Mam.“ Dorns Stimme drückte nun doch leichten Zweifel aus.
Vashtu zog ihren Detektor aus der Tasche und schaltete ihn ein. Stirnrunzelnd las sie die Daten ab.
„Was ist das?“ Babbis reckte den Hals.
Sie stopfte das kleine Gerät wieder in ihre Brusttasche. „Nichts von Bedeutung. Dorn, Sie halten die Stellung. Versuchen Sie weiterhin, nicht aufzufallen und passen Sie auf. Wenn ich in zwanzig Minuten nicht zurück bin ... Ich komme zurück.“ Sie richtete sich ein wenig auf, zögerte dann aber und drehte sich noch einmal um. „Was war das für ein Ding?“
„Goa'uld Frachter“, kam die einsilbige Antwort von Dorn.
Vashtu nickte, dann glitt sie wieder aus dem Kessel heraus. Ihr Arm schmerzte nun endgültig nicht mehr.

Während der Wanderung

„Willkommen. Ich bin Loyla, fünfte Ehefrau von Bull dem Schlächter.“ Die dunkelhaarige, schlanke Frau neigte den Kopf.
Vashut tat es ihr nach und lächelte. „Ich danke dir für dein Willkommen.“
Loyla musterte sie interessiert, hob dann den Arm zu einer einladenden Geste. „Bull wird jeden Moment eintreffen. Seid solange meine Gäste.“
Babbis und Wallace sahen sich interessiert um, Dorn wirkte etwas gelangweilt. Vashtu ließ sich bis zu ihm zurückfallen. „Passen Sie auf die beiden auf, ja?“ wisperte sie.
Der Marine nickte stumm, sein Sturmgewehr als Armstütze mißbrauchend, und wanderte stoisch weiter. Doch Vashtu entging nicht, daß er die beiden Wissenschaftler nicht mehr aus dem Auge ließ.
Sie beschleunigte ihre Schritte wieder und schloß zu Loyla auf. Diese lächelte ihr freundlich entgegen.
„Du bist eine schöne Frau. Allein das wird Bull betören. Eine gute Wahl von eurem Anführer“, sagte sie.
Vashtu runzelte die Stirn. „Ich bin eigentlich nicht hierher gekommen, um mit Bull anzubändeln. Ich soll hier Verhandlungen über eine Waffe führen, die er aufgetrieben hat“, entgegnete sie. Sie wußte, würde sie jetzt die Augen schließen, würde sie Lt. Colonel John Sheppard aus der Finsternis hinter ihren Lidern auftauchen sehen. Und solange er dort war ...
Loyla nickte. „Verstehe, du bist gebunden.“ Sie zögerte kurz, ehe sie fortfuhr: „Dennoch wird Bull sicher eher auf euer Angebot eingehen als wäre dieser Major Limes wiedergekommen.“
Vashtu hob die Brauen.
Sie hätte wirklich die Akte lesen sollen statt nur den Kopf. Irgendwie schien ihr eine Menge entgangen zu sein.
„Entschuldigung, Loyla“, hörte sie plötzlich die Stimme von Wallace hinter sich, „dieses Getreide, es sieht fast aus wie Weizen. Aber es scheint mir dennoch keines zu sein. Wie hoch sind denn die Erträge?“
Die Fremde schien überrascht und wandte sich dem Wissenschaftler zu.
Vashtu seufzte, froh darüber, nicht weiter über ihr Unwissen nachgrübeln zu müssen. Statt dessen ließ sie sich wieder etwas zurückfallen, um an Dorns Seite weiterzugehen und sich einmal die Umgebung genauer ansehen zu können.
„Ein bißchen nicht von dieser Welt, dieser Wallace“, stellte Dorn fest.
Vashtu nickte und beobachtete die beiden, die inzwischen in eine rege Diskussion vertieft waren. Babbis ging kurz hinter ihnen, schien jedes Wort genau anzuhören.
In diesem Moment verdunkelte ein großer Schatten den Himmel.
Vashtu blickte irritiert auf und sah ein Schiff, dunkel gegen die dichten Wolken, über ihnen dahinfliegen. Ein Schiff, wie sie es noch nicht wirklich gesehen hatte. Sie erinnerte sich nur an irgendwelche Pläne, die ihr irgendwann einmal vorgelegt worden waren.
„Cool!“ entfuhr es ihr.
Dorn folgte ihrem Blick. „Goa'uld Frachter“, bemerkte er desinteressiert.

***

Jetzt

Vorsichtig schlich sie sich an die geöffnete Ladeluke des Frachters heran, preßte sich dann eng gegen das kühle Metall und lauschte. Hier draußen war nur eine Wache aufgestellt gewesen, doch die hatte sie rasch und geräuschlos ausgeschaltet.
Sie hob die Beretta und rutschte langsam näher an die Luke heran. Von drinnen waren Stimmen zu hören. Eine, dann eine zweite. Ansonsten Stille.
Mit zwei Leuten würde sie fertigwerden. Und dieses Mal würde sie keinen Fehler machen. Sie war weit genug vom Sternentor entfernt, um schießen zu können, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und selbst wenn die Schüsse gehört würden, wären Bulls andere Männer nicht so schnell bei ihr.
Sie zückte wieder den Detektor und betrachtete die Anzeige.
Nein, es waren drei, soweit sie feststellen konnte. Der letzte befand sich tiefer im Inneren des Schiffes. Aber auch das dürfte kein Problem sein.
Sie steckte den Detektor wieder ein, ging in Position. Die Stimmen waren deutlich näher. Sie linste kurz um die Ecke, um den genauen Standort zu überprüfen. Dann holte sie tief Atem und wirbelte nach vorn, in das Schiff hinein und schoß.
Der erste fiel, ohne überhaupt eine Chance zu haben, der zweite wollte wohl tiefer ins Schiff eindringen, jedenfalls erwischte sie ihn in der Drehung. Er schlug hart auf und blieb liegen.
Vashtu glitt vorsichtig weiter, suchte sich an den Wänden Deckung.
Irgendwo würde der dritte Mann sein, aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich mit dem Detektor um ihn zu sorgen. Sie würde sich einfach auf ihren Instinkt verlassen müssen.
Langsam schlich sie weiter, sich eng an die Wand drückend, bis zum nächsten Durchgang. Dabei fiel ihr auf, wie verwinkelt dieses Schiff war. Hatte Bull daran auch herumgespielt oder sahen die Frachter der Goa'uld immer so aus?
Als sie durch den Durchgang hechten wollte, traf sie ein Schlag von der Seite, ließ sie beinahe zurücktaumeln. Blitzschnell hatten die Wraith-Zellen reagiert und ihr zusätzliche Standfestigkeit verliehen.
Abwehrend hob sie den Arm, leider den stärkeren linken, und mußte mit Rechts zuschlagen. Doch damit hatte der Angreifer wohl gerechnet. Er versetzte ihr einen tiefen Schnitt am Arm. Die Klinge prallte gegen den Knochen und die Waffe fiel ihr aus der Hand. Dann traf ihr Fausthieb, warf ihn zurück.
Vashtu dachte gar nicht an die Wunde, stürzte hinterher und trat zu, gerade als der Fremde eine Zat auf sie richten wollte. Sie hörte die Knochen in seiner Hand bersten, als ihr bestiefelter Fuß ihn traf. Die Waffe wurde ihm aus der Hand geschlagen und er blieb wimmernd liegen.
Sie packte ihn am Kragen und riß ihn hoch. „Waffen! Gibt es hier Waffen?“ schrie sie ihn an, zog ihn noch höher.
Dem Mann ging plötzlich auf, daß seine Füße kaum noch den Boden berührten. Entsetzt schrie er jetzt erst recht, nachdem er einen Blick in ihr Gesicht geworfen hatte.
Vashtu preßte die Lippen fest aufeinander und schüttelte ihn einmal kräftig durch. „Gibt es hier Waffen?“
„Ein Geschütz“, wimmerte der Fremde. „Vorn auf der Brücke.“
Sie lächelte zufrieden und stieß ihn von sich. Er krachte gegen die Wand und rutschte diese bewußtlos herunter.
Sie blickte sich um, hob dann schließlich die Waffen auf. Aufmerksam betrachtete sie dann die Anzeige auf dem Detektor, doch sie konnte nichts feststellen. Dann schlich sie weiter und betrat einen neuen Raum.
Ein großes Außenfenster, eine Steuerkonsole ... Das mußte die Brücke sein.
Vashtu steckte den Detektor wieder ein und begab sich zum Pilotensitz, betrachtete ihn kritisch.
Wie flog man so ein Ding? Es schien nicht auf ihre Gedanken zu reagieren wie die Puddlejumper auf Atlantis. Auf der anderen Seite hatte sie auch schon ein irdisches Flugzeug steuern dürfen, einen Jäger, dessen Typenbezeichnung ihr gerade nicht einfiel. Naja, sie war in einem Simulator geflogen, wenn sie genau sein wollte.
Ein Schlag traf sie in den Rücken, ließ sie nach vorn taumeln, ehe sie sich wieder fangen konnte und herumwirbelte.
Der Mann stand hinter ihr, einen langen Stab in den Händen, dessen beide Enden mit unterschiedlichen Gewichten bewehrt zu sein schienen. Eine Stabwaffe!
Vashtu brachte sich rasch außer Reichweite der Energiewaffe, warf sich nach vorn und versuchte, das Mittelstück zu fassen zu kriegen. Es war der Mann, den sie gerade niedergeschlagen hatte. Er mußte doch nicht so hart auf die Wand aufgekommen sein, wie sie gedacht hatte und war wieder zu sich gekommen.
Vashtu rang mit ihm um die Waffe. Ihr kam ihre fremdartige Kraft ein wenig zu gute, doch viel half es im Moment nicht. Immer wieder versuchte er, an den Auslöser der Waffe zu kommen und sie wegzuschieben. Ihr Blick wurde kalt, als sie die fremden Gene wieder bewußt zu steuern begann und ihrem Körper noch mehr Kraft zugeführt wurde.
Sie riß ihm den Stab aus den Händen und stieß mit dem kleineren Ende zu. Um ganz sicher zu gehen jagte sie ihm noch einen Energiestoß hinterher, ehe sie sich aufrichtete und wieder sie selbst wurde.
„Cool!“ Beeindruckt betrachtete sie die fremdartige Waffe. Kein Wunder, daß man ihr diese bisher nicht zugestanden hatte. Auf einem anderen Planeten, bei einer ihrer ersten Missionen, hatte sie zum Spaß mit einigen Jaffa einen kleinen Wettkampf abgehalten, mit Stäben, nicht mit Waffen. Sie kannte die Berichte ihrer Teammitglieder nicht, doch sie wußte, danach war das Thema Stabwaffe nie aufgegriffen worden.
Ihr Team!
Sie nahm die Waffe mit, betrachtete wieder den Pilotensitz, ließ sich schließlich etwas skeptisch darauf nieder und versuchte zunächst, das Schiff mit ihren Gedanken zu starten. Nein, das gelang nicht wirklich.
Dann also anders.
Sie tastete ein wenig herum, ehe sie fand, was sie suchte. Die Triebwerke sprangen an. Die Steuerelemente schienen ihr sehr simpel, sie würde wenig Probleme bekommen. Sie mußte nur noch die Waffe finden.
Der Reihe nach versuchte sie die verschiedenen Schalter und Knöpfe, die sie vor sich sah, bis sich ein gleißender Energiestrahl in die Bäume vor dem Schiff fraß.
Keine Zieleinrichtung?
Vashtu runzelte die Stirn.
Bull schien auch an diesem Schiff etwas herumgebaut zu haben. Entweder sie fand das Programm nicht, oder er hatte es schlicht vergessen und vertraute darauf, daß sein Pilot und Schütze gut genug zielen konnte. Das sollte ihr auch gleich sein.
Sie ließ das Schiff vom Boden abheben, schloß die Hecklucke und beschleunigte in Richtung ihrer Männer.

***

Vor einer Stunde

Ihr Herz klopfte schneller, als sie den Torraum betrat, in dem der Rest von ihrem Team bereits auf sie wartete, und auch General Landry.
Lächelnd grüßte sie und nickte ihrem Team zu.
Ihre erste Mission, und sie wollte dafür sorgen, daß es keine Zwischenfälle gab. Sie würden herausfinden, ob dieser Bull der Schlächter ein Mitglied der Lucian Alliance war, sich diese merkwürdige Waffe ansehen, die er gefunden haben wollte und ohne weitere Verzögerung wieder zurückkehren. Zeitlimit vier Stunden. Das dürfte reichen.
Landry sah sie lächelnd an und reichte ihr die Hand. „Ich wünsche Ihnen viel Glück, Miss Uruhk. Und denken Sie daran: Keine Extra-Touren. Rein, handeln und wieder raus.“
„Wird schon schiefgehen, Sir“, antwortete sie. „Ich denke nicht, daß wir Probleme bekommen werden.“
Landrys Brauen hoben sich. „Sie haben die Akte nicht gelesen, nicht wahr?“

***

Jetzt

Ihr Team lag unter Beschuß. Irgendjemand hatte sie entdeckt.
Vashtu biß sich auf die Lippen. Die Angreifer waren zu nahe, sie würde die Waffe des Frachters nicht gebrauchen können dafür. Aber sie konnte zumindest die Flag ausschalten.
Sie machte einen Probeanflug, konzentrierte sich genau auf das Ziel. Das mußte reichen. Aus den Augenwinkeln sah sie, daß das Geschütz sich auf sie ausrichtete.
Okay, dann mußte dieser Schuß ein Treffer werden. Dieses Schiff war alles andere als wendig. Wenn sie mehr als einen Versuch brauchte ...
Sie flog eine Kurve, hielt sie so eng wie möglich und nahm wieder Fahrt auf. Dann konzentrierte sie sich auf die Waffe, die sie unter Beschuß nehmen wollte. Der vordere Lauf begann aufzuglühen.
Sie pendelte, so gut es ging, den Frachter auf eine gerade Linie ein, legte den Finger an den Schalter.
Wie weit reichten diese Goa'uld-Waffen wohl? Sie hatte keine Ahnung.
Männer versammelten sich um die Flag und nahmen sie unter Beschuß. Netter Versuch!
Sie drückte ab. Augenblicklich flammte ein Energieblitz vor ihr auf und brannte sich in die festgetretene Erde vor dem Tor. Rasch zog sie den Frachter wieder hoch und drehte noch eine Kurve. Um ganz sicherzugehen.
Sie hatte getroffen! Doch ihre Männer lagen immer noch unter Beschuß.
Vashtu fluchte, beschleunigte wieder, in der Hoffnung, die Angreifer weglocken zu können, doch die hatten sich offensichtlich auf die leichtere Beute versteift. Und sie konnte nicht schießen, ohne ihr Team zu gefährden.
Ein kurzes Stück in den Wald hinein landete sie, kümmerte sich nicht um die Bäume, die sie mit ihrem Manöver fällte und zerquetschte. Eilig sprang sie aus dem Pilotensitz und rannte los, während die Ladelucke hinten sich langsam absenkte.
Was konnte sie tun? Das Weglocken schien ja nicht geklappt zu haben. Also mußte sie anders vorgehen.
Im Lauf kontrollierte sie ihre Ausrüstung und bemerkte, daß sie die Stabwaffe zurückgelassen hatte. Eine Chance weniger. Aber ob sie mit dem Ding wirklich so präzise auf Anhieb schießen konnte ... ? Dafür hatte sie die Zat und die Beretta - und die beiden Granaten. Ein Plan nahm in ihrem Kopf Gestalt an.

***

Kurz darauf gab sie rasch nacheinander einige Schüsse ab und wartete. Wenn sie auch nur ein paar von den Angreifern fortlocken konnte ...
Tatsächlich erschienen drei Mann, bewaffnet mit futuristisch anmutenden, umgebauten Goa'uld-Waffen in den Händen an der Stelle, an der sie die Leuchtfackel plaziert hatte.
Vashtu huschte durch das Unterholz zurück, hockte sich hinter einen Felsen und hielt die Luft an. Eine Millisekunde später detonierten die beiden Granaten, die sie nahe bei der Fackel im Boden vergraben hatte. Sie glaubte, Schreie gehört zu haben, doch dann war nichts anderes mehr als Stille.
Vorsichtig lugte sie um den Felsen herum. Von Bulls Männern war nichts mehr zu sehen, nur ein relativ tiefer Krater, aus dem noch Rauchschwaden aufstiegen. Letzte Brocken aufgerissene Erde fielen zu Boden.
Hinter sich hörte sie wieder das Rattern des Sturmgewehrs und das hellere Bellen ihrer P-90, huschte zurück zu dem niedrigen Hügel und sah die beiden letzten Männer dort, die versuchten, das Versteck zu stürmen. Sie hatten sich hinter dem Dornenbusch verschanzt.
Die P-90 war inzwischen verstummt, doch das Sturmgewehr feuerte noch immer.
Vashtu zog sich hinter einen Baumstamm zurück und bedachte kurz die Lage. Dann stürzte sie vor, riß die Zat hoch und sprang auf die Angreifer zu. Die beiden wurden nach einigen in die Leere gehenden Schüssen getroffen und sanken bewußtlos zusammen.
Sie konnte ihren Sturz nicht richtig auffangen und knallte hart mit der Schulter auf. Die Waffe entglitt ihr und sie biß die Zähne fest aufeinander und kniff die Augen zusammen. Erst nach zwei oder drei Atemzügen wagte sie es, die Lider wieder zu heben und besah sich den Schlamasel.
Dorn hatte sich aufgerichtet und sah zu ihr hinunter. Anerkennend nickte er.
Vashtu rollte sich seufzend auf den Rücken und starrte in den Himmel hinauf. Zumindest hatten sie ein Schiff erbeutet ...

***

Drei Stunden später

Wallace stützend und düster vor sich hinbrütend trat Vashtu als erste durch das Tor, fand sich auf der Rampe im Stargate-Center wieder, wo sie ein erwartungsvoll dreinblickender General Landry erwartete.
Ein Sanitäter-Team stand bereit, wie sie es verlangt hatte, nahm ihr jetzt den doch recht schweren Wissenschaftler ab und ließ sie unverrichteter Dinge stehen.
„Nun, Miss Uruhk“, wandte Landry sich an sie, „haben Sie etwa den Ori allein den Krieg erklärt?“
Vashtu sah ihn einen Moment lang dumpf an. Ihre Kiefer mahlten vor unterdrückter Wut.
„Nein, Sir“, antwortete sie endlich. „Wie verabredet haben wir mit den Unterhändlern Bulls Kontakt aufgenommen. Doch Dr. Wallace verärgerte Bull den Schlächter, so daß uns weitere Verhandlungen leider nicht mehr möglich waren. Bull nahm Dr. Babbis als Geisel, doch es gelang, ihn aus dessen Gewalt zu befreien. Wir wollten durch das Gate zurückkehren zur Erde, doch dieses war inzwischen von seinen Leuten umstellt, so daß wir Deckung suchten. Dabei fiel Dr. Wallace in eine Senke und verstauchte sich den Knöchel. Bull ließ währenddessen eine Goa'uld-Flag gegen uns auffahren, die wir ausschalten mußten, um an das Tor zu gelangen. Mithilfe eines älteren Frachters schalteten wir das Geschütz aus und konnten Bulls Männer außer Gefecht setzen. Seine Mitgliedschaft in der Lucian Alliance dürfte damit bestätigt sein. Ein zweites Schiff startete, als wir uns wieder dem vereinbarten Verhandlungsort nähern wollten. Die Gespräche über die angebliche Superwaffe sind damit gescheitert ... und die Waffe selbst zerstört. Es handelte sich um nichts anderes als eine umgebaute Goa'uld-Flag, Sir.“
Landry sah sie an, als erwarte er noch etwas. Als sie schwieg nickte er. „Bull konnte entkommen?“ fragte er.
Vashtu zögerte, atmete tief ein. „Nein, Sir, er kam bei einer Detonation ums Leben, bei der auch die Flag zerstört wurde.“
Landry sah sie forschend an, dann trat er zur Seite. „Ich erwarte Ihren Abschlußbericht, Miss Uruhk. Ich denke, Sie wissen, was jetzt geschehen wird.“
Antarktica!
Vashtu nickte mit zusammengepreßten Lippen und senkte den Kopf.
Ihre erste Mission war in einem Desaster geendet. Sie war als Leader gescheitert und würde wohl auch keine zweite Chance erhalten. Selbst wenn man ihr ein, bis auf Dorn, sehr bescheidenes Team gegeben hatte.
Mit schweren Schritten ging sie die Rampe hinunter, den Kopf weiter gesenkt.
Sie hatte soviele Pläne und Träume gehabt, war so voller Enthusiasmus gewesen. Sicher, SG-27 mochte nicht das beste Team der Milchstraße sein. Aber sie hatte zumindest ab und an das Gefühl gehabt, sie hätte ihrer Männer im Griff. Wenn man ihr mehr Zeit einräumen würde ...
„General, Sir“, meldete sich plötzlich Babbis zu Wort, „ich weiß nicht genau, was gerade vorfällt. Aber ich weiß, daß es nicht die Schuld von Miss Uruhk war, daß die Mission scheiterte. Als Anführerin hat sie sich sehr gut geschlagen.“
Überrascht sah Vashtu auf und drehte sich halb um. Babbis erwiderte ihren Blick nervös, knetete seine Hände. Auf seinem Gesicht waren hektische Flecke.
Landry drehte sich zu ihr um und lächelte sie amüsiert an. „Wer sagt denn, daß die Mission gescheitert ist? Ich erwarte Sie zum Briefing, sobald Dr. Wallace wieder einsatzfähig ist, Miss Uruhk.“
Ungläubig starrte sie den Leiter des Stargate-Centers an.
Der Planetenkiller by Hyndara71
Die Sonne schien warm vom Himmel, eine sanfte Brise strich über die Wiesen und ließ die Blätter an den Bäumen rauschen. Nicht weit entfernt wiegte sich das fast reife Korn im Wind. Eine schmale, unbefestigte Straße wand sich durch dieses Idyll. Tiefe Wagenspuren hatten sich in die, von der Sonne gebleichten Erde gegraben.
Über diese Straße wanderten zwei Gestalten, die so gar nicht in diese Landschaft zu passen schienen: Ein schlacksiger Mann in Militärjacke, der einen Rucksack auf dem Rücken trug und dadurch leicht nach vorn gebeugt ging, was ihm das Aussehen eines stacksenden Storchs verlieh. Und eine schlanke Frau in Schnürstiefeln, Militärhose und einem schwarzen T-Shirt, worüber sie eine Überlebensweste trug. Eine P-90 hing von der Weste, auf der sie beide Arme locker gestützt hatte. Auf ihrer Nase saß eine dunkle Sonnenbrille und die Brise strich durch ihr wirres kurzes Haar, zerzauste es mit der Sanftheit eines Liebhabers noch weiter.
Vashtu Uruhk reckte das Kinn in die milde Luft und ging mit halbgeschlossenen Augen entspannt weiter. „Ich liebe das einfach: Die Sonne scheint, eine laues Lüftchen weht dir um die Nase und du kannst einfach entspannen. Vielleicht sollte ich auf diesem Planeten meinen Urlaub verbringen.“ Sinnend lächelte sie, ließ mit ihren schmalen Augenschlitzen den Weg vor ihnen jedoch nicht aus den Augen.
„Ich habe empfindliche Haut“, murrte Dr. Peter Babbis an ihrer Seite, ruckte an den Gurten des Rucksacks. „Bestimmt pellt sich bald meine Nase.“
„Kommen Sie, Dr. Babbis, so furchtbar ist es hier nun auch wieder nicht. Wir hätten es schlimmer treffen können als den Antanern einen Teil ihrer Ernte abzuschwatzen.“
Babbis knurrte etwas unverständliches. „Warum haben Sie mich eigentlich mitgenommen?“
Vashtu grinste. „Sollte ich etwa Wallace mitnehmen?“
„Er ist der Agrarwissenschaftler, nicht ich.“
Sie nickte. „Aber bei ihm besteht immer die Gefahr einer Katastrophe, Dr. Babbis. Bei Ihnen habe ich da etwas mehr Vertrauen. Sie können nur unausstehlich sein.“
Babbis starrte sie einen Moment lang sprachlos an, dann reckte er den Hals. „Ich bin nicht unausstehlich, sondern nur gewissenhaft und ehrlich.“
Vashtus Mundwinkel zuckten. „Natürlich, Doc.“
„Sie benehmen sich schon wieder ...“
„Danke für das Kompliment.“ Sie grinste wieder breit.
Die Straße verlief nun eine sanfte Steigung hinauf. Dahinter, so hatte man ihnen mitgeteilt, sollte das Dorf der Antaner liegen.
„Wollen Sie eigentlich nicht wieder Ihren komischen Apparat herausholen?“ Babbis reckte den Hals.
„Meinen Energiedetektor? Wozu?“ Sie atmete die frische, würzige Luft tief ein. „Auf dieser Welt leben Menschen, die sich gerade auf dem Stand des Mittelalters bewegen. Ich rechne nicht mit einer großen Energiequelle. Sie etwa?“ Sie warf ihm einen scheelen Blick zu.
Babbis kniff die Lippen zusammen.
Vashtu blickte wieder nach vorn. „Natürlich, in der Pegasus-Galaxie gibt es die Genii, die sich nach außen auch wie im Mittelalter benehmen“, warf sie ihm den nächsten Brocken hin.
„Genii?“
Vashtu nickte. „Aber da es keine Wraith in der Milchstraße gibt, dürfte die Gefahr relativ klein sein, hier auf irgendwelche verborgenen Techniken zu stoßen.“
„Sie wollen mich wieder einmal auf den Arm nehmen.“ Babbis schnaubte.
Vashtus Brauen zuckten, doch jetzt schwieg sie und ging entspannt weiter, die Steigung hinauf.
„Was hat es mit diesem Detektor eigentlich auf sich? Warum machen Sie ein so großes Geheimnis daraus?“ bohrte Babbis weiter.
„Weil er aus Atlantis ist, deshalb. Und jetzt können sie zu Landry gehen und mich verpetzen. Ich habe ihn eingesteckt, als ich herkam. Meines Wissens sind die einzigen Detektoren auf der Erde in den Händen der Wissenschaftler, die die Geräte auseinandernehmen. Und genau darum lasse ich meinen gern mein Geheimnis sein. Sie hätten ihn eigentlich gar nicht sehen sollen, Doc.“ Sie schob sich die Sonnenbrille auf die Nasenspitze und blinzelte ihm verschwörerisch zu. „Anfangen können Sie sowieso nichts mit ihm. Er funktioniert nur bei Menschen, die das ATA-Gen tragen - und bei Antikern.“
„Und woher wollen Sie wissen, ob ich nicht auch das Gen trage?“ brauste Babbis auf.
Vashtu grinste, schob die Sonnenbrille wieder vor die Augen. „Haben Sie sich testen lassen?“
Babbis verstummte plötzlich.
Vashtu nickte, reckte ihr Kinn wieder gen Himmel. „Na also. Wie groß ist denn die Chance, daß Sie dieses Gen tragen? Meines Wissens nicht sehr groß. Ihr Menschen mögt ...“ Unvermittelt brach sie ab und hob den Arm.
„Ich habe mich nicht testen lassen, weil ich bisher keine Zeit dafür hatte.“
Unwillig schüttelte sie den Kopf und starrte nach vorn, den Arm noch immer zur Seite ausgestreckt, um Babbis aufzuhalten.
„Was ist denn?“ fragte der ungeduldig, richtete seinen Blick jetzt ebenfalls nach vorn.
„Das i s t ungewöhnlich“, sagte Vashtu ruhig und musterte das gewaltige Nichts, das sich vor ihnen ausbreitete.
Dort, wo ihrer Info nach hätte das Dorf der Antaner sein sollen, schien der Planet wie abgeschnitten. Sie konnte direkt in den Weltraum hineinsehen. Wenn sie sich über die Kante beugte, dessen war sie sicher, würde sie bis zum Kern blicken können, lehnte sie sich nur weit genug nach vorn. Es war, als habe jemand ein gewaltiges Stück aus diesem Himmelskörper geschnitten. Ein ziemlich gewaltiges Stück.

***

„Wozu brauchen Sie denn einen Geologen, Miss Uruhk?“ General Landrys Stimme klang mißtrauisch.
Vashtu verzog das Gesicht, kreuzte nachdenklich die Arme vor der Brust. „Tja, wie soll ich das sagen? Es gibt hier eine etwas merkwürdige Anomalie, Sir. Und die würde ich gern untersuchen lassen.“
„Sie sollen mit den Antanern einen Handel abschließen, Miss Uruhk, und nicht im Gestein wühlen“, entgegnete Landry.
Vashtu musterte das aktivierte Sternentor. Wenn er sie jetzt nur nicht von hier abzog! Sie wollte selbst herausfinden, was dieses Phänomen ausgelöst hatte. Und sie ahnte, wenn sie jetzt mit der Wahrheit herausrückte, würde sie schneller wieder auf der Erde sein, als ihr lieb war.
„Sagen wir, die Antaner haben mich auf diese Anomalie aufmerksam gemacht, Sir.“ Sie verzog das Gesicht wieder wegen der dicken Lüge, die sie ihm da gerade aufgetischt hatte. „Und wir würden gern herausfinden, um was es sich handelt.“
„Lügen Sie mich an, Miss Uruhk?“ Landrys Stimme klang weiter mißtrauisch.
„Ich doch nicht, Sir!“ Sie kreuzte zwei Finger hinter ihrem Rücken und bemerkte Dorns amüsierten Blick.
Der Marine hatte es sich neben dem Gate gemütlich gemacht und sich jetzt während ihres Funkkontaktes interessiert aufgesetzt. Wahrscheinlich hörte er jedes Wort mit.
Landry seufzte. „Um was für eine Anomalie handelt es sich?“
Vashtu zögerte. Jetzt durfte sie keinen Fehler machen, sonst landete sie schnurstracks wieder auf der Erde. „So eine Art Einschlag, Sir. Keine Ahnung, was das war.“
„Soso, Sie wissen also nicht, was auf einem Planeten einschlagen kann, wie?“
„Ein Asteroid war es nicht, Sir, soviel kann ich sagen. Und eben deshalb würde ich das gern von einem Geologen überprüfen lassen. Natürlich nur, wenn Sie nichts dagegen haben, Sir, General, Sir.“
„Also gut, ich schicke Ihnen Professor Sage. Er wird in einer knappen Stunde eintreffen. Können Sie damit leben?“
Vashtu grinste breit. „Ja, Sir.“
„Und in fünf Stunden möchte ich Sie, Ihr Team und den Professor gern wohlbehalten und gesund wieder hier im SGC sehen, Miss Uruhk. Ist auch das angekommen?“
„In fünf Stunden kehren wir zurück, Sir, verstanden. Uruhk Ende.“ Sie unterbrach die Verbindung des Stargate und seufzte erleichtert.
„Ganz schön dicke Lüge, Mam“, ließ Dorn sich vernehmen.
Sie warf dem Marine einen Blick zu. „Was wäre denn passiert, wenn ich die Wahrheit gesagt hätte, Serge? Man hätte uns sofort zurückbeordert.“
Dorn nickte stumm.
„Landry traut uns nichts zu, das ist eine Tatsache. Und ich würde gern etwas an unserem Ruf im SG-Center arbeiten“, setzte sie hinzu.
Dorn hob die Brauen.
„Ich weiß, was Sie denken. Unsere beiden Anhängsel ... wo sind die eigentlich?“ Forschend blickte sie sich um, fand die beiden Wissenschaftler schließlich am Rande eines Feldes und seufzte erleichtert.
„Wallace ist nicht von dieser Welt“, bestätigte Dorn ruhig.
„Und Babbis leidet unter einem etwas übersteigerten Selbstwertgefühl, wenn Sie mich fragen. Aber leider kenne ich jemanden, den diese Diagnose ebenfalls trifft - im noch schlimmeren Maße.“ Sie setzte ihre Sonnenbrille wieder auf und blinzelte in den Himmel hinein. „Solange ich ihn in meinem Team habe, kann ich ihn vielleicht ein bißchen stoppen. Dann wird er nicht ganz so unausstehlich wie McKay.“ Sie blickte auf ihre Armbanduhr und kontrollierte noch einmal den Sonnenstand. „Wir haben noch fast den ganzen Tag. Ich gehe schon einmal vor und sehe mir diese Sache noch einmal an, Serge. Wenn der Professor kommt, schicken Sie ihn mir bitte nach.“
Dorn brummte zustimmend.

***

Vorsichtig näherte sie sich der Bruchkante, lugte hinüber und betrachtete das schwarze Nichts des Weltalls unter sich. Mit der Lampe der P-90 versuchte sie, etwas Licht in das dunkle Gestein zu bringen, aber dafür hatte sie definitiv den falschen Platz gewählt. Sie konnte kaum etwas sehen, abgesehen davon, daß diese Kante scharf geschnitten wie mit einer Rasierklinge war.
Sich auf die Lippen beißend trat sie einen Schritt zurück, harkte die Waffe wieder ein und holte den Detektor aus ihrer Brusttasche. Vashtu hob überrascht die Brauen, als das Gerät plötzlich wie irr begann zu piepen und einen riesigen Energiekleks anzeigte - über ihr.
Wo kam denn eine solche Anzeige her? Noch dazu auf einer Welt, deren einzige Bewohner noch nicht einmal das Schießpulver erfunden hatten.
Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte gen Himmel, kniff die Augen zusammen. War da nicht ein ein finsterer Punkt im schwarzen Weltraum? Sie hob den Detektor und richtete ihn auf den vermeintlichen Flecken. Und tatsächlich sprang das kleine Antikergerät darauf an.
Gut, da oben war also die Energiequelle. Das allerdings war ein kleines Problem, denn sie war hier unten. Und dieser Punkt sah nicht so aus, als käme er auf gutes Zureden zu ihr hinunter.
Voller Sehnsucht dachte Vashtu an den Puddlejumper, der, in seine Einzelteile zerlegt, in einem Lagerraum des SGC stand. Oder noch besser, an die reich gefüllte Base auf Atlantis. Was würde sie jetzt nicht darum geben, wenigstens ein Fluggerät zu haben, und sei es nur eine F-302!
Seufzend steckte sie den Detektor wieder ein und hockte sich hin, so nahe an der Abbruchkante wie möglich. Mit den Fingern fuhr sie vorsichtig über die Kante. Ein absolut sauberer Schnitt, als hätte den Planeten, wie ein irdischer Apfel, ein Messer geschnitten. Weder konnte sie eine Verbrennung erkennen noch erfühlen. Es war, als sei ungefähr ein Viertel des Himmelskörpers einfach ... ja, was?
Als sie Schritte hinter sich hörte, erhob sie sich wieder und drehte sich stirnrunzelnd um. „Professor Sage?“ fragte sie, als sie den Mann in mittleren Jahren sah, der über die Straße zu ihr hochkeuchte.
Der nickte, wischte sich mit einem Tuch über die schweißbedeckte Stirn. „Sehr erfreut. Wir kennen uns, glaube ich, noch nicht.“
Sie trat näher, nahm ihn den Gerätekoffer ab, den er offensichtlich vom Gate bis hierher geschleift hatte. „Sie hätten Sergeant Dorn oder Dr. Babbis mitnehmen sollen“, tadelte sie ihn sanft, stellte den Koffer an einer relativ ebenen Stelle ab.
Sage musterte sie stirnrunzelnd. „Sie habe ich wirklich noch nie gesehen. Wo ist denn Ihre Uniform?“
Vashtu lächelte verschmitzt. „Ich gehöre nicht zum Militär, Professor, zumindest nicht richtig. Ich habe keinen Rang. Vashtu Uruhk, sehr erfreut.“ Sie hielt ihm ihre Rechte hin.
„Gleichfalls, gleichfalls.“ Sage ergriff ihre Hand und schüttelte sie. Angenehm überrascht stellte sie fest, daß er einen festen, aber nicht zu festen Druck auf ihre Finger ausübte. Seine Handfläche war zwar etwas feucht, aber immerhin hatte er den Koffer bis hierher geschleppt.
Jetzt pulte der Professor eine Brille aus seiner Brusttasche und setzte sie sich auf die Nase. „Und was für eine Ano...“ Ihm blieb der Mund offen stehen, als sie einen Schritt zur Seite trat.
„Ich würde sagen, entweder da hatte jemand einen riesigen Hunger oder wir haben es hier mit einer Technologie zu tun, die ich nicht kenne“, sagte sie, drehte sich jetzt ebenfalls wieder um und betrachtete das Nichts, das sich bis in weite Fernen erstreckte. „Und ich kenne vieles, Professor, das können Sie mir glauben.“
„Wie ist das möglich?“ Sage blinzelte einige Male und schüttelte den Kopf. Staunend trat er näher an die Abbruchkante heran und sah nach unten. „Unglaublich!“
„Vielleicht hat auch ein Schüler ein Modell für die Schule gebraucht?“ Vashtu kratzte sich hinter dem Ohr. „Wie auch immer, die Antaner mitsamt ihrem Dorf sind weg, und darüber hinaus alles bis hinunter zum Kern. Über ein Viertel dieses Planeten ist verschwunden. Und ich habe keine Ahnung, wie und warum. Und darum habe ich Sie verlangt, Professor.“
Sage drehte sich zu ihr um. „Bis zum Kern?“ fragte er entgeistert.
Sie nickte, trat wieder vorsichtig an die Kante heran und deutete nach unten. „Wenn Sie genau hinsehen, können Sie das schwache Leuchten wahrnehmen. Ich schätze, diese Katastrophe ist noch nicht allzu lange her. Der Planet ist nicht einmal aus seiner Bahn gekommen, und die Atmosphäre scheint zwar dünner zu werden, ist aber noch weitestgehend intakt.“
„Aber er wird instabil werden.“ Sage wandte sich ab und trat zu seinem Koffer.
„Davon ist auszugehen, Professor.“ Vashtu sah wieder zweifelnd in den Himmel und versuchte, das schwarze Ding wiederzufinden, daß sie mittels Detektor aufgespürt hatte.
„Dann bleibt uns nicht viel Zeit.“
„Stimmt.“ Zweifelnd betrachtete sie den Sonnenstand.

***

„Wie bitte?“ General Landry blickte verwirrt von einem zum anderen. Dann verfinsterte sich sein Gesicht. „Miss Uruhk!“
So unschuldig wie möglich blickte sie auf. „Sir?“
Wütend starrte der Leiter des SGC sie an. „Sie haben mich angelogen, Miss Uruhk. Sie haben mich willentlich angelogen.“
Vashtu biß sich auf die Lippen und senkte den Blick. „Sir, wenn ich erklären dürfte ...“
„Dürfen Sie nicht. SG-27 ist aus dieser Sache raus, auf der Stelle!“
„Ich fürchte, General, das wird nicht so einfach sein“, warf Professor Sage ein. „Wie ich schon sagte, wir brauchen einen der Puddlejumper von Atlantis, um an den Auslöser des Phänomens heranzukommen. Und meines Wissens ist der einzige Mensch, der diese Geräte wirklich bedienen kann, Miss Uruhk.“
Landry starrte sie nieder, so daß sie kaum wagte, den Kopf wieder zu heben.
„Es wird sich jemand anderes finden. Die Gate-Brigde ist einsatzbereit, wenn auch nicht bequem. Wir lassen jemanden von Atlantis kommen“, sagte der General bestimmt.
„Miss Uruhk ist aber bereits eingearbeitet“, wandte Sage ein. „Sie hat sehr gut mit mir zusammengearbeitet und kennt sich in der Materie offenbar gut aus. Ich fände es bedauerlich, wenn ich das jetzt mit jemand anderen wiederholen müßte.“
Landrys Augen wurden schmal, seine Brauen schoben sich noch mehr zusammen.
„Ich bin Wissenschaftlerin, General“, wagte Vashtu endlich zu bemerken. „Sie kennen doch meine Akte.“
„Allerdings ...“
Das war der einzige Pluspunkt, den sie vorweisen konnte. Und sie konnte nur hoffen, daß Landry doch einlenkte.
„Wir haben nicht viel Zeit, General“, wandte Sage ein, „die Atmosphäre des Planeten wird immer instabiler. Bald wird er aus seiner Bahn gerissen, dann werden wir gar nichts mehr finden, weil wir schlichtweg nicht mehr zu ihm kommen werden. Wir sollten die wenige Zeit nutzen, die uns noch bleibt.“
Landry richtete sich auf, starrte immer noch die Antikerin an. „SG-4 wird die Sicherung übernehmen, Professor“, entschied er. „SG-27 wird auf der Stelle vom Planeten abgezogen, ehe noch ein Unglück geschieht.“
Vashtu kniff die Lippen zusammen und nickte.
Genau, wie sie es erwartet hatte. Landry traute ihren Männern noch weniger zu als sie selbst. Sie glaubte zwar nicht, daß sie es mit ihrer Lüge noch wesentlich schlimmer gemacht hatte, aber auch nicht wirklich besser. Sie hatte gehofft, Landry würde einlenken, wenn er die Daten, die Sage und sie gesammelt hatten, sehen würde. Sie wollte wieder nach R3Y-775 und dieses was-auch-immer finden und untersuchen. Sie hatte andere Methoden als die Menschen auf der Erde, und vielleicht ...
„Sir!“ Sie hob den Kopf und erwiderte sein Starren. „Wenn ich mich nicht sehr irre, ist mein Team zufällig über etwas gestolpert, daß uns im Kampf gegen die Ori behilflich sein könnte. Vielleicht handelt es sich um eine Waffe, die stark genug ist, gegen sie zu bestehen.“
Landrys Starren verwandelte sich in Verwirrung. „Was wollen Sie damit sagen?“
„Bis jetzt haben Sie nur mich und den Stuhl auf Antartica, Sir. Das bißchen anderes, was es gibt, können wir nicht ernst nehmen. Aber mit diesem ... diesem Planetenkiller ... Er war stark genug, um irgendwie ein Stück aus R3Y-775 herauszuholen. Was würde er dann erst mit einem Schiff der Ori anrichten? Soweit ich feststellen konnte, handelt es sich um eine relativ kleine Einrichtung, eine Waffe im Taschenformat sozusagen. Und wir wissen nicht, ob sie vielleicht noch aktiviert ist. Was wollen Sie also tun, um sie einzusammeln? Professor Sage braucht einen Assistenten, und wir brauchen einen Kampfpiloten, um an diese Waffe heranzukommen. Wollen Sie das wirklich riskieren?“ Sie hob die Brauen.
Landry sah sie weiter an. „Sie wollen damit sagen ... ?“
„Ich bin prädestiniert, Sir, das will ich damit sagen. Fragen Sie auf Atlantis, wen sie wollen, lesen Sie die Berichte über meinen Aufenthalt dort. Ich kann mit einem Jumper umgehen wie vielleicht noch Lt. Colonel Sheppard inzwischen. Ist diese Waffe noch aktiviert, riskiert der mögliche Pilot sein Leben. Jumper sind nicht so wendig wie eine F-302, Sir. Man muß schon sehr gut mit ihnen umgehen können, um mit ihnen auch nur in die Nähe dieses Dings zu kommen.“
„Soso, Sie sind also die beste Wahl.“
Vashtu nickte. „Und mein Team kennt sich bereits auf dem Planeten aus.“ Sie beugte sich vor, faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und streckte die Arme weit von sich. „Sir, ich habe ja gar nichts dagegen, wenn Sie ein zweites Team zur Verstärkung mitschicken. Aber geben Sie SG-27 doch wenigstens eine Chance. Ich habe meine Männer im Griff, glauben Sie mir.“
Landry drehte sich zu Sage um. „Würden Sie uns bitte allein lassen, Professor?“
Der nickte, wischte in aller Eile seine Unterlagen zusammen und verließ dann den Besprechungsraum.
Landry wandte sich wieder Vashtu zu, fixierte sie ernst. „SG-27 wurde reaktiviert, weil die Erde Sie braucht, Miss Uruhk“, erklärte er. „Ich denke, Ihnen ist inzwischen klar geworden, daß diese ganze Sache mit Ihrem Team nichts weiter als eine Beschäftigungstherapie für Sie ist. Sergeant Dorn sollte eigentlich in den Ruhestand gehen, ehe General O'Neill an mich herantrat mit dem Vorschlag, Ihnen ein eigenes Team zuzugestehen. Dr. Babbis und Dr. Wallace sollten auf andere Einrichtungen verteilt werden und nie wieder durch das Stargate treten.“
Vashtu senkte den Blick und nickte.
„Was diese Gruppe unter Lt. Colonel Sheppard geleistet hat, war schlichtweg eine Katastrophe. Was Sie bisher als Leader gezeigt haben, halte ich für Ihr eigenes Tun, vielleicht mit der Hilfe von Sergeant Dorn, aber keinesfalls als Teamwork wie es bei den anderen SG-Einheiten der Fall ist. Sie sind auch weiterhin der Grund, warum SG-27 bestehen bleibt, aber, und das bei allem Respekt Ihrem Geschlecht und Ihrer Art gegenüber, ich werde nicht zulassen, daß Babbis oder Wallace sich in eine so wichtige Sache einmischen und wieder alles zunichte machen, haben Sie das verstanden? Dieses Team existiert nur wegen Ihnen. Und, und das sage ich Ihnen jetzt zum ersten und letzten Mal, Miss Uruhk, sollten Sie sich noch einmal auch nur die kleinste Kleinigkeit leisten, sei es Fehlverhalten wie heute oder schlichtweg Versagen, werde ich Sie nach Antarktica schicken und das Team endgültig auflösen. Haben Sie das verstanden?“
Vashtu hatte bei seinen Worten den Kopf wieder gesenkt, starrte auf ihre gefalteten Hände. Nervös knabberte sie an ihrer Unterlippe und nickte schließlich.
Landry lehnte sich wieder zurück und seufzte. „Gut, dann haben wir das geklärt. Und jetzt zu Ihrem Vorschlag: Ich werde Sie Professor Sage als Begleitung und Assistentin mitgeben. Sie werden Ihren Puddlejumper bekommen und diese Waffe, oder was immer es ist, einsammeln und zur Erde bringen. Aber das werden Sie allein tun, haben Sie das verstanden? Ihr Team ist raus aus dieser Sache. R3Y-775 wird außer Ihnen niemand mehr aus SG-27 betreten. Und Sie werden genau das tun, was der Professor Ihnen sagt. Ein noch so kleiner Fehler und Sie können Ihre Sachen packen und reisen nach Antarktica ab.“
„Ja, Sir.“ Vashtus Stimme klang heiser.

***

Babbis lief durch die Gänge, bis er schließlich vor der gesuchten Tür ankam. Er war wütend. Ohne nähere Begründung hatte man sie von R3Y-775 zurück auf die Erde beordert, gut zwei Stunden, nachdem Miss Uruhk mit Professor Sage das Tor durchtreten hatte. Und alles, was er inzwischen wußte war, daß sie bis auf weiteres außer Dienst gestellt waren.
Was hatte die Antikerin jetzt wieder angestellt? Von Dorn wußte er, daß sie wohl General Landry angelogen und so Zeit geschunden hatte. Aber irgendetwas mußte geschehen sein, daß man SG-27 jetzt komplett abzog. Dabei hatte er einige wichtige Daten gewinnen können und sich auf seine erste richtige wissenschaftliche Arbeit gefreut.
Ohne zu klopfen riß Babbis die Tür auf und rauschte in das Büro seiner Teamleaderin. Als er die Tür wieder schloß, klirrte das Milchglas.
Vashtu saß brütend an ihrem Schreibtisch, die Füße auf der Arbeitsfläche, die Arme vor der Brust gekreuzt. Jetzt blickte sie auf, doch ihre Augen wirkten noch ein wenig verschleiert.
„Was soll das?“ herrschte Babbis sie an, marschierte mit geballten Fäusten auf sie zu. „Was haben Sie getan?“
In ihrem Gesicht zuckte ein Muskel, doch sie sagte nichts, sah ihn nur an.
Babbis nahm vor ihr Aufstellung. Seine Kiefer mahlten. „Ich weiß, daß Sie sich insgeheim über uns lustig machen, Miss Uruhk. Aber das geht zu weit! Gerade hatte ich einige Daten gewonnen, dann werden wir abgezogen und außer Dienst gestellt. Ich bin hier als Wissenschaftler eingestellt, nicht zu Ihrer Belustigung!“
Sie sah ihn nachdenklich an, schwieg aber noch immer.
Das brachte ihn noch weiter gegen sie auf. „Oh ja, ich weiß. Die große, ach so intelligente Antikerin! Sie wissen wahrscheinlich schon wieder alles und haben es dem General mit dem netten Vermerk weitergegeben, was für Dummköpfe Sie doch in Ihrem Team haben! Aber ich lasse das nicht mit mir machen, Miss Uruhk, ich nicht!“
„Der größte Dummkopf bin immer noch ich.“
Allein der dumpfe Klang ihrer Stimme reichte, um Babbis stocken zu lassen. Ungläubig sah er sie an. „Was?“
Sie wandte den Blick von ihm ab, starrte wieder ins Nichts. „Gehen Sie, Babbis, lassen Sie mich bitte allein.“
Er war verwirrt.
Eigentlich war er hergekommen, überzeugt davon, daß sie ihn schon wieder ausgebootet hatte mit ihrem verfluchten, überlegenen Gehirn. Er hatte erwartet, daß sie ihn breit grinsend erwarten und sich über seine Langsamkeit lustig machen würde. Statt dessen fand er jetzt aber eine vor sich hinbrütende und zweifelnde Antikerin vor. Wie paßte das zusammen?
„Haben Sie nicht gehört? Lassen Sie mich bitte allein.“ Sie preßte kurz die Lippen aufeinander, starrte weiter dumpf vor sich hin. Endlich nahm sie die Füße vom Tisch, setzte sich gerade hin, die Hände auf die Lehnen gestützt. Ihre Finger gruben sich in das brüchige Leder. „Ich werde Ihnen und den anderen Bescheid geben, sobald ...“ Sie stockte, erhob sich und trat auf die andere Seite des Schreibtisches. Dort blieb sie, die Arme wieder gekreuzt, stehen und starrte auf die Wand.
„Was ist passiert?“ Babbis starrte sie immer noch an.
Irgendwie wollte diese Vashtu Uruhk nicht so zu der passen, die noch vor ein paar Stunden scherzhaft ihren Urlaub auf R3Y-775 plante. Oder zu der ernsthaften Wissenschaftlerin, deren Neugier befriedigt werden sollte und deshalb ihren Vorgesetzten anlog. Und diese Wandlung war beängstigend.
Ihr Rücken spannte sich an, dann senkte sie den Kopf. „Bitte gehen Sie, Dr. Babbis.“
Babbis öffnete den Mund, schloß ihn dann wieder und kniff die Lippen aufeinander.
Plötzlich ging ihm auf, daß sie sich oftmals hinter ihrem Humor versteckte. Sie wirkte zwar sehr offen, ihr Spott war ätzend und traf immer genau die richtige Stelle, aber von sich selbst hatte sie bisher recht wenig preisgegeben. Und das lag nicht daran, daß sie sich erst kurz kannten. Sie war schon knapp ein Jahr auf der Erde, und soweit er wußte, pflegte sie kaum Kontakte zu anderen, es sei denn hier im Stargate-Center. Der einzige, der offenbar etwas enger mit ihr befreundet war, war der Asgard Hermiod.
Und gerade jetzt schien sie einen Freund zu brauchen. Einen echten Freund, nicht einen Schachpartner. Jemanden, mit dem sie reden konnte.
Babbis wandte sich ab.
„Sie sind bis auf weiteres beurlaubt, wie auch die anderen vom Team.“ Ihre Stimme klang heiser bei diesen Worten.
Babbis blickte wieder auf. „Und Sie?“
Sie hob ihre Schultern, als erwarte sie einen Schlag, sagte aber nichts. Blieb einfach in dieser verkrampften Haltung stehen.
Babbis war das Antwort genug. „Der General ist hinter Ihre Lügen gekommen. Deshalb wurden wir abgezogen“, sagte er, beobachtete ihre Reaktion auf seine Worte und nickte schließlich. „Es hat Ärger gegeben.“
Sie drehte sich wieder um und sah ihn an. Ihre Augen schienen zu sprechen, doch er verstand ihre Sprache nicht.
Schweigen senkte sich über das Büro und drückte die beiden Anwesenden nieder. Es dauerte lange, sehr lange. Doch irgendwo in sich spürte Babbis, daß er jetzt besser den Mund halten und ihr Zeit geben sollte.
„Macht SG-27 noch einen Fehler, wird das Team aufgelöst und ich nach Antarktica geschickt“, sagte sie schließlich.
Babbis' Augen weiteten sich. „Was?“
Sie nickte. „Der General sagte es mir beim Briefing. Sie haben recht, er hat meine Lügen sehr schnell durchschaut, wahrscheinlich schon als ich sie aussprach. Und er gab mir zu verstehen, daß SG-27 nur besteht, solange ich im SGC bin. Werde ich versetzt, werden die Teammitglieder außer Dienst gestellt oder auf andere Einrichtungen verteilt. Dieses Team wurde nur zusammengestellt, um mich zu beschäftigen, Dr. Babbis, da ich der Erde nicht konform genug bin, man aber nicht auf mich verzichten kann.“ Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. „So sieht es aus. Ihr seid meine ... Beschäftigungstherapie.“ Das letzte Wort spuckte sie aus wie einen Fluch.
Babbis leckte sich über die Lippen und sah zur Seite. Er wußte nicht, was er sagen sollte.
„Ich habe Vertrauen in mein Team. Ich weiß, ich mache viele Fehler, aber ich habe Vertrauen“, fuhr Vashtu leise fort. „Ich wollte nur eine Chance für uns alle. Landry sollte uns ernst nehmen. Statt dessen aber habe ich das Team in große Gefahr gebracht, und das tut mir leid. Ich wollte nur erreichen, daß Sie und Wallace eine Chance bekommen, daß auch ich eine Chance bekomme.“ Ihre Brauen zogen sich zusammen. „Natürlich bin ich auch eine Kämpferin, ich mußte es sein in meiner Zeit. Aber ich bin auch Wissenschaftlerin, Dr. Babbis. Und dieses Phänomen erregte meine Neugier. Ich wollte es erforschen. Aber dabei habe ich nicht an die Konsequenzen gedacht.“
Babbis blickte wieder auf, sah ihr in die Augen.
Sie vertraute auf ihr Team. Sie vertraute auf ihn. Sie hatte ihm das Leben gerettet, sie hatte ihrer aller Leben gerettet! Sie hatte sich selbst in Gefahr gebracht, war verwundet worden, um ihr Team zu schützen und alle heil zur Erde zu bringen.
„Ich ...“ Babbis schloß den Mund. Seine Wut war so gründlich verraucht, daß er auch nicht einmal die Asche noch finden konnte. Statt dessen war etwas anderes an ihre Stelle getreten. Ein winziges Pflänzchen: Er wollte auch ihr vertrauen. Er wollte, daß sie stolz auf ihn würde sein können in Zukunft.
Sie sah ihn noch immer schweigend an.
Babbis nickte schließlich, senkte den Blick. „Ich ... ich gehe dann mal.“
„Tun Sie das.“

***

Vashtu bemerkte erst, als sie den Jumper in den Gateroom schweben ließ, wie eng es hier war. Ihr war ein wenig unbehaglich zumute, kontrollierte noch einmal sicherheitshalber die Anzeigen, um sicherzugehen, daß sie den Gleiter auch nicht gegen eine Wand fahren würde.
„Miss Uruhk, Sie haben grünes Licht.“
Sie biß sich auf die Lippen und wählte mit dem Jumper-DHD die Adresse von R3Y-775 ein und wartete, bis das Wurmloch sich aufgebaut hatte, ehe sie langsam und sorgfältig näher an das Tor glitt. Der Autopilot übernahm die Steuerung. Seufzend lehnte sie sich zurück und ließ sich von der Erde zum Planeten am anderen Ende des Wurmlochs schicken, ehe sie die Steuerung wieder an sich brachte und eine Schleife flog, um an Höhe zu gewinnen.
„Faszinierend!“ Sage, der neben ihr auf dem Copilotensitz saß, starrte aus dem Fenster. „Sind Sie früher oft geflogen?“
Sie starrte auf die Hologrammanzeigen vor sich. „Solange es ging“, antwortete sie ausweichend. Schließlich wußte sie seit gestern, daß der Professor über sie nicht informiert war. Und sie wollte ihm nicht sagen, was es mit ihr auf sich hatte.
Um ehrlich zu sein, war sie im Moment fast soweit, daß sie am liebsten den Jumper genommen, ein anderes Gate angewählt und einfach verschwunden wäre. Seit sie auf der Erde angelangt war, war sie auf nichts als Widerstand getroffen, und allmählich überstieg dieser ihre Geduld. Sie wollte doch nur ein Leben, etwas, was ihr vor zehntausend Jahren nicht vergönnt gewesen war. Sie wollte Freunde, wenn sie schon keine Familie mehr hatte, sie wollte Vertrauen.
Aber immer nur Maßregelungen, unfähige Mitmenschen, viel zu lange sogar nicht einmal Zugang zum Tor. Es war fast ebenso schlimm wie damals auf Atlantis, als sie unter der Aufsicht des Rates stand.
Sie dachte kurz an das geheimnisvolle Gerät, da sprang der Bildschirm vor ihr auch schon um. Irgendwie schien es ihr einen Moment lang, als summe der Jumper ihr beruhigend zu. Das hatte er auch schon getan, als sie die Maschinen gestartet hatte.
„Ich werde mich vorsichtig annähern“, erklärte sie Sage. „Falls es die ... Waffe ist, die diesen Planeten in Stücke geschnitten hat, sollten wir es nicht darauf ankommen lassen. Wir sind zwar noch in den oberen Atmosphärenschichten, aber ...“
„Ist gut.“
Sie konzentrierte sich auf dieses finstere Etwas, das vor ihr schwebte. Der Bildschirm zoomte heran, so daß sie jede Kleinigkeit erkennen konnte.
Es sah aus wie eine Schachtel. Kein Schmuck, keine Verzierungen. Nur dieser schwarze Kasten, der da fast im Weltraum schwebte.
Sie stellte die Anzeigen um und las aufmerksam die Meldungen. „Keine Energiesteigerungen. Es sieht aus, als sei das Gerät abgeschaltet. Hoffen wir das beste.“
War es diesen Jumperflug tatsächlich wert, ihr Team aufs Spiel zu setzen? War dieser Kasten da vor ihr es wert?
Vashtu hielt von sich selbst als Wissenschaftlerin nicht sonderlich viel, doch sie wußte, sie konnte es mit ihrem Allgemeinwissen schon recht gut mit den heutigen Menschen aufnehmen. Sicher, sie war damals auf Atlantis einer mehr oder weniger geregelten Arbeit nachgegangen, hatte für den Rat, und damit auch für ihr Volk gearbeitet an Nahrungsersatzstoffen. Kein sonderlich ausfüllendes Thema, wenn man sie fragte.
Die Gentherapie, die sie sich selbst verabreicht hatte, hatte eigentlich ihr Vater entwickelt. Sie hatte ihr nur den letzten Schliff verliehen. Darin war sie immer gut gewesen, die Fehler anderer aufzuspüren und zu korrigieren. Aber vielleicht hätte sie schon vor zehntausend Jahren anders entscheiden sollen? Vielleicht hätte sie sich nicht auf Janus' Plan einlassen sollen? Vielleicht hätte sie sich für eine letzte Selbstmordmission auf eines der Wraith-Schiffe begeben sollen?
Der Jumper summte wieder leise.
Sie riß sich aus ihren Gedanken, wechselte wieder die Anzeige, während sie vorsichtig auf das Gerät zuhielt.
Soetwas hatte sie noch nie gesehen. Es wirkte nicht, als sei es von ihrem Volk erbaut, auch die Waffen der Goa'uld sahen anders aus. Zumindest die, die sie bis jetzt hatte sehen dürfen.
„Eigenartig. So etwas kenne ich nicht“, murmelte Sage neben ihr.
Sie ließ sich nichts anmerken, drosselte die Geschwindigkeit weiter hinunter.
Fliegen, das war schon immer ihr Traum gewesen. Seit sie das erste Mal in einem der Gleiter gesessen hatte, die die Menschen heute Puddlejumper nannten. Nachdem sie zum ersten Mal ein solches Gerät geflogen hatte, war schnell klar gewesen, daß sie eine Begabung für diese Maschinen hatte. Das hatte sie auch schon auf der Erde beweisen dürfen.
Sie wußte nicht, wer auf Atlantis in seinen Berichten über ihre Flugkünste geschrieben hatte. Irgendwie glaubte sie, es sei der Lt. Colonel gewesen. Zumindest war er sehr beeindruckt gewesen, nachdem sie einen Wraith-Aufklärer mit einem beschädigten Jumper zerstört hatte. Die AIs der Maschinen reagierten meist wohlwollend auf ihre Wünsche, wie sie es auch bei Sheppard taten. Die irdischen Fluggeräte dagegen ... Nun, zumindest half zureden.
Der Jumper stoppte.
Vashtu strich zärtlich mit dem Daumen über den Steuerknüppel.
„Okay, das Team soll sich bereit machen und in die Kanzel kommen“, sagte sie nach hinten gerichtet, wo sich SG-4 befand.
Die Männer kamen nach vorn, und sie ließ die Tür zwischen Cockpit und Passagierraum zugleiten.
„Bin bereit.“ meldete sich kurz darauf eine Stimme.
Sie nickte, ließ die Atemluft im Passagierabteil abpumpen und öffnete die Ladelucke.
War es all das hier wert gewesen? War es es wert, daß sie jetzt die Karriere von drei anderen riskiert hatte?
Vashtu meinte, einen kurzen mentalen Stupser zu spüren, hob eine Braue. Doch dann bemerkte sie nichts mehr.
Wenn sie sich nicht am Riemen riß, würde nicht nur sie darunter zu leiden haben. Und das nagte mehr an ihr, als sie eigentlich zugeben wollte. Die ganze Wahrheit, die Landry ihr gestern zu schlucken gegeben hatte, war ein zu großer Brocken für sie.
Sie wußte, wenn man ihren Leuten eine echte Chance einräumte, würden sie sie vielleicht doch zu nutzen wissen, zumindest hoffte sie das. Vor allem in Babbis hatte sie recht große Hoffnung. Nicht nur, daß er vom Wesen Rodney McKay ähnlich war, er war wirklich intelligent. Darum hatte sie ihn ja auch bei der Wanderung gestern mitgenommen. In ihm steckte Potenzial, er konnte groß werden, wenn man ihn ließ.
Nur leider war er ein schwieriger Charakter. Sie hatte gehofft, ihn halbwegs im Griff zu haben. Überließ man ihn sich selbst und gab ihm etwas zum Nachdenken, würde man recht schnell eine Antwort von ihm bekommen. Unter Druck neigte er etwas zur Hysterie, gab sich dann plötzlich aber auch wieder kühl und abgeklärt.
Sie dachte an die erste Mission zurück. Zunächst war sie nur verärgert gewesen über ihn und seine Art. Doch dann hatte sie etwas an ihm wahrgenommen, das ihr Interesse weckte. Und genau darum hatte sie ihn gestern dabei haben wollen. Und genau darum hatte sie Landry angelogen. Sicher, sie selbst hatte sich auch befleißigt gefühlt, etwas über dieses Phänomen herauszufinden, aber sie hatte eben auch Babbis eine Chance geben wollen.
Warum hatte sie ihm gestern abend nicht zugehört? Sein Lösungsansatz wäre sicher interessant gewesen.
„Noch immer keine Reaktion von dem Ding“, murmelte sie, als sie einen fragenden Blick auf sich ruhen fühlte.
„Bin gleich da“, meldete Corey Higgins, der Leader von SG-4.
Nein, ihr Team war kein Totalausfall, zumindest glaubte sie das nicht. Zu Wallace konnte sie eigentlich nicht wirklich viel sagen, ihn hatte sie noch nicht gut genug kennen gelernt. Aber Dorn und Babbis waren definitiv das eine oder andere wert. Dorn durch seine Erfahrung, Babbis gerade auch durch seine Jugend.
Sie war nun einmal hier, auf der Erde im 21. Jahrhundert, sie konnte nicht mehr zurück in das Atlantis ihrer Tage. Sie mußte nun einmal mit dem leben, was sie vorfand. Aber ihrer Gruppe pure Inkompetenz zu bescheinigen und sie abschieben zu wollen ... Nein, das hatte wirklich keiner verdient.
Vashtu fiel plötzlich etwas ein. Eine Kleinigkeit, die sie bisher noch nicht wirklich geklärt hatte: Bei ihrem ersten Einsatz auf dem Planeten des Warlords Bull dem Schlächter, hatte sie ihre P-90 zurücklassen müssen, weil sie nicht mehr viel Munition besaß. Als sie dann aber zu ihrem Team zurückkehrte, waren Schüsse aus eben dieser Waffe abgegeben worden. Dorn konnte es nicht gewesen sein, er hatte sein bewährtes Sturmgewehr benutzt, das hatte sie auch gesehen. Wallace kam für sie eigentlich auch nicht in Frage, nachdem sie ihn einmal auf dem Schießstand gesehen hatte. Da blieb eigentlich nur Babbis, der wie gelähmt am Abhang gehockt hatte, als sie die Senke endlich wieder betreten hatte.
Konnte er auf der einen Seite so abgebrüht sein und auf andere, Feinde, schießen, dann aber plötzlich wieder den hilflosen Wissenschaftler spielen? Sie wußte es nicht, doch irgendwie schien das zu ihm zu passen.
Der Jumper begann wieder leise zu summen.
Vashtu konzentrierte sich auf die Anzeigen vor sich, las sie mit wenig Interesse. Mehr als zu warten blieb ihr nicht. Ihr traute man inzwischen auch nicht mehr.
„Komme zurück.“
Sie nickte, bereitete sich vor.
Das Cockpit war eng, mit drei recht breitschultrigen Soldaten, dem Professor und ihr besetzt. Irgendwie freute sie sich inzwischen doch wieder auf den Rückflug, auch wenn er wesentlich länger sein könnte.
Keine Extra-Touren mehr!
Sie wartete, bis Higgins im Jumper war, dann ließ sie wieder Sauerstoff in das Abteil fließen und öffnete kurz darauf, als der Druck wieder ausgeglichen war, die Verbindungstür. Sie nahm Fahrt auf und steuerte den Gleiter zurück zum Tor, während der Professor bereits eifrig nach hinten eilte, um sich die Beute näher anzusehen.
„Wir beide haben es nicht leicht, was?“ wisperte sie dem Puddlejumper zu. Und wieder ertönte von irgendwo her ein beruhigendes Summen.

***

„Nun komm schon endlich!“ Babbis winkte seinem Kollegen und schlich sich in das Labor, gegenüber dem Lagerraum, in dem die beiden auf der Erde stationierten Jumper aufbewahrt wurden.
Wallace zögerte, blickte sich noch einmal um, dann aber tat er einen schnellen Schritt und schloß die Tür hinter sich.
„Was willst du denn hier?“ zischte er.
Babbis schaltete das Licht an und deutete auf den schwarzen Kasten, der auf einem Untersuchungstisch stand. „Da ist es. Das, was wir gemessen und berechnet haben. Das Ding hat Miss Uruhk heute von R3Y-775 geholt.“
Wallace zögerte, trat aber schließlich näher an den Kasten heran und musterte ihn interessiert. „Keine Öffnung, soweit festzustellen ist.“
Babbis glitt näher heran und beugte sich über das fremdartige Gerät. „Und trotzdem besteht der Verdacht, daß diese Apparatur für die Zerstörung von R3Y-775 verantwortlich ist. Und ich will herausfinden warum.“
Das, was die Antikerin gestern zu ihm gesagt hatte, nagte immer noch an ihm. Und jetzt wollte er ihr beweisen, daß ihr Vertrauen auch gerechtfertigt war und er durchaus mehr als nur heiße Luft produzieren konnte. Dieses Gerät sollte sein Studienobjekt sein. Er mußte nur schneller als Uruhk und Sage sein, dann hatte er eine Chance, endlich vom SGC ernst genommen zu werden.
Wallace tippte vorsichtig mit der Fingerspitze gegen den Kasten. „Fühlt sich warm an“, murmelte er.
„Würdest du sagen, daß es von den Antikern ist?“ Babbis holte seinen Palm-Top hervor und begann heftig zu tasten, um seine ersten Eindrücke festzuhalten.
„Sieht nicht so aus.“ Wallace blickte etwas ratlos zu ihm hinüber. „Was hast du vor?“
„Ich will Miss Uruhk beweisen, daß sie recht hat“, antwortete Babbis gedankenverloren. „Weißt du, sie ... Ach, nicht so wichtig.“
„Aber wir dürfen überhaupt nicht in der Anlage sein!“ Wallace sah sich nervös um. „Wenn wir nun irgendetwas falsch machen ...“
Babbis blickte auf. „Blödsinn. Wir passen auf, dann passiert nichts.“ Er schürzte die Lippen und schnippte mit den Fingern. „Sag mal, hast du dieses Gen?“
Wallace starrte ihn verblüfft an, schüttelte dann den Kopf. „Nein, warum?“
Babbis zuckte mit den Schultern.
Das allerdings ärgerte ihn. Er hätte gern einen Blick auf den Detektor geworfen, wenn dieser die Daten dieses Kastens las. Sicher würde die Antikerin nicht bemerken, wenn er sich das Gerät nur kurz auslieh - wenn sie es nicht wirklich die ganze Zeit am Körper trug wie diese merkwürdige Kette mit dem großen bläulich schimmernden Kristall.
Er blickte sich in dem Labor um und fand schließlich, was er suchte. Ein Spannungsmesser lag auf einem vollgerümpelten Tisch in der Ecke. Vielleicht gelang es ihm ja auf diese Weise, etwas herauszufinden.
„Nichts anfassen.“ Er hetzte hinüber und kramte das Gerät unter den anderen Werkzeugen hervor.
„Peter?“
„Sekunde.“ Ungeduldig zog er an dem Kabel.
„Peter!“
Ein durchdringendes Piepsen folgte auf den entsetzten Ausruf.
Babbis wirbelte herum und hielt den Atem an.
Der schwarze Kasten hatte sich von dem Tisch erhoben, rotierte nun um sich selbst. Giftig grüne Kabelstränge leuchteten durch das Gehäuse, und mit einem gemeinen Ticken schien sich etwas zu lösen in seinem Inneren.
„Was hast du wieder angestellt?“ Er stürzte zurück zum Tisch, versuchte, das Gerät mit den Händen einzufangen und schrie auf.
Die Oberfläche war heiß, brennend heiß.
„Was machen wir jetzt?“ Wallaces Stimme klang kleinlaut.
Babbis fuhr herum, nahm seinen Palm-Top wieder an sich und packte den anderen am Arm. „Erst einmal raus hier. Dieser Krach wird sicher nicht unbemerkt geblieben sein. Dann überlegen wir, wie wir diesen Schlamasel lösen können.“
Er hetzte zur Tür, öffnete sie und stürmte aus dem Labor hinaus. Da hörte er Schritte vom anderen Ende des Ganges.
Wallace immer noch hinter sich herziehend, raste er zur anderen Seite und stürzte in den Lagerraum. Schnell und so leise wie möglich schloß er die Tür hinter ihnen und lehnte sich mit keuchendem Atem dagegen.
„Und jetzt?“
Babbis biß sich auf die Lippen und horchte nach draußen. Da waren Stimmen, direkt auf dem Gang. Vielleicht wollte jemand zu den Jumpern.
Da fiel ihm das sanfte Licht auf, das diesen Raum beleuchtete. Stirnrunzelnd drehte er sich um und sah die Heckklappe des vorderen Jumpers, aus der ein sanfter Schimmer den Raum beleuchtete.
Wallace sah ihn groß an und folgte ihm kleinlaut, als er auf den Gleiter zuging, schließlich einstieg und sich aufmerksam umsah.
Ein leises, beruhigendes Summen drang an seine Ohren. Es schien aus dem Cockpit zu kommen.
Babbis staunte nicht schlecht. Es war das erste Mal, daß er einen atlantischen Puddlejumper von innen sah. Sonderlich komfortabel schien er zwar nicht zu sein, aber annehmbar. Die Bänke waren platzsparend an den Wänden angebracht, unter der Decke verlief offensichtlich ein Teil der Elektronik, mittels Klappen abgeschirmt. Ein schmaler Durchgang blieb in das Cockpit, der offensichtlich verschlossen werden konnte. Ein riesiges Frontfenster zog sich über die gesamte obere Fläche, während ein DHD in der Mitte der andersartigen Konsole leicht schimmerte.
Vorn war weniger Licht. Und eben das Summen.
Babbis runzelte die Stirn und schlich weiter, in den Durchgang hinein. Dann blieb er wie angewurzelt stehen und betrachtete die Gestalt, die auf dem Pilotensitz saß, den Kopf auf die Konsolen gesunken, ein Arm darunter. Vashtu Uruhk.
Plötzlich sprang die Beleuchtung wieder an, das beruhigende Summen schwoll etwas an und bekam einen anderen Klang.
Die Antikerin blinzelte verschlafen, richtete sich auf und gähnte. Mit beiden Händen fuhr sie sich durch ihr Haar, doch viel brachte das nicht.
„Miss Uruhk?“
Babbis sah, wie sie eine Sekunde erstarrte. Dann drehte sie sich langsam zu ihm um und sah ihn fragend an. „Was ... ? Wo kommen Sie denn her?“
„Ich ... wir ...“ Er zögerte, sah sie weiter an. Ihr Arm hatte die Haut ihrer Wange gerötet, das dunkle Haar war vom Schlaf an einer Seite etwas an den Kopf geplättet. Doch die ersten Strähnen lösten sich bereits wieder. Bald würde sie wieder aussehen wie mitten in einem Hurrikan.
In ihre lebhaften Augen trat ein wissendes Licht. „Sie haben etwas angestellt.“ Mit einem Ruck erhob sie sich, sah ihn an.
Babbis ging plötzlich auf, daß das Summen wieder verstummt war.
„Was ist passiert?“
„Wir wollten uns diesen Planetenkiller ansehen“, antwortete Wallace aus dem Abteil.
Die Antikerin wich zurück, das Gesicht mit einer fassungslosen Miene. „Jetzt sagen Sie mir bitte nicht ...“ Sie verstummte, hob flehend die Hände.
Babbis wußte nicht, was er sagen sollte, sah sie nur weiter an.
Ihre Augen weiteten sich. „Oh nein!“ entfuhr es ihr.
„Es war ein Unfall“, murmelte er.
Vashtu seufzte, sah kurz zur Kanzel hinaus. „Was ist passiert?“ wollte sie dann schließlich wissen.
„Äh, naja ... ich weiß es nicht. Der Kasten schwebte plötzlich und gab Geräusche von sich.“
„Er schwebte.“ Es klang nicht wie eine Frage. Verständnislos sah sie ihn an.
Babbis hob die Hände. „Ich habe das Ding nicht angerührt. Wallace stand am Tisch. Ich suchte etwas, womit ich es untersuchen konnte.“
Das Entsetzen wich Verärgerung. „Hat man Ihnen nicht klar und deutlich mitgeteilt, daß Sie nichts mehr mit der Sache zu tun haben?“
Babbis hob vorsichtig die Schultern. „Ich ... ich wollte helfen.“
Die Antikerin biß sich auf die Lippen, wieder glitt ihr Blick ins Leere. Dann nickte sie. „Kommen Sie, sehen wir uns den Schlamasel an, den Sie angerichtet haben.“
Gemeinsam gingen sie zur Tür zurück. Vashtu öffnete sie wie selbstverständlich, sie durfte ja auch hier sein, und ging hinüber in das Labor. Dabei aber sah sie sich aufmerksam um, winkte ihren beiden Begleitern schließlich, daß die Luft rein wäre und wartete, bis sie wieder in den anderen Raum geschlüpft waren, ehe sie ihnen folgte.
Der Kasten rotierte immer noch um sich selbst, das Ticken war inzwischen eindringlicher geworden. Und da war etwas oben an dem Kubus. Es sah fast aus wie ein Deckel.
Vashtu trat an das Ding heran und betrachtete es genau. Dann zog sie ihren Detektor aus der Tasche und schaltete ihn ein. Ihre Augenbrauen flogen Richtung Haaransatz, als sie die Werte betrachtete.
„Donnerwetter!“ Babbis reckte den Hals und betrachtete ebenfalls die Anzeige.
Das Energievolumen stieg immer mehr.
Sie steckte das Gerät wieder ein.
„Was haben Sie angefaßt?“ fragte sie schließlich.
„Ich habe ... gar nichts!“ Wallace sah sie verzweifelt mit geballten Fäusten an. „Ich habe nur einmal kurz meinen Finger darauf gelegt, mehr nicht.“
Skeptisch sah sie den jungen Wissenschaftler an, drehte sich dann zu Babbis um, der sich eifrig Notizen auf seinem Palm-Top machte. „Und Sie?“
Babbis reagierte einen Moment lang nicht, bis sie ungeduldig gegen das kleine Gerät in seinen Händen schlug, nicht fest, aber ausreichend, daß er in seiner Konzentration gestört wurde. „Was haben Sie angefaßt?“
„Ich habe nur versucht, es wieder auf den Tisch zu stellen. Ist verteufelt heiß.“
Die Antikerin nickte und sah sich den leuchtenden Kasten ratlos an.
Sie hatte immer noch keine Ahnung, mit was sie es zu tun hatten. Nur eine kleine, aber behaarliche Stimme sagte ihr, sie solle die Beine so schnell in die Hand nehmen, wie sie nur könne. Das Ticken behagte ihr vor allen Dingen nicht, ebensowenig wie die fremdartigen giftgrünen Zeichen auf dem Kasten.
„Kommt es von Ihrem Volk?“ fragte Babbis aufgeregt.
„Nein. Diese Technik kenne ich nicht.“ Vorsichtig näherte sie sich dem Kasten, prallte dann aber zurück, als eine Entladung sie traf. Nicht schwer, aber immerhin ausreichend, um Respekt vor dem Ding zu haben.
Wieder holte sie ihren Detektor hervor und betrachtete die Anzeigen. Dann ging ihr auf, was hier gerade geschah.
„Das Ding wird sich selbst zerstören!“
Babbis und Wallace starrten sie entsetzt an.
„Scheiße!“ entfuhr es ersterem endlich.
Vashtu sah sich in fliegender Hast nach irgendetwas um, womit sie dieses Ding hier entfernen konnte. Anzufassen wagte sie es nicht. Dann kam ihr ein Gedanke.
Sie fischte einen Metallstab aus einem Haufen Schrott und tippte den Kasten damit an. Sofort glühte das Ende rot auf.
Gut, was auch immer es war, es war heiß. Soviel stand fest. Und wenn sie nicht sah, daß sie es so schnell wie möglich von hier entfernte, konnte der gesamte Komplex in die Luft fliegen.
„Tür öffnen, schnell!“
Wie eine Billiardkugel schob sie den Kasten mit der Stange vor sich her, zurück in das Jumperlager. Dort verfrachtete sie es in den ersten, in dem sie geschlafen hatte und drehte sich um. „Und Sie beide, Sie verschwinden, so schnell es geht, klar?“
Die beiden Wissenschaftler nickten.
„Wir reden noch darüber.“ Damit schloß sie die Hecklucke, sprang auf den Pilotensitz.

***

Eine Vene auf Landrys Stirn zuckte, als er sie versuchte niederzustarren.
„Und es hatte natürlich auch gar nichts damit zu tun, daß sich zwei Mitglieder Ihres Teams just zu dem Zeitpunkt in dieser Anlage aufhielten, als Sie sich den Jumper 'ausgeliehen' und die Waffe durch das Gate gebracht haben, richtig?“
Vashtu nickte. „Ja, Sir. Es war meine Schuld. Ich wollte noch etwas an der Mine arbeiten. Dabei muß ich den Selbstzerstörungsmechanismus ausgelöst haben. Ich hatte keine Zeit, irgendjemanden zu informieren.“
„Eine Mine also, soso. Und seit wann wissen Sie das?“
„Seit dem Moment, als sie losging, Sir.“ Sie zuckte mit den Schultern und zog ein schuldbewußtes Gesicht.
Landry beugte sich über seinen Schreibtisch. „Miss Uruhk, Sie sind eine schlechte Lügnerin.“
„Sir, ich kann Ihnen nichts anderes sagen als das, was geschehen ist. Wenn jemand aus meinem Team zufällig in der Anlage war, so weiß ich nichts davon. Ich hatte alle Hände voll zu tun.“
„ R3Y-775 kann nicht mehr angewählt werden. Wir haben also nicht die blaßeste Ahnung, was passiert ist. Sie haben uns eine wichtige Waffe gekostet, Miss Uruhk, eine verdammt wichtige Waffe!“
Vashtu senkte den Kopf. „Ja, Sir, das ist mir klar.“ Sie seufzte schwer. „Wenn Sie also beschließen, mich nach Antarktica zu schicken, möchte ich Sie wenigstens bitten, SG-27 nicht aus dem aktiven Dienst ausscheiden zu lassen. Niemand außer mir trägt die Schuld an dem, was geschehen ist, Sir.“
Sie fühlte Landrys Blick auf sich, sank noch tiefer in den Stuhl hinein.
„Das einzige, was ich Ihnen glaube ist, daß Sie diese sogenannte Mine fortgeschafft haben, Miss Uruhk. Aber gut, wenn Sie so unbedingt die Konsequenzen tragen wollen ...“ Landry griff nach seinem Telefon und wählte eine Nummer.
Vashtu seufzte schwer, knetete mit den Händen ihre Knie.
Aus der Traum. Aber vielleicht hatte sie zumindest eines geschafft: Das ihr Team weiterhin Einsätze auf Fremdwelten ausführen konnte.
„Sir, hier Landry, SGC. Es gab einen Zwischenfall, an dem Miss Uruhk beteiligt war ...“

***

Als Vashtu gut eine Stunde später ihr Büro betrat, blieb sie wie erstarrt stehen und sah in drei sehr ernste Mienen.
Dorn saß auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch, Wallace auf dem alten, zerschlissenen Sofa, das sie aus einem der Lagerräume erbeutet hatte und Babbis, offenbar mit einer unruhigen Wanderung beschäftigt gewesen, starrte ihr aus der Mitte des Raumes entgegen.
Vashtu schloß leise die Tür hinter sich, betrachtete ihren zusammengewürfelten Haufen mit leicht geneigtem Kopf, die Arme vor der Brust gekreuzt.
„Es war meine Schuld, Miss Uruhk“, meldete Wallace sich schließlich zu Wort. „Ich wollte nur sagen ...“ Er verstummte unter ihrem eindringlichen Blick.
Vashtu nickte langsam, ging dann zu ihrem Schreibtisch und ließ sich dahinter nieder. Sehr konzentriert begann sie, in einer Schublade zu kramen.
„Was geschieht jetzt?“ ließ Dorn sich vernehmen.
Vashtu richtete sich wieder auf, fixierte nun Dorn. Der hielt ihrem Blick stand. Dann begann er breit zu grinsen.
Babbis trat zögernd näher. „Miss Uruhk, es tut mir leid.“
Sie sah ihn kurz an, schob dann die Schublade wieder zu und faltete die Hände auf der Arbeitsfläche. „Es wird sich in Zukunft einiges ändern, meine Herren“, sagte sie mit fester Stimme.
Babbis schluckte. „Antarktica, Mam?“
Sie sah ihn noch einmal kurz an, hob dann stolz den Kopf. „Und wenn ich sage, es wird sich einiges ändern, dann meine ich das auch so. Wallace, Sie werden nie, nie, niemals wieder irgendein außerirdisches Gerät anfassen, es sei denn, ich persönlich erlaube es Ihnen. Verstanden?“
Der Wissenschaftler nickte mit puterrotem Gesicht.
Vashtu wandte sich wieder Babbis zu. „Dr. Babbis, erwische ich Sie noch einmal außerhalb Ihres Dienstes in dieser Anlage, schleife ich Sie persönlich zu General Landry. Und sollte Ihnen noch einmal in den Sinn kommen, eine außerirdische Technologie erforschen zu wollen, fragen Sie zunächst einmal mich.“
Babbis nickte stumm.
Vashtu wandte sich jetzt Dorn zu. „Serge, für Sie tut es mir ehrlich leid. Aber auf Ihren wohlverdienten Ruhestand müssen Sie wohl noch ein bißchen warten. Aber lassen Sie niemals wieder diese beiden Herren aus den Augen, nie wieder! Sollten sie noch einmal so etwas auch nur in Erwägung ziehen, haben Sie meine Erlaubnis, die beiden mit Waffengewalt davon abzuhalten.“
Dorn lehnte sich amüsiert zurück. „Schon klar, Mam.“
Vashtu erhob sich, fixierte noch einmal jeden des Teams einzeln. „Sollte soetwas noch einmal vorkommen, und das können Sie alle ruhig wissen, wird SG-27 aufgelöst und ich sitze auf Antarktica. Und wenn es einen Kontinent auf der Erde gibt, den ich ganz sicher nicht betreten möchte, ist es dieser. Eine letzte Chance bleibt uns also noch, und ich denke, wir alle wollen sie nutzen.“ Sie schwieg, sah wieder von einem zum anderen. „Damit auch das klar ist, ich werde nie wieder irgendeinen Fehler von einem von Ihnen auf meine Kappe nehmen. Niemals, verstanden? Wer von jetzt an Fehler macht, hat selbst dafür gerade zu stehen.“
Über Babbis' Gesicht huschte ein Lächeln. „Dann bleiben Sie also bei uns?“
Vashtu nickte ernst. „Ja, ich bleibe, zumindest noch. General Landry und ich sind überein gekommen, daß wir vier die nächsten Wochen nutzen werden, um uns besser auf zukünftige Aufgaben vorzubereiten. Wir sollen ein Team sein, keine Chaotentruppe, so der Wortlaut des General. Ich hoffe, daß ist bei Ihnen allen angekommen. Sobald sicher ist, daß wir, und zwar wir alle, soweit sind, werden uns neue Fremdwelteinsätze übertragen werden. Wir werden also wieder durch das Stargate gehen dürfen. Aber zunächst einmal werden wir trainieren und uns besser kennenlernen - in einem Überlebenscamp der Army.“
Ein Stöhnen von den beiden Wissenschafltern, dann aber Ruhe.
Sie setzte sich wieder und sah noch einmal in die Runde.
Wallace schien erleichtert zu sein, Babbis strahlte und Dorn schmunzelte sie an.
„Dann machen Sie sich bereit. Morgen früh geht es los. Weggetreten!“
Schatten by Hyndara71
„SG-15, willkommen zurück!“ General Landry nickte zu den vier Männern hinauf, die gerade durch das Stargate gekommen waren. Zwei von ihnen schleppten ein schweres Gerät, das in beruhigenden Farben leuchtete.
„Sir!“ Major Collins salutierte vor dem Leiter des SGC und gab seinen Männern ein Zeichen, das Gerät abzustellen.
Landry musterte den Kasten interessiert, sah dann den Leader des Teams wieder an. „Das ist das geheimnisvolle Gerät, das Sie auf Y2M-772 gefunden haben?“
Collins nickte. „Wie besprochen haben wir es mitgebracht.“
„Ist es aktiviert?“
Collins sah sich jetzt ebenfalls um und zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, wir haben keine Ahnung, Sir. Die Bewohner von Y2M-772 sagen, es würde immer so aussehen. Sie haben auch nicht die blaßeste Ahnung, was es bewirken könnte, Sir.“
Landry musterte den großen Kasten.
Seit Vashtu Uruhk ihr eigenes Team leitete, wenn auch eher schlecht als recht, war dies das erste Mal, daß SG-15 zumindest etwas anderes nach Hause brachte als Ärger. Er mußte zugeben, in den letzten paar Wochen hatte er beinahe schon bereut, die Antikerin aus dieser Gruppe herausgenommen zu haben. Dr. Harper, ein Anthropologe, leistete einfach nicht das gleiche wie sie. Aber vielleicht war es diesmal das etwas unkonventionelle Herbringen wert, wer konnte das schon sagen.
„Gut. Major, ich erwarte Sie morgen früh pünktlich zur Einsatzbesprechung. Ruhen Sie sich jetzt aus.“
Wieder salutierte der junge Soldat, dann gab er seinen Männern ein Zeichen, daß sie wegtreten konnten.
Landry blieb nachdenklich im Gateroom zurück.
Er konnte nur hoffen, daß dieses merkwürdige Gerät tatsächlich ungefährlich war. Andererseits war es eigentlich SG-27, das immer den Ärger anzog. Und Vashtu Uruhk und ihre Chaotentruppe würden erst morgen wieder zum Dienst erscheinen - nach zwei Wochen in einem Überlebenscamp.
Landry nickte den Marines zu, die die Rampe hinaufstiegen und den Kasten bargen, um ihn in eines der Labore zu bringen. Er verließ den Gateroom und verschwand in seinem Büro, um einen Anruf zu tätigen.

***

„Wie konnten Sie nur so unverantwortlich mit der Gesundheit Ihrer Männer hausieren gehen!“ Dr. Lam, die Chefärztin des SGC, blitzte die etwas größere Antikerin zornig an.
Vashtu hob die Brauen. „Unverantwortlich?“ echote sie verständnislos.
„Dr. Wallace wird für die nächste Woche nicht zum Dienst erscheinen. Wie auch immer, er hat sehr üble entzündete Stellen an Beinen und Füßen. Damit kann er nicht arbeiten und hat Schmerzen. Schlimme Schmerzen. Ich habe ihn nach Hause geschickt.“
Vashtu hob eine Hand und neigte ratlos den Kopf. „Moment, Doktor. Dr. Wallace hat was?“ Verständnislos blinzelte sie.
„Er muß sich einiges an Blasen gelaufen sein während Ihres Aufenthaltes in diesem Camp. Er behauptet, Ihnen das auch mitgeteilt zu haben, doch Sie waren es, die ihn nicht gehen ließ.“ Lam versuchte sie niederzustarren.
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust und preßte die Kiefer aufeinander. „Er hat mir gesagt, er sei umgeknickt, nicht mehr und nicht weniger. Sergeant Dorn hat ihm einen Verband angelegt und ist bei ihm geblieben, während Dr. Babbis und ich die Übung fortsetzten. Wenn er sich irgendwo Blasen gelaufen hat, dann sicher nicht in diesem Überlebenscamp. Er war dreiviertel der Zeit im Sanitätszelt.“
Lam funkelte sie immer noch an. „Er sagte etwas von einem Gewaltmarsch, zu dem Sie ihn gezwungen hätten.“
„Gewaltmarsch!“ Jetzt mußte sie doch schmunzeln. „Dr. Lam, er mußte nur von einer Baracke zur Kantine, mehr nicht. Den Weg schafft er selbst hier, und hier muß er noch Treppen steigen. Tut mir leid, aber ich sehe mich nicht in der Pflicht, Doc. Was auch immer er Ihnen für einen Bären aufgebunden hat, mit dem Camp hat das nichts zu tun. Außerdem hatte er noch das ganze Wochenende Zeit, sich diese Blasen zu laufen.“
„Dr. Wallace sagt da etwas anderes.“
„Kann ich mir vorstellen.“ Vashtu beruhigte sich immer mehr, beschloß, das ganze mit Humor zu nehmen und drehte sich zu ihrem Schreibtisch um. „Wenn Sie mir nicht glauben wollen, ich habe hier noch die Aufstellungen und Anwesenheitslisten des Teams. Doc, glauben Sie mir, wo auch immer Wallace sich verletzt hat, es war nicht im Überlebenscamp.“
„Und Dr. Babbis?“
Vashtu, die gerade die Berichte einsammelte, runzelte die Stirn und drehte sich wieder zu der Ärztin um. „Er hat sich ganz gut geschlagen.“
„So gut, daß er jetzt ebenfalls auf der Krankenstation ist.“ Lam schien zu triumphieren.
Vashtu zog die Brauen zusammen, ließ die Papiere Papiere sein und nickte. „Gut, ich komme mit. Die Erklärung hätte ich wirklich gern gehört“, entschloß sie sich.
„Wollen Sie ihn auch noch einschüchtern, ehe er seine Aussage macht?“
„Nein, ich würde gern wissen, was die beiden an diesem Wochenende angestellt haben, daß sie sich jetzt einhellig krank melden wollen.“ Vashtu atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Dabei hatte sie geglaubt, zumindest Babbis gegenüber wäre das Eis endlich gebrochen. „Ich werde nicht einen Ton sagen, meinetwegen verstecke ich mich auch hinter irgendeiner Wand, damit er mich nicht sehen kann.“
Lam musterte sie aufmerksam von Kopf bis Fuß und schien zu überlegen. Dann nickte sie. „Also gut, dann kommen Sie eben mit.“
„Ich muß nur kurz dem General ...“
„Lassen Sie das mal meine Sorge sein, Miss Uruhk.“ Lam wandte sich ab und verließ das Büro wieder.
Vashtu zögerte noch einen Moment, dann folgte sie der Ärztin durch die Gänge und Treppen zur Krankenstation.
Viel schien hier im Moment nicht los zu sein. In einem kleinen Nebenraum saßen einige Schwestern und eine blonde Frau in einem Arztkittel und tranken Kaffee. Ansonsten war es erstaunlich ruhig.
Vashtu folgte Lam zu einem Untersuchungstisch, auf dem Babbis mit hängendem Kopf saß und die Beine baumeln ließ.
„Sie warten hier“, wandte die Ärztin sich wieder an sie und trat vor.
Babbis hob den Kopf. Sein Blick schien verschleiert, doch dann klärte er sich wieder, als er sie sah. Kurz kniff er die Lippen aufeinander und verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. „Miss Uruhk.“
Vashtu nickte nur und kreuzte die Arme vor der Brust.
Äußerlich war nichts festzustellen. Was auch immer Babbis' Problem war, zu sehen war jedenfalls nichts, einmal abgesehen von seiner schmerzverzerrten Miene.
„Was für ein Problem haben Sie?“ wandte Lam sich an den jungen Wissenschaftler.
Babbis verzog wieder das Gesicht und hob eine Hand an seine Schläfe.
Vashtu richtete sich auf. Ihre Augen wurden schmal.
„Kopfschmerzen und Übelkeit. So schlimm war es noch nie“, nuschelte Babbis.
Kopfschmerzen?
Lam schien ebenfalls etwas anderes erwartet zu haben, umfaßte sein Handgelenk und maß seinen Puls. Dann runzelte sie die Stirn und zückte einen Leuchtstift aus ihrer Kitteltasche, um ihm damit in die Augen zu leuchten.
Babbis gab einen Schmerzenslaut von sich und wandte sich ab.
Vashtu wurde nun doch unruhig. Nicht daß sie an eine ernsthafte Erkrankung glaubte, aber er schien tatsächlich unter irgendetwas zu leiden.
„Haben Sie heute schon etwas gegessen?“ erkundigte Lam sich.
Ein kurzes Kopfschütteln, begleitet von einem leisem Stöhnen.
Lam nickte, drückte ihren Patienten sanft auf den Tisch zurück. Sofort kam wieder ein schmerzerfülltes Stöhnen, als Babbis direkt in eine der Leuchtstoffröhren blicken mußte. Er wandte den Kopf ab, hielt die Augen geschlossen.
„Was hat er?“ fragte Vashtu nun doch besorgt.
Lam drehte sich zu ihr um und musterte sie nachdenklich. „Also gut. Zumindest an seinem Zustand scheinen Sie keine Schuld zu tragen, Miss Uruhk“, antwortete sie dann endlich, öffnete einen Medikamentenschrank und holte etwas daraus hervor.
„Und was hat er jetzt?“
Wieder ein Stöhnen von Babbis.
„Wie es aussieht, haben wir es hier mit einer ganz normalen und alltäglichen Migräne zu tun, Miss Uruhk. Nichts lebensgefährliches, wenn es behandelt wird.“
„Migräne?“ fragten die Antikerin und der Wissenschaftler ungläubig im Chor.
Lam drehte sich um, eine Spritze in der Hand, und nickte. „Migräne. Eine leichte und kurzzeitige Entzündung der Nervenstränge des Gehirns. Hatten Sie schon öfter solche Anfälle, Dr. Babbis?“
Der Angesprochene stöhnte leise vor sich hin und hielt sich eine Hand über die Augen. Dann schüttelte er sehr langsam den Kopf. „Noch nie so schlimm“, antwortete er und begann zu würgen.
Vashtu griff sich eine der Nierenschalen, die auf einem Tisch neben ihr lagen, trat an den Tisch und stützte seinen Kopf, während er Magenflüssigkeit erbrach.
Dr. Lam runzelte kurz die Stirn, wandte sich dann aber wieder ihrer Tätigkeit zu und verabreichte die Injektion.
„Und was können wir tun?“ fragte die Antikerin.
„Es auskurieren lassen, mehr nicht. Ich habe Ihnen einige Beta-Blocker gespritzt, Dr. Babbis“, wandte Lam sich wieder an den Wissenschaftler. „Und ich würde gern ein CT vornehmen. Die Erforschung der Migräne steckt immer noch in den Kinderschuhen. Es ist schon ein Wunder, daß sie inzwischen als Krankheit anerkannt ist.“
Babbis nickte schwach und wischte sich über den Mund.
„In ein oder zwei Tagen ist es wieder vorbei, keine Sorge.“

***

General Landry rieb sich die Schläfen. Ein feiner Schmerz zuckte durch seine Augenbrauen. Nur ein feiner Schmerz, nichts weiter.
Doch er fühlte sich seltsam schlapp und erschöpft. Dabei konnte er sich das nicht erklären. Möglicherweise lag es ja an der Impfung, die ihm letzte Woche verabreicht worden war.
Landry beugte sich wieder vor und ließ die Hände sinken. Er öffnete die Augen und betrachtete die Papiere vor sich auf dem Schreibtisch.
Sie wollten ihm nichts sagen. Es erschien ihm plötzlich alles nutzlos, was er hier tat. Warum sich eigentlich Gedanken darüber machen, was da draußen im Weltall vor sich ging? Es brachte doch nichts. Die Erde sollte sich nicht einmischen, sondern sich um sich selbst kümmern.
Landry seufzte wieder, versuchte erneut, den kurzen Bericht von Collins zu lesen. Da nahm er etwas aus den Augenwinkeln wahr. Nur einen Moment lang, so daß er selbst zweifelte.
Als er aufblickte, war da nichts. Aber ... Er war sicher, er hatte einen Schatten gesehen. Einen Schatten, der ihm wirklich sehr bekannt vorgekommen war.
Landry griff nach seiner Kaffeetasse und nahm einen großen Schluck.
Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Nur das jetzt nicht! Nicht jetzt!
Wieder ein Schatten, deutlicher diesmal. Eine Gestalt, dunkel und schwarz vor den grauen Wänden.
Landry setzte sich mit einem Ruck auf und atmete tief ein.
Der Schatten war verschwunden.

***

„Serge! Gut, daß ich Sie treffe.“
Dorn drehte sich zu seiner Leaderin um und nickte. „Morgen.“
Die Antikerin lächelte ihn an, winkte ihm dann, ihr in ihr Büro zu folgen. „Ich soll für Landry noch Berichte über das jeweilige Abschneiden meines Teams anfertigen“, erklärte sie, während sie auf ihren Schreibtisch zuhielt. „Und ich würde gern mit Ihnen über Ihr Ergebnis sprechen.“
Dorn folgte ihr stumm, stellte sich dann an der Seite ihres Schreibtisches neben ihr auf und hob die Brauen, als er das Chaos sah, was sich darauf ausbreitete.
Vashtu lächelte entschuldigend, kramte in den Papieren herum. „Dr. Wallace ist übrigens für eine Woche krank geschrieben“, berichtete sie ihm, zog dann einen Leistungstest aus dem restlichen Stapel und las ihn kurz durch. Dann landete das Papier auf der anderen Seite und sie kramte weiter.
„Krank?“ Dorn runzelte die Stirn.
„Dr. Lam hat er gesagt, ich habe ihn zu einem Gewaltmarsch gezwungen.“ Ein neuer Bogen Papier, der unter dem Stapel hervorgezogen wurde.
„Er ist doch nur einmal mit im Gelände gewesen.“
Vashtu nickte, richtete sich wieder auf und hielt ihm das Blatt hin. „Hier, das hat der Drill-Sergeant aufgezeichnet. Können Sie damit etwas anfangen?“
Dorn nickte, nahm ihr das Blatt ab. Dann aber erstarrte er und wich zurück. Das Papier flatterte auf den Boden.
Vashtu runzelte die Stirn. „Was ist los?“ Sie bückte sich und hob den Bericht wieder auf, las ihn dann selbst noch einmal aufmerksam durch. „Also, für Ihr Alter haben Sie doch beachtlich abgeschnitten, Serge. Ich weiß gar nicht, was Sie wollen.“ Sie sah wieder auf.
Dorn starrte sie entgeistert an. Das Gesicht des alternden Marines war bleich, seine grauen Augen hatten sich geweitet.
„Serge? Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Sie legte das Papier zurück auf ihren Schreibtisch und trat vorsichtig einen Schritt näher.
Dorn keuchte, wich einen Schritt zurück. Dann klärte sein Blick sich plötzlich wieder. Verwirrt schüttelte er den Kopf. „Verzeihung, Mam. Wo waren wir?“
Vashtu betrachtete ihn mißtrauisch von der Seite. „Ist Ihnen nicht gut, Dorn?“
Er sah sie verwirrt an, schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung, Mam.“ Er leckte sich nervös über die Lippen. „Der Bericht, Mam?“
Vashtu beäugte ihn immer noch mißtrauisch, nickte aber. „Okay“, sie zog dieses Wort in die Länge und wandte sich von ihm ab, um wieder nach dem Papier zu greifen.
Im nächsten Moment fand sie sich in einem Klammergriff wieder. Vor Überraschung knickten ihr die Knie weg und sie japste nach Luft.
„Dorn!“ keuchte sie und versuchte sich zu befreien, ohne ihre Fremdzellen einzusetzen. Dann erstarrte sie, als sie seinen Unterarm in ihrem Genick fühlte. „Kommen Sie zu sich, Marine!“
„Du bleibst hier, hast du das verstanden? Du gehst nicht wieder weg“, knurrte Dorn dicht an ihrem Ohr und verstärkte seinen Griff.
Vashtu hatte Mühe, Luft zu holen. Der alte Soldat würgte sie und hielt sie in einem unbarmherzigen Griff. Wenn sie ihn nicht verletzen wollte, konnte sie nichts tun.
„Dorn ...!“

***

„Keine Sorge, es wird nicht wehtun.“ Dr. Lam lächelte.
Babbis warf ihr einen skeptischen Blick zu, schloß dann die Augen.
Er war so müde, doch es war eine falsche Müdigkeit, das spürte er auch. Es war nicht dieses wohlige Hinübergleiten in einen erholsamen Schlaf, sondern eine von innen suggerierte Müdigkeit, die seine Gedanken lähmen wollte.
„Es kann Ihnen auch nichts passieren. Leiden Sie unter Klaustrophobie?“
Babbis schüttelte benebelt den Kopf und öffnete den Mund. Doch die Antwort wollte nicht kommen.
Lam drückte noch einmal seine Hand. „Gleich wissen wir mehr, Dr. Babbis. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“
Wieder nickte er, schon halb weggedöst.
Er spürte schon nicht mehr, wie die Bahre, auf der er lag, in den Computertomografen gezogen wurde. Und er sah auch nicht, wie Dr. Lams Gesicht sich plötzlich vor Angst verzerrte.

***

Als Vashtu wieder zu sich kam, fand sie sich auf ihrem angeknacksten Besucherstuhl wieder. Sie konnte sich kaum bewegen. Irgendetwas schnürte in ihre Glieder und auch ihren Körper.
Sie blinzelte und hielt den Kopf gesenkt.
Kabel? Wieso Kabel?
Ein Ruck ging durch ihren Körper, als diese Kabel festgezogen wurden. Endlich spürte sie die Anwesenheit von einem zweiten, direkt hinter ihr. Dorn!
Vashtu hob den Kopf, drehte sich, soweit sie konnte. „Verdammt, Serge! Was ist denn mit Ihnen los?“ fuhr sie den Marine an, der immer noch damit beschäftigt war, ihre Fesseln zu verknoten.
Sie ruckte gegen die Kabel an, die sie an den Stuhl banden, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. „Dorn! Was ist los mit Ihnen, Mann? Machen Sie mich auf der Stelle wieder los!“
„Du bleibst hier, meine Kleine, hörst du? Niemand wird dich finden. Du wirst nicht wieder diesem ... diesem Saddam in den Rachen geworfen.“ Dorns Stimme klang merkwürdig, als sei er Millionen von Lichtjahren entfernt von hier.
Vashtu runzelte die Stirn. Saddam? Was zum ... ?
Der Krieg gegen den Irak! Verdammt, verdammt, verdammt! Was hatte Dorn mit diesem Krieg zu tun?
Sie warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Chaos auf ihrem Schreibtisch. Irgendwo dort lag auch die Akte von Dorn. Und im Moment wünschte sie sich, sie hätte sie gelesen.
„Cindy, deine Mum, können wir nicht wieder zurückholen. Aber dich lasse ich nicht noch einmal weg, hörst du? Du bleibst hier!“ Dorn richtete sich auf und sah auf sie hinunter. Sein Blick wirkte benebelt, als stünde er unter ... unter Drogen?
Vashtu holte tief Luft. Wenn es ihr so nicht gelang, den Marine zur Vernunft zu bringen, würde sie sich etwas anderes einfallen lassen müssen.
„Sergeant Dorn, als Ihre Vorgesetzte befehle ich Ihnen ...!“ Weiter kam sie nicht, dann hatte Dorn ihr schon ein Taschentuch in den Mund gestopft.
War er denn verrückt geworden? Was sollte das?
Dorns Finger strichen liebkosend über ihr Gesicht. „Laurie, meine Kleine, du mußt das verstehen, hörst du? Ich lasse dich nicht wieder gehen.“ Tränen standen in seinen Augen.
Vashtu starrte ihn an. Allmählich begann sich ein Bild in ihrem Geist festzusetzen.
„Ich hätte dich nie in die Army eintreten lassen dürfen, meine Kleine, nie!“ Dorn zog die Nase hoch. „Aber jetzt machen wir beide das anders, ja? Diesmal nutzen wir unsere Chance. Ich lasse dich nicht wieder in diesen idiotischen Krieg ziehen, nie wieder.“
Okay, wenn er es im Guten nicht vertrug, dann eben anders.
Vashtu war noch immer von der plötzlichen Intimität verwirrt, und das Bild in ihrem Kopf wollte nicht so recht verschwinden. Sie schwor sich, daß sie, sobald sie diesen Irrsinn beendet hatte, Dorns Akte sehr aufmerksam lesen würde. Wer auch immer diese Laurie gewesen war, sie hatte ihn offensichtlich stark beeinflußt.
„Deine Mum würde sich freuen, wenn du an ihr Grab kommen würdest, meine Kleine“, flüsterte der Marine mit tränenerstickter Stimme. „Sie konnte diese Nachricht nicht ertragen, die der Kerl mit dem ganzen Lameta gebracht hat. Aber das wird nicht wieder geschehen, hörst du? Diesmal bleibst du bei mir.“ Er umarmte sie.
Vashtu spannte sich an und riß überrascht die Augen auf, als Dorn seinen Kopf an ihrer Schulter vergrub. Einen Atemzug lang zögerte sie, doch sie war sich klar darüber, daß sie jetzt die beste Chance hatte.
Gott sei Dank hatte sie bis jetzt noch keinen wirklichen Ersatz für den von Wallace demolierten Stuhl gefunden und ihn nur notdürftig geflickt. Es würde sie keine allzu große Anstrengung kosten, sich zu befreien - hoffte sie zumindest. Aber erst einmal Dorn.
Vashtu spannte die Kiefer an und wappnete sich. Dann hob sie den Kopf so weit in den Nacken wie möglich, konzentrierte sich auf ihre Fremdzellen und knallte ihm ihr Kinn an die Schläfe. Autsch! Der Mann hatte einen harten Schädel!
Dorn hob den Kopf, seine Augen schwammen in Tränen, sein Blick war unstet.
Vashtu stemmte sich gegen die Fesseln, hielt die Wraith-Zellen aktiv und knallte ihm noch einmal ihren Schädel gegen seinen. Stirn traf auf Stirn. Dorn gab ein Grunzen von sich, versuchte sich aufzurichten, dann sackte er weg.
Vashtu schüttelte den Kopf. Das würde eine Beule geben. Mühsam spuckte sie das Taschentuch wieder aus, richtete sich so weit auf, wie es ging und ließ sich dann mit ganzer Wucht wieder auf den Stuhl fallen. Ein gemeines Knacken sagte ihr, daß sie auf dem richtigen Weg war. Noch einmal richtete sie sich auf, knallte die Stuhlbeine hart auf den Betonboden und verlor fast das Gleichgewicht, als die Sitzgelegenheit unter ihr auseinanderbrach.
Wieder spannte sie die Muskeln an und riß an den letzten Fesseln, die noch fest saßen. Die Kabel sprangen auseinander.
Vashtu rieb sich die Handgelenke, schüttelte sich die letzten Reste ihrer Fesseln von den Füßen und sah stirnrunzelnd zu dem bewußtlosen Dorn hinunter.
Was war nur in ihn gefahren?

***

Als Babbis wieder zu sich kam, lag er noch immer in der düsteren Röhre des CTs auf dem einfahrbaren Tisch. Ein Dämmerlicht beleuchtete das Innere nur schwach, doch ausreichend, daß er sehen konnte, was sich um ihn her befand.
„Hallo?“ rief er schwach.
Keine Antwort.
Babbis sah sich wieder um. In der Röhre war nicht genug Platz, damit er sich selbst befreien konnte. Und außerdem ... Wie lange war er weg gewesen? Hätte Dr. Lam ihn nicht schon längst wieder aus dem CT befreien sollen?
„Hallo! Ich bin hier. Hallo?“
Nichts rührte sich.
Babbis schluckte. Die Röhre schien immer enger zu werden.

***

Vashtu schlich vorsichtig über den Gang. Von irgendwo hallten Schreie her, immer wieder rannten Angehörige des SGCs in wilder Flucht an ihr vorbei und mehrmals hatte sie bereits den verschiedensten Waffenmündungen ausweichen müssen.
Ihr erster Weg war der zu General Landrys Büro gewesen, doch der Aufzug war blockiert und vor der Tür zum Treppenhaus hatte sich eine Menschentraube gebildet. Als sie es bei einer der Waffenkammern versuchte, sah es dort nicht viel anders aus. So trug sie jetzt nur eine der Schlangenwaffen, ein Zak'Ni'Tel, bei sich. Immerhin etwas und zusätzlich die Sicherheit, daß sie mit dieser Waffe auch betäuben konnte.
Vashtu drückte sich eng an die Wand, als aus einem Quergang einige fliehende Menschen in heller Aufregung stürzten, doch niemand beachtete sie.
Sie wollte ihr Glück jetzt in der Krankenstation versuchen. Vielleicht würde sie dort noch das eine oder andere nützliche finden und möglicherweise auch jemanden, der noch nicht wahnsinnig geworden war.
Das allerdings beschäftigte sie. Warum schien das ganze Stargate-Center plötzlich irr geworden zu sein, nur sie nicht? Und warum so plötzlich? Heute vormittag waren alle noch relativ normal.
Sie schlich weiter, warf immer wieder Blicke über die Schulter, um sicherzugehen, daß sich auch niemand anschleichen konnte an sie.
Die Tür zur Krankenstation stand sperrangelweit offen.
Vashtu stockte in ihrem Schritt und runzelte die Stirn. Das sah nicht gut aus. Aber sie mußte es zumindest versuchen.
Sie stellte sich neben die Tür, drückte sich an die Wand und lugte vorsichtig um die Ecke.
Auf dem ersten Blick war nichts zu sehen, wohl aber zu hören. Irgendjemand wimmerte. Die Beleuchtung schien stellenweise ausgefallen.
Vashtu zögerte, trat dann aber doch, das Zak'Ni'Tel vor sich gestreckt und entsichert, über die Schwelle.
Die Leuchtstoffröhren waren teils zerschlagen worden, teils hingen sie noch an einzelnen Kabeln von der Decke und flimmerten. Das Notlicht hatte sich eingeschaltet und tauchte den Raum in ein unstetes Dämmerlicht.
Das Wimmern wurde lauter.
Vorsichtig ging die Antikerin weiter, die fremdartige Waffe noch immer entsichert und nach vorn gestreckt.
Da! Unter einer der noch stehenden Pritschen. Der Rest lag, zerwühlt, zerschlitzt und vollgesogen mit allen möglichen flüssigen Medikamenten, auf dem Boden, wie auch Injektionsbestecke, Nierenschalen und andere Gerätschaften. Tabletten knirschten unter den Stiefeln der Antikerin.
Vashtu trat beherzt näher, ließ sich vorsichtig auf die Knie nieder, das Zak'Ni'Tel zu Boden gerichtet. Die blonde Ärztin, die heute morgen noch so angeregt mit den Krankenschwestern geschwatzt hatte, starrte sie mit großen, verängstigten Augen an. Ihre Wimperntusche war verlaufen und hatte Falten in ihr Gesicht gezeichnet.
„Alles in Ordnung.“ Vashtu hob vorsichtig die Hand und sah die Fremde eindringlich an. An ihrem Kittel war ein metallenes Namenschild, doch in dem flackernden Dämmerlicht fiel es ihr schwer, es zu entziffern. „Alles in Ordnung, Dr. ... Evans. Ganz ruhig.“
Die Blonde starrte sie immer noch an, ihre Augen rollten.
„Ich tue Ihnen nichts, hören Sie? Ich möchte nur wissen, was hier los ist“, fuhr Vashtu mit so ruhiger Stimme wie möglich fort.
Dr. Evans keuchte, dann schoß sie plötzlich vor, die Hände zu Klauen gebogen. Die Antikerin wich zurück. Das Zak'Ni'Tel schien sich von selbst hochzureißen und einen einzelnen Schuß abzugeben. Dr. Evans sank zusammen.
Vashtu holte tief Atem, richtete sich dann wieder auf und sah sich ratlos um.
Niemand mehr da. Alle Betten waren leer, weder ein Arzt noch ein Pfleger waren zu sehen. Soviel zu möglichen ...
Vashtu hob lauschend den Kopf. War da nicht eine schwache Stimme? Sie neigte leicht den Kopf und runzelte die Stirn.
Ja, da war eine Stimme, ein Rufen, fast schon ein Kreischen. Aber es klang noch relativ normal entgegen dem, was sie auf den Gängen erlebt hatte.
Also ein weiterer Versuch.

***

Babbis war inzwischen der Verzweiflung nahe und glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Die Röhre schien immer enger zu werden und ihm zusätzlich den Atem abzuschnüren. Er wollte nur noch hier heraus, solange es noch ging, doch er konnte sich kaum bewegen.
Dazu kam, daß die Medikamente in seinem Inneren immer noch hervorragend wirkten. Zwar war sein Adrenalinspiegel derart angestiegen, daß er wohl in der nächsten Zeit kein neues Nickerchen mehr machen würde, aber er fühlte sich noch immer benebelt, auf eine heimtückische Art, der er lieber entkommen wäre.
„Hilfe!“ rief er schwach, immer und immer wieder. Auch wenn er inzwischen der Meinung war, er sei der letzte Mensch im ganzen SGC.
Dann aber sprang plötzlich der Motor der Liege an. Er konnte das Summen hören, dann ging ein Ruck durch seinen Körper.
Babbis hätte heulen können vor Freude. Es war tatsächlich doch noch jemand gekommen! Doch das Gesicht, was ihn schließlich erwartete, als er ganz aus dem CT glitt, mit dem hätte er nie im Leben gerechnet.
„Miss Uruhk!“
Die Antikerin hielt ein Zak'Ni'Tel auf ihn gerichtet und musterte ihn aufmerksam, als würde sie etwas erwarten. Ihre Augen glitzerten kalt.
Babbis stemmte sich ächzend hoch. Die Kopfschmerzen hatten etwas nachgelassen, aber dafür war sein Körper jetzt steif wie ein Brett. Stöhnend rieb er sich über die Stirn, sah dann wieder auf.
„Können Sie das nicht lassen?“ beschwerte er sich. „Ich wäre dadrin beinahe erstickt. Denken Sie wirklich, ich wolle Sie jetzt auch noch angreifen?“
Die Antikerin blinzelte, richtete sich langsam auf und senkte die Waffe. „Sie sind also noch Sie selbst.“ Sie seufzte.
Babbis runzelte die Stirn. „Natürlich bin ich ich selbst. Was für eine dämliche Frage.“
Vashtu zog eine kurze Grimasse und wandte sich ab. Aufmerksam sah sie sich in dem Raum um, in dem sie sich befanden. „Wir müssen hier verschwinden. Wir sind hier nicht sicher“, sagte sie schließlich. „Wie geht es Ihrem Kopf?“
„Offensichtlich besser als Ihrem.“ Babbis ließ sich vorsichtig vom Tisch gleiten. Ihm war schwindlig und er stöhnte leise auf.
Sofort fuhr Vashtu wieder zu ihm herum, das Zak'Ni'Tel halb erhoben.
„Könnten Sie es vielleicht unterlassen, ständig mit irgendwelchen Waffen auf mich zu zielen?“ beschwerte Babbis sich. „Vor allem, wenn ich das Gefühl habe, mein Gehirn würde mit einem Strohhalm ausgesaugt.“
Ihre Mundwinkel zuckten amüsiert und sie nickte. „Gut.“ Doch in ihren Augen konnte Babbis deutliche Besorgnis lesen.
Was war hier los?
„Können Sie laufen?“
Wieder rieb er sich den Kopf, diesmal aber die rechte Schläfe. „Ja, ich kann laufen“, grummelte er und tat einen schwankenden Schritt.
Die Antikerin seufzte. „Hören Sie, ich kann nicht uns beide schützen und Sie auch noch schleppen, dafür sind Sie zu ... zu groß. Sie werden allein gehen müssen. Wir brauchen einen sicheren Unterschlupf, von wo aus wir operieren können.“
„Hä?“ Babbis drehte sich wieder zu dem Apparat herum, in dem er bis jetzt gelegen hatte. Hatte er nicht irgendetwas von einer möglichen Strahlenverseuchung gehört, die durch einen zu langen Aufenthalt in einem CT hervorgerufen werden konnte.
„Oh mein Gott! Ich werde sterben!“
„Das werden wir alle, selbst ich ... irgendwann.“ Vashtu trat näher und packte ihn am Arm. „Kommen Sie, Babbis. Wir müssen hier verschwinden, ehe die anderen wiederkommen und uns hier vielleicht noch beide einsperren.“
„Sie verstehen nicht. Die Strahlung dieses Kastens kann ...“ Babbis stockte, als er, von der Antikerin einfach mitgezerrt, die Krankenstation betrat. „Was ist hier los?“
„Gute Frage. Das wüßte ich auch gern.“ Unbarmherzig zog sie ihn weiter. „Los jetzt!“

***

Vashtu richtete sich wieder auf, drehte ihren Arm im Gelenk ein paarmal, blickte dann stirnrunzelnd auf den Wissenschaftler nieder, der sie angegriffen hatte.
„Sie hätten schießen können.“ Mit einem verärgerten Blitzen in den Augen drehte sie sich zu Babbis um.
Der stand, noch immer vollkommen verdattert, in der Tür, vor seinen Füßen das Zak'Ni'Tel.
„Mann, kommen Sie endlich rein!“ Sie winkte ihm, trat dann einen drohenden Schritt auf ihn zu. Babbis brachte sich tatsächlich mit einem beherzten Anlauf in Sicherheit, hielt noch immer den Wissenschaftler im Auge, der ohnmächtig am Boden lag.
Vashtu lugte vorsichtig den Gang hinauf und hinunter, zog dann die Tür zu und schloß den Riegel. Seufzend drehte sie sich wieder um und betrachtete den Raum.
„Ich dachte, der würde Sie umbringen“, brachte Babbis schließlich hervor.
„Das dachte ich einen Moment lang auch.“ Vashtu griff nach der Goa'uld-Waffe und harkte sie in ihren Gürtel.
„Okay, wie ich es sehe, haben wir alles, um erst einmal herausfinden zu können, was hier los ist. Das heißt ... hat der Rechner eine Verbindung zum Hauptcomputer?“ Sie stützte sich mit beiden Händen ab und zog sich auf den großen Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Auffordernd sah sie Babbis an.
Der zögerte lange, dann drehte er sich aber doch um und tippte etwas ein. „Nicht auf alle Programme“, gestand er dann. „Aber was wollen Sie denn tun?“
Vashtu knetete wieder ihre Schulter. Der Kerl hatte ihr fast den Arm abgerissen. Die Wraith-Zellen taten zwar ihre Arbeit, aber so schnell waren selbst sie nicht. „Wie ich schon sagte, herausfinden, was hier los ist. Irgendeine Idee?“
Babbis zuckte mit den Schultern und ließ sich auf einen der Bürostühle nieder. „Fragen Sie mich das, wenn dieses Zeug aus meinem Kreislauf verschwunden ist“, murmelte er und rieb sich wieder die Schläfe.
„Noch Schmerzen?“ Die Stimme der Antikerin klang mitfühlend.
Babbis schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Nur ... es fühlt sich an, als hätte ich statt eines Gehirns einen riesigen Wattebausch im Kopf.“
Vashtu hob die Brauen, sah dann wieder zu dem Wissenschaftler hinüber. Nachdenklich schürzte sie die Lippen.
„Gut, lassen Sie uns das ganze einmal in Ruhe durchgehen.“ Babbis hob den Kopf und gestikulierte mit Armen und Händen. „Ich denke, wir beide sind uns darüber einig, daß heute morgen noch alles normal lief, oder?“
Vashtu nagte an ihrer Unterlippe. „Stimmt. Es muß so gegen Mittag gewesen sein, als ...“ Sie hörte einfach auf zu reden und starrte angestrengt vor sich hin.
„Wann sind Sie heute gekommen?“ bohrte Babbis weiter.
Die Antikerin riß sich aus ihren Gedanken und musterte ihn interessiert. Er schien irgendetwas zu ahnen. Vielleicht war es ein Fehler, doch sie beschloß, ihm jetzt einfach zu trauen.
„Ich kam so gegen neun hier an“, erklärte sie. „Hat ein bißchen länger gedauert, der eine Truck kam heute morgen nicht.“
Babbis blinzelte irritiert. „Truck?“
Sie nickte. „Ja, der Milchwagen. Muß heute wohl Verspätung gehabt haben.“
„Milchwagen?“ Babbis starrte sie an. „Was für ein Milchwagen? Bekommen Sie jetzt auch Halluzinationen, wie die da draußen?“
Vashtu stutzte. „Nein, ich komme mit meinem Skateboard.“
Babbis klappte das Kinn herunter. Einen Moment lang sah er die Antikerin nur groß an, dann schien er sich wieder zu fassen. „Sie kommen mit einem ... Skateboard zur Arbeit?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht bis Chayenne-Mountain, Doc. Und für ein Skateboard brauche ich keinen Führerschein.“
„Sie haben keinen Führerschein?“
Sie schüttelte wieder mit dem Kopf. „Nein. Wozu auch? Ich mag Autos nicht sonderlich. Sie stinken und machen Lärm.“
Babbis starrte sie noch immer groß an. „Sie kommen mit einem Skateboard zur Arbeit, weil Sie Autos nicht mögen? Wie?“
Wieder ein Schulterzucken, begleitet von einem leicht verzerrten Gesicht. „Ich hänge mich an Busse und Trucks, teils fahre ich auch - abends meist. Da geht es ja fast nur bergab. Macht Spaß, wirklich. Sollten Sie auch mal versuchen.“
Babbis nickte mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck. „Aber Ihnen ist schon klar, daß Sie das eigentlich nicht dürfen?“
„Skateboard fahren?“
Hilflos rang er die Hände und schüttelte den Kopf. „Sich an andere Fahrzeuge hängen mit einem Skateboard, das ist verboten.“
Vashtu hob eine Braue und sah ihn ungläubig an. Dann schien ihr plötzlich etwas aufzugehen. „Deshalb wartet der MP am Tor schon immer mit einem Umschlag!“
„Hä?“
Jetzt sah sie wirklich etwas zerknirscht aus und lugte ihn unter ihrem fransigen Pony an. „Naja, ein paarmal war die Highway-Patrol hinter mir, als ich hier ankam. Da habe ich noch die Abkürzung über den Highway genommen.“
Babbis glaubte sich in einem schlechten Film. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Gerade hatte er doch noch eben diese Frau gesehen, wie sie einen irren Angreifer bekämpfte und ihn bewußtlos schlug. Und eben diese Frau weigerte sich, einen Führerschein zu machen, hängte sich an andere Verkehrsteilnehmer und kam mit einem Skateboard zur Arbeit. Diese Frau da vor ihm, eine Antikerin! Eine Frau, die von einer Sekunde zur anderen zu einer Killermaschine mutierte und dann plötzlich eine besessene Wissenschaftlerin wurde.
Babbis schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
„Stimmt etwas nicht?“ Vashtus Stimme klang immer noch unschuldig. War sie sich denn wirklich nicht bewußt, was sie da gerade von sich gegeben hatte?
Babbis hob die andere Hand zu einer beschwichtigenden Geste. „Kommen wir auf das eigentliche Thema zurück. Sie waren also, wie auch immer, so gegen neun hier.“
Vashtu nickte. „Ich war gerade mit einem Anruf fertig, als Dr. Lam reinkam und mir sagte, daß Wallace sich krank gemeldet habe.“
„James hat sich krank gemeldet? Ich dachte, seine ganze Wehwehchen seien kuriert gewesen?“
Vashtus Brauen zuckten und sie nickte leicht. „Also haben Sie beide das Wochenende nicht zusammen verbracht. Mir kam schon der Verdacht, als Dr. Lam meinte, Sie würden sich auch noch krank melden.“
„James war auf der Farm seiner Eltern, soweit ich weiß. Er sollte sich irgendeinen Befall an den Maispflanzen ansehen.“
Nachdenklich ließ Vashtu ihre Beine baumeln und starrte sie an. „Dr. Lam hat er gesagt, ich hätte ihn zu einem Gewaltmarsch gezwungen. Seine Füße seien grün und blau gewesen, meinte sie.“
„Wir kennen doch beide James.“ Babbis lächelte halb.
„Stimmt.“ Die Antikerin nickte. „Aber daß er lügt, daß hätte ich nicht von ihm angenommen.“
„Um an eine kostenlose Untersuchung zu kommen, schätze ich. Mich würde es nicht wundern, wenn irgendetwas anderes bei einer näheren Betrachtung seiner Leiden herauskäme ... Gewaltmarsch, sagten Sie?“ Babbis schnippte mit den Fingern. „Haben Sie eigentlich schon einmal ein Maisfeld im Mittleren Westen von nahem gesehen?“
Sie zuckte mit den Schultern und stellte fest, daß jetzt alle Schmerzen vergangen waren. „Bisher bin ich noch nicht dazu gekommen. Irgendwann würde ich mir schon einmal Ihr Land ansehen. Aber ...“
„Mit einem Skateboard werden Sie da nicht weit kommen“, beeilte Babbis sich zu versichern, nachdem ihm merkwürdige Visionen vor sein inneres Auge gekommen waren. Zumindest hatte er endlich eine Erklärung dafür, warum in ihrem Büro immer ein Skateboard an der Wand lehnte.
Vashtu sah ihn irritiert an. „Ich dachte da eher an eine Sportmaschine“, wandte sie ein.
Babbis wischte diesen Einwand mit einer Handbewegung weg, ehe er sich auch darüber den Kopf zerbrechen konnte. „Also, weiter im Text: Sie kamen mit Dr. Lam auf die Krankenstation ... Mh, ich bin so um halb zehn gekommen und habe mich sofort dort gemeldet. Da war Lam gerade auf dem Sprung zu Ihnen.“
Die Antikerin nickte wieder. „Ich bin noch etwas bei Ihnen geblieben, bis das Mittel wirkte“, fügte sie hinzu.
Babbis sah sie etwas hilflos an. Er hatte keine wirkliche Erinnerung mehr daran, wie lange sie bei ihm geblieben war oder nicht. Er wußte erst wieder weiter, als er kurz zu sich gekommen war, um in das CT zu klettern.
„Es mag ungefähr zehn gewesen sein, als ich losging. General Landry hatte mich ausrufen lassen“, fuhr Vashtu fort. „Er wollte, daß ich die Berichte des Drill-Sergeants und meine eigenen Beobachtungen des Teams zusammenfasse zu einer Bewertung. Ihre ist übrigens gar nicht so übel, Doc. Sie haben sich ganz gut geschlagen. Nur an Ihrer Hysterie müssen wir noch etwas arbeiten.“
„Wann sind Sie zurück in Ihr Büro gegangen?“ Babbis ließ sich jetzt nicht mehr ablenken. Er hielt sich mit einer Hand die Schläfe und schnippte mit der anderen nervös.
Vashtu runzelte unwillig die Stirn. „Das muß kurz nach elf gewesen sein. Da traf ich dann Dorn. Und dann ...“ Sie seufzte mit schuldbewußter Miene.
„Der Sergeant?“ Babbis blickte auf. „Und dann ist etwas passiert?“
Vashtu nagte wieder an ihrer Unterlippe. „Er hat mich angegriffen“, antwortete sie nachdenklich und zog die Schultern hoch. „Erst habe ich es mir gefallen lassen. Aber dann ... äh, ging es mir zu weit. Er hat mich offensichtlich mit jemandem verwechselt.“
Babbis starrte sie groß an.
„Er ist unverletzt. Naja, vielleicht eine Beule an der Stirn.“ Wieder dieser schuldbewußte Blick.
Babbis seufzte. „War er von Anfang an ... wahnsinnig?“
Die Antikerin schüttelte den Kopf. „Nein, erst unterhielten wir uns. Wir sprachen darüber, daß ich Landry eine Beurteilung geben sollte. Ich wollte, daß er sich sein Ergebnis ansieht. Als er es in der Hand hatte, drehte er plötzlich durch.“
Babbis nickte, klopfte jetzt mit den Fingern auf seinem Oberschenkel herum.
Vashtu sandte ihm einen entnervten Blick. „Und?“
Babbis' Blick glitt ins Leere. „Also spätestens nach elf Uhr heute vormittag drehte ganze Chayenne-Mountain plötzlich durch. Die Frage ist immer noch warum. Und, wie können wir das herausfinden?“ Er sah sie wieder an. „Und warum ausgerechnet wir beide nicht betroffen sind.“
Vashtu sah ihn skeptisch an. Dann hob sie das Kinn, in ihren Augen leuchtete Begreifen. Einhellig wandten beide sich wieder dem bewußtlosen Wissenschaftler zu.

***

„Streichen Sie den Abstrich auf den Träger.“ Vashtu hielt Babbis einen Q-Tip hin, griff sich das Klebeband.
„Was wollen Sie dem armen Kerl denn noch antun?“
Unwillig schüttelte sie den Kopf, riß ein kleines Stück von dem Klebeband ab und betupfte damit kurz den Laborkittel des Bewußtlosen. Das hatte sie im Fernsehen gesehen, in irgendeiner dieser Serien, die sie meist bei ihren Internetsitzungen nebenher laufen ließ. Gut, da hatte man durchsichtiges Klebeband benutzt, aber leider hatte sie solches gerade nicht zur Hand.
„Sie haben hier nicht irgendwo eine Spritze gefunden, oder?“ Hoffnungsvoll drehte sie sich um.
Babbis starrte sie entgeistert an. „Eine Spritze? Wozu das denn?“
„Um ihm Blut abzunehmen.“ Vashtu tastete über ihre Kleidung. Dumm, ihre Überlebensweste hatte sie in ihrem Büro gelassen. Aber fand sich nicht auch ... Das Namensschild!
Eifrig machte sie sich daran, die Metallklammer zu lösen.
„Ich brauche noch einen Objektträger!“
Sie rollte den Bewußtlosen, und inzwischen gefesselten, Mann auf die Seite und stach mit der Nadel des Namensschildes in seinen Finger. Dann nahm sie Babbis den Objektträger ab und strich vorsichtig einen Tropfen Blut darauf.
„Okay, das ist jetzt alles, was wir tun können.“ Sie drehte sich um. „Es sei denn, Sie legen Wert darauf, auch noch Urin und Kot zu untersuchen.“
„Das wird nicht nötig sein.“ Babbis wandte sich mit bleichem Gesicht ab und ging zurück zu dem zweiten, kleineren Schreibtisch.
Vashtu folgte ihm mit ihrer letzten Trophäe, um sie zu präparieren.
„Und was machen wir, wenn er zu sich kommt?“ fragte Babbis.
„Nichts.“ Vashtu zuckte mit den Schultern und beugte sich über das Mikroskop, den Objektträger mit dem Blutstropfen unter der Linse.
„Sehen Sie etwas?“
Sie verschob die Linse auf eine höhere Stärke und sah stirnrunzelnd in das Gerät hinein. „Wenn es ein Virus ist, wird er wahrscheinlich zu klein sein, um ihn mit diesem antiquierten Ding sehen zu können“, murmelte sie und schüttelte enttäuscht den Kopf. „Nichts zu finden. Geben Sie das nächste her ... den Abstrich.“
Geschickt löste sie den ersten Objektträger, legte ihn beiseite und nahm sich einen neuen.
„Sie machen das nicht zum ersten Mal“, stellte Babbis fest.
Konzentriert nickte sie. „Ich habe in meiner Zeit sehr viel mit Geräten gearbeitet, deren Sinn und Zweck dem eines Mikroskops entspricht“, antwortete sie, beugte sich noch tiefer, als wolle sie sich das Auge ausstechen und drehte an der Schärfe der Einstellung herum. Dann hob sie stutzend den Kopf und runzelte die Stirn.
„Versuchen Sie es einmal“, sagte sie dann und trat beiseite. Mit einem neuen Q-Tip bewaffnet näherte sie sich wieder ihrem Testobjekt.
„Das sind Pollen“, sagte Babbis hinter ihr. „Wo kommen die denn her? Wir haben hier doch Luftaustauschfilter von draußen.“
Vorsichtig bohrte Vashtu den Q-Tip in eines der Nasenlöcher des Wissenschaftlers, drehte ihn über die Schleimhaut und zog ihn wieder heraus. „Gute Frage“, murmelte sie dabei und kehrte zum Tisch zurück, um einen neuen Objektträger zu präparieren. Dann hielt sie ihn Babbis hin. „Überprüfen!“
Der nickte, legte ihn ein und beugte sich wieder über die Linse. „Eindeutig. Pollen. Aber woher kommen die?“
Vashtu runzelte die Stirn und rieb darüber. Kurz war es ihr gewesen, als zucke ein Schmerz durch ihre Brauen. „Keine Ahnung. Von außen jedenfalls nicht. Nicht in dieser Menge.“
Sie fühlte Babbis' forschenden Blick auf sich und sah auf. „Was?“
„Fühlen Sie sich gut?“
Sie nickte. „Wird schon gehen. Als nächstes sollten wir ...“
„Als nächstes sollten wir beide uns testen, ob wir auch diese Pollen in uns tragen. Dann hätten wir zumindest eine Antwort auf die dringendste Frage“, fiel Babbis ihr ins Wort und hielt ihr einen Q-Tip hin.
„Ich soll ... ?“
„Ich auch.“
Ein skeptischer Blick von ihr, doch schließlich griff sie nach dem Wattestäbchen und steckte es sich in die Nase, rieb es dann auf einen Objektträger und hielt diesen Babbis hin, der das gleiche getan hatte.
„Oho!“ murmelte der junge Wissenschaftler, als er sich über seine Probe gebeugt hatte. „Mist! Ich auch!“
Vashtu atmete tief ein. „Okay, und warum wirkt es bei Ihnen dann nicht?“
„Gute Frage.“ Babbis schob ihre Probe unter die Linse und beugte sich wieder darüber. „Scheiße!“ entfuhr es ihm.
Vashtu war sofort alarmiert. „Was ist los?“
Babbis sah auf, starrte sie an. „Okay, bleiben Sie ruhig, ja? Das hat noch gar nichts zu sagen.“
„Was ist los, Doc?“ wiederholte sie, schob ihn dann unwirsch an die Seite und beugte sich ihrerseits über die Linse. Schluckend sah sie wieder auf.
„Dorn würde sagen, das ist übel“, versuchte Babbis sich an einem Scherz.
Vashtu runzelte die Stirn. „Aber ... Wie kann das sein? Ich habe wesentlich mehr Pollen in meinen Nasenschleimhäuten als Sie, aber bemerke davon nichts. Wie ... ?“ Wieder ein kurzes Stechen. Sie senkte unbewußt den Kopf und kniff die Augen zusammen.
Schon wieder dieses nervtötende Fingerschnippen. Als sie aufblickte, sah sie, wie Babbis ziellos den Raum abmaß.
„Wie kann es sein, daß ich nichts bemerke, aber die Pollen, die doch wohl für dieses Chaos verantwortlich sind, in mir trage?“ Ihr Blick glitt ziellos hin und her. „Wir brauchen eine Bestätigung.“
„Ihr Gehirn!“ Abschließendes Fingerschnippen. Triumphierend drehte Babbis sich wieder zu ihr um und grinste sie an. „In Ihrem Gehirn sind mehr Teile aktiv als in unserem. Wahrscheinlich braucht die Substanz länger, ehe Sie Halluzinationen bekommen.“
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust und sah ihn kalt an. „Sie machen uns beiden gerade richtig Mut, Doc, wissen Sie das? Wenn ich auch noch ausfalle, bleiben Sie allein übrig. Und Sie stehen unter Drogen. Außerdem wissen wir noch nicht, ob diese Pollen etwas damit zu tun haben. Wir brauchen weitergehende Tests.“
Babbis sah sich in dem Labor um. „Und wie wollen Sie sonst erklären, was hier vor sich geht?“
„Das ist zu einfach!“
„Sagt die Frau, die mit einem Skateboard zur Arbeit kommt.“
„Das hat nichts hiermit zu tun, Babbis.“
„Hat es vielleicht doch. Wenn wir nachweisen können, daß diese Pollen Hallozinogene in sich tragen, haben wir den Beweis.“
„Schön, wir haben dann aber immer noch nicht geklärt, woher sie stammen.“
„Von außen jedenfalls nicht. Das heißt, sie müssen durch das Stargate gekommen sein. Und das bedeutet ...“ Babbis schloß den Mund und sah sie groß an.
Vashtu nickte. „Ganz genau. Ich bin mit keiner außerirdischen Pflanze in Berührung gekommen. Und ich bin auch nicht durch das Gate gegangen. Streichen Sie Ihre Theorie.“
„Wir sollten weiter testen. Wir haben die Pollen.“
Vashtu seufzte. „Und weiter? Wie sollen wir die Luft hier austauschen, ohne alle umzubringen? Und das auch noch in relativ kurzer Zeit, falls ich auch noch wegtreten sollte?“
Ein kühler Luftzug streifte sie in diesem Moment und ließ sie nach oben blicken.
„Die Lüftung!“

***

„Es sind Hallozinogene.“ Babbis seufzte. „Noch dazu wohl ziemlich üble.“ Er sah auf und musterte die Antikerin, die brütend, die Beine angezogen, auf dem Schreibtisch saß und vor sich hinstarrte. „Tut mir leid, aber soweit ich mich auskenne, und Chemie ist nun wirklich nicht mein Spezialgebiet, ist das wirklich ziemlich übel. Das einzig gute ist, sobald die Pollen vom Körper abgebaut worden sind, lassen auch die Halluzinationen nach.“
Vashtu rührte sich nicht, starrte weiter vor sich hin.
„Hören Sie mir eigentlich zu? Miss Uruhk?“ Babbis trat um den Tisch herum, auf dem er seine Experimente durchgeführt hatte, und stellte sich vor ihr auf, versuchte ihren Blick einzufangen.
Plötzlich blickte sie auf, sah ihn an. Ihre Augen weiteten sich und sie sprach etwas in einer fremden Sprache.
„Auch das noch!“ seufzte der junge Mann, packte die Frau bei den Schultern und schüttelte sie. „Hallo! Ich brauche Sie jetzt hier, Miss Uruhk! Reißen Sie sich zusammen!“
„Enkil?“ Sie blinzelte, ihr Blick klärte sich wieder. Stutzend sah sie ihn an. „Babbis!“
„Genau der. Und ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.“
Die Antikerin blinzelte, wandte dann ihre Aufmerksamkeit dem Tisch zu. Sie schien ihn gar nicht mehr wahrzunehmen, streckte die Beine aus und sprang elegant von ihrer Sitzgelegenheit herunter, um sich die Ergebnisse anzusehen. „Violett, ist das schlecht?“ Fragend sah sie auf.
Babbis nickte. „Ganz genau, es ist schlecht. In den Pollen sind Halluzinogene, ziemlich üble sogar.“
Vashtu atmete tief ein. Ihr Gesicht war ernst. „Okay, es ist schlecht. Und was können wir jetzt tun?“
„Gute Frage. Wir müssen die Quelle der Pollen finden und ausschalten, und wir müssen verhindern, daß die Pollen weiter durch die Luft schwirren.“
Vashtu kreuzte die Arme wieder vor der Brust und nickte, nachdenklich an ihrer Unterlippe knabbernd.
Babbis rieb sich wieder die Schläfe. „Die Beta-Blocker lassen, glaube ich, langsam nach. Wie spät haben wir es?“
Kurz blickte die Antikerin auf ihre Armbanduhr. „Halb sechs am Abend. Bald dürfte es auffallen, daß die Tagesschicht nicht nach Hause kommt.“
Babbis nickte, sah auf den Computer, der immer noch unschuldig auf dem Schreibtisch stand. „Okay, dann sehen wir doch nach, ob wir dadrin nicht was finden.“
„Die Daten sind doch im Hauptrechner“, wandte Vashtu ein.
Babbis schüttelte unwillig den Kopf und tastete heftig. Dann trat er vom Bildschirm zurück und las angestrengt.
„Können Sie schlecht sehen?“ Vashtu war seine merkwürdige Haltung aufgefallen.
„Geht schon. Liegt wahrscheinlich an der Migräne.“ Babbis konzentrierte sich wieder auf den Bildschirm. „Moment ... Ein Team kam gestern zurück. Wenn wir bedenken, daß diese Seuche heute ausgebrochen ist ...“
„Es ist keine Seuche, Doc.“
„Jaja, das, was auch immer, heute ausgebrochen ist, kann das eigentlich nur eines bedeuten ...“
„Wieso haben Sie von hieraus Zugriff auf SG-Daten?“
Babbis schüttelte ungeduldig den Kopf. „SG-15. Sagt Ihnen das was?“
Vashtu hob abrupt den Kopf, ihre Augen weiteten sich wieder. „Oh ja, das sagt mir allerdings viel. Haben sie etwas mitgebracht?“
„Steht hier nicht. Sie haben Kontakt zu den Frandern gesucht, wer auch immer das ist.“
Vashtu stöhnte auf. „Doch nicht diese Blumenkin...“ Sie schloß den Mund.
Babbis fuhr herum und sah sie mißtrauisch an. „Was?“
„Oh nein!“ Vashtu beugte sich über den Tisch und ließ den Kopf sinken. „Oh, bitte, nein! So dämlich kann doch selbst Collins nicht sein!“
„Was?“
Sie neigte leicht den Kopf, schüttelte ihn dann. „Die Frandern sind ein kleines Volk, das überaus glücklich auf seinem kleinen, niedlichen Planeten lebt. Wir hatten Erstkontakt während meiner Zeit in SG-15“, begann sie zu berichten, hielt den Kopf weiter gesenkt. „Leomar, der Anführer, zeigte mir ein Gerät, ein Gerät meines Volkes. Einen Bestäuber, um genau zu sein. Dieses Gerät beten die Frandern an und fühlen sich glücklich, wenn sie in seine Nähe kommen. Ich bin damals nicht zu nahe heran gegangen, weil ich nicht wußte, womit es gefüllt war.“
„Einen Bestäuber?“
Etwas hilflos blickte sie auf. „Y2M-772 war früher wohl ein Wüstenplanet, hatte aber eine angenehme Atmosphäre. Grund genug für mein Volk, da ein bißchen nachzuhelfen. Ein Bestäuber bläßt Pollen und Samen in die Luft, damit sie sich auf natürlichem Wege verteilen können. Eigentlich Pollen und Samen, die auf anderen Planeten gesammelt wurden. Aber wenn ein Gerät so lange eingeschaltet ist wie dieses, saugt es sich die notwendigen Bestandteile aus der Luft und ...“
„Bläst sie konzentriert wieder aus. Das Ding pimpt die Samen auf, richtig?“
Die Antikerin nickte.
Babbis seufzte, drehte sich wieder zum Bildschirm um.
Terraforming, na toll! Was hatte diese Antikerin noch alles zu bieten? Was konnte sie eigentlich nicht? Schon wieder fühlte er sich hilflos ihrem Wissen gegenüber. Schon wieder ließ sie ihn ... dumm aussehen.
Aber ...
„Enkil?“
Wieder drehte er sich zu ihr um und sah sie stirnrunzelnd an. „Was haben Sie eigentlich mit dieser Sagengestalt?“ fragte er unwirsch.
Wieder ein Blinzeln, gefolgt von einem leichten Kopfschütteln. „Ich fürchte, bei mir geht es jetzt auch los, Babbis. Was auch immer Sie vorhaben, wir sollten es schnell tun.“

***

„Die Luft ist rein.“ Vorsichtig schob Vashtu ihren Kopf durch die Tür, ließ die Schlangenwaffe gleich folgen, rutschte dann schließlich vollständig in ihr Büro. Stirnrunzelnd bemerkte sie, daß Dorn verschwunden war.
Babbis folgte ihr, jetzt ebenfalls ein Zak'Ni'Tel in den Händen. Als er den zerbrochenen Stuhl auf dem Boden sah, stöhnte er vorwurfsvoll auf. „Was haben Sie mit dem armen Dorn gemacht?“
Vashtu griff sich ihre Überlebensweste, nachdem sie aus der Armeejacke geschlüpft war und warf sie sich über. „Gar nichts. Ich glaube, ich habe mehr abbekommen als er“, knurrte sie und schloß die Weste, daß sie eng an ihrem Körper saß. Dann nahm sie sich wieder das Zak'Ni'Tel, während sie mit der Rechen in ihre Brusttasche griff und den Detektor hervorholte.
Babbis wandte sich endlich von den Trümmern ab und trat an ihre Seite, während sie aufmerksam die Anzeigen las.
„Sind Sie sicher, Sie schaffen das? Ich meine ... Mittlerweile haben Sie mich schon mindestens ein halbes Dutzend Mal mit einer Sagengestalt verwechselt“, fragte er.
Vashtu warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Wenn ich Sie nicht mehr vor Augen habe, wird es wahrscheinlich besser werden“, entgegnete sie, drehte sich dann um.
Aufmerksam linste Babbis über ihre Schulter und beobachtete die Anzeigen. „So ein Teil muß doch einfach ...“ Er verstummte, als er wieder einen warnenden Blick von ihr erntete. „Kann ich vielleicht einmal halten?“
„Das bringt Ihnen nichts, Doc.“ Die Antikerin schüttelte den Kopf. „Diese Geräte funktionieren nur, wenn man das ATA-Gen trägt, das habe ich Ihnen doch schon einmal erklärt.“
Babbis' Blick wurde immer flehender. „Aber Sie wissen doch gar nicht, ob ich es nicht habe. Ich habe mich noch nicht testen lassen.“
„Sie haben es nicht, glauben Sie mir.“ Mit einem Stöhnen drehte sie sich zu ihm um und hielt ihm den Detektor hin.
Babbis nahm es - und augenblicklich verlosch der kleine Bildschirm. Mit großen, ungläubigen Augen starrte er auf den nun nutzlosen Apparat.
„Ich habe doch gesagt, Sie haben das Gen nicht. Ich kann das spüren.“ Die Antikerin entwand ihm den Detektor, und sofort blinkten wieder einige Punkte über den Bildschirm.
„Das ist ...“ Babbis verstummte und kniff die Lippen fest aufeinander.
Vashtu konzentrierte sich wieder auf die Anzeigen, drehte sich ganz allmählich mit dem Detektor in der Hand um die eigene Achse. Dann steckte sie den Apparat wieder ein, sah ihn auffordernd an. „Wenn ich das richtig abgelesen habe, ist der Bestäuber in einem der Labore in der Nähe des Jumperlagers. Ich werde es mir schnappen, in einen Jumper verfrachten und durch das Tor zurückschicken.“
Babbis sah sie forschend an, doch im Moment schien sie sich im Griff zu haben. Dann nickte er. „Gut, ich tausche die Luftfilter, damit die Pollen aus der Anlage verschwinden. Wollen wir hoffen, daß es klappt.“
Vashtus Augen blitzten. Sie eilte zu ihrem Schreibtisch, zog eine Schublade auf und griff hinein. Dann kehrte sie zu ihm zurück und hielt ihm eine kleine, viereckige Brosche hin, die metallen glänzte. „Das sind Kommunikatoren meines Volkes. Damit dürften wir auch für hiesige Funkverbindungen lautlos sein, können uns aber verständigen.“
Vorsichtig griff Babbis nach dem winzigen Gerät und betrachtete es skeptisch. „Aber ...“
„Die reagieren auf jeden.“ Vashtu steckte sich ihren Knopf an das Revers der Weste, tippte einmal mit dem Finger darauf. „So aktiviert man es. Dann können Sie meine Stimme hören. Falls irgendetwas sein sollte.“
„Funktionieren die wirklich noch?“ Babbis machte sich jetzt seinen am Kragen seiner Hemdjacke fest.
Vashtu nickte. „Sie wurden in Antarktica gefunden, im Eis eingefroren. Ich sollte sie untersuchen und habe festgestellt, daß sie tatsächlich noch funktionieren. Müssen wohl die ganze Zeit deaktiviert gewesen sein.“ Sie glitt mit einigen fließenden Bewegungen zur Tür, drehte sich dann noch einmal zu ihm um. „Viel Glück.“

***

Babbis schlich sich langsam durch die Gänge. Er mußte nahe an den Ausgang des Berges heran, um an die Luftaustauschfilter zu gelangen. Zum Glück schienen sich hier kaum Betroffene aufzuhalten. Aber er wagte gar nicht, sich vorzustellen, wo die, die auf dieser Ebene gewesen waren, wohl jetzt sein mochten. Vielleicht hatten die Pollen inzwischen sogar schon Chayenne-Mountain verlassen?
Er schluckte, spähte vorsichtig um eine Ecke des Ganges, dann schlich er weiter.
Kommunikationsgeräte der Antiker. Einen Energiedetektor. Was konnte diese Vashtu Uruhk eigentlich noch alles aus ihrem Hut zaubern? Und was wußte sie tatsächlich? War sie wirklich so klug?
Babbis wußte es nicht. Aber er kannte zumindest die Ergebnisse diverser Tests, denen sie unterzogen worden war, als sie von Atlantis hierher kam. Diese Frau hatte einen IQ, der kaum noch meßbar war. Ihr Gehirn arbeitete so schnell und präzise, daß es schwerfiel, ihr überhaupt zu folgen. Und ihre Reaktionen erfolgten meist so schnell, daß sie die Informationen kaum hatte verarbeiten können.
Und diese Frau hatte sich noch zusätzlich aufgeputscht mit einer Gentherapie, die ihr Kraft und Ausdauer verlieh, nebenbei auch noch fast unglaubliche regerenerative Kräfte. Eine Killermaschine auf zwei Beinen, noch dazu eine, der man es nicht ansah.
Und trotzdem ...
Babbis atmete tief ein. Da war die Tür! Dort mußte er hinein. Doch davor standen zwei Wachen.
Ob die auch ... ?
Er rief sich zur Ordnung. Natürlich waren sie auch in ihren Halluzinationen gefangen. Er war bisher noch niemandem begegnet, dem es nicht so gegangen wäre. Also mußten auch die beiden da vorne eine Portion der Pollen abbekommen haben.
Zwei auf einen Streich, würde ihm das gelingen?
Unwillkürlich blitzte das schmale Gesicht seiner Teamleaderin vor seinem geistigen Auge auf. In ihren Augen stand eine gewisse Bewunderung. „Nicht schlecht, Doc, gar nicht schlecht.“ Anerkennend nickte sie.
Babbis schüttelte den Kopf, um die Erinnerung zu vertreiben.
Das war im Überlebenscamp gewesen. Sie beide waren allein losgezogen, Dorn bei dem verletzten Wallace zurückgeblieben. Und die Antikerin hatte ihn tatsächlich gelobt, nachdem sie beide eine gegnerische Truppe komplett aufgemischt hatten. Sie war es gewesen, die die meisten Treffer zu verzeichnen hatte, aber er ...
Okay, wenn er flüchtende Marines in einem Manöver treffen konnte, dann konnte er auch zwei Wachen vor einer Tür ausschalten.
Babbis hob die ZET-Waffe und entsicherte sie.

***

Vashtu folgte den Anzeigen des Detektors, blieb schließlich vor einer Tür stehen und sah sich aufmerksam um. Sie traf kaum noch auf Widerstand. Die meisten Anwesenden schienen sich inzwischen in irgendwelchen Räumen versammelt zu haben. Wozu, das wußte sie allerdings nicht. Aber ihr war, nachdem sie die Menschen in mehreren beobachtet hatte, klar, worum sie sich scharrten: Die Lüftung.
Die Pollen mußten bereits in der Klimaanlange stecken. Sie konnte nur hoffen, daß Babbis mit seinem Plan Erfolg haben würde.
Ein Wispern in ihrem Schädel.
Unwillig schüttelte sie den Kopf und öffnete die Tür. Ein sanftes Leuchten glitzerte durch den Spalt.
„Collins, du Idiot!“ zischte sie und trat ein.
Der Kasten war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte. Wie sollte sie das Ding allein irgendwohin schleppen und gleichzeitig mit einer Waffe ihren Weg sichern?
Vashtu trat zögernd näher und betrachtete die Apparatur stirnrunzelnd.
Enkils mißgestalteter Kopf lugte um die Ecke.
„Nein!“ Sie schüttelte sich wie ein nasser Hund, um diese Halluzination wieder loszuwerden. Es gelang ihr nicht sofort.
Dann ballte sie die freie Hand zur Faust und öffnete die Augen wieder.
Das schwarze, verkrümmte Etwas, daß vor zehntausend Jahren einmal ihr Bruder gewesen war, fauchte sie an.
Er hatte ihr nie etwas getan. Nie! Im Gegenteil, als man sie beide zusammen einsperrte, war er ihr aus dem Weg gegangen, hatte seine letzten Kräfte mobilisiert, um sich nicht auf sie zu stürzen, wie der Rat es vielleicht geplant hatte.
„Enkil!“ Sie trat näher und hob den Kopf. Unwillkürlich fiel sie in ihre Muttersprache zurück. „Hilf mir, bitte. Ich kann deine Kraft jetzt brauchen.“
Die riesigen schwarzen Augen starrten sie mit einem eigenartigen Wissen an. Noch einmal fauchte der Schatten. Sie griff in die schwarze Maße, die früher einmal ihr Bruder gewesen war. Wie Rauch verstob die Erscheinung.
Vashtus Lippen bebten. Tränen standen in ihren Augen.
„Enkil!“

***

Babbis schoß und hetzte gleichzeitig aus seiner Deckung. Dann blieb er plötzlich abrupt stehen.
War da nicht irgendeine Anweisung gewesen? Gab es nicht irgendetwas, was er beachten mußte im Umgang mit einer ZET-Waffe?
„Miss Uruhk?“ Er klopfte auf die Brosche und betrachtete die beiden Soldaten, die zusammengesunken vor der ersehnten Tür lagen.
Sie meldete sich, jedoch in einer fremden Sprache, die er nicht verstand. Babbis seufzte und deaktivierte den Kommunikator wieder. Na toll! Hoffentlich hatte sie es zumindest geschafft, dieses Gerät irgendwie von der Erde zu schaffen.

***

Vashtu runzelte die Stirn. „Babbis?“ fragte sie, klopfte ungeduldig wieder mit einem Finger auf das Gerät, doch es folgte keine Antwort. „Stimmt etwas nicht? Babbis?“
Ungeduldig schüttelte sie den Kopf, als er sich immer noch nicht meldete und steckte die Goa'uld-Waffe weg. Sie würde es doch wohl allein machen müssen. Hoffentlich gelang es ihr wenigstens, das Ding bis zum Jumperlager zu bringen.
Ächzend hob sie die Kiste an einer Seite hoch und schleifte sie hinter sich her bis zum nächsten Gang. Dort stellte sie den Apparat erst einmal ab und sah sich vorsichtig um. Der Gang war frei. Wieder hob sie ein Ende des Gerätes an und zerrte es weiter. Die schabenden Geräusche, die sie dabei verursachte, gingen ihr durch Mark und Bein, doch verhindern konnte sie sie nicht. Der Bestäuber war zu sperrig, um ihn auf den Armen zu tragen.
Nach einigen weiteren Abzweigungen kam sie beim Jumperlager an und öffnete die Tür. Es war stockdunkel. Sie tastete ein wenig, bis sie den Lichtschalter fand. Dann stöhnte sie auf.
Der zweite Jumper war verschwunden. Und der erste ...
Sie seufzte und drehte sich um. Also den langen Weg.

***

Babbis kramte in dem Werkzeuggürtel herum, den er sich besorgt hatte. Dabei betrachtete er die Filteranlage und Belüftung. Er war sich nicht so ganz sicher, ob es ihm wirklich gelingen würde, das zu tun, was er vorhatte. Aber ihm blieb auch kaum eine andere Wahl.
Seufzend machte er sich daran, die ersten Verschraubungen zu lösen und die Kabel freizulegen.
Plötzlich fühlte er sich wirklich sehr allein.

***

Vashtu schoß, dann lugte sie wieder um die Ecke und nickte befriedigt. Den Bestäuber hinter sich herschleifend trat sie in den Gateroom und zerrte das Gerät so schnell wie möglich die Rampe hoch. Dann richtete sie sich stöhnend auf und rieb sich das Kreuz.
Und jetzt?
Sinnend blickte sie das deaktivierte Gate an und kniff die Lippen aufeinander. Zumindest war die Iris nicht eingeschaltet. Das hätte dann übel enden können, da sie den Code zu deren Aktivierung nicht kannte.
Sie umrundete den Bestäuber und joggte dann die Rampe wieder hinunter. So schnell wie möglich öffnete sie die Tür des Kontrollraumes. Walter, der Techniker, der für die Schaltungen des Stargates verantwortlich war, hing leblos auf seinem Stuhl, ansonsten war der Raum leer.
Vashtu runzelte die Stirn und schlich sich an den Militär. Vorsichtig fühlte sie seinen Puls und nickte befriedigt, als sie einen starken und normal erscheinenden Herzschlag fühlte. Dann schob sie den Bewußtlosen mitsamt Stuhl etwas zur Seite und konzentrierte sich auf die Eingabe. Gut, daß sie ein relativ gutes Gedächtnis hatte und sich noch an die Worte erinnerte.
Die Shevrons rasteten eins nach dem anderen ein, dann entstand das Wurmloch.
Vashtu richtete sich befriedigt auf und aktivierte noch einmal ihr Kommunikationsgerät. „Doc, ich habs geschafft. Wäre schön, wenn Sie jetzt auch soweit wären.“

***

Babbis zuckte zusammen, als er plötzlich die vertraute Stimme hörte. Dann seufzte er erleichtert. Sie sprach wieder verständlich.
„Ich bin gleich soweit. Noch ein paar Minuten“, antwortete er.

***

Vashtu nickte, verließ den Kontrollraum wieder, sprang dann aber zurück, als sie das harte Trommeln und die Einschläge einer Projektilwaffe sah und hörte.
Wer ... ?
Mit einer fließenden Bewegung zückte sie das Zak'Ni'Tel und entsicherte es. Dann nahm sie hinter der Tür Deckung und wartete.
„Komm schon, komm!“ hörte sie eine bekannte Stimme.
Landry?
Vashtu stöhnte. Auch das noch. Jetzt mußte sie auch noch gegen den Leiter des SGC antreten? Das konnte doch nur übel für sie enden.
Seufzend fügte sie sich in ihr Schicksal. Vorsichtig spähte sie um die Ecke, was ihr gleich wieder mit einer weiteren Salve gedankt wurde.
Okay, dann also die andere Richtung.
Sie ließ sich in die Knie sinken und krabbelte auf die andere Seite der Tür, um sich dort wieder aufzurichten. Und wieder lugte sie vorsichtig um die Ecke.
Da!
Die Antikerin atmete tief ein und hob das Zak'Ni'Tel.
Wenn schon, dann aber richtig.
Sie sprang vor, wirbelte in den Gang hinaus und begann zu schießen. Kugeln pfiffen ihr um die Ohren, ein oder zwei trafen sie sogar, ließen sie stolpern. Blitzschnell aktivierten sich die Fremdgene in ihr und trugen sie nur noch schneller voran.
Dann warf sie sich nach vorn, rollte sich über die rechte Schulter ab und kam kniend wieder hoch, die Goa'uld-Waffe im Anschlag, und drückte einmal ab.
Seufzend sank sie in sich zusammen und schüttelte den Kopf.
„Doc, ich hoffe, Sie sind soweit“, sagte sie resignierend in ihren Kommunikator und kam wieder auf die Beine, um den Gateroom zu betreten.
„Ja, wir können.“
Im Gehen rieb sie sich den Oberschenkel, trabte dann leicht humpelnd die Rampe hoch. „Okay, ich entsorge jetzt den Bestäuber.“
Sie griff sich das eine Ende des Gerätes und schleifte ihn zum Ereignishorizont, rückte den gewaltigen Kasten zurecht und ruckte ihn schrittweise in das Gate hinein.
„Mit Dank zurück!“ rief sie, ehe das Wurmloch sich wieder auflöste.
Dann fühlte sie einen leichten Sog und drehte sich um.

***

„Nun, Dr. Babbis, wie ich hörte, geht es Ihnen wieder besser.“
Der junge Wissenschaftler sah auf und bekam große Augen. „Sir, General, Sir ...“ Ihm blieb der Mund offen stehen.
Landry trat um die tragbare Trennwand herum und lächelte auf ihn nieder. „Ich muß Ihnen wohl meinen Dank aussprechen, Doktor. Was Sie und Miss Uruhk da geleistet haben ...“
Babbis ruckte hoch. „Wie geht es ihr?“ fragte er sofort.
Landry hob beschwichtigend die Hand. „Es geht ihr wieder gut. Offensichtlich war sie die einzige, die sich gegen die Halluzinationen wehren konnte, die uns andere außer Gefecht gesetzt haben. Dr. Lam meinte, das läge vielleicht ebenfalls an ihrer Gehirnaktivität.“
Babbis seufzte erleichtert und ließ sich wieder in die Kissen sinken.
„Was Sie mir aber über Ihren Zustand gesagt hat ... Dr. Babbis, das SGC schuldet Ihnen viel. Aber Ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen ...“ Landry schüttelte den Kopf.
Babbis rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Wird schon, Sir“, murmelte er verlegen.
„Das hoffe ich. Sie haben nur zwei Augen, Dr. Babbis, und die werden Sie wohl auch noch beide brauchen, wie ich es sehe.“
Babbis verzog unwillig das Gesicht.
„Eine Fehlsichtigkeit ist kein Grund, gleich den Kopf hängen zu lassen. Wie gesagt, Sie sollten sich wirklich überlegen, ob Sie sich weiter weigern wollen, sich eine Brille zu besorgen.“
Babbis nickte nachdenklich, dann blickte er wieder auf. „Sir, Sie sagten, das SGC schuldet mir etwas?“
Landry schien überrascht, hob die Brauen. „Ja?“
Ein unsicheres Lächeln erschien auf dem Gesicht des jungen Mannes. „Ich habe in den Berichten der anderen Teams etwas gefunden, Sir. Und ich wollte fragen ...“
Landry zog sich einen Stuhl herbei und ließ sich darauf nieder. „Was haben Sie gefunden?“
Babbis strich nervös mit den Händen über die Bettdecke. „Nun ja, Sir. Sie wissen doch, daß ich zur Zeit an meiner Doktorarbeit in Mathematik arbeite. Aufgrund der Berichte aus Atlantis habe ich das Thema der Superstürme gewählt. Und SG-17 hat vor einem halben Jahr einen Planeten besucht, auf dem ein solcher seit Jahrtausenden tobt. Ich würde gern ... wenn Sie erlauben ... Ich meine ...“ Er stockte, straffte die Schultern und hob den Kopf. „Sir, wenn es uns möglich wäre, aus diesen Stürmen Energie zu beziehen, wären wir für alle Zeiten unsere Versorgungssorgen los. Darum möchte ich bitten, SG-27 zu diesem Planeten zu senden, damit ich dort Messungen vornehmen kann für meine Arbeit, Sir.“ Leise Zweifel blitzten in seinen Augen.
Landry musterte ihn genau, dann holte er tief Atem. „Ich warte noch auf den abschließenden Bericht Ihres Teamleaders, Dr. Babbis, ehe ich SG-27 wieder in den aktiven Dienst stellen kann. Und wenn Sie mir glaubhaft versichern können, keine Katastrophe anzurichten ... Möglicherweise überlege ich es mir - wenn Sie und Dr. Wallace wirklich jeden Befehl, den Miss Uruhk ihnen gibt, genauestens befolgen.“
Babbis nickte strahlend. „Ja, Sir!“

***

Der kurzgeschnittene Rasen glich dem eines gewaltigen Parks. Hier und da standen kleine Baumgruppen und lockerten das ansonsten strenge Bild wieder auf.
Vashtus Blick glitt über die Reihen um Reihen von Grabsteinen, dann senkte sie den Kopf und atmete tief ein.
Da, dort wo sie, ihren Informationen nach, ihr Ziel finden sollte, stand eine einsame, leicht gebeugt wirkende Gestalt in der Uniform der Marines. Einsam und allein stand diese Gestalt da, wirkte vollkommen von allen verlassen.
Vashtu rammte entschlossen ihre Hände in die Taschen ihrer Fliegerjacke und ging weiter. Erst bei den beiden Gräbern blieb sie stehen und las die Inschriften.
„Es tut mir leid, Mam“, sagte eine leise Stimme nach einer kleinen Weile.
Die Antikerin kniff die Lippen zusammen und beugte sich vor, ihre Linke wieder aus der Tasche ziehend. Vorsichtig befestigte sie einen kleinen metallenen Gegenstand an dem Grabstein, richtete sich dann wieder auf.
„Es muß Ihnen nicht leid tun, Serge“, sagte sie tonlos, schüttelte den Kopf. „Mir sollte es leid tun. Ich habe ...“ Sie stockte und blickte auf.
Dorn sah sie an. Und in seinem Blick las sie etwas, was sie zuletzt vor mehr als zehntausend Jahren in den Augen eines anderen hatte lesen können: in denen ihres Vaters.
Ein schüchternes Lächeln glitt über ihr Gesicht, dann bot sie dem alternden Marine ihren Arm. Stumm harkte er sich bei ihr unter. „Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen, Mam?“
Die beiden gingen. Zurück blieb, einsam leuchtend, ein winziges holografisches Bild von einer lächelnden jungen Frau mit kurzen blonden Haaren, das vor dem Grabstein mit der Inschrift „Laurell Dorn, geliebte Tochter und tapfere Pilotin“ in der Luft schwebte.
Sturmfronten by Hyndara71
Vashtu Uruhk schattete mit einer Hand ihre Augen ab gegen den Wind, der an ihr zerrte und Tränen in die Augen trieb. Sie stand irgendwo auf einer flachen Ebene, mitten im nirgendwo. Und am Himmel, scheinbar zum Greifen nahe, wölbten sich die größten Wolkenmassive, die sie je gesehen hatte.
„Ich bin da", schrie sie in ihr Funkgerät und nahm sich den Rucksack ab.
„Ist Ihnen etwas dazwischen gekommen?" hörte sie die knisternde Antwort von Dr. Peter Babbis. „Wir anderen sind schon längst fertig."
Sie blinzelte die ersten Regentropfen aus den Augen und wandte sich ab vom Wind. „Tja, dann hätten Sie mich ja nicht drei Meilen in die Ebene schicken müssen. Das dauert seine Zeit, vor allem, wenn man gegen dieses Lüftchen ankämpfen muß."
„Naja, gut. Ich habe mich da wohl etwas zu sehr auf Ihr Super-Genom verlassen", antwortete Babbis.
Vashtu kauerte sich zusammen, als eine heftige Bö an ihr zerrte und von ihrem Platz vertreiben wollte. „Was jetzt?" schrie sie in den Äther.
„Oh ja. Natürlich!" Babbis schien aufzugehen, daß er ihr immer noch keine Anweisungen gegeben hatte. „Nehmen Sie bitte den Geschwindigkeitsmesser und halten ihn in den Wind."
Vashtu runzelte die Stirn, zog das Gerät jedoch aus dem Achselholster hervor. Der Regen nahm zu. Erste Blitze zuckten über den Himmel.
Sie drehte sich um, kauerte sich so gut es ging zusammen und hielt das pistolenartige Gerät in die Höhe. Sie drückte den Auslöser und wartete. „Aktiviert."
Es dauerte einige Sekunden, bis die erlösende Antwort kam: „Gut. Dann bauen Sie jetzt bitte das Gerät auf, daß in Ihrem Rucksack steckt."
Vashtu knurrte einen Fluch in ihrer Muttersprache und kämpfte mit den bereits feuchten Verschlüssen des Rucksacks, nachdem sie den Geschwindigkeitsmesser wieder verstaut hatte.
„Sind Sie soweit?"
„Nein, verdammt! Und es würde schneller gehen, wenn Sie mich nicht ständig fragen würden." Der Regen nahm immer mehr zu und machte ihr die Sache nicht unbedingt leichter.
Schließlich aber hielt sie das koffergroße Gerät in Händen, der Rucksack jedoch wurde sofort weggeweht. Blinzelnd sah sie ihm nach. Den würde sie so schnell nicht wiedersehen.
„Ich habe es. Was jetzt?"
„Stellen ... Boden." Die Leitung knisterte heftig, und atmosphärische Störungen würden einen weiteren Funkkontakt bald so gut wie unmöglich machen.
Vashtu stellte das Gerät auf den Boden. „Fertig, und jetzt?"
„... metallener Schalter ... Seite."
Sie betrachtete den Apparat forschend, bis sie den kleinen Kippschalter fand und betätigte. Ein Licht blinkte auf.
„Da leuchtet jetzt was."
„G... Sie ... draufdrücken ..."
Vashtu seufzte und betätigte auch diesen Schalter. Über den Sturm meinte sie, ein Klicken zu hören. „Was jetzt?"
„Fertig ... zurück ...gate." kam Babbis abgehackte Stimme über den Lautsprecher.
Natürlich. Danke, das hätte er ihr auch vorher sagen können.
Mit einem zweifelnden Blick zum Himmel richtete sie sich wieder auf und joggte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Glücklicherweise half ihr jetzt der Wind, gegen den sie noch vor wenigen Minuten hatte ankämpfen müssen, so daß sie wesentlich schneller voran kam als vormals. Der Sturm jagte sie vor sich her, so daß sie einige Male Mühe hatte, sich nicht von den Beinen reißen zu lassen.
Endlich kam das Stargate in Sicht.
Vashtu seufzte erleichtert, beschleunigte ihre Schritte noch. Kurz darauf war sie bei ihren Männern angekommen. Wieder warf sie zweifelnde Blicke gen Himmel. Die Wolkengebirge hatten sie fast erreicht.
„Zurück zum SG-Center. Wallace, wählen Sie uns ein und geben Ihren Code durch", befahl sie, griff nach ihrer Wasserflasche, um sich den, vom Schreien trockenen Mund anzufeuchten.
Der junge Wissenschaftler tat wie ihm geheißen. Kurz darauf baute sich ein Wurmloch auf.
Vashtu erleichterte zusehenst. Sie kannte Stürme wie diesen von ihrer Heimat Atlantis. Und sie legte keinen großen Wert darauf, noch unbedingt hier zu sein, wenn er richtig losbrechen würde. Die Orkanböen, die an ihr rissen, und der wieder einsetzende Regen waren ihr schon mehr als genug.
  „Bestätigung vom SGC", rief Wallace über den Sturm hinweg.
„Abmarsch!" Sie wies auf das Gate.
Sergeant Dorn, der dem Wurmloch am nächsten stand, marschierte zuerst hindurch, ihm folgte dichtauf Wallace.
Babbis war noch damit beschäftigt, seine Geräte zusammenzupacken. Seufzend griff Vashtu sich einen seiner Koffer und wies auf das Tor. „Machen wir, daß wir hier wegkommen, Doc", sagte sie. Die Worte wurden ihr von den Lippen gerissen und fortgeweht.
Babbis schien aber auch so verstanden zu haben, was sie sagen wollte. Er verschloß den letzten Koffer und erhob sich.
Vashtu warf noch einen Blick zum Himmel. Und da sah sie es auf sie herunterkommen. Sie warf sich nach vorn und riß den Wissenschaftler mit sich zu Boden, während ein gewaltiger Blitz, der gewaltigste, den sie je gesehen hatte, direkt über ihnen hinwegzischte und in das Wurmloch einschlug. Ein gewaltiger Donner folgte dem Einschlag, Funken sprühten aus dem Tor, als sie wieder aufblickte. Dann verlosch das Wurmloch. 

*** 

Wallace und Dorn starrten hoch zum Gate und konnten nicht glauben, was sie da gerade gesehen hatten. Eine gewaltige Entladung hatte im Dach des Gaterooms eingeschlagen, dann war das Wurmloch in sich zusammengefallen. Und sie beide waren die einzigen, die auf der Erde angekommen waren.
Entgeistert wechselten sie einige Blicke, ehe ihnen aufging, daß sich eine Tür hinter ihnen geöffnet hatte. General Landry stand darin und sah sie forschend an.
„Was ist passiert?" verlangte er zu wissen.
Wallaces Augen zuckten nervös, immer wieder leckte er sich die Lippen.
„Sie waren direkt hinter uns, Sir", sagte Dorn. Zum ersten Mal zitterte seine Stimme ein wenig. „Sieht aus, als habe das Wurmloch eine Störung gehabt."
„Oh mein Gott!" Wallaces Augen wurden groß.
Landry blickte die Rampe nach oben, doch jetzt schwieg er. 

*** 

Mühsam kämpfte Vashtu sich wieder auf die Beine und blinzelte sich die Regentropfen aus den Augen. „Was war das?" rief sie über den Sturm hinweg.
„Ein Stripe", brüllte Babbis zur Antwort.
Sie runzelte die Stirn und neigte den Kopf verständnislos zur Seite.
Babbis blinzelte ebenfalls Regentropfen aus seinen Augen, wischte sich mit beiden Händen über den Kopf, um sein Haar nach hinten zu kämmen. „Ein Megablitz. Soetwas löst sich normalerweise Richtung Weltraum. Aber hier besteht die Gefahr, daß sie auf dem Boden einschlagen."
Vashtu nickte endlich verstehend und stapfte, gegen die heftigen Böen ankämpfend, zum DHD. „Wir müssen hier weg. Ich wähle neu ein. Halten Sie Ihr GDO bereit."
Babbis nickte und zog ein kleines Gerät aus seiner Jackentasche.
Vashtu drückte die Chevrons für die Erde. Doch als sie ihre Anwahl bestätigen wollte, brach das Gerät den Vorgang ab. Sie blinzelte wieder, wischte sich mit dem Jackenärmel über die Augen und versuchte es erneut.
„Was ist los?"
Wieder brach das DHD den Vorgang ab.
„Es klappt nicht." Verwirrt trat sie von der Anlage zurück.
Babbis kam heran, versuchte nun seinerseits sein Glück, doch wieder brach das Gate die Verbindung ab.
„Was machen wir jetzt?" schrie Vashtu über den Sturm hinweg, duckte sich, als über ihr wieder Blitze durch die Atmosphäre zuckten.
Babbis schüttelte verständnislos den Kopf. „Keine Ahnung. Meines Wissens ist soetwas noch nie vorgekommen."
„Hat denn schon einmal ein solcher Megablitz in ein Wurmloch eingeschlagen?"
Babbis warf ihr einen irritierten Blick zu, der ihr Antwort genug war. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Himmel, der sich immer mehr verdunkelte.
„Okay, sieht aus, als hätten wir ein Problem." 

*** 

„Also, jetzt noch einmal der Reihe nach." Landry faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und sah die beiden Mitglieder von SG-27 ernst an. „Was ist passiert?"
Dorn wechselte einen Blick mit Wallace, nickte ihm dann zu.
Der junge Wissenschaftler zog die Schultern hoch und schien in seinem Stuhl versinken zu wollen. Doch er begann zu berichten: „Wie besprochen sind wir nach P4X-392, um dort die Meßgeräte aufzustellen. Sie hatten Dr. Babbis ja grünes Licht für diese Mission gegeben."
Landry nickte. „Energiegewinnung aus Megastürmen. Ich erinnere mich."
Wallace schluckte. „Wir stellten die Geräte auch auf. Dr. Babbis war noch damit beschäftigt, seine Meßsonden zu kallibrieren und wir warteten auf Miss Uruhk. Als sie dann kam, gab sie mir den Befehl, sofort die Erde anzuwählen und abzurücken."
Landry richtete sich auf. „Und warum mußten Sie auf Miss Uruhk warten?"
„Weil Babbis sie drei Meilen in die Ebene hinaus geschickt hat", antwortete Dorn ruhig.
„Ja, ihre Sonden sollten als zusätzliche Einheiten dienen, um die Wucht des Sturms zu berechnen. Unsere Plätze waren alle näher am Tor gelegen, so daß wir wesentlich eher fertig waren."
Landry runzelte die Stirn. „Aber Miss Uruhk wußte doch, was da auf sie zukam. Sie wird sich doch beeilt haben."
Wallace lächelte schief. „Sir, mit Verlaub, aber ich glaube, Dr. Babbis hat sich da ein wenig verrechnet. Der Sturm war fast über uns, als wir abrücken wollten. Er war aber der Meinung, uns blieben noch mindestens drei Stunden, als wir auf dem Planeten ankamen."
Landry bemühte eine Liste. „Und sie waren ... 45 Minuten dort." Als er wieder aufblickte, konnte man deutlich eine gewisse Unruhe in seinem Gesicht lesen.
„Miss Uruhk mußte gegen den Sturm laufen, sie brauchte zu lange", bemerkte Dorn.
Wallace nickte wieder. Rote Flecken bildeten sich auf seinen Wangen und verliehen ihm erst recht das Aussehen eines Schuljungen.
„Und was geschah, nachdem Miss Uruhk wieder zurück war?" forschte Landry weiter.
„Wie gesagt, sie gab mir den Befehl die Erde anzuwählen und wollte abmarschieren. Sie war unruhig, Sir. Immer wieder sah sie zum Himmel hinauf. Dorn ging als erster, ich hinter ihm. Und eigentlich hätten Dr. Babbis und Miss Uruhk direkt hinter mir sein müssen ... Nein, Babbis räumte noch seine letzten Sachen zusammen." Wallace schluckte wieder. „Als wir auf der Erde ankamen, gingen wir weiter die Rampe herunter. Und da zuckte dieser ... dieser Blitz hinter uns durch das Tor und schlug in die Decke ein."
Landry nickte, überflog weitere Listen, blätterte kurz im Statusbericht.
„Sir, mit Verlaub, wollen Sie Uruhk und Babbis nicht zurückholen?" ließ Dorn sich vernehmen.
Landry zögerte, legte dann die Hefter zur Seite und sah auf. „Das würde ich ja sehr gern, Sergeant", antwortete er. „Aber ich fürchte, so einfach wird das nicht. Die Chevrons rasten nicht ein und das Gate öffnet sich nicht."
Dorn ruckte hoch, Wallace sank noch mehr auf seinem Stuhl zusammen.
Landry brachte den alten Soldaten mit einem Blick wieder dazu, sich niederzulassen. „Ruhig, Marine. Wir arbeiten an dem Problem. Glauben Sie mir, wir holen die beiden wieder her." 

*** 

Vashtu behielt mißtrauisch den Himmel im Auge, während sie sich zusammenkauerte. Der Regen hatte wieder nachgelassen, nachdem sie beide naß bis auf die Haut waren, doch der Sturmwind peitschte noch immer über sie hinweg und ließ sie zusätzlich auskühlen.
„Wir sollten uns einen sicheren Platz suchen", rief sie Babbis zu.
Der hatte sein Palmtop gezückt und war nun offensichtlich dabei, irgendetwas zu berechnen. Etwas verwirrt blickte er auf und sah sie an.
„Wir können die Umgebung des Gates nicht verlassen", fuhr die Antikerin fort. „Wenn die Erde uns anwählt, müssen wir so schnell wie möglich zurück, ehe noch so ein ... ein Stripe einschlägt."
Babbis runzelte die Stirn. „Ich glaube, Sie haben unser Problem noch nicht ganz verstanden, Miss Uruhk", antwortete er ebenso laut. „Wir können nirgendwo hin. Wir sind hier nirgends sicher, es sei denn, Sie haben eine ausreichende Menge Sprengstoff dabei, damit wir in tiefere Gesteinsschichten eindringen können. Und selbst da ..."
„Was soll das heißen?" brüllte sie ihn nieder.
Babbis' Gesicht verzog sich unwillig, dann aber nickte er. „Dieser Sturm tobt seit Jahrtausenden über den Planeten. Und er gewinnt mit jeder Umwanderung immer mehr an Kraft. Was hier auf uns zukommt, ist die totale Zerstörung, nicht mehr und nicht weniger."
Sie sah ihn verständnislos an. „Ich kenne Megastürme, Babbis. Über Atlantis kommt einer diese Sorte jede Generation."
Babbis beugte sich vor und schüttelte den Kopf. „Ich habe die Berichte von Dr. McKay gelesen, Miss Uruhk. Und ich kann nur sagen, was Sie auf Atlantis vielleicht erlebt haben, ist ein laues Lüftchen gegen das, was hier auf uns zukommt."
Ihr Gesicht wurde ernst. „Wie meinen Sie das?"
„Sehen Sie hier irgendwo Vegetation?"
Verständnislos blickte sie sich um, schüttelte schließlich den Kopf.
Babbis nickte. „Weil der Sturm die obersten Erdschichten regelmäßig abträgt, darum gibt es keine Pflanzen hier. Er reißt den Mutterboden mit sich. Über dem Ozean gewinnt er immer mehr an Kraft, die er dann auf dem Land abläßt. Der wird nicht abflauen, Miss Uruhk, sondern nur noch heftiger wüten."
Ihre Augen weiteten sich, ihr Gesicht wurde starr.
„Sie haben mit Ihren zusätzlichen Gensträngen vielleicht eine Chance, wenn Sie sich nicht in der Vernichtungsschneise aufhalten. Ich dagegen ..." Er hielt seinen Handcomputer hoch. „Ich werde Ihnen meine Aufzeichnungen mitgeben, sobald ich meine Berechnungen abgeschlossen habe. Ich bin sicher, das wird helfen, die Energieprobleme auf der Erde zu lösen."
In Vashtus Augen flammte Wut auf. „Ich lasse niemanden zurück!" herrschte sie ihn an und erhob sich. Gegen den heftigen Wind ankämpfend stapfte sie wieder zum DHD und ließ sich davor nieder. Mit einer Taschenlampe begann sie, unter dem Gerät etwas auszuleuchten.
Babbis beobachtete sie einige Momente, ehe er ihr folgte. Neugierig ließ er sich auf ein Knie nieder und reckte den Hals. „Was wollen Sie tun?"
„Was ich schon die ganze Zeit über tun wollte. Ich kontrolliere das DHD auf eventuelle Beschädigungen. Leuchten Sie mir." Entschieden drückte sie ihm die Lampe in die Hand und kroch unter das Wahlgerät.
„Das wird nichts bringen. Der Blitz schlug in das Gate ein, nicht ins DHD."
Ungeduldig machte sie ihm Zeichen, wohin er ihr leuchten sollte. „Es besteht, wie Sie sicherlich wissen, ein Zusammenhang zwischen dem Gate und dem DHD, Dr. Babbis. Kommt es zu einer Überlastung des Tores, leitet es diese in das Anwahlgerät weiter." Sie zog einen Kristall aus seiner Halterung, steckte ihn dann aber frustriert wieder an seinen Platz.
Babbis ging auf, daß diese Kristalle ähnlich aussahen wie der, den sie immer an einer Kette um den Hals trug. Was es mit dem wohl auf sich hatte?
„Es sieht alles normal aus. Ich kann keinen Schaden entdecken." Sie sah zu ihm hoch.
„Ich habe doch gesagt, daß wahrscheinlich das Tor beschädigt ist, nicht das DHD", entgegnete Babbis wieder.
Vashtu knallte den Hinterkopf auf die durchweichte Erde, kniff die Lippen aufeinander und kontrollierte die Kristalle noch einmal. 

*** 

„Lt. Colonel Carter steht leider nicht zur Verfügung. Sie ist gestern mit SG-1 zu einer strenggeheimen Aufklärungsmission aufgebrochen und wir können momentan keinen Funkkontakt zu ihr herstellen."
Der Techniker lehnte sich zurück und kreuzte die Arme vor der Brust. „Tut mir leid, Sir, aber ich kann Ihnen da auch nicht weiterhelfen."
„Was sagt die Analyse?" Landry sah angespannt in den Gateroom hinaus. Einige Arbeiter waren damit beschäftigt, das Schott in der Decke aufzuschweißen. Der Blitz hatte die Luke zu einem Klumpen verschmolzen. Stahltropfen lagen auf dem Betonboden.
„Es kommen merkwürdige Werte, Sir." Der Mann drehte sich um und sah etwas ratlos aus. „Es liegt keine Fehlfunktion vor. Dafür aber ..." Er stockte, als sich die Tür öffnete.
Landry drehte sich stirnrunzelnd um und sah Wallace in dem geöffneten Durchgang stehen, das Gesicht kalkweiß, die Lippen entschlossen zusammengekniffen.
„Ich sagte doch, Sie können sich ausruhen, Doktor", wandte der General sich an den jungen Mann.
  Der trat entschlossen näher. „Sir, ich möchte helfen."
„Dann sollten Sie uns jetzt arbeiten lassen, Dr. Wallace. Wir werden Miss Uruhk und Dr. Babbis wieder zurückholen, keine Sorge."
Wallace sah ihn flehend an, schwieg jetzt aber.
„Ich möchte diesen Meterologen hier haben, mit dem Babbis zusammengearbeitet hat. Wir brauchen einen genaueren Zeitrahmen", wandte er sich an einen Offizier. Der nickte und verließ die Kommandozentrale.
„Sir!"
Landry wandte sich wieder Wallace zu. Leicht verärgert sah er den jungen Mann an. „Doktor, bitte lassen Sie uns arbeiten, damit helfen Sie uns und dem Rest Ihres Teams am meisten."
Wallace starrte ihn nur an.
Landry schob den jungen Wissenschaftler ungeduldig zur Seite, beugte sich über den Bildschirm. „Lassen Sie das Diagnoseprogramm noch einmal durchlaufen. Wir haben noch eine knappe Stunde, wenn es nach den Berechnungen von Dr. Babbis geht. Spätestens dann möchte ich die beiden wieder wohlbehalten im Torraum sehen."
„Sir, ich habe das Diagnoseprogramm schon zweimal durchlaufen lassen", entgegnete der Techniker. „Diese Werte sind bestätigt."
„Dann starten Sie es noch ein drittes Mal. Das ergibt keinen Sinn." Landry richtete sich wieder auf und fand Wallace neben sich, der ihn immer noch anstarrte. „Was gibt es denn noch?"
Der junge Mann atmete einige Male tief ein und ballte die Hände zu Fäusten. „Sir, ich bin in genau zwei Dingen gut: Der Bestimmung und Optimierung von Nutzpflanzen und dem Umgang mit modernen Rechnern. Ich möchte helfen, und ich habe gehört, daß Lt. Colonel Carter zur Zeit nicht zur Verfügung steht."
Landry hob die Brauen.
Wallace, diese wandelnde Katastrophe, sollte er an den Rechner lassen, der mit dem Sternentor verbunden war? Was konnte er denn daran anrichten?
„Sir, mit Verlaub, aber ich bin bereits mehrmals in die geheimen Dateien des Pentagons eingedrungen. Wenn jemand außer Lt. Colonel Carter Miss Uruhk und Dr. Babbis zurückholen kann, Sir, dann bin ich es!" Wallace schien über den Mut seiner Worte selbst erstaunt, schrumpfte vor den Augen des SGC-Leiters zu einem Häufchen Elend zusammen.
Landry zögerte, sah wieder hinaus in den Gateroom und dachte nach.
Er dachte an ein Gespräch mit Vashtu Uruhk, daß sie vor noch nicht allzu langer Zeit geführt hatten. Ein Gespräch, das für die Antikerin fast mit einem Rauswurf geendet hatte. Und eines war ihm von dieser Unterredung im Gedächtnis haften geblieben, weil es ihn selbst verblüfft hatte: Ihre Bitte, ihrem Team zu vertrauen, so wie sie es tat.
„Also gut. Setzen Sie sich mit dem Lieutenant zusammen und versuchen Sie herauszufinden, was mit dem Gate nicht stimmt. Wir haben noch drei weitere Teams draußen, und die würden sicher auch gern zurück zur Erde. Denken Sie daran, Dr. Wallace." 

*** 

Vashtu rappelte sich auf und bemerkte, wie sehr das DHD sie doch vor den Winden geschützt hatte, als eine Bö sie fast wieder umwarf. Sie machte Babbis ein Zeichen, kam wieder auf die Beine und rannte geduckt, an seiner Seite, zurück hinter das Stargate, wo sie zumindest noch ein wenig Schutz vor dem Sturmwind fanden.
„Das DHD ist vollkommen in Ordnung", rief sie ihm über das Tosen zu. „Daran liegt es nicht."
  „Habe ich doch gesagt."
Vashtu verzog das Gesicht, blickte wieder zum Himmel hinauf. Tiefschwarze Wolken rasten über den Horizont auf sie zu, fast ständig erleuchtet durch die Blitze, die sich in ihnen sammelten.
„Welche Möglichkeiten haben wir noch?"
Babbis zuckte mit den Schultern. „Keine. Die Sturmfront ist zu breit, wir beide würden es nie schaffen, ihre Randzonen zu erreichen. Sie allein, wenn Sie Ihre Fremdzellen aktivieren, schon."
  Sie blitzte ihn unwillig an. „Wir gehen zusammen oder gar nicht, verstanden?"
Babbis schüttelte den Kopf. „Dann werden wir beide getötet werden, Miss Uruhk. Tut mir leid, aber so ist es."
Sie lehnte sich gegen den Sockel des Tores und schlug den Kragen ihrer Hemdjacke hoch. „Was erwartet uns?"
„Oh, wenn der Wind uns nicht erledigt, können wir im extremen Starkregen ertrinken, vom Blitz getroffen, von riesigen Hagelkörnern erschlagen oder von Tornados zerfetzt werden. Sie können es sich gern aussuchen."
„Dann ziehe ich das Überleben vor, danke."
Der nächste Regenschauer prasselte auf sie nieder.
Mißmutig starrte sie vor sich hin.
„Das werden wir aber nicht, solange wir in uns in der Zerstörungszone aufhalten. Tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber wir befinden uns hier in extremer Gefahr!"
Sie warf ihm einen Blick zu, kreuzte die Arme vor der Brust und kauerte sich noch mehr zusammen. „Wir können nicht vom Gate weg, solange nicht sicher ist, ob uns das SGC nicht hier herausholen kann."
Babbis tippte wieder auf seinem Palmtop herum, hielt es ihr hin. „Dann sollte das Center sich besser beeilen. Uns bleiben noch knapp 50 Minuten, ehe der Sturm uns erreicht."
Sie sah eine Uhr, die rückwärts in einem Countdown ablief, auf dem winzigen Bildschirm ticken. Verständnislos sah sie auf. „Soll das heißen ... ?"
Babbis nickte. „Das sind bis jetzt nur die Ausläufer." 

*** 

„Das ergibt keinen Sinn!" Der Lieutenant warf den Ausdruck frustriert zur Seite. Wallace griff ihn sich und ging die Analyse noch einmal sehr sorgfältig durch.
„Sehen Sie irgendeine Form von Wurmloch?"
Wallace las sehr aufmerksam, sah dann schließlich wieder hoch und betrachtete das Tor. „Beide Gates sind aktiviert und können deshalb nicht angewählt werden. Hier steht nichts von einem Wurmloch", entgegnete er.
Der andere sah ihn entgeistert an. „Aber die Gates sind nur aktiviert, wenn ein Wurmloch zwischen ihnen existiert."
Wallace blinzelte, befeuchtete mit der Zunge seine Lippen und ging die Daten noch einmal durch. „Vielleicht nicht immer. Offensichtlich besteht noch eine gewisse Art von Verbindung zwischen uns und  P4X-392, und genau darum sind beide Gates noch aktiviert. Das Wurmloch ist zusammengebrochen, das ist richtig, aber da scheint es noch irgendetwas zu geb..." Sein Kopf ruckte hoch. Konzentriert starrte er das Sternentor an. „Der Blitz!"
„Was?"
Wallace kam mit einem Ruck wieder auf die Beine. „Sie haben die enorme Energieleistung dieses Blitzes in den Daten nicht miteinbezogen. Sir, tut mir leid, aber auf einer Farm rechnet man jedes Jahr auch mit einem gewissen Ausfall. Diese extremen Werte, das war kein normaler Blitz."
„Das kann ich Ihnen bestätigen. Was da aus dem Tor kam, hat das gesamte Wurmloch eingenommen." Der Lieutenant nickte. „Aber der Blitz kann kein Wurmloch aufbauen, Dr. Wallace. Das ist unmöglich!"
Der junge Wissenschaftler blätterte noch einmal im Statusbericht, griff sich schließlich den Taschenrechner, der neben dem Lieutenant lag und begann zu rechnen.
„Das ist vollkommen unmöglich, Dr. Wallace. Tut mir leid."
„Ist es nicht!" 

*** 

„Wir müssen hier verschwinden!"
Vashtu schüttelte stur den Kopf und dachte nach.
Es gab eine Lösung, es gab immer eine Lösung! Sie übersahen irgendetwas. Da war etwas, und es lag direkt vor ihren Augen. Nur sahen sie es nicht. Sie konnte es fühlen.
„Hören Sie, wenn wir nicht zumindest versuchen, Deckung zu finden, werden wir in deißig Minuten in unsere Einzelteile zerlegt."
Ein erster Hagelschauer ging auf sie nieder. Babbis hielt sich schützend einen seiner Laptops über den Schädel und beugte sich über sie. Sie sah, mit welcher Wucht der Sturm an ihm zerrte und packte unvermittelt seinen Arm.
„Wir gehen hier nicht weg, bis wir sicher sind, daß Cheyenne-Mountain uns nicht zurückholt. Wenn die jetzt ein Wurmloch öffnen, müssen wir so schnell es geht durch, sonst wird das Center komplett auf den Kopf gestellt", brüllte sie ihn an.
„Sie werden uns nicht rauswählen können. Wahrscheinlich hat der Stripe mehr Schaden angerichtet, als wir denken. Warum würden sie sich sonst soviel Zeit lassen?"
Vashtu preßte die Lippen aufeinander und biß darauf. Mit der freien Hand wischte sie sich über das nasse Gesicht.
„Wir müssen hier weg!"
Verstehen blitzte in ihren Augen auf. Sie öffnete den Mund etwas, sah Babbis einen Moment lang an, dann hob sie den Blick und blinzelte in den Himmel. Doch sie achtete weder auf die Hagelkörner,  noch auf die Wolken oder das Wetterleuchten. Ihr Blick richtete sich auf das Tor, das sich über ihr erhob.
Mit einem Ruck zog sie Babbis zu sich. „Sie sagen, wir befinden uns mitten in der Zerstörungsschneise?"
Der Wissenschaftler nickte.
„Und Sie sagen, das hier sind immer noch die Ausläufer?"
Wieder ein Nicken.
Die Antikerin nickte nach oben. „Warum steht das Stargate dann immer noch?"
„Was?" Babbis sah sie entgeistert an.
Sie beugte sich dicht über sein Ohr, zog einmal kurz die Nase hoch und brüllte: „Ich frage mich, warum das Stargate die Zerstörungsschneise seit Jahrtausenden übersteht."
Verstehen blitzte in Babbis' Augen auf. „Sie meinen ..."
Vashtu nickte. „Wir haben etwas übersehen. Und wir können nur hoffen, daß der Stripe es nicht beschädigt hat. Hier muß es einen Schutzschild geben!" 

*** 

Wallace ging seine Berechnungen zum xtem Mal durch und notierte sich immer wieder seine Ergebnisse.
„Das kann nicht sein!" Der Lieutenant schüttelte den Kopf. „Irgendwo liegt ein Fehler, Dr. Wallace, und ..."
Die Tür öffnete sich und Landry trat ein. „Etwas neues?"
„Ich habe alles jetzt viermal nachgerechnet, Ihnen sogar ..." Wallace blickte auf und schloß den Mund. Seine Kiefer knallten mit einem dumpfen Laut aufeinander, als er den General sah.
Landry musterte ihn und runzelte die Stirn.
So kannte er Wallace gar nicht. Bisher hatte er den jungen Wissenschaftler immer als sehr schüchtern und zurückhaltend empfunden. Aber gerade ... Da war wilde Entschlossenheit in seinem Blick gewesen, und ein Mut, den man ihm sonst nicht zugetraut hätte.
„Sir, nichts neues. Tut mir leid", meldete der Lieutenant und schüttelte den Kopf. „Ich lasse noch einmal alle Statusberichte ..."
„Die wieder das gleiche sagen werden, verdammt!" Wallace richtete seine ganze Konzentration wieder auf einen Ausdruck, tippte mit einem Finger immer wieder darauf. Die Anwesenheit des SGC-Leiters schien er plötzlich wieder vergessen zu haben. „Ich habe Ihnen doch gesagt, was geschehen ist! Warum wollen Sie mir nicht glauben?"
Der Lieutenant warf Landry einen entschuldigenden Blick zu. „Tut mir leid, Sir."
Landry hob eine Hand und fixierte Wallace. „Was ist Ihrer Meinung nach geschehen, Dr. Wallace? Haben Sie vielleicht eine Lösung?"
Der junge Mann blickte auf, und Landry ging auf, wie jung er wirkte. Zwar war er gut sieben Jahre älter als Babbis, aber um sein Selbstbewußtsein schien es alles andere als gut bestellt. Und diese Unsicherheit verlieh ihm immer wieder das Aussehen eines Schuljungen.
„Ich ... ich ..." Nervös zuckte seine Hand zum Schreibtisch und stieß eine Kaffeetasse um. Klirrend fiel diese zu Boden und zerschellte. Wallace wurde puterrot. „Tut mir leid, Sir", murmelte er verlegen.
„Wie lautet Ihre Lösung, Dr. Wallace?" fragte Landry im ruhigen Ton.
„Der Blitz, Sir." Wallaces Stimme war kaum zu hören bei diesen Worten. „Die Energie des Megablitzes hat das Wurmloch zusammenbrechen lassen. Gleichzeitig aber hat er eine Verbindung zum Planeten hergestellt. Miss Uruhk und Dr. Babbis können zwar nicht hindurch, aber ..." Er stockte und verstummte dann.
„Aber?" Landry trat interessiert näher, während der Lieutenant wieder entschieden den Kopf schüttelte.
„Nun ..." Wallace nagte an seiner Unterlippe und trommelte mit den Fingern auf seinem Oberschenkel herum. „Wenn ich recht habe, dann ... dann müßten wir in Funkkontakt mit ihnen treten können."
„Vollkommener Unsinn!" Der Lieutenant schüttelte den Kopf.
„Haben wir das denn schon versucht?" wandte Landry ein.
Beide Männer blickten verständnislos auf. „Wie?"
„Haben wir versucht, ob wir in Kontakt mit ihnen treten können?"
Der Wissenschaftler und der Militär starrten sich verständnislos an, dann schüttelten sie die Köpfe.
„Dann versuchen wir es jetzt", entschied Landry. 

*** 

Vashtu kauerte sich immer mehr zusammen. Der tosende Wind und der wieder einsetzende Regen wollten auch noch den letzten Rest Wärme aus ihrem Körper ziehen. Ihre Hand hatte sich in Babbis Arm verkrampft, doch der Wissenschaftler schien dies gar nicht zu bemerken. Er lag direkt neben ihr, seine Lippen waren blau und seine Augen halb geschlossen. Allmählich kamen ihr nun doch Zweifel, ob sie es lebend von diesem verdammten Planeten schaffen würden.
„Miss Uruhk? Können Sie mich hören?"
Sie blinzelte verständnislos und hob mit großer Anstrengung den Kopf. Nein, es war kein Wurmloch eingegangen. Sie begann, Stimmen zu hören.
„Miss Uruhk, SG-27-Teamleader", sagte die Stimme von General Landry wieder, begleitet von statischem Rauschen. „Können Sie mich hören? Melden Sie sich!"
Babbis drehte langsam den Kopf und sah sie an. Offenbar hatte er die gleiche Halluzination wie sie.
  Die gleiche Halluzination?
„Sir?" Mit steifen Fingern hatte sie die Com-Taste ihres Funkgerätes gedrückt.
„Miss Uruhk, es tut gut, Ihre Stimme zu hören", sagte Landry deutlich erleichtert.
Verwirrt blickte sie sich wieder um. „Danke, Sir. Das gleiche behaupte ich auch. Aber ... wie ist das möglich?"
„Nun, wie es aussieht hat es einen Fehler mit dem Wurmloch gegeben. Sie werden sicher ebenfalls den Blitz gesehen haben, der mitten in den Ereignishorizont einschlug."
Sie nickte eifrig. „Ein Stripe, Sir. Ein Superblitz."
„Tja, wie es aussieht, hat dieser Stripe das Wurmloch zusammenbrechen lassen, aber die Verbindung wurde nicht gekappt. Wie geht es Ihnen?" fragte der General.
Vashtu blinzelte die Regentropfen aus den Augen und wischte sich mit der freien Hand das kurze Haar zurück. „Durchgefroren und naß bis auf die Haut, Sir. Dr. Babbis neben mir rechnet fest mit seinem Tod."
„Sie kennen doch die Devise, Miss Uruhk. Wir lassen niemanden zurück."
Sie nickte, ihre Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
„Wie ist die Lage bei Ihnen?"
Sie blinzelte in den Himmel hinauf. „Stürmisch, Sir. Eine Wettervorhersage möchte ich allerdings nicht treffen. Könnte nicht gut für uns aussehen."
„Dann halten Sie noch ein kleines bißchen aus. Wir arbeiten an einer Lösung. SGC Ende." Ein deutliches Knacken in der Leitung.
Vashtu und Babbis sahen sich groß an. 

*** 

General Landry runzelte die Stirn. „Sie wollen was?"
Wallace und der Lieutenant sahen sich kurz an und nickten in plötzlicher stiller Eintracht. „Wir müssen das Gate entladen, um die Verbindung zu lösen", erklärte Wallace. „Durch die extremen Werte, als der Blitz durch das Wurmloch hier einschlug, brach dieses zwar zusammen, aber die Energiesignatur blieb bestehen. Darum können wir weder rauswählen noch angewählt werden. Es besteht immer noch eine Verbindung mit  P4X-392, nur können wir diese nicht nutzen, um Miss Uruhk und Dr. Babbis zurückzuholen. Eines der Tore muß manuell entladen werden. Dann reißt die Verbindung automatisch ab und wir können neu wählen."
Landrys Blick glitt zu dem Lieutenant. „Und Sie bestätigen das?"
Der Militär nickte. „Wir haben alles mindestens dreimal überprüft, Sir. Die Daten stimmen. Wenn es uns gelingt, die Verbindung manuell zu trennen, können wir den Rest von SG-27 zurückholen."
Landry überlegte. „Was ist nötig, um das Gate zu entladen?"
„Wir brauchen ..." Der Lieutenant stockte, blickte etwas hilflos zu dem Wissenschaftler. Der zuckte mit den Schultern.
„Wir brauchen einen Blitzableiter, Sir." 

*** 

„Nun, Miss Uruhk. Ich hätte da eine Bitte an Sie beide. Kann Babbis mithören?"
Der nickte nur. Seine Zähne klapperten.
„Ja, Sir, das kann er. Was sollen wir tun?"
Der Wind heulte durch das Stargate, irgendwo grollte der Donner.
„Der Stripe blockiert beide Tore, Miss Uruhk. Wir müssen diese Verbindung kappen, damit wir Sie beide wieder zurückholen können. Wir brauchen etwas, womit wir diese Entladung herbeiführen können."
„Einen Blitzableiter, Sir?" Vashtu hob die Brauen. Inzwischen mußte sie brüllen, um sich über den Lärm des Sturmes verständlich zu machen.
„Ja, Sie haben schon verstanden. Fällt Ihnen irgendetwas ein?" Die Störungen in der Übertragung wurden wieder stärker.
Vashtus Blick blieb an dem Laptop hängen, mit dem Babbis sich vorhin vor dem Hagel geschützt hatte. Er besaß ein Metallgehäuse. Vielleicht würde er auch leiten.
„Möglicherweise, Sir. Machen Sie sich bereit."
„Gut, wir warten."
„Was haben Sie vor?" ließ Babbis sich endlich vernehmen.
„Ich baue einen Blitzableiter, sobald ich Sie irgendwie gesichert habe." Vashtu kramte in den Taschen ihrer Hemdjacke und beförderte ein kurzes Stück Seil daraus hervor. „Binden Sie sich am DHD fest. Der Sturm ist inzwischen zu stark."
Babbis schüttelte den Kopf. „Ich helfe!"
Sie zögerte. Sie bezweifelte, daß Babbis wirklich helfen konnte. Der Wind toste inzwischen so stark um sie her, daß selbst sie Schwierigkeiten haben würde. Doch dann las sie die Entschlossenheit in seinem Gesicht.
„Also gut", brüllte sie über den Sturm hinweg. „Wir brauchen jedes bißchen Metall und Kabel, das wir finden können."
Babbis nickte, rappelte sich auf und wurde fast sofort wieder von den Beinen gefegt. 

*** 

„Machen Sie sich bereit." Landry starrte das Gate an.
Hoffentlich würde es den beiden da draußen gelingen, was er von ihnen verlangt hatte. Aber die Zeit reichte einfach nicht, um den Blitzableiter des Komplexes bis hier herunter zu schalten. Ihnen war keine andere Wahl geblieben, so unwohl er sich dabei auch fühlte. 

*** 

„Das Gehäuse leitet nicht!" kreischte Babbis.
Vashtu blinzelte das Wasser aus den Augen und betrachtete, was sie zusammengesammelt hatten. Gut drei Meter Kabelstränge, eine Rolle Isolierband und drei Laptops hatten sie in den Windschatten des DHDs retten können, ehe auch noch die letzten beiden Koffer mit Babbis' Ausrüstung ein Raub des Sturmes hatten werden können.
„Das Kabel reicht nicht", brüllte sie zurück. „Ich brauche noch mindestens zwei Meter, sonst findet die Entladung zu nahe am Tor statt und könnte das DHD zerstören."
Babbis' Augen zuckten ziellos umher und er schnippte mit den Fingern.
Vashtu schüttelte den Kopf und griff sich einen der Laptops.
„Was haben Sie vor?"
„In den Dingern gibt es doch Kabelverbindungen, oder?" Sie zückte ihr Messer und begann, am Gehäuse herumzuhebeln.
„Haben Sie eine Ahnung, wie teuer diese Rechner sind?"
„Fällt Ihnen was besseres ein?"
Babbis starrte sie einen Moment lang an, dann schüttelte er den Kopf, griff sich ebenfalls einen Laptop und tastete an seiner Überlebensweste herum.
„Wie lange noch?" brüllte Vashtu über den Sturm hinweg.
Kurz blickte Babbis auf seine Armbanduhr und blinzelte sich das Regenwasser aus den Augen. „Eine viertel Stunde."
Das würde knapp werden. 

*** 

„Sir, wir sind soweit." Die Stimme war kaum zu verstehen. Die Antikerin brüllte in ihr Funkgerät, doch gleichzeitig toste der Sturmwind in das kleine Mikro und statische Störungen knisterten.
Landry seufzte erleichtert. „Gut. Wir machen uns bereit für Ihre erneute Einwahl."
„Sir, mit Verlaub", mischte sich eine zweite Stimme ein, die von Babbis, „es ist Wahnsinn! Wer auch immer das Gate berührt, wird zu Toast werden. Sie sollten besser versuchen, den internen Blitzableiter zu verwenden."
„Das hätten wir auch, wenn wir genug Zeit gehabt hätten", entgegnete Landry. „Sie müssen vorsichtig sein und das beste hoffen."
„Ich werde das tun, Sir", brüllte nun wieder Vashtus verzerrte Stimme über den Lautsprecher. „Ich habe die höheren Überlebenschancen."
Landry nickte nur und blickte zu dem Notfallteam, das sich bereits im Gateroom eingefunden hatte. 

*** 

Mühsam kämpfte Vashtu sich auf das Tor zu, rollte das Kabel hinter sich her.
„Sie sind wahnsinnig! Wenn das Gate tatsächlich noch geladen ist ..."
Sie schüttelte nur unwillig den Kopf. „Gehen Sie zum DHD und verstecken sich dort. Das wird wahrscheinlich einer der sichersten Orte sein, Babbis."
Der Wissenschaftler sah sie groß an. „Sie werden die volle Ladung abbekommen, wenn Sie das Tor berühren. Sie können sterben!"
Vashtu schluckte Regenwasser, prustete dann und schnaubte sich die Nasenlöcher frei. „Ich kann das überstehen, glauben Sie mir. Aber Sie sind ungeschützt, Babbis!"
Er sah sie zweifelnd an, dann nickte er.
„Wie lange noch?" brüllte sie ihn an.
„Nicht einmal fünf Minuten."
Sie kniff die Lippen fest aufeinander. „Gehen Sie zum DHD!"
Mühsam stapfte sie vorwärts, das Kabel weiter hinter sich herziehend.
Babbis hatte recht, und sie wußte es. Sie konnte durchaus sterben, wenn sie die volle Ladung erwischte. Sie mußte vorsichtig sein und hatte keine Zeit. Irgendwie mochte sie dieses Timing nicht sonderlich.
Vorsichtig näherte sie sich dem Tor, während wieder ein neuer Hagelschauer über ihr niederging und der Wind mit einer Macht an ihrem Körper riß, die sie niemals für möglich gehalten hatte. Der Himmel über ihr war inzwischen tintenschwarz, nur vom Wetterleuchten unsicher beleuchtet. Donner und Wind grollten um sie her und ließen ihre Ohren schmerzen.
Auf den Knien robbte sie bis vor das Gate, sah hoch.
Wenn es einen Schutzschild gab, hatte der sich bis jetzt nicht aktiviert. Und das bedeutete, entweder hatte sie sich geirrt, oder er war durch den Stripe beschädigt worden.
Ein bescheidener Tag in ihrem Leben!
Sie holte tief Atem, zog das Kabel an sich heran und zögerte noch einen Moment.
Wenn sie in Berührung mit der Spannung kam, würde sie die volle Wucht zu spüren bekommen. Entweder sie verbrannte auf der Stelle oder ihr Herz blieb stehen. Aber sie mußte es riskieren.
Noch einmal wischte sie sich mit der freien Hand über das Gesicht, dann hob sie die mit dem Kabel und drückte dieses fest gegen das Metall des Tores.
Ein Blitz schoß daraus hervor, traf ihre Hand und ließ sie vor Schmerz brüllen. Sie konnte fühlen, wie die Spannung sich in ihren Körper fraß und einen Weg nach draußen suchte.
Dann wurde ihr schwarz vor Augen. 

*** 

„Miss Uruhk, können Sie mich hören?" Landry runzelte die Stirn und horchte. Nichts als Rauschen war seine Antwort. „Miss Uruhk?" fragte er noch einmal, dann drehte er sich zu dem Techniker um und sah ihn an.
„Gate frei. Einwahl von außen läuft", meldete der.
In schneller Folge rasteten die Chevrons ein, das Wurmloch öffnete sich.
„Kennung SG-27", meldete der Techniker.
Landry stand am Fenster der Kontrollzentrale und starrte hinaus in den Gateroom.
Den beiden war es tatsächlich gelungen, die Verbindung zu kappen. Die Frage war nur, konnten sie es noch schaffen, durch das Sternentor zu reisen, ehe der Sturm sie endgültig mitriß. Beide hatten sie die ganze Zeit in ihre Funkgeräte gebrüllt, ein deutliches Zeichen dafür, daß sie ihre eigenen Stimmen nicht mehr verstehen konnten.
Eine Gestalt tauchte aus dem Ereignishorizont auf. Eine gebeugte Gestalt, schlacksig und unbeholfen wirkend. Sie ging rückwärts und tief gebeugt, zerrte einen Körper hinter sich her. Regen prasselte aus dem Tor heraus, Sturmwind heulte durch den Gateroom.
„Wurmloch schließen!" brüllte Dr. Babbis, nachdem er die Antikerin endlich ganz aus dem Ereignishorizont herausgezogen hatte. Beinahe sofort brach die Verbindung ab. Der Alarmton änderte sich.
Babbis richtete sich schnaufend auf und blickte sich um. „Ihr Herz ist stehen geblieben." 

*** 

Ein Niesen war das erste, was Landry hörte, als er die Krankenstation betrat. Schmunzelnd trat er an dem Sichtschutz vorbei und fand die drei männlichen Mitgliedern von SG-27 einträchtig um ein Bett versammelt.
„Naja, und dann habe ich mir die Diagnoseberichte angesehen", berichtete Wallace gerade der Gestalt im OP-Kittel, die auf der Pritsche lag.
„Ihnen geht es offensichtlich schon wieder recht gut, Miss Uruhk", meldete Landry sich zu Wort.
Die Antikerin blickte auf, verzog das Gesicht und zog die Nase hoch. „Das nächste Mal lasse ich Sie einen Blitzableiter in einem Sturm bauen, Sir", sagte sie heiser.
Landry trat an das Bett heran. „Aber Sie haben es geschafft, Miss Uruhk."
Sie nickte.
Wieder ein Niesen, dann ein deutlich hörbares Schnaufen. „Ich habe mir sicher eine Lungenentzündung geholt." Babbis' Stimme klang wehleidig.
Vashtu drückte ihren Kopf zurück in das Kissen. „Wann darf ich aufstehen, Sir?"
„Haben Sie eine dringende Verabredung?" Landry schmunzelte.
„Mir ist langweilig." Die Stimme der Antikerin klang düster.
Landry schmunzelte. „Nun, wenn es so ist. Ich kann Ihnen gern einen Rechner herbringen lassen. Dann können Sie Dr. Babbis bei seiner Doktorarbeit helfen."
Vashtu sah ihn mißtrauisch an. „Wie bitte?"
Hinter Landry erklang ein dumpfes Schnaufen. Der General nickte.
„Der Grund, warum Sie diesen Planeten besuchten, war die Doktorarbeit von Dr. Babbis. Sie wissen doch, daß er diesen Titel eigentlich noch nicht trägt."
Vashtu schürzte die Lippen und kreuzte die Arme vor der Brust. In ihren Augen stand etwas, was Landry im Moment nicht wirklich lesen wollte. Doch ihm war klar, daß Babbis in nächster Zeit ... Nun, einige weitere Erziehungsmaßnahmen würden ihm sicher nicht schaden.
„Wird schon, Mam", meldete Dorn sich zu Wort.
Dr. Marnie Evans, die Ärztin, die Vashtu betreute, kam heran. „So geht es aber nicht. Die Patientin ist noch zu schwach, um ... General, Sir, ich muß Sie leider bitten ..."
„Ich habe Hunger", ließ Vashtu sich plötzlich vernehmen. „Ich hätte gern ein dickes Steak mit Pommes frites und eine Riesen-Limo dazu."
„Ich ..." Marnie Evans blinzelte verständnislos. „Wir werden sehen, was wir tun können."
Landry klopfte der Antikerin auf den Arm. „Ich werde Ihnen Ihr Steak besorgen, Miss Uruhk, keine Sorge. Ruhen Sie sich jetzt etwas aus."
Sie verzog das Gesicht, winkte dann aber ihren beiden anderen Teammitgliedern, die sich dezent zurückziehen wollten.
Dann wandte sie sich wieder dem Leiter des SGC zu: „Wallace sagte mir, Sie hätten zugestimmt, daß er helfen durfte."
Landry zögerte, nickte dann aber. „Ich habe mich da an etwas erinnert und dachte, ich sollte vielleicht auf Sie hören."
Die Antikerin lächelte. „Danke, Sir."
„Ich habe zu danken, Miss Uruhk. Sie haben gute Arbeit geleistet, wirklich sehr gute Arbeit."
Babbis kam, im Schlepptau von Marnie Evans, wieder zurück und redete auf die Ärztin ein.
  „Ach, Sir." Vashtu richtete sich auf und räusperte sich. Ihre Stimme klang immer noch rauh.
Landry hob fragend die Brauen und sah zu Babbis hinüber, der urplötzlich verstummt war.
Die Antikerin fixierte den Wissenschaftler sehr genau, während sie ihre nächsten Worte sprach: „Das nächste Mal, wenn Dr. Babbis eine Doktorarbeit schreiben möchte, warnen Sie mich bitte vor, Sir. Dann nehme ich mir Urlaub."
Babbis' Gesicht wurde puterrot.
Teamwork by Hyndara71
„Mach's gut, Vash, wir sehen uns!“
Die Antikerin winkte dem Cabrio hinterher, ehe sie sich umwandte und den Innenhof des Gebäudekomplexes betrat, in dem sich ihre Wohnung befand.
Es war ein schöner Abend gewesen, zusammen mit einer anderen Frau, Marnie Evans, einer Ärztin aus dem SG-Center. Sie beide hatten diverse Bars und Clubs abgeklappert und es sich einmal richtig gut gehen lassen.
Marnie war eine der wenigen, die sie zumindest ansatzweise verstanden und sich auf sie einließen. Allmählich schien sie doch Fuß auf der Erde zu fassen. Und seit sie ihr eigenes SG-Team leitete, schien sich ihre Lage noch weiter zu entspannen.
Vashtu stieg nachdenklich die Treppen zu ihrem Apartment hinauf und kramte ihren Schlüssel hervor.
War es nun gut für sie, daß sie sich scheinbar doch etwas einlebte? Oder bestand darin eine gewisse Gefahr?
Bisher hatte sie einen zu engen Kontakt mit anderen vermieden. Sie wollte irgendwann zurück in die Pegasus-Galaxie, ihrem Zuhause. Sie wollte nach Atlantis.
Doch seit sie zur Erde gekommen war, hatte sie begreifen müssen, daß ihr Weg zurück nicht sonderlich einfach sein würde. Sogar bei den wenigen Malen, als Lt. Colonel John Sheppard hier gewesen war, hatte man im Stargate-Center sehr gut zu verhindern gewußt, daß sie beide aufeinandertrafen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob ihre Briefe überhaupt an ihn zugestellt wurden, es sei denn, sie traf zufällig jemanden aus Atlantis.
Vashtu zog eine Grimasse.
Vielleicht würde es einfacher werden, wenn sie sich fügte, wenn sie ein Leben auf der Erde führte und aus ihrer selbsterzeugten Isolation entfloh. Das aber würde sich erst mit der Zeit zeigen.
Sie steckte den Schlüssel in das Schloß ihres Apartments und drehte ihn herum. Dabei nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr.
Seit wann stand sie unter Bewachung?
Sie ließ sich nichts anmerken, betrat ihre Wohnung und schloß von innen ab. Dann trat sie sehr langsam von der Tür weg und lauschte aufmerksam.
Schritte, dann wispernde Stimmen.
Vashtu versteifte sich, drehte sich dann betont langsam herum und betrat ihren Wohnraum.
Hier war nichts mehr zu hören, doch sie war sicher, da stand noch immer jemand vor ihrer Tür.
Sie glitt hinter den Küchentresen und fischte ihre Beretta hinter den Tellern hervor. Leise entsicherte sie ihre Waffe und schlich zurück zum Durchgang in den Flur, um sich dort eine Deckung zu suchen.
Ihr Schlüssel drehte sich, sie konnte im wenigen Licht sehen, wie er glitzerte. Dann fiel er zu Boden, doch auch dieses Geräusch klang leise, als habe jemand etwas unter der Tür durchgeschoben, um den Krach abzudämpfen. Vorsichtig lehnte sie sich an die Wand, den Kopf zur Seite geneigt, die Waffe nach unten gerichtet.
Ein deutliches Klicken durchbrach die Stille, als die Wohnungstür sich öffnete.
Nein, das waren sicher keine Leute vom SG-Center, ganz sicher nicht.
Wieder ein undeutliches Wispern, dann Schritte, die sich ihr näherten.
Wer auch immer sich da Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft hatte, wußte ganz offensichtlich, daß sie zu Hause war. Ein einfacher Einbrecher fiel also aus - ganz abgesehen davon, daß sie die Schritte von mehreren wahrnahm.
Wie ein Wirbelwind fuhr sie herum und schoß, ehe sie wieder Deckung suchte. Geschrei und Flüche waren die erste Antwort, gefolgt von den Energieentladungen nicht irdischer Waffen.
Den Bruchteil einer Sekunde erstarrte Vashtu wieder.
Wer auf der Erde benutzte Waffen der Goa'uld? Und mit wievielen Angreifern hatte sie es zu tun?
Mit dem nächsten Feuerstoß aus ihrer Beretta sah sie mindestens ein halbes Dutzend Männer in ihrem Flur oder an der Tür nach draußen. Und jeder von ihnen trug eine dieser Schlangenwaffen, mit denen sie schon unliebsame Bekanntschaft gemacht hatte.
Vashtu fluchte in ihrer Muttersprache, glitt zurück in ihre magere Deckung. Blitzschnell überlegte sie und kam zu dem Schluß, daß es sicherer war, von hier zu verschwinden. Mit normalen Waffen ausgerüstet, oder ihretwegen auch mit Stunnern der Wraith, das wäre etwas anderes gewesen. Sie hätte es auf einen Kampf ankommen lassen. Aber nicht mit diesen Dingern, die einen beim ersten Schuß betäubten.
Kontrolliert hob sie den Arm und drückte ab. Das große Fenster hinter ihrem Sofa zerbarst in tausend Teile.
„Halt! Stehenbleiben!“ hörte sie die Rufe hinter sich, als sie schon, Schwung holend, vorwärts stürzte und sich mit einem Hechtsprung nach draußen katapultierte. Augenblicklich aktivierte sie die fremden Zellen in sich und brachte sich ins Gleichgewicht. Trotzdem war der Aufprall mörderisch und sie hatte das Gefühl, ihre Oberschenkelknochen würden ihr durch die Schultern getrieben. Dennoch nahm sie sich nicht die Zeit, sondern hetzte los, so schnell die Beine sie nur tragen konnten. Hinter sich hörte sie die aufgeregten Rufe ihrer Angreifer, und dann - ihr Mut sank - Motoren aufheulen.
Verzweifelt suchte sie nach irgendetwas, wohin sie abbiegen konnte, und sei es nur ein Garten. Sie mochte mit Hilfe ihrer Wraith- und Iratus-Zellen schneller laufen als die meisten Menschen, aber beileibe nicht schnell genug für ein Auto.
Sie sprang über eine niedrige Blumenrabatte, die Profile ihrer Schnürstiefel rutschten auf dem taufeuchten Rasen dahinter fast weg, doch es gelang ihr, wieder auf die Beine zu kommen. Aber die Verfolger waren verdammt nahe. Energieentladungen zuckten durch die Nacht.
Von der Straße weg, irgendwo in unübersichtliches Gelände, irgendwohin, wo sie einen Unterschlupf finden und sich vestecken konnte.
Sie raste weiter, sprang über niedrige Zäune und Hecken, riß einige Mülltonnen um.
Der Wagen folgte ihr.
Da! Das unbebaute Grundstück.
Vashtu wechselte, wie ein Hase Haken schlagend, die Richtung. Das hüfthohe Gras behinderte sie etwas in ihrem Lauf, als sie auf das Grundstück floh, doch auch ihre Verfolger würden aufgehalten werden, davon war sie überzeugt.
Und da sah sie eine blaugefärbte Flamme auf sich zuschießen. Sie konnte nicht mehr ausweichen.
Der Aufprall riß sie zurück und schleuderte sie in die Luft, ehe sie, wie eine Marionette, deren Fäden durchschnitten worden waren, zu Boden stürzte und liegenblieb.
Ein Mann in schwarzer Kampfmontur stellte sich neben sie, die Schlangenwaffe noch immer auf sie gerichtet. Ein zweiter, der aus dem Wagen gestiegen war, beugte sich über die bewußtlose Antikerin.
„Sie ist verdammt schnell“, sagte der erste.
„Und verdammt präzise. Malcolm und Sid wurden getroffen.“ Der zweite packte die reglose Gestalt an den Armen und zog sie zum Wagen zurück.

***

„Ich bedaure, Hermiod, aber ich kann Ihnen auch nicht sagen, wo Miss Uruhk sich aufhält.“ General Landry runzelte die Stirn.
„Sie wollte mich heute morgen kontaktieren und das Treffen bestätigen“, erklärte der Asgard mit ruhiger Stimme. „Wir wollten die letzte Schachpartie fortführen.“
„Tja“, Landry trommelte ein wenig unruhig mit den Fingern einen Takt auf seinem Schreibtisch, „möglicherweise hat sie es ja nur vergessen. Soweit ich weiß, ist sie privat momentan noch etwas eingespannt.“
„Das ist inkorrekt, General“, widersprach Hermiod. „Wenn sie Zeit hat, sucht sie nach Möbeln für ihre Wohnung, das hat sie mir ebenfalls gesagt. Ansonsten halten ihre sozialen Kontakte sich in sehr engen Grenzen. Und bisher hat sie die Termine mit mir immer eingehalten. Ich bin unruhig.“
Das merkte man der Stimme nicht wirklich an, aber Landry mußte dem Asgard recht geben. Man konnte von Vashtu Uruhk halten was man wollte, sie war präzise wie ein Uhrwerk. Wenn sie sich mit jemandem verabredete, hielt sie diese Verabredung ein, wenn sie eine Arbeit durchführen sollte, tat sie dies. Vielleicht nicht immer mit Begeisterung, aber sie tat es.
„Vashtu Uruhk weiß, daß die Daedalus in wenigen Tagen wieder zurück nach Atlantis fliegt. Darum wollten wir uns ja heute treffen. Sie mag es nicht, wenn die Partie zu lange dauert“, erklärte der Asgard.
Landry runzelte die Stirn. „Ich werde sehen, ob ich sie irgendwo auftreiben kann, Hermiod, aber ich kann nichts versprechen.“
„Der Umgang mit Ihrem Volk, General, könnte ihr Gehirn schädigen, was sehr schade wäre. Gerade darum bin ich unruhig.“
„Verstehe.“ Landry fühlte sich plötzlich von dem Asgard verraten. Immerhin gehörte Vashtu doch wohl eher zur Erde, oder seinetwegen zu Atlantis, als zu diesen Aliens. Daß ihr Gehirn schneller arbeitete als bei einem Menschen wußte er, und er war davon überzeugt, daß diese Tatsache ihr schon einige Male den Hals gerettet hatte hier im Stargate-Center.
„Ich werde mich umhören, Hermiod“, wiederholte er. „Entschuldigen Sie mich. Sie hören von mir, sobald ich etwas über diese Angelegenheit weiß.“ Damit hängte er auf und seufzte.
Nein, es sah der Antikerin wirklich nicht ähnlich, einen Termin nicht einzuhalten, den sie vorher verabredet hatte. Vor allem nicht mit Hermiod, der für sie wohl etwas wie ein persönlicher Freund war. Diese merkwürdige Freundschaft war ihm tatsächlich schon etwas länger bekannt.
Aber wo war sie? Hatte der Asgard am Ende recht und sie degenerierte? Hatte sie schlicht vergessen, überhaupt zum Dienst zu erscheinen? War sie krank?
Landry wollte gerade einen Anruf tätigen, als es an seiner Tür klopfte. Stirnrunzelnd gewährte er Eintritt und sah Dr. Daniel Jackson, der sein Büro betrat, die Tür hinter sich wieder schloß.
„General“, Jackson beugte sich vor, „da geht etwas merkwürdiges vor sich.“
Landry legte den Hörer wieder auf die Gabel. „Was geht vor?“
„Ich traf gerade Dr. Wallace von SG-27. Er schien sehr aufgeregt. Offensichtlich hatte unsere Antikerin sich mit ihrem Team für heute morgen verabredet, ist aber nicht erschienen.“ Daniel schüttelte den Kopf. „Sie ist normalerweise doch nicht zerstreut.“
Landry warf einen langen Blick auf das Telefon. „Und ich hatte gerade einen Anruf, Miss Uruhk betreffend. Offensichtlich hatte sie sich für den heutigen Nachmittag mit Hermiod verabredet, wollte aber den Termin vor dem Treffen noch bestätigen. Zum Dienst ist sie heute überhaupt nicht erschienen.“ Landry zögerte noch einen Moment, dann griff er wieder nach dem Hörer. „Ich rufe Storm an. Er soll ein kleines, unauffälliges Team zu ihrem Apartment schicken und nachsehen.“
Jackson nickte ernst.
Der General blickte wieder auf. „Aber ich hätte nicht gedacht, daß Sie sich Sorgen um Miss Uruhk machen, Dr. Jackson.“
„Wenn jemand von heute auf morgen verschwindet, mache ich mir immer Sorgen, Sir.“

***

Vashtu kam stöhnend zu sich, rollte sich auf den Bauch und ächzte. Ihr ganzer Körper schmerzte, und das schlimmer als bei jedem Stunnerschuß, der sie je getroffen hatte. Ihr Kopf fühlte sich an wie in Watte gewickelt und ihre Muskeln waren vollkommen starr.
Sie ballte die Hände zu Fäusten und stützte die Stirn auf den Boden.
Das tat verdammt weh. Kein Wunder, daß sie bisher immer ...
Sie riß die Augen auf.
Die Angreifer!
Mit einem Ruck riß sie den Kopf hoch und starrte auf eine unverputzte Wand, an deren Ecke sich ein Rohr nach oben schraubte.
Wo war sie? Was war geschehen?
Sie versuchte sich aufzusetzen und bemerkte endlich einen Widerstand an ihrer rechten Hand. Irritiert sah sie hinunter und stellte verblüfft fest, daß sie mit einer Handschelle an dieses Rohr gekettet war.
Was war hier los?
Sie ruckte versuchsweise ein wenig an ihrer Fessel, doch die Schelle gab nicht nach, zumindest nicht mit normaler, menschlicher Kraft.
Langsam drehte sie sich um, ohne sich den Arm verdrehen zu müssen und sah sich in dem Raum um. Ein kahles Zimmer, wie in einem Neubau. Die Wände noch nicht verputzt, der nackte Estricht auf dem Boden, nach oben begrenzt von einer hängenden Decke. Keine Fenster und nur eine Tür. Keine Möbel oder irgendwelche anderen Gegenstände.
Vashtu dachte nach, grub in ihrem Hirn nach Möglichkeiten, doch keine wollte ihr einfallen. Sie wußte nichts von irgendwelchen bösen Jungs, die sich Mitarbeiter des Stargate-Centers griffen und entführ... Doch!
Hatte Hermiod ihr nicht bei ihrem letzten Treffen etwas über eine irdische Organisation erzählt, die den Kommandanten der Daedalus in ihre Gewalt gebracht und in einen Goa'uld verwandelt hatte? Hatte er nicht betont, daß diese Organisation der wichtigste Grund für ihn war, nicht in Erscheinung zu treten auf der Erde?
Wie hatte Hermiod es bezeichnet?
Vashtu zog die Beine an und schlang ihren freien linken Arm um die Knie.
Der Trust!
Genau!
Goa'uld, na toll!
Vashtu verzog das Gesicht zu einer Grimasse, ruckte ein bißchen an der Fessel.
Diese Goa'uld schienen Idioten zu sein, sich ausgerechnet sie greifen zu wollen. Ihr Körper war definitiv voll und würde nichts mehr aufnehmen. Da mußte schon einiges passieren ...
Aber vielleicht ging es gar nicht darum, sie in einen Goa'uld zu verwandeln. Vielleicht ging es um ganz andere Dinge.
Vashtu lief es eiskalt den Rücken hinunter, als sie sich an ihre erste Zeit im SG-Center erinnerte. Die Menschen hatten viele Artefakte ihres Volkes gefunden, die sie hatte aktivieren dürfen. Die zweiten Bewohner der Erde mochten ihrem Volk sehr ähnlich sein, doch es gab offensichtlich Dinge, die nicht mit den Antikern übereinstimmten. Ein bestimmtes Gen fehlte den meisten Menschen, und deshalb konnten sie die Gegenstände derer, die vor ihnen hier gewesen waren, nicht gebrauchen. Menschen mit dem Gen waren selten, eine Antikerin noch seltener inzwischen.
Gut, sie mußte hier heraus, soviel stand fest. Und der erste Schritt war es, sich dieser lächerlichen Fessel zu entledigen.
Vashtu drehte sich wieder auf die Knie, betrachtete sehr genau, wie die Handschellen angebracht waren. Das Rohr wirkte zwar stabil, war aber dünn. Dünn genug vielleicht, wenn sie ihre veränderten Gene aktivierte.
Mit der Linken packte sie das Rohr kurz über der Stahlschelle und konzentrierte sich. Dann ruckte sie kurz daran. Ein leises Stöhnen drang aus dem Metall, als sie es zwischen ihrer Faust zusammenquetschte, sofort verringerte sie den Druck und lauschte.
Nichts.
Gut, dann weiter, ein bißchen mehr Kraft. Sie schloß ihre Faust eng um das Metall, packte jetzt auch mit der Rechten zu und zog. Ein leises, mißtönendes Stöhnen war die Antwort, dann ging ein plötzlicher Ruck durch das Metall und es brach in der Mitte auseinander.
Befriedigt schob sie die Schelle durch den Bruch und richtete sich auf.
Soviel dazu.
Sinnend sah sie sich in ihrem Kerker um und überlegte sich den nächsten Schritt.

***

„George, altes Haus!“ Jeffrey Storm schlug dem Marine gutgelaunt auf die Schulter. „Was machst du denn hier? Ich dachte, du seist bereits in Rente gegangen.“
Sergeant Dorn zuckte mit den Schultern. „Bin in einem anderen Team, Jeff“, antwortete er auf seine einsilbige Art. Vorsichtig lugte er um die Ecke in den Innenhof der Wohnanlage. „Zufällig hier, wollte meine Team-Leaderin besuchen.“
Storm nickte, kniff dann die Lippen aufeinander. „Dann bist du in ihrem Team? Hat sie sich bei euch gemeldet?“
Dorn sah ihn nur schweigend an.
„Tja, hier ist sie auch nicht. Wir mußten ...“ Er zögerte, musterte seinen alten Kampfgefährten. Dann winkte er ab. „Sieht nicht gut aus für deinen Leader. Das Apartment sieht aus wie ein Schlachtfeld, das Wohnzimmerfenster liegt in Einzelteilen draußen auf dem Rasen und wir haben Einschläge von Schlangenwaffen gefunden. Die anderen Bewohner hatten die Polizei gerufen, von denen mußten wir den Fall erst übernehmen.“
Dorn nickte sinnend. „Üble Sache.“
Storm kreuzte die Arme vor der Brust. „Ist zwar bisher unbestätigt, aber es sieht verdammt nach dem Trust aus, alter Junge. Könnte sein, daß du dich ganz von deinem Leader verabschieden mußt. Wer weiß, was die mit ihr anstellen.“
Dorn hob die Brauen, sagte aber nichts. Allerdings ging ihm eher durch den Kopf, was diese Antikerin mit dem Trust anstellen würde nach ihren letzten Auftritten. So leicht ließ die sich nicht unterkriegen.
Aber trotzdem war er unruhig, wenn er es sich auch nicht anmerken ließ. „Spuren?“ fragte er.
Storm nickte die Straße hinunter. „Die Polizei glaubt, es hat eine Verfolgungsjagd gegeben. Ihre Beretta wurde auf einem unbebauten Grundstück fast zwei Meilen die Straße hinunter gefunden, ebenso Reifenspuren. Ansonsten nur Stiefelabdrücke und umgeworfene Mülltonnen - und jede Menge Einschüsse von Goa'uld-Waffen. Die muß gehetzt sein wie ein Hase, um den Dingern zu entgehen.“
Dorn nickte wieder.
Gut, daß Babbis ihn überredet hatte, seine Kontakte auszunutzen. Wer konnte schon sagen, wie und wann sie sonst von dieser Sache erfahren hätten? Er traute Landry zwar, aber der war auch nur ein Befehlsempfänger.
Dorn sog seine Wangen ein, wandte sich wieder Storm zu. „Muß leider los, hab noch zu tun. Wollte ja nur mal nachsehen.“
Storm nickte, wandte sich wieder dem Durchgang zu und verschwand darin.
Dorn sah ihm nach, dann drehte er sich ebenfalls um und wanderte gemächlich den Weg entlang, den Vashtu in der Nacht genommen hatte. Nach einigen hundert Metern zückte er ein Handy und tastete eine Nummer ein. Dann wartete er, bis sich am anderen Ende jemand meldete, ehe er sagte: „Sieht übel aus. Wir müssen was tun.“

***

Dr. Peter Babbis saß in seiner kleinen Wohnung und hielt sich den Hörer ans Ohr. Nachdenklich nagte er an einem Schokoriegel, stellte keine Zwischenfragen, bis sein Gesprächspartner seinen Bericht beendet hatte. „Danke, Dorn“, sagte er dann endlich. „Kommen Sie doch zu mir, wenn Sie Zeit haben. Wir müssen uns überlegen, wie wir weiter vorgehen. James ist schon bei mir. Ich denke, wir sollten meine Wohnung als Hauptquartier betrachten und von hier aus operieren.“
Wieder lauschte er aufmerksam, biß ein Stück von seinem Riegel ab und lutschte ihn wie ein Bonbon. „Gut, bis gleich.“ Damit drückte er eine Taste und beendete das Gespräch, ehe er sich seinem anderen Gast zuwandte.
Dr. James Wallace saß stocksteif auf dem Sofa und sah ihn erwartungsvoll an.
„Wie es aussieht, hat der Trust Miss Uruhk entführt“, sagte Babbis jetzt.
Wallaces Gesicht wurde bleich. „Der Trust? Aber ... Das sind ...“
„Das sind Goa'uld, ja.“ Mit einem plötzlichen Energieausbruch erhob sich Babbis und begann eine Wanderung durch seine Wohnung. „Und die haben mindestens ebensoviel Interesse an einer lebenden Antikerin wie wir Menschen. Nur dummerweise sitzen sie an Stellen, an die wir wohl kaum heranreichen werden.“
Wallaces Augen irrten ziellos hin und her. „Aber ... Du hast zu Dorn gesagt, wir würden von hieraus arbeiten?“ Seine Stimme klang verzweifelt.
Babbis nickte. „Wir müssen ihr helfen, oder ist dir das nicht klar? Auf den letzten Einsätzen hat sie uns regelmäßig das Leben gerettet, ganz davon abgesehen, daß sie deine Fehler ausgebügelt hat, James. Sie hat viel von dem auf ihre Kappe genommen, was sie gar nicht getan hat. Es wird Zeit, daß wir uns revanchieren!“ Er schlug mit der Faust auf seine flache Hand ein, verzog vor Schmerz das Gesicht.
„Aber wir sind Wissenschaftler, keine Soldaten“, wandte Wallace ein.
„Und was ist sie?“ Babbis drehte sich zu ihm um und musterte ihn. „Hast du eigentlich schon einmal mehr als zwei Worte mit ihr gewechselt oder dir ihre Akte angesehen? Mit ihrem Wissen kann sie es mit den meisten Wissenschaftlern von heute aufnehmen. Und trotzdem kann sie kämpfen.“
Wallace hob ratlos die Schultern. „Sie ist eine Antikerin. Ihr Gehirn arbeitet mit einer höheren Aktivität als unseres.“
Babbis schnaubte und wandte sich ab. „Warum hat sie uns denn auf den Schießstand geschickt und uns erklärt, wie die einzelnen Waffen funktionieren? Damit sie weiter die Drecksarbeit für uns tut?“
Es klopfte.
Kopfschüttelnd ging der Hausherr zur Tür und öffnete. Dorn trat mit nachdenklicher Miene ein und nickte nur grüßend, ehe er es sich neben Wallace auf dem Sofa bequem machte.
„Ich habe mir da beinahe in den Fuß geschossen“, murmelte dieser.
Dorns Augen blitzten amüsiert. Er beugte sich nach hinten, legte einen Arm auf die Lehne des Sofas und beobachtete Babbis, der weiter unruhig hin- und herlief, wieder einen Schokoriegel in der Hand, von dem er ab und an nachdenklich abbiß.
„Schlimme Sache“, sagte der Sergeant schließlich.
Babbis verhielt mitten in der Bewegung und drehte sich zu ihm um. „Wir werden sehen, ob wir nicht herausfinden, wohin man sie verschleppt hat.“

***

Vashtu ließ sich vorsichtig nach unten fallen, kam geschickt auf und federte den Aufprall ab. Etwas ratlos blickte sie noch einmal zur Decke hinauf, richtete sich dann auf und sah sich noch einmal genau um.
Decke und Boden fielen als Fluchtmöglichkeit aus, wenn sie nicht Wert auf gebrochene Knochen legte. Und die wollte sie so lange wie möglich verhindern. Wer konnte denn schon sagen, was sie draußen noch erwarten mochte.
Ihre Aufmerksamkeit richtete sich jetzt den Wänden zu.
Diese schienen recht dünn zu sein, jedenfalls konnte sie dann und wann Schritte hören. Draußen mußte es einen Flur oder etwas ähnliches geben. Aber das sagte ihr immer noch nicht, ob sie sich vielleicht nicht doch an einer Außenwand in irgendeinem höher liegenden Stockwerk befand. Wenn sie wild auf die Wände einschlug, würde man wahrscheinlich sehr schnell auf sie aufmerksam werden und wieder ausschalten. Und das mußte sie auf jeden Fall verhindern.
Soviel also dazu, einfach durch die Wände zu gehen, obwohl sie nicht unbedingt daran zweifelte, daß es ihr gelingen würde.
Blieb noch die Tür.
Vashtu betrachtete diese stirnrunzelnd. Sie wußte inzwischen, daß da draußen wenigstens ein Mann stand und Wache hielt. Das war möglicherweise eine Chance, vor allem auch, um eine Waffe zu erbeuten, vielleicht sogar eine dieser Schlangenwaffen. Sie mußte ihren Wächter nur auf sich aufmerksam machen und davon überzeugen, daß er sich ihr gefahrlos nähern konnte.
Leise trat sie an die Tür, legte ihr Ohr an das Holzimitat und lauschte.
Dann zog sie sich zurück zu der Ecke, in der sie aufgewacht war, hockte sich nachdenklich hin und überdachte noch einmal ihren Plan. Schließlich legte sie sich in einer ähnlichen Position, in der sie auch zu sich gekommen war, hin, verdeckte mit ihrem Arm das geborstene Rohr und begann lauthals zu schreien und zu stöhnen, als hätte sie starke Schmerzen. Sie jammerte und flehte, trat mit einem Bein immer wieder gegen die Wand.
„Es tut so weh! Ich verbrenne, ich verbrenne! Helft mir doch, bitte, helft mir!“
Irgendwann hörte sie über ihr Gejammere hinweg, wie sich ihr Schritte näherten, versteifte sich sichtlich und lag dann schlaff, die Augen bis auf einen schmalen Schlitz geschlossen.
„Hey? Was ist mit dir?“ Der Wächter zögerte, tippte ihren Körper dann vorsichtig mit dem Fuß an. Vashtu gab nach, rollte sich auf den Rücken und tat noch immer, als habe sie das Bewußtsein verloren.
„Hey, was hast du? Hey!“ Der Mann beugte sich zu ihr hinunter.
Blitzschnell reagierte sie, schwang ihre Beine um seinen Hals und hebelte ihn ganz zu Boden. Mit einem dumpfen Laut verlor er das Gleichgewicht und schlug hin.
Sie richtete sich auf, als er gerade röchelnd seine Waffe ziehen wollte, griff zu und begann, mit ihm zu ringen. Er wehrte sich heldenhaft gegen ihren Zugriff, doch irgendwann hörte sie, wie die Knochen in seiner Hand durch ihren festen Griff brachen. Er verdrehte die Augen und wimmerte, so gut er konnte.
Mit der Rechten schlug sie zu, um ihn endlich loslassen zu können. So verkeilt, wie sie beide jetzt am Boden lagen, konnte jeder, der jetzt den Raum betrat, sie viel zu schnell wieder betäuben.
Der Wächter grunzte, versuchte sich wieder loszuwinden. Vashtu verstärkte den Druck ihrer Schenkel auf seinen Hals, packte sein Haar und riß seinen Kopf herum. Mit einem häßlichen Knacken brach sein Genick. Er zuckte noch ein paar Mal, dann lag er still.
Sie holte tief Atem, machte sich von ihm los und richtete sich wieder auf.
Normalerweise tötete sie nicht gern, aber dies schien ihre einzige Chance gewesen zu sein, relativ lautlos und schnell hier herauszukommen.
Vashtu beugte sich über den Leichnam und tastete ihn vorsichtig ab, auf der Suche nach etwas brauchbarerem als der Automatik, die sie ihm entwunden hatte. Und tatsächlich fand sie einen kleinen Schlüssel, der in das Schloß der Handschelle paßte. Aber ansonsten war das Ergebnis mager.
Zumindest hatte sie jetzt eine Waffe.
Vorsichtig schlich sie zu der geöffneten Tür und warf kurze Blicke nach draußen. Der Gang war zu beiden Seiten leer, aber schwer einsehbar durch zahlreiche abzweigende Flure.
Sie biß sich auf die Lippen, schlich nach draußen und schloß bedächtig leise die Tür hinter sich.

***

„Ist Storm sich sicher, daß es der Trust ist?“ General Jack O'Neills Stimme klang besorgt durch das Telefon.
„So sicher wir sein können. Das Apartment von Miss Uruhk ist verwüstet, ihre Waffe wurde fast zwei Meilen entfernt gefunden und es gibt viele Brandspuren von Goa'uld-Waffen. Von ihr dagegen fehlt jede Spur“, antwortete Landry. „Storm sucht Verbindungen und mögliche Informanten, die sie verraten haben könnten.“
„Das ist übel.“ O'Neill seufzte.
„Ich habe von Anfang an gesagt, es ist eine schlechte Idee, sie aus Chayenne-Mountain herauszulassen“, warf Landry ein. „Wir kennen alle die Gefahr durch den Trust.“
„Ich glaube nicht, daß sie jedem auf die Nase bindet, wer und was sie ist“, entgegnete O'Neill. „Und darum hatte ich auch keine Einwände. Aber warum haben Sie sie nicht unauffällig beschatten lassen?“
„Diese Antikerin zu beschatten ist, als jage man einen Geist. Sie hat sämtliche Verfolger abgehängt bisher.“
„Nur dieses Mal nicht ...“ O'Neill klang nachdenklich. „Hat sie überhaupt jemand über den Trust aufgeklärt? Wußte sie von der Gefahr, in der sie schwebt?“
Landry zögerte. „Ich ... ich weiß es nicht genau. Zumindest ich habe es sie nicht gesagt“, gestand er dann.
O'Neill seufzte. „Okay, ich komme, so schnell ich kann“, entschied er dann. „Tut alles, was ihr könnt. Wir können nicht riskieren, sie zu verlieren.“
Landry legte wenig begeistert auf. Aber er mußte O'Neill recht geben. Sie mußten die Antikerin wieder zurückholen, so schnell wie möglich. Der Trust war nicht dafür bekannt, mit seinen Gefangenen sehr human umzugehen.

***

Wallace beobachtete wenig begeistert, wie Babbis den Laptop vor ihm aufbaute und einschaltete. „Aber ...“ Er verstummte und ließ die Schultern sinken. Das schnurlose Telefon wurde neben den Rechner gelegt.
„Kein Aber!“ Babbis richtete sich wieder auf und nickte Dorn zu, der bereits an der Tür stand und wartete. „Du wirst mittels des Rechners herausfinden, was du kannst. Dorn und ich sind das aktive Team und lassen uns von dir zu den Adressen schicken. Irgendwo werden wir schon fündig werden. Dann informieren wir das SGC und warten auf die Kavallerie. Ist doch ganz einfach.“
„Aber wenn ich mich in die Daten des Trusts einhacke, könnten sie das zurückverfolgen und ... und ...“
„Das Risiko gehe ich ein. Und vergiß nicht, das hier ist meine Wohnung, nicht deine. Du bist aus dem Schneider.“ Babbis ließ dabei aus, daß er sowieso in einigen Tagen umziehen würde. Und wenn er sich an das SG-Center wandte, würde er vielleicht in den nächsten Wochen einen Schutz bekommen, sollte der Trust herausfinden, daß es sein Rechner gewesen war, der sich in ihre Dateien eingehackt hatte.
Wallace schluckte hart. „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“
„Du hast dich ins Pentagon eingehackt, schon vergessen, wie du mir das erzählt hast?“ Babbis schüttelte den Kopf, beugte sich dann wieder über sein Teammitglied. „Weißt du eigentlich, daß wir bisher immer noch als die Weicheier im ganzen SGC gelten? Als Feiglinge? Weißt du, was man über uns sagt?“
Wallaces Wangen wurden dunkelrot, verschämt wich er dem Blick des anderen aus. „Das ist doch egal. Wir machen unsere Arbeit.“
„Aber nicht gut genug!“ Babbis richtete sich wieder auf. „Wenn wir ein Team sein wollen, müssen wir auch füreinander eintreten. Und das heißt, wir müssen zusammenhalten. Das tun wir aber bisher nicht. Wir lassen uns von Dorn und Uruhk beschützen. Und ich möchte irgendwann einmal als Wissenschaftler anerkannt werden, der für seine Sache einsteht.“
Wallace nagte an seiner Unterlippe. „Sie ist manchmal wie Lt. Colonel Sheppard“, murmelte er.
Babbis nickte. Auch ihm war das nicht entgangen, im Gegenteil, er hielt es ihr regelmäßig vor. Aber dennoch war auch der Lt. Colonel damals für sie eingetreten und hatte sie beschützt. Er hatte geholfen, so gut er konnte. Und die Antikerin war ebenso.
„Weißt du noch, auf R3Y-775? Als du dieses außerirdische Gerät gefunden hast?“ fragte er.
Wallace sah auf und nickte. „Der Planetenkiller, ja.“
Das war ihre zweite Mission gewesen, und Uruhk hatte Wallace nicht nur das Leben gerettet, sie hatte die Fehlfunktion der Maschine, die Wallace zu verdanken gewesen war, auf ihre Kappe genommen. Beinahe wäre sie nach Antartica versetzt worden, auf nimmer Wiedersehen.
„Oh.“ Wallace senkte den Kopf.
„Du bist ein Ass am Rechner“, sagte Babbis nun. „Du hast da einiges auf dem Kasten, was wir anderen nicht können. Ich verlange ja nicht von dir, mit Dorn und mir da raus zu gehen, James. Wir übernehmen den gefährlichen Part. Du sitzt hier und kontaktierst uns, wenn du etwas findest. Wir sehen uns dort unauffällig um und geben die Informationen an das SGC weiter. Keiner wird verletzt und wir haben geholfen, unserem Leader das Leben zu retten.“
Wallace starrte auf den Bildschirm.
„Du brauchst ja nicht einmal die Nummern zu wählen. Ich habe sie in der Kurzwahl“, fuhr Babbis fort. „Alles, was du tun mußt, ist, zwei Tasten zu drücken, die 1 für mich oder die 2 für Dorn. Du gibst uns die Infos und wir sehen nach. Kein Problem. Und niemand verlangt von dir, daß du dich zu tief in die Daten des Trusts einhacken mußt. Die werden doch wohl irgendwo ein Adressenverzeichnis im Internet stehen haben. Du suchst die, die uns am nächsten sind, heraus und wir überprüfen sie.“
Wallace saß immer noch stirnrunzelnd da.
Babbis seufzte. „Hast du eine Ahnung, was mit uns geschehen wird, wenn Miss Uruhk vom Trust irgendwie ... verletzt wird? Denkst du denn wirklich, wir würden noch jemals eine Chance erhalten, durch das Gate zu gehen?“
Wallace zuckte mit den Schultern. „Man wird uns einen neuen Leader geben“, murmelte er.
„Wird man nicht. SG-27 wurde nur neu aktiviert, damit Miss Uruhk den Umgang mit den Menschen lernt. Fällt sie aus, werden wir wieder in den Innendienst versetzt, landen in AREA 51 oder sonstwo. Nie wieder werden wir einen Fuß auf einen anderen Planeten setzen dürfen, glaube mir.“
Dorn an der Tür blickte auf bei diesen Worten und runzelte schweigend die Stirn.
Babbis richtete sich auf und nickte. „Es ist so. Ich habe es läuten gehört. General Landry wollte uns von Anfang an nicht dabei haben. Doch Miss Uruhk ist zu wichtig für das SGC, sie können sie nicht einfach laufen lassen.“
Dorn wandte sich ab.
„Wir sind doch keine Pausenclowns“, murmelte Wallace.
„Aber als genau das werden wir im SGC angesehen, James. Und aus genau diesem Grund müssen wir jetzt etwas tun, um zu beweisen, daß wir ein Team sind. Wenn wir helfen, Miss Uruhk zu befreien, wird man uns ernst nehmen, man wird SG-27 ernst nehmen und uns nicht immer nur auf unwichtige Planeten schicken. Und das ist es doch wert, oder?“
Widerstrebend nickte Wallace endlich.
Babbis seufzte erleichtert, griff nach seiner Jacke und folgte Dorn nach draußen.

***

Vorsichtig schlich Vashtu über den Gang, prüfte kurz alle Türen, die sie fand. Irgendwo mußte es hier doch eine Treppe oder einen Aufzug geben, irgendwo ein Fenster.
Sie hörte Schritte in einem der anderen Quergänge und suchte sich eine Deckung. Die Automatik klickte leise, als sie sie entsicherte. Vashtu hielt den Atem an, sah dann den Mann im schwarzen Anzug, wie er an ihr vorbeiging, ohne sie zu bemerken. Dann wartete sie, bis sie sicher sein konnte, daß er wirklich keinen Alarm schlug und atmete erleichtert aus.
Vorsichtig lugte sie um die Ecke, inspizierte wieder aufmerksam den Hauptflur und schlich schließlich weiter.
Aus der Richtung, aus der der Anzugträger gekommen war, waren ihr schon mehrere entgegengekommen. Gut möglich, daß sie dort irgendwo einen Ausgang fand. Sie hielt sich schon viel zu lange auf den Gängen auf für ihren Geschmack. Es war nur eine Frage der Zeit, bis man ihre Flucht bemerken würde und dann hinter ihr herjagte. Und sie wollte dann schon nicht mehr auf diesem Stockwerk sein.
Sie schlüpfte in den Seitengang und schlich vorsichtig weiter.
Vor ihr tauchte ein helles Rechteck auf, durch das sie auf einen wolkenverhangenen Himmel sehen konnte. Ein Fenster, endlich!
Vashtu beschleunigte ihre Schritte und hielt darauf zu, dann fiel ihr die Metalltür auf. Ein Aufzug, direkt neben dem Fenster.
Na toll. Da hatte sie ja noch so lange hier herumstreifen können.
Vorsichtig trat sie an das Fenster und sah nach draußen. Ihr Mut sank.
Offensichtlich befand sie sich in dem neu errichteten Bürogebäude im Industriegebiet, in einem der oberen Stockwerke, wie sie bereits vermutet hatte. Und das war definitiv zu hoch, um das Fenster wie auch immer zu öffnen - sie fand keine Griffe - und hinauszuspringen. Sie würde sich nur alle Knochen im Leibe brechen.
Also der Lift.
Sie drehte sich um und wollte den Türöffner aktivieren, als eine bläuliche Energieentladung direkt neben ihr in das Fenster einschlug.
Vashtu duckte sich und ruckte den Oberkörper herum. Die Waffe heben und schießen war eins. Sie nahm sich kaum die Zeit zu zielen und konnte einfach nur das beste hoffen.
Wieder ein Schuß aus der Schlangenwaffe, wieder beantwortete sie diesen mit einer Kugel, und dieses Mal erntete sie zumindest einen Schmerzensschrei als Belohnung. Sie warf sich nach oben und preßte ihre ganze Handfläche auf den Türöffner, der daraufhin ein schrilles Piepsen von sich gab.
Nein!
Sie wich zurück und starrte auf das kleine Display. „Keine Autorisation“ blinkte ihr entgegen. Diese Kerle hatten den Aufzug tatsächlich irgendwie verschlossen.
In ihrer Muttersprache fluchend warf sie sich gegen die nächstbeste Tür, als sie wieder Schritte hörte, und taumelte in ein helles Treppenhaus hinein. Von ihrem Schwung noch mitgerissen, hastete sie die ersten Metallstufen hinunter, die laut gegen sie protestierten, dann fand sie in ihre Geschwindigkeit zurück und rannte weiter.

***

„Das ist es.“ Dorn nickte zu dem noch im Bau befindlichen Gebäude hinüber.
„Bist du sicher, daß es wirklich diese Adresse ist?“ fragte Babbis skeptisch in den Hörer.
Nur in schlechten Krimis wurden Menschen in so einem Haus festgehalten, aber doch nicht im richtigen Leben.
Dorn kramte sein Handy heraus und gab mit stoischer Ruhe eine Nummer ein.
„Es ist das einzige, was ich in der näheren Umgebung habe finden können. Denkst du denn, sie werden sie weit fort gebracht haben?“ Wallaces Stimme am anderen Ende der Leitung klang unsicher.
Babbis musterte wieder den Rohbau. Er wußte nicht so recht weiter.
„Colonel? Ja. Ja“, hörte er Dorn in sein Handy sprechen, wirbelte herum.
„Wir wissen doch noch gar nicht sicher, ob sie hier ist“, zischte er dem Marine zu.
Der nickte nach oben. „Sie ist hier. Am Fenster.“ Dann wandte er sich wieder seinem Handy zu.
Babbis blickte hoch und sah einen blauen Blitz, der eines der Fenster an der Westseite des Gebäudes kurz beleuchtete. Unvermittelt ließ er sein Handy fallen. Wallaces unsichere Stimme hatte gerade zu einer Erklärung angesetzt, brach unvermittelt ab, als das kleine Gerät auf dem Asphalt zerschellte.

***

Vashtu raste die Treppen hinunter, hörte hinter sich Geschrei und Gepolter. Ab und an zischte ein Energieblitz an ihr vorbei und fraß sich in das Metall von Treppe oder Geländer.
Sie hastete weiter, nahm sich kurz die Zeit, auf jedem Stockwerk an der Tür zu rütteln, doch auch diese waren verschlossen.
Die Männer kamen immer näher.
Blind schoß sie einige Kugeln in die Luft, raste weiter. Nur runter, so schnell wie möglich. Die Türen waren nicht wirklich stabil, sie konnte sie relativ leicht durchbrechen, wie sie im oberen Stockwerk bemerkt hatte.
Wieder einige kurze Schüsse, bis die Automatik plötzlich nur noch klickte.
Fluchend warf sie sich herum und sprang auf die nächsttiefere Treppe, raste weiter. Die Automatik blieb irgendwo hinter ihr zurück.
Das Ende des Treppenhauses näherte sich. Eine letzte Tür, danach nichts mehr.
B-2 stand an die Wand gemalt.
Sie war zu weit gelaufen!
Die Schritte kamen unweigerlich immer näher.
Vashtu setzte zu einem kurzen Spurt an, rammte ihre Schulter in die Tür und stolperte in eine Tiefgarage.

***

Dorn zog Babbis von der Straße auf den Fußgängerweg, lehnte sich dann bequem an eine Laternenstange.
„Wie können Sie so ruhig bleiben?“ Babbis fühlte plötzlich, wie die Angst ihn einholte.
„Verstärkung ist unterwegs.“ Dorn ließ das Bürogebäude nicht aus den Augen. „Die Jungs sind schnell.“
Babbis schluckte.
Irgendwie war ihm in den Sinn gekommen, daß sie sich hier in Gefahr befanden. Bisher hatte er das nicht wirklich realisiert. Eher war es ihm wie seine Pflicht vorgekommen, der Antikerin zu helfen. Außerdem ging es da auch um verletzten Stolz, wie er sich selbst eingestehen mußte. Sie hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet, und sie hatte ihm mehr als einmal zu verstehen gegeben, was sie von ihm hielt. Und das ärgerte ihn einfach nur maßlos.
Aber jetzt?
Da, ihnen gegenüber, in einem Rohbau, saßen die Agenten des Trusts. Gefährliche Männer, die über Spezialausbildungen verfügten und sich über seine lächerlichen Versuche nur halbtot lachen würden.
Dorn hob den Kopf. „Schüsse.“ kommentierte er.
Babbis horchte auf. Ja, da war etwas, doch es verstummte recht schnell. War es die Antikerin, die sich ihres Lebens erwehrte? Wurde sie bereits gefoltert oder ihr gar ein Goa'uld eingepflanzt?
Er schluckte.

***

Vashtu hetzte weiter, direkt in eine Faust hinein, wurde zurückgerissen und verlor das Gleichgewicht. Die fremden Zellen in ihrem Genom reagierten sofort auf die Gefahr und gaben ihr mehr Kraft und Widerstandsfähigkeit.
Kraftvoll trat sie zu und riß ihrem Angreifer die Beine unter dem Körper weg, ehe der, wie er wohl geplant hatte, eine Waffe ziehen konnte. Dann sprang sie auf und trat noch einmal kraftvoll zu.
Doch der Fremde war gewappnet, riß nun ihr Bein unsanft in die Höhe und hebelte sie wieder aus. Erneut krachte sie hart auf den Betonboden, wirbelte aber sofort herum und stürzte sich auf ihn.
Ihre Augen veränderten sich plötzlich, die Pupillen wurden riesengroß und vertikal geschlitzt. Die Iratus-Käfer-Zellen hatten das Kommando übernommen.
Vashtu ließ ihre Faust in das Gesicht des Mannes krachen, achtete gar nicht darauf, daß sie sich vielleicht dabei verletzte. Der schien gut trainiert zu sein, er steckte den Schlag weg, riß an ihrer Jacke, um sie irgendwie von seinem Körper zu holen.
Vashtu jagte ihre Rechte hinterher, schmetterte noch einmal die Linke an sein Kinn, ehe er endlich bewußtlos liegenblieb. Blut sickerte aus Mund und Nase.
„Wo ist sie?“
Mit einem Ruck kam die Antikerin wieder auf die Beine und verbarg sich hinter einem Betonpfeiler. Vorsichtig lugte sie um die Ecke, sah einen anderen Mann, der die Tiefgarage wohl gerade durch den Lift betreten hatte. Sie erschauderte, als sie seine leuchtenden Augen sah.
Ein Goa'uld!
Zwei andere in dunklen Anzügen traten an ihn heran und berichteten leise.
Sie mußte hier weg, und das schnell!
Vashtu preßte sich gegen die Säule und sah sich um. Da fiel ihr Blick auf das schwere Motorrad, das nicht weit entfernt von ihr stand.
„Fangt sie wieder ein, sie darf auf keinen Fall dieses Gebäude verlassen!“

***

Wallace klickte sich durch einige Informationen, die er zufällig geöffnet hatte. Da blieb sein Blick an einem Namen hängen.
Keuchend holte er Atem und setzte sich aufrecht hin.
„Oh nein!“
Seine Hand zitterte, als er zu dem schnurlosen Telefon griff und die Nummer des SGC wählte.
Er ließ dem anderen Teilnehmer keine Zeit, sich auch nur richtig zu identifizieren, sondern sprudelte schon heraus: „Sir, ich weiß, wer für die Entführung von Miss Uruhk verantwortlich ist.“

***

Vorsichtig schob sie die Maschine vom Bock runter und setzte sich rittlings darauf.
Wie startete man diese Dinger?
Vashtu war verwirrt, als ihr plötzlich ein Schlüssel in die Hand fiel. Dann erinnerte sie sich daran, wie Marnie einen Schlüssel in das Zündschloß ihres Wagens gesteckt und dann herumgedreht hatte.
So mußte das wohl auch hiermit funktionieren.
Sie fand einen Schlitz zwischen den Anzeigen und steckte den Schlüssel hinein.
„Und jetzt sei brav und fahr los“, wisperte sie der Maschine zu und drehte den Schlüssel.
Der Motor stotterte, doch dann begriff sie, wie sie Gas geben mußte und benutzte die Schaltung. Es klappte tatsächlich.
Vashtu fuhr los.

***

Zwei Fahrzeuge hielten am Straßenrand und einige Männer in militärischer Uniform sprangen hinten herunter, Skimasken über den Gesichtern und schwere Sturmgewehre in den Händen.
Babbis fühlte, wie seine Beine schwach wurden. Haltsuchend stützte er sich mit einer Hand an der Laterne ab
Ein Militärpolizist stieg vorn aus einem Wagen und kam zu ihm und Dorn, der immer noch lässig an der Stange lehnte.
„Gute Arbeit, George“, sagte er.
Dorn nickte nur. „Schüsse waren zu hören und wenigstens eine Entladung von einem Zak'Ni'Tel. Scheint eine Menge los zu sein in der Hütte“, brummte er, dann richtete er sich auf, zog seine Dienstwaffe aus einem Holster unter seiner Jacke hervor und trat auf die Straße, wo bereits die anderen Aufstellung genommen hatten.
Der MP sah Babbis einen Moment lang an, dann nickte er anerkennend. „Gute Arbeit. Ihr Team-Leader wird stolz auf Sie sein.“ Er grüßte.
Babbis starrte ihn mit blassem Gesicht an, dann verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. Auch er zog seine Waffe und trat an Storm vorbei, um neben Dorn Aufstellung zu nehmen.

***

Die Maschine fauchte wie eine riesige Katze und lag hervorragend unter ihr. Vashtu war beeindruckt. Der Fahrtwind zerrte an ihrem kurzen Haar, und beinahe hätte sie vergessen können, daß sie sich hier in Gefahr befand. Wenn da nur nicht die zunächst vereinzelten Energieschüsse gewesen wären, die immer wieder in ihre Richtung zuckten.
Sie beschleunigte, beugte sich tiefer über den Lenker und legte sich in die Kurve.
So eine Maschine brauchte sie auch! Das hatte ja was vom Fliegen!
Dann aber nahmen die Schüsse auf sie zu. Immer wieder mußte sie ausweichen, und der Ernst der Lage kam ihr schlagartig wieder zu Bewußtsein.
Sie beschleunigte stärker, spürte, wie der Motor unter ihr aufheulte, tippte mit dem Fuß auf die Kupplung und schaltete in den nächsten Gang. Einfacher als sie gedacht hatte.
Vor ihr tauchte einer dieser Männer im Anzug auf, stellte sich ihr in den Weg. Doch wenn er geglaubt hatte, sie würde ausweichen, hatte er sich gründlich getäuscht. Sie beschleunigte noch weiter, hielt direkt auf ihn zu.
Im letzten Moment brachte der Fremde sich in Sicherheit.
„Schließt das Rolltor! Schnell!“
Sie erschrak. Offensichtlich hatten ihre Entführer irgendeinen Ausgang übersehen. Einen Ausgang, den sie benutzen konnte, solange er noch offen war.
Sie gab mehr Gas, raste über eine Rampe in das obere Kellergeschoß. Da sah sie auch schon Licht aufblitzen.
Mit Projektil- und den Goa'uld-Waffen wurde mittlerweile auf sie geschossen. Immer wieder mußte sie ihr Gewicht verlagern, was ihrer wilden Fahrt auf dem Motorrad nicht mehr sehr viel Freude verlieh.
Licht, Tageslicht!
Sie raste darauf zu. Doch sie sah auch, wie sich ein gewaltiger Schatten langsam über dieses Licht senkte.
Nein, nein, nein!
Sie holte das letzte aus dem Motorrad heraus, machte sich so klein wie möglich. Es würde nicht reichen.
Und doch reichte es.
Sie verriß die Maschine und schleuderte zur Seite, verlor das Gleichgewicht und brachte gerade noch ihr Bein unter dem schweren Motor hervor, dann rutschten beide, Maschine und sie, unter dem schmalen Spalt des mitleidlos hinunterfahrenden Rolltors hinaus auf die Straße. Der Asphalt biß sich durch ihre Hose, ratschte an ihrer Jacke entlang und hinterließ ein häßliches Muster auf dem Leder. Das Motorrad schlug Funken.
Miteinander drehten sie sich ein wenig, dann kamen sie endlich zu liegen.
Vashtu rappelte sich sofort auf die Ellenbogen, starrte zur Garageneinfahrt hinüber, die sich inzwischen vollständig geschlossen hatte. Wenn es möglich war, so trafen ihre Augen auf die des namenlosen Goa'uld, der wütend auf der anderen Seite stand.
Dann registrierte sie endlich die Schatten, die dicht hinter ihr Aufstellung genommen hatten. Blinzend drehte sie den Kopf und sah Dorn und Babbis, die, ihre Handfeuerwaffen im Anschlag, direkt hinter ihr standen und sie zu beschützen suchten, umgeben von gut zwanzig Männern eines Spezialkommandos.
Seufzend fiel sie zurück auf den Asphalt, der ihr im Moment so weich wie die Matratze ihres Bettes erschien.
Frei!

***

„Du hast einen Haufen Glück gehabt!“ Marnie umwickelte ihren Arm. „Mann, wenn ich gewußt hätte, daß diese Typen wahrscheinlich schon da waren und auf deine Rückkehr warteten!“
Vashtu ließ es über sich ergehen, daß man sie verarztete, obwohl das eigentlich nicht weiter nötig war. Die Wraith-Zellen in ihr sorgten dafür, daß leichte und mittlere Verletzungen sehr schnell heilten, solange sie nur genügend Nahrung zu sich nahm. Und selbst Knochenbrüche brauchten einen Bruchteil der Zeit, die ein Mensch benötigt hätte, um wieder auf die Beine zu kommen.
Die ersten Schrammen waren sogar schon verheilt, ehe sie überhaupt im SGC angekommen war. Jetzt ging es nur noch um die etwas tieferen Wunden.
„Ich werde mich auf jeden Fall in Zukunft noch weiter von diesen Schlangenwaffen entfernt halten“, knurrte Vashtu. „Sie mögen ja sehr praktisch sein, aber wenn man von ihnen ins Reich der Träume befördert wird, ist es nicht sehr angenehm, wieder aufzuwachen.“
„Daran gewöhnt man sich mit der Zeit“, sagte eine andere Stimme.
Vashtu fuhr hoch und drehte sich um. General O'Neill stand an ihrer Liege, nickte Marnie kurz zu, die beinahe fluchtartig den Rückzug antrat.
„General!“ Vashtu schluckte. „Tut mir leid, Sir.“
O'Neill neigte den Kopf verständnislos zur Seite. „Wie bitte?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Diese ganze Sache, Sir. Daß ich mich habe entführen lassen.“
O'Neill nickte verständnisvoll. „Dafür konnten Sie nichts, Miss Uruhk. Man hätte Sie vor dem Trust warnen sollen. Also liegt die Schuld wohl eher auf unserer Seite.“
Sie lächelte unsicher, schwieg jetzt aber.
O'Neill sah sie von oben bis unten an. „Aber, wie ich gehört habe, war unser ganzer Aufwand wohl überflüssig. Schließlich war es Ihr Team, daß Sie gefunden hat, und Sie selbst, die sich befreien konnten.“
„Mit viel Glück, Sir“, sagte sie. „Ich denke, der Trust hat sich täuschen lassen.“
O'Neill rückte sich einen Stuhl näher und setzte sich. „Und das war gut so.“ Er grinste spitzbübisch. „Das nächste Mal allerdings wird die Sache wohl anders liegen.“
„Das nächste Mal?“ Vashtu hob die Brauen.
O'Neill spielte mit seiner Mütze. „Wie es aussieht, hatten wir eine undichte Stelle hier in Chayenne-Mountain, Miss Uruhk. Darum ist der Trust auf Sie aufmerksam geworden. Aber jetzt weiß er, daß es eine überlebende und ziemlich gewitzte Antikerin gibt. Wir wissen nicht genau, was der Trust möglicherweise an Waffen von Ihrem Volk erbeutet hat.“
Vashtu runzelte die Stirn.
Daran hatte sie gar nicht gedacht.
„General Landry meinte, ich solle Sie auf das Risiko hinweisen, noch einmal vom Trust entführt zu werden. Und das nächste Mal werden sie wohl besser vorbereitet auf Sie sein“, er stockte, sah sie an. Dann schmunzelte er wieder. „Wenn Sie mich fragen, die Gefahr besteht tatsächlich. Aber ich denke nicht, daß das bedeutet, Sie müßten sich hier verstecken.“
„Was ich auch nicht tun würde, Sir, bei allem Respekt. Ich möchte in mein Apartment, ein heißes Bad nehmen und dann ins Bett.“
O'Neill nickte. „Das dürfen Sie auch, keine Bange. Aber möglicherweise sollten Sie über einen Wohnungswechsel nachdenken.“
„Oder eher nicht. Der Trust wird erwarten, daß ich die Flucht ergreife. Mich noch einmal an der gleichen Stelle zu finden halten sie, glaube ich, für eher unwahrscheinlich“, entgegnete sie bestimmt.
„Gut überlegt.“ Er beugte sich vor. „Kommen wir zu etwas anderem, Miss Uruhk.“
Sie nickte beklommen und wartete.
„Ich muß sagen, nach allem, was ich bisher gehört habe, war ich nicht sonderlich angetan von dem, was Ihr Team leistete. Ehrlich gesagt, ich war versucht, Ihnen die Leitung eines anderen SG-Teams zu überlassen, mit General Landrys Einverständnis versteht sich. Aber was Ihre Männer heute geleistet haben ... Sie sind auf dem richtigen Weg, Miss Uruhk, und Sie haben mich beeindruckt mit diesem Teamwork.“
Sie lächelte. „Danke, Sir, auch im Namen meines Teams.“
O'Neill setzte sich wieder auf. „Sie haben mir vom ersten Moment an gefallen, Miss Uruhk. Vielleicht ...“ Wieder zögerte er, dann setzte er seine Mütze auf und erhob sich. „Sie erinnern mich an jemanden, Miss Uruhk. An einen jungen Piloten, der mich einmal von MacMurdo nach Antaktica geflogen hat. Ich gab ihm eine Chance und er hat sie genutzt, wenn vielleicht auch nicht immer ganz nach Vorschrift.“
Vashtus Lächeln wurde breiter. Ein bißchen Stolz schwang in ihrer Brust mit und sie richtete sich unwillkürlich auf.
„Ich denke, wir beide wissen, von wem ich spreche, nicht wahr?“ O'Neill zwinkerte. „Dann sollten Sie diesen Eindruck bei mir weiter festigen, Miss Uruhk. Ich habe veranlaßt, daß Sie in zwei Tagen mit einem Team zur Daedalos fliegen. Wenn ich mich nicht täusche, werden Sie sicher sehr gut mit einem F-302 zurechtkommen. Und gute Piloten brauchen wir mindestens so sehr wie jemanden, der den Stuhl auf Antarktica steuern kann.“
„Sir?“
O'Neill, der sich bereits umgedreht hatte und gehen wollte, sah sie wieder an.
Vashtu fuhr sich mit der Hand durch ihr Haar. „Wer war die undichte Stelle, Sir?“
„Dr. Delaney aus der Abteilung für Antikerfundstücke. Dr. Jackson ist bereits bei einer Inventur unserer Bestände, um sicherzustellen, daß nichts entwendet wurde.“
Vashtu nickte nachdenklich.
O'Neill drehte sich wieder um und wollte gehen, als er wieder diesen schüchternen Ruf hinter sich hörte und erneut stehenblieb.
„Nennen Sie mich einfach Vashtu, Sir“, sagte die Antikerin mit einem schüchternen Lächeln. „Und ich danke Ihnen sehr für das Vertrauen, daß Sie in mich setzen.“
O'Neill nickte, dann griff er plötzlich in seine Hosentasche und beförderte einen Schlüssel daraus hervor, den er ihr zuwarf. „Übertreiben Sie es nur nicht, Vashtu.“
Die Antikerin fing den Schlüssel geschickt auf und starrte dann ungläubig auf das, was da in ihrer Handfläche lag. Es war ein Motorradschlüssel.
Highnoon in Kansas by Hyndara71
Author's Note: Da einige sich ja sooo gern feiern lassen. Die Idee zu dieser Fanfic stammt nicht von mir, sondern von einer hier aktiven Userin *ganz schnell Hände waschen geht und anschließend Tastatur desinfiziert*. Danksagungen also bitte an sie.

Vashtu Uruhk bremste die Maschine ab und setzte einen Fuß auf den Boden, um sich abstützen zu können. Stirnrunzelnd drehte sie sich halb um und beobachtete den feisten Mann in beiger Uniform und einem Cowboyhut, wie er, die Hose hochziehend, auf sie zukam.
War das auch ein Polizist?
Sicher war sie sich nicht. Sie war extra vom Highway abgefahren, weil sie ihre Ruhe vor der Patrol haben wollte. Daß ihr hier auch jemand über den Weg laufen könnte, mitten in der amerikanischen Pampa, damit hatte sie nicht gerechnet.
„So, mein Freundchen. Was hast du dir denn dabei gedacht?“ Der Dicke hatte sich vor ihr aufgebaut. Seine spiegelnden Brillengläser warfen ihr Gesicht zurück: Schmal, verstaubt, ebenfalls mit einer dicken Sonnenbrille auf der Nase. Das schwarze Haar war restlos zerzaust, die Fliegerjacke hatte sie bis zum Kragen geschlossen, da es ihr vorher auf dem Motorrad zu kalt geworden war.
Sie zog die Nase hoch und schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich verstehe nicht ...“ murmelte sie ratlos.
Hatte sie irgendetwas übersehen?
Der Dicke stemmte die Hände in die breiten Hüften und funkelte sie an. „Warum heizt du hier auf meinem Land mit so einem Affentempo herum, Bübchen? Hast du das Schild nicht gesehen?“
Vashtu runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern.
Ein Schild?
„Äh ... ich glaube nicht.“ Sie schüttelte etwas hilflos den Kopf und rieb sich die juckende Nase.
„Dreißig Meilen in der Stunde, Freundchen, nicht hundertdreißig.“
Upps, das war wohl etwas sehr schnell gewesen, oder?
Vashtu wagte einen bittenden Blick, doch so recht kam der durch die doppelten Sonnenbrillengläser wohl nicht an. „Ist mir gar nicht aufgefallen.“ Mit der Hand strich sie sich durch ihr kurzes Haar, kratzte sich dann hinterm Ohr. „Tut mir leid, Sir. Äh, die Maschine ist noch neu. Ich wollte sie einfach ein bißchen ausfahren.“
„Hast du überhaupt eine Zulassung für dieses Geschoß?“ bellte der stämmige Mann in der Uniform sie an.
Vashtu blinzelte, dann nickte sie. „Ja, einen Moment.“
„Na dann. Zulassung und Führerschein, aber pronto!“ Er hielt ihr die Hand fordernd hin.
Vashtu stutzte, blickte dann wieder in das bärbeißige Gesicht. „Führerschein, Sir?“ Das hätte O'Neill ihr auch ruhig sagen können. Jetzt mußte sie sich etwas einfallen lassen. „Äh, ich fürchte ... ich glaube, den habe ich nicht dabei.“
„Dann reicht erst einmal die Zulassung. Einen Ausweis wirst du Bürschchen doch wohl haben, oder?“
Noch ein Problem, an das sie nicht gedacht hatte. Sie besaß keinen Ausweis, nur eine Legitimationserklärung für ihr Hiersein. Bisher hatte sie sich noch nicht dazu entscheiden können, irgendeine Staatsangehörigkeit anzunehmen.
Seufzend öffnete sie die Jacke und packte den Kragen, um besser an die Innentasche heranzukommen. In diesem Moment hörte sie ein Zischen und den unverwechselbaren Laut einer Waffe, die entsichert wurde. Ihr Kopf ruckte herum und sie starrte in die Mündung eines riesigen Revolvers.
„Was ... ?“
„Runter von dem Motorrad, Freundchen, aber pronto!“ Der Dicke pendelte mit seinem Hintern nervös hin und her.
„Was?“
„Ich sagte, runter von dem Bock, aber schnell!“
Irritiert schüttelte sie den Kopf, klappte mit einem Fuß die Stütze der Maschine gen Boden und parkte das Motorrad. Dann stieg sie betont langsam und ruhig ab, hielt die Hände auf Brusthöhe, wo der Fremde sie auch sehen konnte.
War das jetzt ein Überfall? Was sollte sie tun? Wie sollte sie sich verhalten?
Siedendheiß fiel ihr ein, daß niemand im SGC wußte, wo sie war. Und urplötzlich zuckte wieder ihr letztes Erlebnis mit dem Trust aus ihrer Erinnerung hervor.
Was, wenn sie ihnen jetzt schon zum zweiten Mal in die Falle gelaufen war? Was, wenn ... ?
Würde der Trust wirklich einen solchen Stümper schicken, um sie einzufangen, nachdem sie das letzte Mal eine ganze Wachmannschaft kalt abserviert hatte? Doch wohl eher nicht.
„Rüber an den Wagen!“ befahl der Fremde und winkte mit seinem Revolver.
„Hören Sie, ich habe keine Ahnung ...“
Grob packte er sie an der Schulter und stieß sie vorwärts. „Hände auf die Motorhaube, aber dalli!“
Vashtu schüttelte den Kopf, breitete ihre Arme aus und legte sie auf das sonnenwarme Blech des braunen Geländewagens.
„Beine breit!“ Wenig geschickt trat er ihr gegen die Innenknöchel.
„Autsch! Passen Sie doch auf!“ begehrte sie auf.
„Schnauze, Freundchen. Keinen Ton, klar?“
Er roch nach altem Schweiß, als er sich ihr von hinten näherte.
Vashtu zwang sich, durch den Mund zu atmen und knurrte einen Fluch in ihrer Muttersprache. Der Kerl tatschte sie doch tatsächlich ab! Das gab es doch gar nicht. Noch dazu fing er bei ihren Beinen an, absoluter Quatsch. Wenn sie jemanden auf Waffen durchsuchen würde ...
Oh!
„Hören Sie, ich habe eine Genehmigung für die Beretta“, fiel ihr ein, gerade als der Dicke ihr Hinterteil befühlte. Jetzt reichte es aber langsam!
„Ich sagte, Mund halten!“ befahl der ihr, betastete jetzt ihre Hüften.
Vashtu schüttelte den Kopf, schwieg jetzt aber und kochte langsam im eigenen Saft.
Als seine Hände endlich auf Höhe ihrer Brust angekommen waren, zuckten die suchenden Finger plötzlich zurück, als hätte er sich verbrannt.
Na endlich schien der Kerl ein bißchen Verstand wiederzufinden.
„Du ... du bist ...“
Vashtu drehte sich um und kreuzte demonstrativ ihre Arme vor der Brust. „Ich bin eine Frau, ja. Und ich habe eine Legitimation für die Waffe, die Sie gesehen haben. Ich bin eine Beraterin der Army und würde gern ein paar Tage Urlaub machen. Reicht das jetzt? Ich kann Ihnen auch eine Nummer geben, bei der Sie sich das ganze bestätigen lassen können.“
Der Dicke musterte sie von Kopf bis Fuß, dann wanderte sein Blick wieder nach oben. Sein Gesicht war jetzt gerötet, ob von der, für ihn offensichtlich ungewohnten Anstrengung oder noch aus Scham konnte sie allerdings nicht sagen. Dann schien ein Ruck durch ihn hindurch zu gehen.
„Auf meinem Land trägt keiner eine Waffe, klar? Also her damit. Und auch gleich Ausweis, Führerschein und Fahrzeugpapiere. Den ganzen Batzen.“
„Ich trage die Waffe nicht ohne Grund, und ich werde sie nicht abgeben“, entgegnete sie bestimmt. „Meine Papiere dürfen Sie gern einsehen, aber mehr auch nicht. Ich bin doch eh nur auf der Durchreise.“
„Die Waffe, Mädchen. Und das Motorrad wird ebenfalls konfisziert.“
„Was?“ Vashtu starrte den Fremden entgeistert an. „Warum das denn?“
„Gefährdung des Straßenverkehrs.“
Allmählich wurde sie wirklich wütend. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und funkelte ihren Gegenüber an. „Und wie soll ich, bitte schön, weiterkommen?“
„Auf meinem Land ...“
„Das hier ist eine Straße, eine öffentliche Straße!“ fauchte sie ihn an. „Es ist mir egal, ob das rundherum Ihr Land ist, ich habe nicht vor, hier irgendwo zu campieren. Ich will nur in die nächste größere Stadt!“
„Colby?“ Der Dicke schien zu überlegen, dann schüttelte er den Kopf. „Die Maschine wird konfisziert, ebenso die Waffe. Wie du weiterkommst, bleibt dir überlassen. Und wenn du so weitermachst, Mädchen, wanderst du auch noch in meinen Knast. Sheriff Snider läßt sich von niemandem zum Narren halten.“
Jetzt reichte es ihr endgültig. Wütend trat sie einen Schritt auf ihn zu. „Ich werde die Strafe für zu schnelles Fahren bezahlen und weiterfahren, klar? Es ist mir egal, wer und was Sie sind! Ich will hier nur durchfahren, verdammt!“
„So nicht, Mädel, so nicht. Du bist verhaftet.“ Wieder ein Griff an das Holster.
Vashtu sah ihn nur an, dann drehte sie sich herum und trat mit halber Kraft gegen den vorderen Reifen seines Geländewagens. Die Wraith-Zellen in ihrem Inneren verstärkten den Tritt. Mit einem leisen Zischen entwich die Luft dem gesprengten Hartgummi.
Snider beobachtete mit offenem Mund, wie sein Geländewagen Schlagseite bekam.
Vashtu ließ sich nicht mehr aufhalten. Mit einem Satz saß sie wieder auf ihrem Motorrad und startete. Dann heizte sie, was die Maschine hergab, davon und verschwand zwischen den Maisfeldern.

***

Dr. James Wallace trat in die Küche. „Morgen, Mum“, begrüßte er die leicht übergewichtige Frau am Herd.
„Jimmy, hast du denn auch gut geschlafen?“ Mrs. Mary-Ann Wallace drehte sich herum und lächelte ihren Sohn an.
„Danke, Mum, wie immer. Die Kleinen machen ein bißchen Lärm.“ Wallace ließ sich an dem großen Eßtisch aus Vollholz nieder und rückte sein Besteck zurecht. „Aber schön, daß wieder Leben im Haus ist.“
„Oh, mein Jimmy!“ Mrs. Wallace seufzte und kam mit der Pfanne an den Tisch. „Du siehst schon wieder völlig ausgelaugt aus. Die nehmen dich ganz schön ran in dieser Forschungseinrichtung, oder? Seit dein neuer Chef ...“
„Es ist eine Frau, Mum.“ Wallace goß sich Orangensaft ein und nippte an dem Glas. „Miss Uruhk ist manchmal schon ein bißchen ... Aber sonst eigentlich ganz in Ordnung. Sie erinnert mich nur immer an diesen Lt. Colonel, der vor ihr das Kommando hatte.“
„Mein armer Schatz.“ Mrs. Wallace beugte sich, die Pfanne von sich weghaltend, über ihren schmächtigen Sohn und drückte ihm einen Kuß auf den Scheitel. „Aber eine Frau als Vorgesetzte für dich, das ist sicher nicht leicht. Ich möchte gar nicht wissen, was das wohl für eine ... eine Frau sein mag.“
Wallace runzelte die Stirn und blickte nachdenklich auf seinen Teller hinunter. Irgendwie war ihm plötzlich der Appetit vergangen.
„Iß nur, mein Junge.“ Mrs. Wallace kehrte an den Herd zurück und kümmerte sich um das Rührei.
Der junge Wissenschaftler schob den gebratenen Speck ein bißchen hin und her, bis er sich zwang, zumindest ein Stück davon zu kosten. Dabei fiel sein Blick durch das Fenster auf den Hof.
Sein Vater stand da und unterhielt sich offensichtlich gerade mit einer knabenhaften Gestalt in einer braunen Fliegerjacke und schwarzem strubbeligem Haar. Im Hintergrund stand ein schweres Motorrad aufgebockt.
Wallace wandte sich wieder seinem Frühstück zu. Aber irgendetwas an dieser Szene irritierte ihn.
Vor seinem inneren Auge tauchte wieder diese schlanke Gestalt in der zu groß wirkenden Jacke auf, wie sie sich mit einer Hand durch das kurze, tintenschwarze Haar fuhr. Eine Gestalt, eine Geste, die Jacke!
Wallace verschluckte sich an dem nächsten Schluck Orangensaft und prustete einen Gutteil über den Tisch. Hilflos würgend blickte er wieder auf und bekam große Augen.
Da draußen stand tatsächlich Vashtu Uruhk und unterhielt sich mit seinem Vater!
„Jimmy-Boy, was ist denn?“
Keuchend holte er Luft, hob die Hand und wies aus dem Fenster. „Da ... da ...“ Irgendwie wollte ihm kein einleuchtender Satz einfallen.
Seine Mutter trat ans Fenster und blickte nun ebenfalls hinaus. „Dein Vater will nachher nach den Feldern sehen. Die Erntezeit beginnt“, erklärte sie dabei, als sähe er das das erste Mal. „Nanu, wer ist denn das?“
Am Kopf seiner Mutter vorbei konnte Wallace sehen, wie sein Vater und Miss Uruhk jetzt auf das Haus zukamen.
Was wollte die Antikerin denn hier? Wieso kam sie gerade zu ihm?
Wallace schluckte.

***

„Danke, daß Sie mich kurz telefonieren lassen.“ Vashtu schenkte dem großen, stiernackigem Mann mit der sonnenverbrannten Haut ein Lächeln. „Es wird schon nichts schlimmes mit der Maschine sein.“
„Wenn Sie wollen, meine Frau macht gerade das Frühstück. Einer mehr am Tisch bedeutet nicht viel“, brummte der Riese gutmütig.
„Das ist sehr nett. Äh, haben Sie irgendeine Nummer eines Abschleppdienstes?“
„Im Telefonbuch. Aber trinken Sie doch erst einmal einen Kaffee mit uns. Fremde sehen wir hier selten.“
Vashtu nickte verstehend. Irgendwie konnte sie sich vorstellen, woran das liegen mochte. Eigentlich wäre sie auch gar nicht auf diesem Hof gelandet, wenn nicht ihr Motorrad eine Meile entfernt plötzlich den Geist aufgegeben hätte.
Sie nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie an den Kragen ihres T-Shirts. „Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich trinke keinen Kaffee.“
„Das macht nichts“, entgegnete der Mann, als habe sie ihm gerade die unwichtigste Sache der Welt mitgeteilt. „Wir haben auch gutes Wasser, verschiedene Säfte und Tees. Meine Schwiegertochter Carry-Sue macht da diesen ganzen Ayuveda-Quatsch.“
Vashtu nickte verstehend, ließ sich jetzt doch durch einen langen Flur in eine große Wohnküche geleiten.
„Mary-Ann, wir haben einen Gast. Miss ...“ Der Bär sah sie etwas hilflos an.
Vashtu blickte auf und stutzte. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.
„Miss Uruhk!“ krächzte Wallace.
Sie begann zu kichern. „Das gibt es doch nicht! Wallace? Was tun Sie denn ... ?“ Dann ging es ihr auf und sie sah wieder zu dem Bären hinauf. „Dann müssen Sie Mr. John-Andrew Wallace sein. Sehr erfreut.“ Sie hielt ihm ihre Hand hin.
Der Riese starrte verdattert zwischen ihr und seinem Sohn hin und her, ebenso wie seine Frau.
„Mum, Dad“, quetschte Wallace irgendwie aus seiner Kehle hervor. Seine Stimme klang schrill. „Das ist Miss Uruhk, meine Vorgesetzte im Center.“
Das Farmerehepaar starrte nun einhellig die Antikerin an, die immer noch leise vor sich hinkichernd auf der Türschwelle stand und sich offensichtlich hervorragend amüsierte. „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Mrs. Wallace, Mr. Wallace“, sagte sie schließlich.
Der Riese nickte verdattert, ergriff ihre Hand und schüttelte sie.
Vashtu war angenehm überrascht. Ein fester Händedruck. Aber andererseits ... was hätte sie denn auch anderes erwarten sollen von einem Farmer. John-Andrew Wallace war alles, was sein Sohn nicht war. Breitschultrig, muskulös und voller Kraft.
„Aber ...“ Mrs. Wallace schien sich plötzlich wieder zu fangen. Eilfertig lief sie zum Herd zurück. „Setzen Sie sich doch, Miss Uruhk. Bitte, frühstücken Sie mit.“
„Danke.“ Vashtu ließ sich das jetzt allerdings nicht mehr zweimal sagen. Sie trat an den Tisch und schob sich den Stuhl neben ihrem Teammitglied zurecht. Immer noch breit grinsend ließ sie sich nieder. „Sie genießen also auch das lange Wochenende, wie?“
Wallace drehte sich langsam zu ihr um, mit einer Miene wie ein Kaninchen, das der Schlange gegenübersteht. „Äh, ich ... Die Ernte!“
Vashtu nickte verstehend, zog ihre Jacke aus. „Verstehe, dann ist der Mais also so gut wie reif.“
Mr. Wallace blieb der Mund offen stehen, als er den Griff der Beretta unter ihrer Achsel sah. Vashtu nahm es gar nicht wahr, beugte sich vor und stützte die Unterarme auf den Tisch. Neugierig begann sie sich in der großen Küche umzusehen. „Schön hell hier“, stellte sie dann fest.
„Äh ja.“ Wallace Senior setzte sich jetzt auch, mit einem, unter seinen Sonnenbräune bleichen Gesicht. Immer noch starrte er auf die Gurte des Schulterhalfters.
Vashtu schien den Blick jetzt doch zu registrieren, sah stirnrunzelnd an sich hinunter. „Oh ... äh, denken Sie sich nichts dabei.“ Sie lächelte entschuldigend und richtete sich wieder auf. „Im Moment ist es ... mh, sicherer, wenn ich bewaffnet bin.“
Mr. Wallaces Blick glitt hilflos zu seinem Sohn.
Der schluckte sichtlich. „Ich ... ich trage keine Waffe, Dad. Nur ...“
„Ihr Sohn braucht keine Waffe“, fiel Vashtu ihm in sein Gestammel. „Er ist ein zu heller Kopf, um in Gefahr zu geraten, stimmts?“ Kameradschaftlich stieß sie ihn mit dem Arm an. Dann schälte sie sich auch noch aus dem Schulterhalfter, legte es sich auf den Schoß. „So besser?“
Mr. Wallace starrte sie immer noch an. „Ich wußte, daß James für eine Militärbehörde arbeitet, aber ...“ Er stockte.
Vashtu winkte ab. „Schon gut. Ich bin vor gut einer Woche entführt worden, deshalb riet mir mein Chef, für einige Zeit ständig eine Waffe zu tragen. Aber ich benutze sie nur im absoluten Notfall, glauben Sie mir.“
„Entführt?“ Wieder ein hilfloser Blick zu seinem Sohn.
„Äh, naja ...“
„Halb so schlimm. Eine konkurrierende Einrichtung, wenn Sie so wollen. Es ist nichts passiert.“ Munter beugte Vashtu sich wieder vor. „Ihr Sohn hat sehr schnell meinen Aufenthaltsort herausgefunden und die MP schickte ein Sondereinsatzkommando. Da gab es kaum Schwierigkeiten.“
Dr. Wallace schien vor ihren Augen immer kleiner zu werden, während das Farmerehepaar immer größere Augen bekam und sie mit unverhohlenem Staunen anstarrte.
„Mrs. Wallace? Ich glaube, da brennt gleich etwas an.“ Vashtu lächelte freundlich und wies auf die beiden Pfannen.
Die Angesprochene fuhr entsetzt herum und murmelte immer wieder etwas von Gott.
Vashtu lehnte sich entspannt zurück, betrachtete wieder den Raum, in dem sie sich befand.
„Wir wußten nicht, daß es gefährlich ist, für dieses Center zu arbeiten“, sagte Mr. Wallace.
„Ist es auch nicht. Die meiste Zeit sitzen wir in unseren Laboren und tun, naja, was man halt in der Forschung so tut.“
Ein ungläubiges Nicken des Bären.
„Miss Uruhk“, zischte Wallace ihr zu, „meine Eltern haben nicht die nötige Sicherheitsstufe.“
„Oh!“ Vashtu nickte. „Alles klar. Danke, Wallace.“
In diesem Moment stürmten vier Kinder in unterschiedlichen Altersstufen herein und fielen über den Tisch her.

***

Wallace stand an die Scheune gelehnt da und beobachtete seine Vorgesetzte, die Robert und David, seinen beiden ältesten Neffen, gerade ihr Motorrad zeigte, mit gemischten Gefühlen. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sie gleich nach dem Frühstück wieder abgezogen wäre, andererseits aber wußte er nicht so recht, ob er dem Rest der Menschheit wünschen sollte, mit dieser ... unkonventionellen Antikerin zusammenzustoßen.
Die beiden Kinder, sieben und fünf Jahre alt, starrten die schlanke Frau groß an, während diese ihnen sehr ausführlich irgendetwas erklärte. Nur bitte nicht wieder irgendwelche Einsätze des SG-Teams, betete Wallace im Stillen.
„Ein ganz schön heißer Feger, deine Chefin“, sagte da plötzlich eine Stimme hinter ihm in der Scheunentür.
Wallace zuckte zusammen, als er so plötzlich aus seinen Gedanken gerissen wurde und drehte sich zu seinem älteren Bruder um. „Du weißt nicht, was du redest, Andy“, sagte er düster.
Andrew, der älteste Sohn des Wallace-Clancs, schürzte die Lippen. „Also, ich würde mir von ihr schon gern die eine oder andere Anweisung geben lassen.“
Wallace schüttelte resignierend den Kopf. „Besser nicht. Du weißt nicht, was du dir da wünscht.“
„Bist wohl selbst in sie verschossen, was?“ Andrew stupste ihn kameradschaftlich an.
Wallace zog ein langes Gesicht. „Ganz sicher nicht. Außerdem geht das Gerücht, sie hätte etwas mit einem anderen.“
„Ah!“ Andrew nickte verstehend. „Was ernstes?“
„Keine Ahnung. Wie ich gehört habe, soll es der Lt. Colonel sein, der früher das Team geleitet hat.“
„Aber der ist doch versetzt worden. Wohin nochmal? Atlanta?“
Wallace zog wieder eine Grimasse. „Sozusagen.“
„Dann ist er doch weit vom Schuß.“ Andrew grinste anzüglich. „Halt dich ran, Jimmy, sonst passiert das gleiche wie damals mit Laura-May.“
Wieder verzog der jüngere der Wallace-Brüder das Gesicht. „Lieber nicht. Diese Frau ist ... anders.“
Andrew nickte beeindruckt. „Stimmt. Sie bringt frischen Wind hierher. Muß in deinem Center genauso sein, was? Sie hat wohl des öfteren Zusammenstöße mit ihrem Vorgesetzten, könnte ich mir vorstellen.“
„Kann man so sagen.“
Vashtu setzte den kleinen David in den Sattel des Motorrades und zeigte ihm, wie er den Lenker halten mußte.
„Ist auf jeden Fall kräftiger, als sie aussieht.“ Andrew nickte. „Macht sicher Krafttraining oder was diese Stadtleute so machen.“
Wallace zuckte mit den Schultern. Wenn er eines nicht wußte, dann sicher das. Und er legte auch keinen Wert darauf, es zu wissen. Ihm genügte es zu wissen, was sich wirklich in ihr verbarg.
In diesem Moment wankte Joe-Kevin, der jüngste der Wallace-Brüder, aus dem Maisfeld heraus.
„Verdammte Scheiße!“ Andrew stürzte an seinem jüngeren Bruder vorbei zu dem Nesthäckchen. Wallace zögerte einen Moment, dann rannte er hinterher, als er sah, daß auch Vashtu auf den jungen Mann aufmerksam geworden war.
„Mist, verfluchter!“ Andrew, der als erstes bei Joe-Kevin angekommen war, faßte ihn unter den Achseln, um ihn zu stützen. „Das war doch wieder dieser Walker-Clan, oder? Hast dich wieder mit Jenny getroffen, was?“
„Was ist passiert?“ Vashtu beugte sich besorgt über das zerschlagene Gesicht des jungen Mannes, der sie irritiert anblinzelte.
„Jenny und ich ...“ quetschte er irgendwie hervor.
Vashtu runzelte die Stirn und sah zu ihrem Team-Mitglied hinüber.
„Ich bring dich erst einmal rein, ja? Mum wird das schon richten.“ Andrew lächelte die Antikerin entschuldigend an. „Sorry, Mam. Die Walkers und wir ... wir mögen uns nicht sehr.“
Vashtu nickte und blieb zurück, die Arme vor der Brust gekreuzt und mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck.
„Die Walkers haben die nächste Farm“, beeilte Wallace sich zu erklären. „Seit Jahren gibt es Streitigkeiten wegen der Grenze. Und da kommen mein Bruder und die jüngste Tochter der Walkers natürlich ...“
„Ich verstehe.“ Die Antikerin drehte sich um und musterte die hohen Halme des Maisfeldes. „Wenn der Abschleppwagen kommt, schreiben Sie sich die Adresse auf, Doc. Ich bin kurz weg.“
„Aber ...“
„Ich komme gleich wieder, keine Sorge.“ Sie verschwand im Maisfeld, gerade als einer der Streifenwagen des örtlichen Sheriffbüros auf den Hof fuhr.
Wallace fand sich unversehens zwischen zwei Stühlen wieder. Liebendgern wäre er seiner Chefin nach, einfach um sie vor möglichem Unsinn zu bewahren, andererseits hielt Sheriff Snider geradewegs auf ihn zu.
„Dr. Wallace, ein seltenes Vergnügen, Sie zu sehen. Wie geht es Ihnen?“
Wallace zögerte noch einen Moment, dann drehte er sich zu dem dicklichen Sheriff herum und lächelte nervös. „Guten Tag, Sheriff. Äh, ich habe viel Arbeit.“
Sniders Sonnenbrille nickte zu dem Motorrad, daß die beiden Jungen noch immer staunend umkreisten. „Ihnen ist hier nicht zufällig eine schwarzhaarige Furie über den Weg gelaufen, die das Ding da gefahren hat?“
Wallace starrte den Sheriff groß an. Nein! Nicht das auch noch!
„Äh ...“
Snider musterte die Maschine, trat näher. „Doch, das muß sie sein“, stellte er nach einer Umrundung fest. „Also ist dieses Weib hier irgendwo. Wo?“
„Äh ...“ Wallace glaubte, gleich im Erdboden versinken zu müssen.

***

Vashtu hörte einen Wagen auf den Hof fahren, gerade als sie das Feld betreten und damit nicht mehr sichtbar war. Sie zögerte.
Auf der einen Seite würde sie gern einmal mit diesen Walker-Jungen sprechen, die sich so offensichtlich an ihren Gastgebern vergingen, auf der anderen Seite war sie auch neugierig, wer da jetzt wieder gekommen war. Und ihr Instinkt sagte ihr, sie solle sich besser nicht zeigen.
Also schlich sie so nahe wie möglich zurück an den Rand des Feldes und lugte durch die Halme.
War das nicht ... ?
Vashtu erstarrte.
Oh, Mist! Das war dieser dicke Kerl, der sie heute morgen angehalten und ihr ihre Maschine hatte wegnehmen wollen.
Vashtu preßte die Lippen fest aufeinander und zwang sich, stehenzubleiben, als sie beobachtete, wie der Kerl, hatte er sich nicht Sheriff genannt?, ihr Motorrad umrundete.
Was hatte er vor?
Mit einem Ruck richtete sie sich auf, als der Sheriff beherzt nach dem Lenker griff.
Der würde doch nicht etwa ... ?
Doch, er rollte das Motorrad zu seinem Geländewagen und ließ sich von Wallace helfen, es auf die Ladefläche zu heben.
Vashtu kniff die Lippen fest aufeinander.
Jetzt reichte es aber! Das ging eindeutig zu weit!
Gerade als sie sich entschloß, diesem Sheriff noch einmal, und diesmal sehr gründlich, die Meinung zu sagen, hörte sie ein Rascheln hinter sich und drehte sich um. Da war ein Schatten im Maisfeld.
Einer dieser Walkers?
Vashtu nahm die Verfolgung auf. Die Maschine konnte warten, aber die würde sie sich wieder holen, das stand fest!

***

„Und jetzt gehen wir beide zu deinen Eltern und reden einmal mit ihnen!“ Vashtu hatte den muskulösen jungen Mann am Kragen gepackt und schleifte ihn halb hinter sich her.
Sie hatte ihn im Maisfeld gestellt und leider ein wenig mit ihm ringen müssen, ehe er zugab, zu dem Walkers zu gehören. Sie hatte ihm zwar kein wirkliches Leid zugefügt, doch sie war sich nicht sicher, ob sein glasiger Blick nicht vielleicht auch anders würde ausgelegt werden können. Aber, so dachte sie, man konnte schließlich über alles reden.
Entschlossen marschierte sie weiter, suchte sich ihren Weg durch das Maisfeld.
Wo sollte denn hier irgendwo eine Grenze sein? Sie jedenfalls merkte davon nichts. Und das würde sie diesen Walkers wohl auch klar machen können. Wenn sie so darauf bestanden, konnten sie doch immer noch einen Zaun ziehen.
Rufe klangen vor ihr auf.
Vashtu kniff die Lippen aufeinander. Also hatte sie sich doch nicht geirrt und der Bengel war nicht allein gewesen. Sie meinte, als sie ihn endlich am Kragen hatte, Schritte gehört zu haben, die sich entfernten.
Dann bellte heiser ein Schuß über ihren Kopf, gerade als die Maispflanzen sich zu lichten begannen. Eine heiße Spur zog sich über ihre Wange.
„Autsch!“ Mit der freien Hand wischte sie sich über das Gesicht und sah Blut.
Stirnrunzelnd ging sie in die Hocke und zog den Jungen mit sich.
Der starrte sie entgeistert an, als sie ihm ihre blutige Hand hinhielt.
„Was war denn das?“ fragte sie.
Verstockt wie er war starrte er nur weiter.
Vashtu seufzte und schüttelte ihn wie einen jungen Hund. „Hallo! Ich habe dich was gefragt.“
„Die Schrotflinte meines Vaters. Der wird Sie killen, Miss, ganz sicher.“
Vashtu runzelte die Stirn und blickte wieder auf.
Eine Schrotflinte. Mußte irgendeine Projektilwaffe sein, die sie noch nicht kannte. Aber so große Wunden fügte sie nicht zu, wenn sie den einen blutigen Strich an ihrer Wange bedachte. Aber sicher war sicher.
Vashtu packte den Jungen mit der anderen Hand und zog ihre Beretta. Mit einem Klicken entsicherte sie die Waffe und reckte den Hals.
„Okay“, murmelte sie, „eigentlich wollte ich ja nur mit deinen Eltern sprechen. Aber wenn sie Ärger haben wollen wie du ...“
Trotzig schob der Junge die Unterlippe vor. „Mein Dad wird Sie abknallen wie eine schlachtreife Ente im Herbst.“
„Werden wir sehen. Komm!“ Sie riß ihren Gefangenen hoch und drückte ihn vor sich, ehe sie das Maisfeld verließ.
„Mr. Walker?“ schrie sie über die freie Fläche.
Der Hof sah fast genauso aus wie der der Wallaces: Haupthaus, Scheune, Silo und ein großer Geräteschuppen. Nichts großartiges.
„Runter von meinem Land!“ antwortete eine tiefe Männerstimme.
Vashtu schüttelte den Kopf. „Ich möchte mit Ihnen sprechen, Mr. Walker. Ich bin bei Ihren Nachbarn zu Gast und mußte mitansehen, wie einer der Wallace-Söhne zusammengeschlagen nach Hause kam. Er sagte, es wäre ihre Bande gewesen.“
„Lügner und Landdiebe, dieses Wallace-Pack!“
Vashtu schüttelte seufzend den Kopf. „Nun, Ihr Sohn hat sich definitiv auf dem Land der Wallaces herumgetrieben, als ich ihn fand. Darum dachte ich, ich zeige ihm den Weg nach Hause.“
„Den hätte er auch allein gefunden.“
Vashtu stieß den Jungen noch einen Schritt nach vorn. In diesem Moment knallte wieder ein dumpfer Schuß los und ließ sie unvermittelt den Kopf einziehen.
Donnerwetter, ganz schön laut, diese Schrotflinten!
„Ich denke, man kann über alles in Ruhe reden, Mr. Walker“, rief sie zum Haus. „Wenn Sie Schwierigkeiten mit der Grenze haben, sollten Sie das als guter Farmer doch mit Ihren Nachbarn aushandeln können. Immerhin gibt es in diesem Land Gerichte.“
„Käufliche Schweine, allesamt!“ Jetzt öffnete sich doch eine Tür und ein dunkler Schatten mit einem mächtigen, zweiläufigen Gewehr erschien.
Vashtu seufzte. „Wenn das Ihre Meinung ist.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Hören Sie, sehen Sie mich als Vermittlerin an. Ich bin garantiert nicht käuflich, weder von Ihnen noch von den Wallaces.“
„Aber Sie sind bei denen zu Gast!“ Ein deutliches Klicken, dann wieder ein brüllender Schuß, der sich kurz neben ihr in den Boden grub.
Vashtu war nun doch beeindruckt. Was auch immer sie da vorhin getroffen hatte, allmählich glaubte sie nicht mehr, daß es tatsächlich die Schrotflinte gewesen war. Ein Krater, so groß wie ihr Fuß, hatte sich tief in die Erde gefressen.
„Und jetzt lassen Sie meinen Sohn los und verschwinden von meinem Land, Miss. Sonst mache ich ernst!“
Vashtu blickte auf und überlegte einen Moment, dann stieß sie den Jungen beiseite und hob gleichzeitig die Beretta. „Schlechter Vorschlag!“

***

Als sie einige Stunden später wieder zurückkehrte zur Farm der Familie Wallace, erwartete ihr Team-Mitglied sie bereits an der Scheune und sah sie mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut an.
„Alles erledigt.“ Vashtu klopfte sich den letzten Staub von den Jeans. „Mit den Walkers dürften Sie in Zukunft keine Probleme mehr haben.“
„Was haben Sie angerichtet?“ fragte Wallace mit einem erstaunlichen Mut in seiner Stimme.
Vashtu runzelte die Stirn. „Ihnen ins Gewissen geredet, das habe ich getan“, antwortete sie. „Was denken Sie denn? Ich frage mich eher, was Sie dazu bewogen hat, meine Maschine diesem Typen mitzugeben.“
Wallace riß die Augen auf. „Also haben Sie wirklich ... ? Miss Uruhk! Sie haben den hiesigen Sheriff verärgert, sehr verärgert. Er behauptet, Sie hätten seinen Wagen demoliert.“
„Ich habe ihm einen Reifen zertreten, weil er nicht mit sich reden ließ“, entgegnete sie. „Ich wollte den Strafzettel ja bezahlen, aber er wollte das nicht.“
Wallace holte immer wieder tief Atem, was ihm das Aussehen eines Fisches auf dem Trockenen verlieh. „Miss Uruhk!“ rief er entrüstet aus.
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust und gab sich betont lässig. „Dieser ... dieser Sheriff hat mein Motorrad mit Ihrer Hilfe gestohlen, Doc. Das ist jetzt das zweite Mal, daß Sie nicht teamkonform arbeiten.“
„Ich arbeite nicht teamkonform?“ Wallace starrte sie an. „Das ist ... das ist! Sie haben Sheriff Snider angegriffen! Sie haben sich mit der Staatsmacht in diesem Teil des Landes angelegt! Und ich arbeite nicht teamkonform?“
Vashtu sah ihn irritiert an. „Snider ist die Staatsmacht?“ fragte sie verwirrt.
Wallace nickte. „Ja, ist er! Er ist der gewählte Sheriff für dieses County.“
„Oh ...“ Vashtu runzelte die Stirn und drehte sich wieder um. „Aber eine ziemlich ... äh ... eigenmächtige Staatsmacht, würde ich sagen.“ Sinnend blickte sie zur Straße hinunter.
„Es wird besser sein, Sie rufen das SGC an und melden sich bei General Landry, Miss Uruhk. Vielleicht fällt dem etwas ein.“
„Ich will mein Motorrad wieder zurück!“ Entschlossen kniff sie die Lippen aufeinander.
„Das werden Sie auch wieder zurück bekommen, wenn die Sache geklärt ist. Aber jetzt sollten Sie sich beim SGC melden und dem General sagen, daß Sie in Schwierigkeiten sind. Und dann sollten Sie nach Silent fahren und mit Snider sprechen. Sicher, er wird Sie wahrscheinlich in Gewahrsam nehmen ...“
„Er will mich einsperren? Warum?“ Vashtu schüttelte verständnislos den Kopf.
„Er wird Sie in Gewahrsam nehmen, weil Sie Widerstand geleistet haben, Miss Uruhk. Aber wenn der General Bescheid weiß, wird er Ihnen Hilfe schicken.“
Die Antikerin schüttelte den Kopf und drehte sich wieder zu ihm um. „Ich löse das allein“, entschied sie. „Und diesen Snider werde ich mir auch noch vorknöpfen, darauf können Sie sich verlassen. Er hat mein Motorrad gestohlen! Das Motorrad, das General O'Neill mir gerade erst geschenkt hat!“
„Der Brigade General hat Ihnen ein Motorrad geschenkt?“ Wallace schüttelte den Kopf, als müsse er irgendwelche inneren Bilder verscheuchen. „Miss Uruhk, nehmen Sie doch endlich Vernunft an!“
„Ich bin vernünftig!“ Drohend trat sie einen Schritt näher. „Ich hole mir meine Maschine zurück, lasse sie reparieren und fahre nach Colorado-Springs. Dann rede ich mit Landry und hole mir Unterstützung. Diesem Snider werde ich das Handwerk legen! Er ist ein gemeiner Dieb!“
Wallace seufzte und schüttelte resignierend den Kopf.
„Bringen sie mich in die Stadt?“ Bittend sah sie ihn mit großen Augen an.

***

„Schickes Maschinchen!“ Deputy Hamilton nickte anerkennend und umrundete das Motorrad, das der Sheriff auf dem Parkplatz neben dem Büro abgestellt hatte.
„Noch brandneu. Guck dir mal den Meilenstand an!“ Deputy Williams beäugte das Fahrzeug ebenso staunend wie sein Kollege. „Muß tatsächlich die erste Fahrt gewesen sein, die dieses Flittchen unternommen hat.“
Hamilton nickte wieder. Vorsichtig berührte er die Lenkstange. „Geil!“ sagte er. „Ob wir mal ne Runde mit der Kiste drehen dürfen? Was meinst du, Mike?“
Williams neigte abwägend den Kopf, schüttelte ihn dann bedauernd. „Ich schätze, eher nicht.“
„Würdet ihr beide jetzt endlich reinkommen?“ rief Snider aus dem Büro heraus.
Die beiden Deputys wechselten einen langen Blick, sahen sich dann noch einmal die Maschine an, ehe sie seufzend zurückkehrten in das Sheriffbüro.
Snider erwartete sie bereits hinter der Absperrung. „Ich möchte, daß die Maschine überprüft wird. Haben wir die Fahrzeugnummer?“
Williams nickte und klappte seinen Notizblock auf. „Habe sie notiert. Dürfte sich schnell herausfinden lassen, Sir.“
„Mich würde es nicht wundern, wenn diese Harpyie das Motorrad gestohlen hat. Ermittle den Halter, Mike. Und du, Charlie, hängst dich ans Telefon und gibst meine Beschreibung von dieser Irren an die State-Police weiter. Die kriegen wir!“
Die beiden Deputys nickten einhellig und traten durch die Schwingtür, die den zivilen vorderen Raum von ihrem hinteren Büro trennte.
Snider warf noch einen Blick nach draußen. Im Licht der Straßenlaternen leuchtete der Chrom des Motorrades silbern auf.
Dieses Weib würde er schon hinter Gitter bringen. Daß sie überhaupt den Mut hatte, sich bei den Wallaces einzuschleimen! Das hätte übel enden können, vor allem für den jungen James, der doch gerade seine Karriere auf Vordermann brachte.
„Sir, der Halter des Motorrades ist ein gewisser Jack O'Neill, derzeit wohnthaft in Washington D.C. Angehöriger des Militärs, Brigade General ... hohes Tier also.“ Williams' Stimme klang beeindruckt.
„Dachte ich es mir doch!“ Snider schlug sich mit der Faust in die flache Hand und marschierte zur Seitentür, hinter der sich sein Büro verbarg. „Suchen Sie die Nummer raus. Dieser General wird sich wundern, wo wir sein Motorrad gefunden haben.“

***

„Miss Uruhk ...“
„Ich hole mir mein Motorrad zurück, Wallace, Ende der Diskussion.“ Vashtu stieg aus dem alten Pickup der Familie Wallace und funkelte ihr Team-Mitglied an. „Und wenn Sie wieder im Chayenne-Mountain sind, reden wir beide einmal über Loyalität, Doc. An der hapert es Ihnen nämlich ganz gewaltig.“ Sie warf die Tür ins Schloß und stapfte in der hereinbringenden Dunkelheit die Straße hinunter.
Wallace sah ihr mit zusammengekniffenen Lippen nach. Dann atmete er tief ein und holte sein Handy hervor. Die Nummer des SGC hatte er im Speicher. Er drückte die entsprechenden Tasten und wartete.
„Stellen Sie mich bitte zu General Landry durch“, sagte er dann, sah noch einmal der einsamen Gestalt auf der Straße nach.

***

Vashtu blieb auf der anderen Straßenseite stehen und musterte das Haus mit dem großen Holzschild über der Tür. Sah für sie eher wie ein ganz normaler Laden in irgendeiner Kleinstadt aus, einmal abgesehen davon, daß es nicht verputzt war. Der Bau war fast quadratisch, verfügte nur über ein Stockwerk und hatte ein großes Frontfenster neben einer Glastür. Nur das Schild mit dem Wort „Sheriff“ über der Tür teilte mit, was es mit diesem Gebäude auf sich hatte.
Vashtu richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Objekt ihrer Begierde. Ihr Motorrad stand auf einem Parkplatz direkt an der Seite des Sheriff-Büros. Von innen würde es kaum zu sehen sein, wenn sie sich ihre Maschine zurückholte, sofern Snider nicht irgendeine Wache aufgestellt hatte.
Vashtu wartete und lehnte sich gegen einen Laternenpfahl, die Arme vor der Brust gekreuzt.
Ein Stück die Straße hinunter hatte sie ein Motel gesehen. Wenn sie ihre Maschine bis dorthin schieben konnte, würde sie sich ein Zimmer nehmen und morgen sehen, daß sie eine Werkstatt fand, die ihr Problem beheben konnte. Und dann würde sie diesem Snider mal zeigen, was Gerechtigkeit war.
Sie einsperren? Da mußte er früher aufstehen!
Mit einem Ruck richtete sie sich wieder auf, als sie sicher war, daß ihr Motorrad wirklich nicht bewacht wurde, und überquerte die Straße.
Sorgfältig untersuchte sie die Maschine, konnte jedoch nichts feststellen. Weder war das Rad irgendwo angekettet noch sonstwie gesichert. Es war einfach hier geparkt worden.
Vashtu schüttelte den Kopf, kippte das Motorrad nach vorn und schob es auf die Straße.

***

„Der General ist nicht erreichbar“, meldete Williams.
Snider seufzte. Natürlich, das würde erklären, warum die Maschine bis jetzt nicht als gestohlen gemeldet war. Wahrscheinlich war dieser General O'Neill in irgendeinem Einsatz, vielleicht sogar in einem der Krisengebiete, und hatte schlichtweg noch nicht bemerkt, daß sein neues Spielzeug entwendet worden war. Dieses Weib war klever. Wahrscheinlich hatte sie vorsätzlich gewartet, bis sie sicher sein konnte, das Motorrad irgendwohin bringen zu können, wo sie es zu Geld machen konnte. Aber da mußte sie schon früher aufstehen!
„Sir?“ Williams hing immer noch in der Tür, den Kopf durch den Spalt gesteckt.
Snider nickte. „Gehen Sie, für heute haben Sie genug getan. Ich bleibe noch ein bißchen.“ Befriedigt lehnte er sich zurück und atmete tief ein, die Hände über seinem Bauch gefaltet.
Diese merkwürdige Frau würde er schon ins Kittchen bringen. Immerhin war er der Enkel des legendären Revolverhelden One-Bullet-Joe Snider. Er hatte schon ganz andere Fälle gelöst als diesen.
Eilige Schritte im Büro nebenan, dann wurde seine Bürotür aufgerissen. „Sir!“ Williams starrte ihn mit entsetzt geweiteten Augen an.
Snider setzte sich wieder auf und sah seinen Deputy fragend an. „Ja?“
„Das Motorrad, Sir ... es ist weg!“
Mit einem Ruck war Snider auf den Beinen. „Was?“

***

Vashtu rubbelte sich mit dem Handtuch noch einmal durch die Haare, während sie nachdenklich das Fernsehbild verfolgte. Irgendeine billige, von der Aufmachung her ziemlich alte Fernsehserie über die Abenteuer einer Raumschiff-Besatzung flimmerte über den Bildschirm. Aufmerksam war sie erst durch einen Namen geworden, den sie beinahe vergessen hatte.
„Captain Kirk ...“ murmelte sie nachdenklich, setzte sich auf das Bett. Die Matratze sank unter ihr weg, bis sie das Gefühl hatte, auf dem Boden zu sitzen. Na toll! Viel Schlaf würde sie diese Nacht wohl nicht finden.
Ein Mann in einem kurzen, gelblichen T-Shirt und einer schwarzen Hose setzte sich auf einen unbequem aussehenden Sessel.
Das war also der berüchtigte Captain Kirk, mit dem McKay so gern John verglich.
Vashtu rümpfte die Nase. Da war John ihr aber wesentlich lieber! Dieser Kirk war ...
Sie wurde aufmerksam, als sie einen anderen, schlankeren Mann mit schwarzen Haaren sah. Merkwürdig spitze Ohren zierten als Umrandung sein Gesicht.
Sie hob die Brauen. Mh, der war schon mehr nach ihrem Geschmack.
Vashtu schlug die Beine übereinander und verfolgte das weitere Geschehen auf dem Bildschirm aufmerksam, um herauszufinden, was es mit diesem Spitzohrigen auf sich hatte.

***

„Da steht es!“
Hamilton sah irritiert aus der Frontscheibe und blickte sich dann aufmerksam um, doch nichts war zu sehen.
Das gesuchte Motorrad stand einsam auf dem Hof des verlassenen Kane-Hofes, als habe es hier die ganze Zeit auf das Auftauchen der beiden Deputys gewartet.
„Bestimmt nur einer dieser dummen Streiche der Boulder-Jungs“, mutmaßte Williams.
Hamilton nickte. „Ruf trotzdem lieber den Boß, Mike. Nicht daß wir noch Ärger kriegen, von wegen Spuren verwischt und so. Du weißt doch, wie er ist, seit diese komische Forensik-Serie im Fernsehen kommt.“
Williams nickte und griff nach dem Funkgerät, um Meldung zu machen.

***

Vashtu wurde durch einen an- und abschwellenden Lichtschein vom Fenster her aufmerksam auf das Geschehen vor ihrem Motelzimmer. Stirnrunzelnd richtete sie sich auf und reckte den Hals.
Draußen am Straßenrand, sehr gut beleuchtet von einer einsamen Straßenlaterne, stand der Geländewagen des Sheriffs an der einzigen Ampel, die Silent zu bieten hatte. Gerade als sie näher an das Fenster trat, fuhr der Wagen an - in die Richtung des Hofes, in dessen Schatten sie ihr Motorrad versteckt hatte.
Vashtu starrte dem Gefährt einen Moment lang verdattert hinterher, dann schoben sich ihre Brauen zusammen und sie kniff wütend die Lippen zusammen.
„Jetzt reicht es aber!“
Sie fuhr herum, griff sich ihre Jacke und verließ das Motel, um dem Wagen zu folgen und ihre Maschine zu retten.

***

„Ohne Zweifel, das ist es.“ Snider umrundete das Motorrad und nickte nachdenklich.
„War bestimmt einer der Boulder-Jungs, vielleicht sogar beide“, meinte Williams und kreuzte die Arme vor der Brust.
„Oder auch nicht. Diesem Weib ist alles zuzutrauen.“ Snider marschierte zu seinem Wagen zurück und beugte sich ächzend über die Ladefläche, um den Metallkasten aufzuschließen.
„Aber ... Boß! Meinen Sie wirklich, das wird nötig sein?“
Snider hob seine Schrotflinte heraus und kontrollierte die Patronen. Dann drehte er sich um und sah sich den Hof noch einmal aufmerksam an. „Wir verteilen uns im Schatten. Dann wird sie uns wohl nicht sofort sehen. Und haltet eure Waffen bereit, Jungs. Diese Furie ist zu allem fähig.“

***

Vashtu joggte bis zu dem verlassenen Hof, blieb dann auf der Straße stehen und sah sich mißtrauisch um. Der Geländewagen des Sheriffs stand in der Zufahrt des Hofes, ein Stück die Straße hinunter parkte ein anderes Fahrzeug mit einem goldenen Stern auf den Türen und der Beleuchtung der Polizei.
Wieder sah sie sich sehr genau um, tastete einen Moment lang nach der Beretta, aber die hatte sie auf dem Walker-Hof leerschießen müssen. Und Ersatzmagazine hatte sie nicht bei sich.
Dann eben ohne Waffen. Aber kampflos würde sie ihr Motorrad nicht aufgeben!
Im Schatten des Geländewagens pirschte sie sich vorwärts.
Das Motorrad stand noch immer da, wo sie es abgestellt hatte. Irgendein dummer Zufall hatte den Sheriff wohl auf die Idee gebracht, es ausgerechnet hier zu suchen. Sie hätte die Maschine besser verstecken sollen. Aber wer konnte schon damit rechnen, daß Snider plötzlich Intelligenz entwickelte?
Das ganze sah verdammt nach einer Falle aus, und Vashtu hatte keine Ahnung, wieviele Leute dem Sheriff unterstanden. Aber sie würde auf keinen Fall das Motorrad zurücklassen. Wer konnte schon sagen, was Snider damit tun würde. Außerdem war es ein persönliches Geschenk von General O'Neill, und auf dessen Freundschaft wollte sie auch weiterhin nicht verzichten.
Vashtu überlegte und sah sich aufmerksam in der Dunkelheit um.
Wenn sie wüßte, wieviele Männer Snider hatte, und ob einer von denen über etwas mehr Grips als ihr Boß verfügte, würde sie besser kalkulieren können. Auf der anderen Seite ... Sie hatte vor nicht einmal einem Jahr ein Hive-Schiff der Wraith im Alleingang gesprengt - naja, durch einen dummen Zufall, aber immerhin.
War da nicht ... ?
Vashtus Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.
Ja, im Schatten einer niedrigen Mauer kauerte ein Mann. Und dieser Mann wartete offensichtlich auf irgendetwas.
Bis zu ihm konnte sie so gut wie ungesehen kommen. Und sie war sich sicher, daß es sich bei diesem Kerl um einen der Handlanger von Snider handelte.
Vashtu huschte auf der anderen Seite um den Geländewagen herum und hechtete auf die andere Seite der Mauer. Dann pirschte sie sich leise, mit der Nase fast am Boden, den Rücken zu einem Katzenbuckel gekrümmt, näher an den Mann heran, spannte sich schließlich an und sprang über das Mäuerchen.
Sofort riß sie ihn zu Boden und rammte ihm ihre Faust ins Gesicht. Dann erst hörte sie das Klicken, daß sie heute schon einmal zu oft gehört hatte und blickte auf, direkt in den breiten, respekteinflößenden Lauf einer Schrotflinte.
„Und jetzt, ganz langsam aufstehen“, befahl Sniders Stimme.
Vashtu atmete tief ein und hob die Hände. Diesem Ding da in den Händen ihres Feindes traute sie nicht.
„Aufstehen, na los!“ Sniders Stimme wurde ungeduldig.
„Okay, nur schön vorsichtig mit dem Ding.“ Langsam kam sie wieder auf die Beine, die Hände immer noch erhoben.
Snider drückte ihr den Lauf in den Magen und drängte sie so zurück und weiter ins Licht hinein. Vashtu blinzelte, wagte jetzt aber keinen Widerstand mehr als ein dritter Mann auf Zuruf hinter ihrem Rücken auftauchte und ihre Hände mit Stahlschellen fesselte.
„Wer sagt es denn?“ Snider nickte zufrieden und erntete dafür einen vernichtenden Blick der Antikerin.

***

„Ich kenne meine Rechte! Ich darf einen Anruf tätigen, und genau das möchte ich umgehend tun!“ Vashtu fiel unsanft auf den Stuhl zurück und funkelte den Sheriff wütend an. „Wenn Sie mir diesen Anruf vorenthalten, beschneiden Sie damit meine Rechte.“
„Welche Rechte? Sie sind keine amerikanische Staatsbürgerin.“ Snider klopfte vehement auf eines der Dokumente, die er vor sich ausgebreitet hatte. „Hier steht nichts von Ihrer Staatsangehörigkeit, also sind Sie staatenlos für mich und ich brauche Ihnen keinen Anruf zuzugestehen.“
Vashtu beugte sich wütend vor und reckte den Hals. „Sie werden bitter bereuen, wenn Sie mich nicht umgehend meine Arbeitgeber informieren lassen, das schwöre ich Ihnen!“ zischte sie.
Snider lehnte sich lächelnd zurück. „Sie werden nicht eher mit einem Ihrer Spießgesellen Kontakt aufnehmen, als daß ich Sie dem Haftrichter vorgeführt habe, Miss ... äh ... Uruhk. Und Sie sollten nicht vergessen, gegen Sie liegt bereits eine Menge vor. Machen Sie es sich nicht noch schlimmer, meine Liebe.“
„Ich bin nicht Ihre Liebe!“ brüllte Vashtu los und richtete sich halb auf. Williams zerrte sie wieder auf den Stuhl zurück und drückte sie hart nieder.
„Widerstand gegen die Staatsgewalt, Angriff auf einen Polizisten, das Tragen einer scharfen Waffe in der Öffentlichkeit ... ob geladen oder nicht spielt keine Rolle. Nebenbei auch noch das Führen eines Fahrzeugs ohne gültige Fahrerlaubnis, sowie immer noch die überhöhte Geschwindigkeit und der Verdacht auf Diebstahl.“ Sniders Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen. Sein Doppelkinn bebte leicht. „Wie ich es sehe ...“
„Diebstahl?“ Vashtus Augen wurden groß. „Was, bitte schön, soll ich denn gestohlen haben?“
„Das Motorrad ist auf einen gewissen Brigade General O'Neill gemeldet. Leider haben wir ihn bisher nicht erreichen können, sonst wüßten wir wahrscheinlich auch, wie es Ihnen gelungen ist, ihm seine Maschine abzunehmen.“
„Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, Mann?“ wütete die Antikerin wieder los. „General O'Neill hat mir das Motorrad vor gerade einmal einer Woche persönlich geschenkt. Wenn es noch auf seinen Namen läuft, wird er wohl vergessen haben, es auf mich umschreiben zu lassen. Und was den Diebstahl angeht ... Sie haben mir die Maschine doch wohl gestohlen, wie ich es sehe, nicht umgekehrt. Ich habe sie mir nur wieder zurück geholt!“
Snider beugte sich nach vorn und stützte seine Unterarme auf den Schreibtisch. „Machen Sie es nicht noch schlimmer, Miss Uruhk. Wenn ich das alles zusammenzähle, was Sie jetzt schon auf dem Kerbholz haben ... da kommen schon einige Jährchen zusammen. Nennen Sie uns Ihre Hintermänner und ich werde sehen, was ich bei Richter Jonas für Sie tun kann.“
Vashtus Hals schien anzuschwellen durch den zornigen Schrei, der in ihrer Kehle steckte und sie würgte. Doch sie zwang sich zu einem ruhigen Tonfall. „Sie wissen nicht, worauf Sie sich eingelassen haben, Sheriff Snider. Ich warne Sie zum letzten Mal: Geben Sie mein Motorrad heraus und lassen Sie mich gehen. Sonst wird es Ihnen sehr bald sehr leid tun, überhaupt jemals meinen Namen auch nur gelesen zu haben!“
Snider musterte sie wieder genau, dann lehnte er sich zurück und gab Williams einen Wink, der die zierliche Frau daraufhin am Arm packte und hochzog.
„In die Zelle mit ihr. Vielleicht kühlt sie sich dort etwas ab. Morgen früh unterhalten wir uns weiter, meine Liebe.“
„Sie werden das bitter bereuen, Snider, das sage ich Ihnen!“ knirschte die Antikerin, ließ sich jedoch von dem Deputy nach draußen zerren in das Büro der beiden Untergebenen hinein. Hamilton saß an seinem Schreibtisch, einen Eisbeutel auf einer Hälfte des Gesichtes und musterte sie genau.
Vashtu ließ sich mit verkniffener Miene durch die hintere Tür zerren. Dort befand sich eine Zelle mit einem Fenster und einer einfachen Pritsche. Williams nahm einen Schlüssel, den er am Gürtel getragen hatte, und schloß die Gittertür auf. Dann nahm er der Antikerin die Handschellen ab und stieß sie in die Zelle hinein.
Sich die Handgelenke reibend sah Vashtu sich aufmerksam um.
Das hier war einfach lächerlich! Diese Leute hatten wirklich nicht die blaßeste Ahnung, mit wem sie es zu tun hatten. Aber sie würden sie schon noch kennenlernen.
Aufmerksam musterte sie das Gitter, legte dann ihre Hände um zwei Stäbe und rüttelte daran. Ziemlich stabil, aber längst nicht stabil genug. Allerdings würde sie wohl kaum unbeschadet durch das Büro nach draußen marschieren können.
Mit einem breiten Grinsen wandte die Antikerin sich um und betrachtete das ebenfalls vergitterte Fenster.

***

„Ja, wir haben sie. Sie können die Fahndung aussetzen. Danke für die Mithilfe.“ Snider legte den Hörer auf die Gabel und erhob sich ächzend. Hinter den Gürtel greifend zog er seine Hose wieder hoch und trat aus seinem Büro. Er war sehr zufrieden mit diesem Tag, weit zufriedener, als er erwartet hatte nach diesem verkorksten Morgen.
Er hatte eine gemeingefährliche Irre von der Straße geholt, die noch dazu zu allem fähig schien. Dem armen Hamilton hatte sie jedenfalls ziemlich zugesetzt. Wo dieses schmale Persönchen wohl so viel Kraft hernahm.
„Sir?“ Williams richtete sich auf.
„Mike, ich denke, ich gehe zu Clara rüber und besorge uns einen Happen. Wie sieht's aus?“ Sein Blick fiel auf Hamilton, der noch immer gequält auf seinem Stuhl hockte. „Für dich auch etwas, mein Junge? Oder sind die Zähne immer noch locker?“
Hamilton schüttelte nur stumm den Kopf und stöhnte leise.
Snider nickte mitfühlend und drehte sich um. Dann stutzte er und lauschte.
„Was ist das?“ fragte er, sich wieder seinen beiden Deputys zuwendend.
Williams blickte von seinem Bildschirm auf und sah seinen Chef verwirrt an. Dann weiteten sich seine Augen vor Überraschung, als auch er dieses heisere Krächzen und Stöhnen wahrnahm. Selbst Hamilton richtete sich auf.
„Das kommt ...“ Williams lauschte mit schiefgelegtem Kopf. Dann drehte er sich zu der geschlossenen Tür um und starrte auf sie, als könne sie sich jeden Moment öffnen und den Schlund der Hölle freigeben.
„Schon wieder dieses verrückte Weibstück!“ Snider marschierte mit weitausholenden Schritten an seinen beiden Untergebenen vorbei und riß die Tür zur Zelle auf. Dann blieb er verblüfft stehen und starrte auf das Bild, das sich ihm bot.
Vashtu Uruhk fuhr herum und erwiderte seinen Blick mindestens ebenso überrascht wie er. Und neben ihr ... Das dicke, schmiedeeiserne Gitter des Fensters war verbogen wie eine Bretzel!
„Das glaube ich ja nicht!“ entfuhr es Snider endlich. „Mike! Komm sofort her!“

***

Vashtu hockte am nächsten Morgen mißmutig auf der Pritsche, die Beine angewinkelt und die mit Handschellen gefesselten Hände auf die Knie gestützt. Unter ihren Ponyfransen starrte sie durchdringend zu Hamilton hinüber, der auf der anderen Seite des Gitters saß, die Schrotflinte auf dem Schoß. Da öffnete sich die Tür vorn im Büro.
Da Snider angeordnet hatte, die Verbindung offen zu lassen, um eine zusätzliche Kontrolle über seine Gefangene zu haben, konnte Vashtu die beiden Eintretenden genau erkennen. Innerlich stöhnte sie auf, doch sie hoffte ebenso, daß endlich Hilfe gekommen war. Wie auch immer Landry von ihrer Misere erfahren hatte, er hatte ihr jemanden geschickt. Besser gesagt, eine Hälfte von SG-1: Dr. Daniel Jackson und einen Mann in der Uniform der Air Force, bei dem es sich um Lt. Colonel Cameron Mitchell handeln mußte, dem sie bisher noch nie begegnet war im SGC.
Mit einem Ruck kam die Antikerin auf die Beine und trat an das Gitter. „Dr. Jackson!“ rief sie nach vorn.
Der hob unwillkürlich den Kopf und blinzelte in ihre Richtung. Dann konnte sie sehen, wie seine Schultern sich hoben und wieder senkten in einem resignierenden Seufzen.
„Was kann ich für Sie tun?“ fragte Williams dienstbefließen.
„Zurück!“ nuschelte Hamilton undeutlich und winkte mit der Schrotflinte.
Vashtu ignorierte ihn und reckte den Hals.
„Wir kommen von Chayenne-Mountain, der dortigen Air-Force-Base, wegen ... wegen Ihrer Gefangenen. Wir würden gern den Sheriff sprechen“, sagte Jackson.
Hamilton erhob sich. „Ich sagte zurück!“ Seine Stimme war immer noch undeutlich, doch die erhobene Schrotflinte sprach ihre eigene Sprache.
Vashtu ließ die Gitterstäbe los und hielt die Hände erhoben, während sie langsam rückwärts Richtung Pritsche ging. „Schon gut“, murmelte sie und ließ sich wieder nieder.
Mitchell hatte wohl etwas von dem kurzen Intermezzo bei ihr mitbekommen. Jedenfalls reckte er jetzt den Hals und staunte, als er einen Blick auf den angeschlagenen Hamilton mit der Waffe in den Armen sah.
Vashtu stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte ihr Kinn auf die Handflächen, während sie wieder mißmutig den Deputy betrachtete.
Sie hatte wohl härter getroffen, als sie gedacht hatte. Eine Gesichtshälfte war deutlich verfärbt, sein Auge fast zugeschwollen. Und seine Aussprache verriet, daß ihre Faust wohl auch einige Zähne gelockert hatte.
Vashtu seufzte, richtete ihre Aufmerksam wieder nach draußen.
In der Nacht war noch ein Mann bei ihr gewesen, nachdem ihr Ausbruchsversuch entdeckt worden war. Laut Snider ein Arzt, der ihr ziemlich unsanft Blut abgenommen hatte. Es sollte untersucht werden, um einen eventuellen Drogenmißbrauch festzustellen.
Sie hatte sich nur noch tiefer in die Sache reingeritten, ging ihr zum wiederholten Male auf. Sie hätte brav in der Zelle sitzenbleiben und darauf vertrauen sollen, daß Landry sie irgendwann suchen würde. Aber ihr Stolz war mit ihr durchgegangen.
Frustriert blickte sie zu dem demolierten Gitter hinauf. Ein metallener Fensterladen war vor die Öffnung geschoben worden, so daß sie hier hinten, einmal abgesehen von der ungesund knisternden Leuchtstoffröhre, die seit der Nacht durchgehend brannte, im Dunkeln gesessen hätte.
„Dann möchten wir mit Ihrer Gefangenen kurz sprechen“, hörte sie Jackson sagen.
Hätte Landry nicht irgendjemand anderen finden können, den er ihr hinterherschicken konnte? Mit Jackson stand sie zwar nicht auf Kriegsfuß, aber sonderlich kamen sie nicht miteinander aus. Sie wußte nicht, ob sie ihm zutrauen konnte, sie hier wieder herauszuholen. Und überhaupt, lieber wäre es ihr gewesen, wenn sie nicht auf die Hilfe von irgendjemandem angewiesen wäre und es selbst und allein geschafft hätte.
„Äh, ich weiß nicht, ob ...“
Eine Bewegung vorn ließ sie sich auf das Geschehen im Büro konzentrieren. Lt. Colonel Mitchell hatte die Schwingtür durchschritten, ohne auf den Einwand des Deputys zu achten.
„Sir, Sie sollten besser auf Sheriff Snider warten“, wandte Williams ein.
„Ach, der wird schon nichts dagegen haben. Miss Uruhk und wir sind Arbeitskollegen.“ Mitchell ließ den Deputy einfach stehen und trat in den Zellenraum.
Vashtu erhob sich wieder, blieb aber im sicheren Abstand vom Gitter. Ein schiefes, entschuldigendes Lächeln regte sich auf ihren Lippen. „Lt. Colonel.“ Sie nickte grüßend.
Jackson betrat jetzt ebenfalls den Zellenraum und sah sich aufmerksam um. Er stutzte, als er den angeschlagenen Hamilton sah, der die beiden Besucher mißtrauisch beäugte. Dann trat er an das Gitter heran und funkelte sie an. „Miss Uruhk, was denken Sie sich eigentlich?“ zischte er ihr zu.
Vashtu hob entschuldigend die Schultern, ließ sie dann wieder sinken. „Der Sheriff wollte mir mein Motorrad stehlen“, antwortete sie erklärend.
Mitchell gluckste, stemmte die Hände in die Hüften. „Oh Mann, Sie darf man wohl wirklich nicht allein lassen, was?“ Er klang amüsiert. Dann nickte er ihr zu. „Was haben Sie denn noch angestellt, daß sie selbst in der Zelle noch gefesselt werden?“
Vashtu verdrehte die Augen. „Ich wollte hier raus.“
„Sind Sie vollkommen wahnsinnig geworden? Sie hätten auf Ihren Anruf bestehen und das SGC anrufen sollen!“
„Snider ließ mich ja nicht telefonieren.“ Vashtu stutzte. „Woher wußten Sie eigentlich, wo Sie mich finden konnten?“
„Dr. Wallace hat Landry informiert, daß Sie in irgendeinem Schlamasel stecken würden“, antwortete Mitchell noch immer sehr amüsiert und grinste breit.
Vashtu bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Wallace also, soso.“ Sie knurrte einen Fluch in ihrer Muttersprache.
Jackson schluckte hörbar, dann leckte er sich kurz über die Lippen und hob eine Hand. „Wir holen Sie wieder hier heraus, okay? Landry will Sie so schnell wie möglich wieder in der Einrichtung sehen. Darum hat er uns geschickt.“
„Die Kavallerie ist da.“ Mitchell zwinkerte, sah sich wieder um. „Hey, Jackson, denken Sie nicht auch an etwas, wenn Sie das hier so sehen?“
Der sah seinen Teamleader mit einem undefinierbaren Blick an. „Nein, ich denke nicht, Lt. Colonel. Ich versuche das Schlimmste abzuwehren.“
„Äh ...“ Vashtu schloß den Mund wieder und senkte betreten den Kopf.
Sofort ruckten die beiden Angehörigen von SG-1 zu ihr herum.
„Was?“ fragte Mitchell.
„Naja ... äh ...“ Vashtu zog eine Grimasse.
„Was?“ wiederholte jetzt Jackson.
„Man hat mir heute nacht noch Blut abgenommen, um es auf Drogen untersuchen zu lassen“, antwortete sie endlich.
Jacksons Augen hinter den Brillengläsern weiteten sich. „Wie bitte?“
Verlegen zuckte sie mit den Schultern und warf dem verbogenen Gitter einen vielsagenden Blick zu.
Der Wissenschaftler japste nach Luft, dann wurde er umgehend wieder ernst und blitzte sie wütend an. „Miss Uruhk!“
„Wow! Das waren Sie?“ Mitchell staunte.
„Was ist hier los?“
Von allen unbemerkt hatte Snider den Zellenraum betreten. „Wer hat Ihnen erlaubt, die Gefangene aufzusuchen?“
Jackson drehte sich eilfertig um. „Sheriff Snider?“ Er hielt dem feisten Mann die Rechte hin. „Ich bin Dr. Daniel Jackson, das ist Lt. Colonel Cameron Mitchell. Wir sind Arbeitskollegen von Miss Uruhk und gekommen, um ... äh ... nun, die Air Force hätte gern ihre Beraterin zurück, Sir.“
Snider musterte die beiden vor ihm stehenden Männer mit verbissener Miene. „Das wird nicht möglich sein. Die Gefangene bleibt hier, bis sie dem Haftrichter vorgeführt wird.“
„Aber ...“
Mitchell warf ihr einen kurzen Blick zu und machte eine beschwichtigende Geste.
Vashtu nickte seufzend und zog sich wieder zur Pritsche zurück.
„Wir sollten das doch eher in Ihrem Büro erörtern“, schlug Jackson mit versöhnlicher Stimme vor. „Wenn Sie erlauben, Sheriff.“
Snider musterte den Wissenschaftler noch einmal von Kopf bis Fuß, dann nickte er und ging voran.
Vashtu sah den beiden Mitgliedern von SG-1 sehnsüchtig nach.

***

„Ich weiß wirklich nicht, warum ich mich überhaupt mit Ihnen unterhalten soll. Sie sagen, Sie dürfen mir dies und das nicht erklären, bestehen aber darauf, diese Furie da hinten mitzunehmen.“ Snider lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, der leise ächzte unter seinem Gewicht.
„Miss Uruhk ist sehr wichtig für die Verteidigung dieses ... äh ... Landes“, wandte Mitchell mit einem Zögern ein.
„Sie ist doch nicht einmal Amerikanerin!“ Snider schüttelte den Kopf.
„Naja, aber sie verfügt über gewisse ... Kenntnisse, die wir dringend benötigen“, fuhr Mitchell fort. Fasziniert klebte sein Blick an einem gerahmten und vergilbten Stück Papier hinter der ausladenden Gestalt des Sheriffs.
„Dann hätten Sie besser auf sie aufpassen sollen, Lt. Colonel. Sie wird von hier aus nur einen Weg antreten, und der führt direkt ins nächste Frauengefängnis.“
Jackson faltete die Hände vor sich, blieb in seiner gebeugten Haltung sitzen. „Was werfen Sie Miss Uruhk denn überhaupt vor?“ fragte er, während er aufblickte.
„Nun, da wäre zunächst einmal die Geschwindigkeitsübertretung.“ Snider setzte sich wieder auf, lehnte sich über seinen Schreibtisch. „Dann das Führen eines Fahrzeugs ohne gültige Papiere, eventuell sogar den Diebstahl dieses Fahrzeugs. Dann Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beschädigung öffentlichen Eigentums und nicht zuletzt den Angriff auf einen Staatsbeamten. Und vorhin habe ich auch noch erfahren, daß Ihre Miss Uruhk gestern nachmittag auf der Walker-Farm gewesen ist, dort den jüngsten Sohn Tommy als Geisel genommen und eine wilde Schießerei veranstaltet hat. Ach ja, da wären wir dann auch noch bei dem Tragen einer scharfen Waffe. Den Sachschaden, den Ihre Miss Uruhk angerichtet hat, will ich jetzt nicht einmal beziffern. Auf der Walker-Farm ist jedenfalls kein Fenster mehr heil.“
Mitchells Augen waren bei dieser Aufzählung immer größer geworden. Jetzt stand er stocksteif da und staunte nur noch den Sheriff an.
Jackson dagegen kniff bei jedem Vorwurf stöhnend die Augen zusammen. Er nahm seine Brille ab und rieb sich die Nasenwurzel. „Nun“, wandte er dann endlich ein und sah wieder auf, mit seinen Augengläsern nervös spielend, „was das Fahrzeug angeht, so können wir Ihnen selbstverständlich im Namen von Brigade General O'Neill versichern, daß es tatsächlich eine Schenkung gewesen ist, damit ist der Diebstahl des Motorrades vom Tisch. Es ist wahr, Miss Uruhk verfügt noch über keinen gültigen Führerschein. Dafür und für die Geschwindigkeitsübertretung wird sie gern die Verantwortung übernehmen. Was den Rest angeht ...“ Hilflos schloß er den Mund und wechselte einen Blick mit Mitchell. Der nickte zu dem Rahmen an der Wand hin. Jackson runzelte die Stirn und konzentrierte sich jetzt auf den Druck hinter Snider.
„Als beratende Mitarbeiterin einer streng geheimen Regierungsbehörde ist Miss Uruhk zudem befugt, eine Waffe zu führen“, sagte der Lt. Colonel jetzt zaghaft. „Und ich bin sicher, sie wird nicht ohne Grund auf irgendjemanden geschossen haben, Sheriff. Miss Uruhk ist in unserem Institut als sehr ... äh ... gewissenhaft bekannt. Sind Sie sich wirklich sicher, daß sie diese Walkers angegriffen hat?“
„Der Junge liegt mittlerweile im Krankenhaus“, entgegnete Snider erhitzt. „Ihre Miss Uruhk hat ihm zwei Rippen gebrochen und zahlreiche Prellungen und Quetschungen zugefügt. Wenn Sie mich fragen, Lt. Colonel, sollte diese Frau eingesperrt und der Schlüssel weggeworfen werden.“
Jackson murmelte leise etwas von einem solchen Versuch vor sich hin und setzte sich seine Brille wieder auf, um den vergilbten Druck aufmerksamer zu mustern.
„Hören Sie, Sheriff, wir sind doch vernünftige Menschen“, wandte Mitchell jetzt ein. „Miss Uruhk hat ein bißchen Unruhe gestiftet. Das ist doch nichts, was wir nicht unter uns regeln könnten.“
Snider starrte ihn erbost an. „Diese Frau hat mich persönlich beleidigt!“
Jackson hob einen Finger, wies auf den Druck. „Sehr interessant. Scheint antik zu sein. Darf ich es mir näher ansehen?“
Snider blinzelte, offensichtlich aus seinem Konzept gebracht. Und genau das hatte Mitchell erreichen wollen.
„Ich bin sicher, Miss Uruhk wird sich persönlich bei Ihnen entschuldigen, wenn Sie ihr den Sachverhalt erklären“, fuhr der Militär fort. „In dem Land, aus dem sie stammt, geht es ein wenig anders zu als bei uns. Wir sollten ein wenig Rücksicht nehmen.“
„Diese Frau ist einfach nur irre!“ Snider beobachtete aufmerksam Jackson, der um den Schreibtisch herumgetreten war und den Druck sehr genau studierte.
Der Wissenschaftler nickte anerkennend. „Ein seltenes Stück, das Sie da haben, Sheriff. War sicher nicht einfach, da heran zu kommen.“
„War mein Ururgroßvater. 1872 wurde er, nach einer langen Zeit als Revolverheld, ein ehrbarer Mann und der erste Sheriff von Silent“, erklärte Snider nicht ohne Stolz in der Stimme.
Jackson nickte anerkennend, studierte aufmerksam weiter den Druck und gab Mitchell ein stummes Hilfezeichen.
Der ließ sich das nicht zweimal sagen. „Ja, doch, eine gewisse Familienähnlichkeit zu Ihnen ist vorhanden“, log er und nickte. „Sicher nicht ganz einfach, einem solchen Ruf gerecht zu werden, oder?“
„One-Bullet war ein echter Kerl von Schrot und Korn, Sir.“ Snider nickte. „Er brachte Recht und Gesetz hierher.“
Mitchell nickte und überlegte fieberhaft.
„Eine phantastische Arbeit“, half Jackson jetzt wieder aus, um dem Lt. Colonel Zeit für eine Erwiderung zu geben. „Soetwas findet man sonst nur im Museum.“
„Um ehrlich zu sein, unser Heimatkundemuseum ist schon einige Male wegen des Steckbriefes an mich herangetreten. Aber ich kann mich einfach nicht davon trennen.“ Snider sonnte sich offensichtlich in dem verblichenen Ruhm seines Vorfahren.
„Kann ich verstehen“, wandte Mitchell schnell ein und zog eilig eine Grimasse zu Jackson. Der zuckte nur hilflos mit den Schultern, sobald Sniders Aufmerksamkeit wieder zu dem Militär wechselte.
„Was nun Miss Uruhk angeht ...“ wagte Mitchell sich jetzt wieder vor.
Sniders seliges Lächeln erlosch auf der Stelle. „Kommen Sie nächste Woche, dann findet die Verhandlung vor dem Haftrichter statt.“
Jackson hob die Arme in einer hilflosen Geste.
Mitchell dachte nach, doch ihm wollte wirklich nichts mehr einfallen.
„Hören Sie, Sheriff“, wandte der Wissenschaftler nun wieder ein. „Wir sind durchaus bereit, für den entstandenen Schaden aufzukommen. Wir können nicht bis nächste Woche warten. Miss Uruhk hat morgen eine dringende Verpflichtung einzuhalten. Es geht ...“ Hilflos sah er wieder zu Mitchell.
„... um die nationale Sicherheit. Das müssen Sie doch verstehen, Sir.“ half der aus.
Sniders Augen wurden schmal. Aufmerksam musterte er erst den Lt. Colonel, dann den Wissenschaftler, der noch immer halb hinter ihm stand. „Sie wollen mich doch wohl nicht einwickeln, oder? Sind Sie am Ende die Verbindung dieser Furie, ihre Hehler?“
Jackson und Mitchell wechselten einen vielsagenden Blick.
„Sie können die Nummer wählen, die wir Ihnen gegeben haben. General Landry wird Ihnen gern bestätigen, daß ...“
„Woher soll ich denn wissen, daß diese geheimnisvolle Organisation, von der Sie die ganze Zeit sprechen und nicht sprechen dürfen, tatsächlich existiert? Für mich hört sich das etwas weit hergeholt an.“ Snider richtete sich auf, behielt jetzt Jackson im Blick.
Der trat langsam um den Schreibtisch herum und stellte sich neben Mitchell auf. „Was jetzt?“ wisperte er seinem Teamleader zu.
Der zuckte mit den Schultern. „Plan B“, zischte er zurück.
„Und was ist Plan B?“
„Was ist das hier? Akte X oder sowas?“ Snider lehnte sich nach vorn.
„Es handelt sich um ein streng geheimes ...“
„Das hatten wir schon, meine Herren!“ Snider klopfte mit dem Finger auf seinen Schreibtisch. „Wenn Sie mir keine näheren Angaben machen können, bleibt Ihre Miss Uruhk, wo sie ist. Und sie beide sollten jetzt besser gehen, sonst können sie ihr gleich noch Gesellschaft leisten.“
Die beiden Mitglieder von SG-1 wechselten wieder einen Blick. „Plan B.“

***

Vashtu saß wieder mit angezogenen Beinen auf der Pritsche und starrte angestrengt vor sich hin. Inzwischen war es fast Mittag. Schon vor mehr als zwei Stunden hatte sie beobachten dürfen, wie Jackson und Mitchell beinahe fluchtartig das Büro verlassen und unverrichteter Dinge abgezogen waren. Sie wagte gar nicht sich vorzustellen, was bei Snider passiert war. Der Abgang der beiden war jedenfalls alles andere als glücklich gewesen.
Was hatte sie da nur wieder angerichtet?
Vashtu schlug mit dem Hinterkopf gegen die Wand und runzelte angestrengt die Stirn.
Sie gab ja gern zu, daß ihr Temperament mit ihr durchgegangen war. Inzwischen hatte sie sich wieder halbwegs abgekühlt und mußte wohl oder übel ihren Fehler eingestehen. Aber wie sie ihn wieder geradebiegen sollte, das wußte sie nicht. Snider schien noch immer so gegen sie aufgebracht, daß sie kaum eine Gelegenheit finden würde, in Ruhe mit ihm zu sprechen, von Williams und Hamilton redete sie jetzt gar nicht. Bei den beiden hatte sie es sich ohnehin verscherzt.
Vashtu seufzte und zog eine Grimasse.
Was würde sie jetzt wohl erwarten? Wie würde es weitergehen?
Sie hatte keine Ahnung. Sie wußte nur, in Zukunft sollte sie sich wesentlich besser im Griff haben, falls man ihr noch eine Chance zugestand, hieß das. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, zumindest bei Sheriff Snider hatte sie aber auch wirklich alle Chancen verspielt.
In diesem Moment öffnete sich wieder die Eingangstür.
Vashtu blickte auf und staunte nicht schlecht, als sie zwei hochgewachsene Gestalten in Staubmänteln und tief in die Stirn gezogenen Cowboyhüten eintreten sah. Aber ... waren das nicht ... ?
„Kann ich Ihnen behilflich sein?“ beeilte Williams sich zu fragen.
Im nächsten Moment riß die vordere der beiden Gestalten ihren Arm hoch. Vashtu hörte das charakteristische Zischen einer ZET-Waffe, als sie entsichert wurde, gefolgt von dem Geräusch der Entladung. Williams brach in sich zusammen.
„Was ist denn da los?“ nuschelte Hamilton.
Mit langen Schritten setzte die zweite Gestalt jetzt durch die Schwingtür, hob ebenfalls eine Schlangenwaffe, während die erste auf das Büro des Sheriffs zuhielt und die dortige Tür aufriß. Die nächsten Entladungen kamen fast zeitgleich.
Vashtu wich mit einem skeptischen Blick zurück und musterte die vermummete Gestalt auf der anderen Seite des Gitters, bis diese den Mantelkragen umschlug und den Hut in den Nacken schob. Daniel Jackson kam unter der Verkleidung zum Vorschein.
„Alles klar, die Luft ist rein.“ Jetzt betrat auch, der ebenfalls verkleidete Cameron Mitchell den schmalen Raum vor der Zelle, blinzelte ihr verschwörerisch zu.
Vashtu blieb einen Moment lang der Mund offen stehen, dann schüttelte sie irritiert den Kopf. „Was soll das denn?“ fragte sie.
„Plan B“, erhielt sie die einhellige Antwort und nickte stirnrunzelnd.
„Wissen Sie, wo die Schlüssel sind?“ erkundigte Jackson sich.
„Williams hat den für die Zelle am Gürtel. Den für die Handschellen trägt Snider bei sich.“
Die beiden Männer tauschten einen Blick, dann verschwanden sie wieder nach vorn.
Vashtu sah ihnen mit skeptischem Gesicht nach. Was hatte das denn zu bedeuten gehabt?

***

„Sind Sie Drei denn von allen guten Geistern verlassen gewesen?“ donnerte General Landry die Anwesenden an und knallte eine Akte auf seinen Schreibtisch. „In Silent darf sich für die nächsten Jahre nicht einer aus dem SGC mehr zeigen, ist Ihnen das klar?“
Dreimal wurden schuldbewußt Köpfe gesenkt.
„Sir“, wagte Vashtu sich leise vor, „das war ...“
„Ich weiß, daß es Ihre Schuld war, Miss Uruhk. Und, wenn es nach mir gehen würde, würden Sie die nächsten Jahrzehnte in irgendeinem Keller dieser Anlage eingesperrt und nur für Ihre Einsätze herausgelassen werden.“ Landry funkelte sie an. „Sie haben sich für die nächste Zeit mehr als genug geleistet, glauben Sie mir.“ Wieder knallte er die Akte auf seinen Schreibtisch, als wolle er seine Worte unterstreichen.
Vashtu kniff die Lippen aufeinander, sah den General sehr schuldbewußt an, schwieg jetzt aber. Es war nicht das erste Mal, daß Landry ihr eine solche Standpauke hielt, und, sie schätzte, es würde auch nicht die letzte sein.
„Aber was Sie angeht, meine Herren ...“ Landry funkelte die beiden neben ihr Sitzenden an. „Was haben Sie sich dabei gedacht? Sie haben sich aufgeführt wie ... wie Desperados!“
Aus den Augenwinkeln sah die Antikerin ein kurzes zufriedenes Lächeln über Mitchells Gesicht zucken, doch es war so schnell wieder verschwunden, daß sie glaubte, es sich nur eingebildet zu haben.
„Ich habe Sie beide ausgeschickt, um unsere Miss Uruhk wieder einmal einzusammeln, nicht, um selbst auch noch fast im Gefängnis zu enden. Oder wäre Ihnen ein Strick angenehmer gewesen, Lt. Colonel?“
„Nein, Sir.“ Offensichtlich hatte auch Mitchell einige Übung darin, den Leiter des SGC schuldbewußt anzusehen, denn so ganz glaubte ihm Vashtu seine Bekundigungen nicht.
„Ich dachte, Sie wären verantwortungsvoll genug, um besänftigend auf die Staatsmacht in Silent einzuwirken. Dr. Jackson! In Sie hatte ich bisher immer größtes Vertrauen. Was ist Ihnen eingefallen, so einen ... einen Unsinn anzustellen?“
„Plan B?“ wagte Mitchell zu bemerken und erntete einen weiteren wütenden Blick von Landry.
„Nun, Sir“, antwortete Jackson recht kleinlaut, „wir haben wirklich alles versucht, um Miss Uruhk da herauszureden, aber dieser Sheriff ...“ Hilflos zuckte er mit den Schultern.
Landry atmete einige Male tief ein und setzte sich endlich wieder. „Über diese Sache haben wir nicht das letzte Mal gesprochen, meine Herren, Miss Uruhk. Das wird ein Nachspiel haben, das kann ich Ihnen allen schwören.“ Der General sah wieder die Antikerin an. „Was haben Sie sich nur dabei gedacht, sich auf dieses Motorrad zu setzen ohne gültigen Führerschein?“
„Ich wußte nicht, daß man dafür einen braucht“, murmelte Vashtu schuldbewußt und erntete nun ungläubige Blicke aus drei Augenpaaren.
„Wie bitte?“ Mitchell beugte sich vor. „Sie haben keinen Führerschein?“
Vashtu schüttelte schuldbewußt den Kopf.
Mitchell gluckste in sich hinein.
„Das werden wir ändern!“ Landry starrte sie wieder nieder. „Sie besitzen weder eine gültige Fahr- noch Flugerlaubnis. Also werden Sie ab jetzt Stunden nehmen und beides nachholen. Verstanden?“
Vashtu nickte stumm.
„Ebenso werden Sie, und das so schnell wie möglich, die amerikanische Staatsbürgerschaft annehmen. Das ist ein Befehl von ganz oben, haben Sie das verstanden?“
Wieder ein schuldbewußtes Nicken.
„Und was das andere angeht ...“
„Ich weiß, Sir. Antarktica.“ Die Antikerin seufzte.
Landry nickte. „Ja, ganz genau, Miss Uruhk. SG-27 bleibt zunächst einmal außer Dienst und Sie werden die nächsten Wochen auf Antarktica verbringen.“
Vashtu schluckte und verzog wieder das Gesicht.
„Ebenso wie Sie beide, meine Herren“, wandte Landry sich an Jackson und Mitchell. „Dr. Jackson, Sie werden Miss Uruhk für den Kontrollstuhl vorbereiten. Und Sie, Lt. Colonel, werden die beiden nach MacMurdo fliegen und dort bleiben, bis die Operation abgeschlossen ist.“
„Was?“ Alle drei starrten sich mit gemischten Gefühlen an, richteten dann ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Person jenseits des Schreibtisches. „Aber ...“
„Kein Aber. Das sind klare Befehle, verstanden? Es ist an der Zeit, ein Exempel zu statuieren. Das SGC wird weitere Übertretungen in Zukunft nicht mehr dulden, verstanden? Und Sie drei werden mit einem guten Beispiel vorangehen und ihre jeweiligen Strafen klaglos hinnehmen. Ansonsten ...“ Landry starrte sie alle der Reihe nach an.
Wieder tauschten die drei untereinander Blicke, ein einhelliges Seufzen folgte, dann ein Nicken. „Ja, Sir“, kam es kleinlaut aus drei verschiedenen Kehlen.
„Gut.“ Landry legte die Akte zur Seite. „Und, Miss Uruhk, ihre nächsten Gehälter werden gekürzt werden, damit der Schaden, den Sie angerichtet haben, abbezahlt wird.“
Vashtu nickte wieder. Das Geld machte ihr weniger aus. Sie hatte noch ein gut gefülltes Bankkonto, da sie ohnehin nicht viel verbrauchte.
„Weggetreten. In zwei Tagen fliegen sie nach Antarktica. Bereiten Sie sich vor.“ Wieder ein strenger Blick, während alle drei sich erhoben und mit gesenkten Köpfen das Büro des Generals verließen.
Vashtu hielt den Blick weiter konzentriert auf den Boden gerichtet und kniff die Lippen zusammen. Sie würde noch kurz in ihrem Büro vorbeisehen und dort die letzten Berichte schreiben, ehe sie ... Antarktica!
„Miss Uruhk!“ Mitchell war ihr gefolgt.
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Ja?“
Mitchell reichte ihr eine kleine Plastikkarte, ähnlich ihren Kreditkarten. „Wenn Ihnen das nächste Mal der Sprit ausgeht, wissen Sie hoffentlich, was Sie damit zu tun haben. Nämlich, die nächste Tankstelle anfahren und nachtanken“, erklärte der Lt. Colonel ihr. „Und damit Sie auch wissen, was eine Tankstelle ist, diese Karte. Eine Kundenkarte einer Tankstellenkette, die die gesamten Staaten mit Benzin beliefert.“
Vashtu nickte verdutzt. Ihr Patzer mit dem leeren Benzintank würde ihr wohl noch ein bißchen länger anhängen. Dabei ... Es hätte ihr auch jemand sagen können, daß diese merkwürdigen Einrichtungen zu mehr taugten als nur für einen schnellen Einkauf.
Mitchell hielt ihr nun noch eine silberne Cd hin. „Und den werden Sie mitnehmen und sich für die nächsten Tage jeden Abend mindestens einmal ansehen, klar? Das ist eine zusätzliche Strafe.“
Vashtu nahm die Cd und warf einen Blick darauf. Stirnrunzelnd blickte sie dann wieder auf und sah den Schalk in den Augen des Lt. Colonel blitzen. „The Wizard of Oz?“ fragte sie.
Mitchell kreuzte die Arme vor der Brust und sah sie streng an. „Damit Sie die Gebräuche in Kansas besser kennenlernen. Bis ich Ihnen etwas anderes sage, jeden Abend einmal ansehen, verstanden?“
Vashtu nickte verblüfft und sah dem Leader von SG-1 nach, der den Gang jetzt mit langen Schritten in die andere Richtung ging.
Warum wurde sie das Gefühl nicht los, daß er sie gerade hochgenommen hatte?
Die geheime Stadt I by Hyndara71
Vor 10 000 Jahren: 

Elenkir Daranuir starrte in die Finsternis hinein.
Wie winzige Punkte hoben sich die Lichter der Stadt gegen die Finsternis der Höhle ab und zeichneten grob deren Silhouetten nach.
„Sie kommen", wisperte eine Stimme neben ihr.
Sie nickte, drehte sich dann um und musterte den jungen Mann neben sich. Der erschauderte wieder, barg seine Hände unter den Achseln.
„Sie werden uns töten", stöhnte er. „So voller Haß!"
„Ich weiß ..." Elenkir sah wieder auf die kleine Stadt hinunter.
Hier hatte sie ihr gesamtes Leben verbracht, hier war sie geboren worden, aufgewachsen und hatte gearbeitet. Hier hatte sie ihren Partner gefunden und war glücklich gewesen.
„Der Rat hätte eingreifen sollen, solange es noch möglich war", fuhr der Mann neben ihr fort.
Elenkir runzelte die Stirn.
Der Rat ... Wenn sie die Wahrheit sagen würde, würde man es ihr kaum glauben. Niemand würde annehmen, daß der Rat von Atlantis, der Rat, der beinahe sämtliche Projekte hatte einstellen lassen, die auch nur ansatzweise eine Lösung des Problems geboten hätten, schon seit Jahrhunderten diese Stadt in den Höhlen unterhielt und hier an einer radikaleren Lösung als alle anderen arbeiten ließ.
Elenkir wußte das, denn sie war die Stimme Vinetas gewesen - solange es ein Vineta gegeben hatte. Jetzt aber ...
„Wir haben etwas geschaffen, das wir nicht kontrollieren konnten", wisperte sie. Unwillkürlich zog sie die Jacke fester um die Schultern. Doch die Kälte kam von innen, hatte nichts mit der feuchten Kühle der gewaltigen, künstlichen Höhle zu tun.
„Wir müssen uns beeilen. Die Aurora ..."
Wenn man sie weiter in Ruhe gelassen hätte, wenn nicht die Zeit gedrängt hätte ...
Elenkir seufzte.
Soviele Wenns, soviele Einwände. Doch sie konnte nicht entscheiden, sie hatte das nie gekonnt, wie schon ihr Vater vor ihr, und wie dessen Vater vor ihm. Sie waren die Stimmen Vinetas gewesen, doch diese Stimmen klangen nur wispernd nach Atlantis.
„Kommen Sie, bitte!" Der junge Mann hob wieder die Hände, als wolle er nach ihr greifen.
Elenkir kniff die Lippen zusammen, um das Schluchzen zu unterdrücken.
Sie waren ausgebrochen, vor Wochen schon. Doch wie schnell sie sich entwickelten, das hatte niemand voraussehen können. Wie schnell sie lernten, mit dem umzugehen, was man ihnen auf künstlichem Wege gegeben hatte.
„Wir müssen die Nachricht so schnell wie möglich nach Atlantis bringen", drängte der junge Mann. „Wenn alle Forschungsergebnisse stimmen ..."
„Stimmen Sie denn?" Zum ersten Mal sprach Elenkir und hob das Kinn. Dann drehte sie sich um und musterte ihren einzigen Gefährten. „Wissen wir tatsächlich etwas? Wir wissen nur, daß wir gescheitert sind und etwas noch schrecklicheres geschaffen haben als die Wraith."
„Aber das könnte Atlantis helfen. Wir könnten die Devi gegen die Wraith hetzen." Hoffnung glomm in den Augen des jungen Offiziers.
Elenkir schüttelte den Kopf. „Das können wir nicht. Wir können uns nur zurückziehen und die tauben Kinder zurücklassen, in der Hoffnung, daß wenigstens sie diesem ... diesem Holokaust entgehen. Was aber passiert, sollte je wieder einer von uns diesen Ort betreten ... ich weiß es nicht. Den Devi ist zuviel zugefügt worden durch uns, Annamar. Sie werden nie vergessen. Wollen wir hoffen, daß wenigstens dieses Geheimnis tief genug vergraben wird. Für immer und ewig. Und daß niemand jemals wieder diese Galaxie des Schreckens betritt, schon gar niemand von uns."
Sie wandte sich ab, noch immer die Todesschreie ihrer Familie in den Ohren.
Vineta blieb verlassen zurück, umweht vom Geist der Zerstörung und der ungebändigten Wut. Die vergessene Stadt, deren Einwohner sich höher als die Schöpfung selbst stellten ... und verloren. 

*** 

Heute: 

„Fast nicht zu glauben, daß Sie den guten alten Shepp kennen."
„Ist aber so." Vashtu Uruhk hatte sich weit nach vorn gebeugt und starrte fasziniert aus der Kanzel des Helicopters.
„Mann, Mann, Mann. Was macht dieses alte Schlitzohr denn so?"
„Ist jetzt Lt. Colonel und hat einen verantwortungsvollen Posten." Sie sah wieder auf und grinste. „Ist allerdings schon eine Weile her, daß ich ihn gesehen habe. Aber wir halten Kontakt."
Der Pilot nickte. Sein Gesicht war unter dem breiten Helm, der Sonnenbrille und dem Funkgerät kaum zu sehen. Dazu kam die dick gefütterte Fliegerkombination, die ihn auch vor den eiskalten Winden in der Antarktis schützen sollte.
„Shepp und ein verantwortungsvoller Posten - ob das gut geht?" Der Mann schüttelte den Kopf und grinste sie dann an. „Andererseits, warum nicht, wenn man ihm genug Freiheiten zugesteht. Grüßen Sie ihn von mir, wenn Sie das nächste Mal Kontakt zu ihm haben. Sagen Sie, Faustus hat die Wette noch nicht vergessen. Er ist dran, wenn er sich mal wieder blicken läßt."
Vashtu lachte gutgelaunt. „Den Fluch scheint er aber tatsächlich mit sich herumzutragen. Bei mir hat er allerdings keine Wettschulden mehr."
„Gleich eingetrieben, wie?" Faustus schmunzelte. „Passen Sie nur auf. Shepp ist ein alter Windhund." Wieder ein Blick zu ihr. „Das können Sie ihm auch ausrichten von uns allen. Ein falsches Wort in Ihre Richtung, Vash, und er kann sich auf MacMurdo auch nicht mehr sehen lassen."
„Wird, denke ich, nicht passieren." Die Antikerin lehnte sich entspannt zurück und blickte wieder in die verschneite Landschaft hinaus.
„Ach, die Jungs wollten am Wochenende übrigens raus. Wenn Sie Lust und Zeit haben, Vash. Ein paar gekonnte Wedler haben noch keinem geschadet."
Vashtu runzelte die Stirn. „Wedler?"
„Skifahren. Diese ganzen Eisberge sind geradezu ideal, zumindest nach einem solchen Sturm. Da wird viel Schnee und Eis auf die Hänge geweht."
Sie blickte den Piloten wieder von der Seite an. „Skifahren?"
„Jetzt sagen Sie nicht, Sie sind noch nie auf Skiern unterwegs gewesen." Faustus schüttelte den Kopf. „Das müssen wir nachholen! Was sagen Sie, Doc?" Damit drehte er sich zu seinem zweiten Passagier auf der Rückbank um.
Dr. Daniel Jackson war dem Gespräch bis jetzt mit zusammengezogenen Augenbrauen gefolgt und hatte nicht ein Auge von der Antikerin vor sich gelassen. Er lauerte nur darauf, daß sie sich wieder irgendeinen Patzer erlaubte. Doch nach ihrem letzten Intermezzo schien sie sich in ihre Lage gefügt zu haben.
„Wir müssen sehen, wie weit wir kommen", antwortete er nun.
Vashtu drehte sich zu ihm um. Er sah, wie ihre Stirn sich runzelte, ihre Augen waren hinter der großen Sonnenbrille nicht zu sehen.
Jackson seufzte. „Okay, okay. Dann gehen Sie skifahren. Sie machen doch sowieso wieder, was Sie wollen."
Vashtu grinste breit, drehte sich wieder um. „Cool!"
„Wird es werden, glauben Sie mir. Kein Wunder, daß Shepp und Sie befreundet sind. Zumindest was das Fliegen angeht, sind Sie sich ziemlich ähnlich. Hey, wie wär's? Wir fliegen mit einem BlackHawk raus. Den kennen Sie noch nicht, oder?"
„Dieser schnittige Schwarze?" Vashtu sah wieder zu dem Piloten hinüber. „Nein, den habe ich noch nicht geflogen."
„Mal sehen, ob wir den dem General nicht aus den Rippen leiern können." Faustus grinste. „Freue mich schon, ehrlich. Was Sie im Simulator gezeigt haben ... Wow!"
Vashtu grinste wieder breit.
„Wie lange noch?" fragte Jackson von der Rückbank.
„Fünf Minuten, Doc." Faustus schaltete jetzt um und gab eine Meldung an die Antarktica-Basis durch.
Vashtu starrte wieder nach draußen.
So schlimm hatte sich ihr dieser Kontinent denn doch nicht gezeigt bisher. Okay, am Abend, nachdem sie angekommen waren, hatte ein Sturm begonnen zu toben, der vier Tage angehalten hatte, so daß sie nicht aus MacMurdo herauskamen. Aber zumindest die Militärbasis war schon einen Besuch wert gewesen. Beinahe bedauerte sie, daß Lt. Colonel Mitchell sich jetzt irgendwo anders herumtrieb mit einem streng geheimen Befehl von General Quint, den doch eher gutmütigen Leiter von MacMurdo. Sie war sicher, mit den Piloten der Basis zusammen wäre ihr noch irgendeine Rache für ihn eingefallen.
„Haben Sie die Unterlagen gelesen, die ich Ihnen gegeben habe?" erkundigte Jackson sich jetzt bei ihr.
Vashtu seufzte, nickte aber. „Überflogen, ja."
„Überflogen?" Der Wissenschaftler seufzte ergeben.
Vashtu runzelte die Stirn, sah immer noch auf die gewaltige Eis- und Schneelandschaft unter sich an, jetzt aber mit den Gedanken woanders. Schließlich drehte sie sich um und sah Jackson ernst an. „Was bei mir überfliegen heißt, heißt bei Ihnen lesen, Doc. Ich weiß, was Sie mir in Ihrem Memo mitgeteilt haben."
Der Mann auf dem Rücksitz verzog nur unwillig das Gesicht 

*** 

Vashtu sah sich neugierig um, als sie aus dem Aufzug stiegen.
Hier unten war es kühl, aber nicht diese schneidende Kälte wie an der Oberfläche. Die Eismassen waren zusammengebacken zu einer skurilen Höhle, tief unter der Oberfläche.
„Dr. Jackson, ich freue mich." Ein grauhaariger Mann in Thermokleidung kam ihnen entgegen und reichte dem Wissenschaftler neben ihr die Hand. Er hatte einen eigenartigen Akzent, den sie nicht zu kennen glaubte.
„Dr. Schneider. Das ist Vashtu Uruhk", stellte Jackson sie vor. „Ich glaube, das SGC hat Sie über unsere Besucherin bereits in Kenntnis gesetzt."
Der Wissenschaftler sah sie einen Moment lang an. Erst jetzt fiel ihr auf, daß er sich wohl in letzter Zeit selten rasiert hatte. Helle, fast durchscheinende Bartstoppeln zierten sein Gesicht.
„Sehr erfreut, Doc." Sie reichte ihm ihre Hand und lächelte, während sie sich wieder einmal vorkam wie die Attraktion in einem Wanderzirkus.
„Oh ja, natürlich. Sehr erfreut, Miss ... äh ... Uruhk." Er sprach ihren Familiennamen seltsam aus, doch sie korrigierte ihn nicht.
„Nun, wie ich sehe, kommen Sie hier allmählich voran", wandte Jackson sich an den Wissenschaftler.
  Schneider ließ die Hand der Antikerin los und nickte eifrig. „Es ist unglaublich, was wir noch alles finden! Bis jetzt scheint nur der Bruchteil der Anlage ausgegraben worden zu sein."
Vashtu wandte ihr Interesse den Artefakten ihres Volkes zu, die auf Tischen verteilt herumlagen. Stirnrunzelnd betrachtete sie die Auswahl, entfernte sich dabei Schritt für Schritt von den beiden diskutierenden Männern.
Eine fest installierte Stasiskammer befand sich fast in der Mitte der Eishöhle und schien einen Teil des Gewichtes zu tragen. Vashtu betrachtete sie nachdenklich, wandte sich dann ab und beobachtete wenig interessiert die anderen Mitarbeiter von Schneiders Team, die geschäftig hin und herliefen oder mit Laptops an Tischen saßen und Eingaben oder Messungen vornahmen.
Da war sie jetzt also. Mitten im ewigen Eis von Antarktica und wußte nicht so recht, was sie tun sollte.
Vashtu warf einen Blick zurück auf Jackson und Schneider, dann trat sie durch einen Durchgang in einen schlechter beleuchteten Nebenraum. Wie erstarrt blieb sie stehen.
Der Kontrollstuhl!
Wie einen Feind starrte sie das Gerät an und kniff die Lippen aufeinander, während sie sich zögernd näherte.
Wegen diesem Ding ließ man sie nicht nach Atlantis zurück. Weil dieser Stuhl die intelligenten Waffen ihres Volkes zu steuern vermochte.
Vashtu baute sich vor der eigenartigen Sitzgelegenheit auf und betrachtete sie stirnrunzelnd. Hinter sich hörte sie jetzt wieder die Stimmen von Jackson und Schneider, die ihr offensichtlich langsam gefolgt waren.
Warum nicht gleich? Sie war doch ohnehin nur hergekommen, um diesen Stuhl auszuprobieren. Dann konnte sie es auch jetzt erledigen und hatte es dann, hoffentlich, hinter sich.
Vorsichtig drehte sie sich um, warf noch einen Blick über die Schulter. Dann ließ sie sich auf dem Kontrollstuhl nieder.
Als ihre Hände die Gelflächen berührten, leuchtete der Stuhl sofort auf. Die Rückenlehne schien sich ihr entgegenzuneigen und fuhr dann langsam zurück. Die Beinstützen hoben sich, daß sie in einer beinahe liegenden Position saß. Ihr war ein wenig unbehaglich zu mute, doch sie spürte auch das vertraute Tasten der intelligenten Systeme an ihrem Hirn.
„Was jetzt?" rief sie Jackson zu, der gerade um die Ecke gebogen war.
Der blieb stehen und erstarrte. Schneider an seiner Seite klappte das Kinn herunter.
„Was ... ?" Jackson trat zu ihr und musterte sie mit zusammengekniffenen Lippen. „Sollten Sie sich jetzt schon reinsetzen?"
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Warum solange warten?" entgegnete sie. „Also, was soll ich jetzt tun?"
Jackson sah sie irritiert an, dann schien ihm aufzugehen, daß der Stuhl sich aktiviert hatte. Er hob die Hände. „Also gut, was ... Können Sie denn irgendetwas tun?"
„Unglaublich! Bisher hat er noch nie so ... so gearbeitet!" entfuhr es Schneider, der daraufhin einen strafenden Blick der Antikerin erntete.
„Ich kann ..." Vashtu konzentrierte sich kurz und blickte nach oben. Holografische Anzeigen in ihrer Muttersprache erschienen unter der Decke und leuchteten in verschiedenen Farben. „Gut, ich kann auf eine Menge zugreifen", antwortete sie. Offensichtlich reagierte dieser Stuhl nicht wie der Hauptrechner in Atlantis.
Allmählich wuchs ihre Neugier nun doch.
Jacksons Kopf ruckte nach oben. „Das ist ..."
Vashtu konzentrierte sich auf die Statusberichte des Stuhls. Sofort flammte die Höhle über ihr auf. Etwas überrascht hob sie die Brauen. „Wow! Der ist schnell!"
Ein kleines Unterprogramm öffnete sich und eine Zahlenfolge erschien unter der Decke.
„Wer hat denn hier so mit den Drohnen um sich geworfen?" entfuhr es Vashtu.
„Hä?" Jackson beugte sich über sie. „Wie schnell können Sie das eigentlich lesen?"
Für diese Frage erntete er einen vernichtenden Blick. „Wie schnell können Sie Englisch lesen?" entgegnete sie, richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die eisige Decke über sich und kehrte in das Hauptprogramm zurück.
„Was wollen Sie wissen, Doc?" erkundigte sie sich wieder. „Ich habe auf die meisten der Programme Zugriff. Ein paar allerdings ..." Sie konzentrierte sich auf eine Datei, die rot aufleuchtete. Ein kurzer Schmerz zuckte durch ihre Schläfen und ließ sie das Gesicht verziehen. „Okay, auf ein paar nicht, wie es aussieht."
„Gut, und was kann der Stuhl?" fuhr Jackson fort und wurde für diese Frage wieder mit einem verächtlichen Blick bedacht.
„Dieser Stuhl kontrolliert den irdischen Hauptrechner, wie es aussieht. Zumindest sind beide miteinader verbunden. Von hier aus müßte ich eigentlich ..." Vashtu scrollte gedanklich nach unten, fand einen anderen Pfad und las sich aufmerksam die neuen Meldungen durch.
„Der irdische Hauptrechner?" echoten Jackson und Schneider unisono.
„Ui!" Vashtu pfiff durch die Zähne, öffnete ein weiteres Programm. „Dieses Ding ist cool! Hätte ich das gewußt, wäre ich auf Atlantis wesentlich schneller gewesen mit der Freigabe der Programme."
  Wieder beugte sich Jackson über sie. „Der irdische Hauptrechner?" wiederholte er.
Vashtu wurde einen Moment abgelenkt, sah ihn stirnrunzelnd an. „Wußten Sie das nicht? Es ist doch nur logisch. Moment, ich versuche, seinen Standort zu ermitteln." Sie richtete ihren Blick wieder auf die Decke und konzentrierte sich.
Die leuchtenden Meldungen verschwammen, tauschten mit neuen ihren Platz. Dann erschien eine Erdkugel unter der Decke.
Vashtu lächelte zufrieden und gab ihre Frage erneut gedanklich weiter. Augenblicklich leuchtete ein kleiner Punkt auf einem der Kontinente auf.
„Der ist nicht einmal weit entfernt. Wundert mich, daß Sie ihn bisher noch nicht gefunden haben", murmelte sie schließlich.
„Wir haben einen Computer der Antiker auf diesem Planeten?" fragte Jackson wieder.
„Sagte ich doch. Er und der Stuhl sind miteinander verbunden ..." Ein verschmitztes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Soll ich die Heizung mal ein bißchen hochdrehen, Doc?"
„Und dann?" Jackson klang ein wenig ratlos.
„Ich kann den Gang freischmelzen lassen. Dann kommen wir direkt an den Hauptrechner." Das Lächeln wurde zu einem Grinsen, als Vashtu die gedankliche Anfrage bestätigte. 

*** 

Vashtu spielte gedankenverloren mit der Kette um ihren Hals, während sie beobachtete, wie das Eis langsam immer weiter zurückwich und einen Gang freigab.
Ihr war ein Gedanke gekommen. Auch wenn ihr hier, auf der Erde, offensichtlich von vorn herein Zugriffsrechte eingeräumt waren, sie kam nicht in alle Programme hinein. Vielleicht würde ihr der Steuerkristall weiterhelfen. Vielleicht reagierte auch der Computer hier auf ihn.
Nervös kniff sie die Lippen zusammen und sah sich um.
Jackson und Schneider hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich angeregt.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Durchgang zu und seufzte.
Ihr fehlte Babbis! Und unglaublich es selbst in ihren Ohren klang, aber mit dem Wissenschaftler kam sie am besten in ihrem Team klar. Vor allem schienen sie beide allmählich eine wirkliche Zusammenarbeit koordinieren zu können. Wenn sie sich nur an die Sache im SGC erinnerte, als die fremden Pollen alle ihre schlimmsten Alpträume erleben ließen ...
Jackson mißtraute ihr zwar nicht mehr wie letztes Jahr kurz nach ihrer Ankunft hier, aber er hielt deutlich Abstand von ihr. Sie war ihm zu schnell, das war ihr schon des öfteren aufgefallen. Ein Stück weit konnte sie es sogar verstehen und versuchte sich ihm gegenüber zu bremsen, dann aber wieder ...
Offensichtlich vergaß er, daß diese zehntausend Jahre für sie beinahe wie im Schlaf vergangen waren. Sie war zwischendurch immer nur wenige Jahre aufgewacht und hatte den Planeten auf neues Leben überprüft während der Zeit der langen Einsamkeit. So schnell wie mit ihrem veränderten Genom möglich war sie jedesmal in der Stasiskammer wieder verschwunden, weil ...
  Vashtus Schultern sanken herab, als sie sich wieder an diese Zeit erinnerte. Die Einsamkeit. Diese schreckliche Einsamkeit und das Nicht-Wissen. Das hatte ihr mehr zugesetzt als sie geglaubt hatte. Sie mußte sich nur an ihre Zeit auf Atlantis erinnern.
Die erste Zeit auf der Erde hatte sie sich abgekapselt, weil sie sich nicht wirklich den heutigen Menschen zugehörig fühlte. Sie konnte mehr, ihr Gehirn arbeitete schneller und die fremden Gene in ihrem Inneren machten es auch nicht gerade einfacher. Aber gerade seit sie SG-27 leitete, suchte sie auch Kontakt nach außen, versuchte Freundschaften zu schließen. Gut, bisher nicht außerhalb des SGC, aber immerhin.
Ein feiner Laut in ihrem Kopf ließ sie sich wieder aufrichten. „Der Schmelzprozeß ist abgeschlossen", rief sie den beiden Wissenschaftlern zu und betrachtete den Gang.
Auch wenn sie den Stuhl wieder verlassen hatte, da war immer noch eine kleine Verbindung in ihr. Etwas, was sie bisher nicht gekannt hatte. Aber möglicherweise lag es auch daran, daß sie die Arbeit an dem Gerät nur unterbrochen und nicht abgeschlossen hatte. Eigentlich hätte sie auch sitzenbleiben sollen, aber die Neugier hatte sie hergetrieben.
Wieder hatte sie umgeschaltet von der lernenden Stargate-Mitarbeiterin, die hier eine Strafzeit absitzen mußte, zur Wissenschaftlerin. Für viele kamen diese Wechsel zu abrupt, das wußte auch sie. Und genau deshalb hatte sie immer noch Schwierigkeiten mit den Menschen der Erde.
Merkwürdig, daß gerade Peter Babbis diese Wechsel in ihrer Persönlichkeit nichts auszumachen schienen. Er und der Rest ihres Teams hatten bis jetzt am meisten von ihr zu sehen bekommen: Die strenge Vorgesetzte, die Kriegerin, die flaxende Abenteurerin, die Wissenschaftlerin, die Chefin, die für ihr Team durchs Feuer ging. Und gerade Babbis, dem sie zu Anfang gar nichts zugetraut hatte, hatte sich in ihren Augen zu etwas gemausert, was sich lohnte aufzubauen - wenn er keinen Unsinn machte!
Bei Dorn hätte sie sich soetwas denken können, wenn sie ihn in letzter Zeit auch ein wenig vernachlässigt hatte. Der alternde Marine war in seiner Laufbahn garantiert einigen begegnet, die vielleicht sogar noch ... merkwürdiger waren als sie. Ihm machten ihre Eskapaden nichts aus, und sie hielt ihn nach Möglichkeit aus der Schußlinie.
Der einzige, der ihr wirklich Sorgen bereitete, war der junge James Wallace. Seit ihrem letzten Abenteuer in seiner Heimatstadt, in der sie wirklich nur rein zufällig gelandet war, ging er ihr noch mehr aus dem Weg als vorher. Zudem neigte er dazu, die Schuld auch dann bei ihr zu suchen, wenn sie sich wirklich nichts vorzuwerfen hatte. Immer mehr schien sie zu seiner Nemesis zu werden. Und sie wußte, sie konnte ihm nicht wirklich und hundertprozentig trauen wie den anderen beiden. Dazu hatte er sie einmal zu oft schon enttäuscht.
Um ehrlich zu sein, sie hatte schon einige Male überlegt, Landry um einen Ersatz für Wallace zu bitten, weil sie ihn nicht verstand und er sich ihr auch nicht einmal einen Hauch weit öffnete. Statt dessen ging er sofort auf Abwehr und verglich sie gleich wieder mit Sheppard - ein Vergleich, den auch Babbis früher einmal angewendet, inzwischen aber fallengelassen hatte und den sie nicht wirklich verstand.
Vashtu riß sich aus ihren Gedanken und betrat den dunklen Gang.
Sie war gespannt, was sie erwarten würde. Auf jeden Fall würde sie die Chance nutzen und den Steuerkristall auch hier anwenden, sofern sie eine Möglichkeit dazu erhielt. Die gesperrten Programme bereiteten ihr ein wenig Kopfzerbrechen.
Hinter ihr leuchteten starke Lichter auf, als die beiden Wissenschaftler ihre Taschenlampen einschalteten.
Vashtu runzelte die Stirn und zog die ihre aus der Tasche ihrer Jacke. Vorsichtig ging sie weiter und sah sich aufmerksam um. Als sie den rückwärtigen Ausgang erreichte, blieb sie verdattert stehen.
  Was auch immer das da vor ihr war, es war kein normaler Hauptrechner ihres Volkes. 

*** 

„Wie es aussieht, hat Miss Uruhk sich geirrt", erklärte Jackson gerade. „Es handelt sich offenbar nicht, wie Sie angenommen hat, um einen Hauptrechner. Aber irgendetwas anderes ist in dieser Nebenhöhle."
Rauschen folgte.
Vashtu lehnte an dem Schreibtisch und grübelte weiter vor sich hin, spielte dabei gedankenverloren mit der Kette um ihrem Hals. Sie sah sich in dem kleinen Büro von Dr. Fischer um.
Der Raum war in die Eishöhle hineingegraben, wie alles hier. Es war etwas kühl, doch keineswegs kalt. In ihrer wärmenden Kleidung jedenfalls nicht.
„Was sagen Sie dazu, Vashtu?" erklang endlich die Stimme von General O'Neill.
Die Antikerin richtete sich auf. „Es ist kein herkömmlicher Hauptrechner, Sir, das kann ich bestätigen. Aber etwas, was seine Leistung übernimmt."
„Mh ..." Wieder Rauschen.
Vashtu seufzte. „Sir, dieses ... dieser Computer ist eigenartig. Als ich auf dem Stuhl saß, hatte ich nicht vollen Zugriff auf alles. Es gibt da eine Menge gesperrter Bereiche. Ich denke ..." Sie schloß den Mund und sah zu Jackson hinüber.
Der runzelte die Stirn und kreuzte die Arme vor der Brust. „Die gesperrten Bereiche haben Sie erwähnt. Aber so schnell, wie Sie sich durch die Unterprogramme gewühlt haben, dachte ich, es gäbe keine Hindernisse."
„Für den Hauptzugriff gibt es den auch nicht." Vashtu schüttelte den Kopf und kreuzte die Arme vor der Brust. „Aber ... es ist eigenartig."
„Was ist eigenartig?" ließ sich jetzt wieder O'Neill vernehmen.
Vashtu knabberte an ihrer Unterlippe. „Dieser Rechner, und ein Rechner ist es, er und der Stuhl steuerten gemeinsam diese Außenstation", erklärte sie, „er birgt jede Menge Daten unter merkwürdigen Begriffen. Und gerade auf diese Dateien habe ich keinen Zugriff."
„Was bedeutet?" O'Neill klang ein wenig gelangweilt.
„Es sieht so aus, als sei die Erde mehr als nur ein Außenposten gewesen, Sir."
Jetzt war es heraus, und die Reaktion von Jackson hätte nicht besser in einem Lehrbuch stehen können. Mit großen Augen starrte er sie verdattert an.
„Was?"
Vashtu nickte. „Dieser Rechner ist ein zusätzlicher Speicher - ein gewaltiger Speicher mit gesperrten Daten meines Volkes. Irgendjemand hat sich große Mühe gegeben, diese Daten zu sichern, sonst hätte man niemals den Stuhl hier installiert."
Sie hörte, wie O'Neill Luft holte.
„Aber alles hat bisher darauf hingedeutet, daß die Erde ..." Jackson schloß den Mund und schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Das ergibt keinen Sinn."
„Der Rechner ist jünger als die in Atlantis", fuhr Vashtu fort. „Wie ich es im Moment sehe, handelt es sich um wissenschaftliche Aufzeichnungen, zumindest deuten die Namen der einzelnen Dateien darauf hin. Aber sie stammen weder von der Erde noch von Atlantis, soviel kann ich sagen. Da gibt es noch etwas."
„Ist das möglich, Daniel?" fragte O'Neill nachdenklich.
Der Wissenschaftler musterte die Antikerin, dann nickte er. „Wir wissen noch sehr wenig über die Antiker. Miss Uruhk kann uns auch nicht sehr viel weiterhelfen mit ihrem Wissen. Wir haben jetzt eine ungefähre Geschichtsschreibung dank ihr, und aus den Aufzeichnungen aus Atlantis geht hervor, daß es noch mindestens eine ähnliche Stadt gegeben hat. Möglich ist es, daß es noch mehr interstellare Raumschiffe wie diese Stadt gab."
„Sie verstehen nicht!" Vashtu richtete sich auf. „Das sind nicht die Aufzeichnungen einer fliegenden Stadt. Es gibt kein Heliopolis, Dr. Jackson, zumindest ..." Sie wischte ihren eigenen Einwand mit einer ungeduldigen Geste aus dem Raum. „Das sind die Daten einer Forschungseinrichtung, einer festen Forschungseinrichtung irgendwo jenseits dessen, was wir bis jetzt gewußt haben. Selbst ich hatte davon keine Ahnung!"
„Was heißt das?" fragte O'Neill alarmiert.
Vashtu biß sich auf die Lippen, nickte dann, als müsse sie sich selbst bestätigen. „Diese Einrichtung war mindestens so geheim wie Ihre AREA 51 oder das SGC, Sir. Davon hatte außerhalb des Rates und einiger Eingeweihter niemand auch nur eine Ahnung! Was immer diese Stadt betraf, es scheint, als wäre es direkt über den Rat gelaufen." Sie atmete tief ein. „Und diese Stadt war offensichtlich weit abgelegen in einer anderen Galaxie, gerade noch erreichbar für die Speicher von Atlantis. Dieser Außenposten wurde errichtet, um die Daten dieser Stadt zu sichern und sie dem Rat zugänglich zu machen - nur dem Rat!"
Wieder atmete O'Neill ein.
„Woher wissen Sie das, wenn Sie keinen Zugang zu den Daten haben?" fragte Jackson irritiert.
„Weil ich es versucht habe und nicht hineinkam, Dr. Jackson", erklärte die Antikerin kühl.
„Und woher kamen diese Daten, von denen Sie sprechen, Vashtu?" erkundigte O'Neill sich.
„Ich konnte die Transmissionen mit dem Stuhl zurückverfolgen", antwortete Vashtu. „Die Übertragungen wurden über Atlantis verstärkt, lagen aber noch weiter entfernt als die Pegasus-Galaxie. Mittels der Sternenkarte meines Volkes habe ich den Standort etwas eingrenzen können. Er liegt definitiv so weit draußen, daß ..."
„Letztes Jahr, kurz nach Ihrer Abreise von Atlantis, wurde an der Grenze der Pegasus-Galaxie ein Schiff Ihres Volkes entdeckt, Miss Uruhk. Die Besatzung befand sich in Stasis, war aber nicht mehr zu retten. Aurora, so der Name. Wissen Sie etwas über dieses Schiff?"
„Aurora?" Vashtu runzelte die Stirn. Dann nickte sie. „Ja, es war ein schwerer Kreuzer, wie Sie heute sagen würden. Allerdings verfügte er noch nicht über einen intergalaktischen Antrieb."
„Die Wraith haben sich in die Daten dieses Schiffes eingeschlichen und wollten die Besatzung zwingen, den Antrieb zu modifizieren", fuhr O'Neill fort. Ein lautes Rascheln, offensichtlich las er gerade den Bericht.
Vashtu holte tief Atem. „Konnte der Kurs dieses Schiffes zurückverfolgt werden, Sir?" Ihre Augen weiteten sich.
„Dr. McKay hat es wohl versucht, ist aber gescheitert."
Vashtu keuchte und stützte sich an dem Schreibtisch ab.
„Was denken Sie?" erkundigte Jackson sich.
„Daß diese Forschungseinrichtung evakuiert werden sollte, das denke ich", sagte die Antikerin, richtete sich wieder auf. „Aber warum ausgerechnet die Aurora? Das Schiff war viel zu langsam."
  „Möglicherweise war sie gerade in der Nähe", schlug O'Neill vor.
Vashtu schüttelte den Kopf.
„Oder sie sollte Hilfe leisten und nicht evakuieren", entgegnete Jackson nachdenklich.
„Das wäre möglich. Ich muß an die Daten dieser Stadt heran!" Vashtu richtete sich wieder auf, ihr Gesicht war ernst.
„Lt. Colonel Sheppard fand heraus, daß die Aurora etwas an Bord gehabt haben soll. Einen Bericht, eine Schwäche der Wraith betreffend." Etwas schlug hart gegen etwas anderes.
„Eine Schwäche der Wraith?" Vashtu runzelte die Stirn, schüttelte dann aber den Kopf. „Davon weiß ich nichts."
„Dieser Bericht kam niemals an. Als Dr. McKay in den Rechnern der Aurora danach suchte, fand er nichts", berichtete O'Neill weiter. „Miss Uruhk, wissen Sie wirklich nichts von irgendwelchen Forschungen diesbezüglich? Immerhin ... Sie haben im Namen des Rates gegen die Wraith gekämpft. Ihnen hätte man diese Information doch zugestehen müssen."
Ein gequältes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Nein, davon wußte ich nichts. Und ich bin mir nicht sicher, ob man mir dieses Wissen überhaupt zugestanden hätte. General, für den Rat war ich eine nützliche Waffe, ansonsten aber eine persona non grata. Kam ich zurück in die Stadt, wurde ich wieder in mein Labor gesperrt bis zum nächsten Einsatz."
Sie fühlte Jacksons prüfenden Blick auf sich, stützte sich wieder auf den Schreibtisch und biß sich auf die Lippen.
„Aber Sie denken, diese Informationen könnten sich ebenfalls auf diese geheimnisvolle Stadt beziehen?" bohrte O'Neill weiter.
Vashtu nickte. „Ich bin mir sogar ziemlich sicher. Was ich gefunden habe, worauf mir der Zugriff nicht verweigert wurde, war zwar mager, wies aber eindeutig auf etwas hin, was ... Ich weiß nicht genau, wie ich es erklären soll. Auf jeden Fall wären die Ergebnisse der Forschungen dieser Stadt für Atlantis wichtig, wenn dort tatsächlich an einer Waffe gegen die Wraith gearbeitet wurde."
„Aber eine Stadt, noch dazu eine reine Forschungsanlage der Antiker ... Was mag es dort alles geben?" Jacksons Augen glänzten in einem unirdischen Licht, als sie ihm einen Blick zuwarf. Vashtu runzelte wieder die Stirn.
„Wie sieht es mit ein bißchen Zauberei aus, wie Sie ihn in Atlantis betrieben haben, Vashtu?" erkundigte O'Neill sich. „Dort wurde Ihnen der Zugriff doch auch zunächst verweigert."
„Daran habe ich auch schon gedacht, Sir ..." Vashtu zog den Kristall unter ihrem Thermopullover hervor und musterte ihn genau. „Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das gelingen wird."
„Versuchen Sie es."
„Sie haben da ... Ist das ein Datenkristall?"
Vashtu nahm sich die Kette ab und hielt den Kristall vor ihr Gesicht. „Ein Steuerkristall, Dr. Jackson. Auf Atlantis habe ich damit uneingeschränkte Rechte. Wie es hier allerdings aussieht, weiß ich noch nicht."
„Dann sollten Sie es herausfinden. Daniel, zunächst einmal habt ihr grünes Licht ... Solange ihr nicht wieder irgendwelche ZPMs entladen wollt für eine Reise durch das Gate." 

*** 

Vashtu schob den Kristall vorsichtig in die kleine Ausbuchtung. Sofort leuchtete er auf. Ein Summen durchzog das Kontrollzentrum und auch die anderen beiden Panels leuchteten auf, die bis jetzt stumm und dunkel gewesen waren.
„Er nimmt ihn an!" Ein leises Triumpfgefühl wollte sie beschleichen. Doch als sie sich umsah, versank es wieder.
„Und jetzt?" Jackson drehte sich um, betrachtete aufmerksam die Wände und die Decke. „Keine Darstellung, kein Bildschirm. Wie sollen wir herausfinden, ob die Daten jetzt tatsächlich frei zugänglich sind?"
Vashtu nagte einen Moment lang an ihrer Unterlippe, dann grinste sie. „Der Kontrollstuhl!" Den Wissenschaftler hinter sich wissend eilte sie zurück in die andere Nebenhöhle und blieb stehen. Der Stuhl wurde plötzlich von oben beleuchtet, von einem hellen, bläulichen Licht.
„Was hat das zu bedeuten?" Jackson beugte sich leicht vor.
„Keine Ahnung." Zögernd trat die Antikerin nun doch näher und streckte ihre Hand aus. Ein Flimmern legte sich sanft auf ihre Haut, ansonsten geschah nichts. „Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen ..."
„Autsch!" Jackson hatte auch das helle Leuchten zu berühren versucht, hielt sich jetzt mit schmerzhaft verzogenem Gesicht die Hand. „Es ist ein Kraftfeld."
Vashtu hob eine Braue, drehte sich dann wieder um und musterte das Licht. „Also habe ich jetzt eine gewisse Freigabe. Das Kraftfeld akzeptiert meine Daten." Sie runzelte die Stirn und zögerte. „Aber ob der Stuhl und die Programme das tun werden ... ?"
„Probieren Sie es schon aus." Jackson kniff die Lippen aufeinander, richtete sich wieder auf. „Ich komme da nicht rein, Sie schon. Also los!"
Vashtu warf ihm einen zweifelnden Blick zu, trat dann aber doch näher an den Stuhl heran. Das Kraftfeld umschloß sie mit einem sanften Glühen. Ansonsten geschah nichts.
Die Antikerin atmete tief ein, dann wandte sie sich dem Stuhl zu, stützte ihre Hände auf den Gelkissen der Lehnen ab und setzte sich wieder. Scharfer Schmerz zuckte durch ihre Linke. Als sie sie hob, sah sie einen Tropfen Blut aus der Handfläche quellen. „Autsch!" Sie schüttelte die Hand aus, versuchte sich vorzubeugen und die Lehne nach einem scharfen Gegenstand zu untersuchen. Dann aber ging ihr auf, was gerade geschehen war.
„Der Stuhl ... Ich muß wohl ein genetisches Profil hinterlassen, wenn ich Zugriffsberechtigung erreichen will."
Jackson auf der anderen Seite des Kraftfeldes nickte. „Probieren Sie, ob Sie jetzt die Programme öffnen können."
Vashtu atmete wieder tief ein und lehnte sich erneut zurück. Das Strahlen des Kraftfeldes dimmte sich herunter, als sie sich konzentrierte, statt dessen erschien wieder die holografische Darstellung des Hauptmenüs. Und sie sah sofort, was sich verändert hatte.
„Sieht gut aus. Wie auf Atlantis scheine ich als ... Mitglied des Rates anerkannt zu werden." Irgendwie empfand sie das als kosmischen Scherz, den Janus sich mit ihr geleistet hatte. Jahrelang hatte sie wichtige Antiker aus den Wraith-Schiffen holen müssen im Namen des Rates, jahrelang hatte man sie eingesperrt und sie am Ende sogar in der versunkenden Stadt zurückgelassen. Nur damit sie zehntausend Jahre später die Rolle eben derer einnahm, die ihr so übel mitgespielt hatten.
  „Klappt es?"
Vashtu nickte, konzentrierte sich auf ein Programm, das ihr vorher verwehrt worden war. Diesmal aber leuchtete der Name auf, die Darstellung unter der Höhlendecke änderte sich und zeigte ihr einige Unterdateien.
„Vineta ..." wisperte sie nachdenklich, konzentrierte sich auf die erste und öffnete sie.
Die schematische Darstellung einer Stadt erschien unter der Decke, abgegrenzt in drei Bereiche und geformt wie ein Auge.
„Das ist ... ?"
Vashtu zoomte mittels Gedanken die Darstellung heran. „Die drei Teile der Stadt Vineta", antwortete sie. „die Forschungseinrichtungen liegen im Westen, die militärische Basis im Osten. In der Mitte der Zentralturm und die Wohneinheiten. Moment ..."
Die Darstellung veränderte sich zu einem dreidimensionalen Bild.
„Wow!"
Vashtu nickte.
Was ihr da gezeigt wurde, hatte sie noch nie gesehen. Die Stadt wuchs nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Tiefe. Nach unten war sie fast ebenso groß wie nach oben. Nur daß sich dort ...
  „Labore und ..." Sie stockte. „Was?" Verwirrt betrachtete sie die Anzeigen.
„Labore und was?" Jackson drehte sich zu ihr um. „Was meinen Sie?"
Vashtu schluckte, als sie begann zu begreifen. Schnell änderte sie die Anzeige, konzentrierte sich wieder auf die obere Hälfte der Stadt.
Vorsichtig ließ die die Darstellung an den Hauptkomplex heranzoomen, drang in den Zentralturm ein. Er war wesentlich kleiner als der von Atlantis, aber dennoch architektonisch relativ gleich und ebenfalls recht zentral gelegen, wenn auch nicht vollständig in der Mitte.
„Es gibt ein Sternentor!"
Die innere Darstellung des Zentralturms enthüllte weitere Ähnlichkeiten zu Atlantis. Doch da, wo in der ehemals versunkenen Stadt ein Jumperhangar gewesen war, war nichts als ein großes Tor nach draußen.
„Was hat das zu bedeuten? Was ist das?" Jackson reckte sich. „Das ist unglaublich!"
„Die Baupläne, Doc. Jedes Detail ist festgehalten worden. Vineta muß schon von vorn herein als geheime Basis vom Rat angelegt worden sein."
Sie verließ die innere Darstellung, folgte dem Verlauf nach links und kam bei etwas eigenartigem an.
  „Eine Pyramide?" Jackson klang ungläubig. „Sind Sie sicher, daß diese Stadt von Ihren Vorfahren stammt?"
Vashtu ließ die innere Struktur aufleuchten und blinzelte ungläubig. „Ein Jumperhangar! Die Pyramide ist ein Jumperhangar. Aber warum außerhalb des zentralen Turms?"
Sie konzentrierte sich auf das Äußere und erstarrte. „Das gibt es doch nicht!"
„Die Stadt ... Vineta? ... Sie liegt ..."
„Sie befindet sich unterirdisch in einem Höhlensystem." Vashtu schüttelte ungläubig den Kopf und wechselte einen Blick mit Jackson.
„Das Sternentor", sagte dieser.
Sie nickte, konzentrierte sich wieder darauf und rief die Daten ab. Dann aber stutzte sie wieder. „Es ist nicht intergalaktisch!"
„Aber wie ... Sie sagten doch, es gab zumindest einen Datenaustausch zwischen ... wie sagten Sie, heißt die Stadt?"
„Vineta. Die Stadt hieß Vineta." Vashtu runzelte die Stirn. „So steht es zumindest in den Protokollen. Aber ich verstehe nicht, wie sie je in Kontakt mit Atlantis oder der Erde treten konnten."
Sie verließ das Programm, rief ein anderes auf und las sehr aufmerksam die dortigen Daten.
„Was steht da?"
Ungeduldig schüttelte sie den Kopf und las weiter. Ihre Verwirrung steigerte sich noch. „Das verstehe ich nicht", murmelte sie schließlich.
„Was?"
„Es gibt nicht ein intergalaktisches Sternentor in dieser Galaxis. Dennoch aber hatten sie Kontakt zumindest nach Atlantis. Es muß etwas ähnliches wie eine GateBridge gegeben haben. Aber ..." Sie scrollte den Text weiter hinunter. „... aber die Wraith haben es zerstört. Was ... ?" Wieder stockte sie und atmete tief ein. „Die Aurora wurde tatsächlich nach Vineta geschickt, Doc. Sie sollte die neuesten Ergebnisse holen. Es hieß ..." Sie atmete tief ein, murmelte dann etwas in ihrer Muttersprache. „Sie haben etwas erschaffen, im Namen des Rates! Etwas ... etwas unvorstellbares?" Sie verstummte.
  Der Rest des Beriches fehlte. Es hatte irgendeine Störung in der Übermittlung gegeben.
Sie öffnete eine andere Datei, las auch diese aufmerksam. „Das gibt es doch alles nicht!" entfuhr es ihr. Immer wieder schüttelte sie ungläubig den Kopf.
„Machen Sie langsamer, Miss Uruhk. Ich komme nicht mehr mit." Jacksons Stimme klang ungeduldig.
Vashtu las weiter, erhielt einen Link zu Forschungsergebnissen und öffnete diesen.
„Genetik ..." Sie runzelte die Stirn.
„Was?"
„Es wurden genetische Experimente durchgeführt. General O'Neill hatte recht mit dem Bericht. Vineta forschte im Namen des Rates nach etwas, was sie gegen die Wraith anwenden konnten", faßte Vashtu zusammen, was sie las.
„Aber wieso? Es gab doch mehr als genug Forschungen in und um Atlantis zu diesem Thema?" fragte Jackson verwirrt.
„Gute Frage ..." Wieder eine andere Datei, die sie öffnete, nachdem das Programm auf ihre Gedanken reagiert hatte.
„Der Rat ... ?" Wieder runzelte sie die Stirn.
So wie sie es interpretierte, hatte der Rat auf Atlantis tatsächlich vorsätzlich die Forschungen vor Ort unterbunden, die Ergebnisse aber nach Vineta weitergeleitet. Aber warum?
Vashtu schüttelte den Kopf und blinzelte.
Warum sollte der Rat die Forschungen im wesentlich näher gelegenen Atlantis untersagen, um sie dann in einer fernen Galaxie doch weiter fortzuführen? Warum wurden die Wissenschaftler der Lantianer in ihren Rechten beschnitten und die in der Ferne mit eben deren Ergebnissen überschüttet. Das ergab keinen Sinn für sie.
„Moment!"
Wieder eine neue Datei. Sie stutzte. Hatte es da nicht einen Zwischenfall auf Atlantis gegeben?
Sie holte tief Atem.
„Oh nein!" entfuhr es Jackson neben ihr und riß sie damit aus ihren Überlegungen.
Die Forschungen an einem künstlichen Virus. Mittels Nanotechnologie sollte etwas erschaffen werden, das ... Menschen tötete! Den Wraith sollte damit die Nahrung entzogen und sie ausgehungert werden.
Vashtu schloß die Augen. „Das kann nicht sein!" stöhnte sie auf.
Einen Moment lang war sie tatsächlich versucht, sofort den Kontrollstuhl zu verlassen. Doch dann riß sie sich wieder zusammen und las weiter.
Wie paßte das alles zusammen? Wieso hatte der Rat, der alle Forschungen nach und nach unterband, die vielleicht ein Mittel gegen die Wraith gefunden hätte, eine ganze Stadt unterhalten und dort unaussprechliche Forschungen genehmigt? Wieso Zuchtfarmen? Was für Zuchtfarmen?
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit darauf und wühlte sich durch andere Daten. Und was sie las ...
Forschungen, unmenschliche Forschungen! Die Wissenschaftler von Vineta hatten, wieder im Auftrag des Rates, an etwas gearbeitet, einem Hybridwesen. Einem Wesen, künstlich gezüchtet mit veränderten Genen.
Vashtu schluckte hart. Ihre eigenen Forschungsergebnisse standen da zu lesen. Die Gentherapie, der sie sich selbst unterzogen hatte, nachdem sie die Fehler fand, die Enkil das Leben kosteten.
Der Rat hatte sie ... wieder einmal! ... benutzt! Man hatte sie eingesperrt, sie auf Selbstmordmissionen geschickt, um wichtige Persönlichkeiten zu retten.
Und ihre Forschungen, ihre Blutproben, die Aufzeichnungen vom Verlauf der Therapie und ihrer Wirkung auf sie - all das war nach Vineta gegangen und dort ... pervertiert worden!
Vashtu schüttelte den Kopf, als sie weiterlas. Sie konnte einfach nicht glauben, was dort stand. Das war einfach unmöglich!
Und doch flimmerte es ihr von der Decke der Eishöhle entgegen. Vineta hatte die Forschungen, ihre Forschungen!, weitergeführt. Sie hatten mit den Genen herumgespielt. Mit den Genen von ... Sie sog scharf Luft in ihre Lungen.
Spinnen?
Allmählich verstand sie gar nichts mehr. Was hatten Spinnen mit den Wraith zu tun? Warum sollte irgendjemand ... ?
Ihr Atem stockte, als sie die letzten Einträge las.
Die Wissenschaftler von Vineta hatten, wie die Menschen sagen würden, Gott gespielt und mit etwas experimentiert, was sie nicht beherrschen konnten. Sie hatten eine neue Rasse geschaffen. Eine Rasse, die sich gegen ihre Schöpfer auflehnte.
Vineta war nie verlassen worden!
Devi ...
Vashtu schloß die Augen.
Nein, das konnte nicht sein! Das durfte einfach nicht sein.
Durch ihre Forschungsergebnisse waren die Wissenschaftler in Vineta fündig geworden. Endlich war etwas entstanden, endlich war es geglückt. Ein intelligentes Wesen war entstanden, bald darauf mehr. Und diese Wesen, vernunftbegabt und zusätzlich gestärkt durch die Gene absolut fremder Rassen, hatten sich gegen ihre Schöpfer aufgelehnt und die Stadt vernichtet. Durch ihre Schuld waren tausende von Antikern umgekommen. Durch ihre Schuld war es zu einer Katastrophe gekommen, die sie nie auch nur in Erwägung gezogen hatte. Der Rat hatte ihre Ergebnisse nach Vineta weitergeleitet, und die Wissenschaftler dort hatten in ihren Unterlagen die Lösungen für ihre eigenen Probleme gefunden und damit einen Holokaust in dieser unvorstellbar weit entfernten Galaxie ausgelöst.
Vashtu stöhnte leise.
„Was ist los? Sie sehen plötzlich so blaß aus?"
Die Antikerin schluckte, schüttelte dann den Kopf und ließ den Stuhl zurückfahren in seine Ausgangsposition. „Wir sollten nicht weiter daran rühren, Dr. Jackson. Das ist ... Da ist etwas passiert, womit niemand gerechnet hat."
Jackson musterte sie noch immer forschend, sie konnte seinen Blick auf sich spüren.
Tief atmete sie ein, erhob sich dann.
Sie würde das nicht weiter verfolgen. Ihretwegen konnten die Speichermedien zerstört werden. Sie wollte nichts mehr von dieser Stadt wissen. Was auch immer da geschehen war, es war zu einem großen Teil ihre Schuld gewesen. Hätte sie die Gentherapie nicht verfeinert und die Fehler ausgemerzt, nie hätte Vineta das Desaster erlebt, was es nun aber hinter sich hatte. Niemals wären die Wissenschaftler dort soweit gekommen, nie hätte es diesen Massenmord gegeben.
Sie konnte nur hoffen, daß die letzten Überlebenden so klug gewesen waren, das Sternentor irgendwie zu zerstören oder zumindest untauglich zu machen. Und daß die Devi, diese künstlichen Hybridwesen, die dank ihr geschaffen worden waren, inzwischen ausgestorben waren und niemals wieder auferstehen würden.
„Sie sind erschöpft." Plötzlich klang Jacksons Stimme mitfühlend. Ein Klang, den sie sich gegenüber bei ihm noch nie wahrgenommen hatte.
Sie hob den Kopf und starrte ihn an. „Wir sollten das nicht weiter verfolgen, Doc. Vineta ist zerstört worden, von etwas ... von etwas, was sich gegen die Stadt gerichtet hat. Es gab keine Informationen über eine Schwäche der Wraith."
„Sicher?"
Sie hatte den Namen ihres Vaters auf einer Liste gefunden. Er war in Vineta, während sie in Atlantis in ihrem Labor eingesperrt gewesen war. Er war nicht mehr dort gewesen, als der Holokaust begann, sondern ...
Vashtu barg das Gesicht in ihren Händen und schüttelte den Kopf.
Das war zuviel! Das war viel zuviel! 

*** 

„Was soll das heißen, sie weigert sich, die Daten noch einmal aufzurufen?" O'Neills Stimme klang verwirrt. „Daniel, was habt ihr da gefunden?"
Jackson zögerte, dann zuckte er mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, Jack. So schnell wie sie sich durch die Daten gefressen hat, hatte ich keine Chance, mehr als einzelne Bruchstücke zu verstehen. Und was sie gesagt hat ..."
„Wo ist sie?"
„Mit den Piloten von MacMurdo unterwegs." Jackson kniff die Lippen zusammen. „Jack, du hättest das sehen sollen! Diese Frau hat ..."
„Ich habe durchaus eine Vorstellung von dem, was Vashtu tun kann, Daniel. Meinst du, sie hält Informationen zurück?"
Der Wissenschaftler war sich da ziemlich sicher. Aber er hatte auch gesehen, wie es der Antikerin plötzlich zugesetzt hatte, was sie über diese eigenartige Stadt gelesen hatte. Plötzlich hatte sie wirklich gewirkt, als wäre sie zehntausend Jahre alt.
„Daniel?" O'Neill klang ungeduldig.
„Ich ..." Zum ersten Mal hatten er und Vashtu Uruhk richtig zusammengearbeitet. Und was auch immer sie mehr wußte als er, es hatte sie sehr erschreckt und noch mehr zugesetzt. Diese Reaktion von einer Frau, die über Jahre eingesperrt gewesen war während der letzten Zeit, in der ihr Volk noch in Atlantis lebte, erschreckte auch ihn.
„Hält sie etwas zurück?"
„Nein! Nein, sie hat alles gesagt, was sie herausfinden konnte." Jackson schüttelte den Kopf.
„Habt ihr herausfinden können, wo dieses Dingsda liegt?"
Sie hatte sich nicht dazu geäußert. Er wußte wirklich nicht, ob sie die Lage der Stadt herausgefunden hatte, doch er nahm es nicht an, zumindest nicht eindeutig. Soweit er mitgelesen hatte, war nirgends eine Gate-Adresse gespeichert oder der Name der Galaxie genannt worden, in dem die unterirdische Stadt gelegen hatte.
„Vineta, Jack, die Stadt hieß Vineta." Jackson seufzte. Eine Allegorie, wieder einmal. Und wie in der irdischen Sage schienen sich die Einwohner dieser Stadt Vineta einen sehr mächtigen Feind geschaffen zu haben. Einen wirklich sehr mächtigen Feind, wenn er die Reaktion der Antikerin bedachte.
„Dann eben Vineta. Wißt ihr, wo es gelegen hat?"
„Nein. Es gibt keine Gate-Adresse. Wenn überhaupt, haben wir mit viel Glück vielleicht eine Chance von Atlantis aus, weil die Daten von dort hierher übertragen wurden. Aber ich würde mich nicht darauf verlassen, wenn ich bedenke, wie sehr der Rat offensichtlich darauf bedacht gewesen ist, Vineta geheim zu halten. Ganz davon abgesehen, daß sie sehr wahrscheinlich weit außerhalb der Reichweite unseres Sternentores liegt. Vergessen wir es, Jack."
„Und Vashtu sagt, es gibt keine Schwachstelle?"
„Genau das hat sie gesagt."
Warum beschlich ihn bei diesen Worten nur ein so ungutes Gefühl?
„Bist du sicher? Ich erinnere mich da noch ..."
„Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe Miss Uruhk gesehen", fiel Jackson seinem ehemaligen Teamleader ins Wort. „Und wenn du sie gesehen hättest, würdest du auch von weiteren Forschungen Abstand nehmen. Ich weiß auch, daß wir möglicherweise eine einmalige Chance verwerfen, aber uns bleibt keine andere Wahl. Ich kann sie nicht auf diesen Stuhl zwingen, ganz abgesehen davon, daß sie den Steuerkristall wieder an sich genommen hat. Sie wird keine weiteren verschlüsselten Daten mehr über Vineta öffnen, das ist sicher!"
„Aber möglicherweise ..." O'Neill schwieg plötzlich nachdenklich.
„Ja, möglicherweise, wie ich schon sagte. Aber ... Oh Mann, Jack! Du hast ja keine Ahnung! Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe. Die gesamten Baupläne dieser Stadt sind in den externen Speichern. Sie liegt irgendwo unter der Erde, in einer entfernten Galaxis. Und damit könnte sie vielleicht ..." Er stockte, als er selbst bemerkte, wohin seine Gedanken glitten.
„Du willst also doch hin." O'Neill klang nachdenklich.
Jackson schüttelte den Kopf. „Nein, nicht nach dem, was ich habe entziffern können. Und es wäre besser, wenn wir Vineta ganz schnell aus unserem Gedächtnis streichen. Selbst wenn wir dort eine Waffe gegen die Ori finden würden, wir würden vielleicht auf etwas anderes treffen. Etwas, das die Antiker aus der Stadt vertrieben hat."
„Wraith?"
„Ich habe gegen Ende der Sitzung mehrfach den Namen Devi gelesen. Und nach dem, was da stand ... sind die Wraith noch harmlos."
„Also hast du doch mehr entziffern können!" O'Neill triumphierte.
„Ein wenig auf die Schnelle." Jackson sah sich in dem Büro des Leiters von MacMurdo um, kreuzte dann die Arme vor der Brust. „Lassen wir es. Das wäre zuviel für uns. Und Atlantis sollten wir ebenfalls warnen. Wenn diese Devi noch leben sollten, wollen die sich bestimmt nicht mit ihnen anlegen, glaube es mir."
O'Neill seufzte. „Wie du meinst, Daniel. Aber ich behalte mir einen Einspruch immer noch vor." 

*** 

Vashtu trat aus dem Aufzug, schaltete den Generator ein und sah sich aufmerksam um. Dann ging sie langsam in die Seitenhöhle, in der der Kontrollstuhl stand, und noch weiter. An ihrem Ziel angekommen steckte sie den Steuerkristall wieder in die Höhlung, dann kehrte sie zurück und ließ sich auf dem Antikerstuhl nieder.
Sie atmete tief ein, konzentrierte sich und begann zu lesen.
Unter fremdem Einfluß by Hyndara71
„Und wenn Sie einfach die Potenz aus der linearen Abgleichung der Koordination nehmen", Vashtu Uruhk runzelte die Stirn, „das ganze dann multiplizieren und den Wert an Pi angleichen? Damit müßte sich Ihr Problem doch gelöst haben."
Dorn warf ihr einen irritierten Blick zu, doch die Antikerin ließ sich nichts anmerken, stapfte weiter durch das kniehohe Gras.
„Nein, nein, nein! So geht das aber nicht!" Peter Babbis schüttelte den Kopf. „Sie können doch nicht einfach irgendeinen Wert an Pi angleichen! Das würde sämtliche Werte erst recht verfälschen." Hilflos gestikulierte er, als wolle er Fliegen verscheuchen. „Die Maßenangleichung in der höheren Potenz zu berechnen ist unmöglich! Vashtu, wo haben Sie denn rechnen gelernt?"
Die Antikerin gab ihr Pokerface auf und grinste in sich hinein. „War ja nur als Hilfestellung gedacht, da Sie ja solche Probleme mit dieser Berechnung haben."
„Das ist keine Hilfe, das ist ..." Babbis stockte, als er einen Blick in ihr Gesicht warf. Dann wurde er plötzlich puterrot. „Das ist doch ... ! Sie grinsen ja!" Entrüstet schob er die Unterlippe vor. „James, sieh dir das nur einmal an. Diese Frau gibt gerade den größten Blödsinn der Welt von sich, und sie grinst auch noch dabei!"
Dr. James Wallace drehte sich kurz um, dann ging er schulterzuckend weiter, die Augen wieder auf den Boden gerichtet.
„Geben Sie es zu, Sie wollten mich die ganze Zeit hochnehmen!" beschwerte Babbis sich.
Vashtu nickte. „Stimmt, Doc", antwortete sie, tauschte wieder einen Blick mit dem alternden Sergeanten. „Weil das im Moment nichts mit unserem Auftrag zu tun hat. Wir sind nicht hier, um irgendwelche Maßenangleichungen zu berechnen." Mit einem Finger tippte sie auf sein gezücktes Palmtop. „Lassen Sie Ihre Doktorarbeit bitte zu Hause, wenn wir anderweitig beschäftigt sind."
  „Anderweitig beschäftigt?" Babbis warf einen demonstrativen Blick um sich. „Hier ist doch nichts!"
  Das allerdings mußte die Antikerin zugeben. Sie stützte die Arme auf ihre P-90 und runzelte die Stirn, während sie sich auf dieser fremden Welt umsah.
SG-4 hatte gemeldet, hier über etwas gestolpert zu sein, mit dem das Team nichts anzufangen wußte. Da aus den Aufzeichnungen hervorgegangen war, daß die Gestalt, auf die sie getroffen war, offensichtlich Vashtus Muttersprache gebraucht hatte, hatte General Landry beschlossen, wenn auch nach längerem Intervenieren der Antikerin, SG-27 die Sache untersuchen zu lassen.
Ihr erster Fremdwelteinsatz seit der Sache mit dem Supersturm.
Vashtu seufzte und holte ihren Energiedetektor aus der Brusttasche der Überlebensweste, nachdem sie sich noch einmal umgesehen hatte.
„Ach, jetzt geht das wieder los!" Babbis warf ihr einen beleidigten Blick zu, den sie jedoch kaum bemerkte.
Sie aktivierte das Gerät und blieb stehen. Stirnrunzelnd las sie die Anzeigen ab. „Komisch ..." Sie drehte sich ein paarmal um die eigene Achse, als müsse sie sich erst orientieren.
„Mam?"
Vashtu hob die Hand, kontrollierte noch einmal die Anzeige, dann wies sie in eine bestimmte Richtung und sah auf. Eine niedrige Bergkette schien das Ziel ihrer Suche zu sein.
Aber ... ?
„Bin ich eine Gemse?" beschwerte Babbis sich.
Vashtu steckte den Detektor wieder weg und schüttelte den Kopf. „Tja, offensichtlich sind wir das alle nicht, Peter", antwortete sie wie auf eine ernstgemeinte Frage. „Trotzdem sieht es aus, als müßten wir ein bißchen klettern. Meine Herren?" Sie trat die Führung an und nickte Dorn im stummen Einverständnis zu.
Der Marine ließ sich daraufhin ans Ende der Gruppe zurückfallen und behielt die beiden Wissenschaftler scharf im Auge.
Babbis schloß wieder zu ihr auf, während die Antikerin ihre Sonnenbrille aus einer Befestigung an der Schulter löste und sich auf die Nase setzte.
„Sind Sie sich eigentlich sicher, daß Sie schon wieder fit sind? James hat mir da etwas erzählt." Jetzt klang die Stimme des jungen Wissenschaftlers plötzlich etwas besorgt.
Vashtu warf ihm einen halben Blick zu. „Wenn Wallace auf die Sache mit dem Motorrad anspielt ..." Sie zuckte mit den Schultern.
„Nein, eher auf Ihre Strafversetzung nach Antarktica. Was hat es dort gegeben?"
Wieder wurde ihr Gesicht ausdruckslos. Sie zuckte mit den Schultern. „Es ging darum, ob ich mit dem Kontrollstuhl umgehen kann oder nicht. Die Antwort ist ja."
„Hä?"
„Ich kann mit diesem Stuhl umgehen. Ist gar nicht mal so schwer. Außerdem hatte ich ja schon eine ungefähre Vorstellung von dem, was mich erwartete." Vashtu stapfte weiter. Auf keinen Fall würde sie noch mehr erzählen. Die andere Sache, die sich in Antarktica zugetragen hatte, ging niemanden etwas an.
„Dann können Sie also wirklich für die Verteidigung der Erde eingesetzt werden, falls es soweit kommen sollte. Ist doch beruhigend." Babbis kletterte an ihrer Seite über die ersten Felsen.
„Bisher habe ich immer in der ersten Reihe gekämpft, Peter. Und genau darum empfinde ich es nicht als sehr beruhigend, plötzlich auf die Reservebank gesetzt zu werden." Vashtu kletterte über das nächste Gestein, blieb oben angekommen kurz stehen und sah sich stirnrunzelnd um.
„Als Reservebank würde ich Antarktica nun wirklich nicht bezeichnen. Eher als ..."
Ein durchdringender Schmerzensschrei erklang hinter ihnen.
Vashtu drehte sich um und sah, wie Dorn vom Weg ausscherrte und in einer Senke verschwand.
„Wallace!" Gekonnt sprang sie von dem Felsen herunter, schlug Babbis kurz auf den Arm und hetzte den Weg zurück, den sie gerade gekommen waren.
Weit war es nicht, bis sie zu der Senke kam. Und dort, wie erwartet, hockte Wallace mit schmerzverzerrtem Gesicht und hielt sich den Knöchel.
„Nicht schon wieder!" stöhnte die Antikerin, warf Dorn einen langen Blick zu. Der Marine zuckte nur hilflos mit den Schultern.
„James? Was hast du denn jetzt wieder angestellt?" Babbis drängte sich an ihr vorbei und beugte sich über den Verunglückten.
Vashtu hockte sich neben ihn, suchte Wallaces Blick. „Geht es? Sollen wir ein Notfallteam rufen?" fragte sie.
Babbis warf ihr einen fragenden Blick zu, doch sie reagierte nicht darauf.
„Ich bin umgeknickt!" stöhnte Wallace auf.
„Natürlich bist du das." Babbis seufzte ergeben. „James, das nächste Mal solltest du wirklich in der Nähe des Tores bleiben. Das scheint wirklich sicherer für dich zu sein."
„Nicht wenn ein Wurmloch eingeht ..." murmelte die Antikerin düster.
Irritiert blinzelnd drehte er sich zu ihr um. „Was?"
Vashtu winkte ab und richtete sich wieder auf. „Geht es wieder?"
Wallace starrte vorwurfsvoll zu ihr hoch. „Warum müssen Sie uns eigentlich immer in unwegsames Gelände führen?" Trotzig wie ein kleines Kind schob er die Unterlippe vor.
Babbis konnte fühlen, wie die Antikerin plötzlich Distanz suchte, er mußte gar nicht hinsehen. Und, das mußte er leider auch zugeben, er konnte sie nur zu gut verstehen. Manchmal war ihm selbst schon ein bestimmter Gedanke durch den Kopf gegangen. Doch bisher hatte er sich immer geweigert, ihn auch laut auszusprechen.
„Dorn, Peter, Sie beide bringen Wallace zum Gate zurück. Ich sehe mich hier noch ein bißchen um. Die Energieanzeige scheint sehr nahe zu sein", befahl Vashtu nun.
„Aber ..." Babbis sah auf.
Die Antikerin blickte stirnrunzelnd zu ihm nieder, schüttelte schließlich den Kopf. „Nein, Doc, heute nicht. Hier gibt es keine Gefahr. Serge?"
Dorn nickte und trat näher, während Vashtu die Felsen wieder hinaufkletterte.
Babbis sah ihr einen Moment lang nach, dann half er seinem Kollegen auf und ließ den Größeren sich auf ihn stützen.
„Sie tut es schon wieder!" hörte er Wallace flüstern. „Sie benimmt sich schon wieder wie Sheppard. Immer mit dem Kopf durch die Wand!"
Babbis wechselte einen kurzen Blick mit Dorn, nickte dem Militär zu, dann gingen sie langsam los, Richtung Sternentor.
Wallace knurrte immer noch etwas vor sich hin, doch Babbis hörte ihm nicht zu.
Warum nur ständig diese Unfälle seines Kollegen? Das hatte doch schon nichts mehr um Ungeschicklichkeit zu tun. Eher schien es, als weigere Wallace sich strickt, im Team mitzuarbeiten.
  „Wir sind gleich da. Wird schon", brummte Dorn auf der anderen Seite.
Babbis seufzte.
Sie waren seit einigen Wochen nicht mehr auf einem Fremdwelteinsatz gewesen. Ehrlich gesagt, er hatte sich gefreut, mal wieder von der Erde fortzukommen und seinen Kontakt zu der Antikerin vielleicht noch ein wenig zu stärken. Sie arbeiteten beide ganz gut zusammen, hatte er jetzt schon mehrfach feststellen können. Und gerade diese Tatsache verwirrte ihn auch. Bisher war er noch niemandem begegnet, mit dem er so gut hatte zusammenarbeiten können wie mit ihr.
„Dorn! Zurück! Ich ..."
Alarmiert blieben die beiden gesunden Mitglieder von SG-27 plötzlich stehen, als sie die, durch die Funkwellen verzerrte Stimme ihrer Teamleaderin hörten. Vor allem, daß der Spruch mittem im Satz aufhörte, beunruhigte sie.
Babbis und Dorn wechselten einen langen Blick, dann ließen sie Wallace zeitgleich los und rasten zurück zu den Felsen. Der Wissenschaftler hinter ihnen heulte auf und rief ihnen etwas nach, doch sie hörten nicht darauf.
Babbis' Beine waren länger, sein Körper jünger, so war es kein Wunder, daß er den alternden Sergeanten allmählich hinter sich zurückließ. Sorge breitete sich in seinem Geist immer weiter aus.
  Was, wenn der Antikerin etwas passiert war? Was, wenn diesmal sie einen Unfall hatte?
Er wagte gar nicht, sich vorzustellen, was das wohl bedeuten mochte. Er wollte sie nicht verlieren, weder als Anführerin noch als Kollegin. Viel zu schwer fiel es ihm, mit anderen zusammenzuarbeiten.
  „Da!" hörte er Dorn hinter sich rufen, kaum daß sie Felsen wieder erreicht hatten und blickte auf. Der rötliche Qualm einer Notfackel schraubte sich in den blauen Himmel.
Schnell und ungeschickt kraxelte er über die nächsten Felsen, was Dorn wieder etwas aufholen ließ. Dann blieb er wie angewurzelt stehen und starrte auf den reglosen Körper, der auf einem niedrigen Felsen lag.
„Miss Uruhk!" Dorn stürzte an ihm vorbei.
Babbis holte nur immer wieder tief Atem, beugte sich schließlich vor. Aufmerksam sah er sich um, doch er konnte nichts finden, was irgendwie schuldig aussah.
„Sie ist bewußtlos", meldete Dorn, als er ihren Puls gefühlt hatte. „Wir müssen sie zurück zum Gate bringen, schnell!"
Babbis richtete sich wieder auf und biß sich auf die Lippen. Dann nickte er. 
*** 
„Wie geht es ihr?" Babbis kam um die Ecke und sah Dorn, der neben dem Bett saß und dumpf brütend auf ihre Leaderin hinuntersah.
„Unverändert", kam die einsilbige Antwort des Marine. Langsam sah er auf, in seinen grauen Augen stand deutlich Schmerz und Hilflosigkeit zu lesen.
Babbis wandte seine Aufmerksamkeit der schlanken Gestalt in dem Bett zu. Unwillkürlich zuckte er zusammen, als er den Schlauch sah, der aus ihrem Mund zu einem Beatmungsgerät führte. Sie war bereits im Gateroom intubiert worden, trotzdem erschreckte es ihn, sie so zu sehen.
Vashtu sah aus, als würde sie schlafen, wenn da nicht die ganzen Kabel an ihrem Körper befestigt gewesen wären. Um die andere Seite des Bettes und das Kopfende herum standen jede Menge Monitore, die alle unterschiedliche Werte aufzeichneten.
Sein Blick glitt darüber, und er schluckte.
Ihr Herzschlag war unregelmäßig, die Atmung hatte sich bereits auf dem Weg zum Gate eingestellt, so daß Dr. Lam nichts anderes übrig geblieben war, als sie zu intubieren. Wenn er es richtig las, war auch ihr Blutdruck ziemlich abgefallen. Nur ein einziger Monitor zeigte eine rege Aktivität, ein EEG? Er war sich nicht sicher.
„Was sagt Dr. Lam?" fragte er schließlich.
„Sie weiß nichts." Dorns Antwort klang dumpf. „Sie sagt es zwar nicht, aber ..."
Babbis schluckte.
Er hatte Vashtu schon verwundet gesehen, er wußte, daß Verletzungen bei ihr extrem schnell heilten. Vielleicht war das der Grund, warum sie nichts mehr hatten feststellen können, als sie sie schließlich erreichten. Aber auch auf den Felsen war nichts zu sehen gewesen, zumindest nichts wirklich eindeutiges.
Eine Reaktion von Dorn ließ ihn aus seinen Gedanken fahren. Babbis drehte sich um und sah Dr. Lam hinter sich stehen. Die Ärztin starrte zu ihm hoch, als erwarte sie jeden Moment einen Angriff seinerseits.
„Sie sind ja immer noch hier, Sergeant", sagte Lam aber nur, drängte sich an dem schlacksigen jungen Mann vorbei und begann, die Werte der Bildschirme zu überprüfen.
„Wie geht es ihr?" fragte Babbis leise.
Lam drehte sich wieder zu ihm um, betrachtete ihn stirnrunzelnd. „Wenn Sie die Physiognomie der Antiker besser kennen als ich, können Sie mir gern widersprechen, Babbis", antwortete sie, „aber meiner Meinung nach nicht sonderlich gut. Ihr Kreislauf bricht immer wieder zusammen. Miss Uruhk kämpft um ihr Leben, wenn Sie mich fragen."
Babbis schluckte, senkte den Blick.
„Vielleicht sollten Sie sich auch nach Dr. Wallace erkundigen. Er jedenfalls fragte nach Ihnen beiden", fuhr Lam fort. „Hier können Sie ohnehin nichts tun."
„Aber ..." Babbis schloß den Mund. Er wußte selbst nicht, was er hatte sagen wollen.
„Hören Sie mir zu, Mr. Babbis", sagte die Ärztin im bestimmten Ton, betonte dabei sehr deutlich das Mister, „Ihre Leaderin liegt im Koma und wir wissen nicht warum. Ich habe keine Ahnung, was sie alle dazu verleitet hat, sich zu trennen, aber einen wirklichen Grund kann es für eine solche Schlappe meines Wissens nicht geben. Miss Uruhk war allein, als ihr - was auch immer - zustieß. Das ist keine wirklich effektive Teamarbeit, wenn Sie mich fragen." Jetzt musterte sie auch Dorn vorwurfsvoll. „Sie alle wissen, daß Miss Uruhk wichtig ist in dem Kampf, der uns bevorsteht. Statt sie allein gehen zu lassen, hätte sich wenigstens einer von ihnen finden sollen, der bei ihr war. Wenn sie jetzt nämlich stirbt, sind wir soweit wie vor einem Jahr. Die Gefahr für die Erde wird nicht kleiner, und Miss Uruhk hat von allen mit dem ATA-Gen die am weitest entwickelten Fähigkeiten."
„Sie ist eine Antikerin." Babbis ließ den Kopf hängen.
„Miss Uruhk befahl uns, zum Tor zu gehen", wandte Dorn ein.
Babbis nickte. „James hatte einen Unfall und konnte nicht mehr weiter. Miss Uruhk wollte uns gleich folgen, nur noch kurz etwas überprüfen." In hilfloser Wut ballte er die Hände zu Fäusten. „Dr. Lam, bei allem nötigen Respekt Ihnen gegenüber, aber zumindest ich vertraue meiner Leaderin soweit, daß sie durchaus auch einmal ein paar Minuten auf sich selbst aufpassen kann - zumal auf einem fremden Planeten!"
Lam starrte ihn kurz an, dann drehte sie sich wieder um und las weiter die Daten ab.
„Verdammt noch mal! Dr. Lam, wir haben nur getan, was unser Leader uns aufgetragen hat! Und Miss Uruhk hat zumindest auf mich bisher nicht den Eindruck gemacht, daß sie nicht selbst auf sich aufpassen kann, ganz im Gegenteil! Also hören Sie auf, uns die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen!"
„Dr. Wallace erzählte da eine andere Geschichte." Lams Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie nahm eine Liste und trug etwas darin ein. „Und jetzt sollten Sie beide gehen. Ich bin sicher, General Landry möchte auch noch einige Worte mit Ihnen wechseln."
„Ich werde mich nicht von der Stelle rühren!"
Dorn erhob sich, sah den jüngeren Mann kurz an, dann nickte er. „Komme nachher wieder", erklärte er und ging.
Babbis sah ihm nach und atmete einige Male tief ein. Dann setzte er sich demonstrativ auf den Stuhl, auf dem der Marine bis jetzt gesessen hatte und starrte auf das reglose Gesicht in den Kissen. 
*** 
„Irgendeine Verbesserung?" General Landry beugte sich über die bewußtlose Antikerin und runzelte die Stirn.
„Ich bin ihre Anhängsel endlich los", antwortete Dr. Lam.
Landry hob die Brauen, sagte aber nichts. Statt dessen richtete er sich auf und blickte zu seiner Tochter hinüber. „Das meinte ich an für sich nicht."
Dr. Lam sah ihn herausfordernd an und hob das Kinn. „An ihrem Zustand hat sich nichts geändert, falls du das meinst. Keiner von uns hat auch nur die geringste Ahnung, was eigentlich mit ihr los ist. Laut den Aussagen, die dir gegenüber gemacht wurden, sind einige Minuten zwischen dem, was auch immer geschehen ist, und dem Eintreffen von Dorn und Babbis vergangen. Falls es eine Wunde gewesen ist, kann ich sie nicht mehr finden. Wir wissen ja, daß Miss Uruhk sich durch ihre Fremdzellen extrem schnell selbst heilen kann und teilweise keine bewußte Steuerung über diesen Vorgang hat - zumindest behauptet sie das."
„Du glaubst es nicht?" Ein ungläubiger Blick von Landry.
„Ja, das glaube ich nicht. So wie die Fremdgene in ihrem Inneren sich verhalten, hat sie über alles die Kontrolle. Aber es mag sein, daß sie über die Jahrtausende vergessen hat, dies bewußt zu tun. Ihr Unterbewußtsein gibt den Befehl. Aber letztendlich steuert sie alles immer noch selbst." Lam runzelte die Stirn, nickte dann anerkennend. „Diese Gentherapie ist etwas ... Auch wenn ich an für sich ihre Entscheidung nicht wirklich nachvollziehen kann, muß ich doch sagen, ihre Arbeit war ganz hervorragend. Schade, daß sie nur Beckett die Ermächtigung gegeben hat, ihre Forschungen einzusehen und vielleicht zu vervollständigen."
Landry sah wieder hinunter auf das schmale Gesicht der bewußtlosen Antikerin, runzelte die Stirn. „Eine geniale Wissenschaftlerin ... Irgendwie erscheint mir das bei Miss Uruhks Eskapaden etwas ... nun, eigenartig."
„Es ist aber so. Du wirst niemanden finden, der es auf dem Gebiet der Genetik mit ihr aufnehmen kann, zumindest hier und heute. Sie behauptet, vor zehntausend Jahren sei das anders gewesen." Lam seufzte. „Es wäre wirklich ein unglaublicher Verlust, wenn sie sterben würde."
„Irgendeine Chance?" Landry sah wieder auf, eine leise Hoffnung in den Augen.
Lam zögerte, dann wandte sie sich ab. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Nicht wirklich. Wenn sie nicht von selbst wieder aufwacht, werden wir nie erfahren, was geschehen ist. Tut mir leid."
Landry seufzte, wollte sich schon abwenden, da fiel ihm etwas auf und er senkte den Kopf wieder auf die Gestalt im Bett. Entgeistert sog er scharf den Atem in seine Lungen. „Oh mein Gott!"
„Was?" Lam drehte sich um und erstarrte.
Die Antikerin rührte sich. Die Finger ihrer rechten Hand bewegten sich sacht, dann kreiste ihre Hand.
Lam fuhr wieder zu den Bildschirmen herum, schüttelte jedoch nur den Kopf. „Ihr Kreislauf hat sich wieder stabilisiert, aber ansonsten kann ich keine Veränderung feststellen. Wie kann das sein?"
Landry wich vom Bett zurück und atmete immer wieder tief ein. „Das gibt es doch nicht!" keuchte er schließlich, ließ Lam den Kopf wieder senken und sich auf ihre Patienten konzentrieren.
Vashtu hatte ihre Augen geöffnet und sah die beiden Menschen unverwandt an.
„Miss Uruhk!" seufzte Landry, halb erleichtert, halb erschrocken.
Die Aufmerksamkeit der Antikerin glitt augenblicklich mehr zu ihm. Sie starrte ihn an, ohne jegliches Erkennen in den Augen. Sie starrte nur.
„Wie geht es Ihnen?" Lam trat an das Bett heran und beugte sich über ihre Patientin.
Die richtete ihre Aufmerksamkeit nun auf sie, doch wieder war keine Spur von Erkennen in ihren Augen zu sehen.
Lam zögerte, dann beugte sie sich über die Antikerin. „Moment, ich ziehe Ihnen den Schlauch. Das wird etwas unangenehm."
Landry trat noch einen Schritt zurück und erschauderte, als er beobachtete, was geschah. Noch immer schien es ihm, als durchbohre die Antikerin ihn mit ihrem Blick. Irgendetwas war anders, das wurde ihm schnell klar. Irgendetwas war ...
Vashtu hustete und würgte, als der Beatmungsschlauch aus ihrer Kehle entfernt wurde. Mühsam rappelte sie sich auf die Ellenbogen und keuchte.
„Warten Sie." Geschäftig goß Lam einen Becher Wasser ein und reichte ihn ihrer Patientin. „Hier, trinken Sie, dann wird es besser."
Vashtu ließ sich den Becher an die Lippen drücken. Landry sah, wie sie langsam schluckte und dann die Hand hob, als sie genug hatte.
„Wie geht es Ihnen?" fragte der Leiter des SGC.
Vashtus Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf ihn. Unverwandt sah sie ihn an, blinzelte nicht einmal. Doch sie schwieg.
Landry erschauderte.
„Es kann sein, daß es etwas dauert, bis Ihre Stimme sich erholt hat, Miss Uruhk. Möchten Sie etwas aufschreiben?" erkundigte Lam sich.
Vashtu reagierte nicht. Weiter starrte sie Landry an. Dann setzte sie sich unvermittelt auf und hob die Beine aus dem Bett.
„Miss Uruhk?" Lam trat irritiert einen Schritt zurück.
Vashtu stand auf, trat dicht an den Leiter des SGC heran. Noch immer zuckte in ihrem Gesicht nicht einmal ein Muskel. Unwillkürlich wich Landry etwas zurück.
Dann ballte die Antikerin plötzlich die Hand zur Faust und schlug zu. Der General ächzte getroffen und klappte nach vorn. Blitzschnell griff sie nach seinem Arm und hebelte ihn über ihre Schulter, daß er hart auf das Bett knallte, in dem sie vorher gelegen hatte. Landry ächzte und würgte immer noch von dem Schlag. Offensichtlich konnte er sich im Moment nicht wirklich gegen die Antikerin wehren.
  „Miss Uruhk!" Lam starrte Vashtu entgeistert an.
Mit einem tierischen Knurren drehte die sich herum.
Lam wich zurück, konnte den Blickkontakt mit Vashtu nicht lösen. Dann stürzte sie unvermittelt los, die Antikerin hinter sich wissend.
„Kommen Sie zu sich! Miss Uruhk!" rief die Ärztin, warf sich auf den Notfallknopf. Ein durchdringender Alarm schallte durch die Krankenstation, blinkende rote Lichter flammten auf.
Dann fühlte Lam bereits, wie sie im Nacken gepackt und zurückgerissen wurde. Eine Faust schrammte über ihr Gesicht, während sie herumwirbelte.
Irgendwie gelang es ihr, sich zumindest kurzfristig wieder zu befreien. Sie fuhr herum, nach irgendeiner Waffe gegen die Antikerin suchend. Aber was würde gegen die Kraft eines Wraith wirklich etwas nutzen?
Wieder knurrte die Antikerin. Tief und grollend klang dieser Laut, und sehr gefährlich.
Lam griff sich das erstbeste von einem nahestehenden Tischchen und schleuderte ihrer Angreiferin eine Nierenschale entgegen. Vashtu wischte sie wie eine Fliege beiseite, kam drohend näher.
„Hören Sie, was immer auch geschehen ist, wir können darüber reden. Sie müssen das nicht tun, Miss Uruhk!" Lam trat rückwärts Schritt für Schritt zurück.
Warum ausgerechnet jetzt? Es war spät in der Nacht und sie die einzige in der Krankenstation. Und sie hatte keine Ahnung, wie lange der Sicherheitsdienst brauchen würde.
Vashtu sprang vor - und mitten in ihrem Sprung traf sie eine Energieentladung. Der schlanke Körper der Antikerin wurde in der Luft herumgewirbelt und aus der Bahn geworfen. Hart krachte sie gegen die Wand, rutschte dann an dieser hinunter und blieb zwischen zwei Betten bewußtlos auf dem Boden liegen.
Lam zögerte, dann richtete sie sich auf und starrte auf den zusammengesunkenen Körper.
„Was war das?" flüsterte sie. 
*** 
Babbis saß gerade an seinem Rechner, als sich die Tür öffnete und Wallace hereingehumpelt kam. Unwillig sah der schlacksige junge Mann auf. „Was ist denn?"
„Sie ist aufgewacht", antwortete Wallace einfach nur.
Für Babbis war das allerdings wie ein Keulenschlag. Mit einem Mal hatten die Zahlen und Ziffern auf seinem Bildschirm jede Bedeutung verloren. Ungläubig ruckte sein Kopf hoch. „Was? Wann?" Er kam auf die Beine und atmete einige Male tief ein. „Sie hat ein unglaubliches Glück!"
Wallaces Gesicht blieb ausdruckslos. „Wenn du meinst. Jetzt hat sie jedenfalls ihr wahres Gesicht gezeigt." Er sagte diese Worte im tiefen Brustton der Überzeugung.
Babbis blinzelte irritiert. „Was?"
Auf Wallaces Gesicht zeichnete sich ein leises, triumphierendes Lächeln ab. „Sie hat Landry fast krankenhausreif geschlagen und Lam angegriffen."
Babbis erstarrte, dann schüttelte er entschieden den Kopf und unterstrich dieses mit einer entschiedenen Geste. „Das ist doch vollkommener Unsinn? Wer hat dir denn diesen Bären aufgebunden?"
Wallace grinste immer noch. „Ich habe doch von Anfang an gesagt, daß diese Frau gemeingefährlich ist. Ihre ganze Sheppard-Masche war doch nur aufgesetzt, um alle zu täuschen. Jetzt hat sie ihr wahres Gesicht gezeigt und wird dafür büßen müssen. Und wir bekommen endlich einen anständigen Leader."
Babbis blieb die Luft weg bei diesen Worten. Ungläubig starrte er seinen Kollegen an. „Was redest du da für einen Blödsinn? James!"
„Kein Blödsinn! Diese Frau hat zuviel von ihrer eigenen Gentherapie abbekommen. Man hätte ihr von Anfang an nicht trauen sollen. Warum sonst hätte Atlantis sie zur Erde geschickt? Man hatte dort Angst vor ihr und nicht genug Schneid, um sie aus dem Weg zu räumen."
Babbis trat näher an seinen Kollegen heran. „Was erzählst du denn da für einen ausgemachten Schwachsinn? Du hast sie doch selbst erlebt!"
Wallace hob den Kopf. „Ja, das habe ich. Und ich weiß, wer und was sie ist, mein Lieber. Diese Frau ... Dieses Ding ..."
„Vashtu Uruhk ist wahrscheinlich der beste Leader, den wir uns hätten wünschen können, verdammt!" herrschte Babbis seinen Gegenüber an. „Ich verstehe nicht, warum du so darauf pochst, daß sie eine Gefahr für alle darstellt. Sie ist eben so, und sie versucht doch wenigstens sich anzupassen! Sie hat auch dir inzwischen oft genug den Hals gerettet, damit du ein bißchen Dankbarkeit ihr gegenüber zeigen könntest, verdammt!"
Wallace starrte auf seinen jüngeren Kollegen hinunter. „Hast du dich etwa in diese Mutantin verknallt, Peter? Oder was soll dieser Unsinn? Du warst doch auch gegen sie."
„Nach dem ersten Einsatz, ja!" Babbis schüttelte den Kopf und kniff die Lippen zusammen. „Aber was war bei der Sache mit dem Planetenkiller? Was mit dem Sturm? War sie uns etwa nicht dankbar, daß wir mitgeholfen haben, sie zu finden, als der Trust sie entführt hat? James-Robert Wallace, auch du hast ihr inzwischen einiges zu verdanken. Also rede dich jetzt nicht heraus. Wir verdanken Miss Uruhk eine ganze Menge inzwischen, und zumindest ich werde mir deinen Schwachsinn nicht länger anhören, verstanden?"
„Du bist also wirklich in sie verknallt, was?" Wallace lachte falsch. „Dann viel Spaß, mein Lieber. Du mußt nicht nur gegen einen ominösen Partner ankämpfen, sondern auch noch eine Mutantin für dein Bett gewinnen. Bin gespannt, wie das ganze ausgehen wird."
Babbis' Faust schoß vor. Im letzten Moment bremste er sie, weil sich gerade jetzt die Tür wieder öffnete.
„Docs?" Dorn runzelte die Stirn, als er die geballte Faust sah, die kurz vor Wallaces Gesicht in der Luft schwebte, doch der alternde Marine sagte nichts.
Babbis starrte seinen Gegenüber noch einen Moment lang an, dann drehte er sich zu seinem neuen Gast um und ließ die Faust endlich sinken. „Serge, was gibt es?"
Dorn nickte. „Miss Uruhk ist wach."
Wieder dieses triumphierende Grinsen auf Wallaces Gesicht.
„Das weiß ich bereits. Aber danke, Serge. Wie geht es ihr?" Babbis bemühte sich zumindest um einen ruhigen Ton.
Dorn sog seine Wangen ein und schien einen Moment lang zu überlegen. Dann musterte er Wallace sehr genau, ehe er antwortete: „Ist in der Arrestzelle."
Babbis erstarrte. „Was?"
„Habe ich doch gesagt." Wallace lächelte kühl.
Babbis hob einen Finger und hielt ihn drohend unter die Nase seines Kollegen. „Halt deinen Mund, mein Freund, sonst ..."
Dorn schien von dieser Situation irgendwie fasziniert zu sein. Schmunzelnd stand er immer noch in der Tür, dann aber wurde er ernst. „Sieht so aus, als sei sie durchgedreht", sagte er.
Babbis erstarrte innerlich. Dann hatte Wallace tatsächlich recht gehabt, wenn er auch nicht wirklich sagen konnte, warum. Bisher war ihm seine Leaderin eigentlich nicht als übermäßig aggressiv erschienen. Konnte er sich so geirrt haben? 
*** 
„General, Sir, ich ..." Babbis erstarrte und riß ungläubig die Augen auf, als er Landrys leidende Miene sah. Auch wenn der Leiter des Stargate Centers sich offensichtlich nicht anmerken lassen wollte, daß es ihm nicht gut ging, sah man es ihm doch an.
„Dr. Babbis!" Landry ächzte, setzte sich aufrecht hin. Ein, in ein Handtuch eingeschlagenes Päckchen verschwand auf seinem Schoß und damit unter dem Tisch.
„Sir, ich ... man ... es ist ..." Babbis stockte immer wieder, wußte nicht so recht, wie er beginnen sollte.
Landry nickte ihm zu. An seiner Schläfe war ein dunkelvioletter Bluterguß. „Setzen Sie sich, Doktor. Kommen Sie inzwischen besser mit Ihrer Arbeit voran?"
Babbis' Blick irrte einen Moment hilflos hin und her, dann straffte er seinen Rücken und trat zu einem der Besucherstühle, um sich dort niederzulassen.
„Nun?" Landry lächelte gequält.
Babbis schluckte. „Ich habe gehört ... ich meine ..."
Landry hob ein wenig ungeduldig die Hand. „Hören Sie bitte auf zu stammeln, Doktor, und sammeln Sie sich. Was gibt es?"
Babbis schluckte wieder und kniff die Lippen zusammen. „Sir, ich habe gehört, daß Miss Uruhk wieder zu sich gekommen ist. Allerdings liegt sie nicht mehr auf der Krankenstation und man weigert sich, mir mitzuteilen, wo sie sich befindet."
„Aus gutem Grund." Landry nickte. Dem Wissenschaftler ging erst jetzt auf, wie vorsichtig diese Bewegung erfolgte. „Miss Uruhk befindet sich zur Zeit in Quarantäne in der Arrestzelle, Doktor. Sagen wir, sie stand etwas neben sich, als sie wieder zu sich kam."
„Ich würde gern mit ihr sprechen, Sir."
Landry runzelte die Stirn. Kurz zuckte es wieder in seinem Gesicht. „Dr. Babbis, ich glaube, ich muß nicht wirklich betonen, daß ich es nicht für gut halte, wenn Sie sich im Moment Miss Uruhk nähern. Sie ist ... etwas merkwürdig."
„Ich würde es trotzdem gern versuchen." Babbis hob die Hände, begann wieder zu gestikulieren. „Sehen Sie, Sir, Miss Uruhk und ich arbeiten recht gut zusammen, ich würde sogar behaupten, sie ist bisher die einzige, die ich mir als Mitarbeiterin bei meinen Projekten vorstellen könnte. Und insofern glaube ich, es ist da mittlerweile etwas zwischen uns gewachsen, daß ... Man könnte es vielleicht als leichte Freundschaftsbande bezeichnen, Sir. Ich würde sie gern sehen und mit ihr sprechen. Vielleicht komme ich zu ihr durch, wenn Sie meinen, sie wäre nicht ganz bei sich. Immerhin hat sie mir auch hervorragend geholfen, als es um die Sporen ging, Sir. Und auch bei meinen Messungen hat sie hervorragende Arbeit geleistet. Sie ist manchmal etwas spontan, zugegeben. Aber sie will nur helfen. Vielleicht haben Sie da nur etwas falsch verstanden, Sir. Ich meine, ich kenne ihre Körpersprache inzwischen gut genug, um ..." Babbis verstummte, als Landry sich nach vorn beugte und die Arme auf die Arbeitsfläche seines Schreibtisches stützte.
„Dr. Babbis, ich verstehe Ihre Sorge um Ihre Leaderin. Aber ich halte es nicht für eine sonders gute Idee, wenn Sie mit ihr in Kontakt treten. Im Moment scheint sie ... sagen wir, etwas reizbar zu sein."
  „Ich komme damit zurecht, Sir", sagte er im Brustton der Überzeugung.
Landry hob die Brauen. „Tatsächlich?"
Er nickte.
Sie konnten das einfach nicht tun! Sie durften nicht! Vashtu Uruhk hatte es tatsächlich geschafft, ihn irgendwie zu einer Zusammenarbeit zu bringen. Und er würde jetzt nicht auf die einzige verzichten, die wirklich mit ihm arbeitete statt gegen ihn. Außerdem mußte er ihr immer noch beweisen, daß er mindestens ebenso klug war wie sie. Und die einzige Möglichkeit, dies zu tun war, sich ihr zu stellen, auch wenn es ihr nicht so gut ging.
„Doktor, ich glaube, Sie haben kein Bild davon, wie es um Miss Uruhk bestellt ist." Landry seufzte. „Wenn ich es nicht besser wüßte, ich würde sagen, sie ist besessen."
Babbis stutzte. „Besessen, Sir?"
In ihm wuchs ein wenig Stolz. Der Leiter des SGC vertraute ihm etwas an, ihm! Dabei hatte es noch vor wenigen Monaten geheißen, er wäre ein hoffnungsloser Fall. Nur die Tatsache, daß er in seinem jungen Alter schon ein abgeschlossenes Studium und zwei ausstehende Doktortitel  vorzuweisen hatte, natürlich neben seinem hohen IQ, hatte ihn bisher vor AREA 51 oder einer ähnlichen Einrichtung bewahrt. Nach der Katastrophe mit Lt. Colonel Sheppard war er für schlicht teamuntauglich gehalten worden - er selbst hatte dies von sich gedacht, mußte er zugeben. Doch dann hatte Vashtu SG-27 übernommen und war irgendwie ... sie war anders. Mit ihr konnte er arbeiten, sie half ihm teils auf den rechten Weg, wenn er sich wieder irgendwo verrannte. Zwar ärgerte es ihn noch immer, daß sie als klüger als selbst er galt, doch er war sicher, irgendwann würde er auch andere von seinem Können überzeugen können.
Daß Landry ihn jetzt so ins Vertrauen zog machte Babbis einfach nur stolz. Noch vor einem halben Jahr wäre das undenkbar gewesen. Und vor noch nicht allzu langer Zeit hatte es geheißen, SG-27 würde aufgelöst werden, sobald die Ori sich der Erde näherten und die Antikerin nach Antarktica versetzt werden würde. Doch jetzt hoffte er zumindest, sich soweit etabliert zu haben, daß man zumindest ihn im Cheyenne-Mountain lassen würde. Zudem kam dann auch noch seine Arbeit über die Mega-Stürme, die Landry offensichtlich doch interessierte. Wenn es ihm tatsächlich gelang, die Berechnungen irgendwann abzuschließen, konnte er vielleicht zu einem wichtigen Mitglied des SGC aufsteigen und würde so schnell nicht ersetzbar sein.
„Ich denke, ich verstehe sehr gut, Sir", entgegnete er jetzt. „Ich möchte versuchen, ob ich nicht zu meiner Leaderin vordringe. Bei allem Respekt, Sir, aber Miss Uruhk und ich ... nun, wir haben mittlerweile eine gewisse Beziehung zueinander aufgebaut. Und ich denke, vielleicht kann ich mit ihr reden, sollte sie wirklich noch immer neben sich stehen."
Landry sah ihn zweifelnd an. „Ich werde Sie nicht zu ihr in die Zelle lassen, Dr. Babbis. Es sei denn, Sie zeigen mir einen ähnlichen Ausbruch wie Miss Uruhk." Er seufzte und schüttelte wieder den Kopf. Dann erhob er sich langsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht. „Aber gut, wenn Sie meinen, dann kommen Sie mit. Sie können sie zumindest auf der Überwachungskamera beobachten."
Babbis nickte eifrig und erhob sich wieder.
„Was macht Ihre Arbeit denn nun, Babbis?" fragte Landry, als er die Tür öffnete.
„Oh, ich komme ganz gut voran, Sir", der junge Wissenschaftler lächelte. „Könnte vielleicht hier und da etwas besser sein, aber im allgemeinen bin ich mit den Auswertungen zufrieden."
„Hilft Ihnen Miss Uruhk dabei?"
Babbis schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Das war auch so abgesprochen."
Landry hob eine Braue, ging jetzt an seiner Seite den Gang hinauf. „Da hat Dr. Wallace aber etwas anderes gemeint."
Babbis stutzte. „Sir, bei allem Respekt, aber ich bin durchaus in der Lage, selbst die Berechnungen durchzuführen. Im Moment weiß ich nicht so recht, was ich von Dr. Wallace halten soll. Er selbst scheint etwas neben der Spur zu laufen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich glaube, ich werde die Arbeit nächsten Monat dem Ausschuß vorlegen können, dann dürfte der Titel ziemlich schnell an mich gehen." Er sonnte sich in seiner Klugheit. Und irgendwo im Hintergrund hoffte er auf noch mehr.
Landry nickte langsam. „Sie schulden Miss Uruhk also Ihr Leben, lassen sie aber nicht teilhaben an Ihrer Arbeit. Dennoch behaupten Sie, Sie könnten am besten mit ihr zusammenarbeiten?"
„Nun, ich denke, daß haben wir bereits bewiesen, Sir."
„Und diese eigenartige Weltraummine?" bohrte Landry weiter.
„Ich habe ..." Babbis stockte, sah dann zu dem General hinüber. „Was?"
„Sie wollten doch an dieses Gerät, oder? Miss Uruhk wollte Ihnen das auch ermöglichen damals. Ich war dagegen. Ihre Bewertungen ..."
Babbis schluckte und senkte den Kopf. „Ich habe die Mine nicht aktiviert, Sir, wenn Sie das denken. Ich wollte sie untersuchen, ja, aber dazu bin ich gar nicht gekommen. Miss Uruhk hat ... naja, sie hat sie weggeschafft, ehe sie explodieren konnte."
„Dann hatte ich mich also doch nicht geirrt." Landry stieg in einen Aufzug. „Damit Sie es wissen, Doktor, hätte Miss Uruhk damals nicht alle Schuld auf sich genommen, wären Sie und Wallace fristlos aus dem SGC geflogen und in SG-27 ersetzt worden. Ihre Leaderin ist sehr für Sie eingetreten bisher, und daß, obwohl sie des öfteren immer noch meint, Sie wären die jüngere Ausgabe von Dr. Rodney McKay." Der General schmunzelte.
„Wie bitte?" Babbis riß die Augen auf. „Sir, bei allem Respekt, aber Dr. McKay ist ... Nun, ich halte nicht sehr viel von seinen Arbeiten."
„Und er nicht von Ihren." Landry schmunzelte. „Zumindest soweit ich weiß. Ihm wurde wohl etwas vorgelegt, an dem Sie gearbeitet haben."
Babbis holte tief Atem, doch dann öffneten die Lifttüren sich wieder und er trat an Landrys Seite aus dem Aufzug.
„Wie auch immer, Sie sollten vielleicht etwas ... nun, sagen wir, Sie sollen vielleicht etwas vorsichtiger sein, Doktor. Ihre Zusammenarbeit mit Miss Uruhk ist zwar löblich, aber Sie sollten auch anderen gegenüber etwas verträglicher werden. Sonst könnten Sie irgendwann wirklich allein dastehen."
Babbis wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Landry eine Tür auf seiner Seite des Ganges öffnete. „Bitte sehr, treten Sie ein."
Der junge Wissenschaftler straffte sich wieder und trat in den dunklen Überwachungsraum. Der MP, der gerade Wache hielt, erhob sich steif vor seinem Vorgesetzten, und salutierte. Landrys Gruß fiel lockerer aus. „Machen Sie weiter Ihre Arbeit, Lieutenant", sagte er, wandte sich dann an Babbis: „Bitte, Doktor. Überzeugen Sie sich selbst."
Babbis schluckte, trat dann aber an einen der Bildschirme. Was er dort aber sah, erschreckte ihn.
Vashtu Uruhk stand an der Tür zu der Isolierzelle und bearbeitete diese sehr entschlossen mit ihren Fäusten. Und, was er undeutlich sehen konnte, sie hatte bereits einige Dellen in die schwere Stahltür geschlagen.
„Ich sagte doch, sie benimmt sich eigenartig. Sie spricht nicht, es scheint nicht einmal, als würde sie noch irgendjemanden erkennen, selbst ihr eigenes Team nicht mehr. Dorn war bei ihr, und wir hatten Mühe, ihn unverletzt wieder aus der Zelle zu schaffen."
„Das ... das kann nicht sein!" Babbis schüttelte ungläubig den Kopf. Seine Hoffnungen schienen plötzlich zu zerstieben. Doch eine kleine, behaarliche Stimme tief in seinem Inneren blieb und riet ihm, seiner Leaderin zu helfen. 
*** 
Babbis stand, die Arme gekreuzt, an seinen Schreibtisch gelehnt, als Dorn eintrat. Der alternde Marine betrachtete den jungen Wissenschaftler einen Moment lang sinnend, dann nickte er.
„Wir müssen noch einmal auf diesen Planeten." Babbis richtete sich unvermittelt wieder auf und begann zu gestikulieren. „Miss Uruhk muß dort auf irgendetwas gestoßen sein, von dem wir keine Ahnung haben. Und dieses Etwas hat sie offensichtlich so beeinflußt, daß man jetzt nicht mehr mit ihr reden kann. Aber ich denke, ich könnte etwas finden, was ihr helfen würde. Aber dazu brauche ich Ihre Hilfe, Sergeant." Er griff nach einem Stück Schokolade und schob es sich mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck in den Mund.
Dorn neigte den Kopf fragend zur Seite und betrachtete den jüngeren. „Wallace?" fragte er nach einer kleinen Weile.
Babbis begann plötzlich eine nervöse Wanderung durch den Raum und schüttelte ungeduldig den Kopf, während er mit den Fingern schnippte. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, welche Laus James über die Leber gelaufen ist, daß er einen so kompletten Unsinn von sich gibt. Und ich würde ihn auch gern aus dieser Sache heraushalten. Er scheint mir im Moment ... nun, Sergeant, Sie haben ihn ja selbst erlebt."
Dorn nickte stumm.
Eine ungeduldige Geste folgte. „Die Frage ist jetzt, wie können wir Landry davon überzeugen, uns ohne Miss Uruhk wieder auf diesen Planeten zu lassen? Mir ist da schon etwas eingefallen, deshalb habe ich Sie kommen lassen. Die Frage ist, ziehen Sie mit, Sergeant?" Unvermittelt drehte Babbis sich um und sah den anderen auffordernd an.
Dorn sog die Wangen ein und schürzte die Lippen, während er seinen Gegenüber genau betrachtete. Abwägend neigte er den Kopf von einer zur anderen Seite.
„Es wäre wichtig, Dorn!" Babbis hob die Hände. „Denken Sie doch nur, was wir an zusätzlichem Vertrauen von Seiten Miss Uruhks gewinnen würden, was wir hier an Vertrauen gewinnen würden. Wir können nicht darauf vertrauen, daß ... Wir wissen nicht, wieviel Zeit uns noch bleibt. Ich kann ihr helfen!"
Dorn hob fragend eine Braue, sagte aber noch immer nichts.
„Ich bin mir sicher, daß ich ihr helfen kann!" Babbis' Stimme bebte leicht.
Noch immer veränderte der Marine seine Haltung nicht, schwieg weiterhin.
„Ich bin mir vollkommen sicher, daß ich es kann!"
Dorns Blick glitt ab. Wieder dachte er offensichtlich nach.
„Mein Gott, Mann! Man wird mich nicht allein auf den P7X-395 lassen!"
Ein Grinsen. „Gut." 
*** 
„Walter?"
Der Techniker drehte sich um und betrachtete seinen unverhofften Gast stirnrunzelnd. „George? Ich dachte, du wärst schon längst nach Hause gegangen. Was tust du denn noch hier?"
Dorn zuckte mit den Schultern und hob zwei Tassen. „Kaffee?"
Walter grinste und lehnte sich zurück. „Warum eigentlich nicht. Landry hat alle Gate-Operationen erst einmal abgesagt, bis geklärt ist, was mit deiner Leaderin eigentlich passiert ist."
Dorn stellte eine der Tassen neben die Tastatur, ließ sich auf einem der Bürostühle nieder, die leer im Kontrollraum standen. „Schlimme Sache", murmelte der Marine in seinen Kaffee.
„Kann man wohl sagen." Walter nahm einen Schluck, verzog dann das Gesicht und wedelte sich kühle Luft zu. „Mann, der ist ja noch heiß!" Er stellte die Tasse wieder ab und warf einen Blick durch das Fenster in den Gateroom hinein. „Ganz ehrlich, wenn diese Antikerin nicht bald wieder zu sich kommt, wird das übel enden, glaube mir. Den ganzen Tag über klingelte in einer Tour das Telefon. Landry kam kaum aus seinem Büro. Die internationale Gemeinschaft, der Präsident, was weiß ich wer noch. Und immer ging es um diese Sache." Er schüttelte resignierend den Kopf. „Dabei war Landry gerade dabei, euch auch mal ein paar verantwortungsvollere Ziele zuzugestehen. Was passiert, wenn die Antikerin ... nun, das ganze nicht überlebt ... Oh Mann!"
Dorn nickte sinnend. „Üble Geschichte."
„Stimmt." Walter nickte ebenfalls. Dann richtete er sich auf und runzelte die Stirn. „Ist das nicht ... ?" Er stutzte. Eine Gestalt huschte in den unbesetzten Gateroom und zur Rampe. Ein hochgewachsener, schlacksiger Mann mit kurzem dunklem Haar, der sehr nervös wirkte.
Ein Klicken neben ihm ließ ihn herumfahren und in die Mündung einer 9-mm starren. „George!" entfuhr es ihm.
„Keinen Ton. Wähl ein und vergiß es." Dorns Stimme klang plötzlich drohend.
Walter sah auf. „Aber ..."
„Einwählen!" donnerte der Marine.
Der Techniker atmete tief ein, dann nickte er.
In diesem Moment ging der rote Alarm wieder los. Doch falls der Techniker gehofft hatte, Dorn würde sich davon ablenken lassen, hatte er sich gründlich geirrt.
„Einwählen!" wiederholte Dorn nur, nickte mit dem Lauf der Waffe zu dem Rechner hinüber.
„Aber ..."
Dorn starrte ihn durchdringend an.
„Okay, okay." Walter hob die Hände und begann zu tippen. Rein gewohnheitsmäßig kommentierte er, wie die einzelnen Shevrons einrasteten.
Dorn nickte befriedigt, dann schlug er den Techniker mit seiner Waffe nieder, ehe er sich das Funkgerät griff. „Wurmloch ist frei." 
*** 
General Landry konnte nicht glauben, was sich da vor seinen Augen abspielte. Die Antikerin nahm Stück für Stück das SGC auseinander. Je mehr MPs sie angriffen, desto stärker und entschlossener schien sie zu werden.
Den Anfang hatte sogar er noch verpaßt. Statt dessen hatte er einen dringenden Anruf von Mr. Woolsey entgegennehmen müssen. Doch als der Alarm losging, war er aus seinem Büro gestürzt, überzeugt davon, etwas schreckliches sei geschehen.
Nun, so war es ja auch.
Ausgerechnet Vashtu Uruhk, von der er geglaubt hatte, allmählich würde sie sich fangen, hatte inzwischen vollkommen durchgedreht. Irgendwie war es ihr gelungen, die dicke Stahltür zu zerschmettern, die ihre Zelle vom Rest des Komplexes abtrennte. Die Militärpolizisten, die auf sie gewartet hatte, um sie wieder in Gewahrsam zu nehmen, schien sie knapp am Rande zu registrieren und kaum als ernstzunehmende Gegner aufzufassen. Einen nach dem anderen hatte sie sie sich vorgenommen, was ihr, neben weniger Gegnern, auch noch eine inzwischen stattliche Anzahl Waffen eingebracht hatte. Nicht daß die Antikerin diese benötigte. Mit ihren blossen Händen war sie mindestens ebenso effektiv wie mit einer Projektilwaffe. Aber sie nahm, was sie bekommen konnte und zog einfach weiter, gleichgültig, auf wieviel Gegenwehr sie dabei stieß.
Zimperlich ging sie dabei nicht vor. Mehrere Türen würden ersetzt werden müssen, Inventar war zerschlagen worden, vielleicht sogar der eine oder andere Gegenstand ihres eigenen Volkes. Und Vashtu machte immer weiter, arbeitete sich langsam aber stetig voran. Ihr Ziel: der Gateroom!
Landry war es um die Zerstörung nicht halb so schade wie um den Verlust einer außergewöhnlichen Persönlichkeit mit einer ebenso außergewöhnlichen Geschichte. Was auch immer geschehen war, es hatte die Antikerin von Grund auf verändert und zu etwas werden lassen, mit dem man sich besser nicht anlegte.
Dennoch wollte er sie nicht verlieren. Weniger wegen der Aussicht, vielleicht doch noch Daten von dem Stuhl auf Antarktica zu gewinnen, als vielmehr wegen ... ja, wegen was?
Wenn er ehrlich war, irgendwie hatte sie ihn beeindruckt. Ihre behaarliche, wenn auch sehr unkonventionelle Art, ihr wacher Verstand, den sie auch bewußt zurücknehmen konnte, spürte sie, ein anderer würde das Problem vielleicht besser lösen können. Die Art, wie sie ihr Team, zumindest zwei Drittel dieses Teams, in den wenigen Monaten zu einer Einheit verschweißt hatte, die auf sie eingeschworen war. Auch schätzte Landry ab und an durchaus ihren, meist etwas seltsamen Rat in bestimmten Dingen.
Nein, es war nicht die Aussicht auf eine wirksame Defensivwaffe gegen die übermächtig erscheinenden Ori, es war tatsächlich diese zehntausend Jahre alte Frau selbst, die Landry vermissen würde, würde das SGC sie verlieren.
Er mußte zugeben, in letzter Zeit hatte er bereits des öfteren mit dem Gedanken gespielt, die Antikerin zumindest an den Plänen der Erde zu beteiligen und ihr Wissen zuzugestehen, das man ihr bisher bewußt vorenthalten hatte. Nach ihrer Rückkehr von Antarktica hatte auch Dr. Daniel Jackson diesen Gedanken geäußert, mußte er zugeben. Vielleicht hätte er Vashtu Uruhk wirklich einem bereits zu vollem SG-1 zuordnen sollen, statt sie weiter ...
Was dachte er da?
„Sir?"
Landry riß sich mit aller Kraft von dem Bildschirm los, auf dem die Antikerin zu sehen war, wie sie gerade einen Gang entlangschritt. „Was?" fragte er unwillig.
„Was sollen wir tun? Sie hält immer noch genau auf den Gateroom zu", fragte Captain Bincks, einer der Mannschaftsführer des Sicherheitsteams.
Landry starrte wieder auf den Bildschirm.
Gefährlich sah sie eigentlich wirklich nicht aus, nein. Kein Wunder, daß sie bisher jedem Gegner entkommen war. Wahrscheinlich würden die meisten sie vollkommen unterschätzen. Vor allem auch, weil man ihr ihre Herkunft nicht ansah, zumindest nicht immer.
Landry hate allerdings bereits mehrfach gesehen, wie Vashtu sich zumindest zum Teil verwandelte, wenn sie ihre Iratus-Zellen einsetzte. Ihre Augen waren dann anders - unmenschlich und ohne jegliches Gefühl. Ihr Gesicht erstarrte ebenso, dabei, so beharrte sie, würde es sie nicht einmal viel Kraft kosten, sich so zu verwandeln. Aber sie wurde dann plötzlich ...
Er konnte sie nicht wirklich aufhalten, es sei denn, er befahl seinen Männern, die Antikerin zu töten, fiel Landry ein. Einen Moment lang schloß er die Augen und fühlte in sich einen gewissen Abschiedsschmerz, als würde er einem guten alten Bekannten good bye sagen. Dann wußte er ebenfalls nicht, ob er ihn jemals wiedersehen würde. Und so erging es ihm jetzt auch mit der Antikerin.
Die nächste Tür wurde grob aus ihren Angeln gerissen.
Landry senkte den Kopf.
Er wußte, eigentlich sollte er den Befehl geben. Doch er konnte es nicht. Zum ersten Mal in seiner Karriere konnte er eine solche Anweisung nicht aussprechen.
Sie hatten unglaubliches Glück gehabt, die Antikerin zu finden und an sich zu binden. Es hätte von Anfang an klar sein müssen, daß sie die Menschen auch irgendwann wieder verlassen würde.
„Sir, was sollen wir tun?"
Landry blickte wieder auf. Vashtu war im Gang, der zum Gate führte.
„Laßt sie gehen." 
*** 
Vashtu blieb wie erstarrt vor der Rampe stehen und sah zum Sternentor hinauf. Sehr konzentriert starrte sie das Gate an. Und dann, langsam, ganz langsam, begannen die Symbole sich zu drehen, das erste Shevron rastete ein. 
*** 
Dorn drehte sich irritiert herum, als er die charakteristischen Geräusche hörte, die ein Sternentor von sich gab, wenn es aktiviert wurde.
„Da kommt jemand!" rief er Babbis zu und suchte Deckung hinter einem Felsen.
Der junge Wissenschaftler warf sich hinter einen Strauch und starrte angestrengt zum Gate hinüber. Dann beobachtete er, wie eine Gestalt aus dem Ereignishorizont trat. Mit fließenden Bewegungen und weiten Schritten hielt diese Gestalt dann auf die niedrige Bergkette zu, die einige Kilometer weiter entfernt lag.
Dorn machte ihm ein Zeichen. Babbis nickte, schob sich auf die Zehenspitzen und schlich dem Marine hinterher.
„Was will sie hier?" zischte der ihm zu.
Babbis hob die Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Aber hier hat es begonnen, vielleicht findet sie hier auch die Lösung."
Dorn warf ihm einen langen Blick zu, holte das Sturmgewehr von seiner Schulter und entsicherte es. „Sie hat uns nicht gesehen", knurrte er. „Sie hätte uns aber sehen müssen!"
Babbis runzelte die Stirn, zog aber auch seine Automatik aus dem Holster.
Gemeinsam folgten sie der einsamen Gestalt, die offensichtlich rein gar nichts von ihren Verfolgern bemerkte. Stetig und immer noch mit weit ausholenden Schritten wanderte sie weiter, direkt auf die ersten Felsen zu. Dorthin, wo Wallace seinen Unfall gehabt hatte.
Babbis holte tief Luft.
Natürlich! Warum hatte er nicht gleich daran gedacht. Auch Wallace hatte sich eigenartig benommen nach seinem Unfall. Hing das vielleicht miteinander zusammen? Hatte der Agrarwissenschaftler etwas wahrgenommen, was ihnen anderen entgangen war, und hatte deshalb derart aggressiv reagiert?
Er hoffte es.
Die Gestalt kletterte auf den Felsen, von dem aus er sie gefunden hatte, und blieb nun stehen. Konzentriert blickte sie sich um.
Dorn gab Babbis ein Zeichen, sich nicht zu rühren. Eilig hatten die beiden sich hinter einigen schroffen Felsen verborgen und warteten jetzt, ließen die Gestalt aber nicht aus den Augen.
Vashtu stand noch immer dort, mitten auf dem Fels, der wie eine abgeflachte Nase geformt war. Sie neigte den Kopf leicht und blickte sich nach rechts und links um, als lausche sie auf etwas. Ihre Gestalt wirkte noch immer irgendwie angespannt und damit vollkommen anders, als eines ihrer Teammitglieder es gewohnt war. Dann drehte sie sich plötzlich um und sprang von dem Felsen herunter, immer noch in Richtung auf das Gebirge.
Dorn gab Babbis ein Zeichen. Als der nicht verstand, erhob der Marine sich selbst und folgte der Antikerin leise. Babbis biß sich auf die Lippen, dann schlich er dem Marine hinterher.
Die beiden Männer wagten nicht zu sprechen. Viel zu sehr waren sie sich der außergewöhnlichen Sinne ihrer Teamleaderin bewußt. Sie konnten nur versuchen, nicht den Anschluß zu verlieren und endlich herauszufinden, was eigentlich wirklich geschehen war, als Vashtu allein zurückgeblieben war.
Dorn hockte sich wieder hin, wies nach vorn.
Babbis zögerte, dann blinzelte er sich mühsam voran.
Ein Spalt zwischen den Felsen, durch den Vashtu gerade kletterte.
„Wir müssen ihr nach", wisperte der junge Wissenschaftler.
Dorn nickte ernst und runzelte die Stirn.
„Hier kann sie nicht gewesen sein, Sergeant, da haben Sie recht", stimmte Babbis zu und schlich vorsichtig, an der Seite des Älteren, weiter. „Aber möglicherweise finden wir hier den Auslöser für ihr Verhalten. Vielleicht eine Maschine oder etwas ähnliches, daß in der Lage ist, ihre Persönlichkeit zu beeinflußen."
Dorn legte einen Finger an die Lippen, bedeutete ihm dann, Vashtu hinterherzuklettern.
Babbis nickte stumm und machte sich daran, die Höhle zu betreten. Von drinnen hörte er dumpfe Schläge, die ständig widerhallten.
Was hatte das zu bedeuten?
Babbis huschte in den Schutz einiger niedriger Stalagmiten und warf sich mit dem Rücken dagegen, wie er es schon oft in Filmen gesehen hatte. Dorn folgte ihm auf dem Fuße, hockte sich hinter die aufragenden Kalksteinbrocken und reckte den Hals. Sinnend zog er die Wangen ein.
Babbis drehte sich ebenfalls um und hob den Kopf, als nichts geschah.
Noch immer tönten diese Schläge durch die Höhle.
War Vashtu am Ende wieder soweit zu Verstand gekommen, daß sie die Falle, in die sie offensichtlich getappt war, selbst zerstören wollte? Zutrauen würde er es ihr, mußte er zugeben.
  Doch als er neben dem wachsenden Kalksteinfinger nach vorn blickte, sah er nur, daß sie auf irgendetwas einschlug, das aussah wie eine ganze Anzahl dieser kunstvollen Gebilde.
„Was tut sie da?" wisperte er Dorn zu. Der Marine machte allerdings nur eine ungeduldige Geste und schwieg.
Babbis richtete seine Aufmerksamkeit wieder nach vorn, als er aus den Augenwinkeln eine andere Bewegung wahrnahm.
Vashtu richtete sich jetzt auf, hielt den Rücken jedoch gebeugt. Ihre Arme waren weit ausgestreckt, ihre Finger schienen in etwas verkrallt zu sein.
Babbis runzelte ratlos die Stirn. Was tat sie da?
Dann riß die Antikerin mit Schwung an dem, was sie da offensichtlich gerade gelockert hatte. Es gab nach.
Ein Deckel!
Babbis richtete sich erstaunt auf, als er ein helles Leuchten aus dem kastenähnlichen Innern kommen sah. Sofort wurde er wieder zurück in Deckung gerissen und erntete einen finsteren Blick von Dorn.
  „Keine Bewegung!" zischte der Marine.
Der junge Wissenschaftler nickte, konzentrierte sich wieder auf seine Teamleaderin.
Vashtu war taumelnd einige Schritte zurückgewichen. Jetzt stand sie, offenbar verwirrt, in der Höhle und sah sich verdutzt um. War sie wieder zu sich gekommen?
Ein fremdartiges Wispern erfüllte die Wände.
Babbis erschauderte und wagte nun auch wirklich nicht mehr, sich zu rühren.
Vashtu fuhr herum. Er konnte sehen, wie sie erstarrte, als sich aus der Kiste ... etwas erhob.
Babbis stockte der Atem beim Anblick der Gestalt.
„Ein Antiker!" entfuhr es Dorn. „Und er ist noch nicht richtig aufgestiegen!"
Die Gestalt war eindeutig männlich, wenn man auch nicht viel von ihren Gesichtszügen sehen konnte. Das eigenartige Leuchten ging von dem merkwürdig rudimentär wirkenden Körper aus. Seine Bewegungen, als er jetzt aus der Kiste stieg, waren allerdings beinahe katzenhaft in ihrer Eleganz. Er glitt geradezu auf seine Beine. Seine Schritte waren fest und sicher.
Wieder dieses eigenartige Wispern.
Vashtu stand da wie angenagelt, starrte die eigenartige Erscheinung offenbar nur an.
Dann veränderte der Fremde sich. Das Leuchten nahm zu.
Dorn beugte sich interessiert vor, die Stirn noch immer gerunzelt.
Das Leuchten erreichte Vashtu.
Babbis sah, wie sie plötzlich tief einatmete, leicht zu schwanken begann.
„Was machen die da?" fragte Dorn unvermittelt.
Noch immer dieses eigenartige Wispern in einer fremden Sprache.
„Das ist ... eine Geistesverschmelzung", antwortete Babbis stockend.
Bisher hatte er nur darüber gelesen, was er an für sich nicht gedurft hätte. Doch Wallace, das Computergenie, hatte den Hauptrechner gecrackt und war so auch an die Berichte der Atlantis-Mission gekommen. Und dort hatten sie beide es lesen können.
Das helle Strahlen kroch an Vashtus Körper hinauf. Die Antikerin schwankte leicht vor und zurück, als sei sie in Trance. Ihr Gesicht wirkte gleichzeitig ent- und angespannt, die Augen hielt sie geschlossen.
Der Fremde hob langsam seine Hand. Wie in Trance tat Vashtu es ihm nach.
„Und was passiert dabei?" wollte Dorn wissen. Seine Stimme klang besorgt.
Babbis runzelte die Stirn.
Wenn er das wirklich wissen würde. Aber der Bericht über die Antikerin Chaya war sehr ... nun er wies, vor allem was das anging, ziemlich große Lücken auf. Er wußte nur, daß es eine Art des Zusammenseins war.
„Naja, ihre Geister verschmelzen", versuchte er zu erklären.
Dorn bedachte ihn mit einem verwirrten Blick.
Vashtus Augen öffneten sich wieder halb. Langsam neigte sich ihr Kopf, schien wie lose auf ihrem Hals zu sitzen.
Der Fremde beugte sich vor. Es schien, als würde er schweben, als er seine Artgenossin langsam umrundete. Das Wispern nahm zu, und es schien Babbis, als zupften fremde Finger an seinen Gedanken.
„Sie tut das nicht freiwillig!" entfuhr es ihm entgeistert. „Er zwingt sie dazu. Das ist ... das ist ... wie eine ..." Er brachte das Wort nicht über seine Lippen.
Und in diesem Moment berührten sich die beiden Hände. Ein Ruck ging durch den Körper der Antikerin. Es war, als würde auch sie plötzlich schweben.
Der Fremde kam näher, sein Nebel umschloß Vashtu bis über die Hüften. Und in seinen Augen leuchtete es auf, wie bei einem Goa'uld! Doch gleichzeitig wurde Babbis klar, dieser Antiker war keiner dieser Feinde der Menschheit. Er war etwas völlig anderes.
Vashtus Hand löste sich von der des Fremden. Noch immer war es, als würde sie schweben. Ein gequälter Ausdruck trat auf ihr Gesicht. Dann sprang etwas aus ihrer Brust, ein helles Glühen.
Ihr Körper wurde zurückgeschleudert, mit, zu einem stummen Schrei verzerrtem Mund, riß sie den Kopf in den Nacken, die Augen vor Entsetzen geweitet. Der Nebel, der sie eingehüllt hatte, verschwand vollkommen abrupt.
Babbis sah, daß sie bis jetzt wirklich geschwebt war. Ihre Füße hingen einige Zentimeter über dem unebenen Höhlenboden in der Luft, setzten jetzt langsam wieder auf. Und dann kippte Vashtu wie in Zeitlupe zur Seite und schlug hart auf dem Boden auf, wo sie regungslos liegenblieb.
„Der Antiker!" Dorn richtete sich auf, sein Sturmgewehr an der Schulter.
Babbis starrte immer noch seine Teamleaderin an. Er konnte einfach nicht glauben, was er da gerade gesehen hatte. Das ganze ging dermaßen über seinen Verstand, daß er zu träumen glaubte. Doch dies mußte dann ein Alptraum sein - ein schrecklicher Alptraum.
Der Fremde schoß wie eine Kanonenkugel aus der Höhle heraus und verschwand im Sonnenschein.
  „Scheiße!" Dorn hetzte zur Spalte und blickte hinaus. „Kümmern Sie sich um Miss Uruhk." Mit erstaunlicher Behändigkeit kletterte der Marine aus der Höhle und verschwand.
Babbis kam wieder auf die Beine. Seine Knie waren weich und er hatte Mühe, überhaupt einen Schritt zu tun. Langsam trat er zu dem reglosen Körper, beugte sich über sie.
Sie atmete nicht, wieder nicht!
Babbis keuchte, hockte sich neben sie. „Miss Uruhk! Vashtu! Können Sie mich hören?" Verzweifelt tastete er an ihrem Hals nach einem Puls, doch er fand keinen. Da war rein gar nichts. Er hob die Hand, als habe er sich verbrannt, zögerte dann, ehe er nach einem Herzschlag in ihrer Brust suchte.
  „Vashtu! Komm zu dir! Nun mach schon!"
Unvermittelt packte er sie bei den Schultern, zog sie hoch und schüttelte sie, als könne er ihr auf diese Weise das Leben zurückgeben. Doch der Körper, den er hielt, war bar jedes Widerstandes. Wie eine Stoffpuppe pendelte ihr Kopf hin und her, ihre Hände rutschten im Takt seiner Bewegungen über den Boden.
Babbis' Augen brannten. Keuchend versuchte er, ein Schluchzen zu unterdrücken. „Bitte, komm zu dir! Du kannst doch nicht so einfach sterben", flehte er sie an, bettete ihren Kopf in seinem Schoß und strich vorsichtig über ihre Wange.
„Was ist?"
Babbis preßte hilflos die Lippen aufeinander. Er wagte nicht aufzusehen, damit Dorn seine Schwäche nicht bemerken konnte.
„Doc, was ist?" Der Marine klang wirklich besorgt.
Jetzt sah er doch hoch und schluckte hart. „Sie ist ... sie ist ..."
Dorn legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ruhig, Junge, bleib ruhig", sagte er mit sanfter Stimme. „Wir bringen sie ins SGC zurück. Lam wird wissen, was sie tun kann - wie beim letzten Mal."
Babbis schüttelte hilflos den Kopf. Jetzt blickte er doch auf, voller gerechtem Zorn starrte er den Marine an. „Haben Sie nicht verstanden, Dorn? Vashtu Uruhk ist tot!"
Dorn prallte zurück. Seine Augen zuckten. „Unsinn, sie ist bewußtlos."
„Sie hat keinen Puls mehr, verdammt!" Jetzt schluchzte Babbis doch endlich. „Dieser ... dieser andere hat sie umgebracht, verstehen Sie? Er hat sie getötet, damit er selbst aufsteigen konnte."
  Dorn starrte ihn an. „Was?"
Babbis nickte. „Genau das, begreifen Sie jetzt. Deshalb war er ... Er hat sie in diese Geistesverschmelzung gezwungen. Und er hat sicher auch dafür gesorgt, daß sie im SGC durchdrehte."
Plötzlich bemerkte er nicht mehr den sanften Druck von Vashtus Kopf auf seinem Schoß. Irritiert senkte er den Blick und starrte ... auf nichts.
„Was ... ?"
Dorn keuchte, sah sich hektisch um.
Babbis kam wieder auf die Beine. „Wo ist sie hin?"
Dorn holte tief Luft, als er unversehens wieder zu Boden sah. Babbis folgte seinem Blick und erstarrte.
Vor ihren Füßen lag die Antikerin wieder. Doch diesmal hob und senkte sich ihre Brust gleichmäßig. 
*** 
Vashtu lag wieder in ihrem Bett auf der Krankenstation des SGC. Nachdenklich starrte sie vor sich hin, die Stirn gerunzelt, und strich mit beiden Händen immer wieder über die Bettdecke.
„Miss Uruhk, wie geht es Ihnen?"
Sie blinzelte und sah auf. Ein kleines Lächeln zuckte in ihren Mundwinkeln. „Sir?" Sie nickte dem General zu.
Landry trat näher. „Ich hoffe, dieses Mal werden Sie mich nicht wieder durch die Luft schleudern. Ich werde allmählich zu alt für solche Späße."
Betreten senkte sie den Blick wieder. „Es tut mir leid, Sir, daß ich Ihnen allen so ... übel mitgespielt habe. Ich ... ich weiß nicht, was passiert ist. Naja, zumindest nicht richtig."
Landry nickte mitfühlend, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr an das Bett. Aufmunternd klopfte er auf ihren Arm. „Vergessen wir das einfach, Miss Uruhk. Es ist passiert und Sie hatten keinen Einfluß darauf. Es ist nicht Ihre Schuld. Obwohl ... den Trick mit dem Tor müßten Sie mir doch noch einmal erklären."
Ein schiefes Grinsen legte sich auf ihre Lippen. Unter ihren Ponyfransen sah sie auf. „Ich muß zugeben, das war nicht ich, Sir. Das war ... er."
„Dachte ich mir." Landry drückte ihren Arm. „Können Sie sich an irgendetwas erinnern?"
Vashtu zögerte, senkte den Blick wieder. Kurz sah der General Schmerz in ihren Augen, einen Schmerz, den er nicht ganz nachvollziehen konnte und der nichts mit ihrem Körper zu tun hatte.
  „Nicht wirklich, Sir", antwortete die Antikerin zögernd. „Ich weiß noch, wie ich diese eigenartige Stimme hörte und das Gleichgewicht verlor. Dann kam ich in dieser Höhle wieder zu mir, aber da war es schon zu spät."
Landry nickte mitfühlend. „Und sonst?"
Vashtu starrte angestrengt auf die Decke. „Ich war tot, Sir", antwortete sie schließlich zögernd.
Erstaunt hob er die Brauen.
Die Antikerin atmete tief ein. „Ich mußte einen Preis bezahlen für ... für meine Kräfte, Sir", berichtete sie schließlich stockend. „Schon damals war es bekannt, daß manche von uns ... Nun, sie konnten ihre Körper ablegen und in eine andere Daseinsebene wechseln. Sie nennen es Aufsteigen. Als ich mich der Gentherapie unterzog und mein Genom die fremden Zellen in meinem Inneren akzeptierte, verlor ich diese Möglichkeit. Ich habe es zwar nie versucht, doch es war ziemlich schnell klar. Hätte ich es probiert, wäre ich ... Ich hätte mein Leben verloren, Sir. Durch die fremden Gene verloren meine eigenen Erbanlagen bis zu einem Drittel ihre Berechtigung über meinen Körper. Dieses eine Drittel ist zum Aufstieg fähig, aber ..." Sie schüttelte den Kopf.
„Dr. Babbis meint, dieser ... Antiker habe Sie benutzt, um selbst aufzusteigen."
Vashtu biß sich auf die Lippen, nickte dann aber. „So war es auch. Er verfügt über erstaunliche, suggestive Kräfte, die selbst jemanden seiner eigenen Art unter seine Kontrolle bringen können - wie Sie bei mir haben feststellen können. Vielleicht ..." Sie schloß den Mund und schüttelte wieder den Kopf, ehe sie aufblickte. „Nein, nicht vielleicht. Ich weiß, daß er das schon des öfteren versucht hat. Darum war er in diesem Sarg eingesperrt, und darum wurde ihm auch ein Wächter an die Seite gestellt."
„Ein Wächter?" Landry beugte sich interessiert vor.
Vashtu nickte. „Ja, ein Wächter. Der Fremde, dem SG-4 begegnet ist. Er hat sie zu warnen versucht, und sie sind ja auch umgekehrt ... um SG-27 zu holen." Ein bitteres Lächeln glitt über ihr Gesicht.
  „Haben sie mit diesem Wächter gesprochen?" fragte der General.
Vashtu seufzte und lehnte sich in die Kissen zurück. „Sir, ich möchte nicht gern darüber reden, wenn Sie erlauben. Sobald wie möglich werde ich Ihnen meinen Bericht zukommen lassen und hoffe, daß dieser Ihnen reichen wird. Aber zwingen Sie mich nicht ..."
„Schon gut." Landry richtete sich wieder auf. „SG-4 hat diesen Sarg von dem Planeten geholt. Dr. Jackson hat ihn sich angesehen. Unter der Kalksteinschicht waren einige Worte in Ihrer Muttersprache eingeprägt. Er hat sie als eine kryptische Warnung interpretiert, in der ... nun, so ziemlich das gleiche stand, was Sie gerade gesagt haben."
Vashtu sah skeptisch auf, nickte aber.
„Wenn es Ihnen unangenehm ist darüber zu sprechen, dann lassen wir es. Es genügt mir, daß Sie wieder Sie selbst sind. Es ist wirklich erfrischend, Sie unter uns sehen zu dürfen, Miss Uruhk. Selbst der Präsident machte sich Sorgen um Sie."
Die Antikerin lächelte wieder gequält und nickte.
Landry legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Lassen Sie es langsam angehen, hören Sie? Nehmen Sie sich ein paar Tage frei, wenn Sie aus der Krankenstation entlassen werden. Aber fahren Sie nur nicht wieder mit Ihrem Motorrad durch die Gegend, solange Sie Ihren Führerschein noch nicht haben."
Auch diesen Scherz quittierte die Antikerin mit einem schiefen Lächeln und einem Nicken.
Landry seufzte. „Tja, ich schätze, später wird Ihr Team Sie noch besuchen. Sie haben Ihren Jungs einen gehörigen Schrecken eingejagt." Er wandte sich ab.
„Danke, Sir", wisperte eine kleine Stimme hinter ihm.
Landry verließ die Krankenstation, ließ Vashtu wieder vor sich hinbrütend zurück.
Sie erinnerte sich an mehr, als sie dem General gesagt hatte. Vor allem erinnerte sie sich an eines: An eine kühle Berührung, die sie aus dem fernen Licht zurückgezogen hatte. Und an eine Stimme:
„Noch ist es dir nicht gegeben zu gehen, Tochter aus der alten Heimat. Noch hast du eine Aufgabe hier, die du zu erfüllen hast. Darum entschieden wir, dich nicht zu strafen. Doch du wirst niemals wieder diesen Planeten betreten. Und du wirst Reaf niemals wiedersehen. Ihm wurde genommen, was er dir geraubt hat. Und wir geben es dir zurück. Aber niemals wieder wird einer von uns dir helfen, Tochter aus der alten Heimat. Du hast dich für deinen Weg entschieden und wirst ihn bis zu seinem Ende gehen müssen."
Vashtu zog die Beine an, umschlang sie mit ihren Armen und stützte ihren Kopf auf die Knie.
Wieder einmal fühlte sie sich von ihrem eigenen Volk verraten. Wieder einmal war sie mißbraucht worden von denen, zu denen sie eigentlich gehören sollte. Und diesmal hatten sie sie sogar vom Tod zurückgebracht, um weiter mit ihr zu spielen.
Eine Träne rann über ihre Wange. Sie schloß die Augen.
Neue Verbündete by Hyndara71
Dr. Jonas Harper drückte das letzte Symbol und blickte keuchend zum Sternentor auf.
„Jetzt machen Sie schon, Mann! Wir haben nicht ewig Zeit", knurrte Major Collins in seinem Rücken.
Harpers Blick saugte sich an dem Wurmloch fest. Er biß sich auf die Lippen. Viel zu groß war im Moment sein Verlangen, sich durch eben dieses zu stürzen und im sicheren SGC Schutz zu suchen. Doch die Order seines Leaders war eindeutig: Niemand würde diesen Planeten verlassen, es sei denn, das ganze Team war beisammen. Und da Kyle und Watson sich in den Händen dieses Mrinosh befanden ...
„Los jetzt! Wir brauchen Hilfe!" bellte Collins ihn wieder an.
Harper aktivierte sein Funkgerät.
„Hier SG-15. Wir brauchen dringend Hilfe auf P9X-112. Widerhole: Hier SG-15. Wir brauchen Verstärkung."
Neben ihm bellte die Waffe seines Leaders eine kurze Salve. Unwillkürlich ging Harper in Deckung.
„Wir sind angegriffen worden. Der Widerstand, der sich uns entgegenstellt, ist zu groß. Zwei des Teams sind bereits in Gefangenschaft geraten. Wiederhole: SG-15, wir brauchen Hilfe!"
Das Wurmloch brach zusammen.
Harper starrte das Sternentor entgeistert an.
Warum ... ? Normalerweise dauerte eine solche Verbindung doch länger, es sei denn, eines der Gates unterbrach die Verbindung.
„Wir müssen hier verschwinden!" Collins riß ihn am Arm auf die Beine. „Los, in das Wäldchen. Dort sind wir erst einmal sicher."
Harper stolperte hinter seinem Leader her, immer noch verwirrt.
Warum war das Wurmloch zusammengebrochen? Hatte das SGC etwa die Verbindung gekappt? Aber warum?
Ein Energieblitz riß ihn von den Beinen. Hart prallte er in das kniehohe Gras und blieb bewußtlos liegen. 

*** 

„Dorn, Gate sichern! Peter, Lage sondieren! Wallace ... halten Sie Hände und Füße bei sich!" Vashtu Uruhk drehte sich, aufmerksam die nähere Umgebung absuchend, um sich selbst, ihren Energiedetektor in der Hand.
„Was soll dieser Blödsinn eigentlich?" beschwerte Babbis sich gerade. „Wieder eine Übung? Das wird allmählich lächerlich!"
Vashtu warf dem schlacksigen, jungen Wissenschaftler einen warnenden Blick zu. „Ich sagte, Lage sondieren, Peter, nicht, daß ich Ihre Meinung hören will!"
„Aber hier ist doch absolut gar nichts!" beschwerte Babbis sich und drehte sich zu ihr um.
Vashtu, die nahe beim DHD stand, bückte sich und griff offenbar nach etwas, ehe sie sich wieder aufrichtete und ein leeres Magazin präsentierte. „Aber hier war etwas", entgegnete sie, blitzte ihn an. „Und jetzt suchen Sie nach Patronenhülsen, Peter, sonst mache ich Ihnen Beine!"
Babbis starrte das Magazin entgeistert an, dann richtete sich sein Blick wieder auf sie. Sein Gesicht war plötzlich blaß geworden. „Keine Übung?"
Vashtu schüttelte den Kopf. „Keine Übung", bestätigte sie.
„Aber ... Was tun wir dann hier?" fragte Wallace schüchtern.
Die Antikerin hielt ihren Blick jetzt aufmerksam auf den Boden gerichtet. „Wir suchen SG-15, sofern es nicht schon ausgelöscht ist", antwortete sie. „Und das wüßten Sie auch, wenn Sie etwas schneller aus Ihren Bett gekommen wären. Vor drei Stunden erhielt das SGC einen Notruf des Teams. Collins hat offensichtlich die Lucian Alliance gegen sich aufgebracht." Sie sah auf und runzelte die Stirn. „Ich sagte, Sie sollen Ihre Füße stillhalten, Wallace. Wir haben keine Zeit für Unfälle, wie Sie sie produzieren. Mir reicht es schon, das ich ausgerechnet Collins' Hintern aus dem Feuer holen darf."
Wallace trat eingeschüchtert einen Schritt zurück.
„Collins? Major Collins, der Leader von SG-15?" Babbis runzelte die Stirn.
Vashtu nickte. „Genau den."
Babbis' Gesicht verfinsterte sich noch mehr. „Der behauptet doch immer, er müßte hinter uns aufräumen."
„Dieser militärische Schleimer?" ließ Wallace sich vernehmen.
Vashtu hob überrascht den Kopf und sah ihre beiden Wissenschaftler erstaunt an. Beide wirkten alles andere als glücklich über diese Fügung. Wallace starrte dumpf vor sich hin, Babbis hatte die Stirn gerunzelt und ließ seine Augen wütend blitzen.
Sie tauschte einen Blick mit Dorn, der am Tor lehnte und sich die Szene bisher amüsiert angehört hatte.
Das waren ja ganz neue Töne! Sie konnte nur hoffen, daß diese Stimmung ein bißchen anhalten und Wallace nicht plötzlich wieder querschießen würde. Andererseits schien sich der Farmerssohn inzwischen wieder halbwegs gefangen zu haben. Zumindest brachte er nicht mehr bei jeder Kleinigkeit nur noch wüste Beschimpfungen ihr gegenüber hervor.
„Hier liegt ein weiteres Magazin!" meldete Babbis sich plötzlich.
Vashtu drehte sich zu dem jungen Wissenschaftler um und runzelte irritiert die Stirn. Babbis hatte sich tatsächlich inzwischen ein Stück weit vom Tor entfernt.
Die Antikerin wechselte noch einen Blick mit dem alternden Marine, dann folgte sie dem jungen Mann in Richtung auf ein Wäldchen. Und tatsächlich hatte er ein weiteres leeres Magazin in der Hand und zeigte es ihr.
Vashtu nahm es und drehte es in ihrer Hand. Eigentlich waren die Magazine für die P-90 so ausgerichtet, daß man sie nachfüllen konnte. Sie steckte die leergeschossenen wieder ein, um sie später im SGC in der Waffenkammer abzugeben. Collins allerdings schien da anders zu denken. Oder er hatte versucht, eine Spur zu legen.
Sie wußte nicht so recht, was ihr lieber gewesen wäre. Jedenfalls ging sie jetzt, an Babbis' Seite, ein Stück weiter in Richtung Wäldchen und hoffte, daß die Schwierigkeiten sich inzwischen von selbst gelöst hatten.
„Warum läßt Landry uns eine doch recht wichtige Aufgabe übernehmen?" erkundigte Babbis sich leise, damit die anderen sie nicht hören konnten.
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Weil er uns inzwischen ein bißchen mehr zutraut, denke ich", antwortete sie, hoffend, daß ihre Aussage der Wahrheit entsprach.
Tatsächlich herrschte im Moment im SGC ein heilloses Chaos, dessen Grund sie noch nicht herausgefunden hatte. Doch sie vermutete, irgendwelche Neuigkeiten über die Ori waren schuld daran. Und das würde auch erklären, warum Landry gerade ihr Team zur Rettung von SG-15 ausgeschickt hatte. Die anderen waren schlichtweg zu beschäftigt mit irgendetwas.
Abrupt blieb sie plötzlich stehen und starrte auf das kniehohe Gras vor sich. „Na toll!" knurrte sie.
  Babbis warf ihr einen ratlosen Blick zu.
Die Antikerin wies auf zwei tiefe Einbuchtungen im Gras, das sich nur unvollständig wieder gehoben hatte. „Ich schätze, das waren Collins und Harper, nachdem man sie niedergeschossen hat. Soviel zu einer einfachen Lösung." Sie drehte sich wieder zum Tor um, als ihr Funkgerät knackte.
„Mam, wir haben ein Problem hier", meldete Dorn.
„Wir auch, Dorn", antwortete sie, während sie die Hände hob.
Gut ein Dutzend Männer hatten sich unbemerkt an sie herangeschlichen und bedrohten sie mit einem bunten Sammelsurium unterschiedlicher Waffen.
„Mist!" entfuhr es Babbis neben ihr.
„Immer lächeln, Doc, immer lächeln." 

*** 

Rauchschwaden hingen dick in der Luft und reizten ihre Lungen. Fackeln und Holzscheite sorgten für ein wenig Licht, wenn Vashtu auch glaubte, die Männer der Lucian Alliance hätten auch andere Möglichkeiten, ihre Räumlichkeiten zu beleuchten.
Der Rest ihres Teams folgte ihr dicht auf. Die Waffen hatte man ihnen abgenommen und dann in die Mitte des Trupps gesteckt, damit sie auch ja keinen Fluchtversuch wagten. Vashtu ging vorneweg, auch wenn ihr das einige irritierende Blicke der Männer eingebracht hatte, Dorn bildete wie immer das Schlußlicht.
„Mrinosh, Herr, Fremde von der Erde sind aufgetaucht", meldete der Anführer des Trupps, dem sie in die Arme gelaufen waren.
Vashtu atmete tief ein und blinzelte durch den Rauch nach vorn.
Ein großer Saal, in dem in U-Form Tische zusammengeschoben worden waren, an denen gut ein Dutzend Männer saßen. Offensichtlich Lords der Lucian Alliance. Und ebenso offensichtlich wurden hier gerade Verhandlungen geführt, wahrscheinlich auch, als Collins mit seinem Team hergekommen war.
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust und wartete mit leicht verkniffener Miene.
Wenn sie Collins in die Finger kriegte, würde der sich wünschen, ihr nie über den Weg gelaufen zu sein, das hatte sie sich geschworen, als Landry sie in sein Büro holte und über ihren neuen Auftrag informierte. Sie hatte keine Lust, nun hinter ihm herzuräumen. Und es war inzwischen das zweite Mal, daß genau das geschah, und damit mindestens einmal zuviel in ihren Augen.
„Wird die Erde nicht schlau?" fragte eine dunkle Männerstimme, die es offensichtlich gewohnt war zu befehlen. „Demnächst haben wir die ganze Erde hier versammelt, wie?" Er lachte.
Vashtu versuchte, einen Blick auf den offensichtlichen Herrscher dieses Planeten zu erhaschen. Er saß am Kopfende des Tisches. Überraschenderweise wirkte er nicht, wie die meisten der Lords der Lucian Alliance, ungepflegt und verlottert. Er schien im Gegenteil sehr viel Wert darauf zu legen, kultiviert nach außen zu wirken ... wenn man einmal von seinem verräucherten Heim absah.
„Lord Mrinosh", wandte sie sich direkt an ihn, obgleich er wohl Mühe haben würde, sie hinter den wesentlich größeren Wachen vor ihr auszumachen. „Die Erde schickt uns mit der Bitte, das andere Team wieder freizulassen. Was immer auch geschehen ist, es gibt nichts, was wir nicht ausdiskutieren könnten."
Der blonde Mann mit dem Spitzbart setzte sich unvermittelt wieder auf und lugte zu den Wachen. „Höre ich da richtig? Ein Weib?" Er winkte seinen Männern. „Laß sie durch!"
Die beiden, die vor ihr gestanden hatten, traten zur Seite. Vashtu lächelte kurz, wurde dann wieder ernst und trat vor. Sie verbeugte sich tief vor Mrinosh. „Vashtu Uruhk, Leader von SG-27", stellte sie sich vor. „Und du mußt der große Führer und kluge Herrscher Mrinosh sein. Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen."
Der Blonde winkte sie näher zu sich.
Vashtu trat zwischen die Tische und fühlte die teils gierigen, teils irritierten Blicke, die sie von den anderen Lords trafen.
„Warum sollte die Erde eine Frau schicken, um über die Freiheit ihrer Männer zu diskutieren?" erkundigte der Lord sich und lehnte sich zurück. „Vielleicht als zusätzliche Morgengabe, Vashtu Uruhk?"
Die Antikerin sah ihren Gegenüber emotionslos an. „Ich stehe nicht zur Verfügung, Mrinosh, Und du willst mich auch gar nicht haben, glaube mir."
„Die Erde hält uns für schwach, mein Lord! Warum sonst sollte man ein Weib schicken, um mit uns zu verhandeln? Sie macht sich über dich lustig, genau wie die, die zuerst kamen!" Ein fettleibiger Kerl in ehemals hellen Kleidern schlug mit der Faust auf den Tisch und rülpste.
Vashtu beachtete ihn kaum. Weiter hielt sie ihre Konzentration voll auf den blonden Mann vor sich gerichtet.
Mrinosh hob die Hand zu einer einladenden Geste. „Nun, was hat die Frau von der Erde zu diesen Anschuldigungen zu sagen?" fragte er.
Vashtu warf dem Dicken einen halben Blick zu, wandte ihre Aufmerksamkeit dann wieder dem hiesigen Lord zu. „Es spricht für sich selbst", antwortete sie mit einem dünnen Lächeln. „Ich sagte, ich bin gekommen, um das andere Team von der Erde zurückzuholen. Desweiteren bin ich von unserem Präsidenten ermächtigt, Kontakt zu euch herzustellen. Und das würde ich auch gern tun. Nenn es eine Stimme der Vernunft, Mrinosh."
„Eine schwache Frau, die mit Kriegern verhandeln soll?" Der Dicke lachte.
Vashtu hob das Kinn. „Ich bin eine Kriegerin, Mrinosh. Wenn es sein muß, beweise ich dir das auch gern hier und jetzt." Abrupt drehte sie sich um und trat auf den Anführer der Wachmannschaft zu, der sie gefangengenommen hatte.
„Nein, einer von Cylas' Männern soll diesen Beweis antreten", entschied Mrinosh plötzlich. „Und dieses Weib wird nicht verletzt. Vielleicht habe ich noch Pläne mit ihr."
Der Wächter nickte und wandte sich ab.
Vashtu drehte sich wieder zu Mrinosh um und sah, wie in seinen Augen Interesse aufblitzte.
Möglicherweise hatte sie ihn schon am Haken. Jetzt mußte sie ihn nur noch sichern.
Der Dicke, Cylas, gab einem seiner Wächter einen kurzen Befehl, daraufhin trat der in die Mitte zwischen den Tischen und baute sich vor der kleineren und schlanken Antikerin auf.
Vashtu sah ihn sich kurz an. Er war über einen Kopf größer als sie, mit einem gewaltigen Stiernacken und Oberarmen so dick wie nicht einmal ihre Beine.
„Gut." Sie trat einen Schritt zurück und hob die Fäuste.
Ihr Angreifer kam heran und fuhr seinen Arm aus.
Vashtu griff blitzschnell zu und aktivierte die Fremdzellen in ihrem Inneren. Sofort wurde ihrem Griff wesentlich mehr Kraft zugeführt, genug Kraft, um den Wächter über ihre Schulter zu schleudern, wobei sie auch noch seinen Schwung nutzte. Tänzelnd wich sie dann zurück und wartete, bis er wieder auf die Beine kam. Dann sprang sie vor, klammerte sich, als wolle sie ihn umarmen, an seinen Nacken, riß ihren Kopf zurück und ließ ihn dann auf seine Stirn prallen. Ein Ächzen entwich der Kehle des anderen.
Vashtu versuchte, ihn sich nach vorn beugen zu lassen, setzte ihre Beine an und wirbelte ihn zum zweiten Mal durch die Luft. Diesmal aber ließ sie ihm keine Zeit mehr, sich wieder aufzurichten. Selbst einen Purzelbaum schlagend kam sie vor seinem Kopf wieder auf die Knie und drosch ihm ihre Faust an die Schläfe. Mit einem weiteren Ächzen verlor der Wächter das Bewußtsein.
Die Antikerin zögerte noch einen Moment, dann richtete sie sich wieder auf und klopfte sich den Staub aus den Kleidern, ehe sie wieder zurückkehrte zu ihrem früheren Platz.
„Ich hoffe, das ist jetzt geklärt", sagte sie mit einem langen Blick auf Cylas, der dumpf seinen Champion anstarrte. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Mrinosh zu. „Ich kann auch gern kämpfen, wenn dir etwas daran liegt. Ich könnte allerdings auch deinen Männern beibringen, etwas effektiver mit ihren Waffen umzugehen. So wie es jetzt ist, ergibt man sich eher, weil man glaubt, gleich würde explodieren, was sie in ihren Händen halten."
Mrinosh lehnte sich wieder zurück und lächelte. „Du bist gut, Vashtu Uruhk von der Erde. Gibt es noch mehr wie dich?"
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust. „Ich habe mich der Erde angeschlossen, Mrinosh, aber ich komme nicht von dort", antwortete sie. „Ich habe die Gefahr erkannt, die auf uns alle zusteuert. Und darum denke ich, wir alle sollten auch zusammenarbeiten."
Mrinosh schürzte die Lippen und musterte sie kritisch. „Du meinst die Priore?"
Die Antikerin nickte. „Ganz genau. Die Priore und die Ori, denen sie hörig sind. Dir ist sicher auch bekannt, was sie anrichten, wenn man sich ihnen nicht anschließen will."
Mrinosh nickte bedächtig. „Das ist mir allerdings bekannt. Und die Erde hat ein Mittel gegen sie gefunden und ist bereit, auch den Rest der Galaxis an ihrem Wissen teilhaben zu lassen?"
„Sozusagen." Vashtu setzte eine undeutbare Miene auf.
„Das ist in der Tat überlegenswert." Mrinosh beugte sich vor, die Arme vor sich auf dem Tisch verschränkt. „Garantiere mir für deine Männer, Vashtu Uruhk, dann bin ich bereit, in Verhandlungen mit dir zu treten. Dein Angebot klingt bis jetzt sehr interessant. Vielleicht können wir beide es noch vertiefen."
„Herr", ließ sich eine weitere schüchterne Stimme vernehmen. „Vielleicht ... Die Ernte, Herr."
Mrinosh hob die Hand und musterte die Antikerin vor sich immer noch genau. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Dann nickte er. „Du kannst Theorim helfen, dann werde ich entscheiden." 

*** 

Vashtu sah sich in der fensterlosen Kammer sehr genau um, ebenso wie Dorn. Babbis beobachtete die beiden stirnrunzelnd. Was taten sie da eigentlich? Er hatte nicht die blaßeste Ahnung.
„Okay." Die Antikerin drehte sich schließlich wieder um und sah einen nach dem anderen sehr aufmerksam an. „Ich habe einen Plan und hoffentlich auch die Möglichkeit, diesen auszuführen. Dazu brauche ich Sie, Wallace", wandte sie sich an den Agrarwissenschaftler.
Wallace schluckte sichtbar, nickte aber stumm, offenbar vollkommen in sein Schicksal ergeben.
„Und was sollen wir machen?" fragte Babbis.
Vashtu hob die Hand. „Dazu komme ich noch. Wallace und ich werden diesem Theorim auf den Zahn fühlen und hoffen, daß er wirklich so zugänglich ist wie vorhin. Vielleicht können wir wirklich ein Bündnis mit ihm, oder sogar mit Mrinosh herausschlagen, wer weiß?"
Dorn nickte nachdenklich.
„Und was ist mit Dorn und mir? Sollen wir hier Däumchen drehen?" Babbis klang gereizt.
Vashtu erwiderte seinen Blick ruhig. „Haben Sie noch Ihr Palmtop, Peter?"
Der stutzte, nickte dann aber.
„Gut, dann möchte ich, daß Dorn und Sie ein Brainstorming unternehmen und herausfinden, was wir Mrinosh anbieten können für ein Bündnis zwischen der Lucian Alliance und der Erde."
„Wie bitte?" Babbis starrte seine Leaderin groß an. „Ich dachte, wir sind hier, um SG-15 wiederzufinden."
„Sind wir auch, und genau darum steht dieser Punkt auch ganz oben auf Ihrer Liste, Peter." Vashtu lächelte zuckersüß.
Der Sergeant musterte den jungen Wissenschaftler mit kritischem Blick, zuckte dann aber mit den Schultern.
„Ich bin aber nicht gut darin", murrte Babbis.
„Worin? Im Verhandlungen führen?"
Er nickte.
Vashtus Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Sie brauchen ja auch nicht verhandeln, Peter. Das tue ich. Sie sollen nur überlegen, was wir Mrinosh anbieten können in diesem Bündnis. Ob wir es hinterher auch einhalten ... Nun, das steht auf einem anderen Blatt." Sie wechselte einen vielsagenden Blick mit Dorn, streifte sich dann ihre Überlebensweste wieder über.
„Aber ..."
Vashtu warf einen Blick über die Schulter zurück. „An die Arbeit, Peter." Sie nickte Wallace zu, der hinter ihr hertrottete zur Tür wie ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank.
Babbis beobachtete mit zusammengepreßten Lippen, wie die beiden den Raum verließen, den die Wächter ihnen zugestanden hatten.
„Das ist doch wieder typisch für sie. Immer mit dem Kopf durch die Wand!" knurrte der junge Wissenschaftler schließlich, als er mit dem Marine allein war.
Er fühlte Dorns Blick auf sich und drehte sich zu ihm um. Der alternde Militär schmunzelte sichtlich, sagte aber nichts, sondern musterte ihn nur amüsiert.
„Was?" Babbis hob wie zur Abwehr die Hände, breitete dann die Arme aus. „Denken Sie etwa, ich wollte mir dieses Geschwätz anhören? Ich weiß gerade mal, daß Mais auf Feldern wächst."
Dorns Lächeln wurde zu einem Grinsen, doch noch immer sagte er nichts.
„Nein, ich wollte nicht mit!" Babbis wandte sich demonstrativ von dem Älteren ab. „Aber es wäre nett gewesen, hätte sie wenigstens gefragt."
Hinter sich hörte er ein verdächtiges Räuspern. 

*** 

Theorim lauschte Wallaces Vortrag mit glänzenden Augen, hing richtig an den Lippen des jungen Wissenschaftlers.
Vashtu saß auf der anderen Seite des Tisches und betrachtete den schmalen Lord der Lucian Alliance aufmerksam. Irgendwie, das mußte sie zugeben, sah er nicht sonderlich gefährlich aus. Seine gesamte Gestalt war schmal, was aber nicht über die sehnige Kraft hinwegtäuschte, über die er offensichtlich verfügte. Das schüttere Haar hatte er halbwegs kurz geschnitten und trug es zurückgekämmt. Das Gesicht war schmal, erinnerte sie irgendwie ständig an ein Kaninchen mit den großen, unruhigen Augen und Theorims Angewohnheit, an den Nägeln zu kauen.
Die Antikerin dachte nach.
Warum hatte Mrinosh ausgerechnet Theorim als Testobjekt für ein mögliches Bündnis ausgesucht? Weil der sich selbst gemeldet hatte mit seinem Problem mit dem Getreide? Oder war Theorim in Wirklichkeit ein Spion, der sie aushorchen sollte, ob sie wirklich über die Befugnisse verfügen konnte, die sie in der Halle angedeutet hatte? Oder ... ?
Vashtu setzte sich mit einem Ruck auf und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. „Warum hast du dich Mrinosh angeschlossen, Theorim? Deine Welt ist reich, du könntest es doch auch allein schaffen", fragte sie unvermittelt, als Wallace eine weitere Ausführung in seinem Bericht abgeschlossen hatte.
Der Warlord blinzelte, schielte dann unsicher zu ihr hinüber und schluckte sichtlich. „Ich ... Meine Welt mag reich sein, aber wir sind Bauern." Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Vashtu nickte nachdenklich.
„Außerdem ist Mrinosh einer der Lords, die relativ fair handeln, Vashtu Uruhk", fuhr Theorim eilig fort. „Er braucht im Moment noch jeden Verbündeten, den er bekommen kann. Wenn seine Macht sich gefestigt hat, muß Sekema so dicht mit dieser Macht verflochten sein, daß er nicht mehr auf uns verzichten kann. Damit wäre meine Welt dann geschützt."
Vashtu nickte nachdenklich. „Dann ist Mrinosh noch nicht lange so mächtig?"
„Äh ..." Theorim schien aufzugehen, daß er möglicherweise etwas ausgeplaudert hatte, was er nicht hätte erzählen dürfen. „Ich ... nein, ist er nicht." Er schüttelte den gesenkten Kopf. „Erst, seit er das Labyrinth hier auf Ashmath entdeckt hat."
Vashtu stutzte. „Ein Labyrinth?"
Wallace warf ihr einen verwirrten Blick zu, richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf Theorim.
Der nickte, hielt den Kopf gesenkt. „Ja, das Labyrinth. Ein ... ein unheimlicher, grauenvoller Ort. Wer ... wer offen gegen Mrinosh ist, wird dorthin geschickt, um seine Loyalität zu prüfen. Aber die meisten ..." Er schloß abrupt den Mund und sah auf. „Eure Freunde sind dort."
Vashtu schnappte nach Luft. „Was?"
Theorim nickte und kniff die Lippen aufeinander. „Dieser ... dieser Major Collins hat Mrinosh sehr verärgert. Erst wollte er die Gruppe wieder ziehen lassen, doch Major ... Er hörte nicht auf. Mrinosh hat seine Hauptleute hier zusammengerufen, er kann es sich nicht leisten, vor uns sein Gesicht zu verlieren. Also hat er versucht, die Gruppe gefangenzunehmen. Major und Doktor entkamen erst, wurden später direkt ins Labyrinth gebracht."
Vashtu lehnte sich stöhnend zurück. „Auch das noch!" Mit beiden Händen zauste sie an ihrem kurzen Haar. Dann setzte sie sich seufzend wieder auf. „Also gut, du bist also ein treuer Gefolgsmann von Mrinosh und du sagst, wir dürfen ihn auf keinen Fall verärgern. Aber wir sind gekommen, um die andere Gruppe zurück zur Erde zu holen. Glaubst du, es besteht die Möglichkeit, mit Mrinosh darüber zu reden?"
Theorim sah sie zweifelnd an. „Dann ... Nein, ich glaube nicht. Ihr solltet die anderen vergessen, das ist besser." Seine Augen leuchteten auf, als er sich plötzlich vorbeugte. „Mrinosh ist sehr interessiert an dem, was ihr zu sagen habt. Er ist selbst schon auf einen Prior gestoßen, er weiß, wie mächtig sie sind und daß wir keine Chance gegen sie haben werden, sollten sie wirklich so kommen, wie sie es ankündigen. Wenn die Erde wirklich eine Waffe hat, die auch uns schützen kann, dann ... Mrinosh dürfte einer der wenigen sein, die überhaupt Kontakt zulassen werden. Die meisten von uns ... Wenn ihr nicht gekommen wärt, dann wären die falschen Götter immer noch da, das ist wahr. Aber den meisten Menschen in dieser Galaxis ging es früher doch besser als heute."
Vashtu verzog unwillig das Gesicht. „Das ist mir klar. Aber die Goa'uld werden hoffentlich nicht wieder zurückkommen, Theorim. Ihr habt eine Chance, endlich euer Leben zu leben. Sicher wird das nicht ganz einfach sein in der ersten Zeit - frag mich, ich weiß, wovon ich rede! Aber es ist besser, frei zu sein und vielleicht einige Einschränkungen hinzunehmen, als für weitere Jahrtausende der Willkür falscher Götter ausgeliefert zu sein."
Theorim sah sie skeptisch an, dann lächelte er. „Würde Vashtu Uruhk, die Gesandte der Erdenmenschen, es vielleicht auch in Erwägung ziehen, einen Vertrag mit der kleinen, unbedeutenden Welt Sekema auszuhandeln? Ich würde nicht einmal viel verlangen, vielleicht etwas Saatgut von diesem Getreide, von dem Doktor gerade gesprochen hat, und natürlich Schutz, wenn die Ori kommen."
Vashtu lächelte und reichte Theorim ihre Hand. „Willkommen in einem Bündnis mit der Erde, Theorim von Sekema." 

*** 

„Ein Labyrinth?" Babbis starrte sie groß an.
Vashtu nickte, ließ sich auf einem Scherenstuhl nieder und rieb die eigenartige Frucht an ihrer Überlebensweste ab, ehe sie hineinbiß.
„Das würde ich nicht tun!" Wallaces Warnung kam zu spät.
Vashtu wischte sich den Fruchtsaft vom Kinn und blickte fragend auf. „Was?"
Der Agrarwissenschaftler wies auf die Frucht. „Wir wissen nicht, was das ist."
Die Antikerin runzelte die Stirn und betrachtete die Frucht. „Jedenfalls ist sie lecker. Falls sie giftig sein sollte, kann ich Sie ja warnen, ehe Sie zugreifen."
„Kann mir vielleicht einmal jemand zuhören?" Babbis wedelte mit den Armen, als imitiere er eine Windmühle.
Vashtu blinzelte in seine Richtung. „Was denn? Wir wissen jetzt, wo SG-15 sich befindet. Ich hoffe nur, wenigstens einer in der Gruppe ist schlau genug, Collins davon abzuhalten, sich weiter hinein zu wagen und vielleicht nicht wieder herauszufinden."
Babbis sah sie beleidigt an, beugte sich dann mit überkreuzten Armen vor. „Ein Labyrinth, Vashtu, ich rede von einem Labyrinth. Wo kommt es her?"
Die Antikerin zuckte mit den Schultern. „Darüber werde ich später wohl mit Mrinosh sprechen, schätze ich. Er scheint wirklich an einem Bündnis mit der Erde interessiert zu sein." Sie biß wieder ab und kaute nachdenklich.
„Wir können ihm aber einen Schutz nicht zur Verfügung stellen, ist Ihnen das klar?" Babbis schüttelte den Kopf. „Alles was wir haben sind Sie. Und ich glaube nicht, daß Sie so gut sind, Drohnen von der Erde bis hierher zu schicken. Wobei wir nicht einmal wirklich sicher sind, ob Drohnen etwas gegen Ori-Schiffe ausrichten können."
„Sie haben Anubis' Schiffe zerstört", ließ Dorn sich von seinem Posten neben der Tür vernehmen.
Vashtu nickte und schluckte. „Ganz genau. Und sie haben sogar die halborganischen Schiffe der Wraith zerstört. Naja, die sind auch nicht sonderlich intelligent." Wieder betrachtete sie sinnend die Frucht in ihrer Hand.
„Aber Sie können doch nicht eigenmächtig entscheiden!" Babbis rang die Hände.
„Wenn es etwas nützt, werde ich das tun. Wir wissen doch noch gar nicht, wann und ob die Ori wirklich kommen. Bis jetzt haben sich nur Priore gezeigt ... Hat einer von Ihnen vielleicht mal einen getroffen?" Fragend blickte Vashtu von einem zum anderen, sank dann wieder auf den Stuhl zurück und seufzte.
„Sie haben noch keinen Prior gesehen?" Babbis starrte sie verdutzt an.
Vashtu schüttelte den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Falls es Ihnen entgangen sein sollte, Peter, wir wurden bisher immer auf irgendwelche abgelegenen Planeten geschickt, Lichtjahre entfernt vom nächsten bekannten Prior-Auftreten. Und General Landry hält sich da bisher sehr bedeckt mir gegenüber." Sie biß wieder ab.
„Und jetzt haben wir es hier mit jemandem zu tun, der zumindest einen Prior kennt und hofft, wir könnten ihm helfen." Babbis wandte sich stöhnend ab.
„Wie weit sind Sie mit Ihrem Brainstorming gekommen, Peter?"
„Hä?" Mißtrauisch drehte er sich wieder zu ihr um.
Vashtu kaute noch immer und wies auf sein Palmtop, das auf dem niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes stand. „Haben Sie etwas zusammentragen können?"
„Wir sind noch mit anderem beschäftigt, Vashtu!" entfuhr es Babbis gereizt.
„Sie vielleicht, ich nicht. Ich weiß nicht, wie lange ich hier bin. Theorim sagte, Mrinosh wolle mich so schnell wie möglich sprechen. Dann brauche ich ein paar Vorgaben."
„Sind gespeichert", antwortete Dorn einsilbig von der Tür her.
Vashtu lächelte, legte den Stiel der Frucht auf den Tisch und nahm sich statt dessen den kleinen Handrechner.
„Warum hat dieser ... dieser Mrinosh SG-15 in dieses Labyrinth sperren lassen?" Babbis durchmaß den Raum mit weiten Schritten.
„Weil ich es nicht vor ihm tun konnte, da ich kein Labyrinth zur Verfügung habe?" Vashtu las stirnrunzelnd das, was ihre beiden Teammitglieder sich ausgedacht hatten.
„Und wie kriegen wir SG-15 da wieder heraus?"
„Daran arbeite ich." Vashtu blickte auf. „Mathematische Formeln im Austausch gegen Goa'uld-Technologie? Peter, kann es sein, daß Sie mal wieder an Ihrer Doktorarbeit gesessen haben?"
Babbis winkte ungeduldig ab. „Die ist längst abgegeben."
Vashtu beobachtete ihn mit hochgezogenen Brauen, wandte sich dann wieder dem kleinen Bildschirm zu.
„Aber wenn SG-15 in diesem Labyrinth feststeckt, könnte ich ihnen vielleicht helfen. Jedes Labyrinth ist mathematisch errechenbar ..." Babbis schnippte ungeduldig mit den Fingern.
„Wenn Sie das nicht lassen, breche ich Ihnen die Finger", murmelte die Antikerin und studierte weiter die Eingaben.
„Was?" Der Wissenschaftler drehte sich irritiert zu ihr um und starrte sie an. „Ich denke nach!"
Vashtu legte das Palmtop wieder auf den Tisch zurück, dann blickte sie auf. „Das tue ich auch. Trotzdem muß ich nicht meine gesamte Umwelt mit irgendwelchen Geräuschen nerven."
Dorn an der Tür schmunzelte.
Babbis trat näher, die Unterlippe etwas vorgeschoben. „Wollen Sie damit sagen ..."
„Ich will damit sagen, daß ich jetzt sehr genau weiß, was ich Mrinosh auf keinen Fall vorschlagen kann. Danke für Ihre Arbeit." Vashtu erhob sich, trotzdem war sie noch immer einen halben Kopf kleiner als der junge Wissenschaftler.
„Sie und Ihr verdammtes Antiker-Gehirn!" Babbis stieß diesen Satz aus wie einen Fluch.
Vashtu neigte leicht den Kopf und schien seinen Worten nachzusinnen. Dann lächelte sie ihn zuckersüß an. „Stimmt, meins arbeitet schneller als Ihres. Ich habe einen höheren Intellekt."
„Was noch zu beweisen wäre!" Babbis schnaubte.
Vashtus Lächeln wurde breiter. „Fühlen Sie sich mir unterlegen, Peter?"
„Ich habe immer noch den höchsten IQ in dieser Gruppe", entgegnete er.
„Weil meiner die Skala sprengt."
„Sie reden sich nur mit fadenscheinigen Argumenten heraus. In Wirklichkeit sind Sie nicht halb so klug wie Sie gern sein würden."
Sie neigte leicht den Kopf. „Möglich, das habe ich mich noch nie gefragt."
Babbis' Augen blitzten.
„Allerdings habe ich auch keinen Sehfehler. Sie sollten zumindest einmal versuchen, einem Optiker einen Besuch abzustatten. Würde Sie intellektueller aussehen lassen." Vashtu zwinkerte.
„Das ist meine Sache!" Babbis kreuzte die Arme vor der Brust und versuchte, sie niederzustarren.
„Dann machen Sie sich an die Arbeit, Peter, und zeigen Sie mal, was in Ihren grauen Zellen so steckt. Ich werde nicht auch noch Zeit genug haben, mir einen möglichen Weg aus einem Labyrinth auszudenken. Kann ich Sie mit dieser unlösbaren Aufgabe betrauen?" Wieder dieses zuckersüße Lächeln.
Babbis starrte sie immer noch an, dann schnappte er sich seinen Handrechner und verzog sich in eine Ecke, um dort Berechnungen anzustellen.
Vashtu sah ihm nach und nickte befriedigt. Zumindest verhielt er sich jetzt still und würde wohl kaum noch mit seinen Ausfällen die ganze Gruppe gefährden.
„Sie wissen nicht zufällig, wie dieses Labyrinth aussieht, oder?" ließ Babbis sich plötzlich vernehmen.
Vashtu tauschte mit Wallace einen Blick, dann zuckten beiden einhellig mit den Schultern. „Keine Ahnung, das hat Theorim uns nicht verraten."
Babbis winkte unwillig ab und vertiefte sich knurrend wieder in seinen Berechnungen.
Vashtu lächelte Wallace aufmunternd zu. „Übrigens, Doc. Gute Arbeit, die Sie geleistet haben. Theorim könnte für die Zukunft noch wichtig werden."
Der Farmerssohn starrte sie einen Moment lang baff an, dann breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht aus. „Danke, Mam." 

*** 

„Es tut mir leid, daß du warten mußtest, Vashtu Uruhk." Mrinosh erhob sich und bot ihr galant einen Stuhl an seinem Tisch an. „Leider bin ich zur Zeit sehr beschäftigt, wie du sicher hast feststellen können. Meine Untergebenen müssen erst wirklich von meiner Übermacht überzeugt werden."
Vashtu nickte verstehend und ließ sich nieder. „Umso höher schätze ich deine Bereitschaft, mir als Sprachrohr der Erde zuzuhören, Lord Mrinosh. Die Erde wird deinen Status selbstverständlich voll und ganz anerkennen. Sofern uns selbst möglich, sind wir auch gern bereit, dir mögliche Unterstützung zur Verfügung zu stellen, solltest du in Schwierigkeiten geraten."
Der junge Warlord hob überrascht die dünnen Brauen, beugte sich dann vor und goß sich eine durchsichtige Flüssigkeit in einen Becher. Ihr hielt er auffordernd die Kanne hin. Vashtu schüttelte den Kopf.
„Ein großzügiges Angebot, Vashtu Uruhk. Warum hat Major Collins nichts davon gesagt?" Mrinosh lehnte sich zurück und nahm einen Schluck.
„Der Major ist manchmal etwas impulsiv. Ich bitte für sein Verhalten um Verzeihung und hoffe, du wirst ihn dennoch gehen lassen." Vashtu neigte den Kopf, um ihre Ehrerbietung zu zeigen.
Mrinosh stellte den Becher zurück auf den Tisch und lehnte sich entspannt nach hinten. „Laß uns von angenehmeren Dingen sprechen, Vashtu Uruhk. Du hast dich erboten, meinen Männern den Umgang mit Waffen und das Kämpfen beizubringen. Gilt dieses Angebot noch?"
Vashtu breitete die Hände in ihrem Schoß aus. „Selbstverständlich, Lord Mrinosh. Ich biete meine Dienste nicht leichtfertig an."
Der junge Warlord musterte sie wieder interessiert. „Du bist eine schöne und gefährliche Frau, Vashtu Uruhk. Gibt es noch mehr von deiner Sorte dort, woher du kommst?"
In ihrem Gesicht zuckte kein Muskel. „Ich fürchte, ich bin die letzte meines Volkes." In ihrem Inneren lehnte sich alles dagegen auf, diesen Satz zu benutzen, vor allem nach ihren jüngsten Erlebnissen.
Mrinoshs Blick zeigte Mitgefühl. „Keine schönen Zukunftsaussichten. Es tut mir leid." Er beugte sich vor. „Es ist tatsächlich ungewöhnlich für jemanden wie mich, sich mit einer Frau als gleich und gleich zu unterhalten, Vashtu Uruhk. Aber dein Auftreten und deine Vorführung deiner Kampfkünste haben mich überzeugt, daß auch du wohl eine Anführerin warst ... als dein Volk noch lebte."
Vashtu hob einen Mundwinkel, antwortete aber nicht auf diese Schmeichelei.
„Du solltest wissen, selbst ich bin noch anderen unterstellt in unserer Allianz. Es gibt noch Mächtigere als mich, aber ich denke, wenn die Erde wirklich einen Handel mit uns schließen will, kann ich euch an die richtigen Stellen verweisen. Allerdings sollten wir zunächst zu einer eigenen Einigung kommen", erklärte Mrinosh.
„Das ist ganz in meinem Sinne." Vashtu lächelte nun wirklich. „Um ehrlich zu sein, habe ich bisher kaum gute Erfahrungen mit der Lucian Alliance machen dürfen. Nicht so sehr mein Geschlecht als vielmehr die ... Impulsivität einiger anderer Lords ... Nun, sagen wir, wir konnten uns bisher nicht einigen."
„Verständlich." Mrinosh nickte. „Es ist meist nicht einfach mit den Herren der Mutterschiffe in Kontakt zu treten. Ich versuche einen anderen Weg. Ob dieser mir gelingen wird, wird die Zeit zeigen."
Vashtu beugte sich interessiert vor. „Du willst herrschen, ohne Gewalt anwenden zu müssen, nicht wahr?"
Der junge Lord nickte. „Durch das Labyrinth habe ich ein gewisses Druckmittel den anderen gegenüber. Aber ..." Unwillig schüttelte er den Kopf und lächelte ein wenig verlegen. „Du bringst mich dazu, Dinge mit dir zu besprechen, die an für sich mein Geheimnis sind, Vashtu Uruhk."
„Nenn mich Vash, das sagen meine Freunde zu mir." Spontan hielt sie ihm ihre Rechte hin.
Mrinosh blinzelte, dann breitete sich wieder dieses Lächeln über sein Gesicht aus und er schlug ein. „Mrinosh von Ashmath, und ich bin stolz, zu deinen Freunden zählen zu dürfen." Sein Gesicht wurde wieder ernst. „Erzähl mir von dieser Waffe gegen die Ori, Vash, bitte."
Die Antikerin biß sich auf die Lippen und lehnte sich zögernd wieder zurück. „Sie sitzt vor dir", sagte sie schließlich.
Mrinosh blinzelte. „Wie bitte?"
Sie nickte. „Ich bin die Waffe gegen die Ori, du hast schon ganz richtig verstanden." Sie runzelte die Stirn. „Und ich hoffe, du wirst dieses Wissen nicht gegen mich einsetzen. Auch deine Zukunft könnte davon abhängen, daß ich tun kann, was ich tun soll."
Mrinosh starrte sie von Kopf bis Fuß an. „Aber ..." Er schloß verwirrt den Mund. „Wie kann das sein?"
„Auf der Erde gibt es eine Waffenplattform, die nur ich im ausreichenden Maße bedienen kann, Mrinosh. Und die Munition ... Nun, sie hat schon ganz anderes erledigt als Ori-Schiffe." Sie kreuzte die Arme vor der Brust. „Mein Volk ist seit langem ausgestorben, seit sehr langer Zeit. Ich bin die letzte Überlebende, weil ich ... äh, einen sehr langen Schlaf hinter mir habe."
Mrinosh nickte verwirrt, schwieg jetzt aber.
„Ich bin ehrlich zu dir, weil du ein Freund bist, Mrinosh", fuhr die Antikerin fort. „Wenn ich kann, werde ich deinen Planeten und die deiner Verbündeten beschützen. Aber im Moment ... Es würde einen sehr großen Aufwand kosten, wenn du verstehst, was ich meine. Ich denke, ich könnte es, sollten die Ori hier einfallen, aber sicher ist es noch lange nicht."
Wieder ein Nicken des Warlords.
Vashtu seufzte. „Die Erde ist auf der Suche nach anderen Waffen meines Volkes, effektiveren Waffen, mit denen ich mehr tun könnte. Es gibt Hinweise darauf, daß es sie gegeben hat. Und wir gehen jedem Hinweis nach und versuchen, sie in unseren Machtbereich zu bringen."
„Was ist das Problem?" Mrinosh sah sie wieder an.
„Das Problem sind die Ori selbst. Du hast einen Prior getroffen, sagtest du?"
„Ja, er kam auf meine Heimatwelt, vor einigen Monden erst. Mir gelang glücklicherweise die Flucht hierher, sonst ..." Hilflos zuckte er mit den Schultern.
Vashtu nickte. „Dann kennst du die Macht, die auch die Ori ihr eigen nennen. Sie sind ... die Erde nennt es aufgestiegen, Mrinosh. Sie sind in eine höhere Existenzebene gewechselt, die den meisten von uns noch versagt ist. Man kann die Ori nicht einfach töten wie wir uns gegenseitig töten."
Mrinosh nickte wieder, griff erneut nach seinem Becher und nahm einen Schluck.
„Du hast von dem Labyrinth gesprochen", wechselte die Antikerin nun das Thema, „weißt du, woher es stammt? Ist es Goa'uld-Technologie?"
Mrinosh runzelte die Stirn. „Nein", er sah wieder auf, blickte ihr direkt in die Augen, „es ist eindeutig älter. Denkst du etwa ... ?"
„Kann ich es mir ansehen?" Vashtu beugte sich wieder vor. „Möglicherweise bist du über etwas gestolpert, wenn du sagst, dieses Labyrinth sei älter als die Dinge, die die Goa'uld benutzten."
„Du meinst, ich habe hier vielleicht eine Waffe gegen die Ori?" Hoffnung glomm in Mrinoshs Augen.
„Vielleicht. Ich müßte es mir erst ansehen." Sie erwiderte seinen Blick. „Und ich möchte den Major und seine Männer dort herausholen, ehe ihnen etwas zustoßen kann."
„Sie haben meine Autorität untergraben. Ich mußte sie bestrafen." Mirnoshs Brauen zogen sich zusammen.
„Und ich entschuldige mich für ihr Verhalten und hoffe, du nimmst diese Entschuldigung an."
Mrinosh sah sie wieder an, die Lippen nachdenklich zusammengekniffen, die Arme vor der Brust verschränkt. „Du sagst, du könntest versuchen, meine Welt und die meiner Lords zu schützen, aber du wüßtest nicht, ob dir das auch gelingen würde? Wie soll dann ein Bündnis zwischen uns entstehen?"
„Indem du mir vertraust. Die Erde hat mehr zu bieten als nur eine Waffe gegen die Ori, Mrinosh. Wir können dir und deinen Lords Dinge geben, von denen ihr bisher nicht einmal zu träumen gewagt habt, ganz zu schweigen von fachlicher Hilfe in vielen Bereichen. Du hast doch sicher Theorim befragt über sein Gespräch mit Dr. Wallace?"
Der junge Lord nickte. „Er war sehr begeistert, zugegeben. Nächstes Jahr, so hofft er, wird er die Erträge noch steigern können. Er sprach auch über einen Handel mit der Erde, in dem es um neues Saatgut geht."
Vashtu nickte. „Das sind Dinge, die die Erde dir bieten kann. Du kannst deine Macht festigen und mußt nicht Gewalt anwenden, zu der du sonst vielleicht gezwungen wärst."
Mrinoshs Blick glitt ins Leere. Er dachte angestrengt nach.
Vashtu lehnte sich zurück und wartete.
Der junge Lord dachte lange nach, doch schließlich blickte er wieder auf und musterte sie.
„Also gut, Vash, schließen wir den Handel. Und als Besiegelung darfst du deine Freunde mitnehmen", entschied er.
Vashtu verzog kurz das Gesicht, hütete sich aber, ihn zu korrigieren. 

*** 

„Okay, eine Idee, Peter?" Vashtu stand vor einer hohen Wand und betrachtete diese stirnrunzelnd.
  „Tja, dazu müßten wir erst einmal den Eingang finden." Babbis hatte wieder sein Palmtop gezückt und rief eifrig Daten ab.
Vashtu biß sich nachdenklich auf die Lippen, zog dann ihren Energiedetektor aus der Brusttasche und aktivierte ihn. Sie hielt ihn gegen die Mauer und las stirnrunzelnd die Daten ab. „Wie ich es mir gedacht habe ..." murmelte sie gedankenverloren, wandte sich dann von der Barriere ab und begann, an ihr entlangzuwandern.
„Wie Sie sich was gedacht haben?" Babbis lief eifrig hinter ihr her.
„Es stammt von meinem Volk", antwortete die Antikerin, ohne zurückzusehen. „Wozu es ursprünglich diente, kann ich allerdings nicht sagen, solange wir draußen sind. Aber etwas anderes kann ich sagen: Irgendwo da drin ist ein ZPM. Und dieses ZeroPointModule versorgt die Anlage mit Energie."
„Was? Aber das ist ... !" Babbis blieb der Mund offen stehen.
Jetzt drehte Vashtu sich doch zu ihm um und musterte ihn mit kühlem Blick. „Es ist gar nichts. Nach meinen Daten ist das ZPM fast erschöpft. Entweder wir besorgen Mrinosh ein neues oder wir sollten sehen, daß er sein Labyrinth so selten wie möglich benutzen muß. Sonst kann er seine Geheimwaffe nämlich bald vergessen."
Babbis klappte der Mund hörbar wieder zu. „Aber ... warum sollten wir einem Warlord der Lucian Alliance helfen wollen? Ich denke, bisher haben wir immer auf der gegnerischen Seite gestanden." fragte er verwirrt.
„Weil Mrinosh nicht wie die anderen Warlords ist, deshalb. Eine Stimme der Vernunft sollte selbst im größten Chaos hörbar sein, Peter. Gerade Sie sollten das wissen." Vashtu betrachtete wieder die hohe Wand an ihrer Seite, ging dann weiter. „Ein Stück weiter vorn ist der Eingang."
Babbis folgte ihr stirnrunzelnd. „Ich verstehe nicht ganz ..." murmelte er.
Die Antikerin seufzte resignierend. „Mrinosh ist alles andere als ein wüster Schläger und Aufschneider, wie wir sie bisher in der Lucian Alliance erlebt haben. Der Mann ist intelligent und versucht, einen anderen Weg zu finden. Ich denke, wir sollten ihm helfen, statt ihm das einzige zu nehmen, was ihn an der Macht hält", erklärte sie. „Er könnte ein Zünglein an der Waage sein, wenn es hart auf hart kommt. Außerdem hat Landry mir den Auftrag gegeben, in Verhandlungen mit Mrinosh zu treten. Sein geheimnisvolles Labyrinth ist selbst auf der Erde nicht ganz unbekannt."
„Und warum sagen Sie uns das nicht? Ich dachte, Sie vertrauen uns!" Eine leise Anklage schwang bei diesen Worten mit.
Vashtu schüttelte unwillig den Kopf und drehte sich wieder um. „Ich habe gesagt, daß ich einen Auftrag des General habe, das sollte genügen, Peter. Ich vertraue Ihnen, und ich vertraue Dorn. Bei Wallace bin ich mir da allerdings nicht so ganz sicher. Und gerade darum habe ich kein Wort verlauten lassen. Sie sind mit Wallace befreundet, und Dorn mißbrauche ich viel zu oft als seinen Babysitter. Gut möglich, daß einem von Ihnen ein falsches Wort herausrutscht."
Babbis hob die Brauen. „Dorn und ein falsches Wort herausrutschen? Vashtu, ich bitte Sie!" Allein die Vorstellung war absurd.
Vashtu trat an die hohe Mauer heran und legte ihre Hand auf eine Stelle, die sich offenkundig in nichts von dem umliegenden Material unterschied. Dennoch aber verschwamm plötzlich die Barriere vor ihnen und ließ einen Durchgang entstehen. „Der Hintereingang", kommentierte die Antikerin. „Damit sollten wir es etwas einfacher haben als Collins und sein Team."
Babbis trat näher und betrachtete das Innere des nun offenen Labyrinths. „Okay, das müßte zu schaffen sein." Er senkte den Kopf und begann auf seinem Bildschirm herumzutasten.
„Können Sie von hieraus wirklich bereits sagen, um was für eine Art Labyrinth es sich handelt?" Vashtu schien nun wirklich überrascht.
„Ein klassischer Irrgarten, vermute ich zumindest. Sehen Sie sich doch die massiven Wände an. In England können Sie diese Art von Labyrinthen sehr häufig sehen. Irgendwo sollte es ein Zentrum geben. Wenn SG-15 klug genug war, sollten wir sie dort finden", antwortete Babbis mit nachdenklicher Stimme.
„Gut, es gibt Abkürzungen für uns. Kommen Sie mit." Vashtu schritt munter auf die nächste Wand zu. Diese rückte ein gutes Stück zur Seite, so daß wiederum ein Durchgang entstand.
Babbis beobachtete das Geschehen mit gerunzelter Stirn. „Wozu brauchten Sie mich bitte nochmal?" fragte er ungehalten.
„Um Collins' Bewegungen nachzuvollziehen. Der Detektor ist hier vollkommen unnütz. Wir sind mitten in einem Energiefeld, und das stört sämtliche Lebensanzeigen." Vashtu stopfte ihren Detektor zurück in ihre Überlebensweste, entsicherte statt dessen ihre P-90 und hielt sie locker in den Händen.
„Denken Sie, wir treffen hier drin auf Widerstand?" Babbis wurde plötzlich unsicher. Nervös sah er über die Schulter zurück.
„Laut Mrinosh ja." Vashtu ging weiter, die nächste Wand öffnete sich vor ihnen, während die hinter ihnen wieder zurück in ihre Ausgangsposition glitt.
„Wie hat Mrinosh denn SG-15 hier herein gebracht?" fragte Babbis.
„Mit einem Antiker-Lift", kam die einsilbige Antwort. „Aber der funktioniert nur in eine Richtung."
„Oh!" Babbis folgte der Antikerin dicht auf, während diese immer tiefer in das Labyrinth eindrang. Die Querwände, die sie eigentlich in die Irre führen sollten, glitten vor ihnen auseinander, so daß sie sehr schnell vorankamen.
„Liegt das wieder an Ihrem Gen?" erkundigte Babbis sich nach einer Weile.
„Zum Teil." Aufmerksam sah Vashtu sich immer wieder um. „Aber am wahrscheinlichsten ist es, daß ich Zugang zu dieser Abkürzung habe, weil wir diesen Weg gehen und durch die Wartung in die Anlage eingedrungen sind. Hätte ich mich mittels Lift in die Mitte des Labyrinths beamen lassen, sähe das wahrscheinlich anders aus."
Der junge Wissenschaftler nickte nachdenklich.
Eine neue Wand glitt zur Seite, und sie betraten einen mehreckigen Platz, in dessen Mitte sich ein großer Obelisk befand.
Vashtu musterte diesen sehr aufmerksam. „Der Lift", murmelte sie schließlich und sah sich um. Zwei Ausgänge führten wieder in das Labyrinth hinein. „Dann versuchen Sie mal Ihr Glück, Peter. Welcher Gang?"
Babbis sah sich unschlüssig um, zuckte schließlich mit den Schultern. „Die Wahrscheinlichkeit ist 50/50, daß ich mich irre. Sie kennen Collins doch. Hat er eine Vorliebe für eine bestimmte Himmelsrichtung oder Seite?"
„Keine Ahnung, wir hatten nur zwei Einsätze zusammen." Vashtu mißbrauchte ihre Waffe als Armstütze und sah sich aufmerksam um.
„Und trotzdem sind Sie beide so wenig aufeinander zu sprechen?" Babbis staunte.
„Zwei Einsätze reichen mir für den Rest meines Leben, glauben Sie mir." Vashtu trat an den rechten der beiden Durchgänge heran und lugte mit langem Hals hinaus.
„Wir sollten uns auf jeden Fall nicht trennen, oder was meinen Sie?"
„Wir trennen uns nicht. Ich brauche Sie." Vashtu zog sich von ihrem Spähposten wieder zurück und trat zu dem jungen Wissenschaftler. „Dann lassen Sie mal Ihre Begabungen spielen, Peter. Welche Richtung?"
Unschlüssig blickte Babbis sich um, zuckte schließlich mit den Schultern und wies auf den linken. „Da vielleicht. Aber, wie gesagt, die Chance ist Fifty-Fifty."
„Ist mir klar." Vashtu trat an ihm vorbei, die P-90 wieder im Anschlag. Sorgfältig sondierte sie nach beiden Seiten, dann glitt sie in den nächsten Gang, Babbis dicht hinter sich wissend.
„Nehmen wir jetzt keine Abkürzungen mehr?" erkundigte der sich.
„Nicht solange wir nicht wissen, wohin Collins uns seine Leute gegangen sind." Vashtu hielt sich die Waffe an die Wange und sicherte aufmerksam um die Ecke, dann hob sie den Kopf und nickte zu einem weiteren Durchgang. „Den?"
Babbis steckte endlich sein Palmtop weg. Hier würde ihm das nicht sehr viel nutzen. „Möglich."
Vashtu verzog unwillig das Gesicht, hob die P-90 wieder an die Wange und sicherte. „Nichts." Sie hob den Kopf und drehte sich um. Stirnrunzelnd betrachtete sie ihren Begleiter. „Sagen Sie, sollte nicht zumindest einer in SG-15 genug Verstand haben, um den Weg, den sie genommen haben, irgendwie zu markieren?"
Etwas hilflos hob Babbis zum dritten Mal die Schultern. „Es wäre eigentlich logisch. Entweder die gegangenen Wege oder die ausgeschiedenen zu markieren. Der sicherste Weg, aus einem Labyrinth herauszufinden."
Vashtu nickte und drehte sich wieder um. In diesem Moment hörten sie beide Schüsse. Und sie kamen von der anderen Seite des Labyrinths.
„Die Abkürzung!" Die Antikerin raste bereits an Babbis vorbei. Die Wand glitt zur Seite. Der schlacksige junge Mann hatte Mühe, ihr zu folgen. Hatte sie wieder ihre Fremdgene aktiviert?
Keuchend hastete er hinter seiner Leaderin her und mußte mehrmals aufpassen, nicht von den wieder an ihre eigentliche Stelle zurückgleitenden Wänden zerquetscht zu werden.
Die Schüsse wurden deutlicher, jetzt mischten sich auch Stimmen mit hinein, wenn man auch die Worte noch nicht verstehen konnte.
„Collins!" rief Vashtu über die Schulter zurück. Dann verlangsamte sie ihre Schritte und hob die Waffe wieder. „Sie sollten besser auch Ihre Automatik rausholen, Peter. Kann sein, daß wir auf Widerstand treffen."
Babbis nickte atemlos und warf der Antikerin einen neidischen Blick zu. Sie war nicht einmal außer Atem!
Die nächste Wand glitt zur Seite. Seite an Seite traten die beiden Mitglieder von SG-27 hindurch und gaben sich gegenseitig Feuerschutz. Doch der Gang war in beide Richtungen frei.
Die Stimmen wurden deutlicher, einzelne Worte waren inzwischen zu verstehen.
„Okay, im nächsten oder übernächsten Gang müßten wir auf sie treffen", hörte Babbis die Antikerin murmeln und nickte.
Wieder entstand ein Durchgang, wieder traten sie Rücken an Rücken hindurch, und wieder war da nichts. Dafür hörten sie ein eigenartiges hohes Brüllen, das nicht weit entfernt zu sein schien. Die Stimmen waren inzwischen sehr deutlich zu verstehen.
„Der nächste Gang!" Beide sahen sich an und nickten gleichzeitig. Dann traten sie, Seite an Seite vor.
Die Wand glitt zur Seite und gab einen Durchgang frei. Querschläger peitschten ihnen entgegen.
„Runter!"
Der Befehl war überflüssig. Babbis ließ sich so schnell wie möglich auf die Knie nieder und robbte vorwärts, Vashtu hinterher. Die Antikerin rollte sich in den nächsten Gang hinein, hob die Waffe an die Wange und begann zu schießen, das alles in einer einzigen fließenden Bewegung, viel zu schnell, als daß sie alle Informationen hätte bereits verarbeiten können.
Babbis warf sich nach vorn, kam neben ihr zu liegen und robbte in die richtige Position. Dann hob auch er die Waffe.
Was da zwischen ihnen und SG-15 im Gang stand, von den Kugeln hin- und hergeworfen wurde, war ein Alptraumwesen, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Es hatte eindeutig zuviele Gliedmaßen und einen eigenartigen Auswuchs am Unterleib. Schlohweißes, ungepflegtes Haar fiel ihm in ein Gesicht, daß nur ansatzweise menschlich wirkte und vor allem von blitzenden Facettenaugen beherrscht wurde.
„Scheiße! Was ist das?" keuchte Babbis entsetzt.
Vashtus Gesicht war unbeweglich. Langsam richtete sie sich auf, stützte die P-90 mit einem Knie und drückte den Knopf, um auf Einzelfeuer zu gehen. Dann kam sie ganz auf die Beine und hetzte los.
„Nicht mehr schießen!" brüllte Babbis entsetzt los, als er sah, wie die Antikerin direkt in die Schußlinie von SG-15 rannte. Die P-90 in ihrer Hand spuckte einzelne Patronen aus, die dem merkwürdigen Wesen offenbar inzwischen doch zuzusetzen vermochten. Babbis begriff, daß sie einfach zu weit entfernt gewesen waren. Das Wesen mußte über eine äußere Panzerung verfügen. Eine Panzerung, die es fast unverwundbar machte, es sei denn, man kam ihm gefährlich nahe.
Mit einem letzten Schrei sank das Wesen endlich gegen die Wand. Vashtu jagte ihm noch mehrere Patronen in den Kopf, achtete nicht darauf, daß sie von der gelben, schleimigen Körperflüssigkeit des Monsters besudelt wurde. Erst als sie wirklich davon überzeugt war, das es tot war, hob sie die Waffe und sicherte sie, den Blick noch immer starr auf das Etwas vor ihren Füßen gerichtet.
Nicht ganz genau, aber eine ähnliche Darstellung hatte sie bereits einmal gesehen, wenn auch nur als schwaches Hologramm unter der Decke einer Eishöhle. Nur wie es hierher kam, weit entfernt von der geheimen Stadt ihres Volkes, wie es so lange hatte überleben können und immer noch aktiv genug war, für andere eine Gefahr zu werden, das wußte sie nicht.
Sie starrte weiter auf das Wesen hinunter, die Lippen fest aufeinander gepreßt.
„Was war das?" hörte sie schließlich Babbis' atemlose Stimme an ihrer Seite, wandte sich ab, den Kopf weiter gesenkt haltend.
„Ein Devi", antwortete sie, dann sah sie auf und musterte das reichlich angeschlagene SG-15. Die Männer starrten sie nur groß an.
„Major Collins, das SGC schickt SG-27, um Sie zu retten, Sir", sagte sie mit emotionsloser Stimme. 

*** 

„SG-27, gute Arbeit." Landry nickte den vier unterschiedlichen Personen aufmunternd zu. „Vor allem der Kontakt zu der Lucian Alliance, hervorragend gelöst, Miss Uruhk. Ich hoffe, in Zukunft mehr solche positiven Dinge von Ihnen weitergeben zu können."
Die Antikerin lehnte an der Wand, nickte mit überkreuzten Armen, die Stirn aber blieb weiter gerunzelt und ihr Blick war nachdenklich.
„Auch an Sie beide, Dr. Wallace und Dr. Babbis, mein besonderes Lob für Ihre Leistungen. Ihre Leaderin hat Sie beide in ihrem Bericht als sehr gut bewertet. Sergeant Dorn, Ihre Zusammenarbeit mit Dr. Babbis wird ebenso erwähnt. Sie haben in einer schwierigen Situation die Nerven behalten." Landry blickte auf und lächelte. Dann aber, als sein Blick auf die andere Seite des Tisches fiel, verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck.
„Major Collins, Ihnen und Ihrem Team muß ich leider einigen Tadel erteilen. Wie konnten Sie es überhaupt soweit kommen lassen? Und warum haben Sie sich selbst und Dr. Harper nicht durch das Wurmloch zurückgeschickt, ehe die Lage endgültig eskalierte. Hier hätten wir wesentlich besser mit Ihnen zusammenarbeiten und einen Notfallplan erstellen können. Keine sonderlich guten Aussichten, meine Herren."
SG-15 ließ gemeinsam die Köpfe hängen.
Landry lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Und wenn mir noch einmal ein Ausspruch wie der, Sie müßten hinter irgendeinem der anderen Teams herräumen, zu Ohren kommt, Major, finden Sie sich sehr schnell in AREA 51 wieder. Haben Sie das verstanden? Bis jetzt ist es zweimal SG-27 gewesen, das Ihr Chaos hat beseitigen müssen, nicht umgekehrt."
„Aber ..." Collins schloß unvermittelt den Mund und starrte die Antikerin an. Dann schnaubte er und lehnte sich zurück.
„Kein Aber, Major. Sie können auch sehr schnell  wieder zum Captain werden, verstanden? Ihre Äußerung war unkollegial und inkorrekt. Ich hoffe, Sie werden sich das für die Zukunft merken." Landry schloß die Akte. „Sie können gehen."
Leise murmelnd erhoben sich beide Teams und verließen den Besprechungsraum, alle, bis auf die Antikerin und Landry.
„Sir?" fragte Vashtu leise und blickte endlich auf. „Wie kann es sein, daß ein Devi in dieser Galaxis ist und wir wußten nichts davon?"
Landry sah sie einen Moment lang nachdenklich an, dann bot er ihr wieder einen Sitzplatz an. Diesmal ließ sie sich auch tatsächlich nieder und blickte ihn hilfesuchend an.
„Ich weiß es wirklich nicht, Miss Uruhk", antwortete Landry im ruhigen Tonfall. „Aber Ihre Reaktion war richtig und schnell. Schade, daß dieser Mrinosh uns den Leichnam nicht zur Verfügung stellen will. Ich bin sicher, wir hätten vielleicht eine Antwort gefunden. Diese ... diese Devi sind auf jeden Fall das erste Mal in der Milchstraße aufgetaucht, das können Sie mir glauben. Bis jetzt ist uns keines dieser Wesen bekannt gewesen, und wenn Sie es nicht als solches identifiziert hätten, wüßten wir auch jetzt nicht, um was es sich gehandelt hat."
Vashtu senkte betreten den Kopf wieder und nickte mutlos.
Landry beugte sich vor und sah sie an. „Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Uruhk", sagte er mit leiser Stimme. „Jetzt geht es um etwas anderes. Und genau darauf sollten Sie sich konzentrieren."
Verwirrt blickte sie ihn unter ihren Ponyfransen wieder an. „Was meinen Sie?"
Landry lächelte unsicher. „Die Entscheidung war schon längst fällig nach Ihrem Können mit dem Kontrollstuhl. Aber ... in der Internationalen Kommission wurde entschieden, daß Sie von jetzt an als Geheimnisträgerin einzustufen sind und die ganze Wahrheit über die Ori erfahren sollen. In Zukunft wird SG-27 etwas enger mit SG-1 zusammenarbeiten." Er hob die Hand, als die Antikerin zu reden beginnen wollte. „Ich weiß, Sie haben Ihre kleinen Differenzen mit dem einen oder anderen Mitglied dieses Teams. Dennoch werden Sie zukünftig enger mit ihnen zusammenarbeiten. Und zwar, weil wir auch Ihr Wissen brauchen, Miss Uruhk. Dr. Jackson weiß zwar viel über Ihre Rasse, aber bei weitem nicht soviel wie Sie selbst. Die Ori, Miss Uruhk, wollen in die Milchstraße - und sie werden kommen, das ist sicher. Aber sie wollen nicht nur neue Gläubige gewinnen. Sie wollen die Antiker vernichten, und damit auch Sie."
Vashtu starrte den General wortlos an. Dann holte sie einige Male tief Luft und nickte stumm.
Inhuman by Hyndara71
Ein Jahr zuvor:

Acastus Kolya senkte kurz das Fernrohr und lächelte. „Sieh an, Colonel, sieh an", murmelte er sehr zufrieden mit sich und dem Rest der Welt. Dann hob er das kleine Messingrohr wieder ans Auge und beobachtete die beiden Gestalten.
Ein hochgewachsener, schlanker Mann mit wirrem dunklem Haar hatte sich über eine, fast einen Kopf kleinere Frau mit schulterlangem, schwarzem Haar gebeugt und wisperte ihr offensichtlich etwas ins Ohr. Die Fremde begann zu lachen, wobei in ihren Augen ein gewisser Schalk aufblitzte.
„Wissen wir, wer sie ist?" fragte der ehemalige Anführer einer Spezialeinheit der Genii.
„Alles was wir wissen ist, daß sie die Kleidung der Atlanter trägt und mit ihnen gekommen ist", antwortete der mausgesichtige Mann neben ihm. „Sie sollen hier Verhandlungen über ein Handelsabkommen führen, aber das scheint ihn nicht sehr zu interessieren."
Kolya nickte, beobachtete das Paar weiter durch sein Fernrohr. „Colonel Sheppard wird angreifbar", sagte er. „Er hätte sich diese Gefühlsduselei sparen können. Aber offensichtlich ... Behaltet sie weiter im Auge. Sobald die beiden einmal getrennt sind, schlagen wir zu."
Mausgesicht starrte den hochgewachsenen Mann mit dem pockennarbigen Gesicht groß an. „Was wollen Sie tun?"
Kolya lächelte wieder. „Sheppard zerstören, das will ich."

***

Vashtu ließ sich auf dem Rand des Brunnens nieder, senkte eine Hand in das kühle, kristallklare Wasser. „Es tut gut, einmal ein bißchen Frieden genießen zu dürfen", sagte sie.
John Sheppard ließ sich neben ihr nieder, holte einen Energieriegel aus seiner Überlebensweste und öffnete die Verpackung. „Es ist schön, hier zu sein. In der Sonne und ohne eine ... Du weißt, was ich meine."
Die Antikerin nickte, strich sich das Haar hinters Ohr und sah ihn von der Seite an. „Es tut mir leid, daß ich dir nicht eher gesagt habe, daß ich zur Erde gehen werde."
Sheppards Gesicht verdüsterte sich. „Bitte verdirb uns diesen Tag nicht, Vashtu. Laß ihn uns einfach genießen. Er wird schon viel zu früh wieder ernst." Er seufzte.
„Führst du nicht gern Verhandlungen?" In ihrem Gesicht leuchtete es auf. „Wenn du möchtest, könnte ich das übernehmen."
„Bloß nicht!" Sheppard kaute auf seinem Riegel, sah sie nun ebenfalls an. Vorsichtig hob er seine Hand und strich ihr eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht. Als seine Fingerspitzen dabei ihre Haut berührten, war es, als fühle er einen elektrischen Schlag. Unsicher lächelte er.
Vashtu schloß die Augen, reckte das Gesicht der Sonne entgegen.
Es war kaum zu glauben, daß sie wirklich erst vor wenigen Tagen gegen eine Wraith-Königin gekämpft - und gewonnen - hatte. All die Schrammen und Blessuren waren verschwunden. Nur die gebrochenen Rippen behinderten sie noch ein wenig, doch auch diese Verletzung konnte er erst auf den zweiten Blick wahrnehmen.
„Ich hätte dich wirklich gern in meinem Team gehabt", sagte er leise.
Vashtu nickte stumm, hielt die Augen geschlossen und das Gesicht noch immer der Sonne zugewandt.
„Ich hätte dir auch ein eigenes Team gegeben, wenn du geblieben wärst."
„Das wäre nicht gut gegangen, John." Jetzt senkte sie den Kopf wieder, sah ihn offen an. „Dr. Weir hat recht. Zwei wie uns kann Atlantis nicht vertragen."
„Unsinn!"
Sie lächelte sehnsüchtig, richtete den Blick wieder nach vorn. „Ich glaube, Dr. McKay und Teyla kommen zurück."
John erhob und streckte sich. Vashtu glitt katzengleich vom Brunnenrand hinunter.
„Xanyandar möchte so schnell wie möglich mit Ihnen sprechen, Colonel Sheppard", meldete die Athosianerin. Ihr Blick fiel auf Vashtu und ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Aber ich fürchte, diese Einladung gilt nur für Sie und mich."
John warf der Antikerin einen Blick zu. „Dann ... Sieh dich hier um, Vashtu. Vielleicht gefällt dir ja etwas."
Sie nickte lächelnd. „Viel Glück."

***

Vashtu wanderte gedankenversunken den Basar entlang, blieb hier und dort stehen, um sich eine Auslage genauer anzusehen. Doch tatsächlich dachte sie wieder einmal über das nach, was zwischen John und ihr war.
Sie wußte noch immer nicht wirklich, ob es vielleicht doch noch Nachwirkungen ihrer Pheromone waren, die ihn so sehr aus seinem Alltag rissen, oder ob er ihre Gefühle teilte. Die wichtigen Worte waren nicht gefallen, und wenn sie es verhindern konnte, würden sie auch nicht fallen. Viel zu sehr würde sie dann ihren Weggang von Atlantis bedauern, viel zu sehr würde sie sich nach ihm sehnen.
John Sheppard, dieser Mann, der so deutlich Begabungen zeigte, über die auch ihr Volk geboten hatte. Sicher, er war noch immer nicht geübt in allem, aber vielleicht würde er mit der Zeit mehr lernen.
Vashtu lächelte, als sie an das dachte, was er ihr vor kurzem ins Ohr geflüstert hatte. Für einen zufälligen Beobachter mochte es ausgesehen haben, als lausche sie Zärtlichkeiten. Tatsächlich aber hatten sie beide einen kleinen Plan ausgeheckt. Vielleicht, in seinem Fall, um ihre Abwesenheit so kurz wie möglich zu gestalten. Für sie jedoch ... Nun, sie würde jede Chance ergreifen, Dr. Rodney McKay ein wenig auflaufen zu lassen.
John war eingefallen, daß der Hauptrechner von Atlantis auf ihre Daten reagierte. Seit sie durch die Aktivierung eines zehntausend Jahre alten Programms von Janus' Plan erfahren hatte, hatte sie den Menschen von der Erde jede einzelne Datei des Rechners zugänglich gemacht. Doch jetzt näherte sich ihre Zeit in der alten Heimat ihrem Ende. John hatte vorgeschlagen, sie solle doch den Steuerkristall, der ihr uneingeschränkte Macht über die Stadt verlieh, entfernen und mitnehmen. Und sie konnte ihm nur zustimmen.
Rodney würde nicht sehr begeistert sein, wenn er plötzlich Daten gesperrt fand, die er vorher noch hatte einsehen können. Eine Manipulation war nicht einmal nötig, so tief, wie er sich jetzt schon in das vormals verschlossene Wissen eingegraben hatte.
Vashtu würde den Kristall mit zur Erde nehmen und auf Nachricht warten. Und sie war sich sehr sicher, bald würde sie etwas erfahren. Vielleicht sogar doch die erlösende Antwort.
Langsam ging sie weiter die Straße hinunter, blieb dann an einem Stand mit bunt eingefärbten Stoffen stehen und betrachtete die Auslage.
Einige sehr schöne Farben waren dabei. Sie war zwar nicht sonderlich begabt in Dingen wie dem Anfertigen von Kleidung, aber genießen durfte sie schließlich auch so. Und ihre Gedanken schweifen lassen.
Da hörte sie einen kleinen Tumult in der Nähe ausbrechen. Stirnrunzelnd blieb sie stehen und reckte den Hals. Dabei fiel ihr auf, daß sie Rodney irgendwo vergessen hatte - oder vielleicht auch er sie. Wer konnte das schon sagen?
Sie konnte nichts sehen, runzelte die Stirn und trat vorsichtig näher an das Geschehen heran. Da traf sie ein Schlag an den Hinterkopf und ließ sie, einen Moment lang benommen, nach vorn taumeln.
Ohne zu überlegen riß sie die Beretta aus dem Holster und hob die Waffe zu dem vermeintlichen Angreifer hin, doch da war niemand mehr.
Vorsichtig entspannte sie sich und richtete sich wieder zu ihrer vollen Größe auf. Noch immer mißtrauisch sah sie sich um.
Der Tumult war offenbar abgeflaut, was auch immer es gewesen sein mochte. Sie beschloß, auf die Suche nach Dr. McKay zu gehen. Auch wenn sie den Wissenschaftler nicht sonderlich mochte, mußte sie zugeben, er war an für sich klüger als manch ein anderer. Und sie wollte nicht riskieren, daß die Gruppe ohne sie loszog, auch wenn sie sicher war, John allein würde schon dafür sorgen, daß das nicht geschah.
Noch immer ein wenig mißtrauisch trat sie den Rückweg zum Brunnen an. Irgendwo würde sie Rodney schon finden.

***

Kolya verbarg sich in der Menge und beobachtete die Fremde sehr genau. Er hatte geglaubt, seine Leute hätten leichtes Spiel mit ihr. Doch ihre Reflexe und ihre Widerstandskraft waren erstaunlich. Sie hatte den harten Schlag weggesteckt als habe man ihr eine leichte Backpfeife gegeben.
Etwas an dieser Frau stimmte nicht ...

***

Eine Stunde später saß Vashtu wieder am Brunnenrand und verspeiste mit wenig Genuß einen der Energieriegel, die sie in ihrer Überlebensweste gefunden hatte. Lieber hätte sie eine der Früchte probiert, die ein Händler auf dem Markt anbot, aber ihr war kein passender Handel eingefallen.
Rodney hatte sie nicht aufgespürt, und im Moment auch keine Lust mehr dazu. Zumindest hatte er sich bei ihr über Funk gemeldet und mitgeteilt, daß er zum Jumper zurückgekehrt wäre, um dort irgendetwas zu tun. John und Teyla waren noch immer mit den Verhandlungen beschäftigt, und der einzige Grund für sie, zum Puddlejumper zurückzukehren, wäre der gewesen, daß sie hätte fliegen dürfen. Doch das hatte der Lt. Colonel ihr strikt untersagt.
Ein Schatten verdunkelte ihre Sicht. „Guten Tag", sagte eine fremde Stimme.
Vashtu blinzelte, konnte aber nicht mehr als die Umrisse eines großgewachsenen Mannes erkennen, der schräg vor ihr stand. „Hallo." Sie lächelte blinzelnd.
„Sie gehören zu den Atlantern?"
Sie zuckte mit den Schultern. „Sozusagen, ja. Wollen Sie Verhandlungen über irgendetwas führen? Ich bin leider nicht dazu autorisiert. Tut mir leid."
Der Mann schüttelte leicht den Kopf. „Wo ist Ihre Heimatwelt? Kommen Sie von der Erde?"
Vashtu runzelte die Stirn. „Der Erde? Nein, ich komme nicht von der Erde. Warum?"
„Von wo dann?"
Dieses Gespräch war merkwürdig und trug ein paar Züge, die ihr nur allzu gut in Erinnerung waren. Sie erhob sich vom Brunnenrand, um dem strahlenden Licht der Sonne zu entkommen. Der Fremde bewegte sich ein kleines Stück zur Seite, gerade genug, daß die Sonne sie wieder blendete, versuchte sie in sein Gesicht zu sehen.
„Ich weiß nicht, was Sie das angeht", antwortete sie schließlich. All ihre Sinne waren plötzlich sehr gespannt, und ihre Hand berührte leicht die Beretta. Dabei stand sie so, daß der Fremde dies nicht sehen konnte, da ihr Körper Hand und Waffe verdeckte.
„Ich will Sie nur warnen. Sie haben sich da mit jemandem eingelassen, der nicht sonderlich angesehen ist bei vielen."
Jetzt war sie doch verblüfft. „Den Atlantern?"
Der Fremde nickte knapp. „Sie sollten sich von ihnen fernhalten, sonst könnte es auch Ihnen schlecht ergehen."
Sie ahnte die Bewegung mehr, als daß sie sie wirklich sehen konnte. Und sie reagierte in der Millisekunde, in der ihr Hirn diese Information noch verarbeitete. Sie riß die Beretta aus dem Halfter und entsicherte sie. Mit einer fließenden Bewegung legte sie auf den Fremden an und sah, wie auch er eine Waffe auf sie richtete.
„Ich würde sagen, wir haben ein Patt", bemerkte sie gelassen. Ihre Augen wurden hart und kalt wie Eis.
„Sie sind gut, wer auch immer Sie sind", meinte der Fremde. „Aber sind Sie gut genug?"
Verstehend riß sie die Augen auf, konzentrierte sich dann aber wieder mit einem kühlen Lächeln. „So dumm bin ich nicht! Pfeifen Sie Ihre Männer zurück."
Der Fremde trat endlich aus der Sonne, noch immer seine eigenartige Waffe in der Hand. Vashtu folgte ihm mit langsamen Schritten.
Der Lärm des Basars war verstummt, eine tödliche Stille hatte sich über die Stadt gesenkt. Vashtu nahm die anderen, die Waffen auf sie gerichtet hatten, aus den Augenwinkeln wahr. Doch sie war sich verdammt sicher, daß diese sahen, daß sie auf deren Anführer zielte, und daß niemand auf sie schießen würde, solange sie ihn bedrohte.
„Wer sind Sie?" zischte sie.
Der Fremde mit dem pockennarbigen Gesicht lächelte. Seine Augen waren kühl und berechnend auf sie gerichtet. „Acastus Kolya von den Genii. Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen."
Vashtu nickte. „Stehenbleiben, Acastus Kolya von den Genii. Sie werden nicht aus der Schußlinie ihrer Männer entkommen, solange ich es nicht bin."
Er tat, was sie gesagt hatte, neigte den Kopf ein wenig. „Sie sollten es sich wirklich überlegen, wer immer Sie sind", sagte er. „Meine Feindschaft ist nicht angenehm, glauben Sie mir."
„Ich gehe nicht davon aus, daß Sie die meine suchen, Kolya." Sie visierte noch immer sein Herz an. Auf diese Entfernung würde sie auf alle Fälle treffen, ein Blinder hätte getroffen.
„Nun, da Sie wissen, wer ich bin, wäre es nur fair, mir zu sagen, wer Sie sind und woher Sie kommen."
„Vashtu Uruhk, und ich komme aus Atlantis. Leider kann ich nicht behaupten, daß ich erfreut bin, Ihre Bekanntschaft zu machen", sagte sie endlich.
Kolya sah sie plötzlich sehr aufmerksam an. „Aus Atlantis? Sie sind eine Lantianerin?"
Sie antwortete nicht.
Der Genii hob den Kopf. „So ist das also. Irgendwie sind die Menschen von der Erde über Sie gestolpert und haben Sie wieder zurückgeholt. Eine echte Ahnin."
Noch immer schwieg sie.
Irgendetwas ging hinter ihr vor, irgendetwas ... Sie hatte nur noch nicht wirklich herausfinden können, was es war. Da waren nur ihre Sinne, geschärft durch die fremden Gene, die sie warnen wollten. Doch mit dieser Warnung konnte sie im Moment nichts anfangen.
„Dann sollten Sie sich erst recht überlegen, auf welcher Seite Sie stehen wollen, Vashtu Uruhk." Unvermittelt hob Kolya seine Arme und sicherte seine Waffe wieder. „Die jetzigen Bewohner der Stadt der Ahnen sind nicht überall gut angesehen. Sich der falschen Seite anzuschließen, könnte sehr schwere Folgen haben."
In diesem Moment hörte sie hinter sich Johns Stimme etwas rufen. Sie konnte nicht verstehen was, denn plötzlich drückten die Schützen um sie her ab, versuchten sie zu durchlöchern. Sheppards Stimme änderte sich.
Vashtu fühlte die Treffer, auch die Streifschüsse, die sich in ihren Körper und ihre Glieder bohrten. Sie duckte sich, um den Kugeln zu entkommen, die ihren Kopf hätten zerstören können und gab einen einzelnen Schuß auf Kolya ab.
Die Wraith-Zellen in ihr arbeiteten auf Hochtouren, heilten die Einschüsse fast ebensoschnell, wie sie ihr zugefügt wurden. Trotzdem wurde sie kräftig durchgeschüttelt und ließ sich zur Seite fallen, in den Brunnen hinein. Das Wasser schlug über ihr zusammen und spritzte auf den Vorplatz. Es färbte sich rasend schnell rosa.
Sie ließ sich ein Stück weit in die Dunkelheit absinken, den Kopf in den Nacken gelegt.
Was sollte das? Warum hatte dieser Genii sie angegriffen? Sie hatte keinen Streit mit ihm, sie wollte auch keinen.
Sie war wütend und hoffte irgendwie, daß sie ihn getroffen hatte. Doch sie meinte, sie hätte den Schuß verrissen, da sie selbst gerade zuviele Kugeln trafen. Sie hätte mit dieser Hinterhältigkeit rechnen müssen!
Das dumpfe Donnern der Schüsse über ihr verklang, und ihr wurde allmählich die Luft knapp. Den Kopf in den Nacken gelegt starrte sie in das helle Rund hinauf, in dem sich der Sonnenhimmel spiegelte.
Ihre Lungen verlangten nach Luft, und daran konnte keines ihrer fremden Gene etwas ändern. Vorsichtig näherte sie sich der Wasseroberfläche, als sie einen Schatten dort auftauchen sah. Einen Moment wollte sie sich wieder hinuntersinken lassen, bis sie Johns strubbeligen Haarschopf erkannte und doch auftauchte. Tief Atem holend trat sie Wasser.
„Du lebst!"
Sie packte die Mauer und machte sich daran, aus dem Brunnen zu klettern. „Ja, ich lebe. Dieser Kerl sollte seinen Leuten beibringen, wie man schießt." Mit Schwung hievte sie sich aus dem Brunnen. Dann aber versagten ihre Kräfte und sie sank zusammen.
„Bist du verletzt?" John beugte sich besorgt über sie.
Vashtu zog die Beine an und stützte ihren Kopf auf die Knie. „Nicht wirklich. Nur die Rippen tun mir wieder weh."
„Wie ein Wraith", hörte sie Teylas Stimme flüstern und runzelte die Stirn.
„Ich habe Wraith-Gene, Teyla. Natürlich heilen die mich!"
„Das hier ist kein sicherer Ort mehr für dich", sagte John leise. „Ich bringe dich zum Jumper zurück."
„Wer ist dieser Kolya, John? Warum wollte er mich töten, nachdem er erfahren hat, was ich bin?" Sie blickte nun doch wieder auf und sah ihm in die Augen.
Sein Gesicht wurde plötzlich hart. „Kolya? Dann ..." Er verstummte.
„Du hast seinen Namen gerufen, du hast ihn auch gesehen!"
John kniff die Lippen aufeinander.
„Dein persönlicher Feind macht sich an mich heran?" Vashtu lachte bitter. „John, dir dürfte klar sein, daß ich es nicht sonderlich schätze, von Kugeln durchlöchert zu werden. Das nehme ich persönlich!"
Er sah sie nur an.

***

Acastus Kolya glaubte seinen Augen kaum, als er die Ahnin sah, wie sie aus dem Brunnen kletterte.
Das konnte nicht sein! Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie von den Kugeln seiner Männer durchsiebt wurde. Sie konnte nicht mehr leben!
Und doch saß sie jetzt auf dem Boden vor dem Brunnen, tropfnaß und wieder mit diesem kalten Gesicht.
„Kommandant?" Mausgesicht trat auf einen fast unsichtbaren Wink von ihm heran.
„Sie lebt noch." Kolya verzog das Gesicht und tastete nach der Schußwunde in seiner Seite. Sie hatte bereits aufgehört zu bluten.
„Sie lebt noch? Das ist unmöglich!"
Kolya starrte die Antikerin noch immer an. Haß brannte sich in seinen Geist hinein.
Wenn sie es so wollte, sollte sie es bekommen. Nicht hier und nicht heute, das war klar, aber irgendwann

...

„Wir ziehen uns zurück", entschied er endlich. „Aber eine Sache wäre da noch: Ich will, daß jemand die Kugeln einsammelt, die sie getroffen haben. Irgendwo muß Blut von ihr sein. Sie wurde mehrmals getroffen. Sorgen Sie dafür, daß ich eine Probe erhalte."
Steif erhob er sich und sah seinen mausgesichtigen Spion an. „Sie kennen die Adresse, unter der Sie mich finden können. Schicken Sie mir die Kugeln und das Blut so schnell wie möglich."
„Ja, Kommandant."
Kolya starrte wieder zum Fenster hinaus, während sein Spion den Raum verließ.
Vashtu Uruhk also, und sie war eine Ahnin. Eine Ahnin, die sich den Atlantern angeschlossen hatte. Nun, er würde dafür sorgen, daß die Menschen von der Erde nicht viel Spaß mit ihr haben würden, vor allem einer nicht.
Kolya ballte die Hände zu Fäusten, als wolle er die beiden Gestalten dort unten am Brunnen mit ihnen zerquetschen.
„Das ist nicht unser letztes Treffen, Colonel Sheppard, Ahnin Vashtu Uruhk."

***

Jetzt:
Vashtu Uruhk trat aus dem geöffneten Wurmloch und runzelte die Stirn. Es war Nacht um sie her. Sterne glommen am Himmel, ihre Umgebung konnte sie nur schemenhaft wahrnehmen.
Irgendetwas aber war anders.
Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, verließ die direkte Umgebung des Sternentores und blickte sich aufmerksam um. Allmählich gewöhnten ihre Augen sich an die Dunkelheit.
„Was war das denn?" Dr. Peter Babbis, der hinter ihr aus dem Wurmloch gekommen war, stolperte neben ihr her. „Ist Ihnen auch aufgefallen, daß das Wurmloch plötzlich eigenartig war?"
Vashtu sah sich weiter aufmerksam um, während sie hörte, wie auch die letzten beiden Mitglieder von SG-27 aus dem Gate traten.
Irgendetwas war ihr seltsam vertraut, obwohl es ihr fremd sein sollte. Nur wußte sie selbst noch nicht genau was. Vorsichtig, die P-90 im Anschlag, ging sie weiter, verursachte kaum ein Geräusch.
„Mam? Dieses DHD sieht eigenartig aus. Vollkommen anders als die, die ich kenne", rief ihr Dr. James Wallace zu.
Und da ging es ihr auf. Ihr Kopf ruckte zum Himmel. Die Sterne!
„Zurück zum Gate! Sofort!" befahl sie mit harter Stimme und wirbelte herum. Und da sah sie die Kabel, die noch am Stargate angebracht waren.
Sie waren nicht in der Milchstraße, sie waren in der Pegasus-Galaxie!
„Was?"
In diesem Moment hallten die ersten Schüsse durch die Nacht.
„Dorn, sofort Rückzug zum SGC, nehmen Sie Wallace mit. Peter, rennen Sie!" Sie hob die P-90 an die Wange und gab die erste Salve ab. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Babbis seine Automatik zog. „Zurück zum Tor, solange es noch offen ist. LOS!" bellte sie ihn an und gab ihm einen unsanften Stoß mit der Schulter.
„Mam?" rief Dorn ihr zu.
Vashtu warf einen kurzen Blick über die Schulter. „Vertrauen Sie mir, Serge. Es wird gehen. Durch das Tor, schnell!"
Endlich schien auch Babbis aufzugehen, daß die Situation sich vollkommen verändert hatte und hastete, an ihrer Seite, zurück zu dem noch aktivierten Gate. Dorn hatte sich Wallace geschnappt und zerrte den Wissenschaftler gerade durch den Ereignishorizont.
Vashtu gab blind Salve um Salve nach hinten ab und bildete inzwischen das Schlußlicht. Babbis rannte vor ihr her.
Sie waren fast am Gate, sie waren fast da.
Da traf sie der erste Schuß, riß sie herum und ließ sie torkeln. Die P-90 wurde ihr fast aus der Hand gerissen, weil ihre Finger sich um den Abzug gekrallt hatten. Eine letzte Salve bohrte sich in den Boden zu ihren Füßen, während sie versuchte, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Babbis blieb stehen und wirbelte herum. Seine Waffe hatte er im Anschlag und ließ die Mündung aufleuchten.
„Laufen Sie, Peter. Zurück zur Erde, schnell!"
Sie war auf der Höhe des DHD angelangt, ließ die P-90 endgültig fallen und versuchte, zu einem letzten Spurt anzusetzen, als sie nach vorn gerissen wurde. Heißer Schmerz brannte sich zwischen ihre Schulterblätter, fast überschlug sie sich wegen der Wucht des Schusses noch.
„Vashtu!"
Ihre Finger krallten sich in die Erde vor dem Tor.
Dieser Schuß war anders, wie auch der erste. Irgendetwas war anders. Sonst hatte sie nicht solche Schmerzen.
Das Licht des Wurmlochs erlosch, noch während sie versuchte, sich wieder auf die Beine zu kämpfen. Kraftlos ließ sie sich auf den Boden zurücksinken und hörte Schritte.
„Vashtu, was ist mit Ihnen?"
Das war eine Falle! Das mußte eine Falle sein.
Mit letzter Kraft griff sie nach der Kette um ihren Hals und zerrte daran. Es fiel ihr so verdammt schwer, die fremden Gene in ihrem Inneren zu aktivieren. Doch dann gelang es ihr wenigstens, auch wenn eine zweite Flammenspur in ihrem Nacken leckte, die Silberkette zu sprengen. Mühsam wechselte sie den Kristall in die andere Hand, während sie auf die näherkommenden Schritte achtete, und warf ihn zum DHD hinüber. „Ich habe doch gesagt, Sie sollen durch das Gate verschwinden!" stöhnte sie dabei.
„Keine Bewegung!"
Sie konnte hören, wie Waffen entsichert wurden. Ihre Finger krallten sich wieder in den Boden, vor Schmerz kniff sie die Augen zusammen.
„Schon gut, schon gut", hörte sie Babbis beschwichtigend sagen. Vorsichtig und langsam, die Arme so weit wie möglich abgespreizt, mühte sie sich, sich auf den Rücken zu rollen. Ein Fuß kam ihr unsanft zu Hilfe.
Und als sie die Augen öffnete, sah sie in ein Gesicht, von dem sie gehofft hatte, es niemals wiederzusehen. Ihre Miene erstarrte.
„Kolya!"

***

Lt. Colonel John Sheppard trat mit erhobener Waffe durch das Gate, Teyla an seiner Seite wissend. Kurz überprüfte er mit seinem Detektor die Umgebung, ehe er die Waffe sinken ließ.
„Hier ist nichts, Rodney", sagte er.
Dr. Rodney McKay, der inzwischen ebenfalls den Ereignishorizont durchquert hatte, tippte auf seinem tragbaren Rechner herum. „Hier war aber etwas. Es war nicht die erste Energiespitze, die wir gemessen haben."
Sheppard tauschte einen hilflosen Blick mit der Athosianerin, ging dann zum DHD hinüber. „Beeilen Sie sich, Rodney", murrte er dabei.
Das Licht seiner P-90 fiel auf einen glänzenden Fleck am Boden. Es schimmerte dunkelrot.
Sheppard ließ sich auf die Knie nieder und beleuchtete die Lache, die sich vor ihm ausbreitete. „Blut ..." murmelte er dabei und runzelte die Stirn, während er etwas von der Flüssigkeit zwischen seinen Fingern verrieb.
„Colonel Sheppard, hier liegt eine Leiche", rief Teyla ihm zu.
Offensichtlich war hier doch etwas gewesen, und das konnte noch nicht allzu lange her sein. Hing es mit der Energiespitze zusammen, die die Tiefraumscanner von Atlantis gemessen hatten?
Er wußte es nicht, doch auf jeden Fall war sein Argwohn wieder geweckt. Er richtete sich auf und hob seine Waffe.
„Rodney, beeilen Sie sich. Hier stimmt etwas nicht", sagte er und leuchtete in die Umgebung. Wieder ein Blutfleck, ein kurzes Stück weiter vom DHD entfernt.
Was war hier los gewesen?
Sheppard wollte zu dem zweiten Fleck gehen, als er einen Widerstand an seinem Fuß wahrnahm. Als er die Lampe senkte, erstarrte er.
Zwischen seinen Füßen schimmerte ein bläulicher Kristall an einer Kette. Diese war zerrissen und hatte sich an sein Hosenbein geheftet. Und der Kristall ...
Er beugte sich vor und hob ihn auf. Sein Gesicht war sehr ernst, als er ihn untersuchte.
„Vashtu", wisperte er schließlich fragend.
Aber wie konnte das sein?

***

Die Antikerin ließ es zu, daß sie auf einen Stuhl gefesselt wurde. Noch immer brannten Schmerzen in den Schußwunden, aber sie bemerkte auch, daß ihre Fremdzellen inzwischen doch beschlossen hatten, sich der Verletzungen anzunehmen. Noch ein wenig benommen vor Schmerz blickte sie auf, als der Genii den Raum betrat.
„Acastus Kolya", sagte sie mit gepreßter Stimme. „Ich hatte die Hoffnung, Sie niemals wieder zu sehen."
Kolya blieb vor ihr stehen, gab seinen Männern einen Wink, die daraufhin hinter der Antikerin Aufstellung nahmen. „Vashtu Uruhk, die Ahnin, die sich den Erdenmenschen angeschlossen hat. Ich bin überrascht. Man erkennt Sie kaum wieder. Oder vielleicht doch, wenn man Ihren Umgang hier bedenkt?"
Ein bitteres Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Es haben sich ein paar Dinge geändert. Wo ist Dr. Babbis? Und was haben Sie mit dem Stargate angestellt?"
Kolya lächelte zufrieden. „Dr. Babbis, so heißt er also."
„Ja, das ist sein Name. Und wo ist er?"
Kolya winkte desinteressiert ab. „Sie werden ihn bald wiedersehen. Ich habe an für sich keine Verwendung für ihn, aber vielleicht ist er doch noch nützlich."
Vashtu stemmte sich gegen die Fesseln und versuchte sich aufzurichten. Sofort hörte sie das Klicken zweier Waffen hinter sich. Sie kniff die Lippen fest aufeinander und funkelte den Genii mit dem pockennarbigem Gesicht an.
„Was das Sternentor angeht ... das ist meine Sache." Kolya wandte sich ab und sah sich aufmerksam in dem schlecht beleuchteten Raum um. „Sie brauchen nicht zu wissen, was genau getan wurde. Es reichte, um Sie herzulocken."
„Ich bin kein Druckmittel mehr für Sie, Kolya. Ich lebe auf der Erde und arbeite für das dortige Stargate-Command. Das wird Ihnen nichts nutzen!"
„Vielleicht doch? Ihre Gefühle für Colonel Sheppard, beziehungsweise seine für Sie. Außerdem ... Ich habe da etwas sehr interessantes erfahren durch einen meiner Informanten. Und ich würde Ihnen gern einen Handel vorschlagen." Kolya drehte sich wieder zu der Antikerin um und musterte sie. „Ihr Leben gegen den Steuerkristall von Atlantis. Ist doch fair, oder?"
Sie starrte ihn entgeistert an.
Woher wußte er von dem Kristall? Wieso ... ?
Sie schluckte und zwang sich, sich nichts anmerken zu lassen. Also war ihre rein instinktive Handlung, den Kristall zu verstecken, doch richtig gewesen. Sie konnte nur hoffen, daß Kolya die kleine Wunde in ihrem Nacken nicht aufgefallen war und er eins und eins zusammenzählte.
„Der wird Ihnen nichts nutzen, der Kristall ist auf mein Genom geeicht", entgegnete sie.
Kolya hob eine Braue und kreuzte die Arme vor der Brust. „Tatsächlich?" fragte er.
Sie nickte.
„Dann haben sich die Bedingungen gerade geändert, Vashtu Uruhk."
Es überlief sie eiskalt bei diesen Worten, doch wieder zwang sie sich, sich keine Regung anmerken zu lassen. Was hatte Kolya mit ihr vor?

***

John Sheppard nahm im Laufschritt die Treppe in die Kommandozentrale von Atlantis. Von seiner Faust baumelte der Steuerkristall der Antikerin an den Resten der Kette.
Irgendetwas ging hier vor. Irgendetwas eigenartiges. Und um seinen Verdacht zu zerstreuen mußte er so schnell wie möglich Kontakt zum SGC auf der Erde aufnehmen.
Dr. Elizabeth Weir trat ihm entgegen, als er in die Zentrale kam.
„Was war los, John? Warum haben Sie den Einsatz abbrechen lassen?" verlangte die Expeditionsleiterin zu erfahren.
In Johns Gesicht arbeitete es, dann hob er die Faust und präsentierte ihr den Kristall. „Ich habe Blut gefunden und den hier. Erkennen Sie ihn, Elizabeth?"
Sie wurde ernst. „Das ist unmöglich. Atlantis ist das einzige Tor mit Verbindung zur Erde. Wir hätten bemerkt, wenn ..." Sie stockte, als sie in sein Gesicht sah.
„Irgendetwas ist da vorgefallen, denn ich glaube nicht, daß Vashtu den Kristall in andere Hände gibt. McKay meint, die Energiespitze hätte ausgereicht für ein Wurmloch in die Milchstraße. Und ich möchte mit dem SGC sprechen. Vielleicht ..."
In diesem Moment ging der Alarm los und ein Wurmloch entstand. Sofort reagierte der zuständige Techniker und zog den Energieschild von Atlantis hoch.
„Eingehende Audioübertragung", meldete er verwirrt.
„Schalten Sie es laut", befahl Elizabeth.
John sah sie stirnrunzelnd an.
Die Erde konnte Atlantis nicht anwählen, dazu fehlte ihnen die Energie. Aber ...
Dann hörte er die Stimme. Seine ganze Gestalt spannte sich an, sein Blick wurde eiskalt.
„Dr. Weir, ich hoffe, Sie können mich hören." Die Stimme gehörte niemand anderem als Acastus Kolya.
John trat an den Lautsprecher heran. In seinem Innersten brodelte kalter Zorn wie ein Vulkan. „Kolya!" zischte er.
„Colonel Sheppard, schön, Ihre Stimme zu hören." Der Genii klang sehr selbstzufrieden. „Ich hätte Dr. Weir ohnehin gebeten, Sie kommen zu lassen. Ich habe da etwas für Sie, falls Sie es sehen wollen."
„Eingehende Videodaten. Soll ich sie auf den Bildschirm legen?" fragte Chuck.
Kurz darauf flammte der Monitor auf und zeigte den pockennarbigen Genii.
John war es, als sei er plötzlich in einem beängstigenden Deja Vú gefangen. Zwar hatte er diese Szenerie nie aus dieser Perspektive gesehen, doch alles andere ...
Die Erinnerung drohte ihn zu übermannen. Die Erinnerung an etwas, das er am liebsten weit von sich gewiesen und für immer tief in seinem Geist verschlossen hätte. Er wollte nicht mehr daran denken. Es hatte ihn schon genug Alpträume gebracht.
„Nun, ich denke, wir können uns jetzt ganz entspannt unterhalten." Kolya lächelte.
„Was wollen Sie?" zischte John zwischen zusammengepreßten Kiefern vorher.
Der Genii hob leicht den Kopf, als müsse er der Stimme und ihrem Klang nachlauschen. „Colonel, ich habe da etwas für Sie. Das wird Sie sicher interessieren." Er trat zur Seite.
John holte tief und ruckhaft Atem, als er die verschwommene Gestalt auf dem Stuhl sitzen sah. Wieder eine Erinnerung, die er nur zu gern abgelegt hätte.
Die Kamera zoomte etwas an das Gesicht heran, so daß er erkennen konnte, wer da saß.
Sie hatte sich inzwischen die Haare noch kürzer schneiden lassen, das wußte er von Beckett. Und er wußte auch, daß sie im SGC mit einem Team arbeitete, was die fremden Uniformteile erklärte. Sie jedoch so zu sehen ...
John wandte sich mit einem Ruck ab. Er konnte das nicht ertragen.
„Ich höre gar nichts, Colonel", sagte Kolya. „Erkennen Sie sie nicht wieder? Möchten Sie mit ihr sprechen?"
Elizabeth legte ihm eine Hand auf die Schulter, als er nicht antwortete. Er sah sie kurz an, drehte sich dann wieder um und sagte: „Ja, ich will mit ihr sprechen."
Er konnte beobachten, wie einer der beiden Wächter sich über sie beugte und den Knebel entfernte.
„John!" schrie sie los. „Laß dich auf nichts ein! Tu nichts, was dieser ..." Weiter kam sie nicht.
„Sie ist noch etwas ungestüm. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen, nicht wahr? Charmant wie Sie, Colonel." Kolya trat wieder ins Bild.
„Und was jetzt? Haben Sie wieder einen ... Wraith gefangen?" preßte John zwischen den Zähnen hervor.
Kolya sah sinnend in die Kamera. „Ich bitte Sie, Colonel Sheppard, ein bißchen mehr Einfallsreichtum dürfen Sie mir schon zutrauen."
„Was dann? Was wollen Sie?"
Kolya sah in die Kamera und schien ihn anzustarren, noch immer dieses Lächeln auf den Lippen. „Was ich will? Die Kontrolle über Atlantis, das will ich."
„Wir werden das niemals zulassen, Kolya!" entgegnete nun Elizabeth.
Kolya nickte. „Sie nicht, das ist sicher. Aber unsere reizende Ahnin hat ja selbst ihre kleinen Geheimnisse. Nicht wahr, Colonel?"
Johns Augen weiteten sich. „Was haben Sie vor, Kolya?"
„Ich möchte, daß Sie beide Zeuge von etwas werden, Sie und Dr. Weir, Colonel Sheppard. Sie werden mitansehen, wie die letzte verbliebene Ahnin stirbt, ganz langsam und sicherlich ziemlich schmerzhaft. Sie erinnern sich doch sicher noch an die Impfung der Hoffaner, nicht wahr?"
Vashtu sah, wie Kolya eine Ampulle in die Kamera hielt und runzelte die Stirn.
Was sollte das? Was ging hier vor?
Sie wußte es nicht. Aber sie spürte, daß ihre Kräfte ganz allmählich wieder zurückkehrten. Noch ein wenig und sie würde die Fesseln sprengen und Kolya den Hals umdrehen können. Dann aber erstarrte sie.
„Ich habe das Blut ihrer hübschen Freundin untersuchen lassen, Colonel Sheppard. Was, denken Sie, wird geschehen, wenn ich sie mit dem Mittel impfen lasse? Wie lange werden die Wraith-Zellen in ihrem Inneren dem wohl standhalten, mh?"
Mit einer Mischung aus Schreck, Begreifen und Entsetzen beobachtete die Antikerin, wie Kolya die Ampulle öffnete, eine Spritze mit deren Inhalt füllte und dann an einen anderen Genii weitergab. Sie hatte keine Möglichkeit, sich zu wehren. Noch waren die Wunden nicht ganz verheilt, noch war da eine gewisse Schwäche in ihr.
„Tun Sie es nicht!" hörte sie Elizabeth Weir sagen, während der Mann mit der Spritze zu ihr kam.
„Kolya", Johns Stimme klirrte und schien vollkommen empfindungslos, „sollten Sie ihr auch nur ein Haar krümmen, ist das nur ein Grund mehr für mich, Sie zu töten!"
Die Spritze berührte ihre Haut, stach hindurch.
Vashtu war plötzlich starr, ihr Atem ging hektisch, während sie fühlte, wie dieses merkwürdige Zeug ihr injiziert wurde. Es brannte in ihren Adern wie Feuer.
„Kolya!" Johns Stimme schien überzuschnappen.
„Beruhigen Sie sich. Es braucht ein paar Minuten, dann können wir alle uns davon überzeugen, ob Vashtu Uruhk auf die Impfung anspricht. Und ich denke, inzwischen sollte sie sich so weit erholt haben, daß Sie noch einmal mit ihr sprechen können. Das möchten Sie doch, oder?" Unvermittelt drehte Kolya sich zu ihr um und sah sie fragend an.
Vashtu atmete tief ein, dann nickte sie.
Sie hatte keine Ahnung, was da gerade mit ihr passiert war, aber sie spürte die Auswirkungen. Flammenzungen leckten durch ihren Arm, bittere Galle stieg in ihren Mund.
Der Knebel wurde ihr wieder abgenommen und sie sah, wie die Kameralinse auf sie einschwang.
„John, hör zu!" Ihre Stimme klang heiser. „Ich gehöre nicht zu euch. Ich gehöre zur Erde, hast du das verstanden?"
„Wie geht es dir?" John klang besorgt.
Sie runzelte die Stirn und versuchte angestrengt in die Kamera zu lächeln. „Es wird gehen. John, tu nichts, hörst du?"
„Miss Uruhk, wissen Sie von der Impfung der Hoffaner?" fragte nun Elizabeths Stimme.
Ihr Mund war trocken. Sie wollte jetzt sicher keine schlechten Nachrichten hören, ganz sicher nicht. Sie biß sich auf die Lippen und konzentrierte sich wieder auf Kolya, der neben der Kameralinse stand und sie genau beobachtete.
„Miss Uruhk, diese Impfung tötet Wraith", sagte Elizabeth endlich.
Vashtu schloß die Augen, öffnete sie dann wieder. „Es geht mir gut. Ich gehöre nicht zum SGA, ich gehöre zum SGC. Also handelt danach. Ich bin sicher, General Landry ..." Sie stockte, als sie unvermittelt in den Lauf einer Waffe starrte.
Dann riß die Wucht der Kugel sie gegen den Stuhl, während sie noch das Mündungsfeuer sah und das heisere Bellen hörte. Mit Mühe kämpfte sie um ihre Besinnung, doch die Schmerzen waren zu stark. Nach einem letzten Blick in die Kamera sank ihr Kopf auf die Brust.
Kolya trat wieder ins Bild. „Eine Wunde, nicht einmal schwer", sagte er. „Aber daran werden wir kontrollieren können, wie die Impfung wirkt. Colonel Sheppard, Dr. Weir, Sie werden Zeuge werden, wie die Ahnin stirbt. Es sei denn, Sie überlassen mir Atlantis."

***

Dr. Peter Babbis bewegte gerade vorsichtig den Kiefer, als sich die dicke Stahltür zu dem Raum öffnete, in dem er sich befand. Erschrocken und auch ein wenig verängstigt erhob er sich, drückte sich gegen die Wand.
Zwei Männer in Uniform schleiften eine dritte Gestalt in den Raum, ließen sie dann einfach fallen. Der zweite sah ihn kurz an, während er eine kleine Kiste neben den am Boden liegenden Körper warf. Dann waren die beiden auch schon wieder verschwunden.
Babbis wagte endlich auszuatmen, trat vorsichtig näher.
Die Antikerin lag, sich halb ohnmächtig windend, mit auf dem Rücken gefesselten Händen am Boden, die Augen geschlossen. Blut rann aus einer Wunde an ihrem Schlüsselbein.
„Vashtu!" Babbis fiel auf die Knie, beugte sich über sie.
Mühsam öffnete sie die Augen, hob dann den Kopf. „Peter", flüsterte sie heiser. „Schön, daß Sie noch leben." Ihr Gesicht wirkte angespannt bei diesen Worten. „Aber gut sehen Sie nicht gerade aus."
„Sie auch nicht, wenn Sie mich fragen." Vorsichtig griff er zu und zog sie auf die Beine. „Was ist mit Ihnen passiert?"
Sich auf ihn stützend kämpfte Vashtu sich zur Wand, an der er gestanden hatte, ließ sich mit einem erleichterten Seufzen daran zu Boden sinken. Ihr Atem ging keuchend, wie er ihn noch nie gehört hatte.
„Ein bißchen Folter, würde ich behaupten", antwortete sie schließlich, streckte die Beine aus und lehnte den Hinterkopf an die Wand. Aus schmalen Augenschlitzen sah sie ihn wieder an. „Wie bei Ihnen wohl auch, was?"
Babbis betastete sein Gesicht. „Sie haben mich nur verprügelt. Aber Sie sehen ... sehen ..."
„Nicht gut aus, ich weiß." Sie schloß die Augen wieder und schluckte.
„Was ist mit Ihren Fremdzellen? Warum heilt die Wunde nicht?" Babbis ging plötzlich auf, daß er den Kasten vergessen hatte, den der Genii zurückgelassen hatte. „Moment." Er erhob sich und holte den metallenen Gegenstand. Als er ihn öffnete, fand er einiges an Verbandsmaterial darin. „Ein Erste-Hilfe-Kasten. Zumindest sind sie so human, ihn uns zu überlassen."
Vashtu warf dem Gegenstand nur einen schmalen Blick zu. „Damit ich nicht so schnell sterbe, schätze ich." Ihre Brauen zogen sich zusammen, kurz zuckte es in ihrem Gesicht. „Das hat er also gemeint."
„Wer?" Babbis fand ein paar Kompressen und einige Mullbinden, aber keine Schere. Überhaupt keinen scharfen Gegenstand.
„Kolya." Vashtu beobachtete ihn bei seinem Tun. „Verarzten Sie sich erst einmal selbst, Peter."
Unwillig sah er auf. „Ich will Ihnen helfen", entgegnete er, kroch näher. Etwas unsicher verhielt er und blickte sie etwas hilflos an. „Ich muß ... Ich meine ..."
„Tun Sie, was Sie müssen, Peter. So feinfühlig bin ich beileibe nicht." Sie versuchte sich an einem Lächeln, doch das mißlang gründlich.
„Vielleicht klappt es auch so." Vorsichtig griff er nach dem Kragen ihres T-Shirts und zerrte an ihm, damit er nachgab.
Vashtu sog hart Luft in die Lungen, als sich das Baumwollgewebe von der Schußwunde löste. Die Blutung mußte doch etwas zum Stillstand gekommen sein, damit der Stoff an der Wunde festklebte.
„Warum tragen Sie Handschellen?" Babbis zupfte weiter an dem Kleidungsstück, bis er endlich halbwegs an die Wunde gelangte.
„Woher soll ich das wissen? Ich bin Kolya nur einmal begegnet."
Er fühlte ihren Blick auf sich und versuchte sich zu konzentrieren auf das, was er tun mußte. „Ich kann kein Blut sehen", murmelte er nach einigem Zögern, während er die Kompressen auf die Wunde drückte.
Vashtu richtete sich unvermittelt wieder auf und erstarrte. „Verdammt! Peter!" quetschte sie zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Entschuldigung." Sofort nahm er seine Hand von der Wunde. „Die Kugel ..."
„Die Kugel steckt noch in der Wunde, ich weiß. Und wie es sich anfühlt, ist der Knochen gebrochen. Es wäre wirklich sehr nett von Ihnen, wenn Sie ein bißchen vorsichtiger wären, wenn Sie schon an mir herumdoktern müssen." Wieder kam ihr Atem keuchend.
„Und wer ist dieser Kolya?" Babbis bemühte sich, nicht allzu viel Druck auszuüben, während er jetzt vorsichtig begann, den Verband anzulegen.
„Meine Meinung oder das, was ich von ihm weiß?" fragte sie.
Babbis sah ihr ins Gesicht. Das war schweißnaß. In ihren Augen stand deutlich Schmerz und ihre Lippen wirkten verkniffen.
„Warum sollte dieser Kolya uns gefangennehmen?"
Vashtu beugte sich ein wenig vor, damit er sie besser verbinden konnte. „Weil er meinen Kristall haben will", antwortete sie. „Und, nebenbei als Zuschuß sozusagen, will er auch noch John und mich ein bißchen quälen."
„John?" Etwas hilflos sah Babbis sich nach etwas um, womit er den Verband befestigen konnte.
„Colonel John Sheppard von Atlantis", antwortete sie. „Eigentlich sind die beiden sich Spinnefeind. Aber schon beim letzten Mal bin ich in die Schußlinie geraten."
Babbis stutzte und richtete sich auf. „Sie kennen den Colonel?"
Vashtu nickte. Wieder verzog sich ihr Gesicht zu etwas, was man mit viel Geduld als ein Lächeln bezeichnen konnte. „Ja, ich kenne ihn. Ich kenne ihn sogar recht gut, zu gut für Kolya. Er denkt, ich bin seine Schwachstelle."
Babbis sah sie groß an. „Das ist also diese geheimnisvolle Bindung, über die Sie nicht reden wollen. Sie haben ein Verhältnis mit Sheppard."
Trotz der Schmerzen, die sie zu haben schien, wurde ihr Lächeln zu einem Grinsen. „Oh, Peter. Sind Sie etwa eifersüchtig?" Dann wurde sie wieder ernst. „Nein, ich habe kein Verhältnis mit ihm. Aber wir beide verstehen uns sehr gut, da kann der eine oder andere auf die falsche Idee kommen."
Babbis sah sie skeptisch an. Er konnte beinahe fühlen, daß sie ihn anlog, doch er sagte nichts. Vielleicht war es zwischen den beiden auch wirklich nie zu mehr gekommen, wer konnte das schon sagen?
Er wandte sich wieder dem Verbandskasten zu und kramte in ihm herum, auf der Suche nach etwas, mit dem er sich selbst verarzten konnte.
Vashtu lehnte sich wieder gegen die Wand und seufzte. Ihr Blick glitt ins Leere.
„Nicht einschlafen!" mahnte Babbis. „Ich könnte Ihren Grips gebrauchen."
„Diesmal nicht meinen überlegenen Intellekt? Sie steigern sich."
Eine Salbe. Vorsichtig schraubte er den Verschluß ab und roch daran. Konnte durchaus eine Eissalbe sein. Er gab ein bißchen auf seine Fingerspitze und tupfte damit an der Schwellung an seinem Wangenknochen herum.
„Warum will er diesen komischen Kristall?" fragte er nach einiger Zeit.
Vashtu sah ihm amüsiert zu. Im Moment schienen ihre Schmerzen nachgelassen zu haben. „Sie ahnen es nicht einmal, oder?"
Babbis runzelte die Stirn. „Was soll ich ahnen?"
„Dieser Kristall ist der Steuerkristall des Hauptrechners von Atlantis", erklärte sie nach einigem Zögern. „Er wurde mir sozusagen aus alter Zeit herübergereicht. Mit diesem Kristall hat man die absolute Befehlsgewalt über die Stadt."
Babbis starrte sie an. „Und Sie tragen das Ding die ganze Zeit mit sich herum?"
„Ich habe ihn damals mitgenommen, als ich auf die Erde kam. Es war ein Spiel mit dem Colonel, ein dummer Gedanke von uns beiden. Darum habe ich ihn immer bei mir getragen. Er ist zu wertvoll. Wenn der Trust erfahren würde ..."
„Wo ist er jetzt?" Babbis sah sie an. „Hat dieser Kolya ihn Ihnen abgenommen?"
Sie schüttelte leicht den Kopf. „Nein, hat er nicht. Ich weiß nicht, wo er ist, Peter. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich hoffe, daß er in Sicherheit ist."

***

John Sheppard beobachtete mit leeren Gesicht das Treiben auf dem Bildschirm vor sich. Ein Mann in der Militäruniform der Erd-SG-Teams versorgte Vashtu. Kurz schienen ihre Schmerzen zuzunehmen, als er ihre Schußwunde versorgte, dann sank sie wieder in sich zusammen.
Die Übertragung war in schlechter Qualität, und doch glaubte er sehen zu können, daß es ihr bereits schlechter ging.
Die Impfung der Hoffaner! Das Todesurteil für jeden Wraith, der auch nur einmal kurz an der Lebenskraft eines Menschen nippen wollte. Und dieses Todesurteil floß jetzt durch Vashtus Adern, wurde mit jedem Herzschlag mehr in ihrem Körper verteilt. In dem Körper, der zu einem Drittel aus Wraith-Zellen bestand!
„Sobald die Verbindung abbricht, wählen Sie auf der Stelle die Erde an", hörte er Elizabeth befehlen.
Vashtu!
Er hatte geglaubt, allmählich über sie hinweggekommen zu sein. Doch als er sie vorhin wiedersah ...
Mit einem Ruck wandte er sich ab. Kalte, bittere Wut brodelte in ihm. Wenn er gekonnt hätte, er wäre sofort zu dem Planeten gegangen, auf dem Vashtu und ihr Begleiter sich befanden, und hätte Kolya eine ordentliche Ladung Blei verpaßt.
Dieser Mistkerl sollte zahlen! Er sollte für das zahlen, was er ihm angetan hatte. Er sollte für das bezahlen, was er Vashtu gerade antat. Und er würde irgendwann bezahlen, das schwor John Sheppard sich. Und wenn es das letzte wäre, was er in seinem Leben tun würde. Acastus Kolya würde sterben, und er würde sein Henker sein!
„John?" Elizabeth drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Wir werden uns beim SGC erkundigen, ob Miss Uruhk tatsächlich verschwunden ist. Vielleicht ..."
Er sah sie nur an und sie verstummte. „Geben Sie mir Ihr Einverständnis, Elizabeth. Sobald wir wissen, wo sie sich aufhalten, holen wir sie da heraus." Seine Stimme klang beherrscht.
Elizabeth Weir sah ihn besorgt an. „Sie haben selbst gehört, was Vashtu gesagt hat. Wir sind der Pflicht entbunden, John. Die Erde ist für sie zuständig, nicht wir."
„Das ist mir egal!"
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht zulassen, John. Es tut mir leid. Wir sind nicht zuständig."
„Das ist mir gleich! Vashtu hat mehr für Atlantis getan als manch ein anderer. Sie hätte vor einem Jahr mehr als einmal draufgehen können. Wir schulden ihr etwas!"
„Sie hat Sie aus der Pflicht genommen, John. Noch deutlicher konnte sie nicht werden. Das müssen Sie akzeptieren", versuchte Elizabeth ihn zu beschwichtigen.
John trat drohend einen Schritt näher. Seine Augen glühten beinahe vor Haß. „Ich werde sie nicht Kolya überlassen, Elizabeth! Es ist mir gleich, was sie gesagt oder nicht gesagt hat. Ich lasse niemanden zurück in den Händen des Feindes."
Elizabeth wich nicht vor ihm zurück, sondern erwiderte seinen Blick. „Ich habe es auch gesehen, und ich bin entsetzt über das, was ich gesehen habe. Aber wir können nichts tun, John, gar nichts. Vashtu wußte, was sie sagte. Was, denken Sie, wird passieren, wenn ich Sie jetzt da hinauslasse, auf einen Planeten zusammen mit Kolya? Er will Sie provozieren, John. Sie sollen zu ihm kommen. Begreifen Sie das denn nicht? Vashtu hat die einzige Lösung gefunden, die Ihnen hilft."
„Ich werde nicht mitansehen, wie sie verreckt!" Wieder war seine Stimme hart und laut. Sein Gesicht war starr, doch seine Kiefer arbeiteten. Seine ganze Gestalt war angespannt.
„Wir wissen doch noch gar nicht, ob das eintritt", versuchte Elizabeth ihn zu beschwichtigen. „Es kann doch auch sein, daß die Impfung nicht anschlägt."
„Dann holen Sie Beckett her, auf der Stelle! Er soll sie sich ansehen, solange wir noch ein Bild haben."
Sie sah ihn immer noch an, als könnten allein ihre Augen ihn vor einer Dummheit bewahren. Langsam nickte sie, aktivierte ihr Funkgerät. „Carson, kommen Sie bitte umgehend zur Kommandozentrale", sagte sie, schaltete den kleinen Apparat wieder ab. „Er kommt her und sieht sich an, was wir haben. Und Sie, Colonel Sheppard, werden ebenfalls hierbleiben. Haben Sie das verstanden?"

***

Vashtu war in eine Art Schlummer gefallen. Ihr Gesicht zuckte ab und an, dann öffnete sie kurz die Augen, doch sie schwieg.
Babbis beobachtete die Antikerin genau. Irgendetwas war mit ihr passiert, was sie ihm noch nicht gesagt hatte. Es ging ihr schlechter, und die Wunde an ihrem Schlüsselbein wollte nicht heilen. Nicht wie sonst.
Seine Finger trommelten leise auf dem Metallkasten herum.
„Lassen Sie das, Peter."
Er blinzelte. Vashtu hatte die Augen einen Spaltbreit geöffnet und sah ihn an. „Lassen Sie das, sonst breche ich Ihnen die Finger."
Ein kurzes Lächeln zuckte über sein Gesicht. „Hohles Geschwätz!"
Sie atmete tief ein, ihr Gesicht wurde wieder starr. Die Wunde mußte ihr Schmerzen bereiten, wahrscheinlich der gebrochene Knochen, vielleicht aber auch die in ihm steckende Kugel.
„Wenn wir hier heraus sind, habe ich ein Wörtchen mit Ihnen zu reden, Peter", sagte sie. „Und dabei wird es auch um Ihre Angewohnheit gehen, auf allem herumzutrommeln oder mit den Fingern zu schnippen."
„Ich denke nach", entgegnete er.
„Das tue ich auch. Aber ich muß nicht um mich herum Lärm veranstalten." Sie schloß wieder die Augen.
Babbis setzte sich auf. „Warum geben Sie Kolya nicht irgendetwas und behaupten, es sei der Steuerkristall. Dann wird er uns sicher hier herauslassen. Danach können wir immer noch überlegen, wie es weitergeht."
„Er wird nicht darauf hereinfallen. Kolya ist klüger als Sie denken, Peter", antwortete sie und schüttelte leicht den Kopf.
Sie hatte schon selbst daran gedacht, wurde ihm klar. Doch sie hatte diesen Gedanken sehr schnell wieder verworfen.
Babbis senkte den Kopf.
„Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er uns hier herauslassen würde, wenn ich geben könnte, was er will", sagte sie plötzlich. „Ich glaube eher, es ist ... anders."
Geräusche von der Tür.
Babbis drehte sich um, Vashtu hob den Kopf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ihr Gesicht sich anspannte.
Die Tür öffnete sich, die zwei Bewaffneten traten ein. „Mitkommen!" befahl der eine und winkte ungeduldig mit seiner Waffe.
Vashtu nickte, preßte sich gegen die Wand und stemmte sich mühsam und ächzend auf die Beine. Ihre Schritte wirkten schleppend, als sie auf die beiden Wächter zuging.
Babbis sah jetzt das erste Mal ihren linken Arm. Der war gerötet und sehr angeschwollen. Die Haut glänzte ungesund. Er schluckte, als ihm klar wurde, daß da noch etwas vor sich ging, von dem er noch keine Ahnung hatte. Sie hatte es ihm nicht mitgeteilt.
Grob packte der andere Wächter die Antikerin, die sichtlich zusammenzuckte, und stieß sie vor sich her. Der mit der Waffe in der Hand folgte den beiden und schloß die Tür wieder.
Babbis blieb allein zurück. Und ihm ging auf, daß es wirklich nicht gut aussah für sie beide.

***

„Sie und Dr. Babbis sind nicht zurückgekommen, das ist wahr." General Landry schien besorgt. „Sergeant Dorn berichtete uns von einem Schußwechsel. Als wir ein Rettungsteam auf den Planeten schickten, fanden wir nicht eine Spur von den beiden."
„Weil sie in der Pegasus-Galaxie sind." Johns Stimme klang kalt und beherrscht.
„Und Sie sind sich sicher? Es kann keine Verwechslung gegeben haben?"
„Sir, bei allem Respekt, aber ich erkenne Vashtu, wenn ich sie sehe", gab John zurück.
„Sie sagte uns, wir sollten nicht handeln, da sie nicht zu Atlantis gehört", setzte Elizabeth hinzu. „Wir handeln nach der Direktive. Kolya gilt auch in der Milchstraße als Terrorist."
„Ich habe die letzten Berichte über ihn gelesen." Landry klang wirklich beunruhigt. „Bleiben Sie dabei. Keine Verhandlungen mit Terroristen."
„Er wird sie umbringen!" entfuhr es John.
„Das wissen wir noch nicht. Er will etwas von ihr, Colonel, und er will etwas von Atlantis. Er wird seine Geisel nicht töten, solange die Chance besteht, daß er vielleicht doch bekommt, was er will."
Elizabeth seufzte. „General, ich glaube, Sie kennen Acastus Kolya nicht wirklich. Er will sie töten, weil sie eine Antikerin ist und sich mit uns und nicht mit den Genii eingelassen hat."
„Keine Verhandlungen, Dr. Weir. Miss Uruhk hat Sie aus der Verantwortung entlassen und diese der Erde übertragen. Und wir werden nichts tun", entschied Landry.
„Wir lassen niemanden in den Händen des Feindes zurück, General, bei allem Respekt!" Johns Stimme klang gepreßt, seine Kiefer mahlten wieder.
„Colonel Sheppard, als höherrangiger Offizier gebe ich Ihnen den strikten Befehl nicht einzugreifen. Haben Sie das verstanden?" Landrys Stimme hatte bei diesen Worten an Autorität gewonnen. „Miss Uruhk hat einen erstaunlichen Überlebenswillen, das sollten Sie ebenfalls wissen. Und sie hat Ihnen die Anweisung gegeben, ihr nicht zu helfen. Sie werden sich daran halten, sonst werden Sie die Konsequenzen tragen."
John starrte auf den leeren Bildschirm, sagte jetzt aber nichts mehr.
Elizabeth beobachtete ihren militärischen Leiter sehr genau. „Ich habe den Eindruck, Acastus Kolya will gerade provozieren, Colonel Sheppard auf diesen Planeten zu locken. Er würde sich zweier Feinde auf einem Schlag entledigen können."
„Und eben darum werden Sie nichts unternehmen, Colonel", stimmte der General zu. „Halten Sie uns auf dem laufenden, Dr. Weir. Erwarten sie eine weitere Übertragung?"
John hatte sich abgewandt und starrte den blauen Datenkristall in seiner Hand an.
„Wenn Kolya weiter so handelt ..." Elizabeth stockte und atmete tief ein. „In wenigen Minuten, General. Dann laufen die ersten drei Stunden ab."
„Gut, senden Sie uns die Daten zu, sobald Sie sie haben und die Verbindung wieder abreißt", entschied Landry. „Und, Dr. Weir, wir alle sollten auch Dr. Babbis nicht unterschätzen. Er und Miss Uruhk haben schon Probleme gelöst, die wir alle für unlösbar gehalten haben. SGC Ende." Die Verbindung brach ab.

***

Vashtu atmete beherrscht aus. Ihr Hals kratzte. Sie schluckte ein wenig Speichel, doch das Kratzen verging nicht. „Was wollen Sie?" Ihre Stimme klang rauh.
Kolya, der aus der Dunkelheit aufgetaucht war und sich vor ihr aufgebaut hatte, zog eine Ampulle aus seiner Manteltasche und hielt sie ihr hin. „Informationen und Zusammenarbeit. Dann könnte ich mich dazu überreden lassen, Sie laufen zu lassen, Vashtu Uruhk."
„Noch eine Dosis?" Sie grinste gequält. „Sparen Sie es sich. Die erste Ladung reicht vollkommen aus."
„Ein Gegenmittel", entgegnete Kolya ruhig.
Vashtu starrte ihn an. „Was?"
Der Genii nickte, ließ die Ampulle wieder in seiner Manteltasche verschwinden. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. „Sie haben richtig gehört. Es gibt ein Gegenmittel für die Impfung."
Die Antikerin atmete tief ein, hustete dann. „Halten Sie mich für käuflich?" krächzte sie schließlich. „Ich weiß, warum ich mich Ihrem Volk nicht angeschlossen habe, Kolya. Ich mag Ihre Art nicht!"
Eine schallende Ohrfeige traf sie, wirbelte ihren Kopf herum. Langsam sah sie wieder auf und starrte den Genii an. „Sie haben also endlich begriffen, daß der Kristall allein Ihnen nicht weiterhelfen würde, wie? Sie brauchen jemanden wie mich, oder jemanden, der das Gen der Vorfahren trägt. Aber unter Ihren Männern ist niemand. Ich weiß das, ich kann es spüren. Die Genii sind degeneriert, Kolya. Sie haben das Gen nicht mehr. Und damit können Sie nichts mit Atlantis anfangen, es sei denn, es gelingt Ihnen, jemanden wie mich auf Ihre Seite zu ziehen. Aber, und das schwöre ich Ihnen, mich kriegen Sie auf diese Weise nicht klein! Ich habe vor zehntausend Jahren gegen Leute wie Sie antreten müssen. Damals habe ich einmal zu oft den kürzeren ziehen müssen. Diesmal wird das nicht der Fall sein, das schwöre ich Ihnen!"
Diesmal traf die Ohrfeige die andere Wange.
Vashtu genoß den Schmerz geradezu. Viel zu verführerisch war bereits jetzt dieses Angebot gewesen. Sie spürte, wie ihrem Körper immer mehr Kraft entglitt.
Die Zeit lief ihr davon, und sie würde sie nicht aufhalten können, solange man sie gefangenhielt. Und bisher war ihr nichts eingefallen, wie sie und Babbis hier herauskommen konnten. Ein Gegenmittel gegen die Schmerzen, zurückkehrende Kraft und Gesundheit. Natürlich würde sie sich Kolya dann immer noch entledigen müssen. Doch sie glaubte nicht so recht daran, daß dieser Handel ein wirkliches Schlupfloch für sie bot. Kolya würde ihr nicht trauen, ebensowenig wie sie ihm traute. Und damit war das Angebot vom Tisch.
Der pockennarbige Genii packte sie am Kragen und riß sie so weit hoch, wie die Fesseln es zuließen. „Sie haben ja noch keine Ahnung, was noch auf Sie zukommen wird, Ahnin", zischte er sie an. In seinen Augen glitzerte kalte Wut. „Oh ja, ich werde es genießen, Sie sich winden und verrecken zu sehen. Und ich werde dafür sorgen, daß auch Colonel Sheppard Ihren Tod mitansehen muß. Ich werde sie beide zerstören, hören Sie? Sie beide werden sterben, elendig zu Grunde werden Sie gehen, das schwöre ich Ihnen! Nur schade, daß Sie das Ende von Sheppard nicht mehr miterleben werden. Aber ich werde ihm gern Grüße von Ihnen ausrichten, Vashtu Uruhk." Damit ließ er sie los und nickte ihren Wächtern zu.
Vashtu starrte auf seinen Rücken, als könne sie ihn nur mit ihren Blicken erdolchen.
Niemals würde sie auf dieses perverse Angebot eingehen, nie!
Vashtu war sich im klaren darüber, daß etwas in ihrem Körper vor sich ging. Es sah nicht gut für sie aus. Die Wunde am Schlüsselbein heilte nicht. Und noch immer war da diese Hitze, die sich allmählich auch immer tiefer in ihren Geist fraß.
Aber aufzugeben war für sie noch nie in Frage gekommen. Im Moment konzentrierte sie sich darauf, ihre zusätzlichen Fähigkeiten stillzulegen, um so vielleicht ein bißchen mehr Zeit zu gewinnen. Je weniger sie die Kräfte, die die fremden Gene ihr gaben, benutzte, desto höher war noch ihre Überlebenschance - hoffte sie zumindest.
Sie mußte Babbis und sich hier so schnell wie möglich herausholen. Ihr war klar, welche Rolle der Wissenschaftler für Kolya spielte. Solange Babbis lebte, hatte er einen billigen Sanitäter. Doch in dem Moment, in dem ihr nicht mehr zu helfen sein würde, in dem ihr Leben verlosch, würde auch Babbis keine Rolle mehr spielen. Er würde ebenfalls sterben, und das würde sie nicht zulassen.
„Vergessen Sie's!" zischte sie ihn an.
Kolya trat zurück, starrte auf sie nieder. Dann nickte er und drehte sich um, nachdem er seinen Männern ein kurzes Zeichen gegeben hatte.
Vashtu atmete noch einmal tief ein, ehe man sie knebelte. Ihr Blick bohrte sich in den Rücken des pockennarbigen Genii, der jetzt wieder vor der Kamera stand, die leise surrte.
„Es gibt nichts mehr zu sagen, Kolya." Weirs Stimme.
Vashtu hob den Kopf und konzentrierte sich darauf, nicht zu krank auszusehen. John Sheppard würde ganz sicher auch die Übertragung beobachten, und ihn wollte sie hier als allerletztes sehen.
„Ich denke doch, daß wir noch einiges zu besprechen haben, Dr. Weir", entgegnete Kolya. „Wir haben sogar sehr viel zu besprechen. Ist Colonel Sheppard auch anwesend?"
„Ich bin da".
Vashtu atmete so tief wie möglich ein.
Natürlich war er da, sie wäre auch da, wenn ihm etwas ähnliches geschehen würde. Es würde sie zwar fast um den Verstand bringen, aber sie wäre da. Nur allein um ihm zu zeigen, daß sie ihm helfen wollte.
„Gut." Kolya drehte sich wieder von der Kamera weg, so daß sie ins Bild kam. „Ich denke, damit Sie mir glauben, werde ich Ihnen eine Probe ihres Blutes zur Verfügung stellen. Vashtu Uruhk hat sicher nichts gegen eine zweite Meinung, nicht wahr?"
Voll kaltem Zorn fixierte sie den Genii, regte sich aber nicht.
Der Mann, der ihr das Mittel injiziert hatte, trat wieder aus dem Schatten und griff nach ihrem Arm. Sie sog scharf Luft in ihre Lungen und versteifte sich kurz.
Verdammt, das tat weh!
Wieder wurde ihr eine Nadel unter die Haut geschoben, doch diesmal, um ihr Blut abzunehmen. So ruhig wie möglich ließ sie es über sich ergehen, auch wenn sie glaubte, ihr Arm würde gleich explodieren.
Der Mann zog die Spritze wieder aus ihrem Gewebe und trat zu Kolya. Der hielt sie in die Kamera. „Ich werde Ihnen jetzt diese Probe durch das Tor senden, Dr. Weir. Dann können Ihre Mediziner sich ansehen, was es zu sehen gibt." Er reichte die Spritze zurück und nickte dem Mann zu, der daraufhin im Schatten verschwand.
Vashtu sah ihm nach, richtete dann ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn.
„Colonel Sheppard, möchten Sie mit der Ahnin reden? Jetzt wäre gerade ein wenig Zeit", sagte Kolya gerade.
Fast unmerklich nickte sie in die Kamera.
„Ja", kam die gepreßt wirkende Antwort. John schien sich nur mit Mühe unter Kontrolle zu haben.
Einer der beiden Wächter trat vor und nahm ihr wieder den Knebel ab. Sie atmete einige Male tief ein.
„John, geh weg. Hörst du? Geh weg! Du ... ich möchte nicht, daß du das mitansiehst", sagte sie dann.
Kolya hob den Kopf und starrte sie an.
Sie schluckte.
„Vashtu, hier ist Carson Beckett", ließ sich eine andere Stimme vernehmen. Eine Stimme, auf die sie gehofft hatte.
Erleichtert schloß sie die Augen. „Carson! Gut, Ihre Stimme zu hören."
„Ich wünschte, ich könnte das gleiche behaupten. Wäre netter gewesen unter anderen Umständen wieder aufeinanderzutreffen", entgegnete der Mediziner mit seiner akzentschweren Stimme.
Sie nickte. „Sie wollen sicherlich wissen, wie es mir geht."
„Sie sollten nicht jede Impfung mitnehmen, die Sie kostenlos bekommen können. Man weiß nie, was dabei herauskommen kann."
Der Scherz war lahm, aber sie lächelte trotzdem. „Mein Arm ist entzündet und angeschwollen. Ich habe leichte Schwierigkeiten mit der Atmung und die Wunden heilen nicht", sagte sie so präzise wie möglich.
„Fieber?"
Sie schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber ein leichtes Schwindelgefühl. Und, Carson, mein Schlüsselbein ist gebrochen. Die Kugel steckt noch. Es ist nicht gerade einfach, das zu ertragen."
„Schon klar." Becketts Stimme klang nachdenklich.
„Tun Sie mir noch einen Gefallen", fügte sie hinzu. „Setzen Sie Ihren anderen Patienten unter Narkose, damit er keine Dummheiten ..."
Der Schuß krachte und schleuderte sie wieder gegen den Stuhl. Eine Flammenzunge leckte an ihrem Hals. Benommen senkte sie den Kopf wieder, der ihr in den Nacken geflogen war. Ihr Atem kam hektisch.
Kolya trat vor die Kamera. „Eines sollten Sie noch wissen, Colonel Sheppard, Dr. Weir. Für jedes Gespräch, das Sie führen, werde ich der Ahnin eine Wunde beibringen. Nichts lebensgefährliches, aber sie wird immer schwächer werden."
Sie schloß die Augen.

***

„Vashtu!"
Zwei Männer des militärischen Wachdienstes hielten John Sheppard zurück, der sich gegen die gläserne Außenverkleidung des Kommandopostens werfen wollte, als er sah, wie die Antikerin angeschossen wurde. Kurz und unkooridiniert wehrte er sich gegen sie, dann zog er sich unvermittelt wieder in sich selbst zurück, als Elizabeth Weir zu ihm hinübersah.
Kolya tauchte jetzt wieder im Zoom der Kamera auf und sagte noch etwas, was er nicht verstand, dann wechselte das Bild ruckhaft wieder auf den Raum, in dem sich der andere Mann aus dem Team der Antikerin befand.
John atmete heftig ein und aus, preßte die Lippen fest aufeinander.
Er mußte etwas tun! Irgendetwas mußte er tun, sonst würde er den Verstand verlieren. Er konnte das nicht mehr mitansehen.
Mit einem Ruck wandte er sich ab und lief die Treppe hinunter zum Torraum. Vor dem Wurmloch blieb er stehen, starrte darauf. Der Schild war gerade wieder aktiviert worden. Und selbst wenn nicht, er hätte keine Möglichkeit, zu ihr zu gelangen.
Hilflos die Fäuste ballend stand er vor dem geöffneten Wurmloch und starrte es an. Doch vor seinem inneren Auge sah er immer wieder, wie die Antikerin auf dem Stuhl zurückgeschleudert wurde.
Er mußte etwas tun!
Wenn doch nur McKay schon wieder hier wäre! Weir hatte den Wissenschaftler mit einer Eskorte noch einmal zu dem Planeten geschickt, auf dem er Vashtus Spuren gefunden hatte. McKay sollte im Speicher des dortigen Stargates suchen, ob sie nicht herausfinden könnten, wohin Kolya seine Geiseln gebracht hatte.
„John!"
Einen Moment zögerte er, dann drehte er sich um und blickte hoch zum Kommandoposten. Elizabeth stand am Geländer und sah zu ihm hinunter. „Ich möchte mit Ihnen sprechen, allein."
Wieder ein Zögern, dann nickte er, ging die Stufen wieder hinauf und folgte der Expeditionsleiterin in ihr Büro.
„Wenn Sie sich nicht im Griff haben, muß ich Sie leider in Gewahrsam nehmen lassen, John", sagte Elizabeth als erstes zu ihm. „Sie sind keine Hilfe für Vashtu, und Sie sind keine Hilfe für uns. Wir brauchen Sie hier, John, mit Leib und Seele."
„Sie weiß es nicht, nicht wahr?" fragte er plötzlich, nachdem er eine Weile nur dagestanden und sie angestarrt hatte. „Sie weiß nicht, wie ähnlich ihre Lage der meinen damals ist."
Elizabeth lehnte sich gegen ihren Schreibtisch, musterte ihn. „John, ich war damals dafür, daß Vashtu uns verließ. Da war etwas zwischen ihnen beiden, und ... Ich habe den Verdacht, es ist immer noch da, vielleicht sogar stärker als vor einem Jahr."
„Sie braucht unsere Hilfe", beharrte er.
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Wir haben Anweisungen von der Erde, John, an die müssen wir uns halten. Keine Verhandlungen mit Kolya, und keine Alleingänge Ihrerseits. Ich habe Rodney losgeschickt, damit er sich umsieht. Finden wir etwas, leiten wir es an die Erde weiter. General Landry muß dann entscheiden."
„Er wird sie sterben lassen!"
„Das wissen wir nicht. Vielleicht wird auch eine Eingreiftruppe über die Gate-Brigde hergebracht. Und dafür könnten wir Sie dann brauchen. Nur müssen wir solange warten, bis wir genaueres wissen. Wir können nicht einfach blind vorstürmen und unsere ganze Verantwortung über Bord werfen." Sie richtete sich wieder auf und trat näher. „Zwischen Ihnen und Vashtu gibt es starke Gefühle, das weiß auch ich. Aber jetzt ohne zu überlegen zu handeln, käme Selbstmord gleich. Vashtu hat mit Carson gesprochen, es geht ihr offensichtlich soweit gut. Kolya hat uns eine Blutprobe von ihr geschickt, an der Beckett bereits arbeitet. Bald wissen wir mehr, und wenn Rodney zurückkommt, haben wir vielleicht ein Ziel."
„Und wenn er sie über zig Welten geschleppt hat?"
Elizabeth sah ihn kopfschüttelnd an. „Durch wieviele Tore hat er Sie damals gebracht? John, Sie wissen sehr genau, daß Vashtu Uruhk auf sich selbst aufpassen kann, sie hat es uns allen mehr als einmal bewiesen. Sie haben General Landry gehört, auch er hält große Stücke auf sie."
„Trotzdem hat sie keine Ahnung ..." Den Rest des Satzes ließ er offen.
„Ich habe keine Befugnis darüber zu entscheiden, was den einzelnen Mitgliedern des SG-Command an Wissen zugestanden wird und was nicht, John. Ich weiß nicht, ob Sie es weiß oder nicht. Aber ich weiß, daß auch sie darum gebeten hat, Sie aus der Sache rauszuhalten. Und wenn Sie sich nicht endlich wieder im Griff haben, werde ich ihr zustimmen und Sie bei der nächsten Übertragung in die Arrestzelle sperren lassen."
„Sie wird sterben, wenn wir nicht eingreifen."
„Das wissen wir noch nicht genau." Doch Elizabeth war sicher, eine Lüge ausgesprochen zu haben. Auch sie hatte die zweite Übertragung gesehen.

***

„Sie bluten." Babbis beugte sich über sie, wieder ein paar Kompressen in der Hand.
„Ist nicht möglich!" Sie kniff die Augen zusammen und schluckte einige Male. „Wenn auf einen geschossen wird, passiert das meistens, Peter."
„Ich meinte ja nur", murmelte er, kramte einen Verband aus der Kiste und begann, ihn ihr anzulegen.
„Erdrosseln Sie mich nur nicht. Kolya wird nicht sonderlich begeistert darüber sein."
„Ich bin vorsichtig." Babbis hockte halb über ihr und umwickelte ihren blutigen Hals.
„Zum Glück nur ein Streifschuß. Ich muß mich gerade bewegt haben, als er abdrückte." Sie blinzelte. „Hätte auch anders ausgehen können."
Babbis biß sich auf die Lippen, sagte aber nichts.
Dabei fragte er sich wirklich ernsthaft, warum man sie wieder aus ihrer Zelle geholt hatte. Was sollte das? Wozu? Und warum kam sie mit einer weiteren Schußwunde wieder zurück hierher, schwächer als sie vorher gewesen war.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird schon", wisperte sie ihm zu.
Als er zu ihr hinuntersah, bemerkte er ihren Blick. In ihren Augen stand nur allzu deutlich der Schmerz, den sie nicht zeigen wollte. Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu und fädelte vorsichtig das Ende des Verbandes unter den restlichen Zellstreifen.
„Haben Sie diesen Kolya wütend gemacht, oder warum schießt er auf Sie?" fragte er dann.
Vashtu lehnte sich wieder gegen die Wand, zog ein Bein an und versuchte offensichtlich, eine halbwegs bequeme Haltung zu finden. „Er versucht, Atlantis zu erpressen, ebenso wie er mich erpressen will", antwortete sie leise. Ihre Stimme klang ein wenig heiser.
Babbis nickte und erhob sich. „Dieser eine war vorhin hier und hat etwas Nahrung und Wasser gebracht. Sie sollten etwas essen, dann geht es Ihnen bestimmt bald besser."
Vashtu lächelte wieder diese gequälte Grimasse, die er schon kannte. „Sie hören sich schon an wie Carson Beckett, der Arzt auf Atlantis."
Babbis holte die Kanne und das Stück groben Brotes. „Ich weiß, es heißt immer, wenn man gekidnappt wird, soll man nichts annehmen. Aber dieses hier scheint eine Ausnahme zu sein. Oder finden Sie nicht?"
Vashtus Kopf sank auf ihre Schulter. „Ich habe keinen Hunger. Aber essen Sie ruhig, Peter. Ich denke nicht, daß Kolya mich noch einmal vergiften will."
Babbis ließ sich wieder neben ihr nieder und runzelte die Stirn. „Noch einmal?"
Müde öffnete sie die Augen wieder und sah ihn an. „Mein Arm", sagte sie nur.
„Ist mir aufgefallen. Was ist damit?" Babbis stützte vorsichtig ihren Kopf und ließ sie ein wenig von dem Wasser trinken.
„Man hat mir etwas injiziert. Laut Dr. Weir ein Mittel, das Wraith tötet", antwortete sie, nachdem sie getrunken hatte.
Babbis sah sie verstehend an. „Darum heilen die Wunden nicht."
Sie nickte. „Ich halte die Fremdzellen unter Kontrolle, um ein bißchen Zeit zu gewinnen. Und darum wirke ich wohl auch nicht so recht auf dem Damm. Es kostet mich viel Konzentration."
„Aber dieses Mittel ist in ihrem Blutkreislauf."
Sie nickte wieder, blieb dieses Mal aber stumm.
„Wirkt es, einmal abgesehen von Ihrem Arm?"
Sie runzelte die Stirn. „Ich fürchte ja."

***

John war gerade auf dem Weg in die Krankenstation, als er McKays Stimme hörte. Unwillkürlich atmete er auf, bis er die Nachricht gehört hatte. Dann beschleunigte er seine Schritte nur noch mehr, traf kurz darauf im Labor ein, in dem Dr. Carson Beckett das Blut untersuchte, daß Kolya durch das Wurmloch geschickt hatte.
„Doc, bitte sagen Sie mir etwas positives", begrüßte er Beckett.
Der Arzt blickte stirnrunzelnd auf. Sein Gesicht war sehr ernst. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Tut mir leid, Colonel, aber es scheint, daß es tatsächlich die Impfung der Hoffaner gewesen ist, die ihr verabreicht wurde. Und sie gehört zu der Hälfte, die auf dieses Mittel negativ anspricht."
John atmete tief ein und spannte die Kiefer an. Nach einer kleinen Weile nickte er auffordernd, nachdem er noch etwas im Gesicht des Arztes hatte lesen können.
„Es ist ..." Carson seufzte und schüttelte wieder den Kopf. „Es sieht so aus, als würden der Reihe nach sowohl die Wraith- als auch die Iratus-Zellen ihren Dienst einstellen, Colonel. Ganz bin ich zwar noch nicht mit den Testreihen durch, aber ... Sind alle Zellen inaktiv und schreitet die Vergiftung fort, wird Vashtu ... Ihre Antiker-DNS ist nicht fähig ... Sie wird ihr wahres Alter erreichen."
John sah den Mediziner stumm an. „Das heißt ..." flüsterte er schließlich.
„Das heißt, das nur die Antiker-Stränge ihrer DNS nicht das halten können, was die Fremdzellen bewirken. Sie wird sterben, Colonel, an Altersschwäche."
John bezwang sich, sich keine Emotion anmerken zu lassen. „Kann man es noch aufhalten?"
Carson neigte abwägend den Kopf von einer zur anderen Seite. „Möglicherweise, wenn ihr das Gegenmittel so schnell wie möglich verabreicht wird."
„Und was wäre das Gegenmittel?"
„Eine zweite Gentherapie, wie sie sie bereits einmal durchgemacht hat. Aber es müssen noch genug Fremdgene in ihr aktiv sein, damit sie anschlagen und die Zellen die Impfung bekämpfen können. Sie müssen gestärkt werden, um den Angriff des Hoffanerstammes zu überstehen, verstehen Sie?"
„Feuer mit Feuer bekämpfen", sagte John.
Carson nickte. „Ganz genau. Das gute ist, sehr wahrscheinlich wird sie daraufhin immun gegen eine neue Impfung sein. Aber ..."
„Aber uns läuft die Zeit davon, richtig?" ergänzte John. Verzweiflung wollte ihn übermannen, wenn er an die Nachricht von McKay dachte.
„Das ist richtig. So schnell, wie die Impfung bei ihr wirkt, bleiben ihr vielleicht noch neun, bestenfalls zehn oder elf Stunden, ehe es zum Kollaps kommt." Carson seufzte. „Glücklicherweise ist sie selbst Wissenschaftlerin genug, daß sie die zusätzlichen Kräfte bewußt unterdrückt. Würde sie sie einsetzen, würde es wesentlich schneller gehen. So muß das Mittel sich durch ihre Genstränge arbeiten und erkennt vielleicht nicht alles auf Anhieb."
John biß sich auf die Lippen, sagte aber nichts.
Was Kolya da mit Vashtu tun wollte, verstieß gegen wirklich alles, was man auch nur entfernt menschlich nennen konnte. Er wollte tatsächlich eine zehntausend Jahre alte Frau so gründlich vernichten, daß nichts mehr von ihr bleiben würde. Und bei dieser Vernichtung wollte er sie auch noch leiden lassen. Nein, das ging sogar noch fast über das hinaus, was er erlebt hatte.
„Es bleibt zu hoffen, daß, wenn Rodney zurückkehrt ..."
„McKay ist zurückgekehrt", fiel John dem Arzt ins Wort.
Carson sah ihn auffordernd an. „Dann wissen wir jetzt, wo Vashtu ist?"
John blickte auf, in die Augen des Mediziners. Langsam schüttelte er den Kopf. „Was immer Kolya mit dem Tor angestellt hat, um ein Wurmloch in die Milchstraße aufbauen zu können, er hat den Speicher des Gates zerstört. Wir sind genauso klug wie vorher."

***

„Und wenn Sie diesem Kolya doch den Kristall geben?" Babbis hockte neben der Antikerin und starrte vor sich hin. „Vielleicht läßt er uns dann gehen?"
Vashtu reagierte einen Moment lang nicht, dann seufzte sie. „Ich kann ihm den Kristall nicht geben. Ich habe ihn nicht mehr."
„Aber ... ?" Babbis sah zu ihr und runzelte die Stirn. „Ich dachte, Sie hätten ihn getragen, als wir im SGC losgegangen sind."
Vashtu schloß immer wieder die Augen, als würde sie kurz wegsacken. Dann schluckte sie und schüttelte leicht den Kopf. „Ich hatte ihn dabei, ja, aber ... jetzt habe ich ihn nicht mehr." Ihr Blick glitt vielsagend zur Decke, dann zu den Wänden.
Babbis verstand. Darum antwortete sie auf dieses Thema immer so ausweichend. Sie fürchtete, sie würden abgehört werden.
Aufmerksam blickte er sich jetzt in dem Raum um, der ihre Zelle geworden war. Groß war er nicht, etwa ein Dutzend Schritte in jede Richtung. Sie hockten gegenüber der Stahltür, die hinaus auf einen Gang führte. Die Wände waren grob verputzt, und an einer Seite, ihnen schräg gegenüber, befand sich ein großer Spiegel. Von irgendwelchen Abhörgeräten war nichts zu sehen. Aber er hatte auch keine Ahnung, wie weit die Technik der Genii reichte.
Er fühlte, wie ihr Bein ihn vorsichtig anstieß, drehte sich wieder zu ihr um. Vashtu hatte sich gerade aufgesetzt, ihr Gesicht war ernst. Mit den Augen bedeutete sie ihm, näher zu kommen. Als er sich dicht über sie beugte, begann sie leise zu wispern. So leise, daß er sie kaum verstand:
„Ich habe den Kristall versteckt, nachdem ich angeschossen wurde. Meine Hoffnung war, daß ein Team aus Atlantis ihn finden würde."
Babbis nickte verstehend. „Und?"
Ihr Gesicht verzog sich wieder zu dieser bitteren Parodie auf ein Lächeln. „Ich kann ja wohl schlecht nachfragen, ob er auch dort angekommen ist, oder? Was denken Sie, was Kolya dazu sagen würde?"
Babbis hatte den pockennarbigen Genii nur einmal gesehen, als sie gefangengenommen wurden. Danach schien der sich nur noch um die wichtige Beute zu kümmern. Doch wenn er sich Vashtu jetzt ansah, mußte er sich eingestehen, daß eine solche Frage sehr wahrscheinlich den Zorn dieses Mannes mehr als nur erregt hätte.
„Sie sollten nachfragen, irgendwie. Eine List, etwas, was die Expedition auf die richtige Spur führen könnte", schlug er zischend vor.
Sie nickte. „Das werde ich tun. Vor allem ..." Sie zögerte, hustete dann einmal kurz. „John weiß nichts davon, aber ich habe ihm damals fast alle Benutzerreche über Atlantis eingeräumt, ehe wir beschlossen, daß ich den Kristall mit zur Erde nehmen sollte. Gibt er einen bestimmten Code ein und benutzt den Kristall, sind die Tiefraumscanner von Atlantis in der Lage, unsere ID-Chips aufzuspüren, egal, wo in der Pegasus-Galaxie wir uns befinden."
„Wir brauchen einen Code, um den Code zu verschlüsseln, den er eingeben soll." Babbis richtete sich nachdenklich auf. Er hob die Hand und legte Daumen und Mittelfinger aneinander.
„Peter!" Ihre Stimme klang warnend.
„Verzeihung." Er ließ die Hand wieder sinken, griff sich statt dessen den Brotkanten und riß ein kleines Stück davon ab. Nachdenklich kaute er darauf herum.
„Kann ich Sie mit dem Problem allein lassen, Peter?" fragte die Antikerin.
Verstört blickte er auf. „Warum?" Dann sah er, wie die Tür geöffnet wurde.
„Weil die Zeit für unser trautes Beisammensein wieder einmal vorbei ist."

***

„Ich verstehe ..." Landrys Stimme klang nachdenklich.
„Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, Sir", wandte John ein. „Laut Dr. Beckett hat Vashtu noch knapp sieben Stunden, danach ist nichts mehr zu machen und sie wird sterben."
„Aber wir wissen immer noch nicht, wo sie und Dr. Babbis sich befinden", wandte Landry ein. „Ich habe ein Team bereitstehen, Colonel. Washington hat grünes Licht für eine Rettungsmission gegeben. Aber, und das ist die Voraussetzung, wir brauchen eine Gate-Adresse. Solange Sie die nicht vorweisen können, sind auch mir die Hände gebunden."
John fühlte leichten Aufwind. Erleichtert nickte er. „Wir werden bereitstehen, Sir, und Ihnen sofort mitteilen, sollten wir irgendetwas herausfinden. Dr. McKay versucht zur Zeit den Absender der Gate-Aktivierungen durch Kolya herauszufinden. Aber das ist nicht einfach."
„Und Sie bleiben, wo Sie sind, Colonel."
John nickte wieder. „Ja, Sir, ich bleibe, wo ich bin. Ich habe verstanden."
Landry seufzte. „Es reicht mir schon, daß ich hier zwei Leute habe, die auf Biegen und Brechen ihrem Team nach wollen. Halten Sie Ihre Füße still, Sheppard."
„Aber, Sir", wandte er ein, „sollte die Zeit nicht mehr ausreichen ..."
„Darüber reden wir, wenn die Zeit nicht mehr ausreicht. Wann erwarten Sie die nächste Übertragung? Wieder drei Stunden nach der letzten?"
John schluckte, zwang seine Erinnerungen in die Tiefen seines Geistes zurück. „Ja, Sir. In einer Viertelstunde."
„Gut, dann ..." Landry zögerte, wechselte dann unvermittelt das Thema: „Colonel, ich weiß nicht, ob Sie sich noch an Dr. Babbis erinnern können?"
John runzelte die Stirn. „Den Begleiter von Vashtu? Ich bin mir nicht sicher, Sir."
Landry zögerte wieder. „Sagt Ihnen SG-27 noch etwas?"
John hob den Kopf. „Ja, Sir, das sagt mir etwas." Er stutzte. „Soll das heißen ..."
„Miss Uruhk hat Ihr altes Team geerbt, Colonel, das soll es heißen", fiel Landry ihm ins Wort. „Und sie hat ihre Sache bisher sehr gut gemacht. Böse Zungen behaupten, besser als Sie. Ich denke eher, wenn Sie mehr Zeit mit ihnen verbracht hätten, wäre es Ihnen ebenfalls gelungen, die Jungs auf den richtigen Weg zu bringen."
John wußte nicht recht, was er mit dieser Information anfangen sollte. SG-27, sein Chaoten-Team. Das Team, das nicht einmal einen Einsatz unbeschadet überstanden hatte. Nie hatte er sich damals mehr nach Rodney McKay gesehnt!
„Ich will damit sagen, daß Miss Uruhk, trotz all ihrer Schwächen, ein wertvolles Mitglied des SGC geworden ist, Colonel. Wir werden sie nicht zurücklassen, glauben Sie mir. Landry Ende." Die Verbindung brach ab.
John atmete etwas erleichtert auf, drehte sich dann um und winkte Lorne zu sich, seinen Stellvertreter.

***

Vashtu sah Kolya aus der Dunkelheit auftauchen, spannte sich an. Die Schmerzen in ihrem Inneren wurden schlimmer, doch sie zwang sich, sich dagegen zu sperren. Nicht ganz einfach, wenn die Schmerzschwelle sonst durch fremde Gene gesteuert wurde, das mußte sie zugeben.
„Sie sehen inzwischen nicht mehr recht frisch aus, Vashtu Uruhk", bemerkte Kolya. „Haben Sie Schmerzen?"
„Sie wissen verdammt genau, daß ich Schmerzen habe, Kolya", entgegnete sie so aggressiv wie möglich. „Was wollen Sie?"
Kolya musterte sie amüsiert. „Es bereitet mir eine gewisse Befriedigung, Sie leiden zu sehen. Das sollten Sie wissen. Denn wenn ich den Schmerz in ihrem Gesicht lesen kann, kann Colonel Sheppard das auch, wahrscheinlich sogar besser als ich."
„Sie irren sich, wenn Sie meinen, Sie könnten ihn mit meinem Tod unter Druck setzen, Kolya. Wir haben uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen."
Er nickte sinnend. „Dennoch scheint er immer noch sehr interessiert an Ihnen zu sein."
Vashtu schluckte wieder, begegnete seinem Blick so entschlossen wie möglich. „Wir lassen niemanden zurück", war alles, was sie darauf entgegnete.
Kolya nickte, zog wieder die Ampulle aus seiner Manteltasche und spielte mit ihr herum. Nachdenklich ging sein Blick zwischen ihr und ihrer möglichen Rettung hin und her.
„Nein!" war alles, was sie auf die stumme Frage sagte.
Er nickte, trat vor sie und beugte sich über sie. „Vielleicht sollte ich Ihnen ein kleines Geheimnis verraten, Vashtu Uruhk." Er senkte seine Stimme zu einem bloßen Wispern herab und musterte sie sehr genau. „Denn offensichtlich hat man auf der Erde vergessen, Ihnen etwas mitzuteilen, was vielleicht wichtig für Sie wäre ... jetzt!"
„Ich denke nicht, daß es irgendetwas über Sie gibt, was ich nicht auch ohne die Berichte zu kennen über Sie weiß, Kolya. Sie sind ein Sadist!" spie sie ihm entgegen.
Seine Hand schoß vor, packte sie unter dem Kinn und riß ihren Kopf in den Nacken. Sehr aufmerksam musterte er sie wieder, dann beugte er sich noch tiefer über sie. Sein Mund näherte sich ihrem rechten Ohr.
Vashtu zwang sich, weiter ruhig zu bleiben, auch wenn in diesem Moment wirklich alles in ihr danach brüllte, sich irgendwie zur Wehr zu setzen. Die Nähe ihres Feindes, dabei mußte sie sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, daß er nicht einmal ihr Feind war, sondern der von Sheppard, wirkte beinahe zu verführerisch auf sie.
„Sie sind nicht die erste, die auf einem solchen Stuhl sitzt, Ahnin", wisperte Kolyas Stimme in ihr Ohr.
Vashtu zwang sich weiter ruhig zu bleiben, spannte die Kiefer an und wartete.
„Ihr heißgeliebter Colonel Sheppard hatte das Vergnügen ebenfalls, wissen Sie?" fuhr der Genii in einem süffisanten Tonfall fort zu berichten. „Ja, er saß in einem ähnlichen Bunker auf einem ähnlichen Stuhl, war ähnlich wie Sie gefesselt und es gab ähnliche Übertragungen wie jetzt bei Ihnen. Nur mit einem deutlichen Unterschied ..." Er schwieg und richtete sich wieder auf, noch immer ihr Kinn mit seiner Hand hart haltend. Aufmerksam starrte er sie an, ein kaltes Lächeln unterdrückend.
Als er nicht fortfuhr, sah Vashtu sich irgendwann befleißigt, doch nachzufragen: „Und was war jetzt Ihr großer Unterschied?"
Nichts davon glaubte sie, rein gar nichts! John war zu klever, um ausgerechnet Kolya in die Hände zu fallen. Nein, das hätte man ihr mitgeteilt, davon war sie überzeugt. Landry und O'Neill wußten schließlich ...
„Ich hatte einen Wraith."
Diese Worte waren wie ein Hammerschlag, der sie voll traf. Ihre Augen weiteten sich entsetzt.
Kolyas kaltes Lächeln trat jetzt voll hervor. Langsam nickte er, beugte sich wieder tiefer über sie. „Und ich ließ es zu, daß dieser Wraith sich an Sheppard nährte", fuhr er fort.
Alles Blut wich ihr aus dem Gesicht. Sie konnte in den Augen des Genii lesen, daß er die Wahrheit sagte, daß es geschehen war!
John, an dem sich ein Wraith nährte! John, dessen Leben ausgesaugtwurde, der immer älter wurde. John, der Greis!
Vashtu schluckte, versuchte mit aller Macht, die plötzlich aufkommende Panik zu bekämpfen. Dabei wurde ihr klar, wie sehr sie sich doch auf ihn verlassen hatte. Darauf, daß John kommen würde, daß er sie hier herausholte und nach Atlantis brachte. Aber all diese Hoffnung, die sie nicht einmal hatte zugeben wollen, hatte Kolya gerade mit einem einzigen Satz gründlich zerstört.
Der Genii richtete sich wieder auf, ließ ihr Kinn los und lächelte weiter. „Ja, der Colonel muß dem Wraith sehr gemundet haben. Dreimal nährte er sich an ihm, Vashtu Uruhk, dreimal. Nur das Eingreifen der Atlanter verhinderte, daß Sheppard starb."
Vashtu spannte die Kiefer an, starrte vor sich hin, von blankem Entsetzen gepackt. Immer wieder schluckte sie.
Nein, das konnte nicht sein! Nein, nein, nein! Nicht John! Nicht er, nicht ausgerechnet er!
„Nach dem dritten Mal sagte der Wraith mir, daß, wenn er weitergemacht hätte, er den Colonel getötet hätte und dies doch wohl nicht in meinem Sinne gewesen wäre." Kolya weidete sich an ihrem Entsetzen, sie konnte es spüren, doch sie konnte es nicht ändern.
Sie mußte hier heraus! Sie mußten es selbst schaffen. John würde ihr keine Hilfe sein, gar keine. Aus welchem Grund auch immer Kolya ausgerechnet sie hierher verschleppt hatte, es KONNTE schlichtweg nicht John Sheppard sein. Der Genii würde keinen uralten Mann als eine Bedrohung mehr ansehen. Sehr wahrscheinlich würde ein wie auch immer gearteter Versuch ausgerechnet von John Sheppard Kolya nur ein müdes Lächeln abverlangen.
Vashtu schüttelte den Kopf, riß sich so gut es ging zusammen und schluckte einige Male, um ihre Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. Erst dann blickte sie wieder auf, versuchte so viel Entschlossenheit wie möglich in ihren Blick zu legen. „Ich glaube Ihnen nicht ein Wort!" zischte sie.
Doch Kolya lächelte nur weiter, nickte einmal kurz.

***

„Eingehende Videoübertragung", meldete der zuständige Techniker.
John stand bereits vor dem Bildschirm. Jetzt gesellten sich auch Elizabeth und Rodney McKay zu ihm. Kurz darauf kam auch Carson Beckett hinzu.
John preßte die Lippen fest aufeinander und zwang sich zur Ruhe. Wenn sie irgendetwas erreichen wollten, mußte er weitermachen, wie er es in den letzten Stunden getan hatte. Aber, und das hatte er sich selbst geschworen, er würde gehen, bevor es wieder zu einem Schuß kommen konnte. Er würde nicht mitansehen, wie Vashtu wieder verletzt wurde.
„Ich hoffe doch sehr auf gute Nachrichten. Dr. Weir, Colonel Sheppard?" Kolya stand wieder vor der Kamera. Im Hintergrund sah man die beiden Wächter.
Wie würde es Vashtu jetzt gehen? Sah sie noch schwächer aus als beim letzten Mal?
John zwang sich weiter zur Ruhe. Mit den Augen suchte er so gezielt wie möglich nach irgendeinem Hinweis, wo der Genii sich und seine Geiseln versteckt halten konnte.
„Wir sind hier, Kolya, und wir bleiben auch hier", antwortete Elizabeth. „Keine Verhandlungen. Es bleibt dabei. Wir sind nicht zuständig. Sie hätten Vashtu Uruhk besser zuhören sollen, sie hat es selbst gesagt."
Kolya nickte. „Und was haben Ihnen die Blutproben über den Zustand der Ahnin verraten?" erkundigte er sich dann.
„Daß sie krank ist", antwortete John mit betont ruhiger Stimme.
„Ah, da sind Sie ja wieder, Colonel. Ich dachte schon, Sie würden nicht mehr an unseren kleinen Unterhaltungen teilnehmen wollen."
„Ich bin da, Kolya. Ich bin immer da, wenn man mich braucht."
„Tatsächlich?" Der Genii trat einen Schritt zur Seite.
John schluckte, mußte sich zwingen, nicht loszubrüllen.
Vashtu sah inzwischen wirklich krank aus. Sie hing mehr auf dem Stuhl, als daß sie saß. Selbst in der schlechten Qualität der Übertragung war ihre Blässe deutlich zu sehen. Ihr Blick wirkte verschleiert und gequält. Ein Verband umwand ihren schlanken Hals.
Langsam hob sie den Kopf, sah direkt in die Kamera. John war es, als sähe sie ihn geradewegs durch Linse und Wurmloch an. Dann nickte sie langsam und kaum merklich.
Er schluckte. Sie wollte reden. Sie wollte noch eine Wunde riskieren, die sie weiter schwächen würde.
Er kniff die Lippen fest zusammen und biß darauf.
Wieder nickte sie, in ihre Augen trat ein entschlossener Ausdruck.
„Wollen Sie mit ihr sprechen, Colonel? Sie jedenfalls scheint mit Ihnen reden zu wollen." Kolyas Stimme klang amüsiert.
John atmete einige Male tief ein. Wieder beobachtete er, wie sie langsam und betont nickte. Doch er konnte nicht nachgeben. Er konnte nicht zulassen, daß man sie zusätzlich schwächte.
Wieder ein Nicken, noch deutlicher dieses Mal.
„Wollen Sie mit ihr sprechen?" wiederholte Kolya seine Frage.
Eine Hand legte sich auf seinen Arm. Betont langsam und tief holte er Atem. „Ja", antwortete er schließlich.
Eine der beiden Wachen trat heran und nahm ihr den Knebel ab.
„John?" Ihre Stimme klang rauh.
„Ich bin da", sagte er.
Sehr konzentriert sah sie in die Kamera, schien ihn immer noch genau zu fixieren. „John, erinnerst du dich an den Stein, den ich bei unserer Mission bei dem DHD gefunden habe? Den blauen Stein?" fragte sie. „Er lag im Gras beim DHD, erinnerst du dich?"
Ein Stein? Was für einen Stein? Sie hatten das DHD des Planeten doch gar nicht ...
John schaltete. „Ja, ich erinnere mich."
Immer noch dieser intensive Blick. „Hast du ihn noch?"
Unwillkürlich tastete er in seiner Hosentasche nach dem Kristall und nickte. „Ja, ich habe ihn noch. Was soll ich damit tun?"
Jetzt konnte er deutlich die Erleichterung in ihrem Blick lesen. „Ich möchte, daß du ihn zu den anderen legst, hörst du? Zu den anderen Steinen, die auf der Orgel liegen. Der beste Platz wäre ganz rechts außen."
Die Orgel?
Dann fiel es ihm ein und er fuhr herum. Im gleichen Moment peitschte der Schuß über den Äther und er zuckte zusammen, als sei er getroffen worden. Vashtu schrie dieses Mal wirklich vor Schmerz auf. Er sah in Rodneys Gesicht und konnte dort nichts als pures Entsetzen lesen. Elizabeth hinter ihm stöhnte gequält auf.
Kolya hatte wieder auf sie geschossen!
John schloß die Augen.
„Ich weiß jetzt nicht, um was genau es ging, Colonel", hörte er Kolyas Stimme mißtrauisch sagen. „Aber daß die Ahnin Ihnen irgendwelche Anweisungen gegeben hat, ist mir klar. Und es wäre besser für Sie und auch für Vashtu Uruhk, wenn Sie diese Anweisungen sehr schnell vergessen würden. Es wird Ihnen nichts nutzen und Sie setzen nur die wenigen Minuten aufs Spiel, die ich Ihnen beiden Turteltauben lasse. Verstanden? Wir sprechen uns in drei Stunden. Bis dahin genießen Sie das, was Sie von der Ahnin noch sehen können." Mit einem leisen Knacken wechselte das Bild.
Eine Abweichung! Kolya wich von seinem Zeitplan ab.
John drehte sich wieder dem Bildschirm zu, beobachtete Dr. Babbis, der ruhelos den Raum durchmaß.
„Oh mein Gott!" stöhnte Elizabeth endlich auf. „Oh mein Gott!"
Johns Herz klopfte zum Zerspringen. „Wo hat er sie getroffen? Wie schwer ist sie verletzt?"
„Er ... er hat ..." Rodney schluckte und wandte sich ab.
„Er hat ihr in das rechte Knie geschossen", antwortete Carson mit erstarrtem Gesicht. „Es sah aus, als habe er ihr die Kniescheibe zertrümmert."
„Von was für einem Stein hat sie gesprochen?" Rodneys Stimme klang gequält.
Johns Faust schloß sich um den Kristall. Mühsam beherrscht atmete er ein und zog ihn aus seiner Hosentasche. „Sie hat mir Anweisung gegeben, den Kristall in das Panel des Hauptrechners zu schieben", sagte er endlich. Den Blick hielt er starr auf den Kristall gerichtet.

***

„Was für eine Anweisung haben Sie Sheppard gegeben?"
Kolya hatte sie wieder am Kragen gepackt und von dem Stuhl hochgerissen, soweit es ihre Fesseln zuließen. Schmerzen rasten ihr durch Arme und Handgelenke. Ihr rechtes Knie fühlte sich an, als sei es komplett von ihrem Körper getrennt. Doch sie lächelte.
Der Genii schüttelte sie wie eine Stoffpuppe. Sein Gesicht wirkte verkniffen. „Was soll er tun? Was für ein Stein? Antworten Sie!"
Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Ich habe ihm die Anweisung gegeben, den Steuerkristall in den Hauptrechner zu schieben, Kolya. Damit kann er mich aufspüren, wo immer ich mich auch befinde", antwortete sie.
Seine Faust traf ihren Magen. Sie würgte.
„Das werden Sie noch bereuen, Vashtu Uruhk! Sie werden bereuen, jemals geboren worden zu sein, das schwöre ich Ihnen." Wieder schüttelte er sie. In seinen Augen stand flammender Haß.
„Tun Sie es nur! Töten Sie mich jetzt, dann haben Sie es hinter sich!" spie sie ihm entgegen.
Er starrte sie noch immer an, zog sie dann noch näher zu sich. „Das hätten Sie gern, nicht wahr? Keine Schmerzen mehr, keine Verantwortung, nichts! Aber so einfach wird das für Sie nicht, Ahnin. Und Sie vergessen etwas bei Ihrem wundervollen Plan. Sie sind nicht allein!"
„Wenn Sie Babbis töten, bin ich eine Sorge los, Kolya. Er ist nichts anderes als ein Klotz am Bein. Ich wäre froh, wenn Sie ihn endlich zur Seite schaffen würden!"
Er stieß sie auf den Stuhl zurück und wandte sich ab. „Ich dachte, Ihnen würde viel an ihm liegen, so wie Sie sich für ihn eingesetzt haben. Was soll ich denn jetzt glauben, mh?" Er beugte sich wieder über sie, bis ihre Nasenspitzen sich fast berührten. „Ist er es Ihnen wert oder nicht?"
„Er wird ohnehin sterben, wenn ich tot bin. Oder denken Sie, ich wüßte das nicht?" entgegnete sie. „Warum sollte ich also überhaupt noch etwas auf ihn geben? Er ist doch sowieso nur dafür da, mich notdürftig zu versorgen, damit Ihre Leute sich die Hände nicht an meinem verseuchten Blut schmutzig machen!"
Dem nächsten Schlag hätte sie ausweichen können, doch sie tat es nicht. Ihr Kopf wirbelte herum und sie hatte das Gefühl, als sei ihr Kiefer gebrochen.
„Versuchen Sie das noch einmal, Vashtu Uruhk, wird Ihr Tod noch schmerzvoller sein als bisher, das schwöre ich Ihnen. Sie sollten sich sehr genau überlegen, wieviele Schmerzen Sie aushalten können ohne die Verstärkung Ihrer Fremdzellen."
Sie schluckte hart, drehte dann langsam den Kopf zurück und blitzte den Genii zornig an. „Wenn es sein muß, kann ich eine Menge mehr aushalten als Sie, Kolya", zischte sie. „Die Atlanter werden kommen, das schwöre ich Ihnen. Es wird auch nicht mehr lange dauern."
„Das werden wir noch sehen, Ahnin!" Kolya richtete sich wieder auf und wandte sich ab. „Bringt sie zurück!"

***

Etwas ratlos stand John vor dem Panel, das er mehrmals scherzhaft als Orgel Vashtu gegenüber bezeichnet hatte. Den blauen Kristall hielt er in der Hand und betrachtete die Anordnung der anderen vor sich.
„Ganz rechts", murmelte er und beugte sich forschend über die Konsole.
Er hatte es ausprobiert, doch der Kristall paßte nicht in die Öffnung, er war zu klein und würde ganz hineinrutschen. Und das konnte wirklich nicht die Lösung sein.
Er fragte sich ohnehin, was ihm das bringen würde. Soweit er wußte, hatte nur eine Person Zugriff auf sämtliche Daten, und diese Person wurde gerade auf sadistische Art und Weise ins Jenseits befördert.
„Nun machen Sie schon!" drängte McKay ihn.
Sheppard blickte stirnrunzelnd zu dem Wissenschaftler, der ihm gegenüber stand. „Wie bitte?"
McKay klopfte nervös auf das Gehäuse. „Sie hat Ihnen doch gesagt, was Sie tun sollen. Warum tun Sie es dann nicht?"
Sheppard beugte sich wieder vor. „Weil der Kristall nicht an die Stelle paßt, die sie mir gesagt hat", antwortete er und betrachtete wieder die Steuerelemente.
Moment!
Ganz rechts hatte Vashtu gesagt. Da war etwas. Eine kleine Höhlung, die man nur zu leicht übersehen würde.
Sheppard hob den Kristall vorsichtig an und steckte ihn in die Öffnung. Er paßte! Und er leuchtete auf.
Sofort flammten andere Bildschirme im ganzen Kommandoposten auf, wie damals bei Vashtu. Das Panel leuchtete hell.
Sheppard blickte sich stirnrunzelnd um. „Und was jetzt?" fragte er.
McKay gab ihm keine Antwort.

***

Mit einem Schmerzenslaut schlug die Antikerin lang hin, wälzte sich herum. Die Tür schloß sich hinter ihr und Babbis stürzte heran.
„Oh mein Gott!" entfuhr es dem Wissenschaftler, als er ihr Bein sah. Er beugte sich über sie und begann sie zur Wand zu schleifen. Dabei zogen sie eine Blutspur hinter sich her.
„Fassen Sie das bloß nicht an, Peter!" stöhnte sie, als er sich über ihr Knie beugte.
„Es blutet ziemlich stark. Ich muß es abbinden." Er blickte hoch, sah ihr ins Gesicht. Ihr Unterkiefer verfärbte sich. „Was haben Sie angestellt?"
Gepreßt atmete sie aus und verkrampfte sich kurz. „Atlantis Anweisungen gegeben, das habe ich getan", preßte sie dann schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Und nebenbei noch Ihr Leben gerettet. Jetzt sorgen Sie bitte dafür, daß ich das nicht bereue!"
Babbis seufzte erleichtert, holte sich den Verbandskasten und kramte darin herum. „Dann ist der Kristall also auf Atlantis?"
Mit verkniffener Miene beobachtete sie ihn. Ihr Gesicht war wieder schweißnaß. „Ist er, ja. Es ist mir sogar gelungen, John mitzuteilen, wie er ihn verwenden kann. Aber ..." Sie schüttelte den Kopf.
Babbis nickte, beugte sich wieder über ihr Knie. „Das wird jetzt wehtun. Entschuldigung." Vorsichtig legte er eine Kompresse auf die Schußwunde, begann dann die Wunde zu verbinden.
Vashtus Hinterkopf knallte hart gegen die Wand. „Peter!" ächzte sie vorwurfsvoll.
„Sanfter geht es wirklich nicht", verteidigte er sich.
Vashtu kniff die Lippen fest aufeinander und nickte. „Dann machen Sie zumindest schnell."
Er beugte sich wieder über ihr Bein und rollte den Verband so schnell wie möglich ab. Dabei bemerkte er, daß sie leise zitterte. Sollte sie jetzt auch noch Fieber bekommen und ganz ausfallen?
„Wie sieht es mit dem anderen aus?" fragte sie nach einer Weile.
Einen Moment lang wußte er nicht, was sie meinte, dann biß er sich auf die Lippen. „Denken Sie, Sie können noch einmal etwas durchgeben?"
Durch die Schmerzen, die in ihren Augen standen, blitzte ein letzter Rest Humor hindurch. „Nicht, wenn ich mich nicht noch einmal windelweich prügeln lassen will. So viele Knie habe ich nicht, Peter. Das nächste Mal könnte Kolya sich überlegen, auf etwas wichtigeres zu schießen. Zum Beispiel ... meine Eingeweide?"
„Das ist ein Argument." Babbis nickte, richtete sich auf und setzte sich nahe neben sie, um sie genau im Auge zu behalten.
Vashtu schluckte hart. „Tut mir leid, aber ich denke, jetzt bin ich wirklich auf Sie angewiesen. Strengen Sie Ihre grauen Zellen an."
„Das werde ich tun. Und Sie ruhen sich aus. Sie sehen nicht gut aus." Waren da nicht graue Haare in ihrem schwarzen Wuschelkopf? Er mußte sich irren. Wieder sah er ihr ins Gesicht.
Sie lächelte gequält. „Sie werden richtig mütterlich, Peter." Sie hustete.
„Haben Sie Fieber?"
Ihr Gesicht wurde ernst. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube ja."
Vorsichtig legte er ihr eine Hand auf die Stirn, dann nickte er. „Ja, Sie irren sich nicht." Kurz zögerte er, dann schlüpfte er aus seiner Armeejacke und legte sie ihr vorsichtig um die Schultern, wofür er wieder einen spöttischen Blick erntete.
„Ich brauche Sie hier, Vashtu. Können Sie sich zusammenreißen?"
Sie schloß einen Moment lang die Augen. „Ich werde es versuchen. Aber es fällt mir immer schwerer ... Peter, ich denke, Sie müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen ..."
„Wir kommen hier lebend raus. Die erste Hälfte haben Sie doch schon geschafft, den Rest machen wir zusammen. Und dann können Sie diesem Kolya kräftig in den Hintern treten. So wie dem Trust."
Ein müdes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Langsam nickte sie.

***

Unruhig beobachtete John das Geschehen auf dem Bildschirm, während er immer noch am Hauptrechner stand.
Es mußte noch etwas geben. Irgendetwas, was sie ihm nicht mehr hatte sagen können. Und jetzt ... ?
Vashtu lag in sich zusammengesunken an der Wand und rührte sich nicht. Ihr Körper war unter der Armeejacke kaum auszumachen, nur ihre ausgestreckten Beine lugten darunter hervor. Ihr Kopf war zur Seite gesunken.
Was hatte sie ihm noch sagen wollen? Was mußte er tun? Und was würde geschehen, wenn es ihm wirklich gelang, dieses ominöse Etwas zu tun?
Sie mußte auf irgendeine Art von Hilfe hoffen, sonst hätte sie sich nicht so weit vorgewagt. Sie hatte Glück gehabt, daß Kolya nicht sofort geschaltet hatte. Wahrscheinlich war sie selbst überrascht gewesen, wie weit sie mit ihren Anweisungen hatte kommen können. Doch würde sie das ganze noch einmal wagen?
John preßte die Lippen aufeinander und machte Rodney Platz, der eifrig mit dem Hauptrechner beschäftigt war. Carspm und Elizabeth hatten sich in das Büro der Expeditionsleiterin zurückgezogen. Offensichtlich beratschlagten sie, ob sie überhaupt noch helfen konnten.
Die Uhr tickte. Und sie würde es weiter tun und irgendwann würde die Zeit für Vashtu abgelaufen sein.
Babbis ...
Er hatte den jungen Wissenschaftler in keiner guten Erinnerung. Dank Babbis war die Mission damals kaum über die nähere Umgebung des Sternentores hinausgekommen. Durch seine Ungeschicklichkeit hatten sie zurückkehren müssen auf die Erde.
Diese Erfahrung machte John zusätzlich nervös. Aber er sah auch, daß Babbis sich offensichtlich in der Zeit, die sie sich nicht gesehen hatten, etwas gewandelt hatte. Er ging gut mit Vashtu um, tat was er konnte. Und die Antikerin schien ihm zu vertrauen, immer wieder steckten sie jedenfalls die Köpfe zusammen.
Landry hatte gesagt, Vashtu habe ihr Team im Griff. Sie und Babbis hätten sogar schon schwierige Probleme gemeistert. Irgendwie fiel es ihm schwer, das zu glauben nach seinen Erfahrungen mit dem jungen Mann. Und doch ...
Babbis saß neben Vashtu am Boden und kramte in irgendetwas herum. Er schien voll auf sein Tun konzentriert.
John senkte den Kopf wieder, als die Verbindung abbrach. Das Wurmloch fiel in sich zusammen.
Jetzt würde wieder das lange Warten beginnen ...

***

Vashtu blinzelte in das Licht hinein. Einen Moment lang wußte sie nicht, wo sie sich befand, dann aber kehrte die Erinnerung zurück, und mit ihr die Schmerzen. Sie schloß ihre Augen wieder, versuchte sich in den Schlaf zurückgleiten zu lassen. Doch das wollte ihr nicht gelingen.
Sie mußte etwas tun! Sie mußte hier heraus und wieder gesund werden. Sie hatte nicht zehntausend Jahre gewartet, um dann hier zu sterben.
„Geht es Ihnen besser?"
Sie schluckte einige Male, bis sie glaubte, ihre Kehle sei wieder fähig, einen Laut zu produzieren. „Nein", flüsterte sie heiser.
„Der Wächter war vorhin noch einmal hier. Warten Sie."
Nun öffnete sie doch ihre Augen wieder und beobachtete Babbis, der nach einem weiteren Krug griff und ihn ihr sanft hinhielt, damit sie trinken konnte.
Das Wasser schmeckte abgestanden und schal. Außerdem hatte sie keinen Durst. Sie mußte dafür sorgen, daß Atlantis wußte, was zu tun war. Sie mußte irgendwie den Code durchgeben.
Sie sammelte ihre Kräfte und richtete sich auf. Sich mit Händen und Schultern abstützend versuchte sie sich hochzuziehen. Doch nur mit einem Bein war das verdammt schwer. Und sie traute ihrem rechten Knie nicht mehr.
„Was haben Sie vor?"
Ächzend kam sie schließlich in eine halbwegs aufrechte Position. Entschlossen kniff sie die Lippen zusammen und versuchte sich an einem Schritt. Das Knie gab unter ihrem Gewicht nach, und sie hatte das Gefühl, als hätte sie sich das Bein abgerissen. Im letzten Moment konnte sie sich noch mit dem anderen Fuß abfangen, sank dann aber zu Boden und ließ sich wieder gegen die Wand fallen.
„Was sollte das? Sie reißen sich nur die Wunde wieder auf", beschwerte Babbis sich.
Als käme es darauf noch an!
Der Wissenschaftler zog sie so vorsichtig wie möglich wieder in ihre vormalige Position zurück und breitete seine Jacke erneut über sie aus.
„Lassen Sie das endlich, Peter!"
„Sie haben Fieber und mindestens eine schwere Schußwunde. In Ihnen tobt irgendein Virus und Sie haben seit Stunden nichts gegessen. Sie sollten lassen, was auch immer Sie da vorhatten, verdammt!" herrschte er sie an.
Überrascht sah sie ihn an. „Sie machen Sie sich wirklich Sorgen um mich", stellte sie verblüfft fest.
Babbis starrte zurück, sein Gesicht wirkt verkniffen. „Was das andere angeht, ich arbeite daran", sagte er.
„Eine Idee?"
Babbis zuckte mit den Schultern und beugte sich über sie, als wolle er den Verband um ihren Hals kontrollieren. „Sagen Sie mir den Code, dann finde ich vielleicht eine Lösung. Mir ist da schon der eine oder andere Gedanke gekommen. Nur ..."
Vashtus Blick glitt von ihm ab. Langsam und kaum die Lippen bewegend nannte sie ihm die Reihenfolge. Vielleicht fiel ihm ja wirklich etwas ein. Sie hoffte es zumindest.
Dann fiel ihr Blick auf den Spiegel. Sie riß sich zusammen und starrte ihn an. „Was ist das?" fragte sie unvermittelt.
Warum war er ihr bisher entgangen? Wieso hatte sie nicht darauf geachtet?
„Ein Spiegel, wahrscheinlich ein Einweg-Spiegel, wenn Sie mich fragen", antwortete Babbis, richtete sich wieder auf. „Sie wissen schon, wie in diesen Fernsehserien."
Nachdenklich nickte sie.
„Ich weiß nicht, ob sie uns belauschen können, aber sicherlich beobachten sie uns", fuhr der Wissenschaftler fort. „Dafür sind solche Spiegel nämlich gerade gut. Wie bei Verhören in diesen komischen Krimis. Da steht dann doch immer jemand dahinter und beobachtet genau ..."
„Ich weiß, was Sie meinen! Ich habe auch einen Fernseher."
Sie versuchte sich zu erinnern. Was hatte sie draußen auf dem Gang gesehen? War da Licht gewesen?
Nein, kein Licht. Aber ... Eine Tür. Da war ein Verschlag mit einer Tür, an der sie jedesmal vorbeigezerrt wurde. Befand sich in diesem Verschlag jemand?
„Peter ... ?" Ein Gedanke war ihr gekommen.
Babbis sah ihr wieder ins Gesicht. „Ja?"
Immer noch starrte sie den Spiegel an. „Denken Sie vielleicht das gleiche wie ich?"
„Ich weiß nicht, was Sie denken", kommentierte er ihre Frage unwillig.
Sie holte tief Luft, unterdrückte einen neuen Hustenanfall. „Wenn Kolya mich holen läßt, werde ich in einen Raum mit einer riesigen Kamera gebracht", berichtete sie. „Von dort aus überträgt er Bilder und Ton nach Atlantis."
Babbis' Kopf ruckte herum. „Sie meinen ... ?"
„Ich weiß es nicht. Aber es ... es könnte sein."
Babbis erhob sich vorsichtig, starrte weiter den Spiegel an. Mit langen Schritten ging er zur gegenüberliegenden Wand und betrachtete ihn. Dann drehte er sich nachdenklich wieder um und sah sie an.
„Wie können wir das kontrollieren?"
Sie verzog das Gesicht und runzelte die Stirn. „Gar nicht, fürchte ich. Sie kommen hier nicht heraus und ich ... Sie haben ja gesehen, daß ich mich kaum auf den Beinen halten kann."
Babbis kehrte zu ihr zurück, hockte sich neben sie. „Das Problem ist, daß selbst Kolya kein Wurmloch über so lange Zeit aufrecht erhalten kann. Selbst wenn sie uns in diesem Raum filmen, kann er nicht alle Bilder nach Atlantis schicken. Ein Wurmloch existiert nur eine gewisse Zeit, dann bricht es zusammen."
Vashtu nickte. „Achtunddreißig Minuten, ich weiß."
„Sie sind selten länger als ungefähr eine halbe Stunde weg. Ab wann wird gefilmt?"
Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Leider käme ich zur Zeit selbst dann nicht an meine Uhr heran, wenn man sie mir nicht abgenommen hätte." Sie wurde wieder ernst, runzelte die Stirn. „Ich werde in diesen Raum gebracht. Das dauert zwei oder drei Minuten. Dann fesselt man mich auf einen Stuhl, was auch wieder ein paar Minuten braucht. Je nachdem will Kolya noch kurz mit mir sprechen, danach knebelt man mich. Er stellt sich vor die Kamera ..." Sie stockte, atmete wieder ein und aus und hustete kurz. „Das Wurmloch muß hergestellt werden, wenn man mich knebelt. Dann gibt es einen kurzen Wortwechsel zwischen Atlantis und Kolya, der damit endet, daß man mich wieder reden läßt ... wenn jemand auf Atlantis sich darauf einläßt."
Babbis hob die Hand. „Warum sollte man sich dort nicht darauf einlassen?" fragte er verwirrt.
Vashtu warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. „Weil ich für jedes Gespräch angeschossen werde, vor laufender Kamera, darum", antwortete sie.
„Oh!"
Sie nickte. Ihre Augen glitten ins Leere als versuche sie sich etwas sehr genau ins Gedächtnis zu rufen. „Danach weiß ich meist nichts mehr wirklich, bis ich wieder hergebracht werde. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich jedesmal auf diesem Stuhl sitze."
Babbis nickte mitfühlend.
„Sie sagen, ich bin nicht länger als eine halbe Stunde weg. Das heißt, wir haben noch acht Minuten, vielleicht ein bißchen mehr."
„Wenn Kolya direkt hierher schalten läßt", wandte Babbis ein.
„Er wird hierher schalten lassen, glauben Sie mir." Vashtus Gesicht wurde kalt wie Eis. In ihren Augen blitzte eine mörderische Wut.
„Dann müssen wir also nur noch herausfinden, ob diese ominöse Kamera tatsächlich existiert", faßte Babbis zusammen.
Sie nickte und dachte nach. Dann hob sie den Kopf und sah wieder zu dem Spiegel hinüber.
Warum war er ihr nur nicht schon viel früher aufgefallen? Sie könnten schon soviel weiter sein, sie könnten schon hier heraus sein! Aber sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die fremden Gene in ihrem Inneren zu stoppen, ganz abgesehen von den Schmerzen, die für sie fast unbekannt geworden waren in den letzten Jahrtausenden.
„Können wir es herausfinden?" Babbis nagte an seiner Unterlippe, steckte sich dann einen Brocken von dem neuen Brot in den Mund.
„Nicht so einfach, fürchte ich", antwortete sie.
Babbis nickte und kaute. Dann schluckte er und drehte sich wieder zu ihr um. „Gut, ich weiß, wie wir es machen", sagte er. „Ich riskiere es. Aber Sie müssen mir helfen. Irgendwie müssen wir herauskriegen, ob es diese Kamera gibt oder ob wir tatsächlich nur abgehört werden. Schaffen Sie das?"
Vashtu warf ihrem verbundenen Knie einen vielsagenden Blick zu. „Ich kann es versuchen. Aber versprechen kann ich nichts. Wird nicht einfach werden."
„Das sagt auch niemand." Als sie in sein Gesicht blickte, sah sie, wie entschlossen es wirkte. Was auch immer er plante, er würde es durchziehen.
Sie fragte nicht, was ihm im Kopf herumging. Sie wollte es gar nicht wissen. Ihr Part bei dieser Sache war schon mehr als genug.
„Sie müssen sich genug zusammenreißen, wenn Sie zurück gebracht werden, damit Sie mir irgendwie mitteilen können, ob wir recht haben oder nicht. Es reicht ein Nicken, wenn die Kamera existiert und ein Kopfschütteln, wenn wir es uns nur eingebildet haben."
„Klingt fair. Ich hoffe, ich kriege das hin."

***

Carson erwartete sie mit ernstem Gesicht in Elizabeths Büro, als die Expeditionsleiterin sie rufen ließ.
John wurde es unwohl. Die nächste Übertragung würde nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Und das hieß, vielleicht würden sie etwas mehr über Vashtus Plan erfahren.
„Was ist?" Rodney wirkte nervös, unruhig schnippte er mit den Fingern.
„Wir sind überein gekommen, daß wir diesmal verhindern, daß irgendjemand hier mit Vashtu Uruhk spricht", erklärte Elizabeth, lehnte sich mit überkreuzten Armen zurück. „Wir können es nicht riskieren."
„Aber sie könnte uns weitere Infos darüber geben, was wir tun sollen!" entfuhr es John. Dann rief er sich zur Ordnung. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen, Elizabeth. Irgendwie ... Ich gehe davon aus, daß Vashtu uns auch dieses Mal wieder einen Brocken hinwerfen wird."
„John, denken Sie wirklich, Kolya wird sich einen solchen Lapsus zweimal leisten?" Elizabeth sah ihn skeptisch an.
„Colonel Sheppard kommt nicht in alle Unterprogramme hinein, Elizabeth", argumentierte Rodney jetzt. „Der Hauptrechner ist dermaßen überfüllt mit allen möglichen Daten, daß wir Jahrzehnte suchen könnten, ohne etwas wirklich hilfreiches zu finden. Wir brauchen nähere Informationen, so ungern ich das auch zugebe."
„Jede Verletzung schwächt ihr Immunsystem." Carsons Stimme klang ruhig, doch sein Gesicht wirkte bleich vor Anspannung. „Wird sie noch einmal angeschossen, könnte das Auswirkungen darauf haben, wie schnell die Vergiftung fortschreitet. Bisher war ... Nun die Wunden waren relativ vertretbar. Aber nach der letzten ... Und wir wissen nicht, was danach noch mit ihr geschehen ist."
„Kolya hat sie wohl geschlagen", murmelte John leise und ballte die Hände zu Fäusten. „Offene Wunden bis auf die am Knie habe ich nicht sehen können. Und um die hat dieser Babbis sich notdürftig gekümmert."
Carson sah ihn zweifelnd an.
„Wie auch immer, wir können es nicht vertreten, daß sie noch einmal verletzt wird", entschied Elizabeth. „Also werden wir uns weigern, noch einmal mit ihr zu sprechen."
John verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. „Und wer sagt uns, daß Kolya sie nicht doch wieder verletzen wird? Sie wissen doch, was von seinem Wort zu halten ist, Elizabeth."
„Wenn sie uns noch eine Information zukommen lassen kann, wird sie das tun", erklärte Rodney in die folgende Stille hinein. „Ich mag sie nicht so gut kennen wie der Colonel, aber ich kenne ihn."
John warf dem Wissenschaftler einen irritierten Blick zu.
„Wir können es nicht verantworten", wiederholte Elizabeth.
„Was sagt Landry?" John blickte auf.
„Er wartet immer noch auf eine Adresse", antwortete die Expeditionsleiterin. „Sind wir damit weiter gekommen?"
Rodney schüttelte den Kopf.
Elizabeth senkte den Blick.
„Sie wird sprechen wollen, wenn sie noch etwas zu sagen hat", warf John ein. „Wir werden sie nicht daran hindern können. Sie haben sie bei der letzten Übertragung gesehen, Elizabeth. Ich wollte nicht mit ihr reden."
„Leider ist das so", murmelte Carson. „Ich kann nur hoffen, daß sie selbst weiß, wie weit sie gehen kann. Es steht nicht gut um sie."
„Sie lag nur noch an der Wand, bis zum Ende der Übertragung. Babbis hat sie mit seiner Jacke zugedeckt." John runzelte die Stirn. Er wünschte sich ... Nein, das nicht!
„Kommen wir überein, daß wir ihr die Entscheidung überlassen, meine Herren." Elizabeth hatte endlich wieder den Blick gehoben. „Aber ich glaube nicht, daß sie uns noch weitere Informationen zukommen lassen kann. Kolya wird aufpassen."
„Ich weiß ..." John nickte nachdenklich. Er wollte lieber nicht wissen, was Vashtu sich noch ausgedacht haben mochte, um sie näher an die Lösung zu bringen. Er konnte nur hoffen, daß es nicht allzu schmerzhaft für sie werden würde.

***

Der Genii riß sie auf die Beine, daß sie einen Schmerzensschrei nur mühsam unterdrücken konnte. Am Rande nahm sie wahr, daß Babbis sofort seine Jacke an sich brachte und fest umschlang, dann wurde sie auch schon aus dem Raum gezerrt.
Vashtu zwang sich, die Schmerzen zu unterdrücken, die das Knie ihr bereitete. Aber vielleicht würde ihr gerade diese Verletzung jetzt helfen. Mühsam schleppte sie sich vor dem Wächter her, die wenigen Schritte bis zur Tür. Dabei sammelte sie alle Kraft, die sie noch irgendwo in sich aufbieten konnte und machte sich zu einem letzten, aktiven Dienst ihrer Fremdzellen bereit. Sie mußte kurz das Bein belasten und hoffte, daß es nicht wieder unter ihr wegbrechen würde.
Dann waren sie bei der Tür.
Plötzlich, zu plötzlich für ihre Wächter, warf sie sich herum, ächzte mit zusammengepreßten Kiefern vor Schmerz, und rammte ihre Schulter brutal gegen diese. Das Bein brach unter ihr weg, so daß sie erst recht gegen das Holz gedrückt wurde. Die zusätzliche Kraft der Wraith-Zellen erlahmte viel zu schnell, doch es reichte. Die Tür brach auf und sie konnte einen kurzen Blick auf das Innere des schmalen Verschlages werfen.
Der Spiegel. Sie konnte Babbis sehen, der an die Wand gelehnt dastand. Und da stand die Kamera!
Im nächsten Moment traf sie ein grausamer Schlag, ließ sie endgültig zusammensacken. Die Schmerzen waren beinahe zu heftig. Sie konnte das Dunkel der Bewußtlosigkeit am Rande ihres Blickfeldes wahrnehmen.
Brutal riß man sie wieder auf die Beine. Die beiden Genii packten sie unter den Armen, daß sie sich hilflos aufbäumte. Der Kolben eines Gewehres landete in ihrem Bauch, ließ sie sich zusammenkrümmen und hilflos würgen.
Zwischen den beiden Wächtern eingekeilt wurde sie den Gang entlang geschleppt und in den schlecht beleuchteten Raum gebracht. Neben dem Stuhl ließ man sie los und stieß sie grob zu Boden, daß ihr Kinn gegen die Sitzfläche knallte.
Halb ohnmächtig blieb sie zusammengesunken vor dem Stuhl hocken, das verletzte Knie so weit wie möglich ausgestreckt. Sie fühlte, wie warmes Blut über ihr Bein rann, die Schußwunde war wieder aufgeplatzt. Keuchend wartete sie, hörte die undeutlichen Stimmen und kämpfte um ihr Bewußtsein.
Dann wurde sie im Nacken gepackt und wieder hochgerissen.
„Allmählich werden Sie lästig, Ahnin!" herrschte Kolya sie an. „Dachten Sie, Sie könnten so einfach entkommen? Oder was wollten Sie damit erreichen?"
Er quetschte ihr die Adern zum Gehirn ab. Ein stechender Schmerz breitete sich in ihrem Genick aus.
„Was sollte das?" wiederholte er und schüttelte sie.
„Ihre Gastfreundschaft läßt zu wünschen übrig, Kolya", würgte sie irgendwie hervor. „Natürlich wollte ich gehen. Ich habe genug von Ihnen."
Ein Tritt traf ihr verletztes Knie, dann wurde sie brutal über den Stuhl geworfen, dessen Sitzfläche sich jetzt in ihren Unterleib grub.
„Passen Sie nur auf, Vashtu Uruhk. Bis jetzt steht mein Angebot noch, aber ich kann es auch sehr schnell rückgängig machen."
Die beiden Genii zerrten an ihr und setzten sie wieder aufrecht hin, um sie an den Stuhl zu fesseln. Vashtu ließ es über sich ergehen, hielt den Kopf gesenkt.
Sie konnte beinahe spüren, wie die Injektion jetzt mit rasender Geschwindigkeit wirkte und durch ihren Körper jagte. Aber sie hatte keine andere Wahl gehabt. Sie hatte die Wraith-Zellen einsetzen müssen, sonst wäre es ihr wahrscheinlich nicht lange genug gelungen, die Schmerzen zu unterdrücken und die Tür zu öffnen.
Es gab eine Kamera! Sie konnten den zweiten Teil der Nachricht absenden. Hilfe würde kommen, hoffte sie zumindest.
Mit einem Ruck wurde ihr Kopf gehoben, um sie wieder zu knebeln. Müde, aber auch voller Zorn sah sie zu Kolya, der sich abgewandt hatte.
Sie haßte diesen Mann inzwischen so sehr. Wenn sie nur eine Möglichkeit erhalten würde, sie würde ihm jeden Knochen im Leib brechen, ehe sie ihn langsam, sehr langsam, tötete.
Ihre Kiefer spannten sich an, ihr von Schmerz und Fieber verschleierter Blick wurde kalt wie Eis.
Wenn sie nur eine Waffe hätte! Irgendetwas, ihretwegen reichte schon ein Nagel. Sie würde ihm das Leben zur Hölle machen, wie er es auch mit ihr getan hatte. Sie würde ihn foltern, und es würde ihr wirklich Vergnügen bereiten.
Sie schloß die Augen und ließ den Kopf auf ihre Brust sinken. Das Schlüsselbein schmerzte, aber lange nicht so schlimm wie das Knie oder die frischen Prellungen.
„Sie werden keine weiteren Anweisungen geben, ist das klar?" wandte Kolya sich plötzlich an sie. „Noch so ein Versuch und ich jage Ihnen eine Kugel in den Kopf. Dann dürften Sie tot sein. Es wäre zwar schade, aber läßt sich wohl nicht vermeiden."
Sie nickte mühsam, hielt den Kopf gesenkt.

***

John mußte ein Stöhnen unterdrücken, als Kolya zur Seite trat. Die Gestalt, die da auf dem Stuhl hing, schien nur noch wenig mit der Vashtu gemein zu haben, die er vor einem Jahr kennengelernt hatte. Eines fiel ihm sofort auf, ihr Haar war grau, nicht mehr dieses tintige Schwarz wie früher. Sie ließ den Kopf hängen, hatte offensichtlich Mühe, sich bei Bewußtsein zu halten.
Ein zischender Laut entwich Becketts zusammengebissenen Zähnen neben ihm.
„Wollen Sie mit der Ahnin sprechen?" fragte Kolyas Stimme.
Mühsam hob sie den Kopf, sah mit verschleierten Augen in die Kamera.
John schluckte und wartete.
Vashtu blinzelte und ließ den Kopf wieder sinken. Es war, als habe sie schlichtweg nicht mehr genug Kraft, um überhaupt noch irgendetwas zu tun.
„Ja, ich will mit ihr sprechen." Johns Stimme klang belegt.
Dieses Mal aber geschah etwas anderes als sonst. Kolya nahm ihr selbst den Knebel ab und stellte sich neben sie. Seine Waffe klickte, dann hielt er sie ihr an die Schläfe.
John biß sich auf die Lippen.
„John?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein rauhes Flüstern.
„Ich bin da", sagte er, versuchte so viel Gefühl wie möglich in seine Stimme zu legen.
Wieder hob sie ein wenig den Kopf, sah unter ihren Brauen herauf in die Kamera. „Ich ... ich wollte das nicht", flüsterte sie. „Es tut mir leid."
„Du mußt dich nicht entschuldigen."
Es schien, als würde sie kurz lächeln. „Laß es gut sein, ja? Es ist gut, daß du nicht hergekommen bist. Das wollte ich dir noch sagen."
John preßte die Lippen aufeinander. „Du wirst mir noch eine Menge mehr sagen, hörst du? Gib jetzt nicht auf. Die Erde hat Hilfe genehmigt. Eine Einsatztruppe ist auf dem Weg hierher. Wir holen dich da heraus, glaube mir."
Sie ließ den Kopf wieder sinken. „Es geht nicht mehr. Es ist zu spät." Ihre Schultern hoben sich, sanken dann wieder herab. „Ich wollte dir noch sagen ..."
„Spar es dir für später, Vashtu. Wir werden darüber reden, hörst du? Du darfst jetzt nur nicht aufgeben. Du mußt weiterkämpfen! Hilfe ist unterwegs." John bemerkte, daß ihr Schläfenhaar plötzlich weiß wurde. Sie alterte rapide vor seinen Augen.
„Vashtu, hören Sie. Bleiben Sie ruhig, es wird schon ..."
Der Schuß knallte.
John schloß die Augen und wandte sich ab.
„Zwei Stunden ... falls die Ahnin sie noch hat", sagte Kolya, dann schaltete das Bild um.

***

Babbis stand mit dem Rücken zum Spiegel und wartete, als sich die Tür öffnete und die Antikerin in den Raum gestoßen wurde.
Einen Moment lang erschrak er über ihren Anblick, dann sah er das mühsame Nicken und tat einen Schritt nach vorn, den Rücken immer noch zum Spiegel. Um Aufmerksamkeit zu erregen sprang er wie ein Hampelmann herum, hob die Arme und wies mit den Händen auf seine Jacke. Erst als er hörte, wie die Tür wieder geöffnet wurde, stürzte er zur nächsten Wand und rieb in rasender Schnelle die Salbe von dem Stoff herunter. Noch während er das tat, sah er in die Mündungen zweier Waffen und hob die Hände.
„Lockerungsübungen", brachte er mit einem entschuldigenden Grinsen hervor, als ihn auch schon der erste Schlag in die Magengrube traf und ihn zusammenklappen ließ.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Vashtu sich mühsam auf den Bauch wälzte. Falten zeichneten ihr Gesicht, ihr Haarschopf war weiß. Eine neue Wunde in ihrem linken Oberschenkel verhinderte jetzt wohl endgültig, daß sie wieder auf die Beine kommen konnte. Dennoch kroch sie auf ihn zu. Er sah einen unsäglichen Schmerz in ihren Augen brennen.
Immer neue Schläge prasselten auf ihn ein. Schützend hielt er sich die Hände vor den Kopf, dennoch mußte er auch dort einige Treffer verzeichnen.
Dann setzte die Prügel plötzlich aus. Babbis, der sich so klein wie möglich gemacht hatte, wagte einen Blick unter seinen Händen hervor. Sein Herz sank, als er sah, wer gerade den Raum betreten hatte.
Unsanft trat der Genii die Antikerin mit dem Fuß zur Seite. Er hörte Vashtu röcheln. Langsam ließ er seine Hände sinken, richtete sich ein wenig auf und sah sich unvermittelt Kolya gegenüber.
Der pockennarbige Genii betrachtete die Wand, an der Reste der Salbe klebten. Dann richtete sich sein intensiver Blick auf ihn.
„Was hat das zu bedeuten?" Seine Stimme klang voll und dunkel.
„Sagen Sie ihm nichts, Peter!" Vashtus Stimme war kaum noch zu erkennen. Sie hustete inzwischen immer wieder, holte schwer Luft.
Kolya starrte ihn weiter an, schob seine Hand aus seiner Manteltasche und richtete eine gefährlich aussehende Pistole auf die Antikerin.
Babbis atmete hektisch.
„WAS hat DAS zu bedeuten?" Kolyas Stimme war die ein drohender Donnerschlag.
Vashtu sah ihn verzweifelt an, schwieg jetzt aber. Die Falten gruben sich immer tiefer in ihr Gesicht.
„Ich habe Atlantis einen Code übermittelt, mit dessen Hilfe sie uns finden werden. Wahrscheinlich sind sie sogar schon auf dem Weg hierher." Babbis reckte sich ein wenig, versuchte dem kalten Blick des Genii so stolz wie möglich zu begegnen.
Kolya starrte ihn stumm an, dann richtete er seine Waffe auf ihn.
„NEIN!"

***

„Sie hat keine zwei Stunden mehr." Carson schüttelte immer wieder den Kopf, durchmaß die Kommandozentrale mit seinen Schritten. Die Hände hatte er hinter dem Rücken gefaltet. „Wenn ihr die Gentherapie nicht innerhalb der nächsten Stunde verabreicht wird, wird sie sterben."
„Wie ist das möglich? Sie ... sie alterte vor unseren Augen!" John schluckte.
„Sie muß die Fremdzellen eingesetzt haben." Carson blieb plötzlich stehen. „Der Hoffanerstamm hatte die letzten Stunden Zeit, sich in ihrem Kreislauf festzusetzen. Aber sie hat ihm so wenig Angriffsfläche wie möglich geboten. Jetzt ist das anders."
„Was macht der da?" ließ sich einer der Techniker irritiert vernehmen.
John drehte sich zu dem Bildschirm um und sah Babbis, der einen wilden Veitstanz aufführte. Auf seinem Rücken glänzte es.
„Was ... ?" Er stockte. Zahlen, das waren Zahlen!
In diesem Moment hastete der Wissenschaftler zur nächsten Wand und rieb seinen Rücken daran.
John begriff. „Aufnahme stoppen, sofort!" befahl er, wirbelte herum und hetzte zum Hauptcomputer. „Sehen Sie zu, daß wir ein klares Bild von Babbis' Rücken kriegen. Und ich brauche eine Leitung zur Erde. Sobald das Wurmloch abreißt, wählen Sie uns ein."
Er bemerkte am Rande einen irritierten Blick von Elizabeth, kümmerte sich aber nicht weiter darum. Gespannt wartete er auf die Übermittlung der letzten Bilder. Seine Augen huschten über den Bildschirm.
Das waren tatsächlich Zahlen. Ein Code! Der Code, den er brauchte. Er mußte die Kristalle verschieben.
John las:
7 3
017
155
91
So schnell er konnte, wechselte er die Kristalle in der Reihenfolge, die Babbis ihm mitgeteilt hatte, trat dann vom Panel zurück, als plötzlich ein Laut ertönte, und hob die Hände.
„Die Tiefraumscanner!" Rodneys Augen wurden groß.
John fuhr herum und starrte auf die Anzeige. Zwei kleine Punkte leuchteten in den Tiefen des Alls. Zwei Punkte mit Nummern. ID-Nummern.
„Vashtu!"
„Verbindung reißt ab. Einwahl läuft", meldete der Techniker am DHD.
Rodney trat näher. „Das ist ein verlassener Außenposten der Genii. Da waren wir schon einmal. Die Gate-Adresse ist gespeichert."
„Suchen Sie sie heraus, Rodney. Und machen Sie schnell." John klopfte auf sein Funkgerät, um es zu aktivieren. „Lorne, steht die Mannschaft bereit? Dann ab mit ihnen in die Jumper. Wir haben nicht viel Zeit!"
„John!" Elizabeth starrte ihn an.
„Wir haben keine Zeit, auf die Erde zu warten, Elizabeth!" Er fuhr zu Carson herum. „Haben Sie diese Gentherapie?"
Der Mediziner nickte.
„Dann holen Sie sie so schnell wie möglich. Sie kommen mit."
„Verbindung mit dem SGC steht", meldete der Techniker.
„General, Sir, wir haben die Adresse." John trat endlich hinter dem Hauptrechner hervor und stellte sich an den Bildschirm, über den die Bilder von Vashtu und Babbis geflimmert waren.
„Gut, ich werde gleich einen Jumper über die Gate-Brigde schicken", Landrys Stimme klang erleichtert.
John preßte die Kiefer aufeinander und faltete die Hände hinter seinem Rücken. „Sir, bei allem Respekt, aber soviel Zeit haben wir nicht mehr", entgegnete er. „Dr. Beckett bestätigte uns gerade, daß es noch maximal eine Stunde dauern würde, bis Vashtu nicht mehr zu retten wäre, wahrscheinlich sogar weniger. Wir können keine halbe Stunde warten, wir wissen nicht, auf wieviel Widerstand wir stoßen werden."
„Entspricht das auch der Wahrheit, Lt. Colonel?" Landrys Stimme klang mißtrauisch.
„Dr. Beckett ist zur Zeit nicht anwesend, da er Medikamente zusammenstellen muß, Sir. Wenn Ihnen mein Wort nicht reicht ... Dr. McKay wird Ihnen das sicher bestätigen können." John atmete tief ein. „Ich habe mir erlaubt, ebenfalls ein Rettungsteam zusammenstellen zu lassen. Die Männer betreten gerade die Puddlejumper, Sir. Wir brauchen nur Ihr Einverständnis, dann fliegen wir los."
„Colonel ... Dr. McKay, entsprechen diese Angaben der Wahrheit?"
„Hier Weir, General."
John drehte sich zu der Expeditionsleiterin um und sah sie an. „Sie haben selbst gesehen, wie Sie aussah, Elizabeth. Uns bleibt keine Zeit!" zischte er.
Elizabeth erwiderte seinen Blick, dann nickte sie. „Ich kann diese Angaben bestätigen. Miss Uruhk altert in unglaublicher Geschwindigkeit. Dr. Beckett meinte, sie müsse ihre Fremdgene aktiviert haben. Die Impfung zerstört diese Zellen. Ihr normaler Genstrang allein ist nicht fähig ..."
„Ich habe verstanden." Landrys Stimme klang plötzlich gehetzt. „Colonel Sheppard, Sie haben meine Erlaubnis, zu dieser Rettungsmission zu starten. Aber Sie werden sich aus allem heraushalten. Haben Sie verstanden?"
John atmete erleichtert auf und nickte. „Ja, Sir."
„Sir, wir müssen Sie jetzt leider abwürgen. Es sah gerade nicht gut aus, als wir die Aufnahme stoppen ließen", sagte Elizabeth. Noch einmal wechselte sie einen Blick mit John, dann nickte sie wortlos.
Der ließ sich das nicht zweimal sagen. Er hastete die Treppe zum Jumper-Hangar hinauf.

***

„Commander, wir haben eine Aktivierung des Sternentors von außen!"
Kolya starrte noch immer auf Babbis hinunter. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln. Dann hob er unvermittelt die Waffe und wirbelte herum.
„Rückzug, sofort!" befahl er, blieb bei der Antikerin stehen, die hektisch atmend auf dem Boden lag. Kurz begegneten sich ihre Blicke, dann ging der Genii wortlos.
Babbis wagte kaum zu atmen, bis Kolya verschwunden war. Er zögerte noch einige Sekunden, dann kroch er auf allen Vieren zu Vashtu hinüber.
„Nicht aufgeben!"

***

John landete den Jumper und öffnete die Hecklucke. „Alle raus! Rein in den Bunker und durchsuchen. Bei Widerstand wird scharf geschossen!" befahl er den Marines im Passagier- und Laderaum.
Die verteilten sich sofort. Er sah, wie sie in die Anlage eindrangen, zog seine Beretta und entsicherte sie. Der zweite Jumper spuckte gerade ebenfalls seine Ladung aus.
„Sie wissen doch, was Elizabeth gesagt hat, Colonel", sagte Carson.
Johns Blick war kalt und starr wie Eis. „Vashtu braucht unsere Hilfe, so schnell wie möglich. Packen Sie Ihre Sachen, Doc!"

***

Vashtu fühlte, wie das Leben aus ihrem Körper entwich. Das Atmen fiel ihr immer schwerer, dafür nahmen die Schmerzen immer mehr zu. Sie konnte sich kaum mehr rühren.
Nie würde sie diesen Blick vergessen, mit dem Kolya sich von ihr verabschiedet hatte. Nie würde sie überhaupt irgendetwas vergessen, was sie in den letzten Stunden erlebt hatte.
Babbis bettete ihren Kopf in seinen Schoß und wischte ihr ungeschickt den Schweiß vom Gesicht. „Das wird wieder, hören Sie? Nur nicht aufgeben. Sie haben doch gehört, das Tor wurde aktiviert. Atlantis ist unterwegs hierher."
Aus weiter Ferne hörte sie Schüsse hallen, schloß die Augen.
Sie war so müde!

***

John hörte die einzelnen Statusberichte mit, während er an Carsons Seite in den Bunker eindrang.
Wo, zum Teufel, steckten Vashtu und Babbis? Er konnte nicht glauben, daß Kolya sie bei einer möglichen Flucht mitgeschleppt hatte. Zumindest die Antikerin nicht.
„Halte durch, wir sind unterwegs!" wisperte er.

***

Babbis blickte auf, als er Schritte vor der Tür hörte. Erleichtert atmete er auf, als er einen Mann in der Uniform der Erdstreitkräfte den Raum betreten sah. „Gott sei Dank! Schnell, sie braucht sofort medizinische Behandlung."
Der Marine sah sie beide einen Moment lang groß an, dann machte er Meldung über sein Funkgerät.

***

John zerrte Carson hinter sich her in die Zelle, sobald er wußte, wo die Gesuchten sich befanden.
Er erstarrte, als er die am Boden liegende Gestalt sah.
„Oh mein Gott!" hörte er Carson entsetzt flüstern.
„Sie lebt noch. Bitte, wenn Sie ihr helfen können, dann helfen Sie ihr schnell!" Babbis hob vorsichtig den Kopf mit dem schlohweißen Haar von seinem Schoß, bettete ihn sanft auf seiner zusammengeknüllten Armeejacke und kam auf die Beine.
Ja, an diese Stimme erinnerte John sich.
Carson kniete sich neben die in Embriohaltung am Boden liegende Gestalt, die kaum noch Ähnlichkeit hatte mit der vitalen, jungen Vashtu, die er kannte, und drehte sie auf den Rücken.
John trat näher, als er den Arzt stocken sah. Und unwillkürlich verkrampfte auch er sich kurz, als er jetzt seine Aufmerksamkeit auf das richtete, was ...
Er schluckte mühsam, während Carson nun doch die Arbeit aufnahm. Er hatte Vashtu auf den Rücken gerollt, so gut es ging, untersuchte sie jetzt. Aber ... war das überhaupt noch Vashtu?
John trat näher, die Augen noch immer auf die Gestalt am Boden gerichtet. Dieses Wesen trug die Kleider der Antikerin, es wies die Wunden, respektive die Verbände, auf, die er kannte. Und doch ...
Das war ... Das konnte ... So schnell konnte sie doch unmöglich gealtert sein! Nein, das konnte einfach nicht geschehen! Es konnte nicht, nicht mit ihr.
John brach fast in seine Knie, beugte sich über das Gesicht, konnte seine Augen einfach nicht von der brüchigen Gestalt wenden. Der Brustkorb wirkte eingefallen, der Rippenbogen zeichnete sich deutlich unter dem Stoff des T-Shirts ab, die Kleidung hing lose am Körper und die Haut wirkte ... wie mumifiziert, pergamenten und brüchig.
Wie Norman Bates' Mutter aus Hitchcocks Thriller-Klassiker „Psycho", ging es ihm endlich auf, während er vorsichtig den an einen Totenschädel erinnernden Kopf anhob, ihn nun auf seinen Schoß bettete. Ein tiefer, röchelnder Atemzug löste sich aus der Brust. Wie das vollkommen ausgesaugte Opfer eines Wraith ... wie eine Mumie!
Und trotzdem war da noch immer ... Da war Leben in diesem Leib!
Die pergamentenen, tief in die Höhlen gesunkenen Lider hoben sich etwas, nur ein kleines bißchen. Und aus dem eingefallenen, verschrumpelten Gesicht mit der hakenförmigen Nase, den scharf umrissenen Wangenknochen, den zurückweichenden, spröden Lippen und der, von fast schwarzen Altersflecken gezeichneten Haut sah ihn ein Paar dunkelbraune Augen an. Augen, die immer noch die gleichen waren. Augen, wie er sie nur von einem Wesen kannte: Vashtus Augen!
Und plötzlich war ihr Aussehen, dieses erschreckende Alter, die unmittelbare Nähe des Todes, dessen Schwelle sie vielleicht gerade in diesem Moment überschritt, nicht mehr wichtig. Es war einfach nicht mehr da ...
Vashtu war es, die hier lag und um ihr Leben kämpfte. Und für ihn war sie plötzlich wieder die, die er kannte.
Nur allein der Blick dieser Augen, das Erkennen in ihnen, machte diese mumienhafte Gestalt wieder wett. Sie war schön - für ihn. Und sie würde immer schön sein in seinen Augen.
In ihrem Gesicht zuckte es, während sie ihn noch immer unter halbgeschlossenen Lidern ansah. Und dann lag der Hauch einer kratzigen, mühsamen Stimme über ihr, erreichte ihn: „So ... jung ... ?" Es war, als werde ihr Blick fragend, doch der nächste Atemzug schien wieder der letzte zu sein, sie kämpfte darum. Und es schien, als würde sie den Kampf allmählich verlieren.
John strich ihr liebevoll über die eingefallenen Wangen und lächelte traurig. „Bleib bei mir", wisperte er sanft und zärtlich, gerade als ihre Augen sich schlossen. Er betrachtete sie weiter, sah ihr ins Gesicht, während Carson sich wieder aufrichtete, mit sorgenvoller Miene und einem resignierenden Blick. Er konnte sich einfach nicht von ihr lösen, es gelang ihm nicht.
Dann aber war es, als wispere ihre Stimme in seinem Geist, als bäte sie ihn um einen letzten Dienst, den er ihr nicht verweigern konnte.
John atmete einige Male tief ein, blickte auf und setzte zum Sprechen an: „Dr. Babbis?"
Der sah zu ihm hinunter und kniff die Lippen zusammen. Erkennen trat in seine Augen. Sein Gesicht, nicht gerade ein schöner Anblick im Moment, verhärtete sich.
John zwang sich zu einem Lächeln. „Gut gemacht."

***

Acastus Kolya trat aus dem Wäldchen heraus und sah sich kurz um. Die meisten seiner Männer folgten ihm dicht auf. Rasch huschten sie zum Sternentor und warteten, bis sich ein Wurmloch aufgebaut hatte, dann flohen sie hindurch.
Kolya blieb allein zurück und drehte sich noch einmal um.
Fast hätte sein Plan funktioniert, davon war er überzeugt. Fast hätte er Sheppard und Uruhk erledigen können, nacheinander oder zusammen. Aber statt dessen ...
„Kolya?" meldete sich eine Stimme über sein Funkgerät.
Er runzelte die Stirn und hob seinen Arm, sagte aber nichts.
„Kolya? Wo sind Sie? Kolya?"
Sie war doch so gut wie tot gewesen, er hatte es in ihrem Gesicht gesehen! Er hätte danebenstehen und zusehen können, wie sie verfaulte. Aber jetzt?
Vashtu Uruhks Stimme hatte noch nicht ihre alte Kraft zurückgewonnen, doch er konnte sie durchaus erkennen. Sie lebte!
„Wenn ich noch einmal irgendwo etwas von Ihnen höre, Kolya, werde ich Sie jagen und töten! Haben Sie mich verstanden? Kolya? Ich bringe Sie um, laufen Sie mir noch einmal über den Weg!"
Er zuckte vor diesem Haß zurück.
Allmählich ging ihm auf, was er angerichtet hatte. Statt einen Feind zu beseitigen, hatte er sich einen neuen geschaffen. Noch dazu einen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten.
Er hatte eine Ahnin gegen sich aufgebracht! Eine Ahnin, die vielleicht Dinge gegen ihn einsetzen konnte, von deren Existenz er nicht einmal etwas ahnte - ebensowenig wie er etwas von diesem eigenartigen Gerät geahnt hatte, mit dem er sie hergeholt hatte. Wenn sie jemals erfuhr, wie er hatte herausfinden können, daß sie gerade in der Heimatgalaxie der neuen Atlanter unterwegs gewesen war ...
„Kolya!"
Er trat durch das Wurmloch.

***

Fünf Tage später:

Carson stand schon eine Weile in der Nähe und betrachtete seine unfreiwillige Patientin.
Vashtu lag in einem der schmalen Betten der Krankenstation und las in einem Buch, das ihr irgendjemand gebracht hatte.
Das Schlüsselbein war glücklicherweise nicht gebrochen gewesen, erinnerte der Arzt sich. Dafür aber hatte er mit seiner Einschätzung der Schußwunde am rechten Knie recht gehabt, so daß die Antikerin selbst noch fünf Tage später ans Bett gefesselt war, damit die Kniescheibe, die er operativ zusammengefügt hatte, ausheilen konnte. Ansonsten verheilten ihre Verletzungen allmählich, wenn auch längst nicht so schnell, wie er es in Erinnerung hatte.
Vashtu trug noch immer Zeichen der Alterung. Einige letzte Falten zierten ihr Gesicht um die Mundpartie und die Augen herum, letzte, verblassende Altersflecken waren noch auf der Stirn auszumachen. Die Haut ihres Halses war noch extrem trocken, ebenso wie auch stellenweise auf ihrem Körper. Am schlimmsten sah nach wie vor der linke Arm aus, in den ihr die Impfung verabreicht worden war.
Am interessantesten im Moment war allerdings ihr „Kopfschmuck". Letzte graue Strähnen durchzogen die wild abstehenden Haare an den Schläfen und am Hinterkopf. Das allein wäre vielleicht noch nicht wirklich spektakulär gewesen, es sei denn, wie sehr diese Farbe doch von ihrem normalen Farbton abstach. Was allerdings noch mehr auffiel waren die immer noch weißen Spitzen, die ihr gerade in ihrer Struwwelfrisur ein eigenartiges, beinahe geschecktes Aussehen verlieh. Und Beckett war sich ziemlich sicher, daß sich an diesem Fehlen von jeglicher Farbe auch nichts mehr ändern würde. Entweder irgendjemand erbarmte sich und stutzte dieses auffällige Weiß heraus, oder aber sie würde wohl oder übel damit leben müssen, wollte sie sich die Spitzen nicht färben.
Carson trat nun langsam an das Bett heran und räusperte sich vernehmlich.
Vashtu blickte von ihrem Buch auf und sah ihn einen Moment lang an, ehe sie es zur Seite legte und fragend blinzelte.
„Was gibt es?" fragte sie zögernd.
Carson senkte lächelnd den Kopf, richtete seine Aufmerksamkeit dann auf das Klemmbrett, das er mitgebracht hatte und begann in ihrer Krankenakte zu blättern.
„Die Werte sehen inzwischen ganz gut aus, Vashtu", erklärte er dann, wieder aufsehend. Er las die Erleichterung in ihrem Gesicht. „Allerdings solltest du dich in nächster Zeit etwas schonen. Die erneute Gentherapie ist noch nicht auf dem Stand wie die alte. Zudem habe ich mir erlaubt, sie ein wenig zu verfeinern, damit du gegen weitere Vergiftungen immun wirst."
Vashtu runzelte die Stirn. „Sagtest du nicht ... ?"
Carson hob die Hand, um ihr Einhalt zu gebieten. „Was mir Sorgen bereitet ist dein seelischer Zustand. Du mußt diese Sache verarbeiten. Dr. Heightmeyer ist da mit mir einer Meinung."
Vashtu sah auf die Decke ihres Bettes hinunter. Ihre Hand begann an dem Stoff zu zupfen. „Es geht mir gut", behauptete sie.
„Noch. Du bist bisher nicht wieder durch das Tor getreten. Was aber passiert, wenn du wieder in einen Einsatz ziehst, werden wir erst dann sehen. Dr. Mackenzie auf der Erde hat sich spezialisiert auf traumatische Erfahrungen. Du solltest ihn aufsuchen, wenn du wieder zurück bist."
Vashtu verzog unwillig das Gesicht. „Wir werden sehen", antwortete sie ausweichend. Dann sah sie auf, ihr Blick wurde weich.
Carson schüttelte den Kopf. „Ich kann dir da nicht helfen. Tut mir leid", beantwortete er ihr stumme Frage.
„Aber ..."
Er schüttelte wieder den Kopf, diesmal aber mit einem gütigen Lächeln. „Versuch es zumindest, Vashtu", bat er dann, gerade als sich Schritte näherten und eine hochgewachsene Gestalt an seiner Seite auftauchte.
Dieses Timing war geradezu ... perfekt!
Carsons Lächeln vertiefte sich. „Colonel." Er nickte John Sheppard zu, der sich auf der Bettkante niederließ und ihn etwas ratlos musterte.
Vashtus Augen wurden schmal. „Was willst du noch?" fragte sie mißtrauisch.
Carson sah auf die Akte hinunter, auch wenn dort sicher nicht zu lesen stand, was er beiden noch zu sagen hatte.
John richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Carson?"
Der betrachtete das Paar, sah sie beide aufmerksam an.
Wie mußte es sein, seinen eigenen Gegenpart zu lieben? Er wußte es nicht, er wußte nicht einmal, ob das eine Erfahrung war, die er gern mit ihnen teilen würde. Doch ihm war von Anfang an klar gewesen, daß sie beide zusammengehörten. Und jetzt ...
Er war einer der ersten gewesen, die sie beide damals zusammen erlebt hatten, nachdem die Antikerin aus den Tiefen der Zeit aufgetaucht war, erinnerte er sich. Und er hatte sofort gesehen, was zwischen ihnen vorging. Keiner von ihnen konnte sich wirklich gegen das wehren, was da gewachsen war. Selbst nach mehr als einem Jahr der Trennung war ihr Verhältnis nur noch inniger geworden statt abzukühlen.
Und er hatte jetzt auch noch eine Überraschung für sie.
„Mir fällt da noch etwas ein, was ..." Carson stockte, versteckte sich hinter seinem Klemmbrett und versuchte alles, um das breite und sehr zufriedene Grinsen aus seinem Gesicht zu wischen. „Nun, General Landry und General O'Neill sind sich einig, daß die Kontaktsperre zwischen euch aufgehoben werden sollte. Um bei den Worten Landrys zu bleiben:Es hatte sowieso von Anfang an keinen Zweck."
Jetzt starrten ihn wieder zwei Augenpaare ungläubig an. Dann, er konnte es wirklich sehen, schalteten sie beinahe zeitgleich und die Sehnsucht, die einen Moment lang wieder so deutlich in ihren Gesichtern zu lesen gewesen war, wich einer tiefen Befriedigung und Erleichterung.
Kein Versteckspiel mehr. Keine, auf Umwegen geschmuggelten Briefe zwischen Erde und Atlantis. Wenn er zukünftig noch Briefe transportieren mußte, nun, dann konnte er das offen tun und mußte sich nicht für jeden Besuch ein neues Versteck ausdenken.
„Carson, das warst du!" Vashtu gluckste in sich hinein.
Ein breites Grinsen erschien auf Johns Gesicht. Er nahm die Rechte der Antikerin und drückte sie. Und für Carson sah es wirklich einen Moment lang so aus, als gäbe es nicht zwei Hände, so eng umschlangen die Finger der beiden sich.
Plötzlich wurde er sehr verlegen, räusperte sich wieder. „Ich ... muß noch zu anderen Patienten", entschuldigte er sich, drehte sich abrupt herum und marschierte davon.
Zurück blieben Vashtu und John, der sich jetzt wieder zu ihr umdrehte und sie genau musterte. „Ich habe im Moment wenig Zeit, aber ... Du siehst besser aus", sagte er dann unvermittelt.
Vashtu nickte. „Ich fühle mich auch besser." Ihre Augen strahlten ihn an. Wieder fühlte sie dieses Prickeln in ihrem Inneren, wie schon vor einem Jahr. Das Band bestand immer noch zwischen ihnen. Es war nicht abgerissen, soviel Mühe andere sich auch gegeben haben mochten.
„Ich wollte mich noch bei dir bedanken für dein rasches Handeln. Das hättest du nicht zu tun brauchen."
John verzog das Gesicht. Dann zwinkerte er ihr zu. „Ich hatte auch noch ein Wörtchen mit Kolya zu wechseln."
Ihr Lächeln erlosch. Zögernd hob sie die Hand, ließ sie dann wieder sinken. „Kolya hat es mir erzählt, und Elizabeth dann bestätigt. Ich wußte davon nichts." Ihre Augen verdunkelten sich. „Es muß schlimm für dich gewesen sein."
Sanft drückte er ihre Hand in seiner. „Es ist wieder gut, glaube mir. Was Kolya dir antun wollte ..."
„Es war schlimmer, was er mit dir getan hat! Spiele es nicht herunter, John." Sie senkte den Blick. „Ich war viel zu beschäftigt mit allem möglichen, ich habe nicht so schnell geschaltet. Babbis hat mich wieder auf den rechten Weg gebracht. Sonst wäre ich dort wirklich ..."
„Nicht dran denken, verstanden?" Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Sein Daumen streichelte sacht ihren Handspann.
Sie nickte, sah ihn wieder an. Ein schüchternes Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Es muß wohl mehr sein, wenn du mich noch ansehen kannst, nachdem du mein wahres Alter ..." Sie stockte, als er sich vorbeugte und sie genau musterte.
„Ich sehe nichts als eine hübsche Frau. In meinen Augen bist du immer schön", sagte er sanft.
Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, senkte verlegen den Blick.
„Die neue Frisur steht dir gut."
„Ich hatte eine gewisse Anregung." Sie war froh über diesen Themenwechsel. „Carson muß wohl ziemlich geschockt gewesen sein, als er mich das erste Mal sah."
„Kann ich mir denken. Ich mußte auch zweimal hinsehen. Aber es steht dir."
Ihre freie Hand strich nervös die Decke glatt. Sie wußte nicht, wohin sie sehen sollte. Nur nicht in sein Gesicht. Nur nicht dahin!
Er schien zu bemerken, in welche Verlegenheit er sie brachte, jedenfalls richtete er sich langsam wieder auf, hielt aber immer noch ihre Hand. „Wie seid ihr eigentlich auf den Gedanken gekommen, diese Wundsalbe als Stift zu verwenden?" fragte er.
Jetzt wagte sie doch einen Blick und sah, wie seine Augen spöttisch blitzten. „Babbis sagte mir, er habe das aus irgendeiner Fernsehserie, die er als Kind gern gesehen hat. Es war sein Einfall. Mir hatte er nichts gesagt, nur den Code von mir verlangt."
John nickte. „Klever, der Kleine. Hätte ich nie gedacht."
Vashtu grinste. „Ja, SG-27, das Team, das keiner wollte."
Er sah sie wieder an, dann nickten sie beide im stillen Einklang. „Das beste Team der Milchstraße", sagten sie im Chor und lachten leise.
„Es war harte Arbeit", gestand sie ihm zu wissen, „aber inzwischen denke ich, ich muß nicht immer alles allein machen."
„Und der andere?" John hob die Brauen.
„Wallace?" Sie seufzte. „Seine Stärken haben wir mittlerweile auch entdeckt. Aber ihn von allen Fettnäpfchen der Milchstraße entfernt zu halten ist ein Fulltime-Job. Er hat einfach zwei linke Hände und Füße."
John nickte amüsiert.
Vashtu wurde plötzlich wieder ernst. „Du hast mir gefehlt, John."
In seinen Augen leuchtete es auf, sein Gesicht wurde wieder ernst. Langsam nickte er. „Ich kann dir noch einen ganzen Stapel Briefe mitgeben. Carson dürfte sonst die nächsten Jahrzehnte damit beschäftigt sein, sie dir zu geben."
„Meine Antworten liegen leider auf der Erde."
Er schüttelte den Kopf. „Das ist nicht wichtig, Vashtu. Du bist hier."
„Es würde wahrscheinlich nicht gutgehen", wandte sie ein.
„Wer kann das sagen, ehe es nicht ausprobiert ist?"
„Niemand."
Keiner der beiden bemerkte den hochgewachsenen, schlacksigen jungen Mann, der den Gang hinuntergewandert kam.
Babbis blieb wie angewurzelt stehen, als er den Gast bemerkte, der sich bei seinem Teamleader aufhielt. Und ihm entging auch nicht, wie ihre Blicke immer intensiver wurden. Colonel John Sheppard hielt Vashtu Uruhks Hand wie einen kostbaren Schatz. Beide lächelten und unterhielten sich leise.
Der junge Wissenschaftler fühlte einen leisen Stich der Eifersucht in seiner Herzgegend. Also hatte sie ihn doch angelogen. Es war deutlich zu sehen, wie tief sie füreinader empfanden. Sie verschlangen sich ja fast mit ihren Blicken.
Babbis kniff die Lippen aufeinander und wollte sich abwenden, als er Carson neben sich bemerkte, der, die Arme vor der Brust gekreuzt, schmunzelnd dastand und das Paar ebenfalls beobachtete. Die beiden bemerkten noch immer nichts von ihren heimlichen Zuschauern.
„Halten Sie das für einen guten Weg zur Heilung?" fragte Babbis den Mediziner.
Der sah ihn lächelnd an, ehe er seinen Blick wieder auf das Paar richtete. „Sie mußten schon seit einem Jahr auf diesen Moment warten, Peter. Lassen Sie ihnen das Vergnügen", antwortete er. „Außerdem sollten Sie sich noch schonen. Die Gentherapie kann ein folgenschwerer Eingriff sein."
Babbis verzog das Gesicht und kreuzte die Arme vor der Brust. Wieder sah er zu dem Paar hinüber.
John beugte sich erneut über Vashtu, sah sie forschend an. Sie erwiderte seinen Blick mit einer leisen Frage in ihren Augen.
„Wir sollten das nicht tun", wisperte sie.
Er neigte leicht den Kopf. „Was?"
Sacht hob sie die Hand, strich über seine Wange. „Was wir jetzt gerade tun wollen. Das sollten wir nicht tun." Seine Haut war ein wenig kratzig. Der Bart wuchs wohl schneller als er sein Rasierzeug zur Hand hatte.
Er rückte noch ein kleines Stück näher. „Und was wollen wir jetzt tun?"
Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. Ihre Haut prickelte. „Ich weiß nicht." Ihre Stimme klang rauh.
Er lächelte sanft und ließ ihre Hand los. „Wir werden es nie herausfinden ..." Seine Finger schoben sich zwischen Kissen und ihren Rücken.
„... wenn wir es nicht probieren", ergänzte sie, ließ ihre Hand über seine Schulter streichen, nach hinten zu seinem Nacken.
Seine andere Hand fand ebenfalls den Weg in ihren Rücken. Sanft zog er sie aus dem Kissen, sah sie immer noch an, doch sein Gesicht war plötzlich ernst geworden.
Sie blickte ihn an, wagte nicht, den Mund wieder zu öffnen. Angenehme Schauer durchrieselten ihren Körper. Sie ließ sich von ihm hochhieven, leistete keinen Widerstand. Ihre Hände hatte sie mittlerweile hinter seinem Nacken verschränkt. Sie roch seinen Duft, sah noch immer in seine Augen und fühlte, wie die Welt um sie her immer mehr versank.
Sacht senkte er den Kopf, seine Lippen öffneten sich leicht, und sie fühlte, wie die ihren das gleiche taten. Sie reckte sich ihm entgegen und schloß die Augen. Und dann schien das Universum um sie her in einem Funkenregen zu explodieren, während er sie an sich drückte und küßte. Und dieser Kuß war das Universum, ihrer beider eigene kleine Welt, die nur sie teilten.
Vashtu spürte, wie etwas in ihr reagierte. Etwas, von dem sie geglaubt hatte, es existiere nicht mehr, sei in all den Jahrtausenden langsam aber stetig verkümmert und schließlich ganz eingegangen. Doch jetzt erblühte es wieder, kräftiger und voller als je zuvor. Und noch während sie sich küßten fühlte sie bereits die wieder erwachende Sehnsucht dieses Pflänzchens.
Sie würden wieder getrennt werden, und wer konnte schon sagen, wann und ob sie sich jemals wiedersehen würden?
Nicht daran denken! Nur dieser Moment zählte. Nur dieses Erforschen des anderen, diese Zärtlichkeit, dieses Erleben.
Doch dann trennten ihre Lippen sich. Atemlos sahen sie beide sich an, hielten sich noch immer fest umschlungen. Und in Johns Augen konnte sie das gleiche lesen, was sie empfand. Es war ...
„Vashtu, ich liebe dich", flüsterte er heiser.
Sie lächelte. Ja, das war es. „Ich liebe dich auch, John."
Tom by Hyndara71
„Das ist wirklich der beste Hotdog, den ich je gegessen habe." Vashtu Uruhk kaute hingebungsvoll. Ihr Kinn war mit der Soße beschmiert, in ihren Mundwinkeln glänzte es fettig.
Sergeant George Dorn nickte zufrieden. „Der beste Hotdog in den ganzen verdammten Staaten." Auch er biß ab.
Vashtu blickte sich interessiert um, während sie weiter ihre Fastfood verspeißte.
Dorn hatte sie zu einem Baseballspiel eingeladen. Jetzt standen sie vor dem Stadion und warteten darauf, daß der größte Andrang vorbei war. Der alte Marine hatte dies für besser befunden, als sich mitten in das Gedränge zu stürzen.
Vashtu wäre das unter normalen Umständen zwar vollkommen gleich gewesen, aber im Moment schien es ihr auch sicherer, ein wenig Abstand zu halten, denn noch hatte sie sich nicht ganz erholt von ihrem merkwürdigen Abenteuer in der Pegasus-Galaxie.
Acastus Kolya, einem Genii und dem Erzfeind von Lt. Colonel John Sheppard, war es gelungen, ein Wurmloch in der Milchstraße so zu manipulieren, daß sie und ihr Team plötzlich auf einem verlassenen Planeten in dieser fernen Galaxis landeten. Dorn und Wallace hatten sich noch zurück zur Erde retten können, doch Peter Babbis und sie waren von Kolya gefangengenommen und als Geiseln eingesetzt worden. Der Genii hatte versucht, sie zu vergiften mit einer Impfung, die auf Wraith tödlich wirkte. Vashtus veränderte Gene waren beinahe abgestorben, ehe es Sheppard gelang herauszufinden, wo sie und Babbis sich befanden. Es war fast zu spät für eine Heilung gewesen, und darum trug sie jetzt auch ihren rechten Arm in Gips.
Beim letzten Fremdwelteinsatz vor zwei Tagen hatte sie sich den Oberarm gebrochen. Da die Wraith- und Iratus-Käfer-Zellen in ihrem Inneren noch längst nicht wieder den alten Standard erreicht hatten - und selbst da hätte sie einige Tage gebraucht, um gebrochene Knochen zu heilen - wurde sie von der Oberärztin des SGC krankgeschrieben und nach Hause geschickt. Ein tödlicher Irrtum, wie die Antikerin fand.
Sie haßte nichts mehr, als untätig herumsitzen zu müssen. So war ihr schon nach einem halben Tag die Decke fast auf den Kopf gefallen in ihrem Apartment. Und dann war plötzlich Dorn aufgetaucht und hatte sie zu diesem Spiel eingeladen.
Der Sergeant hatte sich jetzt abgewandt und musterte die Schlange am Eingang.
„Entschuldigung?" hörte Vashtu eine Stimme hinter sich, drehte sich um und blickte hoch.
Hinter ihr stand ein hochgewachsener, schlanker Mann in legerer Kleidung und sah sie interessiert und neugierig an. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht mit grauen Augen, sein dunkles Haar war recht kurz geschnitten und wies mit einigen wild abstehenden Strähnen auf Wirbel hin, die sich nicht bändigen lassen wollten.
Er sah sie freundlich an, dann wies er auf ihren eingegipsten Arm. „Das hört sich jetzt vielleicht wie eine billige Anmache an, aber ... Sind Sie vielleicht ... ?"
Vashtu stutzte. „Kennen wir uns?" Einen Moment lang war ihr gewesen, als ... Doch als sie genauer hinsah, merkte sie, sie hatte sich geirrt.
In den Augen des Fremden spiegelte sich etwas, was sie nicht näher benennen konnte. „Ich gehe nicht davon aus, daß Sie die Anzeige in die Zeitung gesetzt haben, oder?" Etwas im Timbre seiner Stimme klang eigenartig.
Vashtu begriff, ließ sich jedoch nichts anmerken. „Was für eine Anzeige?"
Der Fremde wirkte nervös, doch ein kleines Licht begann in seinen Augen zu schimmern. „Die, auf die ich geantwortet habe. Es hieß, wir wollten uns vor dem Stadion treffen. Und erkennen würde ich sie an ... an ... an dem Gipsarm."
„Mam, wir sollten gehen", sagte Dorn. Seine Stimme klang kühl.
Vashtus Interesse war geweckt. Jetzt fiel ihr ein, daß sie den Mann schon vorher gesehen hatte, während Dorn anstand, um ihnen beiden die Hotdogs zu besorgen. Er war in der Nähe gewesen und hatte sie verstohlen beobachtet.
„Mam?"
„Ich komme gleich. Sekunde." Sie wandte sich wieder dem Fremden zu, grinste ihn frech an. „Tut mir leid, aber da muß dann wirklich eine Verwechslung vorliegen. Ich habe keine Anzeige in einer Zeitung geschaltet."
Das Licht in seinen Augen erlosch und er nickte.
„Ich muß jetzt los. Vielleicht finden Sie diese andere Frau ja noch." Sie neigte leicht den Kopf und wandte sich ab.
„Ich ... Warten Sie!"
Vashtu, die einige Schritte gegangen war, drehte sich wieder um und sah ihn an. „Ja?"
Der Fremde trat näher. Jetzt wirkte er wirklich sehr unsicher auf sie. „Ich ... Es tut mir leid."
Sie nickte. „Schon gut. Kann passieren."
„Nein, ich ... Ach, verdammt, könnte ich Ihre Nummer haben?" Ein Ruck war durch seinen Körper gegangen vor dieser Frage. Plötzlich schien er sehr entschlossen zu sein.
„Mam!" Dorns Stimme klang ungeduldig.
„Sofort", rief sie ihm zu, fummelte an der Innenseite ihrer Jacke herum, um an ihre Brieftasche zu kommen. Ungeduldig rupfte sie das Lederetui schließlich aus der Brusttasche. Die Jacke glitt von ihrer rechten Schulter.
„Darf ich?" Die Hand des Fremden zog den leichten Stoff wieder zurecht. Er hatte schmale Hände, fiel ihr auf. Schmale Hände mit langen, schlanken Fingern.
„Ist noch ungewohnt", murmelte sie unwillig, kämpfte jetzt mit dem Etui. Endlich gelang es ihr, eine der Visitenkarten herauszuziehen, die das SGC ihr zur Verfügung gestellt hatten. Sie reichte sie ihm und blickte auf. „Die unterste Nummer ist mein privater Anschluß. Über die anderen werde ich im Moment wohl nicht zu erreichen sein."
Interessiert las er das Kärtchen, blickte dann auf. „Vashtu Uruhk, ein ungewöhnlicher Name."
Um weiteren Ärger zu vermeiden schob sie das Etui einfach in die Gesäßtasche ihrer Jeans. „Und Sie sind?"
„Oh, ja, natürlich." Jetzt zog er eine Visitenkarte aus seiner Jackentasche, offensichtlich hatte er sie sich schon vorher bereit gelegt. Ein interessanter Zug an ihm.
Vashtu überflog kurz die Buchstaben, dann nickte sie. „Alles klar, Dr. Finnigan. Einen schönen Tag noch!" Sie winkte fröhlich mit der Visitenkarte und joggte Dorn nach, der zum Eingang des Stadions stapfte.
„Nennen Sie mich einfach Tom!" rief er ihr nach. 

*** 

Triumphierend hielt Dr. Peter Babbis das Antikergerät hoch. In seinem Inneren leuchtete es. „Was habe ich gesagt?" Er drehte sich zu seinem Begleiter um und grinste breit und überlegen.
Dr. James Wallace nickte nachdenklich. „Und was, wenn es eine Waffe ist?" fragte er skeptisch.
„Ich habe jetzt schon mehrmals gesehen, wie Miss Uruhk dieses Ding in der Hand hatte. Muß irgendetwas sein, womit man ... was auch immer macht." Babbis runzelte die Stirn, legte das Gerät vorsichtig wieder zurück auf den Schreibtisch seiner Teamleaderin. Sofort erlosch das Licht in seinem Inneren.
„Eben drum", murmelte Wallace, schürzte die Lippen. „Also hat diese Gentherapie bei dir angeschlagen. Toll, jetzt haben wir zwei mit dem ATA-Gen im Team. Wird einiges einfacher machen."
Babbis nickte, rieb sich seine Armbeuge, als könne er den Stich immer noch spüren. Nachdenklich runzelte er die Stirn. „Hatte doch was gutes, diese zwei Wochen auf Atlantis. Merkwürdig, daß Landry uns so lange zugestand."
Wallace zuckte mit den Schultern. „Ich fand schade, daß Dorn und ich nicht hinterherkommen durften. Atlantis muß doch klasse sein", in seiner Stimme schwang ein schwärmerischer Ton mit.
„Nicht, wenn man die ganze Zeit zwei gurrende Turteltauben um sich hat." Babbis' Gesicht verdüsterte sich.
Wallace lächelte. „Miss Uruhk und der Lt. Colonel? Ich habe gehört, die beiden seien sehr eng miteinander befreundet."
„Befreundet?" Babbis erinnerte sich da an eine Szene aus der Krankenstation, die er mitangesehen hatte. „Die haben sich schon allein mit ihren Blicken fast gegenseitig aufgefressen! Das wurde schon langsam richtig peinlich. Immer, wenn er dienstfrei hatte, kam der Colonel, saß an ihrem Bett und hielt Händchen."
In Wallaces Gesicht trat ein schwärmerischer Ausdruck. „Sicher sind sie ein schönes Paar. Wie romantisch!" Er seufzte.
„Wie nervend! Ein paar Mal sind sie sich auch um den Hals gefallen und haben sich geküßt." Babbis sah aus, als habe er gerade in eine Zitrone gebissen. Er schüttelte sich. „Kein Wunder, daß das SG-Command sie getrennt hat. Wenn die beiden zusammen wären ... Sie haben sich benommen, als sei der Rest der Welt nicht mehr existent."
„Und trotzdem ist es ihnen letztes Jahr gemeinsam gelungen, ein Wraith-Mutterschiff zu zerstören", wandte Wallace ein. „Ich habe den Bericht gelesen."
Es klopfte.
Die beiden Wissenschaftler wechselten Blicke. Eigentlich sollten sie gar nicht hier sein, fiel ihnen gleichzeitig ein. Eigentlich hatten sie sich um ihre jeweiligen Forschungsgebiete zu kümmern. Vashtu Uruhk hatte ihnen mehr als einmal gesagt, daß ihr Büro tabu sei, wenn sie sich nicht im Cheyenne-Mountain aufhielt.
Wieder klopfte es.
Babbis riß sich zusammen. Seit ihrem gemeinsamen Abenteuer in der Pegasus-Galaxie hielt er sich für etwas wie den Stellvertreter der Antikerin. „Ja?" fragte er so leger wie möglich.
Die Tür öffnete sich und ein muskulöser, farbiger Mann trat ein. Eine goldene Tätowierung prangte in der Mitte seiner Stirn. Mit einem fragenden Blick sah er die beiden Wissenschaftler an, ehe er mit tiefer Stimme fragte: „Ist Vashtu Uruhk nicht hier?"
Babbis richtete sich stocksteif auf. Der Jaffa aus SG-1! „Nein, sie ist zur Zeit krankgeschrieben. Aber ich kann ihr etwas ausrichten, wenn Sie möchten."
Teal'C sah ihn einen Moment mit hochgezogenen Brauen an, dann nickte er, trat vor und reichte ihm eine zusammengebundene Rolle. „Übergeben Sie ihr das bitte. Es ist eine Einladung zu einem Wettkampf. Vielleicht besteht Interesse ihrerseits."
Babbis nickte. „Klar, mache ich." Seine Hand zitterte leicht, sofort legte er die Schriftrolle auf den Schreibtisch, neben das Antikergerät.
Der Jaffa sah ihn noch einen Moment an, dann drehte er sich um. An der Tür blieb er noch einmal stehen und musterte sie beide stumm. Wieder hob sich eine seiner Brauen, doch dann ging er.
Babbis sank in sich zusammen und holte tief Luft.
„Das war ... das war ..." Wallace keuchte.
Babbis nickte. „Ja, das war er." So würdig wie möglich richtete er sich auf und griff sich wieder die Schriftrolle. „Wir sollten gehen." 

*** 

Vashtu schaltete ihren Flachbildfernseher ein, legte die Fernbedienung zurück auf den Tresen und holte eine Tasse hervor. Ein Teebeutel landete darin, während sie sich schon ihrem Wasserkocher zuwandte und einschaltete. Wenigstens war Dorn so nett gewesen und hatte das Gerät bis obenhin aufgefüllt. Damit würde sie wohl über den Abend kommen.
Aus den Augenwinkeln nahm sie das Auftreten zweier Menschen in futuristischer Kleidung wahr und grinste.
Sie hatte die Science-Fiction-Serien entdeckt, die regelmäßig über den Äther gingen. Und sie fand sie sehr amüsant, mußte sie zugeben. Als jemand, der in gewisser Weise eine mögliche Zukunft der Menschen erlebt hatte, genoß sie die teils sehr weit hergeholten Ideen, die manche auf der Erde wohl hatten. Und warum auch nicht? Vielleicht gab es ja in der einen oder anderen Serie noch etwas, was sie irgendwann würde nutzen können.
Der Wasserkocher schaltete sich aus. Sie griff das Gerät und goß sich das heiße Wasser in die Tasse. In diesem Moment klingelte ihr Telefon.
Stirnrunzelnd stellte sie den Kocher auf die Arbeitsfläche. Wer konnte das sein?
Das Telefon lag auf dem niedrigen Wohnzimmertisch, neben ihrem Laptop, der ausgeschaltet und zusammengeklappt auf ihre nächste Sitzung wartete.
Wieder klingelte es.
Vashtu nahm ihre Tasse, umrundete den Tresen und ließ sich auf ihrem Sofa nieder. Den Tee stellte sie vor sich auf den Tisch.
Wieder dieses durchdringende Schrillen. Die Leuchtanzeige des schnurlosen Gerätes blinkte.
Vashtu seufzte und nahm das Telefon, drückte auf den entsprechenden Knopf und hielt es sich ans Ohr. „Ja?"
„Miss Uruhk?" fragte eine dunkle Stimme am anderen Ende der Leitung, die ihr vage bekannt vorkam.
„Ja?" Sie zog das Wort fragend in die Länge.
Ein tiefes Atemholen. „Ich bin es, Tom Finnigan. Sie erinnern sich?"
Vashtu schmunzelte und nickte. „Ja. Ist Ihre Bekannte noch aufgetaucht?"
„Meine Be... ?" Ein Stocken.
Also hatte sie von Anfang an richtig gelegen. Das Schmunzeln wurde zu einem breiten Grinsen. „Sie wissen schon, Ihre Verabredung mit dem eingegipsten Arm", warf sie ihm den Brocken hin.
„Oh ... äh ... nein, ich fürchte nicht." Er schwieg verlegen.
Vashtu fischte den Teebeutel aus der Tasse und warf ihn auf den Teller, auf dem schon mehrere seiner Art in verschiedenen Zuständen der Austrocknung lagen. „Das tut mir leid für Sie." Sie griff sich die Tasse und setzte sie an die Lippen.
Ein Raumschiff flog durch den Weltraum.
„Kann man nichts machen, fürchte ich", sagte er verlegen. „Aber darum rufe ich nicht an."
Sie nickte und wartete.
Schweigen auch am anderen Ende.
Worauf wartete er? Sollte sie jetzt etwas sagen? Sie wußte es nicht. Ebensowenig wie sie wußte, was sie eigentlich getrieben hatte, ihm ihre Karte zu geben.
„Wie war das Spiel?" fragte er schließlich.
„Interessant", antwortete sie. „Ich war das erste Mal bei einem Baseballspiel. Normalerweise sehe ich mir lieber Football an."
„Sie mögen Football?" Jetzt klang seine Stimme irritiert.
War das ungewöhnlich?
Sie zuckte mit den Schultern, was ihr gleich von einem rasenden Schmerz in ihrem gebrochenen Arm gedankt wurde. „Warum nicht? Ist ein interessanter Sport", antwortete sie ein wenig gepreßt.
„Verzeihen Sie, ich wollte nicht ... Ich meine ..."
„Das war mein Arm. Tat einen Moment lang weh", sagte sie. „Hatte nichts mit Ihnen zu tun."
„Oh!"
Ein Mann unterhielt sich mit einer Frau, die offensichtlich eine Außerirdische darstellen sollte. Vashtu seufzte, senkte den Kopf. „Weswegen rufen Sie an? Doch nicht wegen des Spiels, oder?"
„Äh, nein." Er zögerte. „Ich wollte ... Sie sind ziemlich direkt, wissen Sie das?"
„Das hat mir so noch niemand gesagt", antwortete sie, lehnte sich zurück, nachdem sie die Tasse wieder auf dem Tisch abgestellt hatte. „Ist das schlimm für Sie?"
„Ich würde sagen, es ist ungewöhnlich", sagte er. „Aber auch interessant. Ich wollte sagen, ich ... Naja, irgendwie ... Wollen Sie mit mir essen gehen?"
Vashtu stutzte. „Bitte?"
Ein Seufzen. „Wollen Sie mit mir essen gehen, Miss Uruhk? Vielleicht morgen abend?"
Ihr Blick glitt kurz ab, nachdenklich nagte sie an ihrer Unterlippe. Dann nickte sie. „Gut, warum nicht?"
„Ehrlich?" Er klang jetzt wirklich überrascht.
Wieder nickte sie, beobachtete das Treiben auf dem Bildschirm vor sich. Eine wilde Schießerei mit irgendwelchen nachgemachten Energiewaffen war gerade im Gange. „Klar, wieso denn nicht? Sie scheinen ja ganz nett zu sein. Warum sollte ich mich dann nicht mit Ihnen treffen?" Den letzten Grund ließ sie aus, den brauchte er nicht zu kennen.
„Das ist ... Ich freue mich! Um Halb acht?" Jetzt überschlug sich seine Stimme fast.
Irgendwie wurde sie nicht so recht schlau aus diesem Tom Finnigan. Aber ... nun ja, sie würde ihn näher kennenlernen. Dann würde sich vielleicht das eine oder andere klären.
„Gut, um halb acht. Wo treffen wir uns?"
„Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, hole ich Sie ab." Er klang wirklich aufgeregt.
Vashtu zögerte jetzt doch, beschloß dann aber, daß sie schon zu weit gegangen war. Und warum sollte sie sich nicht abholen lassen? Ihr Motorrad konnte sie im Moment nicht bedienen, und Autofahren ... ? Naja, es behagte ihr nicht so sehr, auch wenn sie inzwischen einen Führerschein hatte.
„37 Park Street", sagte sie. „Ich warte draußen."
„Park Street?" Er klang überrascht. „Die Apartmentanlage? Wow! Wie sind Sie denn daran gekommen? Die Warteliste ist doch meilenlang."
Sie schmunzelte. „Ich habe Glück gehabt."
„Sehr viel Glück und sehr gute Verbindungen, scheint es mir." Er schien jetzt wirklich beeindruckt. „Gut, dann bis morgen abend. Ich freue mich."
„Bis morgen." Sie wartete, bis er aufgelegt hatte, dann schaltete sie den Apparat ab und legte ihn stirnrunzelnd zurück auf den Tisch.
Hatte sie tatsächlich eine Verabredung? 

*** 

Babbis stieg aus seinem Wagen und blickte sich kurz um.
Die Gegend war wirklich sehr ruhig. Kein Wunder, daß damals die Nachbarn ...
Er schüttelte den Kopf und schlug die Autotür zu, dann marschierte er den gepflasterten Weg hinauf zum Durchgang in den Innenhof.
Er mußte zugeben, er beneidete die Antikerin. In einer solchen Wohngegend würde er auch gern leben. Aber statt dessen hauste er inzwischen in einem kleinen Apartment am anderen Ende der Stadt und ... Naja, so schlimm wie seine vorhergehende Wohnung war es nicht mehr. Zumindest hatte er nicht ständig den Geruch der Mülltonnen in der Nase und der Verwalter kümmerte sich um einen guten Hausmeisterdienst.
Vashtu kam ihm gerade entgegen die Treppen hinunter, als er diese in Angriff nehmen wollte. Die Antikerin stockte kurz und runzelte die Stirn, ehe sie den Kopf senkte und zu ihm hinuntersah. Diese Reaktion kannte er zwar inzwischen, aber er konnte sie sich nicht erklären.
„Peter, schön, Sie zu sehen", sagte sie, doch ein Unterton in ihrer Stimme verriet, daß es ihr lieber gewesen wäre, wäre er nicht hier.
Was war denn nur los? Seit er sich die Gentherapie hatte geben lassen, angeblich mit ihrem Einverständnis, wie er Beckett angegeben hatte, verhielt sie sich ihm gegenüber sehr distanziert. Zunächst, solange sie noch auf Atlantis gewesen waren, glaubte er die Antwort in ihrem innigen, und nervtötenden!, Verhältnis zu Lt. Colonel Sheppard finden zu können. Doch auch nach ihrer Rückkehr zur Erde ging sie auf Abstand. Dabei hatte er vorher geglaubt, das Eis zwischen ihnen sei endgültig gebrochen.
„Ich wollte nach Ihnen sehen", sagte er und runzelte die Stirn. „Sollten Sie nicht zu Hause bleiben?"
„Ich habe mir den Arm gebrochen, nicht das Bein", entgegnete sie, drückte sich mit einer Grimasse an ihm vorbei.
„Und wo wollen Sie hin? Jetzt, um diese Uhrzeit?" Er folgte ihr wieder zurück zur Straße.
Vashtu blieb stehen und seufzte, dann drehte sie sich zu ihm um. „Das geht Sie nichts an, Peter. Aber wenn Sie es so unbedingt wissen wollen: Ich treffe mich mit jemandem."
Babbis stutzte. „Sie treffen sich mit jemandem?" Aufmerksam sah er sie von Kopf bis Fuß an. Sie trug normale Straßenkleidung, eine Windjacke hatte sie sich locker umgehängt, da der Abend doch etwas kühl geworden war.
Zumindest war der Lt. Colonel nicht hier. Also konnte es wohl nicht so ernst sein. Aber trotzdem. Warum und mit wem traf sie sich denn jetzt schon wieder?
„Es ist schön, daß Sie mich besuchen wollten, Peter, aber im Moment habe ich wirklich keine Zeit." Sie sah ihn streng an. „Wenn Sie an einem anderen Tag kommen würden ... Ich hätte da ohnehin noch eine Kleinigkeit mit Ihnen zu klären."
Babbis stutzte. „Und was?"
Ein Sportwagen hielt am Straßenrand und hupte einmal kurz.
Vashtu drehte sich um und winkte.
Babbis sah vom Fahrtwind zerzauste dunkle Haare und ein Gesicht, das ihn einen Moment lang stutzen ließ. War das nicht? Aber der befand sich doch auf ... ? Er schüttelte den Kopf.
„Ich muß los." Vashtu wandte sich ab.
Da fiel ihm etwas ein. „Warten Sie! Ich soll Ihnen noch etwas geben."
Widerstrebend blieb sie stehen und drehte sich wieder zu ihm um. „Ja?"
Er holte die Schriftrolle aus seiner Jackentasche und hielt sie ihr hin. „Teal'C hat sie für Sie abgegeben. Er sagte, es ginge um irgendeinen Wettkampf."
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Dann ziehen die Jaffa es tatsächlich durch! Hätte ich nicht gedacht. Richten Sie ihm meinen Dank aus und ... Ich melde mich bei ihm."
Babbis blinzelte. "Und was ziehen die Jaffa durch?"
Vashtu grinste, stopfte die Schriftrolle in ihre Jackentasche. "So eine Art Olympische Spiele", erklärte sie. "Nur eben für Jaffa und mit Sportarten und Techniken der Jaffa. Bis dann!" Damit joggte sie zu dem wartenden Wagen hinüber und stieg ein.
Babbis blieb stirnrunzelnd am Straßenrand stehen und sah ihr nach, bis der Wagen verschwunden war.
Woran lag das bloß? Warum nahm sie ihn einfach nicht wirklich wahr?
Er ging zu seinem Wagen zurück, blieb an der Fahrertür stehen und beugte sich über den Außenspiegel. Mit beiden Händen begann er, sein Haar zu bearbeiten, bis es verwuselt war und etwas von seinem Kopf abstand.
Nachdenklich betrachtete er sich einen Moment lang, dann zuckte er sichtlich zusammen, verzog das Gesicht und kämmte sich, ebenfalls beide Hände einsetzend, die Haare wieder in seine vormalige Frisur zurück.
Das fehlte noch!
Über sich selbst wütend stieg er in seinen Wagen und fuhr los. 

*** 

Vashtu nippte an ihrem Rootbeer und stellte die Flasche wieder ab, während sie sich aufmerksam in dem Lokal umsah. „Mexikanisch essen war ich noch nie", gab sie dann zu und sah ihren Gegenüber lächelnd an. „Danke für die Einladung."
Tom nickte. Er schien sie nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Sein Mienenspiel glitt zwischen Lächeln und Staunen hin und her. „Sie kommen wohl nicht aus den Staaten, oder?"
Vashtu senkte den Blick und betrachtete den knallbunten Platzteller vor sich. „Nicht richtig, nein", antwortete sie.
Wie sollte sie denn erklären, woher sie kam, wenn er fragte? Plötzlich ging ihr auf, daß sie keine Ahnung von seiner Sicherheitsstufe hatte. Es könnte peinlich werden, auf jeden Fall aber ziemlich unglaubwürdig, wenn sie ihm auch nur ansatzweise die Wahrheit erzählen wollte.
„Dachte ich mir. Ihr Name klingt irgendwie ... asiatisch?"
Asiatisch? Okay, sie mochte chinesisches Essen. Das war doch schon mal was.
„Ja, stimmt. Ich komme aus Asien. Gebürtig, versteht sich."
Jetzt sah er sie irritiert an, beugte sich vor. „Ich trete Ihnen doch nicht zu nahe, oder? Wenn es für Sie zu ... Lassen wir das Thema." Er machte eine kurze, wegwerfende Geste und richtete sich wieder auf.
„Wo kommen Sie denn her, Tom?" fragte sie.
„Atlanta. Das war zumindest eine der Stationen, wo ich länger hängengeblieben bin." Er verzog unwillig das Gesicht. „Mein Vater war bei der Army."
Sie nickte. „Aber Sie sind es nicht."
Auf Atlantis war das früher etwas anders gewesen. Wer in das Militär eintrat, schaute meist auf eine ziemliche Ahnenreihe zurück, ebenso wie es den Wissenschaftlern ergangen war. Wahrscheinlich hatte sie deshalb den bequemen Weg eingeschlagen ...
„Nein, ich bin es nicht. Sie haben ja meine Karte." Er beugte sich wieder vor, stützte die Ellenbogen auf den Tisch, faltete die Hände und legte sein Kinn darauf. Sinnend musterte er sie. „Bei Ihnen allerdings ... Was machen Sie beruflich?"
„Oh!" Vashtu lehnte sich zurück und knabberte an ihrer Unterlippe. „Ich ... ich bin in der Forschung." 

*** 

>>>>>„Können Sie das testen?" Dr. Caylep hielt ihr etwas hin.
Vashtu runzelte die Stirn. „Das ist ..."
„Bitte, nehmen Sie es in die Hand, ja? Können Sie es aktivieren?"
Der Wissenschaftler erntete einen verächtlichen Blick von ihr. Sie griff nach dem kleinen würfelförmigen Gerät, das auf der Stelle aufleuchtete, sobald sie es berührte.
„Und weiter?" fragte sie genervt.
„Was ist es?" Caylep beugte sich fasziniert vor.
Vashtu verzog das Gesicht, konzentrierte sich kurz und ließ das Gerät anspringen. Eine einlullende Melodie erklang und Lichtreflexe schimmerten auf den Wänden des Labors.
„Das ist ein Nachtlicht für Kinder."„Jetzt reicht es!" Drohend hob sie die P-90 und hielt sie dem Warlord direkt vor die Nase. „Du pfeifst sofort deine Leute zurück, sonst kannst du dir ein neues Gehirn bestellen. Klar?"
Theorim nickte und sah sie flehend an, während er die Hände hob.
„Wir sind hergekommen, um mit dir zu verhandeln. Und du lockst uns in eine Falle? Ich dachte, wir seien Geschäftspartner."
„Das war die Anweisung von Rodirhc", wisperte er.
„Rodirhc?" Ihre Augen glänzten kalt. „Wer ist Rodirhc? Wieso kenne ich diesen Namen nicht?"
„Er ist der, dem ich mich angeschlossen habe." Theorim schien vor ihren Augen immer mehr zusammenzuschrumpfen.
„Dann wirst du jetzt diesen Rodirhc kontaktieren und ihm sagen, daß Vashtu Uruhk von der Erde ihm das nächste Mal sein verdammtes Mutterschiff unter seinem beschissenen Arsch wegschießt, wenn er das noch einmal versucht. Klar? SG-27 ist ein Handelspartner für die Lucian Alliance, ich lasse mir das von einem durchgeknallten Vollidioten nicht vermasseln! Bisher hat es doch zwischen uns gut geklappt, oder, Theorim?"
Er nickte nur mit großen, feuchten Augen.
„Alles verstanden?"
Wieder ein Nicken.
Durchdringender Uringeruch stieg Vashtu in die Nase. Sie richtete sich mit noch immer verhärtetem Gesicht auf, hielt die Waffe aber weiter im Anschlag.>>>>„Dorn, Sie und Wallace bleiben in der Nähe des Tores", befahl sie dem Marine. „Sorgen Sie für eine rasche Heimkehr."
Der Marine nickte. Doch anders als sonst schien ein wenig Sorge in seinem Blick zu liegen.
„Und was wollen Sie tun?" wandte Babbis sich an sie.
Vashtu verzog das Gesicht, als sie wieder ungebremst die Gedanken des Wissenschaftlers empfangen konnte. „Sie kommen mit mir. Wir beide statten dem guten alten Theorim einen Besuch ab. Los!" Sie schlich sich durch die Büsche, mit ihrer P-90 den Weg sichernd.
Babbis kroch hinter ihr her, so tief gebeugt, wie es nur ging. Seine Gedanken schrien sie weiter an.
Bis zu Theorims Hauptquartier war es nicht sonderlich weit. Sie brauchten nicht mehr als ein paar Minuten, ehe sie dort eintrafen.
Vashtu gab dem Wissenschaftler Zeichen. Der zögerte, und seine Gedanken verrieten ihr, daß er sehr genau nachdenken mußte, dann nickte er aber und nahm neben ihr Aufstellung, immer noch geduckt.
Gemeinsam sprangen sie auf und rannten los, hechteten in eine neue Deckung. Vashtu zog ihren Lebenszeichendetektor hervor und betrachtete ihn. Zwölf Männer, bedeutete sie Babbis schließlich und nickte ihm die Richtung.
Er nickte wieder, Entrüstung in seinen Gedanken.
Vashtu biß die Zähne fest aufeinander, um nicht laut loszubrüllen.
Warum hatte Carson ihm nur die Gentherapie verabreicht? Soweit sie wußte, hatte niemand ihm eine derartige Anweisung gegeben. Im Stillen beschloß sie, den Arzt bei ihrem nächsten Treffen zu fragen - und ihm auch von ihrem Problem mit dem künstlichen Gen zu berichten.
Neben der Eingangstür nahmen sie Aufstellung. Vashtu konzentrierte sich, gab ihrem Begleiter wieder Zeichen. Babbis nickte und richtete seine Automatik auf die Tür. Vashtu löste sich von der Wand, mühte sich kurz mit ihren Fremdzellen ab, bis diese endlich beschlossen, ihren Dienst doch aufzunehmen, und trat mit aller Wucht gegen die Tür. Diese barst nach innen.
Sofort setzten Babbis und sie nach. Ohne genau zu sehen, was vor ihr war, drückte ihr Finger bereits den Abzug der P-90 durch. Sie schwang den kurzen Lauf, sprang vor und schlüpfte in das Langhaus. Babbis folgte ihr dicht auf.
Seine Gedanken wisperten, daß es ihm unheimlich war, wie sie sich verhielt. Und sie mußte ihm recht geben. Doch sie konnte die Aggression nicht aufhalten, sie brach sich einfach Bahn. Keine Gefangenen!
Sie schoß sich den Weg frei, um zu Theorims Wohnstatt zu kommen. Und dabei spürte sie, wie ihre Wut sich immer mehr steigerte.
Möge der Bessere gewinnen ... by Hyndara71
Author's Note: Wenn Vashtu überhaupt je wirklich in eine Mary Sue mutiert, dann in dieser Story. Insofern spreche ich hiermit eine Warnung aus. wer eben Mary Sues nicht mag (und zudem ein Fan von Cam Mitchell ist, sollte diese Story nicht lesen.

Als Sergeant George Dorn die Turnhalle betrat, blieb er erst einmal einen Moment stirnrunzelnd stehen, ehe er sich zu dem jüngeren Mann auf eine Bank setzte, die beiden Kämpfenden auf der Matte dabei nicht aus den Augen lassend.
Der Jaffa Teal'c umrundete die kleinere Antikerin mit ausdruckslosem Gesicht. Vashtu Uruhk ließ ihn nicht einen Moment aus den Augen. Gegen den muskulösen großen Mann sah sie klein und zierlich aus. So, als hätte sie nicht die geringste Chance.
„Wie steht's, Sir?" murmelte Dorn, beugte sich nach vorn, die Ellenbogen auf die Oberschenkel stützend.
„Für mein Team oder Ihres, Serge?" Lt. Colonel Cameron Mitchell saß entspannt zurückgelehnt an der Wand und beobachtete den scheinbar ungleichen Kampf. „Teal'c hat bisher einen Angriff gewagt, dem Vashtu Uruhk ausweichen konnte. Seitdem umlauern die beiden sich. Wenn Sie mich fragen, ist ihre Team-Leaderin schon so gut wie besiegt."
Dorn lächelte leise in sich hinein, beobachtete weiter die beiden Kämpfenden.
Der große Jaffa wagte gerade wieder einen Angriff. Die Antikerin machte sich schmal und wich auf diese Weise seinem Kampfstab aus, ehe sie den ihren mit seinem kreuzte. Beide Waffen verkeilten sich kurz ineinander, ehe die Kontrahenten sich wieder trennten und erneut begannen, sich zu umrunden.
Dorn nickte annerkennend. Er verstand sehr gut, was die Antikerin da gerade getan hatte, doch das würde er dem höherrangigem Offizier nicht unbedingt auf die Nase binden.
„Teal'c will sie wohl nicht verletzen, was?" Mitchell beugte sich jetzt ebenfalls vor und schubste den Marine mit der Schulter an. „Ist zwar unfair Ihnen gegenüber, aber wie wäre es mit einer Wette?"
Dorn runzelte die Stirn. Ein amüsierter Zug trat um seinen Mund. „Eine Wette, Sir?"
„Ja, genau das meinte ich."
Dorn nickte nachdenklich. „Und um was soll es gehen?"
„Nun, wie wäre es mit einer Runde in unserem Stammlokal?"
Dorn nickte nachdenklich und zog die Wangen ein. Dabei ließ er die beiden Kämpfenden nicht aus den Augen. Doch auf der Matte tat sich noch nichts. Noch immer umrundeten die Kontrahenten sich.
„Na, wie sieht's aus?" Wieder stieß der Colonel ihn kameradschaftlich an.
„Meine Leaderin gewinnt." Dorn richtete sich auf und hielt dem Jüngeren seine Rechte hin. „Abgemacht!"
Mitchell grinste breit und schlug ein. „Klasse, so einfach bin ich schon lange nicht mehr an ein Freibier gekommen."
„Warten Sir es ab, Sir." Dorn drehte sich wieder um, gerade als die Antikerin ihren Angriff startete.
Vashtu sprang vor, duckte sich und täuschte mit dem Stab einen Angriff auf Teal'cs Beine vor. Im letzten Moment aber zog sie ihren Stab hoch und ließ ihn dem Jaffa gegen die Schulter krachen. Aus der Hocke hochkommend wirbelte sie spielerisch herum, senkte den Stab, um mit beiden Händen zupacken zu können. Auf der einen Seite blockte sie seine Waffe ab, während sich das andere in seine Rippen bohrte. Ihre eigene Hebelwirkung nutzend, beugte sie sich in ihre Waffe hinein und zwang ihren Gegner aus dem Gleichgewicht, wirbelte ihren Stab in die Vertikale und traf die andere Schulter, während sie mit der, inzwischen wieder freien Hand nach seinem Stab griff. Teal'c wurde plötzlich herumgeschleudert und fiel schwer auf ein Knie. Sofort war Vashtu hinter ihm und drückte ihre Waffe gegen seine Kehle.
Mitchell starrte ungläubig auf das, was sich da vor seinen Augen abspielte, Dorn lehnte sich entspannt mit einem zufriedenen Grinsen zurück und nickte.
Wenn er auch nicht unbedingt die Entscheidungen seiner Leaderin befürworten konnte, aber auf ihre Kampfkunst konnte er sich verlassen. Irgendwie brachte sie es selbst in einer ausweglosen Situation fertig, eine Lösung zu finden und sich und ihr Team zu retten. Dorn wagte sich gar nicht vorzustellen, was sie wohl vor zehntausend Jahren alles angestellt hatte, als sie für ihr Volk gegen die Wraith kämpfte.
Die beiden ungleichen Kontrahenten erhoben sich und verbeugten sich rituell voreinander.
„Ein sehr guter Kampf, Vashtu Uruhk", sagte der Jaffa mit seiner tiefen Stimme. „Wir sollten das so bald wie möglich wiederholen."
„Du bist der erste, der als Gegner wirklich würdig ist in dieser Zeit", antwortete die Antikerin. „Ich würde weitere Trainingsstunden wirklich begrüßen, Teal'c."
„Ich bin gern bereit dazu, Vashtu Uruhk. Nach den Wettkämpfen."
Sie lächelte. „Stimmt. Und ich bedanke mich noch einmal für die Einladung. Sofern nichts anderes ansteht, bin ich gern die Kampfrichterin für die Jaffa." Sie klopfte ihm auf den Arm, sammelte ihre Sachen ein und verschwand hinter der Tür der Umkleidekabine.
„Was war das denn?" Mitchell erhob sich und trat dem Jaffa entgegen, der der Antikerin mit einem gefälligen Nicken nachsah. „Hey, ich hatte auf dich gesetzt!"
Teal'c drehte sich zu seinem Leader um und hob eine Braue. „Gegen jemanden wie sie zu bestehen, erfordert eine Menge Geschick und Glück. Sie besitzt das Herz und die Seele einer Hak'tyl. Hätte ich nicht einen Fehler begangen und sie ihre Fremdzellen nicht eingesetzt, vielleicht hätte ich diesen Trainingskampf gewonnen. Wir beide sind gleichwertig, Colonel Mitchell."
Dorn saß noch immer auf der Bank und grinste vor sich hin.
„Das sah für mich aber anders aus." Der hochgewachsene Air-Force-Offizier kreuzte die Arme vor der Brust und musterte die Tür zur Umkleidekabine.
Dorn erhob sich seufzend wieder und schlenderte Richtung Ausgang. Dabei wagte er den Umweg und trat dicht an Mitchell heran. „Eine Runde, wie ausgemacht."

***

Eine Stunde später betrat Vashtu das Büro von General Landry. Überrascht blieb sie in der Tür stehen, als sie Lt. Colonel Mitchell auf dem zweiten Stuhl vor dessen Schreibtisch sitzen sah. Der Offizier drehte sich zu ihr um, sein Gesicht wurde nachdenklich.
Hatte sie Mitchell nicht vor einer halben Stunde noch in der Kantine mit Collins, dem Leader von SG-15, zusammensitzen sehen? Sie meinte, sich zu erinnern, daß die beiden vertraulich die Köpfe zusammengesteckt und getuschelt hatten, als sie sich ihren Tee und ein Sandwich holte.
„Miss Uruhk, kommen Sie bitte herein." Landrys Stimme klang freundlich.
Vashtu runzelte die Stirn, schloß aber die Tür hinter sich. Mißtrauisch musterte sie den Colonel.
„Setzen Sie sich."
Immer noch Mitchell im Auge behaltend setzte sie sich auf den Stuhl, lehnte sich zurück und kreuzte die Arme vor der Brust. Die Beine streckte sie aus, um es ein wenig bequemer zu haben. Dafür allerdings erntete sie gleich einen undefinierbaren Blick von Landry. Augenblicklich setzte sie sich auf.
Der General nickte, blätterte in seinen Unterlagen. „Dann ist also alles geklärt, Miss Uruhk. Es stehen nur noch einige abschließende Tests aus, aber gerade das dürfte für Sie kein Problem darstellen."
Vashtu nickte.
Sie hatte mit sich gerungen, sich dann aber doch für das Angebot, das Landry ihr im Namen der Vereinigten Staaten gemacht hatte, entschieden. Es war der einfachste und beste Weg nach Atlantis, wenn auch nur jeweils für einige Tage. Außerdem hoffte sie, nicht mehr ständig den Kontrollstuhl auf Antarktica vor Augen haben zu müssen, sobald die Sprache auf die Ori kam.
„Darf ich fragen, wie die Tests bisher gelaufen sind?" erkundigte sie sich.
Landry blickte kurz auf. „Für Sie bisher sehr gut, wie nicht anders zu erwarten war. Einige kleinere Schwächen, vor allem in Astrophysik, aber dennoch ein erstaunliches Allgemeinwissen." Er schloß die neue Akte und sah hoch. „Waren alle Antiker so gebildet wie Sie?"
„Mehr oder weniger, Sir." Sie zog eine Grimasse.
„Das ist ja jetzt gut und schön." Mitchell beugte sich vor, aus den Augenwinkeln die Antikerin musternd. „Aber was hat das zu bedeuten, Sir? Warum haben Sie mich holen lassen?"
„Es geht um einige abschließende Übungen, Colonel." Landry richtete sich in seinem Sessel wieder auf und behielt jetzt beide im Auge. „Miss Uruhk wird wohl demnächst in unsere Streitkräften aufgenommen, Colonel. Wir testen noch einmal Ihr Können, um sie genauer beurteilen zu können."
Ein verwirrter Blick traf die Antikerin. „Sie werden was?"
Vashtu kniff die Lippen aufeinander.
„Das Angebot lautete auf den Rang eines Majors, Colonel", fuhr Landry in aller Ruhe fort. „Eines Majors der Air Force."
Wieder traf sie ein irritierter Blick, dieses Mal aber schon deutlich düsterer.
„Und aus diesem Grund habe ich Sie kommen lassen. Colonel, Miss Uruhk. Sie werden ein Manöver durchführen. In kontrollierter Situation unter Beobachtung durch den Generalstab. Miss Uruhk, Sie haben außerdem die Aufgabe, die Beobachter auf den Planeten einzufliegen, damit diese sich auch einen Eindruck über Ihren Umgang mit den Puddlejumpern machen können."
Vashtu nickte. „Ja, Sir."
„Angekommen auf der Delta-Basis steigen Sie in eine F-302 um. Aufgabe des Manövers: Simulation eines Luft- und Bodenkampfes hinter den feindlichen Linien unter gefechtsnahen Bedingungen. Colonel, Sie werden Miss Uruhk jagen und versuchen, sie unschädlich zu machen."
Wieder ein düsterer Blick. „Soll das ein Witz sein? Haben Sie denn überhaupt schon in einer 3-0-2 gesessen?"
Vashtu sah Mitchell kurz verächtlich an, ehe sie sich wieder an Landry wandte. „Ich könnte auch mit dem Jumper ..."
Der General schüttelte resulut den Kopf. „Ihre zukünftige Aufgabe mit den Jumpern ist die eines Transporteurs, Miss Uruhk, und keine Gefechte. Wir sind nicht in der Pegasus-Galaxie."
Vashtu verzog wieder das Gesicht. „Ja, Sir."
„Also haben Sie eine 3-0-2 noch nicht geflogen. Wird ja reizend!" Mitchell ließ sich wieder zurücksinken und kreuzte demonstrativ die Arme vor der Brust, während er genervt den Kopf schüttelte.
„Ich habe eine F-302 durchaus bereits geflogen, Colonel. Nur sind diese Fluggeräte, bei aller Beweglichkeit, ein wenig träge in der Steuerung", entgegnete sie. „Bis jetzt war ich es gewohnt, unter Gefechtsbedingungen Puddlejumper zu fliegen. Ich gebe gern zu, eine F-302 ist wesentlich wendiger, doch sie erfordert auch eine wesentlich höhere Anstrengung für den Piloten." Vashtu stockte, drehte sich wieder Landry zu. „Wer ist mein Copilot?"
„Sie fliegen allein. Wir simulieren einen Ausfall Ihres Copiloten. Können Sie damit leben?"
Sie nickte.
Sie wußte, worum es wirklich ging und warum Landry ihr kein Team zugestand. Noch immer war da ihr letzter Fremdwelteinsatz, der wie ein dicker roter Fleck über ihrem Leben lag. Ihr Aggressionspotenzial hatte sich gesteigert und sie Dinge tun lassen, von denen sie normalerweise die Finger ließ. Was jetzt kam, hatte sich schon die letzten Wochen angekündigt. Sie mußte beweisen, daß sie sich wieder im Griff hatte.
„Beginn des Manövers: Morgen um Dreizehnhundert", sagte Landry abschließend und klappte die Akte zu.
Vashtu riß die Augen auf. „Aber ..." Sofort schloß sie den Mund wieder und verfluchte sich im stillen.
Die Wettkämpfe der Jaffa würden heute abend beginnen. Die Wettkämpfe, bei denen sie die Kampfrichterin sein sollte.
Landry sah sie forschend an, und sie spürte auch Mitchells Blick auf sich.
Diese Wettkämpfe waren ihr Privatvergnügen. Und wenn alles gut lief, würden sie sich in regelmäßigen Abständen wiederholen. Das Angebot der Erde dagegen würde sehr wahrscheinlich einmalig sein. Wenn sie diese Chance ausließ, würde sie sich nicht wiederholen.
Vashtu schluckte die Enttäuschung hinunter. Sie hatte sich wirklich darauf gefreut, mit Teal'c zusammen die Spiele zu eröffnen und dann ... Aber ihr eigenes Leben ging vor, ihre eigene Zukunft.
Auf einen weiteren fragenden Blick des Generals hin schüttelte sie nur stumm den Kopf.
„Gut, dann würde ich vorschlagen, Sie bereiten alles vor." Landry sah Mitchell auffordernd an.
Der erhob sich, nicht ohne einen letzten Blick auf die Antikerin, und ging. Vashtu dagegen blieb sitzen. Sie zögerte, dann aber gab sie sich einen Ruck.
Sie mußte danach fragen, so unangenehm es ihr auch war. Sie würde ihr Team nicht im Stich lassen, nicht einen ihrer Männer! Und da konnte er noch so sehr selbst an der Misere schuld sein, in der SG-27 jetzt steckte.
„Sir", fragte sie, nachdem der Colonel den Raum verlassen hatte, „ich weiß, es kommt vielleicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt, aber gibt es Fortschritte in der anderen Sache?"
Landry sah sie sinnend an, neigte dann leicht den Kopf von einer auf die andere Seite. „Dr. Dimitrinov hat herausgefunden, warum Sie so heftig auf das künstlich zugeführte ATA-Gen reagieren. Wenn Sie das als Fortschritt bezeichnen wollen?"
Vashtu beugte sich vor. „Und was ist der Grund dafür, daß ich Babbis' Gedanken lesen kann?"
„Sie scheinen auf einer Wellenlänge zu liegen. Darum können Sie seine Gedanken hören." Landry schmunzelte. „Wie es aussieht, werden die Alphawellen des Gehirns verändert, nachdem das Gen künstlich verabreicht wurde. Sie haben das Pech, daß Ihre Wellen im gleichen Bereich liegen wie die der Gentherapierten. Und darum können Sie deren Gedanken lesen."
Vashtu riß die Augen auf. „Aber ... dann müßten sie sich doch auch untereinander hören können!"
„Sie vergessen, daß unser Gehirn ... Nun, bei uns sind viele Bereiche stillgelegt, die bei Ihnen aktiviert sind. Sie haben ohnehin offensichtlich eine gewisse Begabung für Telepathie, Miss Uruhk. Vielleicht durch die Wraith-Zellen in Ihrem Inneren, vielleicht auch von Natur aus. Immerhin werden viele der erhaltenen Geräte Ihres Volkes mittels gewisser gedanklicher Befehle gesteuert. Bei Menschen, die sich der ATA-Therapie unterziehen, ist das anders. Ihr Gehirn bleibt auf dem gleichen Standard wie zuvor, soweit zumindest Dr. Dimitrinov."
Sie nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe. „Dann muß ich also eigentlich nur versuchen, meine Gehirnwellen irgendwie in eine andere Frequenz einzuschwingen ..." Und wie?
„Oder Sie müssen Gentherapierten in Zukunft aus dem Weg gehen."
Sie schüttelte sofort den Kopf. „Ich will Babbis in meinem Team behalten. Ich werde wohl ein bißchen zaubern müssen, wenn ich wiederkomme." Sie seufzte.
„Tun sie mir nur einen Gefallen und lassen Sie die Jungs ganz, Miss Uruhk. Sie wissen, das wird auch ein Test Ihrer Selbstbeherrschung."
Sie nickte nachdenklich.

***

Vashtu saß auf dem Pilotensitz des Puddlejumpers, ging zur Sicherheit noch einmal die Untersysteme des AI-fähigen Rechners durch, als Mitchell das Cockpit betrat und sich aufmerksam umsah.
„So sieht er also aus, wenn er aktiviert ist, wie?"
Die Antikerin überflog die letzten Statusmeldungen, ließ die Anzeige dann verlöschen und drehte sich um. „Ja, so sieht er aus, wenn er aktiviert und bereit zum Start ist", antwortete sie.
Mitchell sah sich interessiert um, ließ sich dann auf dem Sitz des Copiloten nieder und musterte sie genau. „Wie wollen Sie es haben? Ich wäre für die sanfte Tour."
Die Antikerin stutzte, schüttelte dann den Kopf und kontrollierte sorgfältig die verschiedenen Hebel und Knöpfe vor sich.
„Lehnen Sie sich einfach entspannt zurück und melden Treffer. Dann haben wir es hinter uns", fuhr Mitchell fort.
„Und was soll das werden?" Sanft strich sie über die Lenkung, um diese zu kontrollieren.
„Ein Puddlejumper ist nicht mit einer 3-0-2 zu vergleichen, Miss Uruhk."
Sie hob eine Braue, sah jetzt doch auf und musterte ihren Nachbarn. „Wir sollen ein Manöver durchführen, Colonel, keine Farce. Strengen Sie sich und Ihre Männer an, dann tue ich das auch."
Mitchell schürzte die Lippen und lehnte sich zurück. „Berichtigen Sie mich, aber sagten Sie zu Landry nicht etwas wie, Sie wollten einen Puddlejumper in dieses Manöver fliegen?"
„Hätte ich auch gern getan. Einfach, damit der Stab auch darüber einen Bericht verfaßt. Aber ich soll in eine F-302. Dann werde ich eben die fliegen."
„Und sagten Sie nicht, es sei anstrengend, einen Jäger zu fliegen?" fuhr Mitchell fort.
Vashtu kniff kurz die Lippen aufeinander, drehte sich ganz zu ihm um. „Ein Jumper fliegt auch mittels der Gedanken seines Piloten, Colonel. Waffensysteme, Zieleinrichtung, Tarnmodus. All das und noch ein bißchen mehr steuere ich mit meinem Gehirn. Eine F-302 hat diese Einrichtungen nicht, ich muß alles selbst machen, mit meinen Händen. Das empfinde ich als langsam und anstrengend", erklärte sie.
Mitchell nickte nachdenklich. „Also sind Jäger in Ihren Augen lahme Enten, weil Sie sie nicht 'denken' können."
„Sozusagen. Aber ich bin durchaus in der Lage, eine F-302 zu fliegen, wenn Sie das meinen. Bisher ist mir, ehrlich gesagt, noch nichts untergekommen, was ich nicht habe fliegen können, Colonel Mitchell. Geben Sie mir ein wie auch immer geartetes Fluggerät, und ich bringe Sie hin, wohin Sie wollen."
„Tatsächlich ..." Sinnend sah er sie an, nickte wieder.
„Ja, tatsächlich." Sie wandte sich wieder ihrer Diagnose zu.
„Sie meinen also allen Ernstes, diese fliegende Tonne könne gegen einen hochmodernen Hybrid-Jäger bestehen?" Mitchell schüttelte den Kopf.
Vashtu stutzte. „Wie bitte?" Augenblicklich verengten sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen, als sie herumwirbelte.
Mitchell lehnte sich zurück und klopfte mit den Fingern einen Takt auf dem inaktiven Arbeitsfeld vor sich. „Sie haben mich schon verstanden. Ein Puddlejumper gegen eine F-302. Das ist lächerlich! Ich würde Sie eher vom Himmel holen, als Ihnen lieb ist."
Vashtu kniff die Lippen aufeinander. „Eine ... Tonne?" knirschte sie.
Mitchell nickte. „Diese Dinger sehen doch aus wie fliegende Mülltonnen. Wenn man dagegen das schnittige Design einer 3-0-2 bedenkt ..."
„Eure nachgemachten Goa'uld-Todesgleiter, meinen Sie wohl!" Vashtu schnaubte ungehalten. „Die noch dazu nur eine begrenzte Kapazität verfügen und ... Ach, gab es da nicht in der ersten Baureihe diesen Hinweis darauf, daß sie über Sprungtechnik verfügen sollten?"
„Der Hyperantrieb ist noch nicht ganz funktionsbereit", gab Mitchell, jetzt deutlich angesäuert, zu. „Aber das hat nichts damit zu tun. Wenn etwas eine lahme Ente ist, dann doch wohl eher dieser Puddlejumper."
Vashtu lachte bitter auf. „Noch nicht ganz funktionsbereit!" äffte sie die Stimme des Colonels nach. „Es hat seinen Grund, warum Klein-Fluggeräte nicht über Hyperraumtechnologie verfügen, selbst als mein Volk noch lebte. Der Energieverbrauch ist zu hoch." Wieder blinzelte sie, richtete sich dann auf. „Und was die lahme Ente angeht ... ich schätze, mit einem Puddlejumper kann ich mindestens ebenso schnell fliegen wie Sie eine F-302."
Ein amüsiertes Grinsen zuckte um seine Mundwinkel. „Diese Mülltonne soll so schnell sein wie eine 3-0-2?"
„Schneller!" herrschte Vashtu ihn wütend an.
Mitchell richtete sich wieder auf und beugte sich vor. „Sie wollen also mit dieser Mülltonne sogar noch schneller sein als ich in einer 3-0-2? Vergessen Sie es!"
„Man ist in einer F-302 viel zu abgelenkt, um ihre Ressourcen wirklich nutzen zu können, Colonel", entgegnete Vashtu gereizt.
„Sie sollen ja auch nicht auf dem Rechner Solitaire spielen, sondern sich aufs Fliegen konzentrieren!" Nun blitzte auch Wut in Mitchells blauen Augen auf. „Ich sehe schon, wie es laufen wird. Binnen einiger Minuten habe ich Sie vom Himmel gefegt, Miss Uruhk!"
„Das hätten Sie wohl gern, Lt. Colonel Mitchell! Eher fege ich Sie vom Himmel - ach was, ich radiere Sie aus! Und wenn nicht oben, dann unten!"
In Mitchells Augen leuchtete es auf. „Dann denken Sie also, Sie können gegen mich und meinen Männern in unbekanntem Terrain bestehen?"
Sie nickte. „Sie sollten die Berichte von Colonel Sheppard lesen, Sir. Ich habe das bereits bewiesen. Und das ohne Projektilwaffen, wie sie sie mir jetzt zugestanden werden."
„Da waren Sie aber auf vertrautem Gelände."
Überrascht sah sie Mitchell an, sagte aber nichts.
„Jetzt führen wir eine Übung unter Gefechtsbedingungen durch, Miss Uruhk. Die Frage ist, wie gut sind Sie wirklich?" Mitchell grinste. „Sie treten da nicht gegen einen verkappten Hubschrauberpiloten und einen Haufen unerfahrenere Marines an, sondern gegen erfahrene Männer, die alle Nah- und Einzelkämpferqualitäten besitzen und bereits eine Anzahl gefährlicher Einsätze überlebt haben."
„Wir werden ja sehen, wer die bessere ist." Ein kühles Lächeln glitt über ihr Gesicht.
Mitchell sah sie immer noch an, dann richtete er sich mit einem Ruck auf und hielt ihr seine Rechte hin. „Gut, dann wetten wir."
Sie stutzte wieder. „Wetten? Um was?"
„Ganz einfach." Mitchell nickte. „Wenn ich Sie außer Gefecht setzen kann während der Übung, schulden Sie mir ein Essen. Wir gehen irgendwann nett aus, Sie im Kleinen Schwarzen, und plaudern und lernen uns näher kennen."
„Kleines Schwarzes?" Was sollte das denn nun wieder bedeuten?
Mitchell nickte. „Ja, Kleines Schwarzes."
Vashtu schüttelte den Kopf und drehte sich wieder zur Konsole um.
„Was sagen Sie?"
Ihr kam ein Gedanke. Ein spitzbübisches Lächeln glitt kurz über ihre Lippen, als sie sich aufrichtete, und wurde zu einem Glitzern in ihren Augen. „Okay, Colonel", sagte sie und schlug ein. „Und wenn ich gewinne, erscheinen Sie zu diesem Dinner im Kleinen Schwarzen."

***

Pünktlich am nächsten Tag erschien General Landry mit den Gästen, die sie fliegen sollte. Die Antikerin lächelte, als sie unter den doch recht bierernsten Gesichtern der anderen hochrangigen Offiziere General Jack O'Neill erkannte. Als Schlußlicht betrat auch noch ein Zivilist mit zurückweichendem Haaransatz den Lagerraum.
„Meine Herren, das ist die Antikerin Vashtu Uruhk", stellte General Landry sie vor und blieb neben ihr stehen.
Vashtu verbeugte sich freundlich. „Willkommen, Sirs."
Landry reichte ihr ein Klemmbrett. „Ihr Flugplan, Miss Uruhk."
Sie nickte, schlug kurz die erste Seite auf und überflog den Inhalt. Dann wurden ihre Augen groß und sie sah wieder hoch, direkt in ein verschwörerisches Zwinkern von O'Neill. Sie lächelte wieder und deutete ein Nicken an.
Colonel Mitchell joggte nun auch noch in den Lagerraum, blieb stocksteif stehen und salutierte vor den höherrangigen Militärs. Doch der einzige, der wirklich Notiz davon zu nehmen schien, war wiederum O'Neill, der dem Jüngeren den Gruß abnahm.
„Nun wäre vielleicht ein guter Zeitpunkt, sich miteinander bekannt zu machen. Miss Uruhk, das sind General Tayler -" Ein schmallippiger, sehr groß gewachsener Mann nickte ihr zu „-, General Baxter -" Ein freundliches Lächeln, zumindest der Versuch, auf einem Bulldoggengesicht „-, Admiral Reaves -" Der Mann, der einzige in einer weißen Uniform musterte sie aufmerksam „- General Walker -" Er war der älteste in der Runde. Auf seiner Uniform blitzten eine Menge Abzeichen und Orden. „-, General O'Neill kennen Sie ja -" Wieder ein verschmitztes Lächeln und kurzes Nicken. „- und, für das IOA, Mr. Woolsey." Der Zivilist mit dem verkniffen wirkenden Gesicht und dem, weit nach oben gewichenen Haaransatz, musterte sie forschend, nickte ihr dann zu. Doch sie hatte wirklich das Gefühl, dieses Nicken galt eher ihm selbst.
„Nun, meine Herren", wandte Landry sich an den Generalstab, „wenn Sie noch Fragen an Miss Uruhk haben sollten, wäre jetzt vielleicht der beste Moment dafür. Sobald Sie auf der Delta-Basis eingetroffen sind, wird unsere Anwärterin sich bereit machen, damit das Manöver so schnell wie möglich beginnen kann."
Der Admiral trat vor. „Man sagte uns, Sie verfügten über keinerlei militärische Ausbildung. Dennoch scheinen General O'Neill und General Landry davon überzeugt zu sein, es sei besser, Ihnen einen militärischen Status zuzubilligen. Wie kommt das?"
Vashtu holte tief Atem, schwang die Arme auf ihren Rücken und umklammerte den Flugplan. „Nun, Sir, Admiral, zu meiner Zeit, das heißt, als mein Volk noch lebte, stand Atlantis unter Belagerung. Ich versuchte immer wieder, diese Belagerung zu brechen. Dabei habe ich mir dann wohl auch das eine oder andere angeeignet."
„Sie waren also noch nie Mitglied irgendeiner Armee?" ließ sich jetzt das Bulldoggengesicht vernehmen.
Vashtu biß sich auf die Lippen. „Ich ... Nicht richtig, Sir, General, Sir", antwortete sie, sah wie O'Neill stutzte.
„Was heißt, nicht richtig?" Wieder Bulldoggengesicht.
„Für einige wenige Einsätze wurde ich dem Militär unterstellt, im Auftrag des regierenden Rates von Atlantis, Sir."
„Und Ihr Status?" fragte jetzt O'Neill.
Sie schüttelte den Kopf. „Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen, Sir. Ich mußte Befehle von dem jeweiligen Einsatzleiter entgegennehmen. Aber meist lief es darauf hinaus, daß ich jemanden aus einem Wraith-Schiff holen sollte und ohnehin auf mich allein gestellt war. Man ging davon aus, daß die Fremdzellen in mir ein Nähren verhinderten."
O'Neill zog die Brauen zusammen. Ein Schauder schien ihn zu überlaufen allein bei der Vorstellung, einem Wraith gegenüberzustehen.
„Tun sie das?" Tayler.
„Das weiß ich nicht, Sir. Bisher ist es mir immer gelungen, einem solchen Versuch auszuweichen." Wieder kniff sie die Lippen zusammen. „Allerdings wissen wir jetzt, daß die Wraith auch durchaus nicht vor Kannibalismus zurückschrecken. Gut möglich, daß ich für sie ... unbekömmlich bin. Aber es ist ebenso gut möglich, daß sie mich als Leckerbissen betrachen würden."
„Ihre Fremdzellen ... Was genau hat es damit auf sich und wie wirkt es sich auf Sie aus, Miss Uruhk?" erkundigte sich wieder der Admiral.
Vashtu verzog das Gesicht und nickte. „Die Gentherapie besteht aus drei Komponenten, Sirs. Eine Lösung für gewisse ... Probleme zu finden war nicht einfach, aber schließlich ist es doch gelungen. Meine eigenen Genome wurden mit der des Iratus-Käfers, eines entfernten Verwandten der Wraith, verbunden. Diese Verbindung ist notwendig für den nächsten Schritt, nämlich das Zuführen der Wraith-Zellen. Alle drei Komponenten verbinden sich auf meiner Zellulärebene und geben mir damit gewisse Möglichkeiten. Ich bin schneller und ausdauernder als ein normaler Mensch, wenn auch vielleicht nicht sehr viel schneller. Ich kann meine Körperkräfte bewußt steigern, verfüge über ein recht großes Heilungspotenzial, solange ich genügend Nahrung zu mir nehme. Zum Teil habe ich sogar Einfluß auf mein Erscheinungsbild. Nicht zu unterschätzen ist die Möglichkeit, die mir die Wraith-Zellen bieten, in Form einer sehr ausgeprägten Langlebigkeit. Wraith-Gene verkürzen sich mit der Zeit nicht, wie es menschliche Gene tun. Sie haben keinen zusätzlichen Anhang. Auf diese Weise altere ich sehr langsam, wenn überhaupt. In den zehntausend Jahren, die ich auf Atlantis ausharrte, bin ich vielleicht vom Aussehen her um fünf bis zehn Jahre gealtert."
„Sie haben Einfluß auf Ihr Erscheinungsbild?" Es war das erste Mal, daß Woolsey sprach.
Vashtu konzentrierte sich und schloß die Augen. Als sie sie wieder öffnete und aufblickte, waren ihre Pupillen riesengroß, tintenschwarz und vertikal geschlitzt. Die Männer gingen auf Abstand, abgesehen von O'Neill, der verschmitzt grinste.
Vashtu blinzelte, richtete sich wieder auf. „Mit diesem kleinen Trick ist es mir bisher gelungen, einige Mitglieder der Lucian Alliance soweit einzuschüchtern, daß sie mich als Verbündete betrachten", erklärte sie.
„Dies und Ihr Geschick, sich auf sie einzustellen, Miss Uruhk. Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel", mischte General Landry sich nun ein. „Miss Uruhk hat tatsächlich eine erstaunliche Fähigkeit bei Fremdwelteinsätzen gezeigt. Als Team-Leaderin hat sie sich ebenfalls hervorragend bewährt."
„Nachdem einer dieser Einsätze fast in einer Katastrophe endete, meinen Sie", entgegnete Baxter. Mißtrauisch sah er die Antikerin an.
„Zu Anfang gab es gewisse Mißverständnisse", räumte Landry ein. „Doch diese haben sich inzwischen aufgeklärt. Miss Uruhk zeigt also, daß sie auch fähig ist, sich anzupassen. Sie will mit uns zusammenarbeiten."
„Darum wurde ihr ja wohl auch dieses Angebot unterbreitet", erklärte der Admiral, musterte sie stirnrunzelnd. „Miss Uruhk, verzeihen Sie, aber ... Nun, sie sehen nicht sehr gefährlich aus in meinen Augen. Es fällt mir schwer, Sie mit dem in Verbindung zu bringen, was ich über Sie gelesen habe."
„Ich sehe das als Vorteil an, Sir", erklärte Vashtu. „Üblicherweise werde ich unterschätzt, bis es dann zu spät ist, Sir." Ihr Blick fiel auf Mitchell, der sich diese ganze Fragestunde bisher amüsiert angehört hatte.
„Nun", O'Neill ergriff jetzt das Wort, „warum wir hier zusammengekommen sind, ist teils etwas anderes. Miss Uruhk verfügt über eine gewisse Begabung für das Fliegen, das sie uns auch gleich unter Beweis stellen wird, meine Herren." Wieder ein Grinsen.
Sie nickte, umklammerte den Flugplan nun noch fester.
„Darf ich fragen, wann Sie das erste Mal selbst geflogen sind?" O'Neill lächelte wieder.
Sie runzelte die Stirn und sah ihn fragend an.
„Lassen Sie diese Jahrtausende einfach weg, okay?"
Sie nickte. „Das war ... in meinem zwölften Lebensjahr, Sir. Das erste Mal geflogen bin ich noch als Kind, und ich war fasziniert. Der Status meiner Familie ermöglichte es mir, daß ich mir nach und nach das Wissen um den Umgang mit den Puddlejumpern aneignen konnte. Später flog ich auch andere Maschinen, meist von mir erbeutete Wraith-Darts, Sir."
„Und seit Sie auf der Erde sind?" Wieder Baxter. Interssiert kreuzte er die Arme vor der Brust und neigte den Kopf.
Vashtu hob die Brauen. „Nun", setzte sie an, „man gab mir die Möglichkeit, mit verschiedenen Maschinen zu fliegen, Sir. Helicopter, verschiedene Jäger und Bomber, Sportmaschinen, die F-302 und einen kleinen Goa'uld-Frachter."
„Sie hat in einem Tarnkappenbomber unglaubliche Stunts aufgeführt." O'Neill lächelte stolz. „Geben Sie dieser Dame etwas, von dem Sie meinen, es könne fliegen, und sie wird es fliegen. Miss Uruhk, diese Begabung an Ihnen steht sicher nicht zur Diskussion."
Ein kritischer Blick von Mitchell traf sie, ließ das Lächeln auf ihrem Gesicht fast zu einem Grinsen werden. „Danke, Sir." Sie neigte den Kopf.
„Dann sollten Sie jetzt aufbrechen", schlug Landry vor. „Miss Uruhk, viel Glück." Er reichte ihr die Hand und beugte sich zu ihr hinunter. „Und denken Sie daran, lassen Sie die anderen möglichst unbeschädigt", flüsterte er ihr ins Ohr.
Vashtu nickte. „Ja, Sir." Sie drehte sich um und machte eine einladende Geste. „Wenn Sie bitte einsteigen wollen, meine Herren. Machen Sie es sich bequem, wir fliegen in wenigen Minuten."
Mitchell ging mit einem scheelen Blick an ihr vorbei und wartete, bis die anderen einstiegen, ehe er sich wieder in die Kanzel trollte.
Vashtu verzog unwillig das Gesicht, zeichnete den Flugplan ab und reichte ihn Landry. Der nickte ihr noch einmal aufmunternd zu. „Sie schaffen das, da bin ich mir sicher."
„Danke, Sir."
Mit Schwung nahm sie die Rampe hoch und schloß die Heckluke, während sie bereits auf dem Weg ins Cockpit war. Mitchell hatte es sich wieder auf dem Sitz des Copiloten bequem gemacht und beobachtete sie mißtrauisch, als sie sich niederließ und die Maschinen startete.
„Was für Stunts haben Sie denn in einem Staelth-Fighter hingelegt?" fragte der Colonel schließlich.
„Ich hatte ein Maschinenproblem", antwortete sie ausweichend, ließ die Routinen hochfahren. „Konnte das aber gut überspielen."
„Und das heißt?"
Sie warf ihm einen Blick zu. „Das heißt, ich wäre fast abgeschmiert mit dem Ding. Fünf Meter über dem Boden konnte ich die Maschinen endlich wieder starten."
Unruhe kam in das Cockpit, als General O'Neill sich hineinschob, im Schlepptau Mr. Woolsey. „Wenn Sie nichts dagegen haben, Vashtu", sagte er.
Sie schüttelte den Kopf. „Kein Problem, Sir." Sie öffnete die Funkverbindung. „Alle Systeme auf go", meldete sie.
O'Neill setzte sich hinter sie und blickte aus dem riesigen Frontfenster.
„Jumper 1, Sie haben freien Flug", meldete sich die Kommandozentrale.
Ein breites Grinsen huschte über Vashtus Gesicht. „Können Sie das bitte wiederholen, Sir? Nur die Bezeichnung."
„Sie haben grünes Licht, Jumper 1", antwortete der Techniker etwas irritiert. „Gibt es ein Problem mit der Funkverbindung?"
Vashtu ließ den Gleiter vom Boden abheben und sacht zur Luke schweben. „Nein, Sir", antwortete sie mit einem breiten Grinsen. „Das war eher ein Insiderwitz. Kein Problem."
Die Luke öffnete sich, vorsichtig ließ sie den Jumper hinunterschweben. Im Torraum war nicht allzu viel Platz. Sie mußte verteufelt aufpassen, nicht schon jetzt in das Feld des Autopiloten zu gelangen.
„Jumper 1, übernehmen Sie die Einwahl. DHD hat Kontrolle."
Wieder dieses breite, sehr zufriedene Grinsen auf ihrem Gesicht. „Ja, Sir." Sie wählte die Symbole an und blickte wieder nach draußen. Das schwache, bläuliche Leuchten des Wurmlochs konnte sie an der Wand hinter dem Tor sehen.
„Iris öffnen", befahl sie.
O'Neill beugte sich weiter vor, beobachtete sie über ihre Schulter hinweg.
Der Metallschild des Stargates wurde eingefahren, statt dessen erhob sich jetzt die freie Fläche des Wurmlochs vor ihnen.
„Startfreigabe. Jumper 1, viel Glück."
Sie nickte verschmitzt. „Ich liebe diese Bezeichnung!" entfuhr es ihr. Kurz und sanft gab sie ein wenig Geschwindigkeit, überließ sich dann dem Autopiloten.
Der Jumper verschwand im Wurmloch, tauchte auf der anderen Seite auf einem freien Feld wieder auf.
Vashtu zog den Gleiter hoch und genoß einfach nur den Flug und die anerkennenden Blicke, die O'Neill ihr über ihre Schulter sandte.

***

„Sind Sie angezogen?"
Vashtu drehte sich zur Tür um und runzelte die Stirn. „Was ist, Colonel?"
„Ich fragte, ob Sie angezogen sind", hörte sie Mitchell wieder sagen und verzog das Gesicht. „Ja."
„Gut, dann ..." Er betrat den Umkleideraum, einen Rucksack in den Händen. „Sie sind Rabbit-1", begann er zu erklären, stellte den Rucksack auf die Bank vor ihr. „Mein Team wird unter der Bezeichnung Fox genannt werden. Ganz einfach: Sie der Hase, ich der Fuchs."
Vashtu nickte, setzte ihren Fuß auf die Bank und begann sich den Stiefel zuzuschnüren.
„Ausrüstung erhält jeder das gleiche, auch Sie." Mitchell wartete, bis sie sich wieder aufgerichtet hatte, dann öffnete er den Rucksack und hob, eines nach dem anderen, die Gegenstände heraus. „Verpflegung und Wasser. Drei Hand-, eine Leucht- und vier Blendgranaten. Sie wollten Ihre Beretta und eine P-90, zusätzlich erhalten Sie noch ein Zak'Ni'Tel. Munition ..."
„Wieviel Munition?" Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf das, was er aus dem Rucksack zauberte.
„Drei Ersatzmagazine für jeweils eine Waffe. Sie haben also vier für die P-90 und vier für die Beretta. Keine scharfe Munition, das hier ist ein Manöver, klar?" Mitchell sah kurz auf und runzelte die Stirn, als sie sich jetzt ihre Überlebensweste überstreifte. „Und Sie sollten Ihre Uniform tragen. Sieht nicht gut aus, wenn die Herren da oben Sie so sehen."
Vashtu stutzte. „Warum sollte es sie stören? Mich behinderte die Hemdjacke."
Mitchell verzog das Gesicht. „Ziehen Sie sie einfach an, okay?"
Die Antikerin seufzte, öffnete die Überlebensweste wieder und zog sie aus, um sich die Uniformjacke überzustreifen.
„Irgendwelche privaten Gegenstände dabei?" Mitchell warf den prall gefüllten Taschen der Weste einen scheelen Blick zu.
„Meine übliche Ausrüstung." Ehe er zugreifen konnte hatte sie das schon getan, schlüpfte jetzt wieder in das Kleidungsstück und schloß es sorgfältig.
„Ach ja ..." Mitchell kramte wieder in dem Rucksack und zog eine Messerscheide mit einem Messer darin heraus. „Das gehört auch noch zur Ausrüstung."
Vashtu griff nach der Scheide und öffnete sie, um sich das Messer genauer anzusehen. „Der Griff ist hohl", bemerkte sie irritiert.
„Ein Überlebensmesser", erklärte der Colonel gelassen, während sie den Knauf abschraubte. Der Inhalt ließ sie stutzen. „Nadel und Faden? Wollen Sie mich hochnehmen?"
„Gehört zum Erste-Hilfe-Set, für den Fall, daß Sie größere Fleischwunden davontragen."
Stirnrunzelnd nickte sie, füllte den wenig erspießlichen Inhalt wieder zurück in den Hohlraum und hängte sich die Scheide an eine der leeren Schlaufen. Dann glitt ihr Blick über den Inhalt des Rucksacks. Sie war zwar nicht erbaut von der geringen Auswahl, aber sie war auch schon mit weniger ausgekommen.
Mitchell hielt ihr ein Funkgerät hin. „Ist fest auf einen Kanal geeicht", erklärte er. „Wir werden keinen Kontakt zueinander herstellen können, da mein Team ebenfalls nur einen Kanal zur Verfügung hat. Sie sind dann auf sich allein angewiesen, Miss Uruhk. Die einzige Verbindung, die es für Sie gibt, ist die zum Kommandoposten."
Vashtu begann, die Gegenstände wieder in den Rucksack zu räumen. „Ist klar", murmelte sie, blickte dann auf. „Und wie soll das ganze überhaupt ablaufen?"
Mitchell kreuzte die Arme vor der Brust. „Sie fliegen los, haben ein paar Minuten, dann kommen wir hinterher und simulieren einen Luftkampf. Irgendwann werden wir dann vom Command den Befehl bekommen, das ganze auf dem Boden fortzusetzen, wenn wir Sie nicht schon längst abgeschossen haben. Sie müssen sich zum Kommandoposten zurück durchschlagen, ich werde das verhindern."
Sie warf ihm einen scheelen Blick zu, schloß den Rucksack und warf ihn sich über eine Schulter. „Wenn Sie meinen ..."
Der Offizier nickte. „Ja, ich meine. Schneller würde es wahrscheinlich nur noch in Ihrem heißgeliebten Jumper gehen."
„Kommt drauf an. Ein Puddlejumper hat eine Tarnfunktion, falls Sie das noch nicht wußten." Vashtu lächelte zuckersüß.
„Energiesignaturen, Miss Uruhk." Mitchell beugte sich vor.
„Sie meinen, wenn Sie in der Lage sind, diese ausfindig zu machen, Lt. Colonel Mitchell", versetzte sie.
„Die leichteste Übung!" Er richtete sich mit einem überlegenen Grinsen wieder auf. „Aber wenn Sie so gern abgeschossen werden wollen, bitte! Ich hindere Sie bestimmt nicht daran ... Antikerin."
„Ich werde schon mit Ihrem heißgeliebten Hybrid-Jäger zurechtkommen, passen Sie lieber auf Ihren Hintern auf - Mensch!" Vashtu schüttelte den Kopf.
„Wie sieht Ihre übliche Ausrüstung aus?" wechselte Mitchell das Thema und schaltete wieder auf den erklärenden Offizier um.
„Das übliche. Ein bißchen Verbandszeug, das eine oder andere Werkzeug. Die Munition werde ich gleich noch anbringen. Wir schießen also nicht scharf?"
„Nein, tun wir nicht. Sie haben jeweils eine Leuchtrakete, eine in der 3-0-2, eine in Ihrem Rucksack. Sollten Sie Schwierigkeiten haben oder verletzt werden, verwenden Sie sie. Ich denke, Sie wissen, wie das geht."
Sie nickte, richtete sich auf, eine Hand in den Riemen des Rucksacks geharkt. „Dann können wir loslegen." Sie grinste.
Mitchell stutzte plötzlich. „Was haben Sie in der Brusttasche?"
Vashtu senkte den Blick. Durch den Riemen des Rucksacks lugte eine Ecke des Energiedetektors aus der Tasche. „Ein Gerät meines Volkes", antwortete sie ausweichend.
Mitchell streckte die Hand aus. „Konfisziert. Gehört nicht zur Ausrüstung."
Vashtu starrte ihn entgeistert an, dann öffnete sie die Tasche und holte den Detektor heraus. Heftiger als nötig knallte sie ihn in seine geöffnete Handfläche. „Und es heißt Lantianer!"
Mitchell verzog das Gesicht, betrachtete das Gerät kurz, dann trat er an ihr vorbei und legte es auf den Spint, in dem sich ihre Sachen befanden. „Nach der Übung können Sie es wiederhaben."
Sie nickte mit zusammengepreßten Lippen. „Tja, dann ..."
Mitchell drehte sich wieder zu ihr um. Eine seiner Brauen senkte sich nachdenklich. „Sie haben tatsächlich einen Tarnkappenbomber fünf Meter über den Boden auffangen können?"
Sie nickte gelassen und mußte in sich hineinschmunzeln über seinen Gesichtsausdruck. Dann wurde sie wieder ernst. „Wie sieht es mit erbeuteten Waffen und Munition aus? Darf ich die benutzen?"
Mitchell blinzelte. „Ja, wenn Sie es schaffen, etwas zu erbeuten, können Sie es verwenden. Sie dürfen alles verwenden, was Ihnen nützlich erscheint, solange sie die 3-0-2 nicht vollkommen auseinandernehmen, Miss Uruhk."
Wieder stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Gut."

***

Mitchell beobachtete, wie die schlanke Antikerin geschickt in den Jäger kletterte. Den Rucksack stellte sie hinter dem Pilotensitz ab, ehe sie sich setzte. Ihr Blick wirkte plötzlich sehr konzentriert, jede Spur von Humor war aus ihren Augen gewichen.
Irgendwie war diese Frau interessant. Er wurde nicht so recht schlau aus ihr, mußte er zugeben. Aber sie war interessant. Die Art, wie sie Teal'c gestern im wahrsten Sinne des Wortes verprügelt hatte, die Berichte über sie, die er gelesen hatte, die Sache damals in Silent ...
Andererseits aber hatte er sich in letzter Zeit des öfteren mit Major Collins, dem Leader von SG-15, unterhalten. Dieser war bis zur Geburt von SG-27 ihr Anführer gewesen. Und was der so über sie erzählte ... chaotisch, undiszipliniert, neigte zu Wutanfällen, betete man nicht ihren ach so überlegenen Verstand an.
Naja, sie war eine Antikerin, Lantianerin nach ihren eigenen Worten. Was hatten die denn schon groß getan, außer sich zu verteidigen? Oh ja, in defensiven Angelegenheiten waren sie gut, sehr gut sogar. Sie schützten ihr Leben und ihr Werk mit allen Mitteln - das hatte er selbst schon am eigenen Leib erfahren. Aber offensiv? Nein, und da würde diese Vashtu Uruhk auch keine Ausnahme bilden. Die Antiker waren in der Kriegsführung Schlaftabletten gewesen, zwar sehr ... effektive Schlaftabletten, aber immer noch alles andere als aufregend. Sie kochten lieber ihr eigenes Süppchen.
Okay, bei der Sache damals in Silent schien es nicht ganz so glimpflich abgelaufen zu sein, wobei nicht wirklich geklärt war, ob sie den Deputy so zugerichtet hatte. Und auch der Übungskampf gestern mit Teal'c ... Aber das war nichts als pures Glück. Auch ein blindes Huhn fand schon einmal ein Korn, oder nicht? Nie im Leben würde diese Farce von einem Manöver mehr als die Viertelstunde dauern, die sie Vorsprung haben würde.
Mit einem Puddlejumper in ein Manöver! Eine F-302 erst als lahme Ente bezeichnen und sich dann auch noch über das Design und einige, zugegebenermaßen existierende, kleine Fehler lustig machen. Und was wollte sie dagegen setzen? Einen Tarnmodus! Das war soetwas von typisch antikisch! Sich verkriechen, anstatt einmal wirklich einzustehen für das, woran man glaubte.
Mitchell fühlte, wie sich wieder Wut in sein Denken schlich. Sie konnte noch so überzeugt von sich selbst sein, er glaubte ihr nicht ein Wort. Einen Offiziersrang, weil sie dumm genug gewesen war, sich von einem durchgeknallten Irren entfuhren und fast zu Tode foltern zu lassen! Darum ging es doch letztendlich. Er hatte Jahre damit verbracht, sich mühsam in der Air Force hochzuarbeiten, und dann kam eine Antikerin, ließ sich irgendeine dämliche Spritze von dem Falschen verpassen und prompt schlugen im IOA alle Wogen hoch und man bot ihr diesen Posten an - weil sie den Kontrollstuhl auf Antarktica bedienen konnte - toll! Wozu dann überhaupt noch in die Air Force eintreten? Wozu die Schulbank drücken und sich drillen lassen? Da könnte er sich ja auch dieses dämliche Gen spritzen lassen. Aber wäre er dann dem IOA genauso wichtig? Nein, natürlich nicht! Sie besaß ja antikisches Blut und antikisches Wissen!
Mitchell schürzte die Lippen und kreuzte die Arme vor der Brust, während Vashtu den großen Helm über ihr strubbeliges tintenschwarzes Haar streifte. Sofort wirkte sie noch zerbrechlicher und kleiner als sie ohnehin schon war.
Sie sah zu ihm hinunter und hob fragend die Brauen.
„Ich schätze, wir sehen uns nachher." Mitchell nickte und wandte sich ab.
Er war sich ziemlich sicher, daß er diese Hetzjagd gewinnen würde. Und sie in einem hübschen Cocktailkleid zu sehen ... Da bestand schon ein gewisser Reiz.
Vashtu sah ihm stirnrunzelnd nach, befestigte dann das Atemgerät an ihrem Helm. Die gummiartige Masse saugte sich an ihren Wangen und Kinn fest, was sie dahinter das Gesicht verziehen ließ. Aber sie wußte auch, sie brauchte dieses Ding. In die Höhen, in die sie aufsteigen würde, würde die Luft ziemlich dünn sein. Und eine F-302 war alles andere als ein Jumper, und sie somit dem Andruck ausgeliefert, wenn auch nicht voll.
Sie stöpselte die Kabel ein und heizte die Triebwerke vor. Routinemäßig ging sie die Kontrollen durch, schenkte ihnen aber keine große Beachtung.
„Delta-Command, Rabbit-1 startklar", meldete sie über Funk, während sich die Cockpitkanzel auf sie niedersenkte.
„Rabbit-1, Sie haben Startfreigabe nach eigenem Ermessen."
Sie nickte, da fiel ihr Blick auf ein blinkendes Licht. Stirnrunzelnd tippte sie noch eine Anfrage in den Rechner ein. Das Licht erlosch nicht.
„Delta-Command, wie es aussieht, habe ich eine scharfe Waffe an Bord", meldete sie schließlich, nachdem sie die Routinen nochmals kontrolliert hatte.
Welcher Idiot hatte den Sprengkopf nicht entschärft?
„Sie haben was?"
„Ich habe hier eine scharfe Rakete, Command", wiederholte sie. „Abbruch?"
Eine andere Stimme mischte sich ein. „Negativ, Miss Uruhk. Sie starten wie besprochen." Taylor.
Na toll, soviel zur gleichen Bewaffnung für alle.
Vashtu knurrte einen Fluch in ihrer Muttersprache und bewegte den Steuerknüppel. „Sir, während einer Übung kann ich keine scharfe Waffe an Bord gebrauchen", versuchte sie zu erklären. „Ich möchte darum bitten, daß der Sprengkopf entschärft wird."
„Negativ. Sie starten jetzt, verstanden?"
Vashtu biß sich auf die Lippen. Das begann ja ein spaßiger Tag zu werden. „Ja, Sir." Sie versuchte, so wenig Emotion in ihre Stimme zu legen wie möglich, war sich jedoch nicht ganz sicher, ob ihr das gelang.
Zumindest hatte sie noch eine Rakete, besser als gar nichts.
Vashtu ließ den Jäger vom Boden abheben, beschleunigte und verschwand im blauen Himmel.

***

„Fox-Leader, wir starten jetzt", erklang Mitchells Stimme über den Lautsprecher.
O'Neill musterte noch immer aufmerksam Taylor. „Das war nicht ganz fair, Dick", sagte er.
„Sie wollte doch nur das Manöver abbrechen", entgegnete der, wandte sich zu dem anderen General um und schüttelte den Kopf. „Diese ganze Sache mit den Wraith und so, das ist doch ein Märchen von ihr."
O'Neill hob den Kopf. „Das denke ich nicht. Dieses Mädchen hat einiges auf dem Kasten. Wir tun ihr nur einen Gefallen, wenn wir sie allein da raus lassen. Aber wir werden uns sicher keine Freundin schaffen, wenn wir ihr Bewaffnung versagen. Denken Sie an die Berichte über sie, die ich Ihnen habe zukommen lassen."
„Ja, von ihrem Team, das ohnehin von ihr eingenommen ist, und von Lt. Colonel Sheppard, über dessen Akte wir uns wohl nicht weiter unterhalten müssen. Ich glaube nicht eine Sekunde, daß sie irgendeine scharfe Waffe an Bord hat."
„Sir, ich fürchte ..." Colonel Hamill, der Leiter des Delta-Postens, drehte sich um. Auf seinem Gesicht stand Ratlosigkeit zu lesen. Er wies auf einen Bildschirm.
O'Neill beugte sich vor und sah die Anzeige. „Soviel dazu, daß sie dieses Manöver abbrechen wollte. Sie HAT eine scharfe Waffe."

***

Vashtu hatte die F-302 zwischen einige, träge dahintreibende, Asteroidenstücke gelenkt und wartete, die Triebwerke fast im Leerlauf haltend.
Sie war sich ziemlich sicher, daß Mitchell und seine Leute sie nicht finden, wohl aber wissen würden, wo sie sie zu suchen hatten. Also würde sie versuchen, das beste aus der Sache zu machen und ihnen nicht in die Mündungen ihrer Waffen zu fliegen.
Tatsächlich, sie sah das Glühen der Triebwerke in den Tiefen des Alls auftauchen. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.
„Rabbit-1, hier Delta-Command", meldete sich in diesem Moment ihr Funkgerät.
Vashtu fluchte in ihrer Muttersprache, versuchte die Konzentration zu halten. „Ja, was gibt es", zischte sie ungeduldig.
„O'Neill hier. Vashtu, Sie hatten recht. Eine Störung hat den Sprengkopf nicht angezeigt, daher waren wir davon überzeugt, daß Sie sich geirrt haben."
„Habe ich das nicht gesagt?" Sie schüttelte ungeduldig den Kopf und schaltete ihr Mikro wieder frei. „Sir, bei allem Respekt, aber im Moment ist es etwas ungünstig, das auszudiskutieren."
„Sie dürfen die Rakete nicht abfeuern, verstanden?"
„Das ist mir klar, Sir."
Die gegnerischen Jäger kamen immer näher. Würde Mitchell sie im Asteroidenfeld vermuten? Sie war sich nicht sicher.
„Auf keinen Fall abschießen, Vashtu."
Langsam gab sie Schub, als die anderen Jäger an ihr vorbeischossen. „Sir, tut mir leid, aber jetzt nicht."
Sie flog eine enge Kurve, hielt sich immer noch möglichst im Schatten der Gesteinsbrocken und beschleunigte weiter.
Mitchell würde sie es schon noch zeigen! Für was hielt der sie eigentlich? Für eine dumme Pute? Sie hatte schon gegen Wraith gekämpft, als seine Vorfahren noch in Höhlen lebten! Und genau das würde sie ihm jetzt zeigen. Dieser Idiot hatte es nicht anders verdient!
Die anderen F-302 waren nicht mehr als kleine, blinkende Lichter. Doch je mehr Schub sie gab, desto größer wurden sie.
Noch immer hielt sie sich im Schatten der Asteroiden. Und sie wünschte sich, sie könne den Funkverkehr ihrer Gegner überwachen. Aber was nicht war, konnte ja noch werden ...
„Sehen Sie es als zusätzliche Schwierigkeit ..."
Ungeduldig schaltete sie das Funkgerät ab und senkte die F-302 in die Flugbahn der anderen. Dann gab sie noch mehr Schub und aktivierte die Bordgeschütze.

***

„Wo ist sie?" Mitchell blickte sich aufmerksam um.
Er war sich sicher gewesen, die Antikerin hier aufspüren zu können. Aber bis jetzt fehlte jede Spur von ihr. Was er überhaupt nicht verstand. Irgendwo mußte sie doch sein.
„Fox-7, Fox-7, Mayday!"
Mitchell fuhr in dem engen Cockpit herum und konnte gerade noch einen anderen Jäger sehen, der in einer verflucht engen Kurve die Richtung änderte.
„Fox-7, Fox-4, Sie sind getroffen. Ziehen Sie sich zurück", hörte er die Meldung des Command.
„Was?"
Wo war die 3-0-2? So plötzlich, wie sie aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden.
Mitchell fluchte unterdrückt. „Wo ist sie hin?" fragte er seinen Copiloten.
„Ich habe sie nicht mehr auf dem ... DA!"
Mitchell riß den Kopf hoch und starrte in das Mündungsfeuer eines auf ihn zurasenden Jägers. „Scheiße!" Er riß den Steuerknüppel herum und wich aus. „Neu formieren, aber schnell!" befahl er.
„Fox-2, Sie sind getroffen. Ziehen Sie sich zurück."
Mit zwei Angriffen hatte diese Frau tatsächlich drei Jäger ausgeschaltet ohne selbst einen Treffer einstecken zu müssen. Das ...
„Formation. Einer deckt den anderen. Bei Sichtkontakt sofort feuern", befahl er, senkte die F-302 zur Seite, um seine Position einzunehmen.
„Sie fliegt zum Planeten zurück", meldete Jennings, sein Copilot.
Wo, zum Teufel, wollte dieses Weib hin?

***

Vashtu nahm leicht die Geschwindigkeit zurück und beobachtete das Treiben hinter sich. Gut, drei F-302 waren aus der Formation ausgescherrt und kehrten offensichtlich, ohne sie weiter zu belästigen, zum Planeten zurück. Drei weniger, blieben noch fünf. Und das bedeutete, sie hatte noch zehn Gegner - erträgliche Zahl. Aber wenn es ging, würde sie diese noch weiter verringern.
Sie senkte den Jäger hinab in die Atmosphäre, nahm weiter Schub weg, sobald sie die oberen Schichten durchflogen hatte. Dann wartete sie.
Irgendwann würde Mitchell schon begreifen, daß sie die Nase voll von einem Kampf im All hatte. Wenn sie lange genug nicht zurückkehrte zu ihm und seiner Mannschaft würde er sich wohl gezwungen sehen, ihr doch nachzujagen.
Naja, zumindest vermutete sie das. Möglich, daß auch das Command eingreifen würde und einen von ihnen wieder in das Getümmel zurückbeorderte. Sie hoffte in diesem Fall, daß Mitchell derjenige sein würde, der fliegen mußte.
Vashtu nutzte die Pause, die ihr Manöver ihr gebracht hatte, und öffnete eine der Innentaschen ihrer Überlebensweste. Dann zog sie ein kleines, tragbares Gerät heraus und aktivierte es gedanklich, ehe sie es hinter den Steuerknüppel klemmte und breit grinste.
Soviel dazu, daß man ihr den Energiedetektor abgenommen hatte. Jeder Jumper verfügte schließlich über mindestens ein solches Gerät - und auf dem Herweg war sie einen Jumper geflogen.
Einige kleine Pünktchen näherten sich ihrer Position.
„Braver Junge", lobte sie Mitchell, beschleunigte wieder und ließ die F-302 über die Planetenoberfläche schießen wie eine Kanonenkugel. Dabei fiel ihr ein, daß das Funkgerät noch immer ausgeschaltet war.
Ein ziemlich dicker Minuspunkt, falls das jemand herausfand.
Sie klappte den Schalter wieder um und seufzte ergeben. Irgendwie sehnte sie sich gerade sehr nach Dorns ruhiger Stimme mit seinen knappen Meldungen.
„Delta-Command, Rabbit-1", sagte sie schließlich. „Es muß eine Funkstörung gegeben haben. Ich konnte Sie nicht hören." Um den Rechner würde sie sich später kümmern.

***

„Es schon ein nettes Häschen, das wir da jagen. Was, Sir?"
Mitchell brummte unwillig und behielt die Anzeigen im Auge.
Ja, diese Antikerin sah wirklich nicht schlecht aus, wie bereits gedacht. Aber daß sie so offensichtlich Glück hatte, und das gegen erfahrene Kampfpiloten, das ging über seinen Verstand.
Er erinnerte sich an den Rundflug, den sie in dem Jumper veranstaltet hatte auf dem Herflug. Es mußte wohl genehmigt worden sein, soweit er das verstanden hatte. Die Frage war nur, warum sollte man soetwas genehmigen?
Na schön, sie hatte einige recht nette Einlagen geflogen, nachdem O'Neill sie darum bat. Aber nichts hatte darauf hingedeutet, mit welchem Affenzahn sie durch den Weltraum heizte - und mit welcher Präzession sie drei seiner 3-0-2 ausgeschaltet hatte.
Allmählich kamen ihm doch Zweifel. Er hatte gedacht, dieses unsinnige Manöver so schnell wie möglich beenden zu können. Aber solange sie hinter dem Steuerknüppel einer 3-0-2 saß würde es wohl etwas länger dauern. Seine Hoffnung war es jetzt, Vashtu so schnell wie möglich auszuschalten, wenn sie in den Bodenkampf übergingen.

***

O'Neill mußte ein Lachen unterdrücken, als er Vashtus Funkmeldung hörte.
Funkprobleme, natürlich! Im Eifer des Gefechtes hatte er sich selbst vergessen und sie sehr wahrscheinlich abgelenkt. In seiner aktiven Zeit hätte er nicht viel anders gehandelt.
Trotzdem, wenn man ihr nachweisen konnte, daß sie ihr Funkgerät ausgeschaltet hatte, würde das bei der Beurteilung dieser Übung nicht sehr gut aussehen.
„Die verbliebenen Jäger sind jetzt alle wieder in der Atmosphäre", meldete Hamill.
O'Neill behielt gespannt die Anzeigen im Auge. Er war sicher, die Antikerin würde sie nochmal überraschen, wie sie es schon mit ihrem Überfall auf die Staffel getan hatte.
„Ein sehr interessantes Manöver", kommentierte Walker. „Ich hätte nicht gedacht, daß sie da mit heiler Haut herauskommt."
O'Neill nickte zustimmend.
Ja, das war sein Mädchen!

***

Vashtu flog einen langen Bogen, aktivierte die Bordgeschütze wieder. Ihr Finger schwebte auch kurz über dem Schalter für die eine Missile die ihr überhaupt gegeben war, dann aber zog sie ihn wieder zurück, gab zusätzlichen Schub und raste der geschrumpften Staffel entgegen.
Mal sehen, ob sie nicht vielleicht sogar Mitchell vom Himmel holen konnte. Beim letzten Mal hatte er nur Glück, daß eine andere F-302 sich zwischen sie geschoben hatte. Ob das dieses Mal wieder passieren würde?
Am Horizont tauchte die langgezogene Formation auf. Vashtu nickte beeindruckt, legte den Jäger in eine weite Kurve und ging tiefer. Als sie das Gefühl hatte, der Bauch der Maschine streife die Baumwipfel unter ihr, wechselte sie wieder auf ihren alten Kurs und behielt die Anzeigen auf dem Detektor im Auge.
Wie nicht anders zu erwarten, lösten sich zwei F-302 aus der Formation und kamen ihr direkt entgegen - nur etwas höher als sie. Offensichtlich wollten sie ihre Raketen loswerden.
Und sei es drum!
Vashtu wartete, behielt Kurs, Höhe und Geschwindigkeit bei. Als ein kurzer Ton ihr mitteilte, daß sie im Fadenkreuz von mindestens einem Gegner war, riß sie das Steuer herum. Die weiten Flügel der Maschine rasierten die Baumwipfel. Sie zog den Knüppel an sich heran und raste im Senkrechtflug direkt hinter den beiden Maschinen in den blauen Himmel hinein. Eine Millisekunde später lag die F-302 direkt hinter den beiden. Die Bordgeschütze feuerten kurz, dann riß sie den Jäger wieder zur Seite weg und gab Schub dazu. Wie ein Pfeil schoß sie dicht über den Wäldern davon.

***

"Fox-3, Sie wurden getroffen. Rückkehr zum Delta-Command. Fox-5, sie wurden schwer beschädigt. Ebenfalls Rückkehr."
Mitchell fluchte wieder, kniff die Lippen zusammen.
Das gab es doch nicht! Diese Frau flog wie eine Irre! Sie war mehr als einmal kurzzeitig in der Schußlinie gewesen, aber viel zu weit weg, als daß er präzise hätte schießen können.
„Das Häschen ist gut!" Jennings hinter ihm war offensichtlich beeindruckt.
Mitchell knurrte wieder unwillig.
Dann sollte sie eben gut sein, er war es auch. Und er würde ihr schon zeigen, wer hier der Boß ...
Ein langgezogenes Klingeln riß ihn aus seinen Gedanken.
„Scheiße, die feuert auf uns!" Jennings hinter ihm geriet in hektische Betriebsamkeit.
Eine Rakete hielt auf sie zu.
Mitchell kniff die Lippen zusammen und holte aus seiner Maschine das letzte, was er kriegen konnte, heraus, riß sie dann hoch und hoffte einfach nur das beste. Und dieses Mal hatte er tatsächlich Glück.
Die ungefährliche Rakete jagte knapp unter seiner Maschine durch und fiel in die Bäume.
Jennings atmete hörbar auf.
„Jetzt reicht es mir aber!" schimpfte Mitchell los, riß die Maschine herum und jagte der Antikerin nach, die schon fast wieder den Horizont erreicht hatte.
„Fox-Leader, Delta-Command, kehren Sie in Formation zurück!" sagte eine Stimme über Funk.
„Fox-Geschwader, folgen", befahl er dagegen mit knirschenden Zähnen. „Das Mädchen machen wir platt!"

***

Schade, ihr Plan hatte nicht geklappt. Aber die Schwächen der F-302 herauszufinden und gegen sie einzusetzen, bereitete ihr allmählich Spaß - solange sie nicht betroffen war.
Vashtu beschlich allerdings das Gefühl, die letzte Attacke könnte eine zuviel gewesen sein. Die Jäger folgten ihr, konnten sie zwar nicht einholen, aber sie folgten ihr.
Und was jetzt?
Vashtu kam ein Gedanke. Grinsend aktivierte sie die zweite Rakete, schaltete dann ihr Funkgerät wieder auf Senden: „Delta-Command, Rabbit-1. Ich habe ein Problem mit meiner Maschine. Werde landen, wenn ich es noch kann. Rabbit-1 Ende."
Am Horizont tauchte die zerklüfftete Bergkette auf, die sie bereits bei ihrem ersten Flug über den Planeten in Erwägung gezogen hatte.
Vashtu ließ etwas Treibstoff ab, damit ihre Düsen schön dampften, dann begann sie zu zählen, den Finger immer noch über der Abschußvorrichtung der scharfen Rakete. Als sie bei zehn angekommen war, drückte sie den Knopf und beobachtete, wie ein weißer Kondensstreifen vor ihr die Luft durchschnitt und in den Wald eintauchte.
Sie ließ die Maschine etwas trudeln, senkte sie bis auf die Baumspitzen ab.
Kurz vor ihr krachte es, als die Rakete detonierte. Ein gewaltiger Feuerpilz schraubte sich in die Luft.
Vashtu grinste noch breiter, beschleunigte und raste mitten durch die Flammenwand, um dann Schub wegzunehmen und den Kurs leicht zu ändern. Jetzt flog sie, so niedrig wie möglich, Richtung Bergkette.

***

„Scheiße!"
Mitchell starrte auf den Feuerpilz vor sich. „Oh Mann!" stöhnte er auf.
Das konnte keiner überlebt haben. Die Antikerin mußte tot sein. Wie auch immer sie das geschafft hatte.
„Delta-Command, Fox-Leader", meldete er an den Kommandoposten mit bedrückter Stimme, „ich schätze, Miss Uruhk hat ihren Jäger in die Bäume gejagt."
„Was ist passiert?" ließ sich jetzt O'Neill vernehmen.
Mitchell umflog die Flammenwand, die sich immer noch in den Himmel schraubte. „Keine Ahnung. Die 3-0-2 begann zu trudeln und streifte die Baumwipfel. Dann war sie plötzlich weg und das Feuer brach aus."
„Können Sie irgendetwas erkennen?"
Mitchell sah aufmerksam aus dem Fenster und umkreiste das Feuer noch einmal. „Negativ, Delta-Command. Ich schlage vor, die verbliebene Fox-Einheit begibt sich auf die Suche. Vielleicht ist Miss Uruhk doch mit dem Schleudersitz ausgestiegen. Haben Sie noch irgendetwas auf dem Schirm?"
„Nur Störflecken, Colonel. Aber wir hoffen das beste."
Mitchell biß die Zähne zusammen und wandte seinen Blick vom Feuer ab, um irgendwo in der Umgebung einen Landeplatz zu finden.

***

„Scheiße!"
Mitchell starrte auf den Feuerpilz vor sich. „Oh Mann!" stöhnte er auf.
Das konnte keiner überlebt haben. Die Antikerin mußte tot sein. Wie auch immer sie das geschafft hatte.
„Delta-Command, Fox-Leader", meldete er an den Kommandoposten mit bedrückter Stimme, „ich schätze, Miss Uruhk hat ihren Jäger in die Bäume gejagt."
„Was ist passiert?" ließ sich jetzt O'Neill vernehmen.
Mitchell umflog die Flammenwand, die sich immer noch in den Himmel schraubte. „Keine Ahnung. Die 3-0-2 begann zu trudeln und streifte die Baumwipfel. Dann war sie plötzlich weg und das Feuer brach aus."
„Können Sie irgendetwas erkennen?"
Mitchell sah aufmerksam aus dem Fenster und umkreiste das Feuer noch einmal. „Negativ, Delta-Command. Ich schlage vor, die verbliebene Fox-Einheit begibt sich auf die Suche. Vielleicht ist Miss Uruhk doch mit dem Schleudersitz ausgestiegen. Haben Sie noch irgendetwas auf dem Schirm?"
„Nur Störflecken, Colonel. Aber wir hoffen das beste."
Mitchell biß die Zähne zusammen und wandte seinen Blick vom Feuer ab, um irgendwo in der Umgebung einen Landeplatz zu finden.

***

Vashtu senkte den Feldstecher und nickte ihre Sonnenbrille wieder auf die Nase. Ein breites Grinsen lag auf ihrem Gesicht, als sie sich wieder der F-302 zuwandte, die sie unter einem überhängenden Felsvorsprung geparkt hatte. Kurz berührte sie die Com-Taste ihres Funkgerätes.
„Delta-Command, Rabbit-1", meldete sie sich, während sie wieder in die Maschine kletterte.
„Vashtu? Sind Sie das wirklich?" General O'Neill klang nun wirklich erstaunt.
Sie kletterte auf den Pilotensitz und ließ sich dann nach unten rutschen. In den Taschen ihrer Überlebensweste tastend, betrachtete sie den Rechner der F-302 aufmerksam.
„Ja, Sir, ich bin es", antwortete sie, brachte endlich einen Schraubendreher aus einer ihrer Taschen und begann, das Gehäuse aufzuschrauben. „Tut mir leid wegen dem Feuer, Sir. Die scharfe Missile hatte wohl ... eine Fehlfunktion."
Warum sahen Militärs eigentlich so wenige militärische Filme? Die Idee für dieses Ablenkungsmanöver war ihr gekommen, als sie sich erinnerte, einen solchen im Fernsehen gesehen zu haben. Gut, da war es ein Helicopterkampf gewesen, aber mit Jägern klappte der Trick offensichtlich auch.
„Eine Fehlfunktion." O'Neills Stimme klang trocken.
Aus einer weiteren Tasche förderte sie eine Taschenlampe hervor, nachdem sie das Gehäuse aufgeschraubt hatte, und beleuchtete das Innenleben des Rechners.
„Ja, Sir."
„Zumindest leben Sie."
„Das ist richtig, Sir."
Da war der Speicherchip. Wieder bemühte sie die Tiefen der Taschen.
„Wo sind Sie jetzt?"
Vashtu zögerte, während sie an den Eingaben manipulierte. Sie wollte ihre Position nicht sehr gern weitergeben, solange sie sich nicht wirklich sicher war, daß man sie nicht auch ihren Jägern geben würde.
„Ich sehe es", sagte O'Neill, was sie mit einem Fluch kommentierte. „Gut, dann zeigen Sie jetzt einmal, was Sie im Bodenkampf so drauf haben."
„Sir?"
„Ja?"
Vashtu zögerte, biß sich kurz auf die Lippen.
Wenn sie sich daran erinnerte, wie ihr teilweise in ihrer Zeit mitgespielt worden war, war ihr Mißtrauen durchaus berechtigt. Aber, waren die Menschen auf der Erde wirklich genauso? Würde man ihre Position verraten, um sie schlechter abschneiden zu lassen?
O'Neill traute sie. Er hatte sich bisher immer für sie stark gemacht und ihr geholfen, wenn er konnte. Schon bei ihrem ersten Treffen, kurz nachdem sie auf der Erde angekommen war, war er ihr sympatisch gewesen.
Die Frage war eher, wie weit reichte seine Befugnis in diesem Manöver?
„Was gibt es, Rabbit-1?" wiederholte der General seine Frage.
„Sie ... Sie geben meine Position doch nicht weiter, oder? Ich brauche hier noch ein bißchen Zeit", sagte sie endlich.
„Es gibt keinen Kontakt zwischen Ihnen und der Fox-Einheit, auch über uns nicht. Aber wenn Sie erlauben, würden wir gern Colonel Mitchell darüber informieren, daß Sie noch leben", erklärte O'Neill mit ruhiger Stimme.
Vashtu seufzte und fragte sich, warum ihr überhaupt Zweifel gekommen waren. Doch die Antwort kannte sie selbst. Es war die scharfe Waffe gewesen und die Tatsache, daß man ihr offensichtlich nicht zutraute, die Daten richtig zu lesen. Das hatte sie an Ereignisse erinnert, die zehntausend Jahre zurücklagen.
Sie schraubte das Gehäuse wieder zu und steckte es zurück in seine Verbindung. „Meinetwegen, Sir. Wenn er sich Sorgen macht." Sie rutschte wieder auf den Sitz zurück und machte sich an ihre nächste Aufgabe.

***

„Sie tut was?" Mitchell blieb stehen und starrte vor sich hin. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, gleichzeitig aber steigerte sich seine Wut auf die Antikerin. Wieder ließ sie ihn wie einen Schuljungen aussehen, ihn! Einen erfahrenen Kampfpiloten.
„Sie haben richtig gehört. Sie meldete eine Fehlfunktion der Missile und verschwand von den Monitoren, als diese hochging. Sie hat sich in Sicherheit gebracht, Colonel", erklärte O'Neill ihm noch einmal.
Mitchell fluchte, was von Jennings mit einem Stirnrunzeln kommentiert wurde.
„Sie werden jetzt in den Bodenkampf übergehen", fuhr O'Neill fort. „Viel Glück."
„Na toll!" Mitchell beschlich das Gefühl, daß Vashtu das ganze genau so geplant hatte. Daß er wieder in der Defensive war und nicht wußte, wie er sich herauskämpfen sollte. Und ihm fielen die Berichte über sie ein.
Nahkampferfahrung. Gegen Sheppard hatte sie sich auf Atlantis wie eine Partisanin durchgesetzt und einen nach dem anderen aus seinem Team ausgeschaltet. Der militärische Leiter des Außenpostens selbst hatte nur eine Chance gegen sie gehabt, weil er sich, ebenso wie sie, allein durchschlug.
Na toll! Diese Frau hatte fast im Alleingang ein Wraith-Mutterschiff zerstört. Sie hatte auf ihrer ersten eigenen Mission einen recht gefährlichen Warlord ausgeschaltet, obgleich sie ihre eigene Rolle in diesem Unternehmen ziemlich heruntergespielt hatte. Diese Frau hatte im Alleingang den Trust zumindest soweit aufgemischt, daß sie ihren Entführern entkommen konnte.
War sie doch nicht so ... harmlos, wie er gedacht hatte? Aber warum hatte dann Collins immer wieder betont ...
Sie hatte die Jäger beleidigt! Sie hatte in einer fliegenden Mülltonne in ein Manöver gehen wollen! Sie wurde vom IOA hofiert wie eine Königin!
Mitchell kniff kurz die Lippen zusammen, drückte die Com-Taste. „Alle Mann zu mir. Die Vermißte lebt und ist wohlauf."
Jennings nickte beeindruckt. „Ein wirklich gewitztes Häschen."
Mitchell warf seinem Copiloten einen mörderischen Blick zu.

***

Vashtu kletterte einen Baum hinauf und ließ sich in dessen Krone nieder. Dann holte sie ihren Feldstecher hervor und suchte mit seiner Hilfe irgendeinen Anhaltspunkt, wo ihre Verfolger sich wohl verstecken mochten.
Noch immer qualmte die Stelle, an der die Rakete auf dem Boden aufgetroffen war. Der Rauch behinderte etwas ihre Sicht. Doch sie sagte sich, wenn es sie behinderte, würde es auch Mitchell und seine Füchse behindern.
Da! Hinter einem Busch schien sich etwas zu bewegen.
Vashtu grinste, steckte den Feldstecher wieder ein und holte den Detektor heraus. Nachdem sie ihn in die Richtung gehalten hatte, war sie sehr zufrieden mit sich und ihrem Tag.
Als nächstes würde sie sich den Kopf ihrer Verfolger schnappen. Mal sehen, ob Mitchell sie immer noch ärgern würde, wenn sie seiner habhaft geworden war. Und niemand hatte ihr verboten, Gefangene zu nehmen.
Sie kramte einen Energieriegel aus eine ihrer Taschen, öffnete ihn und biß herzhaft hinein. Zum ersten Mal schmeckte das Zeug ihr und sie kaute lächelnd darauf herum.
Mitchell wußte nicht, worauf er sich eingelassen hatte, als er sie beleidigte. Aber bald würde er es erfahren.

***

„Warum kommt jetzt nichts mehr von ihnen?" fragte Woolsey nervös.
„Abwarten." O'Neill lehnte sich entspannt zurück.
„Aber ..."
„Abwarten", wiederholte der Brigade General. „Sie müssen sich erst einmal einrichten und die Lage sondieren. Dann geht der Kampf weiter."
„Ob sie tatsächlich gegen acht gestandene Männer bestehen kann?" Woolsey sah sich zweifelnd in der Runde um.
O'Neill preßte nachdenklich die Lippen aufeinander, um ein Grinsen zu unterdrücken. Schweigend nickte er. „Da bin ich mir sogar ziemlich sicher." Er sah wieder den Zivilisten an. „Ich frage mich nur, warum sie es so auf MItchell abgesehen hat. Da scheint irgendetwas zwischen ihnen vorgefallen zu sein vor dem Manöver."

***

Vashtu prüfte noch einmal das Garn auf seine Reißfestigkeit. Immerhin schien es ausreichend zu sein. Alles weitere würde sich ergeben. Dann rollte sie die kleine Rolle ab und brachte die Stolperfalle an. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk und schmunzelte.
Jetzt mußte sie nur noch Mitchell herlocken. Was danach kam ... Nun, das kam eben danach. Auf jeden Fall hatte sie alles vorbereitet und er würde sich wahrscheinlich schwarz ärgern. Aber wenn man sie reizte, mußte man eben damit leben, was sie tun würde. Und Mitchell hatte sie mehr als nur gereizt mit seiner Art.
Sie huschte in die Büsche zurück und zog den Detektor wieder aus der Brusttasche.
Gut, die acht Punkte hatten sich weit aufgefächert, so wie sie es schon vorher beobachtet hatte. Und ihre kleine Falle lag an Mitchells Weg. Jetzt mußte sie ihn nur noch aufmerksam machen und hoffen, daß sie ihn inzwischen auch genug gereizt hatte. Dann konnte sie ihn schön einsammeln und sich an seinem Vorrat bedienen. Und sie hätte ein Funkgerät, mit dem sie den Rest der Truppe belauschen konnte.

***

Mitchell hatte sich wieder soweit im Griff, daß er zumindest auf die Suche nach seiner Beute gehen konnte, ohne befürchten zu müssen, sie würde ihn frühzeitig entdecken. Vorsichtig schlich er durch den dichten Wald und sicherte nach allen Seiten.
Ihm schien es der beste Weg zu sein, seine verbliebenen Männer aufzufächern und sie auf diese Weise einzukreisen, auch wenn es nicht der übliche Weg war, den er beschritt. Aber eine besondere Gegnerin erforderte besondere Maßnahmen. Sicher war sicher. Und nachdem er sich an Sheppards Bericht erinnert hatte, war ihm klar geworden, daß er seine Männer vielleicht in ein offenes Messer würde laufen lassen, hätte er sie in Gruppen eingeteilt. Also sollte jeder für sich allein sehen, ob es ihm nicht gelang, die Antikerin aufzuscheuchen. Denn er war sich ziemlich sicher, daß sie den Wald, und damit die Deckung, nicht verlassen würde, solange sie acht Männer gegen sich hatte. Selbst wenn ihre Aufgabe von jetzt an bedeutete, sich zum Kommandoposten zurückzuschlagen. Das wäre selbst ihm zu heiß!
Ein Energieblitz schlug in einen der Bäume an seiner Seite ein. Fluchend fuhr er herum und konnte einen davonhuschenden Schatten ausmachen.
Vashtu Uruhk!
Mitchell knurrte einen Fluch. „Ich schätze, ich habe sie gefunden", meldete er seinen Männern über Funk, jagte ihr dabei bereits nach durch dichtes Strauchwerk. Noch immer war da ein dunkler Schatten irgendwo vor ihm, doch dann verschwand er abrupt.
Mitchell stolperte über eine Wurzel, fing sich wieder.
Na warte!
Er hastete weiter, immer noch in Richtung des Schattens. Da stolperte er wieder, versuchte sich mit dem anderen Fuß zu fangen. Doch das Bein wurde ihm unter dem Körper weggerissen und die Welt stellte sich urplötzlich auf den Kopf. Mit aller Kraft umklammerte er immer noch die P-90, die er als Hauptwaffe trug.
Verdammt, er war tatsächlich in eine Falle gelaufen!
„Hallo, Colonel", begrüßte ihn eine kühle, dunkle Frauenstimme, dann tauchte sie in seinem Blickfeld auf, während er herumschwang. Das Zak'Ni'Tel in ihrer Hand leuchtete auf.

***

„Der Colonel ist verschwunden, Sir", meldete Jennings' aufgeregte Stimme.
O'Neill hob den Kopf. Hatte er es sich doch gedacht. Er schmunzelte.
Nun ja, sollten die beiden es unter sich austragen, was auch immer da vorgefallen war.
„Irgendetwas zu sehen?" fragte Taylor.
„Naja, er scheint noch zu leben. Seine Anzeigen sind jedenfalls normal." Hamill zuckte etwas ratlos mit den Schultern.
„Sieht aus, als habe sie eine Stolperfalle gebaut, Sir", meldete sich Jennings wieder. „Hier ist überall Bindfaden."
O'Neill wandte sich schmunzelnd ab und biß sich auf die Lippen.
Das also hatte Mitchell angerichtet. Allmählich klärte sich das Bild für ihn. Die alte Rambo-Masche. Da war er bei der Antikerin an die richtige Adresse geraten.
Reaves drehte sich zu ihm herum. „Diese Frau scheint wirklich über außergewöhnliche Qualitäten zu verfügen. Schade, daß Sie sie für Ihr Programm haben wollen. Ich könnte inzwischen fast den Eindruck gewinnen, bei den Seals käme sie sehr gut zurecht."
Das Gefühl allerdings hatte O'Neill auch.
Aber er war zuerst gekommen. Dieses Mal würde man ihm nicht wieder seinen persönlichen Günstling vor der Nase wegschnappen. Bei Sheppard war er zu nachgiebig gewesen und hatte Weir selbst auf ihn aufmerksam gemacht. Das würde ihm dieses Mal nicht wieder passieren! Die Antikerin war, gut, unter anderem, seine Entdeckung, und dieses Mal würde er sie mit Klauen und Zähnen verteidigen! Sie würde ihm nicht wieder durch die Lappen gehen, das hatte er sich schon vor einer Weile geschworen und sich deshalb dermaßen für sie eingesetzt. Und bisher hatte sie seine Erwartungen erfüllt, gut, vielleicht nicht immer, aber ihr war es sogar gelungen, diese kleine Nervensäge Babbis halbwegs zu zähmen, und selbst die wandelnde Katastrophe Wallace löste nicht jede Sekunde auf fremden Planeten einen neuen Krieg aus - ganz zu schweigen von ihrem beachtlichen Können mit dem Kontrollstuhl und mit diversen Fluggeräten. Nein, nein, dieses Mal war er schlauer und würde jedem auf die Finger hauen, der seine Hand auch nur in ihre Richtung ausstreckte - vielleicht einmal abgesehen von Sheppard selbst ...
„Miss Uruhk ist für die Verteidigung des Planeten wichtig. Sie ist die einzige, die wirklich und ohne große Anstrengung mit dem Kontrollstuhl auf Antarktica umzugehen weiß. Ich kann sie nicht einfach in Krisengebiete schicken, Dan", entgegnete er.
Reaves nickte und zog ein bedauerndes Gesicht. „Schade. Aber ihre Fähigkeiten als Pilotin wären bei uns sowieso verschwendet."
„Stimmt." O'Neill sah zu Woolsey hinüber, der gespannt und mit blassem Gesicht auf seinem Stuhl hockte und den weiteren Funkmeldungen lauschte.
Runde Nummer eins ging eindeutig an ihn. Und auch die nächsten würden an ihn gehen. Dieses Mal kam ihm nicht wieder irgendein weit entfernter Außenposten dazwischen. Dieses Mal würde er die Chance nutzen und Vashtu Uruhk zu einer guten Offizierin heranziehen, so wie sie bereits eine gute Leaderin war.

***

Vashtu hockte auf dem Flügel ihrer F-302 und betrachtete genau die Ausrüstung, die sie Mitchell abgenommen hatte, als sie ein Stöhnen vom Pilotensitz ihres Jägers vernahm. Mit einem breiten Grinsen drehte sie sich um und beugte sich über ihn.
„Guten Morgen, Colonel. Ausgeschlafen?"
Mitchell blinzelte und verzog schmerzhaft das Gesicht. Dann klärte sich sein Blick. „Sie!" Er ruckte vor, doch weit kam er nicht. Irritiert blickte er an sich herunter und stieß einen Fluch aus, als er die Fesseln sah, mit denen er am Pilotensitz festgemacht war.
Vashtu legte die Arme auf die Umrandung der Kanzel und stützte ihr Kinn darauf. „Ich hoffe, Sie haben es nicht allzu unbequem, Colonel."
„Ich werde Sie ..."
„Nichts werden Sie!" Vashtu schüttelte den Kopf. „Falls Sie denken, Sie können mit dem Command in Kontakt treten, haben Sie sich geirrt. Ich habe das Funkgerät manipuliert, ebenso wie ich die nötigen Verbindungen gekappt habe, um den Jäger zu starten. Auch die Schleudersitze funktionieren nicht mehr, falls Sie daran gedacht haben sollten. Sie sind jetzt mein Gefangener, Colonel, tut mir leid."
Mitchell starrte sie wieder an. „Und was weiter? Kommt jetzt simulierte Folter?"
In ihren Augen glomm kurz Schmerz, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich wollte Sie nur aus der Schußlinie haben, ehe ich mich um den Rest Ihrer Männer kümmere. Sie dürfen gern mithören, wenn Sie möchten."
Mitchell spannte die Kiefer an. „Wenn Sie denken, daß meine Leute, wenn der Anführer fehlt, den Kopf verlieren, haben Sie sich getäuscht. Alle haben sie Einzelkämpferqualitäten und wissen, was sie tun."
Vashtu nickte. „Klar. Und wieviel Erfahrung haben sie? Auch zehntausend Jahre?" Bissiger Humor schwang in ihrer Stimme mit.
„Geben Sie nicht so an!" Mitchell wandte den Kopf und starrte stur nach vorn.
„Ich gebe nicht an, Colonel Cameron Mitchell. Ich will Ihnen nur begreiflich machen, daß Sie vollkommen auf dem Holzweg sind, und das von Anfang an." Ihre Stimme wurde kühler. „Auch wenn es für Sie bequem ist, ich bin kein dummes Frauchen, klar? Ich habe schon gegen ganze andere Gegner als Sie gekämpft, als Ihre Vorfahren noch in Höhlen lebten. Und ich mag es nicht, wenn man sich über mich lustig macht."
Mitchell sah sie wieder von der Seite an. „Für Ihr Alter haben Sie sich verdammt gut gehalten, Miss Uruhk." Er grinste, wurde dann aber wieder ernst. „Und bis jetzt haben Sie nichts als Glück gehabt, das schwöre ich Ihnen! Sie mögen zehntausend Jahre verschlafen haben und jung geblieben sein, aber nur mit Verkriechen und Weglaufen ... da werden Sie nicht weit kommen!"
Sie drehte sich von ihm weg und schlug mit ihrem Hinterkopf gegen das Chassis. Sie stöhnte leise. „Sie werden es nie lernen." Dann sprang sie mit Schwung vom Flügel hinunter und kniete sich hin, um die Gegenstände, die sie gebrauchen konnte, auszusortieren.
„Und was haben Sie jetzt vor? Sie kommen nicht bis zum Kommandoposten, das schwöre ich Ihnen", rief Mitchell ihr zu.
Vashtu achtete nicht mehr auf ihn, griff sich sein Funkgerät und betrachtete es aufmerksam. Dann steckte sie es in ihre Überlebensweste, packte auch noch seine Granaten dazu. Den Rest fegte sie in ihren Rucksack, den sie unter dem Fahrwerk der F-302 so plazierte, daß er auf den ersten Blick nicht zu sehen war. Dann kletterte sie wieder auf den Flügel und richtete sich auf.
„Hören Sie sich nur gut an, ob ich durchkomme oder nicht, Colonel. Etwas anderes wird Ihnen wahrscheinlich auch nicht übrig bleiben, ganz nebenbei bemerkt. Und das nächste Mal sollten Sie sich genau überlegen, ob Sie eine Frau beleidigen, wenn Sie eine treffen."
Damit klappte sie die Kanzel zu und verriegelte sie von außen. Mitchells wütende Rufe klangen dumpf zu ihr hinaus. Sie klopfte gegen das durchsichtige Material und winkte ihm freundlich lächelnd zu. Dann sprang sie vom Flügel herunter und verschwand im Wald.

***

„Lassen Sie uns einen Kaffee trinken gehen", schlug O'Neill vor und erhob sich. Sich streckend ging er zur Tür hinüber, drehte sich dann um sah, daß die anderen Militärs ihm folgten. Nur Woolsey blieb zurück und betrachtete stirnrunzelnd die verschiedenen Anzeigen auf den Bildschirmen.
„Mr. Woolsey?" fragte O'Neill.
Der blickte auf, schien tatsächlich einen Moment lang verwirrt, dann schüttelte er den Kopf. „Ich bleibe hier, für alle Fälle. Kann ja was unvorhergesehenes passieren."
O'Neill wechselte einen Blick mit dem Admiral, zuckte dann mit den Schultern. „Wie Sie meinen, Mr. Woolsey."

***

Vashtu schlich durch das dichte Unterholz, in einer Hand den Detektor, in der anderen die ZAT, und beobachtete aufmerksam die Verteilung der blinkenden kleinen Punkte um sie herum.
Mitchells Stellvertreter hielt sich nicht weiter an die Anweisungen des Colonels. Er hatte die verbliebenen Männer in Zweierteams aufgeteilt, was ihr die Arbeit auf der einen Seite zwar erschwerte, auf der anderen aber auch erleichterte.
„Sind Sie denn sicher, daß der Colonel noch lebt?" fragte eine Stimme aus dem Äther.
Vashtu runzelte die Stirn. Eine Weile schon belauschte sie dieses merkwürdige Gespräch über Funk. Mit diesem Woolsey würde sie wohl auch noch ein Wörtchen zu reden haben, schien es. Er schätzte sie vollkommen falsch ein.
„Hören Sie, wenn Rabbit-1 Colonel Mitchell tatsächlich gefangen genommen hat, wird sie ihm auch nicht ermöglichen, seinen Standort preiszugeben, Mr. Woolsey", erklärte jetzt die Stimme von Jennings. „Ihm wird nichts weiter passiert sein als verletzter Stolz, und den hatte er schon vorher."
„Aber trotzdem!"
Vashtu duckte sich noch tiefer und steckte den Detektor wieder ein.
Da war Jennings, an seiner Seite einer der anderen Piloten, der, dem stellvertretenden Anführer den Rücken zugewandt, auf einem umgestürzten Baumstumpf hockte und einen Energieriegel verspeiste. Ein Sturmgewehr hing um seinen Hals.
Vashtu kroch so leise und vorsichtig wie möglich weiter und beobachtete das Treiben. Ihre freie Hand glitt in die Tasche, in der sie das Funkgerät versteckt hielt, und schaltete es vorsichtig aus. So nahe, wie sie den beiden jetzt war, konnte es zu Rückkopplungen kommen, die sie verraten würden. Und sie wollte diesen Vorteil auf keinen Fall aufgeben.
„Nein, Mr. Woolsey, das ist eine ganz normale Taktik, glauben Sie mir. Das hat nichts, aber auch gar nichts, mit irgendwelchen Fähigkeiten zu tun."
Vashtu drückte sich gegen die lockere Erde, versank im verrottenden Laub und starrte gebannt nach vorn.
Jennings stand in der Mitte der kleinen Lichtung und wirkte recht genervt, was sie ihm auch nicht verdenken konnte. Diesen Funkkontakt wünschte sie ihm beileibe nicht.
Aufmerksam sah sie sich um und runzelte die Stirn.
Mit der ZAT würde sie beide auf einmal nicht ausschalten können, zumal sie nicht dicht genug beieinander standen. Und darauf vertrauen, daß sie es irgendwann einmal tun würden ... Nein, sie mußte sich etwas anderes einfallen lassen.
Ihre Finger tasteten über die Taschen ihrer Überlebensweste und fanden schließlich, was sie suchte. Vorsichtig zog sie eine der Granaten hervor und wog sie abschätzend in der Hand. Ein listiges Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht.
„Warum fragen Sie denn keinen der Generäle, Sir?" Jennings verdrehte die Augen gen Himmel und seufzte. „Die werden doch wahrscheinlich besser Bescheid wissen als wir."
Vorsichtig kroch Vashtu ein Stück zurück, um nicht zu nahe am Einschlag zu sein. Im Schutze der Büsche richtete sie sich in eine kniende Position auf und betrachtete noch einmal die Granate. Dann zog sie den Stift heraus, wartete einen Atemzug und warf, um sich sofort zu ducken und den Kopf zwischen den Armen zu bergen.
Ein lauter Knall folgte beinahe unmittelbar, und selbst durch ihre geschlossenen Lider und hinter ihren Armen hindurch konnte sie noch einen Rest grelles Licht erahnen. Jennings schrie erschrocken auf, dann Stille.
Katzengleich kam die Antikerin wieder auf die Beine, wagte einen Blick zwischen den Bäumen hindurch, dann warf sie sich herum und hetzte davon, tiefer in den Wald hinein.

***

„Sie hat sie getötet!"
O'Neill blickte stirnrunzelnd von seiner Kaffeetasse auf, als Woolsey hektisch in den Raum gerannt kam und mit den Händen rang. „Was?"
Woolsey starrte ihn mit blassem Gesicht an. „Sie hat Jennings und Kayne getötet ... diese ... diese Antikerin!"
Mit einem Ruck kam Hamill auf die Beine. Auch der Rest des Generalstabs sah dem Abgesandten entsetzt entgegen.
O'Neill schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht!" Hart stellte er seine Tasse zurück auf den Tisch und schritt an Woolsey vorbei zurück zum Funkraum.
„Ich habe sie schreien gehört, danach war nur noch Rauschen", hörte er den Zivilisten hinter sich atemlos berichten.
Hamill setzte sich wieder vor seine Bildschirme und kontrollierte sie. Dann sah er auf und schüttelte den Kopf. „Ich bekomme Anzeigen von beiden. Aber es wird ein schwerer Treffer gemeldet."
O'Neill beugte sich über das Mikro. „Jennings? Melden Sie sich. Jennings!"
Rauschen.
Hamill drückte ein paar Knöpfe.
„Aber wenn ich es doch sage!" Woolsey atmete wieder hektisch, direkt in O'Neills Nacken. Der drehte sich um und sah den anderen nachdenklich an.
„Rabbit-1, melden Sie sich", hörte er Hamill hinter sich aufgeregt in das Mikro rufen.
„Delta-Command, hier Rabbit-1. Was gibt es?" Vashtus Stimme klang ein wenig gehetzt und unwillig, aber ansonsten völlig normal.
„Was haben Sie mit Jennings gemacht?" Woolsey versuchte sich an O'Neill vorbeizudrücken, doch der hielt ihn zurück.
„Hier Fox-12, Delta-Command, wir ziehen uns zurück. Sind ausgeschaltet", sagte in diesem Moment Jennings' Stimme.
O'Neill bedachte Woolsey mit einem langen Blick, dann drückte er wieder den Schalter. „Jennings, was war los?"
„Wir sind angegriffen und ausgeschaltet worden, Kayne und ich, Sir", antwortete der Offizier. „Das Häschen ist wirklich verdammt gut. Hat eine Granate auf die Lichtung geschmissen, auf der wir gerade pausierten."
O'Neill sah Woolsey noch immer an. „Sie sollten sich beruhigen und dann bei Miss Uruhk entschuldigen, mein Lieber."

***

Vashtu hockte wieder in der Krone eines Baumes und betrachtete mit ihrem Feldstecher die Umgebung, um sich zu orientieren. Dabei fiel ihr etwas auf.
Ein verschmitztes Lächeln glitt auf ihr Gesicht.
Da hinten, zwischen den Bäumen, auf einer größeren Lichtung, standen die F-302 von Mitchell und seinen Jägern. Und sie konnte nur einen Mann dort ausmachen.
Das war doch etwas.
Allerdings würde sie erst das Team in ihrer unmittelbaren Umgebung ausschalten müssen. Aber das dürfte kein allzu großes Problem darstellen ... hoffte sie zumindest.

***

Mitchell kämpfte immer noch gegen seine Fesseln an, doch das brachte ihm herzlich wenig. Diese Antikerin hatte ihn verschnürt wie ein Paket. Die Kanzelhaube war inzwischen beschlagen und er schwitzte, doch die Stricke lockerten sich deswegen noch lange nicht.
„Colonel?"
Er hielt in seinen Anstrengungen inne und richtete seine Aufmerksamkeit auf das lädierte Funkgerät.
„Ich denke, Sie können mich gut hören. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, daß ich zwei Ihrer Leute ausgeschaltet habe", fuhr Vashtus Stimme fort. „Dumm, jetzt ist auch Ihr Stellvertreter ausgefallen. Ach ja, und danke, daß Sie mir Ihre F-302 überlassen wollen. Ich denke, in Kürze werde ich wieder im Kommandoposten sein. Wie es es, wollen Sie mit?"
Mitchell fluchte.
Er war dieser Frau so gründlich unterlegen, daß ... Na gut, sie war besser als er oder seine Männer, so schwer es ihm auch fiel, das zuzugeben. Wenn sie wirklich Jennings ausgeschaltet hatte, hatte sie tatsächlich einiges auf dem Kasten, das mußte er zugeben.
Trotzdem aber war das letzte Wort noch sicher nicht gesprochen in dieser Angelegenheit. Irgendwie würde er sich schon bei ihr bedanken können.
„Gut, ich denke, Sie wollen Ihren Bericht so schnell wie möglich abliefern. Also hole ich Sie dann ab. Und, Cameron, es hat mir einen gewissen Spaß bereitet, gegen Sie anzutreten. Allerdings hoffe ich, Sie haben aus Ihren Fehlern gelernt. Bis gleich."
Jetzt mußte er doch schmunzeln.
Diese Frau war wirklich einmalig!

***

Sie türmte gerade noch ein bißchen altes Laub über die Granate, die sie in dem weichen Boden vergraben hatte, als plötzlich ihr Funkgerät sich meldete.
„Miss Uruhk? Hier ist Woolsey."
Es hätte für sie keinen ungünstigeren Zeitpunkt geben können, fand sie. Mitchells Männer waren gerade einmal außer Rufweite und konnten jederzeit näherkommen, sobald sie ihre Zigaretten aufgeraucht hatten.
Mit zusammengekniffenen Lippen drückte sie die Com-Taste. „Was gibt es, Mr. Woolsey?" zischte sie.
„Oh, äh", kam die Antwort. „Nun, ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen. Ich hatte angenommen ... Nun, Sie müssen wissen, daß ich ..."
Vashtu rollte den letzten Rest von dem Garn ab und verband ihn mit den anderen beiden Enden, die sie schon vorher präpariert hatte.
Schritte?
Vorsichtig hob sie den Kopf und lugte um sich, doch es war nichts zu sehen.
„Mr. Woolsey, ich möchte nicht unhöflich sein, aber der Zeitpunkt ist etwas ungünstig", wisperte sie in ihr Funkgerät, kramte in ihrer Weste, bis sie das dünne Seil fand, das sie immer in einer Tasche dabei hatte.
„Wissen Sie, wenn Sie meine Erfahrungen hätten ..."
„Mr. Woolsey, wenn ich nicht so gut erzogen wäre ..." Vashtu kniff die Lippen fest aufeinander.
Ja, da waren Schritte. Die beiden Militärs kamen näher. Und ihre Falle war noch nicht fertig.
„Ich möchte ja nur ..."
„Finger vom Funkgerät, ich bin beschäftigt!" Endlich hatte sie den letzten Knoten geschlungen und schlich tief geduckt zurück ins Gebüsch.

***

O'Neill räusperte sich vernehmlich hinter vorgehaltener Hand, um nicht laut loszulachen. Diese Antwort hätte auch aus dem Mund von jemand anderem stammen können - wenn sie das nicht sogar tat.
Vashtu mochte ihre eigenen Wege gehen und nicht mehr ganz so ähnlich wie Sheppard sein. Aber bestimmte Dinge würden sich wohl nie ändern, wie er fand.
„Schüsse, schräg vor uns!" meldete Sergeant Lloyd.
„Lassen Sie die Leitung offen!" befahl Taylor.
„Aber ... ich habe doch nur versucht ..."
„Mr. Woolsey, es ist gut. Der Zeitpunkt war wohl ungünstig", sagte O'Neill beschwichtigend und lauschte auf das schwere Atmen und die knisternden Schritte der beiden Air Force Piloten. Dann folgte, was er erwartet hatte: Eine Detonation, gefolgt von einem Schmerzenslaut. Einem Laut, der aus keiner Männerkehle stammen konnte und der auch nicht auf seiner Liste gestanden hatte.
Mit einem Ruck setzte O'Neill sich wieder auf und nahm Woolsey das Funkgerät aus der Hand. „Rabbit-1, bitte melden!"

***

Vashtu nahm Deckung hinter einem Busch, zog dann ihre Beretta und gab zwei Schüsse in die Luft ab. Rasch wurde die Waffe wieder zurück ins Holster geschoben, dann wartete sie. Und lange brauchte sie nicht zu warten.
Zwei Männer in Kampfanzügen kamen auf dem schmalen Pfad auf sie zu. Vashtus Hand verkrampfte sich.
Nach allen Seiten sichernd traten die beiden vorsichtig näher.
Noch ein kleines Stück.
Vashtu riß an dem dünnen Seil, spürte den Widerstand und auch wie dieser nachgab. Dann duckte sie sich wieder, schützte ihren Kopf, so gut es ging und wartete.
Die Detonation ließ den Boden unter ihr beben. Die Druckwelle riß sie nach hinten.
Was richteten diese Dinger denn an, wenn sie scharf waren?
Vashtu kippte zurück. Unwillkürlich entfuhr ihr ein Schmerzenslaut, als etwas ihren Arm aufspießte.
Verdammt, der andere war gerade wieder heil!
Sie richtete sich langsam auf und tastete mit der Rechten nach der Wunde. Ein Ast, der offensichtlich irgendwann vorher schon abgebrochen war, hatte sich durch ihr Fleisch gebohrt. Der Schmerz ließ bereits nach.
Vashtu tastete über ihre Schulter und ruckte an dem Holz. Wieder mußte sie die Augen zusammenkneifen und sich auf die Lippen beißen, aber zumindest ließ der Ast sich bewegen.
„Rabbit-1, bitte melden!" hörte sie O'Neills Stimme über den Äther kommen und fluchte.
Mit der blutverschmierten Hand drückte sie die Com-Taste, richtete ihre Aufmerksamkeit nach vorn und seufzte.
Zwei weniger.
„Sir?"
„Was ist mit Ihnen passiert? Ich habe Sie schreien gehört."
Vashtu tastete wieder nach dem Ast. „Nur ein kleiner Unfall, Sir. Wird schon."
„Unfall? Was für ein Unfall?" O'Neill klang jetzt wirklich besorgt.
Mit einem weiteren Ruck zog sie den Ast aus ihrem Arm, beugte sich keuchend nach vorn. Gut, das hatte wehgetan. Aber sie würde es überleben.
„Nichts weiter, Sir. Nur eine Fleischwunde. Ich habe die Druckwelle falsch eingeschätzt."
„Eine Stunde Pause." O'Neills Stimme klang endgültig.
Vashtu riß die Augen auf. „Was?"
„Eine Stunde Pause. Laut unseren Unterlagen braucht eine Fleischwunde von mittlerer Tiefe bei Ihnen solange, bis sie verheilt ist", erklärte der General.
„Aber ... Sir!" Augenblicklich duckte sie sich und spähte wieder um sich.
„Kein Aber. Sie ruhen sich aus und lassen die Wunde heilen. Das ist ein Befehl!"
Knurrend hielt sie sich den Arm. „Ja, Sir."
Dann erhob sie sich und huschte geduckt wieder in das Dickicht.

***

Taylor nickte nachdenklich. „Sie ist jetzt also verwundet und hat noch drei Gegner, da wir von Colonel Mitchell annehmen müssen, sie habe ihn gefangen genommen", faßte er das bisher geschehene zusammen. „Aber eine Stunde Pause? Was soll ihr das bringen?"
„Ihr nichts, aber Mitchells Männer könnten sich vielleicht in Sicherheit bringen in dieser Zeit", antwortete O'Neill und lehnte sich zurück. Beeindruckt schüttelte er den Kopf.
Natürlich hatte er gewußt, daß sie gut war, aber so gut? Einmal abgesehen davon, daß sie nichts von Mitchell wußten, hatte es bisher noch nicht eine Verletzung gegeben. Nur sie selbst schien jetzt leicht verwundet zu sein. Vor vier Wochen hatte das noch anders ausgesehen nach ihrem ... ungeplanten Ausflug auf den Planeten eines unbedeutenden Warlords. Da hatte sie Leichen hinterlassen, jede Menge Leichen. Selbst dieser Theorim war tot gewesen, als ein zweites Team noch einmal durch das Gate geschickt wurde, aufgeschreckt durch die Berichte der anderen Mitglieder von SG-27.
Auf diesem Planeten hatte die Antikerin gewütet wie ein Tornado und so ziemlich alles niedergemäht, was sich ihr in den Weg stellte. Die anschließenden Besuche beim SGC eigenen Psychologen hatte sie zwar wahrgenommen, aber kaum etwas von sich gegeben. Darum hatten sie auch lange gewartet, obwohl sie schon drei Tage nach ihrem Gemetzel auf Theorims Welt in den Vorschlag eingewilligt hatte.
Sie mußte irgendein anderes Ventil gefunden haben, um die Angst und Frustration, die sich in ihr aufgestaut hatten, loszuwerden. Doch leider hatte sich bis jetzt nichts ergeben. Im SGC wußte niemand, warum ihr Aggressionspotenzial schrittweise wieder absank. Sie war zwar ernster als vor ihrer Geiselhaft, aber sie hatte sich offensichtlich wieder im Griff.
O'Neill beugte sich vor und musterte die Anzeigen, die Hamill überwachte. Nein, bei ihr schien alles normal. Und auch die Lebenszeichen der anderen noch im Feld Verbliebenen sahen gut aus. Offenbar hielt sie sich wirklich an seine verordnete Pause. Ein Pluspunkt mehr für sie.

***

Wieder hockte sie in der Krone eines Baumes, diesmal aber wesentlich näher an den abgestellten Jägern als vorher.
Sollte Mitchells letztes Pärchen ruhig weiter durch den Wald geistern, sie würde sich eine Maschine schnappen und zum Kommandoposten zurückkehren. Dieses Manöver hatte ihr zwar einen gewissen Reiz bereitet, aber inzwischen langweilte sie sich doch ein bißchen.
Vashtu lehnte sich zurück und stützte ihren Rücken gegen den Stamm des Baumes. Sinnend sah sie in den Himmel hinauf, holte dann ihre Sonnenbrille wieder hervor und setzte sie auf die Nase.
Die Wunde schmerzte nicht mehr, die Wraith-Zellen hatten offensichtlich ihren Dienst aufgenommen. Und allmählich fiel es ihr auch nicht mehr so schwer, die Fremdzellen in ihrem Inneren zu aktivieren. Und noch einen Trost hatte sie: Mit der Hoffaner-Impfung würde man sie nicht mehr schrecken können, wie Dr. Beckett ihr gesagt hatte. Sie war immun gegen eine weitere Spritze. Ihre eigenen Zellen hatten einen Wall dagegen errichtet durch die zweite Gentherapie.
Dr. Beckett ... Carson.
Ihr fiel ein, daß er sie nächste Woche wieder besuchen wollte. Dann würde sie wahrscheinlich auch Nachricht von John erhalten und dem Arzt ihre alte Antwort mitgeben können. Sie war gespannt, was Sheppard von ihrem Eintritt in die Armee halten würde. Ein versonnenes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
Aber da wäre noch etwas, fiel ihr ein. Carson hatte die ATA-Therapie entwickelt, der Babbis sich unterzogen hatte. Die Therapie, die ihr Probleme bereitete. McKay hatte sie aus dem Weg gehen können vor über einem Jahr, aber Babbis war ein wichtiges Mitglied ihres Teams. Auf ihn wollte und würde sie nicht verzichten.
Sie könnte mit Carson sprechen, ob ihm vielleicht eine Lösung einfiel.
Nachdenklich nagte sie an ihrer Unterlippe. Ihre Alphawellen lagen also auf der gleichen Frequenz wie die veränderten von Babbis. Und das war der Grund, aus dem sie seine Gedanken hören konnte.
Es mußte doch möglich sein, daß irgendwie zu unterbinden, ohne daß sie ständig mit einem mentalen Schutzwall herumlaufen mußte. Wenn man auf der zellulären Ebene die Gene etwas verschob ...
Vashtu runzelte die Stirn und tastete mit ihren Händen über ihre Weste, bis sie fand, was sie suchte. Sie zog einen Block und einen Stift hervor und begann sich Notizen zu machen. Mehr konnte sie im Moment ohnehin nicht tun. Ihre Uhr würde ihr schon mitteilen, wenn die Stunde abgelaufen war.

***

„Sie ist so ruhig." Hamill lehnte sich zurück und betrachtete die Anzeigen.
O'Neill schürzte die Lippen. „Sie ruht sich aus, wie ich es befohlen habe. Und ich denke, inzwischen hat sie mehr als nur gezeigt, was sie kann. Vielleicht sollten wir das ganze an dieser Stelle abbrechen."
„Das denke ich nicht. Ich bin gespannt, wie sie wieder zurück hierher kommen will", entgegnete Walker. „Was sie bisher gezeigt hat, erklärt sich aus ihrem Lebenslauf. Aber eine Heimkehr zum Stützpunkt ... das ist etwas anderes."
O'Neill mußte leider zustimmen, so gern er die mageren Reste der Fox-Einheit auch zurückgepfiffen hätte. Vashtus Taktik sowohl in der F-302 als auch jetzt am Boden zeigten deutlich, wie und was sie gelernt hatte vor zehntausend Jahren. Sie nahm was sie bekam und machte das beste daraus. Das erklärte, wie es ihr gelungen war, vor so langer Zeit zu überleben, obwohl sie offensichtlich des öfteren auf Selbstmordmissionen geschickt worden war. Ihr Verstand hatte sich angepaßt.
„Ich würde gern wissen, wie sie in einem Team handelt. Möglicherweise sollten wir das ganze noch einmal auf diese Weise wiederholen, wenn dieses Manöver beendet ist", schlug Baxter vor. „Laut der Berichte scheint sie zwar einen Hauptteil der Arbeit zu leisten, aber besteht nicht auf ihrem Recht."
O'Neill sandte dem anderen einen scheelen Blick. Baxter würde doch wohl nicht ... ? Nein, nein, Vashtu würde schön brav zur Air Force kommen, auf keinen Fall würde er zulassen, daß die Marines sie in die Finger kriegten! Die sollten sich gefälligst selbst eine Antikerin suchen, wenn sie so unbedingt eine haben wollten! Vashtu war seine Entdeckung, sein Ersatz für den verlorenen Sheppard. Sie würde er nicht wieder von der Leine lassen, nachdem sich das ganze als noch mühsamer als zunächst vorgestellt erwiesen hatte.
Was hatte er aber auch auf Woolsey und das IOA einwirken müssen, damit erst die Kontaktsperre fiel und er ihr dann dieses Angebot hatte unterbreiten lassen können! Da war ja Apophis noch leichter zu töten gewesen, hatte er einige Male gedacht. Erst dieser kleine dezente Hinweis auf ihre Sterblichkeit und auch ... Nun ja, trotz zehntausend Jahren war sie immer noch in der Lage, Kinder zu gebären. Nicht daß er sich das so unbedingt wünschte, sie sollte erst einmal zeigen, was noch alles in ihr steckte. Aber mehr ATA-Träger, noch dazu von halbantikischem Blut, das hatte letztendlich den Wall aus Ablehnung doch zum Einsturz gebracht, eben neben dem Auftauchen Kolyas und dessen perfider Methode, Sheppard zu quälen, indem er ausgerechnet die einzige vernünftige Antikerin umzubringen versuchte.
Nein, er würde jetzt nicht mehr aufgeben! Das hatte er einmal getan und sich der Nummer zwei auf seiner Liste zugewandt. Auf keinen Fall würde er jetzt auch noch Vashtu an irgendeine andere Waffengattung verlieren! Nein, das konnte Tim Baxter sich gleich wieder aus dem Kopf schlagen! Noch dazu, nachdem was er sich vorher geleistet hatte im Bezug auf sie.
O'Neill senkte den Kopf. „Ihre Stärke ist der Einzelkampf, das ist richtig. In den letzten Monaten hat sie sich darauf eingerichtet, in einem Team zu arbeiten. Aber sie übernimmt noch immer die Hauptarbeit. Allerdings ist ihr SG-Team inzwischen so auf sie eingeschworen, daß sie sich auch auf sie verlassen kann, wenn sie einmal ausfallen sollte. Teils, wie mit Dr. Babbis, gibt es sogar schon eine recht funktionierende Zusammenarbeit. Bei der Verschleppung durch den außerirdischen Terroristen Kolya war es sogar Babbis, der den entscheidenden Hinweis gab zur Befreiung der Geiseln." Er sah auf. „Lassen wir sie weitermachen wie bisher, wird SG-1 wirklich bald Konkurrenz bekommen. In der Lucian Alliance hat es Miss Uruhk inzwischen zu einem interessanten Ruf gebracht und wird des öfteren kontaktiert."
„SG-1 dagegen hat keine guten Erfahrungen mit dieser Organisation." Baxter nickte. „Ich weiß."
„Möglicherweise sollte ihr Team dann neu koordiniert werden", wandte Woolsey ein, der bis jetzt zugehört hatte.
„Sie selbst hat darum gebeten, daß das nicht geschieht. Es ist da ... zu einem Mißverständnis gekommen während ihrer Rekonvaleszenz auf Atlantis, einer der Gründe, warum SG-27 zur Zeit außer Dienst gestellt ist", erklärte O'Neill und schüttelte den Kopf. „Trotz daß es ihr im Moment einige Schwierigkeiten bereitet, mit Dr. Babbis zusammenzuarbeiten hat sie sich gegen einen Wechsel ausgesprochen."
„Und Dorn?" Baxter runzelte die Stirn. „Wenn mich nicht alles täuscht, wird er demnächst in Pension gehen."
„Darüber werden wir reden, wenn es soweit ist, schätze ich." O'Neill seufzte. Vor diesem Gespräch allerdings graute es ihm. Und er war sich ziemlich sicher, daß er derjenige würde sein müssen, der Vashtu Dorns Entscheidung mitteilen mußte. Landry hatte da schon etwas angedeutet ...
„Die Stunde ist vorbei. Sie bewegt sich wieder", meldete Hamill in diesem Moment.

***

Vashtu schlich sich von hinten an die gelandeten Jäger heran und sprang vorsichtig auf die Tragfläche des ersten.
Sie wollte verhindern, daß die verbliebenen Männer von Mitchell sie weiter jagen konnten. Also mußte sie die Maschinen außer Gefecht setzen. Das allerdings war nicht so einfach, wenn sie an den Wächter dachte, der unregelmäßig die Reihe der Jäger abschritt.
Sie hatte gewartet, bis er am anderen Ende fast im Wald verschwunden war, ehe sie sich hergeschlichen hatte. Sie war klein genug, daß man sie nicht sah, wenn sie an den Rechnern der F-302 arbeitete, wie sie es vorhatte, um sie außer Gefecht zu setzen. Aber erst einmal mußte sie ins Cockpit gelangen.
Vorsichtig lugte sie um die Kanzel herum, ehe sie sie öffnete und hineinglitt. Sofort zog sie sie wieder zu, griff sich ihre Taschenlampe und den Schraubendreher und begann mit ihrer Arbeit, sich tief in den Fußraum drückend.

***

Mitchell wartete. Und dieses Warten wurde ihm allmählich ziemlich lang.
Hatte die Antikerin nicht gesagt, sie würde bald kommen? Das mußte vor mehr als einer Stunde gewesen sein. So lange konnte sie doch wohl nicht aufgehalten worden sein, oder?
Wenn sie von einer ZAT getroffen worden war, konnte sie durchaus so lange weggetreten sein, sehr wahrscheinlich sogar wesentlich länger.
Mitchell schluckte und sah sich sehr aufmerksam in der Kanzel um. Irgendwie schienen ihm die Wände plötzlich entgegenzukommen.

***

Vashtu huschte zum nächsten Jäger, sprang auf die Tragfläche und machte sich an die Arbeit. Sie trennte vorsichtig die Kabelverbindungen, so daß das Fluggerät nicht mehr würde fliegen können. Man würde nicht einmal die Triebwerke einschalten können.
Vorsichtig löste sie die letzte Verbindung und seufzte.
Das war's. Den letzten Jäger, wenn sie sich nicht sehr irrte, war es tatsächlich der des Colonels, brauchte sie selbst. Jetzt hieß es nur noch, die Wache auszuschalten.
Sie stopfte Taschenlampe und Schraubendreher zurück in ihre Taschen und harkte statt dessen das Zak'Ni'Tel aus. Dann glitt sie vorsichtig hoch auf den Pilotensitz und sah sich um. Ein kurzer, sichernder Blick auf ihren Detektor, dann kletterte sie wieder aus der Kanzel heraus, schloß sie leise hinter sich und sprang hinten von der Tragfläche. Sich unter der Maschine entlangduckend huschte sie nach vorn, verschanzte sich so gut es ging hinter dem Fahrwerk und wartete.
Wie der Detektor ihr verraten hatte, brauchte sie nicht lange zu warten. Bald marschierten Beine auf sie zu, Beine, die in der Fliegerkombination der Air Force steckten, an den Füßen Militärstiefel.
Vashtu entsicherte die ZAT, beugte sich langsam vor.
Miller, sie hatte ihn kurz kennengelernt nach ihrer Landung auf dem Delta-Stützpunkt, behielt den Wald im Auge, achtete gar nicht auf das, was sich hinter seinem Rücken abspielen mochte.
Vashtu grinste, pfiff dann kurz durch die Zähne, zielte sorgfältig und schoß, als der Soldat sich zu ihr umdrehte.
Grinsend kam sie unter der Maschine hervor und sah auf den Bewußtlosen hinunter, dann wandte sie sich ab und joggte zu der letzten Maschine in der Reihe.

***

Mitchell staunte nicht schlecht, als sich plötzlich die Kanzel öffnete und die Antikerin breit grinsend auf ihn hinuntersah. „Die Mitfluggelegenheit ist da."
Der Colonel nickte düster. „Schön, daß Sie doch noch an mich gedacht haben, Miss Uruhk. Ich glaubte schon, Sie hätten mich vergessen."
„Ich doch nicht, Sir." Sie beugte sich über ihn, verharrte dann aber in dieser Position. Ihre dunklen Augen bohrten sich in seine. „Ich kann Sie doch losmachen, oder? Sie werden jetzt nicht wieder anfangen mit diesem Unsinn?"
Mitchell erwiderte diesen Blick, dann nickte er. „Für mich ist die Jagd vorbei. Sind alle meine Männer ausgeschaltet?"
„Zwei wandern noch ziellos durch den Wald." Sie verschwand fast hinter ihm. Mitchell fühlte, wie ein Ruck durch die Stricke ging, als sie die Knoten löste. Wie welkes Laub fielen die Fesseln von ihm ab.
Woher hatte sie denn das nur wieder?
Vashtu richtete sich wieder auf, während er sich die Reste der Stricke vom Körper schüttelte. „Was dann wohl bedeuten dürfte, Sie haben auch die zweite Wette verloren, Cameron." Wieder stützte sie ihr Kinn auf die Arme, die auf der Umrahmung lagen.
Mitchell fiel der blutige Verband an ihrem linken Arm auf. Sofort kam ihm eine Idee.
„Ich freue mich schon darauf, herauszufinden, was es mit diesem Kleinen Schwarzen wohl auf sich hat", fuhr sie fort. Wie sie ihn frohlockend ansah, glich sie wieder einem kleinen Mädchen.
Mitchell fragte sich wirklich, wieviele Männer sie wohl schon mit ihrer Art um den kleinen Finger gewickelt hatte, seit sie auf der Erde war. Diese Mischung aus unschuldigem Mädchen und mörderischem Vamp mußte doch auf viele sehr anziehend wirken.
„Das Kleine Schwarze, ah ja." Er rieb sich die Handgelenke und runzelte die Stirn. „Sie wissen nicht, was ein Kleines Schwarzes ist?" Wieder sah er sie an.
Sie schüttelte den Kopf und kam mit einem Ruck wieder auf die Beine. Lange, schlanke Beine, von denen man, abgesehen von der Länge, recht wenig sah in ihren weiten Armeehosen. Zusammen mit den anderen, weiblichen Rundungen, nun gut, über die Brüste konnte man sich streiten, war sie schon beeindruckend. Das kurze, strubbelige Haar paßte zu ihrer Art von Humor und erinnerte ihn dunkel an jemanden. Aber es wollte sich kein klares Bild ergeben.
„Kommen Sie? Dann sind wir noch pünktlich zum Abendessen wieder im Stützpunkt."
Mitchell warf einen Blick zum Himmel. Abendröte stieg am Horizont herauf. Wenn er bedachte, daß die Tage auf diesem Planeten länger waren als auf der Erde ... Sie hatte beeindruckend wenig Zeit verschwendet.
Wieder fiel sein Blick auf den Verband um ihren linken Oberarm. Dann streckte er ihr eine Hand entgegen. „Können Sie mir kurz helfen? Meine Beine sind eingeschlafen."
Vashtu neigte fragend den Kopf zur Seite, trat dann aber näher und streckte ihm die Hand entgegen.
Blitzschnell packte er zu und zog sie zu sich hinunter. Mit der flachen Hand schlug er kurz gegen den Verband, um sie noch etwas zu schwächen. Dann aber fühlte er plötzlich einen Ruck durch seinen Arm gehen. Im nächsten Moment wurde er aus dem Sitz gerissen und durch die Luft geschleudert. Krachend landete er auf einer Tragfläche und schlug sich den Hinterkopf an.
„Sie haben mir Ihr Wort gegeben, Colonel Mitchell!"
Als er hochblickte sah er ein kaltes Funkeln in ihren Augen.

***

O'Neill beobachtete mit überkreuzten Armen, wie die F-302 landete. Eine der Raketen fehlte. Die Erklärung dürfte ihm das letzte Team der Fox-Einheit geben, das gerade aus dem Wald geholt wurde.
„Nicht schlecht. Ein feindliches Schiff erobern und damit zurückkehren zum Stützpunkt." Baxter klang jetzt doch etwas beeindruckt.
O'Neill nickte nachdenklich, während die Kanzel geöffnet wurde. Sollte Tim doch ... ?
Jedoch ein Blick auf den Marine-General beruhigte ihn wieder. Nein, Baxter hegte offenbar keine weiterführenden Absichten der Antikerin gegenüber. Er war im Moment wirklich beeindruckt durch ihre Art zu kämpfen, doch diese Bewunderung ging nicht soweit, wie O'Neill befürchtet hatte. Kam jetzt nicht noch die Infantrie mit irgendetwas, hatte er endlich, was er schon seit mehr als drei Jahren gewollt hatte: einen Nachfolger, respektive eine Nachfolgerin.
Wieder glitt sein Blick hinüber zu der F-302.
Was konnte diese Frau noch leisten? Ihre sonstigen Tests wiesen nur allzu deutlich auf ein Allgemeinwissen hin, das für heutige Verhältnisse ... Nun, in den jeweiligen Gebieten konnte sie es wohl mit den jeweiligen Fachidioten aufnehmen. Und sie schien eine Begabung zur Technik zu haben. Wie Landry ihm mitgeteilt hatte, bastelte sie gern an irgendwelchen irdischen Maschinen herum, baute sie um oder nahm sie nur zum Spaß auseinander. Er wagte sich gar nicht vorzustellen, was sie wohl den Jägern angetan hatte, die sie im Wald hatte zurücklassen müssen.
Und ihr Besuch auf Antarktica war ebenfalls unvergessen. Niemand hatte so einfach Zugriff auf Dinge, die sie noch nicht einmal geahnt hatten. Sie konnte nicht nur mit dem Stuhl umgehen, sie tat es einfach und überraschte damit jeden.
Eine schlanke Gestalt mit kurzen Haaren stieg aus der Maschine, beugte sich über den Copilotensitz und zog eine zweite aus der F-302.
O'Neill seufzte, wußte selbst nicht, ob er jetzt erleichtert oder amüsiert war. Sie hatte tatsächlich die ganze Zeit über Mitchell als Gefangenen gehabt. Allerdings glaubte er nicht, daß sie ihn mit sich geschleppt hatte. Irgendwo würde sie ihn versteckt haben, vielleicht ließ sie ihm sogar Informationen zukommen während sie sein restliches Team ausschaltete.
„Gehen wir", sagte er zu dem Rest des Generalstabs und trat vor.
Vashtu sprang gerade von der Tragfläche, als sie ankamen. Vorher hatte sie Mitchell geholfen, der, mit seinen auf dem Rücken gefesselten Händen, nicht wirklich fähig gewesen war, allein aus der engen Kanzel zu klettern.
„Miss Uruhk, ich bin froh, Sie zu sehen", begrüßte O'Neill die Antikerin.
Vashtu richtete sich wieder auf, lächelte ihn an und nickte. „Sirs." Unwillig stieß sie Mitchell in die Seite.
Der stöhnte kurz, dann richtete er sich auf und grinste schuldbewußt. „General O'Neill, Sirs."
Der Colonel schien etwas benommen zu sein. Ein Veilchen zierte sein linkes Auge. Und kurz warf er der neben ihm stehenden, kleineren Antikerin einen rachsüchtigen Blick zu.
O'Neill runzelte die Stirn. „Ging alles ... glatt, Miss Uruhk?"
Vashtu bedachte Mitchell mit einem scheelen Blick. „Sir, Colonel Mitchell griff mich an, als ich ihn abholen wollte. Daher sah ich mich gezwungen ... Nun, Sir, ich habe mich verteidigt."
O'Neill nickte befließentlich. „Hatten Sie sich ergeben, Colonel?"
Mitchell sah ihn irritiert an. „Ja, Sir. Aber dann sah ich eine Chance, das Heft doch noch zu wenden."
Gegen die Antikerin?
O'Neill nickte seufzend. „Miss Uruhk", wandte er sich an sie, „Sie sollten niemals das Fluggerät eines Piloten beleidigen, das nimmt er Ihnen dann ziemlich krumm."
Vashtu blinzelte, dann schoben sich ihre Brauen zusammen, nachdem Mitchell ihr einen triumphierenden Blick zugeworfen hatte. „Der Colonel hat ebenfalls die Puddlejumper beleidigt", entgegnete sie und kreuzte demonstrativ die Arme vor der Brust.
„Ah ja." O'Neill grinste hinter vorgehaltener Hand, räusperte sich dann. „Nun, dann ... Gehen wir rein. Sie werden hungrig sein und sich ausruhen wollen."
Das zwischen den beiden konnte ja noch heiter werden! Vielleicht sollte er Landry vorwarnen, SG-1 und SG-27 in den nächsten Wochen ja nicht zusammenarbeiten zu lassen. Die Blicke, die die beiden sich zuwarfen, sprachen Bände! Da begann gerade eine Feindschaft zu wachsen.
Irgendwie schade, wie er fand. Mitchell war immerhin auch seine Wahl gewesen, er hatte ihn protegiert, wie er es auch mit Vashtu tun wollte und teils bereits getan hatte. Aber er konnte eben nicht alles haben.
Zwei Piloten, die sich gegenseitig tödlich beleidigten wegen ihrer jeweiligen Fluggeräte ... O'Neill seufzte. Ja, das kannte er noch mehr als gut aus eigener Erfahrung. Aber, immerhin, einen Sieg hatte er am heutigen Tag errungen: Vashtu Uruhk würde zur Air Force kommen. Sämtliche möglichen Interessen anderer Waffengattungen hatte er wohl erfolgreich abgeschmettert.
„Eine Dusche wäre nicht schlecht, Sir", sagte die Antikerin jetzt und strich sich mit einer Hand durch ihr kurzes, verstrubbeltes Haar.
O'Neill nickte, während er sie betrachtete. „Ja, das schadet nie ..."

***

Eine Woche später:

Irritierte Blicke trafen das ungleiche Paar, als sie das Lokal betraten. Das eine oder andere Grinsen wurde rasch durch das Heben eines Glases oder Flasche verdeckt.
Lt. Colonel Cameron Mitchell hatte sich wirklich etwas anderes vorgestellt unter einem romantischen Abendessen. Aber da er die Wette verloren hatte, mußte er nun einmal mit der Wahl der Antikerin leben. Und sie hatte sowohl darauf bestanden, daß sie hier aßen, wie auch darauf, daß er ... nun, ganz offensichtlich war er mit Frack und Krawatte etwas overdressed.
„Nabend, Vash", begrüßte der Barkeeper die Frau an seiner Seite. „Das übliche?"
Die Antikerin grüßte winkend. „Hey, Floyd! Ist mein Tisch frei?"
Der Barkeeper namens Floyd nickte nur.
Mitchell machte gute Miene zum bösen Spiel und folgte der Antikerin zu einem runden Tisch. Im Hintergrund jodelte irgendein Countrysänger.
Vashtu schlüpfte aus ihrer ledernen Pilotenjacke und hängte sie über die Lehne des einfachen Holzstuhles. Sofort war Mitchell hinter ihr und schob ihr die Sitzgelegenheit zurecht. Nach einem fragenden Blick ließ sie sich schließlich stirnrunzelnd nieder. Dann suchte auch der Colonel sich einen Platz, ihr gegenüber.
„Mußte es ausgerechnet hier sein?" fragte er, steckte sich den Finger zwischen Kragen und Hemd, als würde die Krawatte ihn erwürgen.
„Ist mein Stammlokal. Sie machen gute Steaks." Vashtu lehnte sich zurück und grinste breit. „Das ist also ein Kleines Schwarzes?"
Mitchell sah an sich hinunter. Irgendwie fühlte er sich, als wolle er gleich die Oper besuchen in seiner Kleidung. Aber er hatte sich schon weit aus dem Fenster gelehnt mit diesem Outfit. Ihm zugute kam nur, daß sie offensichtlich keine Ahnung hatte, was er meinte bei ihrem Gespräch im Puddlejumper.
Floyd kam heran und stellte zwei Flaschen Bier vor sie hin. „Was besonderes heute abend?" erkundigte er sich mit einem amüsierten Blick auf den verkleideten Militär.
„Sag Mary-Sue, Sie soll die dicksten und größten Steaks aus dem Kühlschrank holen", bestellte Vashtu lächelnd. „Ich bin heute eingeladen."
Floyd nickte. „Geht klar. Zweimal Spezial."
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Mitchell zu. „Ist es jetzt also das Kleine Schwarze?"
„Äh, ja." Er nickte und sah Floyd nach. „Sozusagen das Kleine Schwarze für den Mann."
Sie rutschte noch ein bißchen weiter in den Stuhl hinein, die Arme vor der Brust gekreuzt.
Mitchell faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und musterte sie. „Ab nächstem Monat werden sich einige Dinge dann wohl ändern, wie?"
Die Antikerin hob die Brauen. „Bitte?"
Mitchell grinste überlegen. „Dann bin ich ein höherrangiger Offizier und Sie haben meinen Befehlen zu folgen."
„Was wir noch sehen werden", kommentierte sie. „Sie leiten SG-1, ich SG-27. Wir sehen uns nicht allzu oft, Cameron."
„Es sei denn, ich komme des öfteren in die Turnhalle."
Sie schürzte die Lippen, ihr Blick glitt ab. Dann schüttelte sie den Kopf. „Da bin ich außer Dienst", entgegnete sie.
„Und wenn ich die Hilfe von SG-27 anfordere?"
„Warum sollten Sie das tun?" Sie hob fragend die Brauen.
„Vielleicht ..."
In diesem Moment öffnete sich die Tür wieder. Mitchell konnte beobachten, wie das Gesicht der Antikerin kurz erstarrte, dann drehte sie sich um. Ein spitzbübisches Lächeln glitt auf ihre Lippen. „Na, wer kommt denn da?"
Mitchell drehte sich jetzt ebenfalls um und stutzte, als er die drei ungleichen Gestalten auf sie zukommen sah - den Rest von SG-27.
Vashtu setzte sich wieder auf und winkte ihre drei Männer an den Tisch. „Was macht ihr denn hier?" begrüßte sie sie.
Dorn, der alternde Sergeant, warf Mitchell einen spöttischen Blick zu, reichte seiner Leaderin dann die Hand. „Wir wollten die Rückkehr in den aktiven Dienst feiern, Mam."
„Dann setzt euch. Los, an den Tisch." Die Antikerin hob einen Arm und sah Richtung Tresen. „Floyd, noch drei Bier!" Dann wieder in die Runde. „Wollt ihr auch was essen? Der Colonel zahlt. Oder, Cameron?"
Mitchell sah sie mit versteinerter Miene an, nickte dann aber widerstrebend.
Warum wurde er das Gefühl nicht los, daß sie das genau so geplant hatte? Und daß es ihn nicht wundern würde ...
Wieder öffnete sich die Tür. Cameron Mitchell mußte gar nicht hinsehen, die Stimme, die gerade sprach, hätte er wohl überall wiedererkannt. Immer noch fixierte er die Antikerin, die nun auch sein Team an ihren Tisch winkte und noch zusätzliche Getränke bestellte.
Das würde sie ihm noch büßen, das schwor er sich!
Probleme by Hyndara71
„Danke, daß du gekommen bist." Vashtu Uruhk stellte eine Tasse auf dem Tisch ab, ehe sie sich in ihren wuchtigen Ohrenbackensessel setzte und vorbeugte.
„Ich habe es bereits gehört." Dr. Carson Beckett sah sie mitleidig an. „Hätte ich das gewußt ... Ich meine, ich wußte nicht ... Du hast nie etwas gesagt."
Vashtu winkte ab. „Weil ich in Atlantis McKay und den anderen aus dem Weg gehen konnte. Aber Peter Babbis gehört zu meinem Team, bei ihm kann ich das nicht."
Beckett nickte, zog einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn ihr. „Von Colonel Sheppard", sagte er dabei, nahm die Tasse und trank einen vorsichtigen Schluck von dem heißen Instant-Kaffee.
Vashtu holte tief Atem, legte den Umschlag dann zur Seite und beugte sich vor. „Du hast die Gentherapie erfunden, Carson. Ich möchte ungern in deinen Forschungen herumwühlen ohne dein Einverständnis. Darum habe ich es bisher unterlassen. Aber so geht es nicht mehr lange weiter. Jedesmal, wenn Peter mir über den Weg läuft ... Naja, McKays Gedanken sind unangenehmer für mich, aber ich glaube ..." Ihr Blick war wieder auf den Umschlag gefallen. Seufzend schob sie ihn ein Stück zur Seite. „Gestern abend hatten wir ein Treffen mit SG-1 in einem Restaurant. Ich habe es kaum ausgehalten, um die Wahrheit zu sagen."
Beckett nickte. „Und es liegt an den Alpha-Wellen?"
„Soweit bekannt ja." Die Antikerin zog einen Notizblock hinter sich hervor und legte ihn neben dem Umschlag auf den niedrigen Tisch. „Ich habe mir da einige Gedanken gemacht, aber ... Wie gesagt, mir wäre es lieber, wenn du wenigstens dein Okay geben würdest, ehe ich an deiner Therapie herumpfusche."
„Du wirst nicht pfuschen, dessen bin ich mir ganz sicher, meine Liebe." Beckett lächelte sie an, nahm sich dann den Block und begann aufmerksam zu lesen.
Vashtus Blick fiel wieder auf den Umschlag. Und wieder war sie versucht, ihn zu öffnen. Andererseits aber wollte sie auch ihren seltenen Gast nicht vertreiben, zumal sie noch einen bestimmten Vorschlag für ihn hatte. Aber es interessierte sie doch, was John zu ihrem Eintritt in die Army dachte.
Sie sah kurz zu Beckett, dann griff sie sich doch den Umschlag und öffnete ihn. Unwillkürlich begann sie verträumt zu strahlen, als sie die Schrift überflog.
Sheppard schien erst einmal von der Idee ebenso begeistert wie sie, daß sie bald des öfteren nach Atlantis kommen würde, zwar als McKays Assistentin, aber immerhin.
Vashtu lächelte und fuhr mit einem Finger die Zeilen nach.
Dann aber änderte der Ton sich.
Die Antikerin stutzte.
„Denkst du wirklich, du hast die beste Wahl getroffen? Vash, du bist zu eigensinnig für die Army, glaube mir, ich weiß es. Das kann nicht gut gehen, so sehr ich es dir auch gönnen würde. Zum Glück hast du O'Neill auf deiner Seite, ansonsten würdest du sehr wahrscheinlich sehr schnell bis zum Stiefelputzer degradiert werden. Laß es! Der Majorsrang ist es nicht wert, selbst wenn du dann fliegen darfst."
Was hatte das denn zu bedeuten?
Sie hatte geglaubt, John würde sich für sie mitfreuen. Statt dessen warnte er sie und meinte, sie wäre zu eigensinnig?
Beckett räusperte sich vernehmlich.
Vashtu ließ den Brief sinken und sah wieder auf, eine schuldbewußte Miene ziehend. „Entschuldigung. Ich wollte dich nicht vernachlässigen."
„Das tust du auch nicht." Beckett beugte sich vor. „Ich habe auch davon gehört, Vashtu. Und ich halte es auch nicht für die beste Lösung. Man will dich zu etwas zwingen, merkst du das denn nicht?"
„Was ist denn mit euch los? Ich dachte, ihr würdet euch für mich freuen." Irritiert schüttelte sie den Kopf. „Außerdem ist die Sache schon ausgestanden. Ab nächstem Monat werde ich offiziell als Major der Air Force geführt. Ich habe einen Status, Carson, und die Möglichkeit, etwas daraus zu machen."
„Oder abzurutschen", fügte der Schotte hinzu, setzte sich wieder auf. „Mir steht es nicht zu, deine Entscheidungen zu beurteilen, aber ich denke, du erweist dir damit selbst einen Bärendienst, Vashtu. Du bist nicht wirklich für das Militär geeignet."
Vashtu preßte die Kiefer aufeinander. „Interveniert John jetzt schon über dich?" fragte sie.
Beckett sah sie überrascht an. „Darum ..." wisperte er sich selbst zu, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, der Colonel interveniert nicht über mich. Aber ich kann dir sagen, daß er nächsten Monat seinen Heimaturlaub antritt. Dann will er mit dir reden."
Vashtu sah wieder den Brief in ihren Händen an. Entweder stand diese Neuigkeit weiter hinten, oder John hatte sie tatsächlich nur mündlich ausgesprochen. Aber warum?
„Ihr beide wollt eine Beziehung aufbauen, wenn ich das bisher richtig verstanden habe", fuhr Beckett fort. „Aber ich glaube, du bist dir nicht ganz im klaren darüber, daß du der Air Force einen zusätzlichen Grund lieferst, den Kontakt zwischen euch zu unterbinden. Der Colonel steht im Rang über dir, Vashtu. Es kann so ausgelegt werden, daß er ... seinen Posten ausnutzt, wenn du verstehst, was ich meine."
Vashtu sank in den Sessel zurück und starrte vor sich hin, die Lippen fest aufeinander gepreßt.
„Du solltest vorsichtig sein, was das angeht. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe. Du bist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, Vashtu. Aber ich frage mich wirklich, ob das gutgehen kann. Die Air Force wird versuchen, dich zurechtzustutzen. In dem einen oder anderen Fall ist das auch sicher eine gute Idee, auf der anderen Seite aber ..." Beckett zuckte mit den Schultern.
Vashtu nagte an ihrer Unterlippe.
Warum hatte sie selbst nicht soweit gedacht? Warum war es ihr entgangen, was da möglicherweise auf sie zukommen würde?
Es klopfte an ihrer Tür.
Beckett sah auf, runzelte dann die Stirn.
„Wer kann das sein?" Vashtu legte den Brief zurück auf den Tisch und erhob sich. Die Beretta aus ihrem Hosenbund ziehend trat sie in den Flur. Leise entsicherte sie ihre Waffe. „Ja?"
„Vashtu? Ich bins, Peter!" gröhlte eine Stimme von draußen.
Die Antikerin stutzte, sicherte die Waffe aber wieder und legte sie auf dem Board ab, das sie sich vor kurzem gekauft hatte. Dann öffnete sie die Tür und sah zu ihrem Teammitglied hoch. Eine dichte Wolke Alkoholdunst schlug ihr entgegen, als er ihr ins Gesicht atmete. Vashtu verzog das Gesicht und wedelte die Alkoholfahne zur Seite.
„Was gibt es?"
Babbis grinste träumerisch und holte eine Flasche hinter seinem Rücken hervor. „'s gibt was zu feiern", nuschelte er.
Vashtu seufzte und öffnete die Tür. „Kommen Sie rein, Peter, ehe Sie noch meine ganzen Nachbarn aus dem Bett holen."
Stolpernd wankte er an ihr vorbei, blieb dann im Durchgang zum Wohnraum stehen und starrte Beckett entgeistert an. „Nanu?" Er drehte sich zu ihr um.
Betont konzentriert schloß die Antikerin ihre Wohnungstür wieder. Babbis' Gedanken sprangen sie nun doch an. Aber offenbar verhinderte der Alkohol das schlimmste. Was bei ihr ankam, war ein undeutliches Gewisper.
„Das ist also unser Sorgenkind." Becketts Stimme klang ernst.
„Sorgenkind?" nuschelte Babbis verwirrt, schüttelte dann den Kopf. „Ne, bin 'n Glückskind!" Wieder präsentierte er seine Flasche.
Beckett warf Vashtu einen hilflosen Blick zu, doch die Antikerin konnte ebenfalls nur mit den Schultern zucken.
„Setzen Sie sich, Peter. Dann sind alle versammelt, die wir brauchen", lud sie ihn so freundlich wie möglich ein.
Babbis drehte sich wieder zu ihr um und hielt ihr die Flasche hin. „Wollte anstoßen mit Ihnen, Vashtu", murmelte er undeutlich, „ich hab's nämlich endlich geschafft." Ein sehr zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Na dann." Wieder gestikulierte sie in Richtung des Sessels, nahm jetzt aber die Sektflasche entgegen, als Babbis sie ihr erneut hinhielt. Befriedigt ließ der beschwipste jungen Wissenschaftler sich in den Sessel sinken, ein breites Grinsen auf den Lippen.
Vashtu brachte die Flasche außer Reichweite und warf ihren Wasserkocher wieder an. Dann schaufelte sie löffelweise Instant-Kaffee in eine Tasse.
Babbis sah sie immer noch selig grinsend an.
Beckett brachte die Tasse und den Brief in Sicherheit und schob beides auf die andere Seite des niedrigen Tisches, als die Antikerin wieder ihren Wohnraum betrat und den extra starken Kaffee vor Babbis abstellte.
„Ich denke, das wird Ihnen etwas besser bekommen", kommentierte sie, ehe sie sich auf die andere Seite des Sofas setzte.
„Wollen Se denn gar nischt wissen, was paschiert is'?" Babbis beugte sich vor, verlor dabei fast das Gleichgewicht.
Vashtu und Beckett tauschten einen Blick, dann nickte die Antikerin. „Sicher, immer raus damit."
  Babbis lehnte sich wieder entspannt zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Bin jetzt Doktor, ganz offi... offischinell."
Vashtu hob das Kinn. „Ah!" machte sie, weil ihr nichts besseres einfiel, abgesehen davon, daß sie vielleicht das Fenster öffnen könnte, um nicht vollkommen in dem Alkoholdunst, der von dem jungen Wissenschaftler ausging, ersticken zu müssen.
„Herzlichen Glückwunsch." Beckett lächelte gequält und sandte ihr einen fragenden Blick.
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Mathematik", antwortete sie nur.
Becketts Gesicht wirkte plötzlich leer. „Sagten Sie nicht etwas von Maschinenbau, als Sie in Atlantis waren?" wandte er sich wieder an Babbis.
Der nickte selig und hob zwei Finger. „Soviele Titel hab ich jetscht. Und ... und der dritte kommt."
  „Lassen Sie mich raten: Physik?" In Becketts Gesicht spiegelten sich die unterschiedlichsten Empfindungen.
Vashtu setzte sich wieder auf und betrachtete das Mienenspiel des Mediziners. Irgendetwas ging hier gerade vor, und sie hatte das Gefühl, sie hatte es ausgelöst.
Babbis hob einen Finger. „Aschtrofüschik." Er wirkte sehr zufrieden und schloß die Augen.
Beckett drehte sich zu ihr um und sah sie mit einem Gesichtsausdruck an, als sei er eine Maus, die einer Schlange gegenübersteht. Langsam nickte er. „Du hast recht, er ist ein zweiter McKay."
Babbis fuhr hoch. Sein Gesicht verfinsterte sich. „Diescher ... diescher Schtümper! Ich bin viel bescher alsch er!"
Vashtu sah Beckett mitleidheischend an. „Ja, ist er. Nur noch nicht ganz so ausgeprägt. Daran arbeite ich noch."
Beckett sah sie erschreckt an.
Vashtu winkte ab, um das Thema wechseln zu können. „Aber, wo Sie gerade da sind, Peter", wandte sie sich wieder an den Wissenschaftler, „Dr. Beckett und ich waren gerade damit beschäftigt, unser beider Problem zu erörtern. Möchten Sie sich uns vielleicht anschließen?"
Ein lautes Schnarchen war ihre einzige Antwort. Seufzend sah sie wieder Beckett an. 

*** 

Dr. Tom Finnigan lehnte sich zurück und streckte sich ausgiebig. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr und seufzte, während er den Kopf kreisen ließ.
Eigentlich hatte er nach seiner neuen Bekannten sehen wollen, nachdem sie einige Wochen lang nicht wirklich erreichbar gewesen war. Aber dazu dürfte es jetzt wohl etwas zu spät sein. Obwohl ...
Das Telefon läutete.
Tom runzelte die Stirn. Wer rief ihn denn um diese Zeit noch in seinem Büro an?
Er beugte sich über die Anzeige, doch die Nummer wurde nicht angezeigt. Stirnrunzelnd lehnte er sich wieder zurück, warf noch einen Blick auf seine Uhr.
Da mußte sich schlichtweg jemand verwählt haben, anders konnte er es sich nicht erklären. Oder sollte Vashtu ... ?
Untypisch genug war sie für einen so spontanen Einfall.
Tom lächelte und schüttelte den Kopf. Beim nächsten Klingeln griff er doch nach dem Hörer und meldete sich.
„Dr. Tom Finnigan?" fragte eine ihm unbekannte Stimme.
Der Psychologe runzelte die Stirn. „Ja, der bin ich", antwortete er.
„Vielleicht sollte ich besser sagen, Dr. Thomas Abernathy?"
Tom schluckte. „Ich weiß nicht ..."
„Sie sollten sich still verhalten, Dr. Abernathy, und mir zuhören", unterbrach die fremde Stimme ihn. „Sie haben sich da mit jemandem eingelassen, an dem wir sehr großes Interesse haben. Ein wirklich sehr großes Interesse, Doktor. Und wenn Sie nicht wollen, daß Miguel etwas über Ihren Aufenthaltsort erfährt ..."
„Hören Sie zu, ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen." Tom war versucht, den Hörer wieder auf die Gabel zu werfen. Doch gleichzeitig umklammerte seine Hand ihn noch fester.
Erinnerungen stiegen in ihm auf. Erinnerungen an eine Zeit, die er lange hinter sich gelassen hatte. Erinnerungen, die er sich nicht wirklich ins Gedächtnis zurückrufen wollte.
„Sind Sie sich da wirklich sicher, Doktor?" Die Stimme lachte.
Tom überlief es eiskalt. Er schluckte hart.
Wenn er sich erst einmal auf das Spiel einließ, würde er vielleicht eine Lösung finden. Zumindest hoffte er das. Die oberste Regel für jeden Therapeuten: Laß dich auf deinen Patienten ein! Wenn er es jetzt und hier tat, hatte er vielleicht eine Chance, aus der ganzen Sache irgendwie wieder herauszukommen. Auf jeden Fall mußte er dann aber Kontakt mit den staatlichen Stellen aufnehmen, die ihn hierher gebracht hatten.
„Was wollen Sie?" quetschte er endlich hervor.
„Braver Doktor. Ich wußte doch, mit Ihnen kann man über alles reden." Die Stimme klang jetzt sehr selbstzufrieden.
Tom schloß die Augen. Ein kurzer Schmerz zuckte durch seine Schläfen.
„Sie haben da eine neue Bekannte, Doktor, eine sehr interessante junge Frau mit einigen ... sagen wir, Geheimnissen, an denen wir interessiert sind."
Er öffnete die Augen wieder, als ein Gesicht vor seinen geschlossenen Lidern erschienen war. „Vashtu Uruhk?"
„Sie schalten schnell. Bravo, Doktor", sagte die Stimme.
Tom atmete tief ein. „Was wollen Sie von ihr?"
„Darüber sprechen wir später", entschied die Stimme. „Für Sie ist es zunächst einmal wichtig, daß morgen zwei von meinen Männern zu Ihnen kommen werden. Ausweisen werden sie sich als Mitglieder des NID. Sie werden Ihnen brav alle Fragen beantworten und genau tun, was sie von Ihnen verlangen. Ist das klar, Doktor?"
Tom preßte die Lippen fest aufeinander.
Er hätte sich von Anfang an denken können, daß Vashtu ihm nichts als Ärger einbringen könnte. Aber er war einfach viel zu fasziniert von dieser merkwürdigen Frau mit ihren noch merkwürdigeren Geschichten, er kam einfach nicht mehr von ihr los.
Was hatte sie denn nur angestellt?
„Ist das klar, Doktor?" wiederholte die Stimme eindringlicher als vorher.
„Was wollen Sie von Vashtu?" Tom blickte wieder auf und musterte sein Gesicht in dem spiegelnden Glas des Fensters.
„Das muß Sie nicht kümmern."
„Hören Sie, ich werde nichts tun, was ihr schaden könnte. Ist das klar?" Entschlossen kniff er die Lippen aufeinander.
„Doktor, Doktor. Sind Sie etwa verliebt in Major Uruhk?" Ein Kichern.
Major?
Tom stutzte und atmete erleichtert auf. „Tut mir leid, wer auch immer Sie sind, Sie irren sich offensichtlich. Miss Uruhk gehört nicht dem Militär an."
„Noch nicht, Doktor, noch nicht. Warten Sie es ab." Ein Klicken in der Leitung.
Tom betrachtete stirnrunzelnd den Hörer in seiner Hand. Einen Moment lang war er wirklich versucht, Vashtu anzurufen und sie zu warnen. Doch ...
Er legte den Hörer auf die Gabel zurück und starrte vor sich hin.
Was sollte er jetzt nur tun? 

*** 

Vashtu drückte Babbis mit sanfter Gewalt auf den harten Stuhl nieder und sah ihn noch einmal scharf an. „Sie ruhen sich jetzt erst einmal aus und trinken mindestens eine Kanne Kaffee. Wenn Sie sich besser fühlen, können Sie ja zu uns stoßen."
Der junge Wissenschaftler sah mit verquollenen Augen zu ihr auf. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. „Aber ..."
„Nicht in meinem Büro, nicht einmal daran denken, Peter!" Vashtu richtete sich wieder auf und sah sich in der gut gefüllten Kantine im Cheyenne-Mountain um. Okay, der Geräuschpegel war im Moment etwas hoch, andererseits hatte sie nicht die Zeit, Babbis zu bemuttern, bis er seinen Rausch endgültig ausgeschlafen hatte. Beckett und Dimitrinov warteten bereits im Gen-Labor auf sie.
„Und laufen Sie ja nicht Landry über den Weg, verstanden?" Sie wandte sich ab und gab Sue, einer der Angestellten, ein stummes Zeichen.
Die nickte verstehend.
Erleichtert seufzend verließ Vashtu die Kantine und setzte zu einem kurzen Lauf an, als Dr. Jackson um die Ecke bog.
„Miss Uruhk!"
Vashtu warf den Kopf in den Nacken, drehte sich dann aber um. „Ja?"
Jackson trat näher, sah sie stirnrunzelnd an. Dann hielt er ihr die Hand hin. „Ich wollte Sie noch im Namen von SG-1 beglückwünschen."
Vashtu schlug verwirrt ein, dann ging ihr auf, wovon er sprach und sie runzelte die Stirn. „Danke, Doc. Das ist nett von Ihnen. Meinen Dank auch an den Rest des Teams - auch an Lt. Colonel Mitchell."
Jackson nickte und zog ein kleines Päckchen hinter seinem Rücken hervor. „Das sollte ich Ihnen auch noch geben. Willkommen im SGC, Major. Hoffentlich wird die Zusammenarbeit zukünftig genauso fruchtbar sein wie bisher."
Vashtu nahm das Päckchen zögernd entgegen und lächelte schwach. „Das hoffe ich auch."
„Sie kommen zur nächsten Unterredung?"
Sie nickte. „Hatte ich vor, falls mir nicht gerade etwas dazwischen kommt." Nervös riß sie an dem Geschenkpapier und enthüllte ein kleines Modell einer F-302 unter einer Plastikhülle. Überrascht riß sie die Augen auf. „Das ist wirklich sehr nett von Ihnen allen. Danke." Ein wenig versöhnlicher blickte sie wieder auf.
Jackson erwiderte ihr Lächeln. „Auf eine zukünftige, gute Zusammenarbeit zwischen unseren Teams."
Vashtu nickte. „Ja, das hoffe ich auch."
„Übrigens ist etwas neues aufgetaucht in Antarktica. Falls Sie später Zeit hätten könnten wir uns an die Übersetzung setzen."
„Äh ..." Vashtu hob die Schultern. „Ist das schon eine Zusammenarbeit?"
Jackson hob überrascht die Brauen. „Ich dachte nur, da Sie Antikisch ja so gut lesen können, könnten Sie mir vielleicht etwas unter die Arme greifen."
„Oh!"
„Haben Sie schon etwas anderes vor?"
„Sozusagen. Dr. Beckett ist extra aus Atlantis gekommen, um an dem Problem mit der ATA-Therapie mit Dr. Dimitrinov und mir zu arbeiten", erklärte sie.
Jackson nickte verstehend. „Wenn Sie Zeit haben. Das Problem ist dringender, ich verstehe. Aber die nächste Teambesprechung sollten Sie nicht verpassen, es könnte wichtig sein wegen ... Merlin."
Vashtus Brauen schoben sich zusammen. „Schon klar. Sobald ich die interne Mitteilung bekomme ..."
„Die ist doch schon raus. Hätten Sie gestern bekommen sollen."
Die Antikerin hob hilflos die Schultern. „Kann mich leider nicht daran erinnern. Ich werde auf meinem Schreibtisch nachsehen."
Babbis' Stimme erhob sich laut aus dem Geräuschpegel der Kantine. Vashtu zuckte zusammen und seufzte ergeben, als sie sich umdrehte.
„Dr. Babbis? Was ist mit ihm?" Jackson machte einen langen Hals.
Wenn sie seine Gesten richtig interpretierte, hatte er wohl Kaffee verschüttet. Vashtu zog eine Grimasse. Schlug bei ihm jetzt etwa auch wieder der Pechvogel zu, den Wallace in den letzten Monaten gepachtet zu haben schien?
„Hat sich wohl verbrüht", murmelte sie schicksalsergeben.
Jackson legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Lassen Sie mich das machen. Ihnen brennt ja offensichtlich die Zeit unter den Nägeln", schlug er überraschenderweise vor.
Vashtu riß die Augen auf, nickte dann aber. „Gut, vielleicht können Sie ihn von den Vorteilen einer Brille überzeugen. Er hat einen üblen Sehfehler, weigert sich aber ... naja, Sie wissen schon."
Jackson runzelte die Stirn und warf einen weiteren Blick in die Kantine. „Ich kann sehen, was sich machen läßt. Vielleicht ist ihm die Tasse deswegen aus der Hand gefallen."
„Eher wegen ... naja, er hat seinen ersten Doktortitel."
Jackson nickte nachdenklich.
„Hat ein bißchen was über den Durst getrunken und die Nacht auf meinem Sofa geschlafen. Ich wußte nur nicht, wohin jetzt mit ihm. Dr. Lam will ihn nicht in der Krankenstation, und ich kann ihn nicht im Labor gebrauchen."
„Ich kümmere mich darum." Jackson sah sie wieder aufmunternd an. „Machen Sie sich an Ihre Arbeit, Major. Das ist im Moment wichtiger."
„Danke. Sie haben was gut bei mir." Vashtu sprang in die Mitte des Ganges und wollte losjoggen.
  „Was für einen Doktortitel hat er denn jetzt?" fragte Jackson hinter ihr her.
„Mathematik. Astrophysik folgt irgendwann demnächst", rief sie über die Schulter zurück, dann war sie in den Gängen verschwunden. 

*** 

Tom kam gerade von der Morgenvisite zurück, als er die beiden Männer in schwarzen Anzügen sah, die ungeduldig im Warteraum zu den Büros der leitenden Ärzte saßen. Einen Moment lang war er wirklich versucht, wieder kehrt zu machen und das Weite zu suchen. Dann aber straffte er sich und ging mit versteinerter Miene weiter.
„Dr. Finnigan?" Miss Alexander, eine der Sekretärinnen, richtete sich hinter dem Empfangsschalter auf.
Aus den Augenwinkeln konnte Tom beobachten, wie die beiden Männer ihm einen langen Blick zuwarfen und anschickten, sich zu erheben.
„Ja?" So freundlich wie möglich sah er die Frau in mittleren Jahren an.
„Diese beiden Herren wollten zu Ihnen. Es geht wohl um eine dringende Angelegenheit."
„NID." Ein offiziell aussehender Ausweis wurde ihm unter die Nase gehalten.
Tom holte wieder tief Atem, dann nickte er so konzentriert wie möglich. „Wie kann ich Ihnen helfen?" fragte er und drehte sich zu den beiden um.
Relativ groß und breitschultrig mit harten, kantigen Gesichtern, die ihm absolut gar nichts sagten, so standen sie lässig da. Die Waffen, die die beiden unter ihren Achseln trugen, zeichneten sich unter den Jacketts ab.
„Sie wissen Bescheid, wurde uns mitgeteilt. Können wir irgendwo ungestört reden?"
Tom versuchte, sich die beiden ganz genau einzuprägen. Vielleicht ...
Er nickte. „Kommen Sie doch in mein Büro. Einen Kaffee?"
Beide schüttelten einhellig die Köpfe und traten an ihm vorbei.
„Tja, dann ... Ich möchte nicht gestört werden, Miss Alexander." Tom folgte den beiden, übernahm dann die Spitze der Gruppe und trat in sein Büro.
Als er sich hinter seinen Schreibtisch setzte, fühlte er sich der Sache etwas mehr gewachsen. Vielleicht lag es allerdings nur an der vertrauten Umgebung.
Die beiden Männer ließen sich ihm gegenüber nieder. Einer von ihnen zückte einen Umschlag und warf ihn ihm hin.
„Was ist das?" Tom zögerte, öffnete ihn schließlich aber doch. Er konnte einen Blick auf einige Fotos werfen, schüttete den Umschlag schließlich vollkommen aus.
Bilder von ihrem ersten gemeinsamen Abendessen. Vashtu mit einem Gipsarm und nachdenklicher Miene. Ein anderes, das sie am Pool ihres Apartmentkomplexes zeigte, wie sie offensichtlich gerade aus dem Wasser kam. Eines von ihnen beiden in seinem Wagen, dann eines von ihr auf ihrem Motorrad. Schließlich eines von ihrem letzten Treffen im Naturpark, als sie einen Tag lang gewandert waren und gerade ihr Picknick genossen.
Tom ließ die Fotos auf seinen Schreibtisch fallen, als habe er sich die Finger verbrannt.
Es ging tatsächlich um Vashtu! Er hatte zwar immer noch keine wirkliche Erklärung für diesen Hinweis auf einen Offiziersposten, aber er erkannte die Asiatin wieder, auf jedem der Fotos.
„Es geht um diese Frau", erklärte der rechte der beiden Männer mit ausdrucksloser Stimme.
In Toms Gesicht zuckte es kurz. Das war wirklich eine vollkommen überflüssige Erklärung. Er konnte es selbst sehen.
„Was wollen Sie von ihr?" Er sah auf, versuchte den Blicken der beiden zu begegnen.
Der Linke beugte sich vor. „Sie haben Kontakt zu ihr, Doktor", antwortete er.
„Das haben mehrere." Ein nervöses Lächeln glitt über sein Gesicht. „Sind Sie an die auch herangetreten?"
„Sagen wir, nicht alle haben ein so bewegtes Leben wie Sie hinter sich, Doc", entgegnete der Rechte und lehnte sich befriedigt zurück. „Wissen Sie, was es mit ihr auf sich hat?"
Tom sah wieder auf die Fotos und biß sich auf die Lippen. „Sie arbeitet für eine Regierungsbehörde", antwortete er.
„Für das SGC", berichtigte der Linke.
Tom zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wir reden nicht darüber", gab er zu.
  „Sie ist nicht das, was sie zu sein vorgibt, Doc. Das sollten Sie wissen", erklärte der Rechte wieder.
  Der Psychologe sah verwirrt auf. „Was meinen Sie damit?"
„Belassen wir es erst einmal dabei. Der NID ist interessiert an ihr, und Sie werden uns helfen, an sie heranzukommen." Jetzt schien der Rechte das Ruder in die Hand zu nehmen.
Tom lehnte sich zurück und kreuzte abwehrend die Arme vor der Brust. „Warum gehen Sie nicht einfach zu ihr und holen sie aus diesem ... diesem SGC, in dem sie arbeitet? Sie sind doch wohl ebenfalls eine Regierungsbehörde, wenn ich das richtig verstanden habe."
„Sie werden uns helfen, oder Ihre Tarnung fliegt auf. Oder denken Sie wirklich, die Wangenimplantate würden Sie derart verfremden, daß niemand Sie mehr erkennt?" Der Linke lächelte verächtlich.
Tom sah etwas hilflos von einem zum anderen. „Was wollen Sie von ihr?"
„Informationen", antwortete der Rechte nun wieder. „Über das, was sie tut und auch über sie selbst. Wie gesagt, sie ist nicht, was sie vorgibt zu sein."
„Das ist lächerlich!"
Der Rechte schmunzelte. „Tatsächlich? Ist Ihnen das nicht von Anfang an ihr aufgefallen? Hat Sie das nicht angezogen? Sie ist ... ungewöhnlich, nicht wahr?"
Tom warf dem Fremden einen unsicheren Blick zu. „Und selbst wenn. Ich wüßte nicht, was Sie das zu interessieren hat."
„Sie ist vielleicht ungewöhnlicher als Sie denken, Doc. Sehr viel ungewöhnlicher." Ein nachdenkliches Nicken. „Vielleicht ist sie etwas, was es sonst nirgends mehr gibt, sozusagen die Letzte ihrer Art? Wer kann das sagen? Auf jeden Fall aber ist sie wichtig für uns. Und sie ist wichtig für Sie, Doktor, wenn Sie denn weiter unter uns Lebenden wandeln wollen."
Tom runzelte die Stirn. „Die letzte ihrer Art? Was soll dieser Quatsch!"
Der Rechte beugte sich vor. „Wenn ich Ihnen diese Information gebe, Doc, müßte ich Sie umbringen. Das wollen Sie doch nicht, oder? Und glauben würden Sie es sowieso nicht. Belassen wir es also dabei. Sie finden soviel über Major Uruhk heraus, wie Sie können, und wir geben Ihnen weitere Anweisung. Sie vertraut Ihnen, das könnte noch wichtig werden."
Tom atmete tief ein und beobachtete, wie die beiden Agenten sich erhoben. Ein gewaltiger Kloß steckte in seiner Kehle.
Was war mit Vashtu? Und warum waren ausgerechnet diese Kerle hinter ihr her? 

*** 

„Ihre Lösung ist zu einfach." Dr. Dimitrinov legte ihre Notizen zur Seite und schüttelte den Kopf.
  Vashtu betrachtete weiter die Anzeigen auf dem Bildschirm. „Was ist daran denn zu einfach? Ich halte das sogar für ziemlich kompliziert", entgegnete sie und drehte sich mitsamt dem Bürostuhl um. „Eine Phasenverschiebung in den Genen zu erzeugen dürfte so ziemlich das schwierigste sein, was ich je zu stande gebracht habe. Und das war vor zehntausend Jahren und mit anderem Gerät."
Dimitrinov beugte sich wieder über die Zettel und las sie stirnrunzelnd.
„Bist du dir sicher, daß das klappen wird?" Beckett runzelte die Stirn.
„Wenn die richtigen Geräte aus Atlantis hier herüber gebracht werden oder wir nach Atlantis gehen mit Sorgenkind Nummer eins, müßte es klappen." Vashtu betrachtete wieder sinnend die Anzeigen, hob dann die Hand und wies auf den linken Bildschirm. „Hier kannst du es ganz deutlich sehen. Wenn wir die Gene auf der zellulären Ebene abgleichen, dürfte es uns gelingen, die Frequenzen zu ändern. Einen anderen Weg sehe ich nicht. Es sei denn, wir erfinden die Gentherapie neu. Und das würde das bestehende Problem nicht lösen."
„Sie haben tatsächlich schon mit soetwas gearbeitet?" Dimitrinov blickte verblüfft auf.
„Ich wußte nicht, daß du deine Einwilligung nicht gegeben hast, Vashtu." Beckett hob die Hände.
  „Ich weiß. Aber du hättest nachfragen können. Es dürfte ja wohl allen aufgefallen sein, daß ich McKay so weit wie möglich aus dem Weg gegangen bin nach meinem Auftauchen." Vashtu beugte sich über die Tastatur und ließ ihre Finger tippen.
„McKay reagiert auf alle Antiker ... nun, nicht sonderlich positiv. Ich denke, das wird der Colonel dir auch mitgeteilt haben", warf Beckett ein.
„Sein Intermezzo mit Chaya?" Vashtu richtete sich wieder auf und drehte sich um. „Vielleicht könnten wir Kontakt zu ihr aufnehmen? Sie ist immerhin eine Aufgestiegene. Vielleicht kann sie bei dem Problem mithelfen."
„Ich fürchte, eher nicht. Sie hat damals alle Hilfe verweigert. Soweit ich weiß, sind die anderen Aufgestiegenen nicht wirklich gut auf sie zu sprechen."
„Stimmt." Vashtu nagte an ihrer Unterlippe. „Auf mich auch nicht", fügte sie dann nachdenklich hinzu.
„Was?"
Sie winkte ab und begann wieder zu tasten.
„Hattest du Kontakt zu Aufgestiegenen?" Beckett trat ungläubig staunend näher.
„Sozusagen." Vashtus Stimme klang unwillig. Sie blickte wieder auf. „Ich kann nicht aufsteigen, das paßt ihnen nicht. Was ihnen aber noch weniger paßt ist die Tatsache, daß andere durch mich aufsteigen könnten. Ich mische mich aktiv ein. Das Problem hatten wir vor zehntausend Jahren schon einmal, Carson, schon vergessen?"
„Oh!"
Die Antikerin nickte und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit.
„Ach, jetzt erinnere ich mich", warf Dr. Dimitrinov ein, „Sie meinen, als Sie das halbe SGC auseinandergenommen haben und fast der komplette Wachdienst in der Krankenstation landete."
  Vashtu knurrte einen Fluch in ihrer Muttersprache, konzentrierte sich stärker auf ihre Eingaben.
„Du hast was?" Becketts Augen waren groß, als sie kurz aufsah.
„Das war nicht ich. Könnten wir das jetzt bitte wieder zu den Akten legen?" Sie hatte sich doch herumgedreht, schalt sie sich. Dabei hatte sie sich voll und ganz auf die Tastatur konzentrieren wollen.
„Verzeihung." Dimitrinov zog den Kopf sichtlich ein, als ihn einer ihrer Blicke traf.
Vashtu drehte sich wieder um und bestätigte die Eingabe. Dann blickte sie hoch zu den beiden Bildschirmen und runzelte die Stirn.
„Zumindest in der Theorie klappt es", sagte sie.
Beckett nickte. „Aber ... über diese andere Sache müssen wir noch sprechen."
Vashtu seufzte ergeben. 

*** 

Babbis saß zusammengesunken auf dem Hocker, stöhnte jammernd und starrte abwesend vor sich hin.
Jackson war vollkommen in seine Arbeit vertieft. Er blätterte durch einige Bücher, notierte sich dann das eine oder andere, während er die Artefakte sorgsam betrachtete. Dann blickte er plötzlich auf.
„Sie können das doch auch, oder?" wandte er sich an den jungen Wissenschaftler.
Babbis blinzelte verstört in seine Richtung. „Was?"
„Na, diese Gegenstände bedienen." Jackson wies mit einer weitausholenden Geste auf das Material, das vor ihm ausgebreitet auf dem Tisch lag.
Babbis warf den Artefakten einen unwilligen Blick zu, nickte aber widerstrebend. „Ich weiß nicht, wie gut ich bin, aber theoretisch ..." Er verzog das Gesicht und hob eine Hand an die Schläfe.
„Noch ein übler Kater, wie?" Jackson bedachte den anderen mit einem mitleidigen Blick.
„Ich bin es nicht gewohnt, mich so zu ... betrinken. Normalerweise rühre ich Alkohol nicht an. Es schadet dem Intellekt. Und da ich noch eine Weile auf dem Damm sein möchte, lasse ich es bleiben. Die Wissenschaft ist zu wichtig für mich. Und ich möchte irgendwann an einem Punkt ankommen, an dem ich wirklich notwendig bin und nicht mehr ausgetauscht werden kann."
Jackson nickte nachdenklich und schob ihm ein handtellergroßes Teil zu. „Probieren Sie das mal. Vielleicht können Sie mir sagen, was es damit auf sich hat."
Babbis blinzelte, dann griff er - direkt daneben. Leise fluchend tastete er nach dem Artefakt und nahm es schließlich in die Hand.
Jackson runzelte die Stirn. „Schielen Sie?"
„Nein, ich bin etwas kurzsichtig."
„Das bin ich auch." Der ältere Wissenschaftler lächelte. „Und ich finde, die Brille steht mir ganz gut. Haben Sie auch eine?"
„Nein." Babbis spielte mit dem Gerät in seiner Hand, tastete es genau ab. „Was soll ich jetzt damit tun?"
„Oh." Jackson beugte sich interessiert vor. „Konzentrieren Sie sich darauf und versuchen Sie es zu aktivieren."
Babbis nickte und schloß die Augen. Sein Gesicht wirkte plötzlich angespannt.
Jackson beobachtete den jungen Mann interessiert.
Dreiundzwanzig sei er erst, hatte er irgendwo gelesen. Dafür wirkte er älter. Daß er jung war, merkte man ihm kaum an, höchstens fehlte es seinem Auftreten noch etwas an Autorität. Und bereits zwei Titel in diesem Alter - er mußte einer dieser Hochbegabten sein. Kein Wunder, daß das SGC auf ihn aufmerksam geworden war. Allerdings neigte er etwas dazu, nervend zu werden und wirklich alle in seiner Umgebung mit in seine Leiden einzubeziehen.
Ein sanftes Leuchten glitt über das Gerät.
„Es klappt!"
Jackson war überrascht. So sehr schien Babbis sich nicht anstrengen zu müssen, um das Gerät aktivieren zu können. Von Jack O'Neill war er da einiges mehr an Konzentration gewohnt. Sollte dieser Babbis vielleicht so eine Art Naturtalent sein im Umgang mit dem künstlichen Gen? Es wäre zumindest zu wünschen.
Der junge Wissenschaftler öffnete die Augen wieder und starrte auf seine Hand hinunter. „Wow!" entfuhr es ihm, dann riß er die Augen weit auf. „Das muß so eine Art Heilapparatur sein. Meine Kopfschmerzen ..." Verblüfft sah er auf. „Sie sind weg!"
„Gut möglich. Bei über neunzig Prozent aller Artefakte wissen wir nicht wirklich, was sie zu bedeuten haben. Miss ... Verzeihung, Major Uruhk war bisher in solchen Fällen behilflich, wenn auch, zugegeben, nicht immer begeistert von ihrer Aufgabe. Vielleicht könnten Sie uns dabei jetzt weiterhelfen und Ihre Leaderin etwas entlasten."
Babbis betrachtete wieder das Gerät in seiner Hand. Er schien nachzudenken. Dann nickte er. „Warum nicht?"
Jackson lächelte. „Gut, dann das nächste."
Der junge Wissenschaftler starrte er ihn verdutzt an. 

*** 

Landry hob die Hand. „Sie wollen was?" Ungläubig starrte er von einem zum anderen.
Die beiden Wissenschaftler und sein baldiger Major nickten einhellig.
„Entweder wir bauen das Gerät in Atlantis ab und bringen es hierher, oder wir machen es dort", antwortete die Antikerin.
„Miss Uruhk, Sie wissen sehr genau, daß der Handel erst ab nächstem Monat gilt. Und bis dahin sind es noch eineinhalb Wochen." Landry funkelte sie an.
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust. „Laut meinen Unterlagen soll SG-27 aber zusammen mit SG-1 in fünf Tagen in einen Fremdwelteinsatz. Wie wollen Sie das machen, Sir? Entweder Sie lassen Babbis oder mich hier auf der Erde zurück. Oder wir nehmen ihn im Vollrausch mit, dann sind seine Gedanken für mich relativ unlesbar."
Landry holte tief Atem, sah dann von ihr zu Beckett. „Können Sie das nicht allein, Doktor?"
Der Schotte schüttelte den Kopf. „Wir brauchen Miss Uruhk, um zu überprüfen, ob das Ergebnis zufriedenstellend ist. Außerdem ist sie die einzige, die das betreffende Gerät kennt und bereits damit gearbeitet hat."
Der General warf der Antikerin wieder einen lauernden Blick zu.
Vashtu beugte sich vor. „Das dauert auch nicht lange, höchstens zwei Tage, dann sind wir wieder zurück. Es geht nur darum, das Gerät neu zu kallibrieren und Babbis da hinein zu stopfen. Wenn es bei ihm klappt, kann Dr. Beckett den Rest auch allein machen und der Doc und ich kommen zurück hierher. Kein Problem und mein Problem hat sich in Luft aufgelöst. Kann auch für meine baldige Zusammenarbeit mit Dr. McKay nicht schaden." Sie lächelte schüchtern unter ihren Ponyfransen.
  „Ist das nicht doch wieder ein Trick? Sie waren doch erst auf Atlantis. Warum ist Ihnen da dieses Gerät nicht eingefallen?"
Vashtu verzog das Gesicht. „Weil ich ... äh ... noch geschwächt war?" Etwas leidend sah sie zu Beckett hinüber.
Landry seufzte und blätterte in den Unterlagen, die die drei mitgebracht hatten. „Und Sie, Doktor?" wandte er sich schließlich an Dimitrinov.
Der zuckte mit den Schultern. „Ich würde mir dieses Gerät auch einmal gern ansehen. Aber wenn Sie meinen, ich solle hierbleiben, dann bleibe ich selbstverständlich, Sir."
Wieder ein forschender Blick auf die Antikerin, dann klappte Landry den Hefter zu und lehnte sich zurück. „Also gut, ich gebe Ihnen zwei Tage, Miss Uruhk. Die werden aber von Ihrem ersten Aufenthalt abgezogen. Und Sie sagen das Dr. McKay."
Vashtu kniff die Lippen aufeinander, nickte aber. „Ja, Sir."
„Wenn es nicht klappen sollte, Ihr Problem mit dem künstlichen ATA-Gen zu lösen, haben Sie hoffentlich genug Zeit, um Dr. Beckett in den Gebrauch Ihres ominösen Gerätes einzuweisen. Ist das klar?"
Wieder ein Nicken, diesmal blieb die Antikerin aber stumm.
Landry seufzte und erhob sich. „Dann sammeln Sie Babbis ein und nehmen den Jumper, der in der Landebucht geparkt ist. King und die anderen sind noch auf Heimaturlaub. Und in zwei Tagen sind Sie wieder hier, nicht mehr und nicht weniger. Ich werde den Wecker stellen, Miss Uruhk."
Vashtu erhob sich und nickte. „Danke, Sir." Sie lächelte verlegen.
Der General winkte ab und entließ sie aus seinem Büro. 

*** 

Wieder war nur die Mailbox am Apparat.
Tom legte seufzend auf und starrte auf die Fotos.
Was sollte er nur tun? Er hatte versucht, Kontakt mit der Regierungsbehörde aufzunehmen, die ihm damals seine neue Existenz ermöglicht hatten. Aber dort schien niemand mehr zu sein. Entweder man hatte ihn vergessen, oder man wollte ihm schlicht nicht helfen.
Sein nächster Gedanke war es eben gewesen, Kontakt mit Vashtu aufzunehmen und herauszufinden, was diese beiden Typen da angedeutet hatten. Aber sie war wieder einmal nicht erreichbar, weder über ihre dienstlichen Nummern noch privat.
Wo konnte sie stecken? Sie war jetzt schon seit mehreren Wochen nicht wirklich erreichbar für ihn. Nur kurze Telefongespräche, in denen sie angedeutet hatte, daß ihr Job sich zukünftig etwas verändern und sie deshalb weniger Zeit haben würde. Was da denn nur los?
NID, was steckte hinter diesen drei Buchstaben.
Auch das hatte Tom inzwischen versucht herauszufinden. Aber wieder war er auf Mauern gestoßen, die er nicht überwinden konnte. Er wußte nur, es schien sich um eine streng geheime Regierungsbehörde zu handeln, ähnlich wie der, für die Vashtu arbeitete. Aber warum sollte eine Behörde der anderen die Leute abzujagen versuchen? Vashtu schien doch nicht einmal einen so bedeutenden Posten innerhalb dieses eigenartigen SGC zu besitzen. Warum also waren diese beiden Typen hinter ihr her? Und wo, zum Teufel, steckte sie wieder?
Tom barg das Gesicht in den Händen und schloß die Augen.
Wenn er zu Anfang nicht so fasziniert von ihr gewesen wäre - es, wie er zugeben mußte, noch immer war - es wäre nie soweit gekommen. Wer auch immer sich hinter dem Kürzel NID verbarg, er schien verdammt gut zu wissen, was er tat.
Aber was hatten diese merkwürdigen Andeutungen zu bedeuten, die die beiden Kerle ihm gegenüber gemacht hatten? Was sollte es heißen, daß Vashtu jemand anderes war, als sie zu sein vorgab? War sie am Ende ... ?
Tom stöhnte hinter seinen Händen auf. Nein, nur das nicht! Keine Geheimnisträgerin, bitte nur keine Geheimnisträgerin!
Er nahm die Hände herunter und betrachtete wieder die Fotos, die er vor sich ausgebreitet hatte. Dabei fiel ihm etwas auf und ließ ihn stutzen.
Auf einem Bild, es mußte kurz nach einem ihrer merkwürdigen Phasen aufgenommen worden sein, in der sie verschwunden war, hatte sie eine deutliche Narbe auf dem linken Oberarm. Wenn er nachdachte, konnte er sich auch noch daran erinnern. Es war noch nicht allzu lange her. Was ihn stutzen ließ war das Foto von ihrer Wandertour, bei dem sie ein Muscleshirt getragen hatte. Wieder war ihr linker Oberarm zu sehen, doch diesmal war keine Narbe mehr erkennbar.
Tom lehnte sich irritiert zurück und betrachtete beide Fotos genau. Er mußte sich irren, er mußte! Keine Narbe konnte so schnell verblaßen, von Verschwinden gar nicht zu reden. Es mußte irgendeine Erklärung dafür geben. Es mußte! Denn ansonsten ...
„Dr. Finnigan? Ihr nächster Termin ist da", meldete Miss Alexander über die Gegensprechanlange.
  Tom wischte die Fotos zusammen und verbarg sie in seinem Schreibtisch. Dabei wünschte er sich, er könnte auch seine Gedanken einfach so verschwinden lassen.
Er mußte auf jeden Fall Kontakt zu Vashtu herstellen, koste es was es wolle! Er mußte herausfinden, was es mit ihr auf sich hatte. 

*** 

„Rein da, Peter!" Vashtu wies unnachgiebig auf die enge Öffnung in dem mannshohen Kasten, an dem sie die letzten Stunden herumgebastelt hatte.
Babbis warf dem Gerät einen nervösen Blick zu. „Aber ... das ist verdammt eng da drin!" Hilfesuchend sah er sie wieder an.
Vashtu schüttelte den Kopf. „Ich sagte, Sie sollen da reingehen. Wollen Sie ausgetauscht werden und aus dem Team fliegen? Ich bin es nicht, die sich die ATA-Therapie ohne mein Wissen hat verabreichen lassen."
Babbis kniff die Lippen fest aufeinander und schüttelte den Kopf.
„Peter, entweder Sie gehen freiwillig in das Gerät oder ich zwinge Sie mit Waffengewalt da hinein. Was ist Ihnen lieber?" Drohend trat sie einen Schritt näher.
„Vashtu, so geht das doch nicht", meldete sich Beckett zu Wort. Mitfühlend trat der Mediziner zwischen sie beide und legte dem jungen Wissenschaftler eine Hand auf die Schulter. „Leiden Sie etwa unter Klaustrophobie?"
Vashtu hob die Brauen, schüttelte dann den Kopf und wandte sich etwas genervt ab.
Wenn sie schon einmal in ihrer alten Heimat war und einen Auftrag relativ schnell erledigen konnte, wollte sie eigentlich auch ein bißchen Freizeit hier verbringen, vorzugsweise mit John Sheppard. Nun gut, der Lt. Colonel war gerade in einem Außenwelteinsatz, wie sie erfahren hatte, als sie hier angekommen waren. Aber die Möglichkeit bestand, daß sie beide sich doch noch über den Weg laufen würden. Dann wollte sie zumindest einige Punkte mit ihm diskutieren, die ihr irgendwie ...
Ins Militär einzutreten war zwar nicht ihr größter Wunsch gewesen, aber immerhin fühlte sie inzwischen einen gewissen Stolz darüber, daß es ihr gelungen war. Es ihr jetzt wieder ausreden zu wollen, kam ein bißchen spät in ihren Augen. Da hätte er auch andere Möglichkeiten gehabt, davon war sie überzeugt.
Außerdem gab es da noch das eine oder andere, was sie sich ansehen wollte, solange sie noch nicht unter McKays Fuchtel stand. Auch würde sie gern noch einige Worte mit Weir wechseln, von Dr. Zelenka gar nicht zu sprechen. Und auch Teyla wollte sie aufsuchen, sobald diese mit Sheppard wieder zurück war.
Kurz und gut, Babbis' Zögern, in die einzige Möglichkeit, die ihnen beiden blieb, einzuwilligen, brachte sie einfach nur auf. Sie wollte ihm doch beileibe nichts schlimmes, ganz im Gegenteil. Andere Leader hätten sehr wahrscheinlich vollkommen anders reagiert als sie auf das, was er da getan hatte. Sie war sogar so nett gewesen, eine Lösung für das Problem auszuarbeiten. Und wie dankte er ihr das? Indem er mal wieder die Mimose spielte und sich auf seine traumatischen Erfahrungen im CT berief.
Vashtu drehte sich wieder um und funkelte Babbis über Becketts Schulter wütend an. „Würden Sie sich jetzt, bitte, in das Gerät begeben, damit wir fortfahren können", sagte sie so freundlich sie konnte.
„Vashtu, bitte, geh einen Tee trinken oder etwas ähnliches. Wir beide werden das Problem schon lösen. Ich lasse dich dann rufen." Beckett drehte sich zu ihr um.
Vashtu atmete tief ein, funkelte Babbis noch einen Moment lang an, dann drehte sie sich um, gerade als sich die Tür öffnete. Wie erstarrt blieb sie stehen, als sie sah, wer da gerade den Raum betreten wollte - und dem Eindringling erging es nicht viel anders.
All die Wut, die sich seit zwei Tagen in ihr aufgestaut hatte, verlosch mit einem Mal, machte der Sehnsucht nach seiner Berührung Platz. Und sie sah, wie seine Augen ebenfalls aufleuchteten.
„John!" entfuhr es ihr. Im nächsten Moment fand sie sich bereits in seinen Armen wieder und hörte ihn undeutlich ihren Namen in ihr kurzes Haar wispern. Sie erwiderte seine Umarmung, reckte ihm ihr Gesicht entgegen und küßte ihn voller Leidenschaft.
„Muß das jetzt sein?" knurrte hinter ihr Babbis.
John löste seine Lippen von ihren und blickte unter seinen Brauen überrascht auf. „Babbis?" Sein Blick glitt zu ihr hinunter. „Was ... ?"
„Könnten Sie das vielleicht draußen weiter besprechen, Lt. Colonel?" fragte der junge Wissenschaftler mit schneidender Stimme, ließ Sheppard wieder verwirrt aufsehen.
Vashtu löste sich aus seiner Umarmung und drehte sich erneut um, um Babbis nun erst wirklich wütend anzufunkeln. Der schob trotzig die Unterlippe vor und kreuzte die Arme vor der Brust.
  „Gehen Sie jetzt endlich in das Gerät, Peter?" fragte sie.
Babbis starrte sie noch einen Moment lang an, dann drehte er sich um und marschierte zu dem schmalen Eingang.
Vashtu seufzte erleichtert und folgte ihm, um die Apparatur zu schließen und anschließend die Kontrollen zu bedienen.
„Was ist los? Ich hörte nur, du seist hier. Aber was macht Babbis da drin?" John war ihr gefolgt, stand jetzt dicht hinter ihr.
„Das ist eine lange Geschichte." Sie seufzte und warf Beckett einen kurzen Blick zu. Der Mediziner stand noch immer am gleichen Flecken und sah sie vorwurfsvoll an. Schnell wandte sie sich wieder dem Panel zu und starrte angestrengt auf den Bildschirm.
John beugte sich interessiert vor und beobachtete, was sie gerade tat. Dann richtete er sich wieder auf und runzelte die Stirn.
„Der Vorgang ist gleich abgeschlossen. Wollen wir hoffen, daß es auf Anhieb geklappt hat." Vashtu tauschte den letzten Kristall, blickte dann wieder auf die Meßwerte und schaltete die Apparatur schließlich ganz ab.
Beckett kam nun doch heran und öffnete den schmalen Durchgang wieder. Babbis kam zögernd heraus, er wirkte nun erst recht benommen und sah sie vorwurfsvoll an.
Vashtu erwiderte seinen Blick und ließ konzentriert ihre mentale Barriere fallen. Dann hob sie überrascht die Brauen. „Es hat geklappt!"
Beckett drehte sich zu ihr um. „Wirklich?" fragte er ungläubig.
Vashtu konzentrierte sich noch einmal, dann nickte sie. „Ich kann nichts mehr hören." Erleichtert ließ sie die Schultern sinken und seufzte. „Dann können wir mit den anderen Therapierten weitermachen. Wir haben noch eineinhalb Tage."
„Ob wir Rodney in das Ding kriegen ist eine andere Frage. Er wird nicht so einfach auf bestimmte Dinge anspringen." Beckett betrachtete das Gerät zweifelnd.
„Und gerade er ist der zweitwichtigste. John, fällt dir etwas ein?" Vashtu drehte sich zu dem hochgewachsenen Mann hinter ihr um.
„Wenn mich jemand aufklären könnte ... ?" Auffordernd hob er die Brauen.
Beckett wandte sich wieder Babbis zu und führte den jungen Wissenschaftler aus dem Raum. Wahrscheinlich, so dachte Vashtu, wollte er ihn noch einmal gründlich untersuchen.
„Es geht um die ATA-Gentherapie, John. Ich hatte von Anfang an ein Problem mit ihr", begann sie zu erklären.
John nickte, hob sacht die Hand und strich über ihre Wange. „Laß uns ein paar Schritte gehen", schlug er vor. „Dabei kannst du mir erzählen, was das für ein Problem ist."
Vashtu lächelte und ließ zu, daß er ihre Hand nahm. An seiner Seite verließ sie das Labor, hielt sich dicht an seiner Seite.
„Die Sache ist die, daß ich die Gedanken der Therapierten hören kann", erklärte sie. „Dr. Dimitrinov auf der Erde fand heraus, daß ein Teil meiner Gehirnwellen im Gleichklang mit denen der Therapierten schwingt. Meine mentalen Veranlagungen spielen dabei ebenfalls eine gewisse Rolle. Aber im großen und ganzen war das Problem eben, daß ich sie hören konnte."
John runzelte die Stirn, dann hob er den Kopf. „Darum bist du damals so auf McKay losgegangen in der Cafeteria!"
„Richtig." Vashtu nickte, ließ sich von ihm weiterführen. „Nach meinem Zusammenstoß mit ... als ich hier auf der Krankenstation lag, ließ Babbis sich ebenfalls das ATA-Gen spritzen, angeblich mit meiner Zustimmung. Seitdem ist SG-27 nur auf einem Einsatz gewesen, und der endete in einer Katastrophe."
„Kolya ist tot." Johns Stimme klang plötzlich dumpf.
Vashtu blieb stehen und entriß ihm ihre Hand. „Was?" Mit großen Augen starrte sie ihn an.
Er drehte sich zu ihr herum. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch in seinen Augen blitzte eine Eiseskälte, die sie nur von sich selbst kannte. „Ich habe ihn getötet. Ist noch gar nicht lange her."
Vashtu schluckte und schwieg.
John trat wieder näher, sah auf sie hinunter. Wieder hob er die Hand und strich sanft über ihre Wange. Die Kälte verschwand aus seinen Augen. „Es hat sich so ergeben", wisperte er schließlich zögernd. „Und ich wollte ihn töten. Er hatte genug angerichtet."
Vashtu fühlte einen Kloß in ihrer Kehle. Plötzlich war alles wieder da, jeder noch so winzige Moment ihrer Geiselhaft, jeder Schmerz, jede Wunde.
Schaudernd wandte sie sich ab und senkte den Kopf.
„Vash!" Seine Arme umfingen sie wieder, preßten sie fest an ihn. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken. Sie konnte fühlen, wie jeder Muskel in seinem Körper zu vibrieren schien und schloß die Augen.
„Es ist ... vorbei", wisperte sie. „Vorbei!" Kurz kämpfte sie sich von ihm frei, um sich umzudrehen, dann erwiderte sie seine Umarmung wieder, in die er sie erneut zog. Doch vor ihrem inneren Auge spielte sich alles noch einmal ab, was sie vor nicht allzu langer Zeit erlebt hatte. Alles, von dem sie geglaubt hatte, es für immer irgendwo in den Tiefen ihres Geistes eingeschlossen zu haben. Und für einen ganz kurzen Augenblick haßte sie John dafür, ihr zuvor gekommen zu sein. 

*** 

Vashtu lehnte nachdenklich an der Brüstung und reckte die Nase in den Wind, der die salzige Luft des Meeres mit sich trug.
„Du mußt verstehen, daß ich ... Ich wünsche dir wirklich alles gute, aber ..." John stockte und legte ihr eine Hand auf die Schulter, was sie aufsehen ließ. „Ich denke, ich kenne dich ganz gut, Vash." Seine Stimme klang nun zärtlich. „Und wenn ich eines in meiner Zeit bei der Air Force gelernt habe, dann daß: man sollte nie zu unabhängig sein. Und genau das bist du. Es wird nicht gutgehen, glaube mir."
„Ich habe das Angebot bereits angenommen. Ab nächster Woche bin ich ein Major der Air Force, John. Ich kann und will nicht zurück. Vielleicht geht es auch gut. Landry und ich kommen sehr gut miteinander aus, ebenso wie General O'Neill und ich." Sie sah wieder auf den weiten Ozean hinaus. „Ich habe mir das sehr gut überlegt, glaube mir. Ich treffe keine leichtfertigen Entscheidungen mehr. Und ich sehe es als Chance."
„Landry wird nicht für immer Leiter des SGC sein, Vash", warf John ein.
Vashtu runzelte die Stirn. „Vielleicht habe ich mich dann aber schon so festgesetzt im Center, daß ... Verdammt, John! Ich wollte von diesem dämlichen Stuhl weg!" Sie sah wieder auf, das Kinn trotzig vorgereckt. „Ich bin niemand, der gern auf dem Abstellgleis steht. Und der Stuhl auf Antarktica ist genau das. Ich bin einmal dort gewesen, ich muß das nicht noch einmal." Die Wahrheit würgte sie, doch sie wollte sie nicht aussprechen. Wieder blickte sie auf den Ozean hinaus.
John seufzte. „Ich hoffe nur, du weißt, was du tust. Ich sehe das anders, und auch Elizabeth ist da meiner Meinung. Du hättest Zivilistin bleiben sollen, selbst wenn du dann nicht hättest fliegen dürfen. Was ist denn so schlimm an dem Kontrollstuhl? Du hast, im Gegensatz zu mir, sogar eine überreichliche Bewaffnung. Wir müssen immer noch um jede Drohne kämpfen."
Vashtu preßte die Lippen fest aufeinander und senkte den Kopf. Seine Hand schob sich zärtlich unter ihr Kinn und hob es wieder an. Liebevoll blickte er ihr in die Augen.
„Was war los?" wisperte er mitfühlend.
Vashtu sah ihn an, und sie wußte plötzlich, daß er der einzige Mensch im ganzen Universum sein würde, der zumindest ansatzweise verstehen konnte, was sie bedrückte.
„Der Kontrollstuhl auf Antarktica ist mehr als nur eine Waffenplattform meines Volkes", begann sie schließlich zögernd zu berichten. „Dr. Jackson und ich fanden heraus, daß es ... Der Rat hat die Experimente hier abbrechen lassen, um sie an anderer Stelle fortzuführen. Unmenschliche Experimente, John! Sie hatten eine eigene Stadt, irgendwo weit abgelegen von allem."
John runzelte die Stirn und hörte ihr aufmerksam zu.
„Vineta, so hieß diese Stadt. Sie lag in einer kleinen Galaxie und war nur von Atlantis aus zu erreichen", fuhr Vashtu fort. „Und dort ... Die Wissenschaftler von Vineta schufen eine künstliche Rasse."
Sein Blick glitt nachdenklich ab. „Du meinst Asuraner?" fragte er.
Sie packte seinen Arm und klammerte sich daran fest, als könne er ihr Halt geben. „Nein, keine Asuraner. Etwas anderes, etwas schreckliches, was sie gegen die Wraith einsetzen wollten."
Er sah sie wieder an. „Hat es geklappt?"
Sie schüttelte unmerklich den Kopf. Seine Augen schlossen sich resignierend.
„Die Devi, dieses neue Volk, erhob sich gegen die Bewohner von Vineta und löschte fast die ganze Bevölkerung aus. Nur einige wenige konnten entkommen und flohen mit der Aurora."
Seine Kiefer spannten sich an.
„Ja, das war die Botschaft, die ihr nicht finden konntet. Es gab sie nicht, John, zumindest nicht so, wie ihr vermutet habt. Das Oberhaupt der Stadt war in der Aurora. Dieses Oberhaupt war die Botschaft an den Rat von Atlantis. Das war die geheime Schwäche der Wraith."
Seine Augen öffneten sich wieder. Sinnend musterte er ihr Gesicht. „Aber das war nicht alles, richtig?" wisperte er.
Vashtu nickte, preßte kurz die Lippen aufeinander. „Das war nicht alles, du hast recht. Die Devi konnten nur entstehen, weil ... Der Rat gab meine Forschungsergebnisse an Vineta weiter, John. Und zumindest kurz vor dem Untergang der Stadt war mein Vater dort. Ich bin schuld an dem, was in Vineta geschah!"
Er starrte sie ungläubig an. „Was?"
Sie nickte. „Die Wissenschaftler wandelten meine Gentherapie ab und schufen so die Devi, eine Kreuzung aus Menschen und Insekten. Die Devi sollten die Antwort auf die Wraith sein. Aber dazu ist es nie gekommen."
Er runzelte die Stirn, hielt ihren Blick gebannt. „Du glaubst doch nicht wirklich, daß ausgerechnet du schuld an dem Versagen der Wissenschaftler deines Volkes bist. Vash! Sie hätten auch ohne dich irgendwann einen Weg gefunden, diese ... diese Devi zu erschaffen!"
„Aber nicht so schnell", behaarte sie.
John ließ ihr Kinn los, packte sie an der Schulter und riß sie richtig herum. Dabei starrte er sie durchdringend an. „Diese Stadt ging unter, weil die Wissenschaftler nicht einschätzen konnten, was sie da hervorgebracht hatten. Denkst du, auf der Erde gibt es keine ähnlichen Geschichten? Lies nach, was die Väter der Atombombe für Schuldgefühle hatten nachdem diese eingesetzt worden war. Es hätte auch leicht schiefgehen können. Du bist nicht schuld! Hast du das verstanden?" Er atmete tief ein. „Und wenn das wirklich dein vornehmlicher Grund ist, in die Army einzutreten ... Verdammt! Ich würde es dir gönnen, wenn du Erfolg hättest, und das weißt du wahrscheinlich ebenso gut wie ich. Aber Tatsache ist nun einmal, Leute wie wir beide haben es in der Armee verdammt schwer. Ich will nicht, daß du, weil du dir Vorwürfe machst, einen riesigen Fehler begehst. Hast du diese Sache überhaupt jemandem erzählt?"
„Nicht alles." Vashtu senkte den Kopf.
John zog sie an sich und umarmte sie wieder. „Du bist nicht schuld, hörst du? Und wenn ich dir das jeden Tag hundert Mal sagen muß, es wird sich daran nichts ändern!" Seine Stimme klang sanft aber bestimmt. Er küßte ihr strubbeliges Haar. „Denk nicht mehr daran. Und wenn du wieder auf der Erde bist, gehst du zu Landry und sagst ihm, du hast deine Entscheidung geändert. Mach keinen Fehler, Vashtu, ich bitte dich!"
Unwillig machte sie sich von ihm los, trat einen Schritt zurück. „Ich werde nicht zurücktreten, John. Ich kann es nicht mehr. Muß ich noch einmal nach Antarktica, werde ich verrückt, verstehst du? Selbst wenn ich den Steuerkristall nicht mitnehme, ich weiß, was in den Speichern dieses verdammten Außenpostens verborgen ist. Ich habe die Daten gelesen, John! Ich weiß, an was Vineta gearbeitet hat, und ich weiß, womit sie gearbeitet haben. Denkst du, als ich die Gentherapie entwickelte, hatte ich an eine solche Verwendung gedacht? Ich wollte nur, daß wir uns endlich gegen die Wraith wehrten!"
John hob die Hände und sah sie eindringlich an. „Wenn du im Kampf gegen die Ori draufgehst, weil du in einer F-302 geflogen bist, denkst du, dir wird es dann besser gehen? Sag irgendjemandem, was in diesen Speichern auf Antarktica steckt, Vash, ich bitte dich. Das SGC wird sie irgendwie abtransportieren lassen, wenn es sein muß. Aber setz dich nicht in einen Jäger und versuch die Heldin zu spielen. Nach allem, was ich gehört habe, sind die Ori auf jemanden wie dich mehr als schlecht zu sprechen. Die werden dich nicht nur töten, die werden dich atomisieren, daß auch nicht das kleinste bißchen von dir übrig bleibt. Denkst du, ich möchte, daß irgendwann ein Offizier des Ministeriums vor meiner Tür steht und mir eine Fahne bringt?"
„Ich denke, ich kann diese Gefahr sehr gut einschätzen, John", entgegnete sie. „In einer F-302 kann ich es mit den meisten erfahrenen Kampfpiloten aufnehmen. Außerdem ist noch immer nicht klar, ob ich überhaupt fliegen soll nach meinem Militäreintritt. Es kann genausogut sein, daß alles so bleibt, wie es ist und worüber der Handel läuft. Eine Woche im Monat Atlantis, den Rest der Zeit im SGC. Daran ist doch nichts verkehrtes."
John sah sie eindringlich an. Seine Kiefer mahlten. „Du hast noch nie einem Prior gegenübergestanden, wenn ich deine Worte richtig interpretiere, oder?" fragte er nach einer kleinen Weile.
Vashtu stutzte, schüttelte den Kopf. „Was hat das damit zu tun?" fragte sie verblüfft. Dann schoben sich ihre Brauen wieder zusammen. „Oh nein, so nicht, John Sheppard! Ich lasse mich von dir nicht unter Druck setzen. Ja, ich habe noch nie einem Prior gegenübergestanden. Und? Ich weiß, daß ich gegen alles andere, was mir begegnet ist, bestanden habe. Ich habe selbst Kolya überlebt!"
„Da wärst du beinahe draufgegangen. Und ich möchte nicht wissen, was sonst noch geschehen ist, wovon ich keine Ahnnung habe", entgegnete er.
Vashtu kreuzte die Arme vor der Brust, als suche sie Abstand von ihm. Und, wenn sie ehrlich sein wollte, so war es auch. „Es ist eine Menge passiert, wenn du es genau wissen willst! Und ich habe alles überlebt. Ich habe SG-27 von einem Chaotenhaufen zu einem Team geformt - ganz im Gegensatz zu dir!"
„Ich hatte einen verdammten Einsatz mit diesen beiden Fachidioten. Ich konnte mich ja kaum an ihre Namen erinnern!" verteidigte er sich.
Vashtu sprang sofort darauf an. „Soweit ich weiß, hast du dir aber auch nicht die leiseste Mühe gegeben, sondern die ganze Zeit deinem McKay nachgetrauert!"
„Und was ist mit dir und Babbis? Du setzt doch jetzt schon deine Karriere aufs Spiel, damit er in deinem Team bleiben kann!" John schüttelte den Kopf. „Und dann hälst du mir soetwas vor? Und was ist mit deinem neuesten Hobby? Wer von uns beiden nimmt denn irgendwelche Geräte und Motoren in seinem Büro auseinander? Und, vor allem, mit wem? Ich lasse Rodney zumindest machen! Du mußt dich ja auch noch einmischen!"
Vashtus Augen glühten vor Wut auf. „Ich BIN Wissenschaftlerin, John Sheppard! Ich weiß, was ich tue, verdammt! Du bist doch nur der typische Pilot mit deinem, dieses Knöpfchen drücken, jenen Hebel betätigen. Ich will wissen, wie das alles zusammenhängt. Und das unterscheidet uns beide wohl auch."
Triumph leuchtete in seinen Augen. „Und wie willst du deinen Wissensdurst stillen, wenn du erst Pilotin bist? Kannst du mir das sagen? Üblicherweise bist du nämlich dazu da, genau die Schalter und Knöpfe zu bedienen und sonst nichts zu machen! Für die Technik sind die Techniker zuständig und nicht die Piloten. Ich habe mit Mitchell über euer Manöver gesprochen, Vashtu Uruhk. Er hat mir sehr genau mitgeteilt, was du alles an einer F-302 angerichtet hast - an einer!"
„Und ich habe sie auch wieder zum Laufen gekriegt", fauchte sie ihn an. „Würdest du das auch?"
„Darum geht es nicht, und das weißt du auch sehr genau!"
„Doch, es geht genau um das. Das ist es nämlich, was euch alle von Anfang an fasziniert hat an mir. Nicht mein Wissen, oh nein, nicht das was ich bin. Meine Art, mit den Dingen umzugehen, die hat es euch allen angetan!"
John rang in hilfloser Wut die Hände, beugte sich mit langem Hals über sie. „Und darum willst du dich umbringen lassen? Um zu beweisen, daß du mehr kannst, als mit Technik umzugehen? Du bist verrückt, Vashtu!"
„Das bin ich nicht!"
„Dann solltest du dir sehr genau überlegen, was du willst. Willst du tatsächlich als Opferlamm zu den Ori gehen? Willst du das? Dann viel Spaß! Aber ich werde mir das nicht mitansehen, hast du verstanden? Wenn du es anders nicht lernen willst, dann eben so!"
Vashtu reckte nun ihrerseits den Hals, erwiderte sein Starren. „Du bist hier doch weit vom Schuß, Lt. Colonel John Sheppard. Du hast es dir hier doch richtig gemütlich gemacht und willst gar nicht mehr weg! Für dich ist dieser Handel doch geradezu perfekt: Die Stadt, die du zu deiner Heimat erkoren hast und die Frau, von der du behauptest, du würdest sie lieben, und die auch nur eine Woche im Monat, während du dich den Rest der Zeit anderweitig vergnügen kannst. Absolut perfekt für einen Gockel wie dich!"
„Ich bin ein Gockel?"
„Wer flirtet denn mit jedem weiblichen Wesen, das auch nur am Horizont auftaucht?"
„Du bist eifersüchtig!" Er wich zurück.
„Das bin ich ganz sicher nicht, John Sheppard, ganz sicher. Aber wenn du es so haben willst, bitte sehr. Ich werde dir nicht im Wege stehen! Ich gehe meinen Weg auf der Erde, nicht in deiner heißgeliebten Pegasus-Galaxie! Und ich muß sehen, wie ich mit diesem Leben auf der Erde zurechtkomme. Und genau aus diesem Grund werde ich nicht zurücktreten und brav weiter deine Lückenbüsserin spielen! Ich gehe meinen eigenen Weg, ob es dir nun paßt oder nicht!"
John starrte sie eine ganze Weile nur wortlos an, dann richtete er sich wieder auf und wandte sich ab. „Dann dürfte wohl alles zwischen uns gesagt sein." 

*** 

Einen Tag später 
„Was muß man eigentlich tun, damit ihr zwei euch nicht in den Haaren liegt, mh?" Carson Beckett umarmte sie kameradschaftlich, hielt sie dann von sich und sah sie fest an. „Mach dir nicht so viele Sorgen, Vashtu, hörst du? Das wird sich schon wieder einrenken."
Sie sah ihn mit traurigem Augen an, dann nickte sie. „Danke, Carson. Du hast schon so viel geholfen. Ich wüßte nicht, wie ich dir das je danken soll."
Der Schotte lächelte versonnen. „Sagen wir, mein Dienst als Liebesbote für euch beide bringt auch mir eine gewisse Befriedigung. Das reicht mir."
Sie nickte bitter. „Und du bist weiter einsam. Es tut mir leid für dich."
„Mach dir darum keine Sorgen, Vashtu." Beckett machte kurz Babbis Platz, der den Jumper besteigen wollte mit düsterer Miene.
„Es tut mir leid, daß ich in dir nur einen Freund sehen kann. Aber wahrscheinlich den besten Freund, den ich je hatte, falls dich das tröstet."
„Na, das ist doch schon einmal etwas." Beckett drückte sie wieder kurz an sich, dann trat er zurück. „Und jetzt solltest du sehen, daß du über die GateBridge kommst, ehe Landry noch ein Rettungskommando ausschickt, um dich wieder zurückzuholen. Die Pegasus-Galaxie scheint ihm für dich zu gefährlich."
Vashtu senkte den Kopf. „Ja, ich weiß. Auch wenn ..." Sie stockte und seufzte schwer.
„Laß dich nicht unterkriegen und vertrau mir. Einen letzten Dienst werde ich euch beiden noch erweisen, Vash, und wenn es das letzte ist, was ich je tun werde", sagte der Schotte mit entschlossener Miene. „Euch beide zusammenzubringen war bisher schon eine harte Arbeit für einen Aushilfsarmor wie mich. Euch die Köpfe ein wenig zurechtzurücken erscheint mir da noch die wesentlich leichtere Übung."
„Du bist auch gegen die Air Force, Carson", warf Vashtu mit einem traurigen Lächeln ein.
Beckett zuckte mit den Schultern. „Einen letzten Dienst für zwei dickköpfige Liebende." Er hob einen Finger. „Was deinen Militäreintritt angeht, so halte ich mich da heraus. Du kennst meine Meinung, aber ich bin gern bereit, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Also streng dich an, Major Vashtu Uruhk."
„Das werde ich tun, Carson." Wieder sandte sie ihm ein trauriges Lächeln.
„Was deine Beziehung zu John Sheppard angeht ... nun, ich denke, ihr beide seid erwachsen genug, um das letztendlich unter euch zu klären. Und genau darum sage ich, ich werde euch beiden noch einen letzten Dienst erweisen, und zwar gleich nach deinem Aufbruch. Wenn der scheitert ... kann auch ich nichts mehr tun und nur hoffen, daß ihr doch wieder zusammenfindet." Er trat noch einen Schritt zurück. „Und jetzt ab mit dir, baldiger Major. Du hast dein Team gerettet, das ist doch etwas."
Vashtu nickte, bestieg jetzt wirklich die Rampe. Dann drehte sie sich noch ein letztes Mal um und sah sich in der Jumperbase von Atlantis um, während die Heckklappe sich schloß. 

*** 

„Verzeihen Sie meine Wortwahl, John, aber Sie sind ein Idiot", wandte Carson Beckett sich an den militärischen Leiter der Atlantis-Expedition.
Der blinzelte irritiert, während er sich sein T-Shirt wieder überstreifte. Verwirrt drehte er sich zu dem kleineren Mediziner um. „Wie bitte?"
Beckett sah ihn mit gekreuzten Armen herausfordernd an. „Da gibt es wahrscheinlich die faszinierendste Frau des ganzen Universums, die ausschließlich an Ihnen interessiert ist, und Sie lassen sie einfach so auflaufen und trennen sich von ihr. Ich nenne das schlicht Dummheit."
John hob die Brauen. „Vashtu Uruhk?"
Beckett nickte. „Sie haben sie nicht gesehen, als sie zurückgeflogen ist über die GateBridge. Ich dagegen schon. Sie wollte einige Zeit mit Ihnen verbringen und hatte bei Landry zwei Tage herausgeschlagen. Und was machen Sie? Sie streiten sich mit ihr und gehen ihr dann aus dem Weg."
John schob unwillig die Brauen zusammen. „Das ist meine Sache, Doc." Er griff nach seiner Jacke. Diese Routineuntersuchung war in seinen Augen ohnehin vollkommen überflüssig. Er hätte gar nicht herkommen sollen.
„Wenn ich das bis jetzt richtig verstanden habe, lieben Sie Vashtu, John. Und ich kann Ihnen versichern, sie liebt Sie auch, von Anfang an."
„Dann hätte sie ja nicht diesen Unsinn anstellen brauchen. Vashtu und die Air Force! Carson, ich bitte Sie!" Er drehte sich jetzt doch wieder um und schüttelte den Kopf. „Da hätte ich auch gleich McKay zum Kindergärtner machen können für die Athosianer!"
„Vielleicht steckt aber mehr dahinter, haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?" Beckett wandte sich seinen Instrumenten zu und begann sie zu sortieren, als sei das Gespräch für ihn beendet. Dann aber hielt er inne und drehte sich wieder zu ihm um. „Was war, als diese Sache mit Kolya passierte?"
John zuckte zusammen.
Das würde er wohl sein Lebtag nicht mehr vergessen können. Vashtu, wie sie immer älter und schwächer wurde, und ihm waren die Hände gebunden. Er hatte ihr nicht helfen können, bis es fast zu spät war. Und dann ... Diese Mumie! Dieses entsetzliche Alter, und sie hatte trotzdem noch einen letzten Lebensfunken in sich getragen.
Er hatte geglaubt, das nicht ertragen zu können. Er hatte geglaubt, sich abwenden zu müssen. Doch er hatte es nicht gekonnt. Es war immer noch Vashtu gewesen, die da auf dem Boden lag und um ihr Leben kämpfte. Das Leben, worauf sie so lange hatte warten müssen.
Zehntausend Jahre war sie alt, er dagegen ... nun, war er in ihren Augen eigentlich überhaupt schon erwachsen? Für ihn war dieses Alter nie ausschlaggebend gewesen, höchstens, um andere von ihr zu überzeugen. Aber niemals hatte er sich damit auseinandergesetzt, bis zu diesem einen Moment.
John runzelte die Stirn und senkte den Blick.
„Daß Sie nicht weggesehen haben, hat ihren Lebensmut in diesem Moment gestärkt, wissen Sie das, John?" fuhr Beckett fort, in der offenen Wunde zu wühlen.
Als sie damals wieder zu sich gekommen war, immer noch gezeichnet von einem unglaublichen Alter, hatte er sich bei ihr niedergekniet und ihren Kopf gehalten. Er hatte in ihren Augen gesehen, wer sie war, ansonsten hätte er sie noch immer nicht erkennen können. Doch diese Augen ... Es war Vashtu gewesen, die ganze Zeit über. Diese vertrocknete Mumie mit einem letzten Hauch Leben, diese uralte Frau, deren Kopf er in seinem Schoß gebettet hatte, und dann, irgendwann, wieder die junge Vashtu mit den tintenschwarzen, strubbeligen Haaren, deren Frisur so sehr an die seine erinnerte.
Er hatte ihre Verwandlung mitangesehen. Er hatte gesehen, wie die Wunden sie schmerzten, wie das Blut wieder zu fließen begann. Nicht einen Moment hatte er wegsehen können. Gleich, was er da vor Augen gehabt hatte, es war immer Vashtu gewesen, niemand anderes. Und sie war schön, für ihn war sie schön, und es war ihm vollkommen gleich, wie alt oder jung sie war. Es war Vashtu, seine Vashtu, die er nie hatte hergeben wollen, die ihn aber doch verlassen hatte.
„Wenn Sie nicht bei ihr gewesen wären, sie hätte es nicht geschafft. Wir waren zu spät in der Zelle."
John schloß die Augen und biß sich auf die Lippen.
Beinahe konnte er ihren Körper fühlen, wie er sich an seinen drängte. Beinahe konnte er ihre Augen sehen, die Liebe in ihnen. Diese Liebe, die allein ihm gehörte.
Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper. Er sah wieder auf und starrte Beckett an. „Wie meinen Sie das? Sie sagten damals doch, sie hätte noch eine Stunde", fragte er verwirrt.
Der Schotte nickte. „Ich konnte nur schätzen. Als wir in der Zelle ankamen, war es aber eigentlich schon zu spät. Nach meiner Kenntnis hätte sie nicht wieder zu sich kommen dürfen, John. Sie hat es dennoch getan - für Sie! Alles, was sie bisher getan hat, hat sie mit ihren Gedanken bei Ihnen getan." Er seufzte und neigte den Kopf leicht nach vorn. „So etwas ist mir noch nie untergekommen, das muß ich zugeben. Aber doch ... Wenn es je zwei Wesen gegeben hat, die füreinander bestimmt waren, John, dann sind sie beide es."
„Aber ..." Er schloß den Mund und sann den Worten des Mediziners nach.
„Ich habe mich in der Zeit mit Vashtu angefreundet, die sie jetzt schon auf der Erde lebt", fuhr Beckett fort, sah wieder auf. „Sie selbst begreift es nicht einmal richtig, John, aber es ist wirklich so. Sie hat sich verändert, das haben Sie auch gesehen und bemerkt. Als sie damals erwachte, war es wirklich unheimlich mit ihrer Ähnlichkeit. Inzwischen aber ... Vashtu ist etwas anders geworden als Sie, sie trifft nicht immer die gleichen Entscheidungen, sie geht nicht immer die gleichen Wege. Was für Sie vielleicht eine Sackgasse ist, muß es für Vashtu noch lange nicht sein. Alles, was sie getan hat, alles, was sie tut, tut sie mit ihrem Unterbewußtsein bei Ihnen, John. Ich kann das spüren, wenn ich auch nicht weiß wie."
Er lachte bitter auf. „Und warum heißt es dann ständig, wir beide zusammen wären der Untergang für Atlantis?"
„Warum wurde ihr dieses Angebot gemacht, John? Warum soll sie nach Atlantis kommen?" hielt Beckett dagegen. Beschwörend hob er die Hände. „John, denken Sie doch einmal nach! Wo wären Sie, wenn Sie nicht zur Air Force gegangen wären? Vielleicht wird sich Vashtu einmal eine ähnliche Chance bieten, wer kann das sagen? Vielleicht werden Sie beide doch eines Tages akzeptiert werden." Er lächelte wieder. „Der Untergang für Atlantis?" wiederholte er dann und schüttelte den Kopf. „Nein, sie beide sind die Hoffnung für neue Welten, John. Vashtu mit ihrem Wissen und ihrer Leidenschaft, und Sie mit Ihrem Können und Ihrer Intuition. Man fürchtete zu Recht, was herauskommen könnte, wenn sie beide damals zusammen geblieben wären. Aber das ist über ein Jahr her. Inzwischen hat sich einiges geändert, John, Vashtu hat sich geändert. Und sie hat es sich selbst nicht leicht gemacht, glauben Sie mir."
Er schluckte, wandte sich wieder ab.
Nein, er konnte nicht bereuen, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. In die Army einzutreten, weil man sich schuldig fühlte an etwas, was vor über zehntausend Jahren geschehen war. Das war einfach lächerlich!
„Sie fürchtet den Stuhl auf Antarktica, wußten Sie das?" fragte Beckett unvermittelt.
John stutzte. Waren seine Gedanken so offenkundig lesbar? Oder bewies der kleine Mediziner wieder einmal sein riesengroßes Einfühlungsvermögen?
„Sie hat ... einen Grund für diese Furcht", antwortete er zögernd. „Zumindest denkt sie das."
„Und Sie denken das nicht?"
Er drehte sich wieder um und fixierte den Mediziner. „Was wollen Sie damit sagen?"
Beckett sah ihn weiter unverwandt an. „Daß vielleicht nicht alles Einbildung ist, nur weil Sie nicht davon überzeugt sind, Colonel, das meine ich. Sie sollten versuchen sie zu verstehen und sie nicht von sich stoßen. Sie haben schon einmal bewiesen, daß Sie dazu in der Lage sind. Warum nicht jetzt? Warum sperren Sie sich so sehr gegen diese Lösung?"
„Weil Vashtu nicht geeignet für die Army ist, darum!" John ballte hilflos die Hände zu Fäusten. „Sie ist zu eigenwillig, verdammt! Die Air Force wird sie verderben."
„Dann geben Sie zu, daß Ihre Entscheidung falsch gewesen ist?"
„Was hat das damit zu tun?" Hilflos schoben sich seine Brauen wieder zusammen.
„Sie sagten doch selbst, daß sie zwei sich ähnlich sind. Also liegt dieser Schluß nahe", bohrte Beckett weiter in der Wunde.
John seufzte, zwang sich, sich zu entspannen. „Meine Entscheidung war richtig, Vashtus ist es nicht. Ich weiß, wovon ich spreche, Doc, das können Sie mir glauben."
„Sicher? Wollen Sie tatsächlich etwas aufs Spiel setzen, daß so tief in Ihrer Seele rumort, Colonel? Wollen Sie tatsächlich Vashtu verlieren, nach allem, was Sie für sie riskiert haben, um Ihren eigenen Dickkopf durchzusetzen?"
„Das perfekte Paar, von dem Sie da gerade gesprochen haben?" Ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen. Langsam schüttelte er den Kopf. „Sie kennen mich nicht, Carson. Vielleicht glauben Sie, Sie würden mich kennen. Aber Sie tun es nicht, glauben Sie mir. Ich glaube nicht an dieses Märchen."
„Dem wäre ich nicht so sicher wie Sie." Beckett drehte sich nun doch wieder um und sortierte seine Instrumente weiter. „Ich würde diese Chance nicht einfach wegwerfen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, John. Aber Sie müssen selbst wissen, was Sie tun."
„Das weiß ich auch!" Damit marschierte er aus der Krankenstation heraus. Doch in seinem Magen blieb ein flaues Gefühl.
Das perfekte Paar, wer träumte nicht davon, einen Partner zu finden, der absolut richtig für ihn war? Die Zukunft der Galaxis? Warum dann diese ganzen Machtspielchen des Militärs? Warum dieses strikte Verbot der Kontaktaufnahme?
Gern, viel zu gern, hätte John Beckett recht gegeben, aber er wußte im Moment selbst nicht mehr, was er glauben sollte. Er wußte nur, er wollte Vashtu nicht wirklich verlieren.  
 
*** 

Tom wartete vor der Tür, als er Schritte von unten hörte. Er trat an das Geländer und blickte nach unten. Erleichtert seufzte er, als er erkannte, daß es Vashtu war, die die Außentreppen hinaufkam.
  Als sie am oberen Absatz angekommen war, sah sie ihn überrascht an. „Tom?" Sie schluckte und kramte sehr konzentriert in ihrer Jackentasche. „Was machst du denn hier?"
„Ich wollte mit dir sprechen", sagte er. „Es ist da etwas ... Trittst du in die Army ein?"
Vashtu stutzte, sah wieder auf. „Was?"
Tom erleichterte über ihre Reaktion. Ein nervöses Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Dann ist es ja gut", seufzte er.
„Ich bin ab nächstem Monat Major der Air Force. Aber woher wußtest du das?" Sie trat an ihm vorbei und steckte den Schlüssel ins Türschloß.
Tom blieb wie erstarrt stehen und atmete einige Male tief ein. Sein Blick irrte unstet hin und her.
Waren sie hier? Verbargen sie sich hinter irgendeinem der anderen Fenster? Schossen sie gerade wieder Fotos von ihnen beiden?
„Ich habe eigentlich keine Zeit, aber ... Komm doch kurz rein", schlug Vashtu vor.
Tom leckte sich nervös über die Lippen, dann nickte er und folgte ihr in ihr Apartment.
Im Wohnraum roch es schwach nach Alkohol und kalten Kaffee. Drei benutzte Tassen standen auf ihrem niedrigen Tisch.
Tom sah sich aufmerksam um, konnte aber nichts feststellen.
„Also?" Vashtu lehnte sich über den Küchentresen und sah ihn auffordernd an. „Woher weißt du, daß ich in die Air Force eintrete?"
Erschrocken zuckte er zusammen.
Wenn sie abgehört wurden, würde das sicher ... Er konnte es ihr nicht sagen, ging ihm plötzlich auf. Er selbst war auch in Gefahr, nicht nur sie.
Aber wenn er mit dem NID zusammenarbeitete, würde weiß Gott was geschehen. Vielleicht wollten die Vashtu töten. Entschlossen genug hatten sie jedenfalls auf ihn gewirkt.
„Ich ..." Sein Blick irrte wieder hin und her. Dann fiel ihm etwas ein. „Mein Vater war doch beim Militär. Er hat immer noch ganz gute Verbindungen. Daher weiß ich das."
Vashtu runzelte die Stirn. „Sagtest du nicht, dein Vater wäre tot?" Sie wandte sich ab, als ihr Wasserkocher zu blubbern begann.
„Ja, ja, du hast recht. Aber ich kenne noch einige seiner ... Kameraden." Tom biß sich auf die Lippen, trat an den Tresen heran. „Vash, bitte sag mir eines: Gibt es nur eine wie dich?"
Sie sah auf und runzelte amüsiert die Stirn. „Was?"
„Ich habe ... da ist ... du hattest eine frische Narbe an deinem linken Oberarm, letzte Woche noch. Aber am Wochenende war sie weg."
Vashtu blinzelte überrascht, tastete unwillkürlich nach ihrem Arm. „Ach das!" Sie wehrte ab. „Kommt auf den Lichteinfall an. Meine Haut ist sehr hell, das weißt du doch. Da sind Narben nicht so gut sichtbar."
„Aber sie ist noch da?"
Sie stellte eine Tasse vor ihn auf den Tresen, nahm ihre in die Hand und nippte, nachdem sie einige Male in den Dampf gepustet hatte. „Ja, sicher. Ich gehe schon davon aus, daß sie noch da ist. Was soll das?" Sie schüttelte den Kopf und stellte ihre Tasse wieder ab. „Bist du sicher, daß alles mit dir in Ordnung ist, Tom? Du siehst krank aus."
Er schluckte, dann nickte er. „Alles in Ordnung, wirklich", murmelte er dann.
Vashtu sah ihn besorgt an. „Sicher?" fragte sie noch einmal nach.
Wieder nickte er. „Ja, ganz sicher." Er zwang sich zu einem Lächeln.
Sie erwiderte es. „Gut, das freut mich." Sie sah kurz auf ihre Armbanduhr, blickte dann wieder auf. „Ich bin für circa zwei Tage nicht in der Stadt. Wenn du möchtest, können wir uns am Wochenende einmal treffen. Ich hätte da vielleicht noch ... Es sieht aus, als hätte ich doch noch nicht so ganz überwunden, was ... mir passiert ist. Du weißt schon, was ich dir erzählt habe."
„Der Vergewaltiger? Ja, ja, das kann sein. Ich höre dir gern noch einmal zu."
„Gut, dann ... ich will dich nicht drängen, aber ..."
Tom hob die Hand und nickte. „Schon gut. Ich wollte eh nur kurz nach dir sehen. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil ich dich so lange nicht erreichen konnte."
Sie nickte. „Schon klar. Danke dafür."
Tom sah sie noch einmal an, dann wandte er sich ab und verließ fast fluchtartig das Apartment. Erst als er in seinem Wagen saß und die Straße hinunterfuhr, atmete er etwas auf.
Aber sicher war er sich trotzdem noch immer nicht. Ihre Antworten klangen plausibel, auf der anderen Seite aber ...
Sein Leben stand auf dem Spiel!
Die Einzelkämpferin by Hyndara71
„Oh, Mist!" Vashtu Uruhk kramte in ihrer Jacke, sah dann ratlos auf. „Tut mir leid, aber wie es aussieht, habe ich mein Geld vergessen." 
Dr. Tom Finnigan warf ihr einen belustigten Blick zu. „Eigentlich bin ich sowieso wieder dran mit bezahlen", wandte er ein. 
„Ich habe aber gar nichts mit", warf seine Beifahrerin ein. „Nicht einen Penny." 
„Hattest du nach dem Essen noch etwas vor?" 
„Vielleicht." Vashtu reckte den Hals und wies auf ein großes Gebäude ein Stück die Straße entlang. „Da ist eine Bank. Könntest du vielleicht ..." 
Tom seufzte und nickte. 
Er kannte Vashtu gut genug, um schnell nachzugeben. Alles andere wäre sinnlose Verschwendung von Zeit gewesen. Irgendwann hätte sie sich ohnehin wieder durchgesetzt, wie immer. 
Er war ja schon froh, daß sie wieder halbwegs gefangen zu haben schien. In den letzten Wochen war sie erst ständig verschwunden und dann sehr nachdenklich und in sich gekehrt gewesen. Geändert hatte sich das erst vor ein paar Tagen, genauer gesagt, am Ersten dieses Monats, als sie ihn ganz unverhofft angerufen und um ein Treffen gebeten hatte. Als er dann bei ihr ankam, zeigte sie ihm strahlend ihren neuen Ausweis, einen Militärpaß. Jetzt war sie also ein Major der Air Force, und er hatte immer noch keinen blassen Schimmer, was das alles zu bedeuten hatte. 
Doch auch sein Leben war wieder ruhiger geworden, nachdem er sich klar geworden war, daß man ihn wohl gefoppt hatte. Ein Anruf und zwei geheimnisvolle Männer, die sich Agenten des NID ausgegeben hatten, hatten ihn nervös gemacht. Doch da seitdem nichts mehr geschehen war, glaubte er inzwischen wirklich, einem, wenn auch geschmacklosen Scherz aufgesessen zu sein. 
Tom parkte den Wagen und zog den Schlüssel ab. „Ich könnte auch noch ein bißchen Kleingeld gebrauchen", erklärte er, als er die Fahrertür öffnete. 
Vashtu warf ihm einen amüsierten Blick zu, während sie bereits mit ihrer natürlichen Eleganz aus seinem Wagen glitt. 
Tom bewunderte die Leichtigkeit, mit der sie sich immer bewegte. So ganz konnte er sich nicht erklären, was ihre Bewegungen von denen anderer unterschied, vielleicht bildete er es sich am Ende auch nur ein. Aber irgendwie war das einer der Gründe gewesen, sie anzusprechen. 
„Heute habe ich dann auch endlich meine Uniform bekommen", berichtete die schwarzhaarige Frau mit der kurzen, strubbeligen Frisur ihm gutgelaunt. „Naja, über Geschmack läßt sich streiten. Aber wenn ich einen Rock anziehen soll ..." Sie zuckte mit den Schultern. 
„Steht dir bestimmt sehr gut, ein Rock", wandte Tom ein, während er an ihrer Seite die wenigen Stufen zum Eingang hinaufstieg. 
Vashtu verzog unwillig das Gesicht. „Man kann sich schlecht in Röcken bewegen", war ihr einziger Kommentar. 
Tom schüttelte den Kopf. Sollte aus dieser Frau schlau werden wer wollte, er hatte es inzwischen aufgegeben. 
Ein älterer, grauhaariger Mann kam ihnen entgegen, blieb dann mit gerunzelter Stirn stehen. „Major, Doc", grüßte er einsilbig. 
Vashtu riß die Augen auf. „George!" rief sie erstaunt aus. „Was für ein Zufall! Was machst du denn hier?" 
Ein langer, beredter Blick über das Portal folgte. 
Tom schmunzelte. Auch wenn er deutlich fühlen konnte, daß der Marine ihn nicht sonderlich mochte, seine einsilbige Art und seine sprechenden Gesten amüsierten ihn. Dorn brauchte schlicht nicht viele Worte, wozu gab es Mimik und Gestik. Das war etwas, was den Psychologen faszinierte. Bei dem Marine würde es auch dann nicht stören, würde er das Sprechen eines Tages komplett einstellen. 
Vashtu lachte gutgelaunt. „Dann ein schönes Wochenende. Wir sehen uns zur Besprechung ..." Sie wurde ernst. „Landry hat das Meeting auf morgens neun verlegt. Die anderen muß ich noch anrufen." 
Dorn nickte verstehend, grüßte noch einmal kurz in Toms Richtung, dann marschierte er die Stufen nach unten und ging zum Parkplatz hinüber. 
„Ich mag ihn", kommentierte Vashtu, öffnete die Tür. 
Tom folgte ihr. „Ich auch. Er mich aber nicht." 
Ein schwarzer Lieferwagen hielt unten an der Straße, ließ den Motor laufen. 
 
*** 
 
Dorn schüttelte den Kopf, während er seinen Wagen startete. 
Warum gab seine Leaderin sich mit jemandem wie diesem Dr. Finnigan ab? Warum wollte sie einfach nicht schlau werden? Sie hatte doch einen anderen, der sie offensichtlich liebte. Nach allem, was er gehört hatte, war Lt. Colonel Sheppard ihr eigentlicher Partner, in mehr als nur einer Beziehung. Doch von ihm sprach sie nur selten. Nun ja, von Finnigan auch, mußte er zugeben. Dennoch verstand er den Major da nicht so ganz. 
Dorn sah auf, wollte sich eigentlich darauf konzentrieren, aus der Parkbox zu fahren, da irritierte ihn irgendetwas in seinem Augenwinkel. Sofort ruckte sein Kopf herum. Gerade konnte er noch eine schwarz vermummte Gestalt sehen, die die breiten Stufen zum Eingang der Bank hinaufhetzte, dann war alles wieder still - bis auf einen Lieferwagen, der direkt am Bordstein gehalten hatte. 
Dorn schaltete den Motor wieder aus und horchte. Dann zückte er sein Handy und tippte eine dreistellige Nummer ein. 
 
*** 
 
„Danke." Vashtu drehte sich zu der jungen Bankangestellten herum und lächelte. „Das ist mir ein wenig peinlich." 
„Nicht weiter schlimm. Kommen Sie einfach wieder, wenn Sie fertig sind." Die junge Frau nickte ihr zu und verließ den Waschraum. 
Vashtu seufzte und sah auf ihre neue, beigefarbene Hose hinunter. 
Als sie durch die Eingangstür gekommen war, war sie direkt in ein Kind mit einer Eistüte gelaufen. Ihre neue Hose wies jetzt einige unschöne Flecken in rosa und braun auf. Und das ausgerechnet, wenn Tom sie in ein, seinen Worten nach, schickes Restaurant ausführen wollte. 
Die Antikerin kniff die Lippen aufeinander und schwor sich im Stillen, sich niemals von irgendjemandem ein Kind anhängen zu lassen. Dann trat sie an eines der Waschbecken, edel gestaltet aus Marmor, und griff sich ein Papierhandtuch. 
In diesem Moment hörte sie die Schreie und zwei Schüsse. 
Vashtu wirbelte herum, die Hand an ihrer Waffe und bereit zum Sprung. Dann rief sie sich selbst zur Ordnung und richtete sich wieder auf. 
Das war Unsinn! Wahrscheinlich irgendein Fernseher, in dem ein billiger Krimi gezeigt wurde. 
Doch ein Blick in die Runde hieß sie von diesem Gedanken wieder Abstand zu nehmen. Hier gab es offensichtlich keine Fenster, erst recht keine, die offen standen. Und der Krach ... 
Sie lauschte aufmerksam und schlich zur Tür. Da hörte sie Schritte. 
Wieder zurückweichend sah sich die Antikerin nach einem Versteck um. Die Toiletten? Nein, zu offensichtlich. Dort würde man als allererstes nach ihr suchen. Aber was blieb dann? 
 
*** 
 
ca. 1 Minute später 
 
Der Maskierte stieß die junge Bankangestellte von sich und sah sich aufmerksam um. „Willst du mich verarschen? Hier ist niemand!" bellte er sie dann an. 
Die junge Frau hob zitternd die Hände. Ihr Make-up, vor wenigen Minuten noch tadellos, wies nun deutliche Spuren auf. Der Lippenstift war verschmiert, die Wimperntusche hatte dunkle Schatten unter ihre tränenvollen Augen gemalt. „Ich habe sie aber hier herein gebracht. Bitte, Sir. Sie muß irgendwo anders hin sein. Ich weiß doch nicht wo." 
Der Mann drehte sich wieder um, stieß eine nach der anderen die Toilettentüren auf und sah sich aufmerksam noch einmal um. Dann packte die junge Frau hart am Arm. „Wo ist sie hin?" bellte er sie wieder ungeduldig an. 
Die junge Frau schüttelte nur schluchzend den Kopf und schien immer weiter in sich zusammenzuschrumpfen. 
„Dumme Pute!" Der Maskierte stieß sie von sich, sah sich noch einmal aufmerksam um, dann packte er sie wieder und schleifte sie aus dem Raum heraus, immer noch leise Flüche vor sich hinmurmelnd. 

*** 

Kaum hatte sich die Tür geschlossen, hob sich sacht eine der Deckenplatten und ein Kopf mit schwarzem strubbeligem Haar lugte vorsichtig aus der Öffnung, sah sich aufmerksam um. Dann erschien langsam ein schlanker Körper und ließ sich so leise wie möglich zu Boden gleiten.
Vashtu richtete sich auf und klopfte sich den Staub aus den Kleidern. Mit kalten Augen starrte sie zur Tür.
Sie war wirklich mitten in einen Banküberfall geraten. Und diesen Kerlen war offensichtlich nicht so recht zum Scherzen.
Die Antikerin zog ihre Beretta und entsicherte sie. Dann schlich sie wieder zur Tür und lauschte, um sie dann einen Spaltbreit zu öffnen und hinauszuhuschen.
Sie wollte doch mal sehen, ob sie diesen Kerlen nicht fertig werden konnte ... 

*** 

„Sergeant Dorn? Detective Hernan, vielen Dank für Ihr rasches Handeln." Der hochgewachsene Mann mit dem leicht zurückweichenden Haaransatz nickte dem Marine zu. „Wir übernehmen jetzt."
  Dorn wies auf die inzwischen leere Fläche vor dem Eingang zur Bank. „Der Lieferwagen ist weg", sagte er nur.
Hernan runzelte die Stirn und sah sich aufmerksam um. „Sie haben sich nicht zufällig das Nummernschild notiert?"
Dorn schüttelte den Kopf. „Hatte keins." Er drehte sich um und sah zu dem Polizisten auf. „Mein Leader ist da drin, Sir."
Hernan runzelte die Stirn, musterte wieder das Bankgebäude. „Ihr Leader?"
„Major Uruhk." Dorn nickte, ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht aus. „Lassen Sie sie machen, Sir."
Hernan hob überrascht die Brauen. „Eine Frau?" Dann erst schien ihm aufzugehen, was der Marine da gerade gesagt hatte. „Was sollen wir sie machen lassen?"
Dorn grinste breit. „Die wird mit allem fertig, Sir", antwortete er nur und kreuzte die Arme vor der Brust.
In diesem Moment hielt ein Kleinwagen auf der Straße, ein schlacksiger Mann mit kurzem dunklen Haar sprang heraus. „Dorn, was ist passiert?"
Hernan musterte den Neuankömmling ratlos, dann drehte er sich wieder zu dem Marine um. „Wen haben Sie denn noch angerufen, Sergeant? Vielleicht auch noch das Fernsehen?"
„Dr. Babbis", stellte der Marine den jungen Mann vor.
„Sehr erfreut." Dieser Doktor starrte das Gebäude an. „Ist sie da drin?"
Dorn nickte nur stumm.
„Die armen Bankräuber." Babbis seufzte.
Hernan runzelte die Stirn wieder.
Irgendetwas schienen die beiden Männer zu wissen, was ihm offensichtlich versagt war. Allerdings war er sich nicht so ganz sicher, ob er es wissen wollte. 

*** 

Toms Augen wurden groß, als der maskierte Mann mit der jungen Bankangestellten allein zurückkam. Er saß, zusammen mit den anderen Kunden der Bank und einigen, die hier arbeiteten, mitten in der Halle auf dem Boden.
Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Wo war Vashtu?
Er hatte keine Schüsse gehört, aber das brauchte noch nichts zu heißen. Diese Kerle hatten offensichtlich auch noch andere Wege, um sich seiner Begleiterin zu entledigen, leisere Wege als einen gezielten Schuß aus nächster Nähe.
Was Tom allerdings zu denken gab, war die Tatsache, daß diese Bankräuber gezielt nach seiner Begleiterin suchten. Ihn beachteten sie zwar überhaupt nicht, aber kaum waren sie in das Gebäude gestürmt und hatten die Kontrolle übernommen, fragten sie auch schon sehr gezielt nach Vashtu. Eine junge Frau in einer ledernen Fliegerjacke war leider nicht allzu häufig anzutreffen, erst recht nicht mit ihrer Sturmwindfrisur.
An den Einnahmen der Bank schienen die Männer nicht so recht interessiert zu sein. Zwar hatte ein anderer den Filialleiter gezwungen, den Safe zu öffnen und sich dort reichlich bedient, doch ihr eigentliches Ziel schien tatsächlich Vashtu zu sein.
Der Maskierte stieß die zitternde junge Frau zu Boden. Seine Augen huschten über die anderen Geiseln.
Tom duckte sich unwillkürlich. Wenn sie wirklich hinter Vashtu her waren, konnte es ihm leicht passieren, daß sie ihn gegen sie einsetzen wollten.
War er sich eigentlich im klaren darüber, was er da gerade dachte?
Tom hatte sich nie für einen großen Helden gehalten. Jetzt aber schämte er sich fast für seine Gedanken. War sein Überleben denn wirklich so wichtig, wenn es um ganz andere Dinge ging?
  Eine kurze Bewegung ließ ihn zur Seite sehen. Irrte er sich, oder ...
Vashtu!
Sie hockte unter einem Schreibtisch und hatte ihre Waffe in der Linken. Mit der Rechten gestikulierte sie und legte sie schließlich an die Lippen. Unmerklich nickte er und schluckte hart.
Was hatte sie vor? 

*** 

Vashtu hockte immer noch unter dem Schreibtisch und beobachtete die Bankräuber sehr genau. Dabei suchte sie gleichzeitig nach einem besseren Versteck, doch das wollte ihr im Moment nicht so recht gelingen. Jede Ecke, in der sie sich hätte besser verbergen können, war im Moment zu gut von den Bankräubern einsehbar.
Nachdenklich knabberte sie an ihrer Unterlippe.
Wenn es ihr gelang, die Männer auszuschalten, würden sie wahrscheinlich unbeschadet wieder hier herauskommen. Die Frage war nur wie?
Weiter sah sie sich aufmerksam um, dann lächelte sie und zog sich vorsichtig und geräuschlos zurück.
Wenn sie nicht alle auf einmal erledigen konnte, mußte sie es eben auf ihre bewährte Art und Weise versuchen. 

*** 

„Was wollen Sie, daß ich in meinen Bericht schreibe. Sind Sie für oder gegen eine Zusammenarbeit?"
  Hernan starrte an dem Agent vorbei zu Dorn hinüber. Zeitgleich mit dem FBI war noch ein junger Mann gekommen, der sich nun mit großen, verängstigten Augen umsah und immer wieder dumme Fragen stellte.
Was war das für eine Zirkusvorstellung? Und was hatte dieser Babbis gemeint, indem er ausgerechnet die Bankräuber bemitleidete? Und wer, zum Kuckuck, hatte das verdammte FBI angerufen?
„Sir, eine Leitung steht jetzt."
Hernan wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Agent zu. „Wenn Sie meinen, Sie können es besser ... bitte schön!" Er machte eine einladende Geste.
Der ältere Mann mit dem markanten Gesicht nickte und drehte sich zum Einsatzfahrzeug um. „Ich bin für Verhandlungen mit Geiselnehmern ausgebildet, Detective. Ich denke schon, daß ich das schaffe."
Dorn wurde aufmerksam.
Hernan warf dem Marine einen bitterbösen Blick zu, schüttelte dann aber resignierend den Kopf, als der FBI-Mann ihn zu sich winkte.
Einen so merkwürdigen Banküberfall hatte er bisher noch nicht bearbeiten müssen. Und ihm war, als habe man ihm nicht einmal ansatzweise die Wahrheit gesagt über das, was hier tatsächlich ablief. 

*** 

Vashtu hielt sich im Schatten der Schreibtische, war ihrem Ziel sogar schon ein gutes Stück näher gekommen, als plötzlich sämtliche Telefone der Bank zu läuten begannen.
Stocksteif blieb die Antikerin in ihrer gebeugten Haltung in Deckung und hielt den Atem an.
Fünf Mann war die Gruppe stark, die diese Bank überfallen hatte. Offensichtlich hatte es sehr schnell gehen sollen, aber etwas war ihnen dazwischen gekommen - was auch immer das war. Jetzt jedenfalls richteten sie sich wohl auf einen längeren Aufenthalt ein. Wahrscheinlich stand die Polizei schon vor der Tür, wagte aber nicht, das Gebäude zu stürmen, weil sie wohl wußten, daß sich hier auch Kunden befanden.
Vashtu duckte sich noch tiefer, als sie Schritte auf der anderen Seite des Schreibtisches hörte. Dann hob jemand geräuschvoll den Hörer ab. Sie sah einen Schatten, der fast über sie gebeugt war.
Ihr Herz schlug schneller, und sie zwang sich, sich auf keinen Fall zu rühren.
„Ja?" meldete sich eine tiefe Stimme - der Anführer der Bankräuber.
Vashtu drückte sich gegen den Schreibtisch und lauschte. Mehr als ein paar Brocken konnte sie nicht verstehen. Offensichtlich suchte man außerhalb der Bank nach einer Verhandlungsbasis, soviel bekam sie mit.
„Wir wollen freien Abzug. Keine Falle, keine versteckten Tricks", bellte der Mann in den Hörer. „Wir werden mindestens eine Geisel mitnehmen. Falls Sie irgendetwas versuchen sollten, ist sie tot!"
  Vashtu biß sich auf die Lippen und wagte einen kurzen Blick nach oben. Schnell huschte sie dann weiter, als sie sah, daß der Bankräuber ihr den Rücken zugewandt hatte. Im Schutze des nächsten Schreibtisches sah sie sich dann wieder aufmerksam um.
Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.
Besser hätte es gar nicht laufen können.
Wie ein Schatten huschte sie weiter. 

*** 

Hernan beobachtete den FBI-Agenten kurz, dann drehte er sich wieder um und musterte die drei unterschiedlichen Männer, die immer noch bei dem Geländewagen des Marine-Sergeanten standen. Unterschiedlicher hätten sie wohl kaum sein können, dachte er.
Dorn, wohl um die fünfzig, mit einem sehr leichten Ansatz zu einem Bierbauch und einem zwar recht offenen, aber auch etwas faltigem Gesicht und kurzem, grauen Bürstenhaarschnitt. Neben ihm der, der als erstes gekommen war, Babbis, groß und schlacksig mit kurzem, dunkelbraunem Haar. Seine Haltung war eigenartig. Auf der einen Seite wirkte er sehr entschlossen und geradezu egozentrisch, auf der anderen aber auch wie ein unsicherer Junge. Der letzte der drei, ein wahrer Riese, überragte selbst Babbis noch um fast einen Kopf, war dabei dürr wie eine Bohnenstange. In seinem Gesicht spiegelte sich die ganze Zeit über eine geradezu panische Angst, das dunkelblonde Haar war zwar ebenfalls kurz, kräuselte sich aber leicht. Würde er es länger tragen, hätte er wahrscheinlich einen richtigen Frauenkopf.
Und zu diesem zusammengewürfelten Haufen gehörte auch noch eine Frau, noch dazu eine Offizierin. Wenn er sich die kurze Akte in Erinnerung rief, die er sich hatte kommen lassen, war sie gerade erst in die Air Force eingetreten. Daten gab es über sie nur wenige, einige Vermerke wegen zu schnellem Fahrens auf einem Motorrad, doch alle Strafzettel waren bezahlt. Wohnhaft war sie in dem Schicki-Micki-Apartment-Komplex am Rande von Colorado Springs, der erst vor zwei Jahren fertig gestellt worden war.
Irgendwie wollte dieser zusammengewürfelte Haufen ihm nicht so recht gefallen. Vor allem, warum sollte eine Frau in die Air Force eintreten und gleich in den Rang eines Offiziers aufsteigen? Warum gab es sonst keine Daten über sie? Wo kam sie her? Es gab nicht einmal ein Geburtsdatum, geschweige den einen Herkunftsort. Nur der Name, Vashtu Uruhk, der klang wirklich eigenartig. Ausländisch, aber wirklich konnte er auch nicht sagen, woher genau.
Hernan gab sich selbst einen Ruck und marschierte zu den drei Männern hinüber.
Dorn richtete sofort seine gesamte Aufmerksamkeit auf ihn, nickte ihm zu.
„Okay, ich habe mir inzwischen einige Infos über Ihre vermißte ... Leaderin besorgt", begann Hernan, als er vor der komischen Truppe stand. Demonstrativ kreuzte er die Arme vor der Brust. „Und jetzt könnten Sie mir vielleicht verraten, was hier gespielt wird? Seit wann akzeptiert ein Marine einen Air Force-Offizier als Vorgesetzten, Sergeant? Das war zu meiner Zeit anders."
Dorn lächelte. „Respekt kann verdient werden", antwortete er.
„Tut mir leid, Detective", wandte nun Babbis ein und schüttelte den Kopf, „aber ich fürchte, wir können Ihre Fragen nicht wirklich beantworten. Wir arbeiten zusammen mit Miss ... äh, Major Uruhk in Cheyenne-Mountain. Ein streng geheimes Projekt, wie Sie sicher wissen, nicht wahr?"
Hernan warf dem Doktor einen strafenden Blick zu, sagte aber nichts mehr. 

*** 

Vashtu schlug zu, dann richtete sie sich wieder auf und sah sich kurz um, ehe sie von dem Bewußtlosen herunterkletterte und ihn aus dem Weg schleppte.
Wohin mit ihm?
Sie biß sich auf die Lippen, begann an ihrer Unterlippe zu nagen.
Sie hätte vielleicht überlegen sollen, solange sie noch die Zeit gehabt hatte. Jetzt sah das anders aus. Irgendwann würde dieser Bankräuber wieder zu sich kommen, und irgendwann, sehr wahrscheinlich eher, würden seine Kumpane auf sein Verschwinden aufmerksam werden. Bis dahin mußte sie ihn aus dem Weg geräumt und ruhig gestellt haben. Nach Möglichkeit irgendwo, wo man ihn nicht so schnell finden würde.
Vashtu packte den Bewußtlosen unter den Achseln und schleifte ihn rückwärts den Gang hinunter zu einer Tür, in der Hoffnung, dort vielleicht die Antwort zu finden. Doch als sie diese öffnete, war sie erst einmal enttäuscht, bis ihr aufging, was es mit der beleuchteten Treppe in das Kellergeschoß möglicherweise auf sich hatte.
Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Mit Hilfe der zusätzlichen Kraft in ihrem Inneren gelang es ihr, ihr Opfer halbwegs aufzurichten und ihn die Treppe hinunterzuschleifen. Und tatsächlich erwartete sie dort ein dickes Gitter, und dahinter, regelmäßig an drei Wänden entlang, die Schließfächer der Bank.
Na bitte!
Sie zerrte ihren Gegner in den Schließfachraum hinein, sah sich dann nach etwas um, daß sie als Riegel verwenden konnte und fand es in Form einer dicken Eisenstange, die in einem Winkel unter der Treppe lag. Mit Hilfe der Wraith-Zellen bog sie diese um die Gitterstäbe und betrachtete ihr Werk zufrieden.
Einer war ausgeschaltet, blieben noch vier. 

*** 

Der Anführer der Bankräuber telefonierte immer noch.
Tom wagte kaum zu atmen. Immer wieder sah er sich um, ob er nicht irgendetwas von Vashtu entdecken konnte. Doch seine Begleiterin schien verschwunden.
War es ihr irgendwie gelungen, aus dem Gebäude zu entkommen?
Irgendwie hoffte er das, wenn er es sich, nach ihrer entschlossenen Miene zu schließen, auch nicht wirklich vorstellen konnte. Irgendetwas hatte sie ausgeheckt, als sie unter dem Schreibtisch gehockt hatte, da war er sich sicher. Auch wenn er sie erst seit zwei Monaten kannte, ihr Gesicht war ein offenes Buch für jeden.
Eine Bewegung!
Tom blickte sich um. Unwillkürlich holte er tief Atem.
Vashtu!
Sie kroch, ungeschützt den Blicken der Bankräuber ausgeliefert, zum Eingang der Bank hinüber, dorthin, wo der tote Wachmann lag.
Was hatte sie vor?
In diesem Moment knallte der Hörer auf die Gabel.
Tom versteifte sich, als er einen Blick auf sich fühlte. Langsam drehte er den Kopf wieder und sah direkt in die kalten Augen des Anführers. 

*** 

Vashtu kauerte sich hinter dem Leichnam des Wachmannes zusammen und hoffte, daß man sie übersehen würde.
Wie hatte sie so dämlich sein können ihre Deckung aufzugeben in der mageren Hoffnung, daß sie ihm vielleicht noch würde helfen können? Sie hatte doch vorher gewußt, daß ...
„Dr. Finnigan, wie nett, Sie hier zu treffen. Ich hatte Sie bisher ja völlig übersehen."
Vashtus Augen weiteten sich. Millimeterweise hob sie den Kopf gerade weit genug, um beobachten zu können, wie der Anführer der Bankräuber Tom grob am Oberarm packte und auf die Beine zerrte.
„Darf ich recht in der Annahme gehen, daß Sie nicht allein unterwegs waren? Ist Major Uruhk doch noch hier?"
Vashtus Gesicht verlor jede Emotion. Eisige Kälte stieg in ihre Augen, ihre Kiefer spannten sich an.
  Wer waren diese Kerle? Und woher kannten sie ihren Namen? 

*** 

„Sie dürfen mir nicht erzählen, wer und was Ihre Major Uruhk ist?" Hernan stemmte die Arme in die Hüften und funkelte Babbis wütend an. „Wollen Sie mich hochnehmen, Doc?"
Der junge Mann wirkte plötzlich sehr entschlossen. „Sie sollten wissen, daß Cheyenne-Mountain ein streng geheimer Militärstützpunkt ist, Detective. Wir alle arbeiten dort, Mi...ajor Uruhk ist unsere Vorgesetzte und Leaderin. Wir dürfen Ihnen nicht mehr erzählen, es sei denn, Sie möchten, daß Dorn Sie erschießt."
Hernan holte gerade tief Atem, um dem jungen Mann - der Kerl war vielleicht halb so alt wie er, verdammt! - die passende Antwort zu geben, als er seinen Namen hörte und sich wieder umdrehte.
  „Da drinnen geht irgendetwas vor sich, Detective. Die Ziele haben plötzlich den Kontakt abgebrochen." Der FBI-Agent war aus dem Überwachungswagen geklettert und winkte ihm.
Hernan warf den drei Männern noch einen zornigen Blick zu. „Wir reden später weiter", knurrte er, dann joggte er wieder hinüber. Dabei bemerkte er nicht, wie Babbis ihm folgte und seinen Kopf in den Wagen steckte.
„Sehen Sie, sie haben eine der Geiseln von den anderen getrennt." Der Agent wies auf eine Wärmebildkamera, die seine Leute mitgebracht hatten.
Hernan starrte mit verkniffener Miene auf den Bildschirm.
Was hatte dieser Agent Barrow angerichtet? Angeblich sollte er doch nur Kontakt zu den bösen Jungs herstellen. Da mußte aber noch etwas ...
„Wer ist denn das?" Er beugte sich dichter an den Bildschirm heran, als er eine Gestalt erkannte, die offensichtlich ungesehen am Rande der Aufnahme entlanghuschte.
„Major Uruhk, da gehe ich jede Wette drauf ein."
Hernan und Barrow fuhren gemeinsam herum und sahen einen sehr zufrieden wirkenden Peter Babbis, der sie beide angrinste.
„RAUS!" brüllte Hernan den jungen Wissenschaftler an. „Das hier geht Sie nichts an!"
Babbis zog sich, noch immer triumphierend grinsend, wieder zurück und schloß sogar die Tür hinter sich.
Hernan atmete tief ein, um sich wieder zu beruhigen. Dann beugte er sich wieder über den Bildschirm und wartete auf ein erneutes Auftauchen der merkwürdigen Gestalt. Hatte er sich gerade geirrt, oder hatte es tatsächlich so ausgesehen, als liefe diese die Wand hinauf? 

*** 

Vashtu hatte ihre Iratus-Käfer-Zellen aktiviert und hing wie eine Spinne im Netz unter der Decke.
  Ihr war aufgefallen, daß die Bankräuber überall hinsahen, nur nicht nach oben. Solange sie ihnen nicht ins direkte Blickfeld geriet, würde dies wahrscheinlich die einfachste Methode sein, an sie heranzukommen.
Vorsichtig, sich auf Händen und Knien fortbewegend, kam sie voran, näher an den nächsten der Kerle heran. Dabei zwang sie sich, keinen Gedanken an Tom zu verschwenden.
Verdammt, der Psychologe würde doch wohl fünf Minuten ohne sie auskommen! Schließlich war es sein Job, sich mit ... naja, merkwürdigen Leuten zu unterhalten. Da würde er doch wohl diese Kerle ein bißchen beschwatzen können.
Vashtu machte sich dennoch Sorgen. Aber sie wußte auch, sie würde kaum eine Chance haben, selbst wenn sie einen dieser Kerle ausgeschaltet hatte. Sie mußte für ein relatives Gleichgewicht sorgen, sonst ... Sie wagte gar nicht weiterzudenken.
Woher kannten sie nur ihren Namen? Und wieso kannten sie offensichtlich auch Tom?
Das war jetzt egal. Es ging hier darum, Gerechtigkeit zu üben, wenn die Polizei offensichtlich lieber draußen stand und abwartete. Und sie war noch nie jemand gewesen, der warten konnte. Außerdem erhoffte sie sich von ihrem nächsten Opfer ein paar Antworten.
Sie kroch weiter, bis sie direkt über dem nächsten Mann an der Decke hing. Zum Glück war die Schalterhalle zwar ziemlich groß, aber, zumindest was ihre Position anging, auch recht unübersichtlich. Eine breite Stuckverzierung verbarg sie im Moment vor anderen Blicken, und Ziersäulen, die sich bis in die Decke schraubten, boten ihr zusätzlich Schutz vor unerwünschten Blicken.
Sie konnte nur hoffen, daß nicht eine der Geiseln auf die tolldreiste Idee kommen würde, zur Decke zu sehen, für diese war sie nämlich wirklich sichtbar. Aber ob derjenige wirklich glauben würde, was er sah? Menschen konnten schließlich nicht, wie Insekten, unter der Decke hängen, zumindest nicht ohne spezielle Hilfsmittel.
Vashtu positionierte sich und reckte kurz den Hals, um sich umzusehen. Dann ließ sie sich blitzschnell fallen und sprang direkt in das Gesicht des Mannes unter ihr, um ihn am Schreien zu hindern. Ein kurzes Keuchen und ein dumpfer Schlag waren leider unvermeidlich. Aber sie hoffte, beides würde nicht weiter auffallen.
Der Kampf war vorbei, ehe er überhaupt begonnen hatte. Der Bankräuber, wenn er denn einer war, war unglücklich aufgekommen und hatte die Besinnung ohne ihr weiteres Zutun verloren.
Vashtu fluchte leise, erhob sich auf die Knie und sah sich noch einmal um, ehe sie ihr zweites Opfer im Schatten der Geldschalter nach hinten zerrte, um es, wie schon das erste, im Keller einzuschließen.
Vielleicht war der andere Kerl inzwischen wieder wach und konnte ihr ihre Fragen beantworten. 

*** 

Tom starrte direkt in den Lauf einer Waffe und schluckte hart. „Was ... was wollen Sie von mir?" wisperte er.
Der Maskierte nickte ungeduldig mit der Waffe. „Da rüber. Dann unterhalten wir uns ein bißchen ... über Ihre Bekannte, Doktor."
Tom fühlte jetzt auch die Blicke einiger anderer Geiseln auf sich gerichtet. Er schüttelte nur stumm den Kopf, sicher, daß, wenn er den Mund aufmachen würde, er sich übergeben müßte.
Der Maskierte drückte ihm die Mündung der Waffe an die Stirn. „Auf die Beine! Aber schnell!" befahl er hart.
Tom atmete flach und hektisch, als müsse er ersticken. Seine Knie waren weich, dennoch gelang es ihm irgendwie, aufzustehen.
Der Anführer der Bankräuber packte ihn grob an der Schulter und riß ihn herum. Dann verstärkte sich sein Griff plötzlich.
„Verdammt, Hank! Wo ist er?"
Tom fühlte die Waffe in seinem Rücken, wagte nicht, sich zu bewegen. Da sah er etwas in dem Gang hinter den Schaltern, einen kurzen Lichtschimmer.
Vashtu!
„Sieh nach, wo er steckt", befahl der Anführer seinem einem der beiden anderen. Erst jetzt schien ihm aufzugehen, daß da noch jemand fehlte. „Wo sie stecken", berichtigte er sich. „Sehr wahrscheinlich wirst du auch unseren kleinen Major dort finden. Also sei vorsichtig."
Einer der verbliebenen zwei Männer nickte stumm und zog ab, in Richtung auf den Gang, aus dem der Lichtstrahl gekommen war.
Toms Mut sank.
„Und wir, Doc, wir beide unterhalten uns jetzt einmal." 

*** 

Vashtu hatte ihr zweites Opfer gerade in ihrer improvisierten Zelle abgelegt, als sie hörte, wie sich über ihr die Tür wieder öffnete.
Verdammt!
So schnell sie konnte huschte sie aus dem Raum für die Schließfächer hinaus und hechtete hinter die Treppe, in der vagen Hoffnung, daß man sie nicht bemerken würde. In der Dunkelheit in dem schmalen Hohlraum fühlte sie sich etwas sicherer als in dem gleißenden Licht der Leuchtstoffröhren.
  „Hey! Rauskommen! Ich habe dich gesehen, Mädchen!"
Vashtu hielt den Atem an und blickte nach oben.
Verdammt, verdammt, verdammt!
Sie zwang sich zur Ruhe, drückte sich weiter in die Dunkelheit hinein.
„Ich sagte, du sollst rauskommen!" befahl die harte Stimme ihr erneut.
Vashtu tastete nach ihrer Beretta, dann kniff sie entschlossen die Lippen aufeinander, beugte die Knie und holte sich so genug Schwung für einen Sprung. Neben ihr peitschten einige Kugeln über die Betonwand.
Vashtu zog schnell die Beine an und krabbelte die Treppe von unten hinauf, bis es nicht mehr ging. In der Ecke unter der Decke klebend wartete sie angespannt und lauschte nach oben.
„Na gut, wenn du kleine Schlampe es so haben willst ..."
Schritte!
Ein leises Lächeln stahl sich auf ihr angespanntes Gesicht. Vorsichtig kroch sie ein Stück nach vorn und lugte unter der Treppe hervor. Dann nahm sie wieder Schwung und sprang mit einem Salto hinter ihrem Angreifer auf die Stufe dicht über ihm.
Der Mann drehte sich mit vor Überraschung geweiteten Augen zu ihr um. Die Antikerin erkannte ihren Vorteil sofort, er war aus dem Gleichgewicht. Mit einem Fuß trat sie zu, nicht einmal heftig. Rückwärts stürzte ihr Angreifer den Rest der Treppe hinunter und blieb unten liegen.
Vashtu huschte hoch zur Tür und lugte kurz hinaus, dann drehte sie sich wieder um und wandte sich ihrem dritten Opfer zu.
Die Kräfte erschienen ihr jetzt mehr als ausgeglichen.
Mit kalt-glitzernden Augen trabte sie die Stufen in den Keller hinunter. 

*** 

„Jetzt sind zwei verschwunden." Der FBI-Agent runzelte die Stirn.
Hernan nickte.
Noch immer fragte er sich, ob die Wärmebildkamera vielleicht irgendeine Fehlfunktion aufwies. Was sich vor gut zehn Minuten abgespielt hatte, konnte einfach nicht wahr sein! Es hatte tatsächlich so ausgesehen, als wäre eine Gestalt von oben auf eine andere hinuntergesprungen und hätte diese zu Boden gerissen. Aber das widersprach allen Naturgesetzen, die er kannte, wahrscheinlich sogar noch einigen mehr.
Ein ungeduldiges Klopfen an die Wagentür.
Hernan runzelte unwillig die Stirn, wandte sich dann widerstrebend ab und öffnete die Seitentür, nur um in einen weiteren Ausweis zu starren.
Was, zum Teufel, ging hier vor?
„Captain Storm, Militär-Polizei", stellte der Neuankömmling sich vor. Dann blinzelte er und beugte sich etwas vor. „Agent Barrow, schön, Sie einmal wiederzusehen."
„Storm ..." Die Stimme des Agent klang emotionslos.
„Was wollen Sie denn jetzt noch?" ereiferte sich Hernan.
Allmählich fühlte er sich in seinem eigenen Bezirk überflüssig. Wieviele Kompetenzen konnte dieser verdammte Banküberfall denn noch überschneiden? Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Storm zückte einen Umschlag aus seiner Uniformjacke und hielt ihn Hernan hin. „Neue Order, Sir. Wir übernehmen von jetzt an. Unseren Hinweisen zufolge ist das kein Banküberfall, sondern ... Nun, etwas, was in unseren Kompetenzbereich fällt."
„Wir sind hier nicht auf einem Army-Stützpunkt!" wetterte Hernan los.
Storm wechselte einen Blick mit dem FBI-Mann, sah ihn dann wieder an. „Sir, wir können zusammenarbeiten, oder Sie ziehen Ihre Männer ab. Ich bin sicher, mit Agent Barrow werde ich mich gütlich einigen können."
„Ich weiß schon, ich habe nichts gesehen und nichts gehört, Captain", sagte dieser mit einem leicht amüsierten Unterton in der Stimme.
Storm nickte. „Ganz genau. Und das gleiche gilt für Sie, Detective."
Hernan zerknüllte den Umschlag, den der MP ihm gereicht hatte, vor Wut in seiner Faust.
Der hob die Brauen, sah ihm dann wieder in die Augen und lächelte zuckersüß. „Sie sollten das vielleicht erst lesen, ehe Sie es zum Altpapier werfen, Sir", schlug er vor.
Der Detective versuchte immer noch, den Militär niederzustarren, gab dann aber unvermittelt auf und wandte sich statt dessem dem Umschlag zu.
Seine Augen wurden groß, als er die Prägung auf der Vorderseite sah. Der Brief kam direkt aus dem Weißen Haus!
„Wenn Sie jetzt bitte ein bißchen Platz für mich machen würden, damit wir uns über das weitere Vorgehen austauschen können, Sir?" Storm lächelte immer noch. 

*** 

Babbis beobachtete mit gemischten Gefühlen, wie Storm in dem Transporter mit dem Equipment verschwand, die Tür sich hinter dem MP schloß.
„Haben Sie ihn gerufen?" wandte er sich dann unvermittelt an Dorn.
Der blinzelte einen Moment lang verständnislos, dann schüttelte er den Kopf. Auf seine Stirn gruben sich plötzlich Sorgenfalten. „Sieht übel aus."
Babbis runzelte die Stirn. „Hoffentlich sieht es nur so aus und wird es nicht", kommentierte er.
„Was meint ihr?" mischte Wallace sich aufgeregt ein.
„Die MP", antwortete Dorn.
„Storm und ein paar Männer von Cheyenne-Mountain sind vor ein paar Minuten gekommen", fügte Babbis hinzu. „Wenn du sie nicht gerufen hast, James, dann weiß ich nicht, warum sie hier auftauchen sollten. Es sei denn ..." Er sah wieder zu Dorn, der seinen Blick erwiderte.
„Der Trust!" 

*** 

Als Vashtu endlich wieder aus dem Keller kam, war sie keinen Deut schlauer als zuvor. Aber zumindest hatte sie die Bankräuber auf ein erträgliches Maß reduziert, wie sie fand. Den letzten beiden würde sie sich wohl offen stellen können und mußte nicht wieder über Wände und Decken kriechen.
Doch dann erstarrte sie plötzlich, kaum daß sie die Tür geschlossen hatte. Einen Moment lang atmete sie tief ein, dann drehte sie sich unvermittelt um und stieß einen Fluch in ihrer Muttersprache aus.
Der vorletzte der Bankräuber hatte hinter der Tür auf sie gelauert, hielt seine Waffe jetzt direkt auf sie gerichtet.
Wie dumm konnte sie sein, daß sie an diese Möglichkeit nicht gedacht hatte? Warum hatte sie nicht, bevor sie den Keller verließ, die Lage sondiert?
Jetzt war es zu spät, sich Vorwürfe zu machen, kam ihr in den Sinn, während sie langsam die Hände hob.
Stumm deutete der Maskierte die Richtung zum vorderen Saal. Sie nickte und drehte sich um. Sofort spürte sie durch ihre Jacke den Lauf seiner Waffe und biß sich auf die Lippen.
„Hände im Nacken verschränken", befahl der Bankräuber ihr.
Die Antikerin zögerte. Wenn sie das tat, würde ihre Jacke weit genug aufklaffen, damit der Kerl die Beretta nicht nur sehen, sondern auch greifen konnte. Und ihre einzige Handfeuerwaffe wollte sie nach Möglichkeit so lange wie möglich behalten.
„Hände im Nacken verschränken! Wird's bald!" Ein unsanfter Stoß mit dem Lauf der Maschinenpistole folgte.
Vashtu biß sich auf die Lippen und tat wie ihr geheißen. Sofort drückte die Mündung sich tiefer in ihren Rücken, als der Mann sich vorbeugte und zielgerecht unter ihre rechte Achsel griff. Die Antikerin spannte alle Muskeln in ihrem Gesicht an, als sie fühlte, wie die Beretta ihr abgenommen wurde. Dann folgte ein weiterer unsanfter Stoß, um sie nach vorn zu treiben.
„Schon gut", murmelte sie.
„Maul halten und langsam gehen!" wurde ihr befohlen.
Immer noch die Mündung der Waffe zwischen ihren Schulterblättern fühlend und die Arme in dieser unbequemen Haltung verschränkt ging sie los, während sie sich den Kopf darüber zerbrach, wie sie wieder aus dieser Lage herauskommen konnte. Aber sie wagte nicht, eine Wunde zu riskieren, so nahe an Unwissenden, wie sie jetzt war. Sie konnte eine mögliche Verletzung zwar überleben und sie sogar ziemlich schnell heilen lassen, aber die Geiseln vorn im Kassenraum würden wohl kaum davon zu überzeugen sein, daß eine so schwere Schußwunde dermaßen schnell überwunden wäre.
Im Durchgang zum Kassenraum angekommen, hieß ihr Häscher sie stehenzubleiben.
Vashtu blinzelte. Nach der Dunkelheit im Gang war es hier beinahe taghell, so daß sie tatsächlich geblendet war.
„Major Uruhk, wenn ich mich nicht irre", wandte sich die Stimme des Anführers an sie. „Nett, daß ich Sie endlich doch antreffe. Ich dachte schon, Sie wollten unsere kleine Party verpassen, die wir doch extra für Sie geben."
Vashtu richtete ihre Aufmerksamkeit auf den hochgewachsenen, muskulösen Mann mit der schwarzen Skimaske. Unwillkürlich spannte sie sich an, als sie Tom bei ihm auf einem Stuhl sitzen sah, eine Waffe an der Schläfe.
„Bring unseren Fang her!"
Wieder wurde sie vorwärts gestoßen. Mit kaltem Blick fixierte sie den Anführer der Bankräuber. Und jetzt war sie endgültig davon überzeugt, hier nicht in einen normalen Bankraub verwickelt worden zu sein. 

*** 

„Das sieht wirklich nicht gut aus", kommentierte Storm die letzten Bilder der Wärmebildkamera und kniff nachdenklich die Lippen zusammen. „Stürmen, Barrow?"
Hernan saß auf einem Stuhl bei der inzwischen fast vergessenen Telefonanlage und brütete vor sich hin.
Der Präsident der Vereinigten Staaten befahl ihm, mit der MP zusammenzuarbeiten, um einem unbedeutenden, kleinen Major der Air Force zu helfen. Das war doch einfach nur lächerlich! Das roch doch geradezu nach irgendeiner geheimen Regierungssauerei!
Und doch waren ihm die Hände gebunden. Er konnte nichts anderes tun als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zu hoffen, daß er zumindest mit einem blauen Auge aus dieser Sache wieder herauskam.
„Würde ich noch nicht in Erwägung ziehen", antwortete Barrow. „Sind noch zu viele Zeugen dabei. Wir müssen den Großteil der Geiseln da herausbekommen, ehe der Rest der Truppe über sie herfallen und ein Blutbad anrichten kann."
„Werden sie ohnehin tun, wie ich diese Kerle kenne", brummte Storm unwillig, das Kinn auf die Hände gestützt. „Aber vielleicht ist noch nicht alles vorbei. Unser Major ist klever. Gut möglich, daß sie trotzdem noch den Tag rettet. In der Haut dieser Typen will ich allerdings nicht stecken."
Barrow sah den MP von der Seite an. „Wieder Ex-NID?"
Hernan horchte auf und sah zu den beiden hinüber.
Storm nickte nur stumm.
„Scheiße!" knurrte Barrow.
Hernan runzelte die Stirn.
Endlich schien er einen Ansatz zu haben. Stand nur zu hoffen, daß das so bleiben würde und er bald wieder zu seiner gewohnten Routine zurückkehren konnte. 

*** 

„Jetzt habt ihr mich, dann könnt ihr die anderen auch gehen lassen." Vashtu starrte ihren Gegenüber kalt und berechnend an.
Der betrachtete sie von Kopf bis Fuß. „Durchsucht?" wandte er sich dann an ihren Häscher. Sie konnte die Antwort nicht hören, also schien er wohl nur genickt zu haben.
Der Anführer hob seine Waffe und drückte sie ihr auf die Stirn. „Dann haben wir jetzt wohl die Beute, die wir wollten. Oder gibt es noch einen Plan, den Sie durchführen wollen, Major?"
Vashtu ließ sich nicht von der Bedrohung aus der Ruhe bringen, zumindest äußerlich nicht. Sie hatte bereits zuviel erlebt, seit sie erwacht war in dieser Zeit. Und ihre Situation war wenigstens einmal wesentlich hoffnungsloser gewesen.
„Keinen Plan, zumindest noch nicht." Sie lächelte kühl. „Lassen Sie die Geiseln frei, dann gehe ich freiwillig mit Ihnen mit."
„Was ist mit den anderen?" Der Anführer ignorierte sie vollkommen.
Die zweite Waffe, die sich immer noch in ihren Rücken gebohrt hatte, verschwand und sie hörte gedämpfte Schritte, die sich rasch entfernten. Ein kurzer Seitenblick sagte ihr, daß der zweite ihre Beretta auf den Schreibtisch knapp außerhalb ihrer Reichweite abgelegt hatte.
Der Anführer richtete seine Aufmerksamkeit nun wieder auf sie. Erneut musterte er sie von Kopf bis Fuß. „Erstaunlich, wieviel Kraft und was für ... Geheimnisse doch in so einem zierlichen Körper stecken können. Wüßte ich nicht, was es wirklich mit Ihnen auf sich hat, ich würde es nicht glauben."
  „Danke für das Kompliment." Wieder ein kühles Lächeln, das augenblicklich wieder erlosch. „Dann steht zu hoffen, daß Sie es mir diesmal etwas schwerer machen werden als beim ersten Mal? Könnte interessant sein sich anzusehen, was der Trust sich jetzt wieder ausgedacht hat."
„Sie werden sicherlich wenig begeistert sein, Major, darauf können Sie sich verlassen. Wir sind keine solchen Stümper wie die, denen Sie das letzte Mal begegnet sind, glauben Sie mir."
Vashtu nickte. „Was noch zu beweisen wäre, nicht wahr?"
Die Waffe klickte leise, als der Maskierte sie entsicherte. „Sie sollten auf Ihre Wortwahl achten, Major. Lernt man das denn nicht bei der Army?"
„Ich bin noch nicht lange dabei. Und, ehrlich gesagt, bei Leuten wie Ihnen ist die richtige Wortwahl alles andere als ... sinnvoll."
„Wir werden sehen, Major Uruhk, wir werden sehen. Ich bin sicher, Ihnen wird ganz und gar nicht gefallen, was Sie vorfinden werden. Und auf eines können Sie sich verlassen, es wird sehr unangenehm für Sie werden, kooperieren Sie nicht mit uns."
Erneut ein kühles Lächeln, doch diesmal ließ sie ihm das letzte Wort.
„Sie sind im Schließfachraum eingesperrt", meldete der zweite Mann.
„Dann hol sie raus. Wir sollten sehen, daß wir hier allmählich verschwinden, um unseren Fang ... in trockene Tücher zu bringen." Wieder ein prüfender Blick. Dann trat der Anführer näher und streckte die Hand aus.
Auf diesen Moment hatte Vashtu gewartet.
Sie warf sich herum und ging sofort zu Boden. Nur um zur anderen Seite wieder hochzuschnellen und ihre Beretta an sich zu bringen.
Der Maskierte starrte sie entgeistert an, während sie die Waffe seelenruhig auf ihn richtete.
„Ich bin immer noch im Vorteil, Major", der Anführer richtete seine Waffe wieder auf sie. „Ich brauche nur zu rufen."
„Warum bin ich denn wohl in Ihre stümperhafte Falle gelaufen, mh? Im Kellerraum hört man nichts." Vashtu entsicherte die Beretta. „Finger von der Waffe!"
Der Maskierte lächelte dünn. „Jason? Schieß auf sie. Sie wird es überleben, solange du keine wichtigen Organe triffst."
Vashtu warf sich herum und drückte ab. 

*** 

„Schüsse!" Babbis erstarrte. „Verdammte Scheiße!"
„Ruhig." Dorn sah nun ebenfalls zur Bank hinüber, doch nur kurz. Dann richtete sich seine Aufmerksamkeit wieder auf den Lieferwagen. Doch dort rührte sich noch nichts. Aber lange würde er wohl nicht mehr warten müssen. 

*** 

Vashtu schnellte wieder herum und kniff die Lippen aufeinander.
Der Anführer hatte Tom vom Stuhl hochgerissen und hielt ihn jetzt wie einen Schutzschild vor sich. „So nicht, Major", sagte er jetzt, drückte dem Psychologen die Waffe an den Hals. „Schön ruhig bleiben und die Waffe wegwerfen. Dann werde ich mir überlegen, was ich am besten mit Ihnen anstellen kann, um Sie vor weiteren Dummheiten zu bewahren."
Vashtus Augen wurden schmal. Sie tat einen Schritt nach vorn und fixierte sehr sorgsam ihren Gegenüber.
Tom wurde blaß, als er ihr Gesicht sah. So hatte sie noch nie ausgesehen, wirklich noch nie! Das hier war wieder eine andere Vashtu als die Versionen, die er schon von ihr gewohnt war.
„Waffe weg!" befahl der Maskierte wieder. „Wollen Sie wirklich Ihren neuen Schatz töten, Major?"
  Wieder dieses kühle, berechnende Lächeln. „Ich ziele nicht auf ihn." Noch ein Schritt nach vorn.
  „Waffe weg, aber schnell! Sonst können Sie Dr. Finnigans Kopf wieder an den Körper nähen."
Tom holte stockend Atem, wagte nicht, sich zu rühren.
Dieser eiskalte, berechnende Blick. In diesem Moment, das begriff er, hatte er einen Killer vor sich, einen kaltblütigen Killer, der nur auf seine Chance wartete.
Und dann löste sich der einzelne Schuß.
Tom konnte fühlen und hören, wie die Kugel an seinem Ohr vorbeizischte und dann, mit einem dumpfen Laut, den Geiselnehmer traf.
„Tom, weg da!" Vashtus Stimme klirrte wie Eis bei diesem Befehl.
Der Anführer des Trupps gab einen röchelnden Laut von sich. Tom konnte fühlen, wie seine Muskeln sich verkrampften. Mit dem Mut der Verzweiflung warf er sich nach vorn.
„Keine Bewegung!" schrie eine Stimme von der Eingangstür her.
Vashtu hob sofort die Hände. „Keine Gefahr", antwortete sie, als sei das ganze so eine Art Textspiel zwischen zwei Parteien. 

*** 

„Der Trust hat Sie immer noch überwacht, Mam", erklärte Storm der Antikerin, die auf der Stoßstange eines Polizeiwagens hockte und mit einem Becher in ihrer Hand spielte. Gedankenverloren nickte sie, sagte aber nichts.
Stümper, so hatte der Anführer der Bande ihre vormaligen Entführer genannt. Sollte das bedeuten ... ?
Vashtu seufzte.
Es mußte wohl innerhalb des Trustes eine Splittergruppe geben, die sich von den anderen abgegrenzt hatte. Zu welcher Gruppierung die erste Truppe zählte, die sie in ein im Bau befindliches Bürogebäude gebracht hatte damals, das konnte sie allerdings nicht sagen.
„General Landry gab sofort die Order aus, Sie so schnell als möglich wieder ins SGC zu bringen, Major. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?" Storm sah sie fragend an.
Vashtu zögerte, dann schüttelte sie den Kopf und stellte den Becher mit Kaffee auf die Motorhaube. „Ich habe nichts dagegen, Captain. Ehrlich gesagt, ist mir in den letzten zwei Stunden der Appetit gründlich vedorben worden."
Storm nickte verstehend, sagte aber nichts.
Vashtu starrte an ihm vorbei. Ihr Körper versteifte sich kurz, dann richtete sie sich auf und ließ den MP einfach stehen.
Storm seufzte schicksalsergeben und folgte ihr.
„Tom?" fragte die Antikerin den Mann, der ihr den Rücken zugewandt hatte und das Bankgebäude mit einem Schauder betrachtete. Beim Klang seines Namens drehte er sich sich zu ihr um.
„Hast du mich an den Trust verraten?" fragte sie.
„Nein." Tom schüttelte den Kopf. „Und das hätte ich auch nie. Dafür schätze ich dich zu sehr, Vash."
Die Antikerin nickte. „Gut, dann ... Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich unsere Verabredung für heute streiche."
„Major!" kam es in diesem Moment aus drei Kehlen gleichzeitig.
Vashtu drehte sich zu ihren Männern um und lächelte, so wie sie sonst nur ihm gegenüber tat. Tom fühlte einen Stich im Herzen.
„Mam? General Landry möchte Sie so schnell wie möglich wegen des Berichtes sehen", wandte Storm ein.
Vashtu nickte, wechselte noch einen Blick mit dem Psychologen.
„Wenn du dich wieder gefangen hast, bin ich gern bereit, dir zuzuhören."
Tom zuckte etwas hilfos mit den Schultern. „Wenn du meinst."
Eilige Schritte näherten sich, blieben dann abrupt kurz vor ihr stehen.
Vashtu richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Neuankömmlinge, und wieder lächelte sie. „Dorn, Peter, Wallace." Sie nickte ihrem Team aufmunternd zu. „Meine Herren, danke für die Hilfe", wandte sie sich an die drei Männer.
Dorn grinste und wandte sich ab, um endlich in sein Auto steigen und losfahren zu können.
„Sollen wir Sie mitnehmen, Major?" erkundigte Storm sich.
Vashtu drehte sich wieder zu dem MP um und nickte stumm.
„Vash?" ließ Tom sich endlich vernehmen.
Die Antikerin wandte den Kopf. „Ja?"
„Es tut mir leid", sagte ihr neuer Bekannter.
Vashtu blickte zu den Bäumen auf, die den Parkplatz der Bank begrenzten, runzelte die Stirn. „Tom, ich denke, wir beide sollten uns einmal dringend unterhalten ... sobald ich wieder einmal ein bißchen Zeit habe", sagte sie dann endlich, drehte sich um und folgte Storm zu dessen Wagen.
Tom Finnigan schluckte hart.
Becketts letzter Dienst by Hyndara71
Vashtu Uruhk nickte Chry'sha'c zu. „Danke nochmals für die rasche Hilfe", sagte sie mit einem Lächeln.
Der Jaffa verbeugte sich vor ihr. „Einer Freundin meines Volkes werde ich immer helfen. Die Jaffa haben dir zu danken."
„Das werden wir noch sehen." Vashtu seufzte, drehte sich dann zu ihren Männern um. „Wallace, einwählen", befahl sie. „Jedenfalls ging es schneller als wir gehofft hatten. Die Jaffa sind tapfere Krieger und haben den Respekt von anderen mehr als nur verdient." Sie zog das kleine Gerät aus ihrer Hosentasche und wartete, bis sie hörte, wie das Wurmloch sich etabliert hatte. „Also dann. Ich wünsche euch Frieden und Freiheit, Chry'sha'c." Sie aktivierte das GDO und wandte sich erneut an ihr Team: „Abrücken!"
Dorn trat als erstes durch den Ereignishorizont, dicht gefolgt von Wallace. Peter Babbis zögerte noch einen Atemzug, dann verschwand auch er.
Der Jaffa nickte der Antikerin noch einmal zu, dann joggte auch sie zum Wurmloch und trat hindurch.
Nur um auf der anderen Seite fast in Wallace langgezogene Gestalt zu prallen.
Erschrocken trat der junge Wissenschaftler einen Schritt zur Seite.
„Können Sie denn nicht einmal ..." Vashtu stockte, als sie begriff, was sie da gerade aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte.
Dorn drehte sich zu ihr um und sah sie mit einem langen, mitleidigen Blick an. Babbis stand beim Geländer, eine Hand um das Metall gekrallt. Wallaces Gesicht war bleich.
Vashtu fühlte, wie ihre Beine weich werden wollten. Einen Moment lang weigerte sie sich noch zu akzeptieren, was ihr da gerade aus den Augenwinkeln aufgefallen war, dann aber trat sie entschlossen einen Schritt vor, das Gesicht angespannt.
Ein Sarg. Und die Flagge auf diesem Sarg ...
Vashtus Lippen bebten. Sie preßte sie fest aufeinander und atmete flach. Ihre Augen begannen zu brennen.
Landry blickte zu ihnen hoch, sah sie an. Und bei dem General stand, in einer Uniform der Air Force, Lt. Colonel John Sheppard. Ihre Blicke trafen sich, und Vashtu konnte die Antwort, die sie befürchtet hatte beim Anblick der Flagge, deutlich in seinen Augen lesen.
„Major Uruhk", wandte Landry sich mit sanfter Stimme an sie.
Vashtu streckte die Hand aus und packte das Geländer. Das Metall stöhnte unter ihrem Griff. Noch immer starrte sie Sheppard an. Die anderen, die den Gateroom gerade hatten verlassen wollen, sah sie nicht wirklich. Nur ihn und ... den Sarg!
„Major, ich muß Ihnen leider mitteilen ..."
Sheppard trat entschlossen an Landry vorbei und setzte einen Fuß auf die Rampe.
Noch immer starrten die beiden sich an, in einem stummen Verständnis, das eigentlich keine Worte brauchte. Doch jetzt weigerte sich eine von ihnen beiden schlichtweg zu akzeptieren, was sich da vor ihren Augen abspielte.
„Vash ..." Sheppards Stimme klang belegt.
Die Antikerin schüttelte kurz und abgehackt immer wieder den Kopf. Sie wagte nicht, den Mund aufzumachen, und sie wollte nicht hören, was er ihr zu sagen hatte. Doch er hielt ihren Blick weiter gefangen, während er langsam näherkam.
„Vashtu ..." wiederholte er, als sie bereits zu ihm aufsehen mußte. Sanft legte er seine Hand auf ihre, hielt noch immer ihren Blick gefangen.
Vashtu bat ihn, flehte ihn in Gedanken an, nicht das auszusprechen, was sie so deutlich hatte erkennen müssen. Sie wollte es nicht hören. Nicht jetzt, niemals!
„Carson ist tot."

***

Vashtu schloß leise die Tür hinter sich, tappte dann auf blossen Füßen zu ihrem Wohnraum und blieb im Durchgang stehen. Mit zusammengepreßten Lippen betrachtete sie den Mann, der auf ihrem Sofa lag und schlief. Der Fernseher tauchte den Raum in verwaschene Farben, der Ton lief leise und war kaum verständlich.
Sie konnte nicht schlafen. Ihr Bett schien ihr plötzlich viel zu groß und unbequem. Und das leise Summen des Terrariums einfach nur nervtötend. Ob sie wollte oder nicht, sie war sich nur allzu deutlich bewußt, wer da noch in ihrem Apartment war.
Langsam trat sie in den Wohnraum, betrachtete die hochgewachsene Gestalt unter der Decke.
John hatte einen Arm ausgestreckt und seinen Kopf darauf gebettet. Er paßte gerade auf das Sofa, so daß seine Beine leicht angewinkelt waren. Sein Gesicht war entspannt, doch ein Zug lag um seine Lippen, den sie noch nicht kannte - oder besser erst seit der Trauerfeier kannte.
Vashtu wandte ihr Interesse dem Bildschirm zu. Irgendein Dokumentarsender. Bilder einer Unterwasserexpedition.
Wie in Trance schlich sie zu ihrem Ohrenbackensessel und ließ sich darauf nieder, die Beine angezogen und die Arme um die Schenkel geschlungen. Blicklos verfolgte sie das Treiben auf dem Bildschirm vor sich, während sie in Erinnerungen versank ...

***

„Ich weiß natürlich, daß Sie mit Dr. Beckett befreundet gewesen sind", wandte Landry sich an sie. Seine Stimme klang mitfühlend.
„Sir, ich ..." Sie stockte und sah sich hilflos in ihrem Büro um. Irgendwie wirkte der Raum auf sie plötzlich überdimensional und leer, als wolle er sie verschlingen.
„Sie möchten mit nach Schottland, ich verstehe." Landry nickte.
Sie blickte auf, die Lippen wieder zusammengepreßt, und nickte.
„Ich werde sehen, was sich machen läßt, Major. Dr. Beckett und Sie haben gut zusammengearbeitet während des einen Projektes. Und ich weiß, daß er Sie immer aufgesucht hat, wenn er auf der Erde gewesen ist. Aber Sie müssen auch verstehen ... nach den jüngsten Entwicklungen ..."
„Der Trust ist nicht wirklich gefährlich für mich, Sir", entgegnete Vashtu mit gepreßter Stimme. „Außerdem werde ich doch wohl nicht die einzige Militärangehörige sein, die ... die ... die nach Schottland fliegt."
Landry schien zu überlegen.
„Carson war einer der ersten, die mir Vertrauen schenkten nach meinem Erwachen, Sir. Er war ... Ich habe immer noch seine Schildkröten." Sie preßte die Augen fest zusammen, um die Tränen zu unterdrücken. Ihre Schultern bebten.
„Beruhigen Sie sich, Major." Landrys Stimme klang hilflos. Dann seufzte er. „Wir organisieren gerade noch den Flug. Haben Sie Ihre Uniform?"
Vashtu schüttelte hilflos den Kopf.
„Ich werde sie Ihnen bringen lassen. Ich denke, in Begleitung von Lt. Colonel Sheppard und Major Lorne sollten Sie relativ sicher sein. Für alle Fälle aber ..."
„Die MP, Sir, ich verstehe." Wieder ein Nicken.
„Anders wird es wohl nicht gehen. Tut mir leid."

***

John bewegte sich leise im Schlaf. Sein Handrücken rutschte an der Armlehne des Ohrenbackensessels entlang.
Vashtu sah kurz zu ihm hinüber.
Wenn es doch nur nicht soweit zwischen ihnen gekommen wäre! Wenn doch nur ...
Sie atmete tief ein und wandte sich wieder ab. Konzentriert starrte sie auf den Bildschirm.
Sie bemerkte nicht, wie ein Augenpaar sie aus schmalen Schlitzen musterte, denn wieder war sie in ihren jüngsten Erinnerungen versunken.

***

„Lorne, die Anweisungen stehen. Ich denke, Sie werden ..." John zuckte mit den Schultern.
Vashtu, die gerade den Hügel hinabgekommen war und die letzten Worte mitangehört hatte, runzelte die Stirn.
Der Lt. Colonel drehte sich zu ihr um und musterte sie kurz und scheinbar ohne jede Emotion. Unwillkürlich straffte sie sich und ging betont langsam auf ihn zu.
„Du hast es also tatsächlich getan", wandte John sich an sie. „Major Lorne, erinnern Sie sich noch an Vashtu Uruhk ... Major Vashtu Uruhk." Die Betonung lag eindeutig und vollkommen übertrieben auf ihrem Rang.
Sie nickte dem jungen Offizier zu und lächelte gequält. „Major."
Lorne betrachtete sie aufmerksam von Kopf bis Fuß, erwiderte dann ihr Lächeln. „Sie bleiben also wirklich die nächsten Tage noch auf der Erde?" wandte er sich dann wieder an seinen Vorgesetzten.
John seufzte, wandte sich von ihr ab. „Landry meinte, die drei Tage könnten auch vorgezogen werden. Es liegt momentan auch nichts vor, zumindest nichts, wovon ich weiß. Sie werden wohl ruhige zehn Tage erleben, Lorne."
Der Major nickte.
„Du bleibst auf der Erde?" fragte Vashtu.
„Ich habe Urlaub." Die Antwort war knapp und emotionslos.
„Ich auch. Landry hat ihn mir zugestanden."
John warf ihr einen kurzen Blick zu. „Und?" fragend hob er eine Braue.
Lorne räusperte sich und drehte sich um, um sich den anderen Militärangehörigen anzuschließen, die jetzt zu den Wagen zurückgingen.
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Ich dachte ... Wir könnten ..." Sie stockte.
„Ich habe einiges zu erledigen, Major", entgegnete John mit betont ruhiger Stimme.
„Das ist mir klar. Ich dachte nur ..."
„Nein." Jetzt drehte auch er sich um und marschierte mit strammen Schritt zurück zu den wartenden Fahrzeugen.
Vashtu sah ihm hilflos nach.

***

John Sheppard war aufgewacht. Aufmerksam beobachtete er seine Gastgeberin aus schmalen Augenschlitzen. Er wollte nicht, daß sie bemerkte, daß er wach war. Statt dessen versank er in ihrem Anblick.
Vashtu hockte mit angezogenen Beinen da, in ein überlanges T-Shirt und Jogginghosen gekleidet. So, wie sie da saß, wirkte sie auf ihn wie ein hilfloses kleines Mädchen. Angestrengt starrte sie auf den Bildschirm, schien beinahe durch ihn hindurchzusehen.
Er zwang sich, sich nicht zu bewegen, auch wenn beinahe jede Faser seines Körpers danach schrie, sie zu berühren, zu streicheln und zu küssen. Er liebte diesen zehntausend Jahre alten Sturkopf und wollte sie auf keinen Fall verlieren. Aber trotzdem ...
Er beobachtete sie weiter, und auf sein Gesicht trat ein zärtlicher Ausdruck, als er sich an den Rückflug aus Schottland erinnerte.

***

John saß, vor sich hinbrütend, auf seinem Platz und starrte vor sich hin, als sich plötzlich jemand neben ihm niederließ.
„Kann es sein, daß diese Frau etwas ... irre ist?" fragte Lorne.
Er runzelte die Stirn und drehte sich um. „Was?" Sich reckend warf er einen Blick über die Schulter und hob eine Braue.
Vashtu saß allein auf einem Sitz und starrte vor sich hin. Dabei zupfte sie mit ihren Händen an dem dünnen Material ihrer Strumpfhosen herum. Diese wies schon einige unschöne Löcher und Laufmaschen auf.
„Wieso?" John drehte sich wieder zu Lorne zurück.
Der zuckte mit den Schultern. „Ich hab kurz mit mit einem der MPs gesprochen, die sie bewachen sollen. Der sagte da etwas von einem Banküberfall, bei dem sie ... naja, zwei der Bankräuber waren tot, die anderen hatte sie irgendwie im Schließfachraum eingesperrt. Und ihr war nicht ein Haar gekrümmt worden."
Johns Kopf ruckte wieder zu der Antikerin hinüber. „Vashtu!" flüsterte er, dann drängte er sich an seinem Stellvertreter vorbei und ging zu ihr hinüber.
Die Antikerin saß noch immer so da wie vorher, zupfte an ihrer Strumpfhose herum und starrte ins Leere. Dann, plötzlich, klärte sich ihr Blick und sie sah auf. Eine leise Hoffnung trat in ihre Augen, als er sich auf dem Sitz vor ihr niederließ und zu ihr umdrehte.
Stirnrunzelnd sah er sie an. „Du warst in einen Banküberfall verwickelt?" fragte er unumwunden.
Sie blinzelte, neigte dann leicht den Kopf und nickte. „Ja, aber das war kein ... Es war nicht normal", antwortete sie, drehte sich dann halb um und warf einen langen Blick auf die beiden Militärpolizisten, die hinten im Flugzeug saßen und Karten spielten. „Seitdem habe ich diese Anhängsel."
John sah sie besorgt an. „Was meinst du damit? Warum sollte man dich überwachen? Ich dachte, du hast dein Leben auf der Erde inzwischen relativ im Griff."
Sie zögerte, zog dann die Schultern hoch. „Der Trust ist auf mich aufmerksam geworden, ist schon eine Weile her", erklärte sie. „Jetzt sind sie plötzlich wieder da."
Er ruckte ein bißchen näher an sie heran. „Der Trust? Was wollen die von dir?"
In ihrem Gesicht zuckte es, als sie verstohlen unter ihren Ponyfransen aufblickte. „John, ich bin die letzte erreichbare Antikerin, schon vergessen?"
Das war ihm tatsächlich einen Moment lang entfallen, mußte er zugeben. Er sah sie schon lange nicht mehr als lebendes Relikt, sofern er das je getan hatte. Er sah nur ... Ja, was?
Er sah die interessanteste und schönste Frau, die ihm je in seinem Leben über den Weg gelaufen war, mußte er sich selbst eingestehen. Sie beide hatten noch nie viele Worte gebraucht, sie verstanden sich auch so. Immer schienen sie vom anderen zu wissen, was er empfand - naja, meistens. Wenn da nur nicht diese Sache geschehen wäre ...
„Was hast du vor, wenn wir wieder in den Staaten sind?" fragte sie unvermittelt.
Er blinzelte, aus seinen Gedanken gerissen, und sah sie an. „Was?"
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Ich dachte nur. Es wird schon spät sein, zu spät, um dir ein Zimmer in Colorado-Springs zu suchen. Was hast du also dann vor? In den Mannschaftsquartieren übernachten?"
Er runzelte die Stirn, schwieg jetzt aber.
Wenn er genau sein wollte, seit ihrem Streit vor einem Monat hatte er kaum noch einen Gedanken an seinen Urlaub verschwendet. Vorher war es für ihn klar gewesen, daß er seine Zeit mit ihr verbringen wollte, sofern sie nicht gerade arbeiten mußte. Aber jetzt?
„In den Bergen liegt der erste Schnee. Ich dachte, wenn du Lust und Zeit hast, könnten wir vielleicht skifahren gehen." In ihren Augen las er ein kleines bißchen Hoffnung.
„Ich ..."
„Du kannst bei mir übernachten. Mein Apartment ist groß genug. Und morgen ... oder wann du willst ..." Sie verstummte, das leise Licht verglomm.
John brach es fast das Herz, sie so resignierend zu sehen. Irgendwie kam ihm der unwahrscheinliche Gedanke, daß sie nicht wirklich Erfahrung mit dem Umgang in einer Beziehung hatte. Aber ... Das war Unsinn!
„Du könntest auf meiner Maschine fahren, wenn du magst."
„Maschine?" Irritiert sah er sie wieder an.
Vashtu nickte. „Mein Motorrad. General O'Neill hat es mir geschenkt."
„Ich habe keinen Motorradschein."
Wieder dieses stille Flehen in ihren Augen.
Er nagte an seiner Unterlippe, fühlte sich plötzlich einfach nur schlecht. Hatte er am Ende überreagiert auf ihren Eintritt in die Army? War er ... ?
Nein, rief er sich zur Ordnung, nein, er hatte keinen Fehler begangen. Da war er sich sicher. Vashtu war nicht geeignet für die Air Force, um genau zu sein, sie war überhaupt nicht für das Militär geeignet. Warum O'Neill und die anderen Stabsmitglieder das nicht hatten einsehen wollen, war ihm nicht klar, doch er vermutete, man wollte sie noch enger an die Erde binden, als sie es nach mehr als einem Jahr bereits war.
„John, ich ..." Ihre Brauen schoben sich zusammen und in ihren Augen schwammen plötzlich Tränen. „Ich ... können wir denn nicht einfach reden?"
Er zögerte, wandte den Kopf ab und sah zur Pilotenkanzel nach vorn. Dann nickte er endlich. „Also gut, ich übernachte heute nacht bei dir. Aber morgen suche ich mir ein Hotel."

***

Vashtu starrte weiter auf den Bildschirm, holte dann plötzlich tief Atem.
Eine große Schildkröte kämpfte sich durch hohes Gras. Die wispernde Stimme aus dem Off erklärte gerade etwas über eine Sendung, die gleich auf diesem Sender laufen sollte.
Unwillkürlich stiegen ihr wieder Tränen in die Augen.
Carson!
Nach seiner Rückkehr nach Atlantis war Landry an sie herangetreten, mit der dringenden Bitte des Mediziners, sich um seine kleinen Schildkröten zu kümmern. So war das Terrarium schließlich in ihrem Schlafzimmer gelandet. Sie war zur Ziehmutter für seine Haustiere geworden.
Und jetzt war Carson tot.
Vashtu schluchzte laut auf und barg ihr Gesicht zwischen den Knien, während über den Bildschirm weiter über Schildkröten gesprochen wurde. Vor ihrem inneren Auge sah sie das offene und freundliche Gesicht von Carson Beckett, wie er auf ihrem Sofa saß und Kaffee trank und sich mit ihr unterhielt.
So viele Briefe hatte er ihr gebracht, so oft hatten sie beide miteinander geschwatzt. Mit der Zeit waren sie Freunde geworden, und sie hatte gewußt, ihr erster Eindruck von ihm hatte sie nie getäuscht.
Und jetzt gab es diesen netten Mann in ihrem Leben einfach nicht mehr. Jetzt würde sie endgültig den Kontakt nach Atlantis verlieren, ohne Beckett und ohne Sheppard. Nie wieder würde Carson unvermutet vor ihrer Tür stehen und ihr irritierte Blicke zuwerfen. Nie wieder würde sie seine akzentschwere Stimme hören und sich fragen, warum ausgerechnet dieser Mann, der sie immer wieder an ein riesiges Kuscheltier erinnert hatte, so einsam in seinem Inneren war.
„Vash ..."
Arme umfingen sie plötzlich und hielten sie fest und sicher.
Vashtu drängte sich an den anderen Körper und weinte und schluchzte und klammerte sich an ihn.
„Es ist schon gut", wisperte ihr Johns angenehme Stimme zu. „Alles ist gut. Scht."
Sie drängte sich noch dichter an ihn heran, ließ es zu, daß er sie schließlich auf seine Arme nahm und auf dem Sofa ablud. Noch immer klammerte sie sich an ihn, noch immer barg sie ihr Gesicht an seiner Brust.
Sie konnte einfach nicht mehr aufhören zu weinen. Carson war ihr Freund gewesen. Er hatte für sie und John getan, was er konnte, als ihre Beziehung zueinander noch auf wackeligen Beinen stand und von den oberen Stellen nicht gern gesehen war.
„Er ist tot, John", wimmerte sie plötzlich und hob den Kopf. Ihr Blick war verschwommen von all den Tränen, und sie mußte blinzeln.
Sacht strich er ihr die salzige Nässe von den Wangen. „Es ist gut, Vash, es ist alles gut." Seine Stimme klang erstickt.
Als sie wieder zu ihm hochblickte sah sie, daß auch er weinte, es aber nicht zeigen wollte. Die Tränen gruben feuchte Bahnen in seine Wangen, seine Lippen bebten leicht. Unvermittelt hob sie den Kopf und küßte eine der Tränen weg.
John schloß die Augen und preßte die Lippen aufeinander. Noch immer streichelte seine Hand ihre Wange, noch immer brach auch bei ihm die Trauer ihre Bahn.
„John ..." Sie flüsterte seinen Namen tonlos.
Langsam öffnete er die Augen wieder und sah sie an. Und sie ertrank in diesem Blick, ihre Persönlichkeit, ihr ganzes Selbst, alles was sie ausmachte, wurde von seinen Augen davongetragen und löste sich auf.
Das letzte, an das sie sich erinnerte, war der Kuß ...

***

„Asche zu Asche, Staub zu Staub ..." Der Priester sah auf die Trauergemeinde, die sich um das Loch in der dunklen Erde versammelt hatte. Nach einer kleinen Weile fuhr er fort mit seiner Rede.
Vashtu stand am offenen Grab und starrte darauf nieder. Überdeutlich spürte sie Johns Anwesenheit, er stand direkt neben ihr. Das hatte sich so ergeben, vermutete sie, denn viele Worte hatten sie bis jetzt nicht gewechselt seit ihrem unvermuteten Treffen im Gateroom. So wurde sie nun aber von ihm auf der einen und seinem jungen Stellvertreter auf der anderen Seite flankiert, stand einen Schritt weiter vorn als sie.
Vashtu hob langsam den Kopf.
Es war das erste Mal, daß sie bei einer irdischen Beerdigung anwesend war. Sie hatte keine Ahnung, wie das Zeremoniell ablief, versuchte einfach dadurch, daß sie die anderen Anwesenden beobachtete, sich normal zu geben.
Neben dem Priester stand eine ältere, kleine Frau mit grauem, weiß meliertem Haar. Vashtu kannte sie von einem Foto. Es war Carsons Mutter.
Schnell wandte sie den Blick ab. McKay sah sie über den Rand des Grabes aus an, die Lippen zusammengekniffen. Auch in seinen Augen sah sie Tränen, wie sie auch in den ihren brannten. Und irgendwie tröstete sie der Gedanke, daß ausgerechnet Rodney McKay, der egozentrische Spitzenwissenschaftler, um den lieben Mediziner trauerte, über den er früher immer seine Scherze gemacht hatte.
Bewegung kam in die Trauergemeinde.
Vashtu atmete tief ein, reihte sich dann, vor Sheppard und hinter seinem Stellvertreter, gehorsam ein und wartete.
Einer der Trauergäste trat vor, nahm eine kleine Schaufel und warf Erde in das Grab.
Vashtu atmete tief ein und schluckte dann.
Wenn sie sich vorstellte, das ... Nein, besser nicht!
Geduldig wartete sie, bis sie der Schaufel am nächsten war, und griff danach. Eine andere Hand legte sich über ihre und ließ sie den Kopf heben. John sah sie nur an, die Lippen zusammengepreßt und etwas in seinen Augen, das sie bisher noch nie bei ihm gesehen hatte. Unmerklich nickte sie, und gemeinsam warfen sie etwas Erde in das Grab, blieben dann einen Moment lang noch stumm nebeneinander stehen und starrten in diesen finsteren Abgrund, in dem sich jetzt die sterblichen Überreste des freundlichen Mediziners befanden für alle Zeit.
Johns Hand streifte ihre Schulter, als sie sich umdrehten und zu Mrs. Beckett gingen, um ihr ihr Beileid auszusprechen.
Die alte Frau sah unwillkürlich auf, als sie das Paar auf sich zukommen sah. Trotz der Tränen in ihren Augen und der Trauer, die sich tief in ihr Gesicht gegraben hatte, lächelte sie.
Vashtu nickte ihr zu, hob dann die Rechte. „Mrs. Beckett ... ich ..." Sie atmete tief ein.
„Miss ... Uruhk?" Die alte Frau drückte ihre Hand. „Es freut mich, Sie endlich kennenzulernen." Sie blickte zu John hinauf. „Lt. Colonel. Carson hat immer sehr viel von gerade Ihnen beiden gesprochen. Ich bin sicher, es würde ihn freuen, sie ..." Nun brach sie ab und schluchzte.
Johns Hand krallte sich hilflos in Vashtus Schulter.

***

Als sie erwachte, fühlte Vashtu sich zum ersten Mal seit Wochen ... wohl! Sie wußte selbst nicht genau warum, sie fühlte nur eine Behaglichkeit, die sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gespürt hatte. So, als wäre sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder vollständig.
Blinzend gähnte sie und streckte sich. Dabei stießen ihre Füße auf ... Füße?
Vashtu riß die Augen auf und drehte sich um. Entgeistert starrte sie auf die Gestalt, die neben ihr in ihrem Bett lag.
Was? Wie? Wann?
Dann fiel ihr die letzte Nacht wieder ein, zumindest ...
Oh nein! Sie hatte doch nicht mit John ... ?
Vashtu holte tief Atem und lüftete die Decke ein Stück weit, nur um sie dann sofort wieder hochzuziehen und sich verlegen umzusehen.
Sie war nackt. Und, wie sie gesehen hatte, war sie da nicht die einzige.
Wieder starrte sie John an, der entspannt neben ihr lag und offenkundig schlief - zumindest hatte er die Augen geschlossen.
Was sollte sie jetzt tun? Wie sollte sie sich verhalten? Wenn er etwas bemerkt hatte ...
Vashtu schluckte.
Am besten, sie tat, als sei nichts geschehen. Als sei alles völlig normal und ... und ...
Erst einmal raus aus dem Bett und irgendwas überziehen!
Entschlossen schlug sie die Decke wieder zurück und richtete sich auf. Wenn sie schnell war, würde er vielleicht sogar noch schlafen und gar nichts ...
Eine Hand umschloß ihren Unterarm, sanft aber auch kräftig.
Vashtu sah an sich hinunter, drehte sich dann um.
John hatte die Augen einen Spaltweit geöffnet und lächelte.
„Ich ... wir ... das ..." Vashtu schloß den Mund und fühlte sich einfach nur hilflos.
„Komm wieder ins Bett." Seine Stimme hatte etwas von einem zufrieden schnurrenden Kater, fand sie.
„Äh ... soll ich uns nicht ... würdest du bitte ... ich meine ..."
Langsam schob er sich näher und musterte sie amüsiert. „Was soll ich? Ich denke, es gibt nichts, was ich letzte Nacht nicht schon gesehen hätte, oder?" Seine andere Hand strich vorsichtig ihre Wirbelsäule entlang. Ein wohliger Schauer durchrieselte sie.
Vashtu schluckte, sah sich nervös um, doch ihr fiel nichts ein, was sie hätte darauf erwidern können. So jedenfalls war das ganze in ihren Gedanken nie passiert. So hatte sie sich niemals ...
John küßte ihren Arm, richtete sich dann auch auf und umfaßte sie zärtlich von hinten. „Laß die Welt und ihre Sorgen draußen, Vash", wisperte er ihr ins Ohr, küßte ihren Halsansatz. „Komm wieder ins Bett."
Vashtu stöhnte leise auf, als seine Hand ihre Brustwarze streifte. Unwillkürlich hob sie den Kopf in den Nacken und schloß die Augen.
„Oder hat es dir nicht gefallen?" gurrte er ihr zu und knabberte an ihrem Ohrläppchen. Seine Hände schienen plötzlich überall auf ihrem Körper zu sein, und seine Berührungen waren ... elektrisierend.
Vashtu gab ihren Widerstand auf, ließ sich gegen ihn sinken und begann, seine Küsse zu erwidern.

***

John stemmte sich auf einen Ellenbogen und sah auf die Antikerin neben sich hinunter. Sacht legte er ihr einen Finger an die Stirn und begann, mit diesem ihr Gesicht nachzuzeichnen.
Vashtu öffnete die Augen halb und beobachtete ihn.
Er lächelte, ließ seinen Finger über ihr Kinn gleiten. Sie hob den Kopf in den Nacken, so daß er ihre Kehle streicheln konnte. Dann harkte er den Finger in die Kette ihrer Hundemarken und schob die beiden ID-Kärtchen unter ihrem Rücken hervor, um sie aufmerksam zu studieren. Dabei spürte er die ganze Zeit ihren Blick auf sich, einen inzwischen ziemlich zufriedenen Blick, nach dem ersten Schrecken am Morgen.
„Du bist immer noch nicht damit einverstanden", sagte sie plötzlich.
John schüttelte wortlos den Kopf, beugte sich ein wenig vor und ließ seine eigene Kette gegen ihre klimpern.
„Es ging nicht anders, glaube mir", fuhr sie fort.
John ließ die Hundemarken los und richtete seinen Blick wieder auf ihr Gesicht. „Wenn du meinst ..." Seine Hand lag locker auf ihrem Decoleté, knapp unter ihren Schlüsselbeinen. Ihre Haut war weich und noch ein wenig erhitzt von ihrem Liebesspiel.
Vashtu sah ihn wieder an, dann hob sie langsam ihren Arm und fuhr seine Wange entlang. Er hörte, wie seine Bartstoppeln an ihrer Handfläche kratzten. „Soll ich mich rasieren?"
Unwillig schüttelte sie den Kopf. „Das stört mich nicht."
Sie ließ ihre Hand wieder sinken, rollte sich statt dessen auf die Seite und kam in der gleichen Position zu liegen wie er, den Oberkörper auf einen Ellenbogen gestützt. „John, ich ... da ist etwas, was du wissen solltest", sagte sie.
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. „Es gibt nichts, was ich nicht weiß, Vash", korrigierte er sie. „Es ist mir nicht entgangen, daß du ..." Den Rest des Satzes ließ er offen, zwinkerte ihr nur zu. „Ich kann nur hoffen, dir keine allzu großen Schmerzen bereitet zu haben. Ist schon eine Weile her bei mir."
„Schmerzen?" Sie küßte seinen Finger. In ihre Augen trat ein spitzbübisches Glitzern. Nachdenklich schürzte sie die Lippen. „Ich kann mich an gar nichts erinnern."
Er stieg sofort auf ihr Spiel ein und rückte näher. „Tatsächlich nicht?"
Vashtu beugte sich vor und küßte ihn liebevoll. „Tatsächlich nicht."
Blitzschnell zog er sie wieder an sich und rollte sich auf den Rücken. „Dann sollten wir, nur zur Sicherheit, das ganze noch einmal wiederholen. Oder was denkst du?" Ihre Brüste drückten sich gegen seinen Körper, er holte tief Luft, als ihre Hände über seine Seiten abwärts strichen. Ihre Daumen drückten sich in seine Beckenknochen, doch nicht wirklich schmerzhaft.
„Damit ich es nicht vergesse?" wisperte sie in seine Kehle, bedeckte seinen Hals mit kleinen Küssen.
„Ja ..."

***

John schlüpfte in seine Boxershorts, richtete sich dann auf und sah sich um. Stirnrunzelnd bemerkte er die Kerzen in der einen Ecke des Raumes. Vorher war ihm das schlicht entgangen, aber da ... war er auch anderweitig beschäftigt gewesen.
Viel gab es in Vashtus Schlafzimmer nicht zu entdecken. Das Bett stand unter einem Fenster, das in den Innenhof hinausging. Von hieraus hatte man wahrscheinlich einen relativen Blick auf mögliche Besucher. Dann in der Ecke ein breites Sitzkissen und einige Kerzen. Jetzt war es ihm auch, als könne er einen Hauch von Räucherstäbchenduft wahrnehmen. In der Ecke ein wuchtiger Kleiderschrank mit zwei Türen, an einer hing ihre Uniform. Vier Paar Schuhe standen neben dem Glaskasten, einem Terrarium, in dem sein Hemd halb hineinhing. Der Boden war mit einem dicken Teppich bedeckt, in dem seine Zehen zu versinken schienen.
John schürzte nachdenklich die Lippen, erhob sich dann aber und griff nach seinem Hemd.
„Autsch!"
Rasch zog er seine Finger wieder zurück und starrte irritiert auf eine kleine Schildkröte, die sich in seinen Mittelfinger verbissen hatte.
„Was ... ?"
„Was ist los?"
Er blickte leidend auf. „Wo hast du denn die Biester her?"
Vashtu starrte ihn einen Moment lang verblüfft an, dann begann sie zu glucksen und kam näher. Vorsichtig entfernte sie die kleine Schildkröte wieder von seinem Finger und ließ sie zurück in das Terrarium gleiten.
„Offensichtlich wissen sie sehr genau, wer sie zu Suppe verarbeiten wollte." Sie drehte sich wieder zu ihm um und nahm seine Hand. Sanft küßte sie seinen geröteten Finger.
„Hä?" John sah etwas hilflos auf das Terrarium. „Wer wollte die denn ... ?" Seine Augen wurden groß. „Oh!"
Vashtus Gesicht wurde ernst. „Es sind ... es waren Carsons Schildkröten."
Er starrte sie an. Dieses kleine Intermezzo hatte er inzwischen fast vergessen. Umso heftiger arbeitete es jetzt in ihm.
Vashtu sah ihn an, doch diesmal waren keine Tränen mehr in ihren Augen. Sie atmete tief ein, drängte sich dann an ihn. Unwillkürlich umarmte er sie wieder, legte seine Wange an ihr kurzes Haar. Gerade jetzt kam plötzlich alles wieder hoch in ihm. Und er wollte nicht daran denken. Der Tag war zu schön gewesen, einfach nur zu schön. Er wollte das jetzt nicht einfach so beiseite schieben.
„John, ich habe dich so vermißt." Vashtu preßte sich eng an ihn, hatte ihr Gesicht an seiner Brust vergraben.
Die Erinnerung verblaßte zu einem Bild: Carsons sanftes Gesicht, wie es wissend lächelte.
„Ich habe dich auch vermißt, Vash", wisperte er in ihr Haar. Ein trauriges Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.
Ihm war gar nicht klar gewesen, wie sehr er sie vermißt hatte. So hatte er noch nie für irgendjemanden empfunden in seinem Leben. Als er sich im Streit von Vashtu getrennt hatte, war es ihm gewesen, als habe er sich ein Stück aus seinem Körper geschnitten. Ein scharfer Schmerz, heftiger als jeder, den er vorher bei jeder ihrer Trennungen erlebt hatte. Doch in den letzten Wochen hatte er diesen Schmerz vergraben, so tief in seinem Innern, daß er ihn beinahe hätte vergessen können. Wenn nicht ausgerechnet sie durch das Gate gekommen wäre, gerade als sie ...
Sein Magen knurrte.
Vashtu rückte ein bißchen von ihm ab, gerade weit genug, daß sie den Kopf heben konnte. Amüsiert betrachtete sie sein Gesicht. „Hattest du nicht schon genug?"
Er beugte sich über sie und küßte sie sanft. „Laß uns eine Kleinigkeit essen. Dann ..." Seine Lippen küßten ihre Stirn. „Wir haben noch viel Zeit, du und ich."
„Nimmersatt." Lachend löste sie sich von ihm, erntete einen liebevollen Klaps von ihm für dieses Sticheln.
„Wie wäre es mit ein paar Eiern? Die sind schnell gemacht." John trat an ihr vorbei, während sie begann, sein Hemd aus dem Terrarium zu retten, ehe die Schildkröten es für ein saftiges Salatblatt halten konnten. „Und ich müßte irgendwann ins SGC. Lorne wollte mir meine Tasche nachschicken."
Damit war er draußen auf dem Flur.
Auch hier sah er sich aufmerksam um.
Vashtus Apartment gefiel ihm, mußte er zugeben. Vielleicht etwas klein insgesamt, aber für eine Person mehr als genug Platz. Der Flur war ein bißchen eng, was vielleicht auch an dem etwas ausladendem Siteboard lag, daß neben der Schlafzimmertür stand. Eine alte Wandgarderobe barg neben seiner Uniformjacke noch drei andere: eine dünne Windjacke, eine dick gefütterte Winterjacke im sportlichen Schnitt, wie es aussah, und eine lederne Fliegerjacke.
John blieb stehen und musterte die letzte aufmerksam, nahm sie schließlich vom Haken und zog sie sich über. Sie paßte!
„Steht dir."
Er drehte sich zu der Antikerin um, die im Türrahmen lehnte und ihn amüsiert musterte.
„Deine?"
Vashtu nickte. „Ich muß allerdings die Ärmel umkrempeln. Kleiner kriegte ich sie nicht." Sie trat näher, stellte sich vor ihm auf und rückte die Jacke zurecht. „Doch, schick. Jetzt siehst du wirklich wie ein Pilot aus."
„Sagt Han Solo." Wieder umfing er sie, spürte ihre Hände, wie sie sich hinter seinem Rücken unter der Jacke verschränkten. „Wollten wir nicht etwas essen?"
Sie sah zu ihm hoch, dann kuschelte sie sich an seine nackte Brust. „Ich habe genug mit dir hier."
John war nun wirklich überrascht.
Gut, es war ihm nicht entgangen, daß sie nicht gerade viel Erfahrung besaß, am Anfang war sie viel zu passiv gewesen. Aber das jetzt ... ?
Er räusperte sich vernehmlich und machte sich wieder von ihr los. „Falls du sie irgendwann nicht mehr brauchst, weißt du, wem du sie vererben kannst." Damit schlüpfte er wieder aus der Jacke und hängte sie zurück an den Haken.
„Wie wäre es mit Pizza?" schlug Vashtu vor. „Dann könnten wir uns noch ein bißchen die Zeit vertreiben?"
„Wer ist hier der Nimmersatt?" Einen Moment überdachte er doch tatsächlich ihren Vorschlag. Doch irgendwie hatte er das sichere Gefühl, der arme Pizzabote würde vor einer sehr verschlossenen Tür stehen, wenn sie jetzt nicht irgendwann eine Pause einlegten. Außerdem, das mußte er zugeben, wollte er ihr etwas gutes tun. Und was gab es schon besseres als ein gutes Rührei, nach Möglichkeit mit Speck, zum Früh... okay, zum Abendessen, wenn er die Tageszeit bedachte?
Vashtu sah ihn erwartungsvoll an. Dann verzog sich ihr Gesicht ein bißchen. „Bin gleich wieder da", sagte sie, verschwand hinter der zweiten Tür.
John seufzte, doch er lächelte dabei.
Nie hätte er sich vorstellen können, was heute geschehen war. So weit waren seine Gedanken mit Vashtu wirklich nie gekommen. Gut, nach ihrem Aufenthalt in der Krankenstation hatte er eine gewisse Sehnsucht verspürt, hatte ihr nahe sein wollen. Vielleicht auch, weil er endlich zu seinen Gefühlen gestanden hatte. Aber dann war mit ihrer Entscheidung etwas in ihm ... Er hatte sich an seine eigene Entscheidung erinnert, damals, vor unendlich langer Zeit. Als Fehler hatte er seinen Eintritt in das Militär bis zu dem Zeitpunkt nie verstanden, als er Vashtus Brief erhielt. Danach war ihm allerdings der ein eine oder andere Gedanke gekommen, mußte er zugeben. Ihr gegenüber hatte er seinen Kopf durchsetzen wollen, obwohl er sehr genau wußte, daß sie selbst lernen mußte.
Er betrat wieder den Wohnraum, sah sich um. Auf dem Sofa lag noch ihre Jogginghose. Die Decke, unter der er gelegen hatte, war zerknüllt und halb auf den Boden geworfen. Der Fernseher lief immer noch.
Aufmerksam sah er sich um, betrachtete die Einbauküche hinter dem Tresen und nickte nachdenklich. Doch, so ähnlich könnte auch seine Wohnung aussehen, wenn er denn eine hätte. Der Stil gefiel ihm, wie Vashtu alles eingerichtet hatte. Man merkte deutlich, daß sie sich Zeit mit ihren Entscheidungen gelassen hatte, immerhin sollten die Möbel auch eine Weile halten.
John runzelte die Stirn.
Von seinen zehn waren noch neun Tage übrig. Viel zu kurz, wie es ihm im Moment erschien. Und niemand würde zulassen, daß sie mit ihm nach Atlantis kam, zumindest nicht für immer. Und er auf der Erde? Ehrlich gesagt, behagte ihm dieser Gedanke gar nicht mehr.
Er trat um den Tresen herum und öffnete den Kühlschrank.
Seine Augen wurden groß, als er in eine gähnende Leere blickte, nur unterbrochen von drei Dingen: eine große Sektflasche, einem Karton Eier und etwas, das entfernt an eine vollkommen durchweichte und inzwischen mit Schimmel überzogene Schachtel von einem asiatischen Imbiß erinnerte.
Mit spitzen Fingern fischte er letzteres aus dem Fach und suchte nach einem Mülleimer. Das Zeug da drin lebte ja wieder!
Unter der Spüle fand er endlich das gesuchte und entsorgte die Schachtel sofort mit einem angeekeltem Gesichtsausdruck.
Gut, zumindest Eier.
Er nahm die Schachtel heraus. Sein Blick blieb an dem Haltbarkeitsdatum hängen. Stirnrunzelnd sah er auf den großen Wandkalendar, den Vashtu an die Tür zum Wohnraum geheftet hatte, dann wieder auf das aufgedruckte Datum.
Viel Zeit schien sie in ihrer Wohnung wirklich nicht zu verbringen. Die Eier waren seit fünf Monaten abgelaufen. Ihn würde es nicht wundern, wenn inzwischen Küken geschlüpft wären.
John stellte die Schachtel auf die Arbeitsfläche neben dem Kühlschrank und betrachtete sinnend die vollkommene Leere. Irgendwie erinnerte ihn diese an etwas, besser an jemanden - an sich selbst.
Eilig schloß er die Kühlschranktür wieder.
Es konnte doch nicht sein, daß Vashtu nicht irgendetwas eßbares in ihrer Wohnung hatte. Der Reihe nach öffnete er eine Schranktür nach der anderen. Hier fielen ihm zusammengepappte Cornflakes in die Hände, dort ein Päckchen Pasta, über die sich schon die Motten hergemacht hatten.
Das gab es doch gar nicht! Wovon ernährte die Antikerin sich eigentlich?
„Und?"
Im nächsten Schrank fand er nichts als Teebeutel und einer Dose Instant-Kaffee. Resignierend drehte er sich zu ihr um. „Bist du sicher, daß du hier wohnst?" fragte er.
Vashtu hatte sich über den Tresen gebeugt, das Kinn auf ihre Unterarme gestützt, und blinzelte ihn verständnislos an. „Da sind doch noch Eier." Sie nickte zu dem Pappkarton hinüber.
John seufzte. „Die sind seit Monaten abgelaufen. Selbst mit einem Pferdemagen würde ich die nicht mehr runterbringen."
„Oh!" Vashtu richtete sich stirnrunzelnd wieder auf. „Ich dachte, ich hätte noch was im Schrank. Mh, kann sein. In der letzten Zeit bin ich nicht sehr viel zu Hause gewesen."
„Das merkt man", kommentierte John seufzend, ließ erst die Eier, dann die Cornflakes und die verseuchte Pasta im Mülleimer verschwinden.
„Pizza?"
„Oder wir gehen einkaufen."
Vashtu seufzte. „Ich bin wohl keine besonders gute Hausfrau, was?"
John beugte sich über den Tresen und sah ihr tief in die Augen. „Pizza", entschied er.

***

Vashtu war gerade im Schlafzimmer verschwunden, als es an der Tür klopfte.
„John, kannst du eben aufmachen?" rief sie ihm zu.
Er grinste und knöpfte sein Hemd zumindest ansatzweise zu. Dann schnappte er sich ihre Geldbörse vom Siteboard im Flur und drehte den Schlüssel um. Als aber die Tür aufschwang, erwartete ihn nicht der diensteifrige Pizzabote, sondern eine hochgewachsene, hagere Gestalt, die ihn mit großen Augen anstarrte.
John hob ein wenig den Kopf, um dem anderen in die Augen sehen zu können.
War das nicht ... ?
Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Doktor, was führt Sie denn her?" Der Name fiel ihm nicht ein, aber er erkannte ihn wieder. Das war einer der beiden Wissenschaftler aus SG-27, besser gesagt der, in den Vashtu gelaufen war, als sie gerade ...
„Lt. Colonel!" Der magere Riese riß die Augen noch mehr auf. Seine Kiefer klappten hörbar aufeinander. „Ich ... ich ..."
John nickte. „Guten Abend. Kann ich Ihnen helfen?" Plötzlich war er sich seiner relativen Blösse bewußt, er hatte noch immer keine Hosen an.
Der andere starrte ihn nur weiter groß an, schluckte dann sichtbar.
Hinter John öffnete sich die Schlafzimmertür.
„Das ... ist für Sie abgegeben ... durch das Gate ... Sergeant Dorn meinte ..."
„Wallace?"
John blickte auf eine schwarze Sporttasche, die sein Gegenüber ihm plötzlich wie einen Schutzschild entgegenstreckte. „Meine Tasche!" Er griff danach. Und in diesem Moment ließ der junge Wissenschaftler die Griffe los.
„Was tun Sie denn hier?"
Ein deutliches und durchdringendes Klirren, als die Tasche auf dem Boden aufschlug. John starrte auf seine Füße hinunter, hob dann entgeistert den Kopf wieder.
Wallace lief puterrot an. „Ich muß weg!"
„Was ... ?"
Ein durchdringender Geruch breitete sich im Flur aus.
„Oh nein!"
„Wallace?" Vashtu drängte sich halb an ihm vorbei, begann dann zu schnuppern und rümpfte die Nase. „Was ist das denn?"
Von der Außentreppe kam ein deutliches Poltern, dann ein Schmerzenslaut.
John und Vashtu wechselten einen vielsagenden Blick, dann trat die Antikerin auf den Außengang hinaus und joggte zur Treppe, um im Dämmerlicht nach unten zu sehen.
„Geht es Ihnen gut?" rief sie.
John starrte seine Tasche an. Undeutlich konnte er eine Pfütze wahrnehmen, die sich langsam über den Fließen ausbreitete. Und diese Pfütze stank penetrant nach Alkohol und Parfumstoffen.
Er seufzte und packte die Griffe. Angewidert rümpfte er die Nase. Daß After Shave so stinken konnte!
Vashtu kam wieder zurück, wedelte sich mit einer Hand Luft zu. „Was riecht hier so?" fragte sie angewidert.
John seufzte und schüttelte seine Tasche. Ein leises, aber deutliches Klirren war die Antwort auf seine Bemühungen. „Ich würde sagen, dein Wallace hat gerade meine letzte After Shave-Flasche zerbrochen."
„Oh." Vashtu schnupperte noch einmal. „An dir riecht es aber besser als so."
„Da hast du auch nicht die geballte Ladung in der Nase." John hielt die Tasche weit von sich und trug sie in den Flur hinein. Etwas hilflos sah er sich um. „Irgendwo ..."
„Ins Bad. Anderswo werden wir das wohl nicht aushalten können", erklärte die Antikerin, die jetzt die Tür wieder schloß.
John öffnete die zweite Tür im Flur und fand sich in einem geräumigen Bad wieder. Auch hier war ein Fenster, wenn auch deutlich kleiner und aus Milchglas. Zwei Maschinen standen in einer Ecke übereinander. Das Waschbecken war in einem dezenten Farbton gehalten, der die der Wände aufnahm. Eine große Eckbadewanne und eine geräumige Duschkabine vervollständigten die Einrichtung, neben einem hübschen, geflochtenen Wäschekorb, auf dem er jetzt seine Reisetasche abstellte und öffnete, um sich die Bescherung genauer anzusehen.
Unwillkürlich wich er von der geballten Duftwolke zurück, seufzte dann und begann, seine Sachen, eines nach dem anderen, aus der Tasche zu räumen.
Vashtu öffnete das Fenster, um etwas frische Luft hereinzulassen.
„Das muß man deinem Wallace lassen, wenn er etwas anrichtet, dann richtig." John starrte auf den Berg seiner Sachen, dann auf die leere Tasche, in der noch die Scherben der After Shave-Flasche lagen. „Sieht aus, als hätte ich keine Kleidung mehr, abgesehen von meiner Uniform." Er seufzte ergeben.
„Ich sagte doch, Wallace hat zwei linke Hände und Füße." Vashtu betrachtete das Debakel ebenfalls, sah dann auf. „Ab in die Waschmaschine mit den Sachen, dann in den Trockner. Morgen früh dürfte sich dieser Duftangriff erledigt haben."
John sah ihr belustigt in die Augen. „Immer eine Lösung parat, wie?"
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Wenn du seit knapp einem halben Jahr mit Wallace zusammenarbeiten würdest, würdest du auch improvieren, glaube mir." Sie hockte sich hin und begann, die Wäsche zu sortieren.

***

Früh am nächsten Morgen wachte John auf. Noch herrschte ein blaßes Zwielicht um ihn her. Vashtu schien in diesem Dämmer geradezu zu leuchten.
Sein Arm kribbelte unangenehm von der Art, wie er auf ihm lag. Doch er wagte auch nicht, sich zu bewegen, den sie lag dicht neben ihm, den Kopf ebenfalls auf seinem ausgestrecktem Arm.
John lächelte und beschloß, sie sich wirklich genau anzusehen.
Diese Frau hatte ihn von Anfang an wahnsinnig gemacht. Sei es, wie alle vermuteten, daß es an ihrer Rasse lag, sei es irgendetwas anderes. Es hatte lange gedauert, bis er sich selbst seine Gefühle für sie eingestand, dafür ... Jetzt war es umso schöner.
Dabei mußte er auch zugeben, seine Gefühle hatten sich mehrmals geändert. Aus dieser absoluten Faszination, die er zu Anfang empfunden hatte, war damals, noch während ihres Aufenthaltes in Atlantis, etwas tieferes gewachsen, das an sich gesehen aber noch recht schwach war. Dennoch hatte es ausgereicht, ihr mitten in das Hive-Schiff nachzujagen, mit einer Wut im Bauch, die ihn beinahe das Leben gekostet hatte. Sie dann zu sehen, mit aktivierten Fremdzellen, wie sie ihm hinterher gebeichtet hatte, so tief in diesen fremden Genen, daß ihr Körper zu mutieren begann ... es hatte ihm nicht wirklich etwas ausgemacht.
War es damals bereits Liebe gewesen?
John wußte es nicht wirklich.
Vashtu bewegte sich leicht im Schlaf, kuschelte sich näher an ihn heran, so daß er nun doch endlich seinen Arm bewegen konnte. Er verzog ein wenig das Gesicht. Seine Finger kribbelten, als er sie bewegte, vorsichtig über ihren Rücken streichen ließ. Vashtu gab einen leisen, zufriedenen Laut von sich, kuschelte sich an seine Schulter. Mit der freien Hand zog er, so gut es ging, die Decke etwas höher.
Als sie fortging damals hatte er geglaubt, sein Herz müsse zerreißen, doch danach ... Sie war ihm die erste Zeit immer im Kopf herumgespukt, doch dann ließ das allmählich nach. Seine Briefe wurden kameradschaftlicher. Er wußte, wie sehr sie ihre Heimat liebte, also schrieb er ihr mehr vom Alltag, weniger von dem, was man vielleicht als seine Empfindungen bezeichnen konnte - obgleich er sich damals noch lange nicht eingestanden hatte, was er tatsächlich für sie empfand.
Doch dann ... Sie als Geisel seines ärgsten Feindes zu sehen, hilflos mitansehen zu müssen, wie sie schwächer und schwächer wurde, vergiftet durch eine teuflische Impfung, wie die fremden Gene in ihr versagten ... und sie schließlich besinnungslos zu finden, kaum mehr als einen noch gerade lebenden Leichnam, vertrocknet und überaltet - Er hatte sich nicht abgewandt damals, er war nicht einmal versucht gewesen, es zu tun. Für ihn war klar, wen er da vor sich hatte, auch wenn sie kaum noch zu erkennen war in diesem Moment. Zehntausend Jahre alt, wenn man ihn gefragt hätte, er hätte sie höchstens auf die Hälfte geschätzt, so unschön sich das auch anhörte.
Er war bei ihr niedergekniet, als sie wieder zu sich gekommen war. Er hatte den Haß auf Kolya in ihren Augen brennen sehen, er hatte das Funkgerät gehalten, als sie dem Genii seinen Tod vorhersagte. Und er hatte gewußt, wenn er nicht schneller war, würde sie ihm diesen Part abnehmen - und sie hätte Kolya wesentlich langsamer getötet als er.
Damals hatten seine Gefühle sich wieder gewandelt, zu dem, was er auch heute noch empfand. Und er hatte nicht lange gebraucht, um diese Gefühle zu benennen. Eine tiefe, dankbare Liebe, daß es da noch jemanden gab, jemanden, der war wie er. Jemanden, dem er absolut und aufrichtig vertrauen konnte. Jemanden, von dem er jetzt wußte, daß er ihn sein ganzes Leben lang gesucht und vor ihr nie gefunden hatte.
Wenn er sich nur vorstellte, sie durch irgendetwas für immer zu verlieren ... Nein! Das konnte und wollte er nicht! Wenn es nach ihm gegangen wäre, sie beide hätten sich für den Rest ihres Leben hier einschließen können, fern von der Welt, fern von allen Welten. Und wenn er sich vorstellte, sie in Zukunft wenigstens eine Woche lang im Monat bei sich zu haben ...
Sacht streichelte er ihre Wange und betrachtete sie zärtlich.
Auch wenn sie nicht viel Erfahrung gehabt hatte, und ihm das recht bald aufgefallen war bei ihrem ersten Mal, sie lernte schnell. Noch immer war es, als könnten sie gegenseitig ihre Gedanken lesen, als wüßte der eine sehr genau, was der andere mochte. Wenn er sich nur an ihr Intermezzo mit der Pizza erinnerte.
Ein Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht.
Eine Woche im Monat, wenn einer von ihnen Urlaub hatte, vielleicht ein bißchen mehr. Es war nicht der Rest ihrer beider Leben, wobei er nicht einmal sicher war, wie lange Vashtu überhaupt leben konnte, aber es war, zumindest zunächst, ausreichend.
Er kannte die Bedenken, die andere ihnen gegenüber hegten. Sie waren sich zu ähnlich, beide etwas chaotisch, beide Dickköpfe, beide wollten sie gern einmal mit dem Kopf durch die Wand. Aber es gab auch Unterschiede zwischen ihnen. Vielleicht waren sie tatsächlich in den eineinhalb Jahren entstanden, in denen sie voneinander getrennt gewesen waren, vielleicht hatte es sie aber auch schon immer gegeben. Er hatte Vashtus Büro im SGC gesehen, nun, seines sah ein wenig anders aus, mußte er zugeben.
„Zwei von meinem Schlag ..." wisperte er leise, sich an Elizabeth Weirs Worte erinnernd, damals, kurz bevor die Antikerin zur Erde gegangen war.
Das waren sie wirklich, hatte er sich inzwischen selbst eingestehen müssen. Sie beide waren sich ziemlich ähnlich, aber eben nicht in allem. Und diese kleinen Unterschiede würden eine Beziehung vielleicht auch gerade ermöglichen, wer konnte das schon sagen?
„Was?" Vashtu blinzelte, hob die Brauen, als könne sie auf diese Art auch ihre Lider besser heben, und sah ihn verschlafen an.
John lächelte wieder. „Guten Morgen, Schlafmütze", wisperte er ihr zärtlich zu.
Vashtu kuschelte sich mit einem schnurrenden Laut enger an ihn. „Guten Morgen", antwortete sie, sah dann wieder auf. In ihren Augen begann wieder ein gewisses Licht zu funkeln. Ihre Hände strichen über seinen Körper, ihre Linke umschlang ihn dann.
John küßte sie auf die Stirn. „Gut geschlafen?"
Sie nickte, reckte sich ihm entgegen und zog ihn in einen leidenschaftlichen Kuß.
Ein Schauer durchrieselte seinen Körper, als ihre Rechte über seine Lenden strich. „Du bist unersättlich, Vash!" stöhnte er auf und reckte den Kopf in den Nacken.
„Ich liebe dich, John."
John schloß zufrieden die Augen und drückte sie noch enger an seinen Körper. Mit ihr in seinen Armen fühlte er sich wie ein vollständiges Wesen, so, wie es eigentlich sein sollte, nicht, wie es wirklich war.

***

Einige Stunden später blinzelte Vashtu in das dämmrige Licht, das durch die Rolläden in ihr Schlafzimmer fiel. Noch immer an John gekuschelt, war sie wohl erneut eingeschlafen - und ihm schien es nicht anders gegangen zu sein.
Sie schmiegte sich an ihn und schloß die Augen, doch einzuschlafen wollte ihr nicht mehr gelingen. Und, wenn sie ehrlich war, hatte sie ein bißchen Hunger.
Vorsichtig stupste sie ihn mit dem Kopf an, um zu sehen, ob er inzwischen auch wach war.
„Mh?" machte er leise, lockerte seine Umarmung ein wenig.
Vashtu hob den Kopf und blinzelte ihn an. „Bist du auch wach?"
„Mhm." Er nickte mit geschlossenen Augen, blinzelte dann plötzlich. Ein zärtliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Und du?"
Sie küßte seine Nasenspitze und streckte sich in seinen Armen. „Ich habe Hunger. Du auch?"
Er nickte, drückte sie kurz an sich. „Ziemlich. Du hast mir ja fast die ganze Pizza weggegessen, du Vielfraß."
„Ich muß ja auch für Drei essen", kicherte sie, ließ sich wieder von ihm küssen, machte sich dann aber entschlossen los und setzte sich auf. Seine Hand lag locker auf ihrem Schoß, doch diesmal machte er keine Anstalten, sie wieder auf die Matratze zurückzuziehen.
„Wie wär's mit Frühstück?" schlug sie vor.
Er zog seine Hand zurück. „Gibt es auch irgendein Antikergerät, das für einen vollen Kühlschrank sorgen kann?" fragte er, vergrub sein Gesicht im Kissen und stöhnte. Dann richtete er sich auf, rieb sich mit einer Hand das Haar.
„Ja, die gab es. Aber zum Glück habe ich soetwas nicht hier." Grinsend sah sie ihn von der Seite an. „Wir könnten um die Ecke in den Coffee-Shop gehen. Die haben klasse Bagels."
„Dann sollten wir uns vielleicht erst einmal ... mh, fein machen?" Er schnupperte an sich. „Ich mag ja deinen Duft, aber ich weiß nicht, ob wir für andere so verführerisch riechen."
Vashtu hob eine Hand und zerzauste sein Haar. „Du hast recht." Sie schwang sich unternehmungslustig aus dem Bett. „Wer als erster unter der Dusche ist ..." Damit war sie auch schon aus dem Schlafzimmer heraus.
John sank stöhnend wieder ins Bett zurück. Doch als er das Wasser laufen hörte, öffnete er ein Auge. Ein verschmitztes Lächeln glitt auf sein Gesicht und er stand nun doch auf und verließ eiligen Schritts das Schlafzimmer.

***

Gut eine Stunde später betraten die Antikerin und der Lt. Colonel den Coffee-Shop, in dem Vashtu des öfteren frühstückte. Der große Andrang war bereits vorbei, so daß sie sich einen ruhigen Platz suchen konnten. Kurz nach ihnen kamen auch zwei Männer in Zivil mit kurzem Haar in den Laden, setzten sich an einen Tisch nahe der Tür.
John musterte die beiden stirnrunzelnd, seufzte dann. Über den Tisch griff er nach Vashtus Hand und drückte sie zärtlich. „Du bist einfach unglaublich", wisperte er ihr zärtlich zu.
Sie lächelte, drehte sich einmal kurz um. „Wenn du dich fragst, ich habe ihnen gesagt, sie sollen relativ offen auftreten."
„Warum das?" Er hob die Brauen. Ihm war es tatsächlich entfallen, daß Vashtu unter Bewachung stand. Umso mehr wurde er jetzt daran erinnert.
Sie drehte sich wieder zu ihm um und zuckte mit den Schultern. „Als ich meine Wohnung bezog, hatte Landry schon einmal diese Anweisung gegeben, mir aber nichts davon gesagt", erklärte sie. „Also verschwand ich und hängte meine Bewacher ab. Als Storm sich wieder durchsetzte, sagte ich ihm, er solle seine Leute so instruieren, daß ich sie wahrnehmen könne als das, was sie sind. Der Trust ..." Sie schloß den Mund, als die Kellnerin an den Tisch trat und gab ihre Bestellung auf.
Die Bedienung warf John einige bewundernde Blicke zu und lächelte, doch er schien das gar nicht zu bemerken. Im Gegenteil war er sogar etwas unangenehm berührt.
Vashtu seufzte. Wieder einmal ihre Schuld. Sie hatte seine Sachen zwar in die Waschmaschine gesteckt, aber nicht in den Trockner. Nach ihrer gemeinsamen Dusche hatten sie den Fehler erst bemerkt. Jetzt war seine Wäsche mit trocknen beschäftigt, und sie zweifelte immer mehr an ihren hausfraulichen Qualitäten. Auf jeden Fall aber war John gezwungen gewesen, wieder seine Uniform anzuziehen, es sei denn, er hätte sich durch ihren Schrank gewühlt. Und da sie bezweifelte, daß ihm mehr als die Pilotenjacke passen würde ...
Aber sie würde ihm schon noch beweisen, daß sie nicht ganz die Niete war, für die er sie halten mußte. Irgendetwas würde ihr noch einfallen, daß ihn von ihren Vorzügen überzeugen konnte, und auch, daß diese sich nicht nur auf ihre Leidenschaft und ihre Kampfqualitäten bezogen.
John sah sie wieder an, ein leises Lächeln auf den Lippen. „So wie du jetzt bist, gefällst du mir am besten", sagte er unvermittelt.
Vashtu blinzelte einen Moment lang irritiert, bis ihr aufging, was er meinte. Lächelnd beugte sie sich vor. „Und du mir auch, John", erwiderte sie.
Er räusperte sich und verbarg ein Grinsen hinter seiner freien Hand. „Soll das heißen, du hast meine Klamotten mit Absicht vergessen?"
„Wir waren beschäftigt", entgegnete sie zärtlich, beugte sich vor.
Ein scheeler Blick. „Du warst beschäftigt. Du hast mir die Pizza weggegessen."
„Du hattest keinen Hunger mehr, sagtest du."
„Wer hat denn auf mir gesessen?"
„Du hättest mich ja runterwerfen können."
„Und du hättest mich füttern können."
„Wie käme ich denn dazu, Lt. Colonel?"
„Anweisung eines vorgesetzten Offiziers. Du hast zum dritten Mal meinen Befehl verweigert. Ich werde mir da wohl eine empfindliche Strafe für dich einfallen lassen müssen, Major."
Während ihres Geplänkels beugten beide sich langsam über den Tisch, sahen sich tief in die Augen. Jetzt berührten sich fast ihre Nasenspitzen, ihre Blicke waren so ineinander verschlungen, daß sie sich nicht mehr voneinander lösen konnten.
„Du bist außer Dienst. Ich brauche keine Anweisungen von dir entgegenzunehmen."
„Wirklich nicht?"
„Wirklich nicht."
„Das werden wir noch sehen."
„Klar, wenn du meinst."
Vashtu stahl sich wieder einen Kuß von ihm, lehnte sich dann befriedigt zurück. Sie fühlte sich so herrlich entspannt, vor allem jetzt. Es war wie in einem Traum, den sie nie zu träumen gewagt hatte. Nie hätte sie geglaubt, so für jemanden empfinden zu können, nie!
Wenn sie an den Beginn dachte, daran, wie sie ihn hatte einfangen wollen ... In Wirklichkeit hatte er sie eingefangen, von Anfang an bereits. Schon bevor sie ihn gesehen hatte, hatte er sie fasziniert. Jemand, der ihr ähnlich war, der so dachte wie sie. Sie hatte es damals nicht begriffen, doch inzwischen war ihr einiges klar geworden.
Sie hatte es darauf angelegt, daß es so kommen mußte. Inzwischen wußte sie auch warum. Nicht sie hatte die Schlinge ausgelegt, nicht sie hatte das erste, schwache Band zwischen ihnen beiden geknüpft. Sein Auftauchen in Atlantis war es gewesen. Er hatte allein durch seine Anwesenheit für ihr Erwachen gesorgt, und damit dafür, daß geschah, was hatte geschehen müssen.
Sie kannte den Schuldigen an dem, was ihr passiert war. Sie glaubte zu ahnen, was er geplant hatte. Janus! Ihr alter Freund, der ihr vor zehntausend Jahren soviel geholfen hatte. Irgendwie hatte er sehr genau gewußt, was sie in der heutigen Zeit vorfinden würde, und irgendwie war es ihm gelungen, ihr den einzigen Menschen vorzusetzen, mit dem eine Bindung wirklich Sinn machte - zumindest in seinen Augen.
„Der Trust ... was wollen sie von dir?" John war ernst geworden.
Vashtu blinzelte, aus ihren Gedanken gerissen, und sah ihn wieder an. „Ich habe dir doch schon gesagt, was ich vermute. Woher soll ich wissen, was sie wirklich wollen. Aber ..." Sie schloß den Mund und runzelte die Stirn.
„Was ist?" John beugte sich wieder vor. Sein Daumen streichelte wieder zärtlich ihren Handspann.
Vashtu runzelte die Stirn, sah sich dann kurz um, um sicher zu gehen, daß ihr Frühstück noch nicht kam. „Kann es sein, daß es unterschiedliche Fraktionen innerhalb dieser Organisation gibt?"
Hilflos hob er die Brauen. „Woher soll ich das wissen? Ich hatte noch keinen Kontakt zum Trust, einmal abgesehen von Caldwell."
Vashtu nagte an ihrer Unterlippe, starrte vor sich hin. Gerade als sie zu sprechen beginnen wollte, kam das Frühstück.
John nippte an seinem Kaffee, ließ das Essen aber unberührt und wartete, bis die Bedienung wieder gegangen war. „Du hast einen Verdacht?"
Sie nickte stirnrunzelnd. „Während dieses Überfalls ..." Sie schloß den Mund, blickte dann wieder auf und sah ihm in die Augen. „Vor einigen Monaten wurde ich entführt und in ein leerstehendes Bürogebäude am Rande der Stadt gebracht. Die Flucht war einfach, beinahe zu einfach", berichtete sie.
„Sie waren nicht auf dich vorbereitet", kommentierte John, biß in seinen Bagel, ließ ihn dann wieder auf den Teller zurücksinken, als sie den Kopf schüttelte. „Was meinst du?"
„Sie sind über mich sehr genau informiert, John", entgegnete sie. „Während des fingierten Banküberfalls gab der Anführer einem seiner Männer in meinem Beisein die Anweisung, auf mich zu schießen, sollte ich mich wehren. Er sagte, Wunden würden schnell bei mir heilen."
John sog scharf die Luft ein. „Was?"
Vashtu nickte. „Und zu mir sagte er, sie wären andere als die, die mich das letzte Mal entführt hätten", fuhr sie fort.
John beugte sich vor. „Hast du das irgendjemandem gesagt?" zischte er.
Sie zögerte, schüttelte dann den Kopf.
„Du solltest es tun. Vash, da geht etwas vor, was vielleicht gefährlich für dich werden könnte."
Ein bitteres Lächeln glitt auf ihr Gesicht. „Es ist ohnehin gefährlich für mich hier, John", entgegnete sie.
Er stutzte. „Ich dachte ..."
Vashtu schüttelte den Kopf. „Rate, warum ich mich auf diesen Handel eingelassen habe. Es ist die einzige Möglichkeit für mich, zumindest ein paar Tage hier herauszukommen, John."
„Ich verstehe nicht."
Sie nickte. „Das weiß ich." Sie lehnte sich seufzend zurück und entzog ihm ihre Hand, um die Arme vor der Brust zu kreuzen. „Ich ... SG-27 arbeitet inzwischen mit SG-1 zusammen", begann sie schließlich zu erklären. „SG-1 hat die meisten Informationen über die Ori und ... SG-27 den besten Draht zur Lucian Alliance."
John starrte sie groß an, sagte aber nichts.
„Landry hat mir vor einigen Monaten, kurz vor der Sache mit ..., er hat mich eingeweiht. Ich weiß, was ... die Ori hier wollen." Sie sah auf und starrte ihn durchdringend an. „Sie kommen, um die Antiker zu töten, John. Und ich bin eine Antikerin. Das ist auch der Grund, warum mein Team bisher immer Lichtjahre entfernt vom nächsten Auftreten der Ori oder ihrer Priore eingesetzt wurde. Beide würden mich erkennen und sofort die Jagd eröffnen."
„Aber ..."
„Ori und Priore können Antiker wahrnehmen, vielleicht sogar besser als die Wraith, das weiß ich nicht." Vashtu schüttelte den Kopf. „Aber ... Die Ori und die Antiker gehören sehr wahrscheinlich zur selben Rasse, soweit wir wissen. Irgendwann trennte mein Volk sich von ihnen und zog aus, um neue Welten zu schaffen. Was blieb, war offenbar ein brennender Haß von seiten der Ori. Und jetzt ... Sie haben einen Antiker bereits fast getötet, John. Er kehrte zurück und verlor ... alles."
„Dann bist du ... ?"
„Wenn die anderen sich nicht einmischen, und das werden sie nicht tun, wird es hier zu einem Massaker kommen", erklärte sie mit leiser Stimme. „Mein Volk hat mir übel mitgespielt, das weiß ich und das weißt auch du. Sie haben mich mehr als einmal auflaufen lassen, sie haben mich benutzt, mich weggesperrt und ... egal! Aber ich fühle mich deiner Rasse verpflichtet, John. Ich werde tun, was ich kann, um die Milchstraße zu retten. Aber nicht auf diesem verdammten Stuhl!"
Sein Gesicht war blaß geworden bei diesen Worten. Jetzt atmete er wieder tief ein, beugte sich vor. „Dann komm zurück nach Atlantis", sagte er leise aber bestimmt. „Irgendwie werden wir das schon schaffen. Du hast McKay auf deine Seite gebracht. Ich könnte ..."
Vashtu schüttelte den Kopf. „Nein, John, das werde ich nicht tun, es sei denn, mein Team kommt mit. Ich habe Verpflichtungen hier."
„Du wirst dich umbringen, Vash", entgegnete er.
„Sind wir schon wieder an diesem Punkt?" Sie sah ihn flehend an. „John, versuch doch wenigstens, mich zu verstehen. Ich habe mein Wort gegeben."
„Das hast du Elizabeth auch gegeben. Du wolltest ein Ladegerät suchen, schon vergessen?"
„Nein, das habe ich nicht vergessen. Auf jeden Planeten, auf den ich geschickt werde, scanne ich die Daten in der Hoffnung, irgendwann etwas zu finden."
„Ich würde es nicht ertragen, wenn du ..."
„Ich bin nicht so leicht zu töten, John." Sie starrte ihn intensiv an und schüttelte bestimmt den Kopf.
„Kolya hätte es fast geschafft."
„Das war etwas anderes." Sie senkte den Blick und erschauderte. „Außerdem bin ich jetzt gegen eine weitere Impfung immun. Carson hat das sicher gestellt."
„Aber ..."
„Ich werde nicht verschwinden, John. Und ich gebe dir mein Wort, ich werde auch nicht sterben, das schwöre ich dir. Und wenn ich sonst alles verliere, ich werde nicht sterben!"
Er sah sie an. „Wie kannst du das wissen?"
„Ich weiß es nicht, ich kann dir nicht einmal sagen, was ich denke oder fühle. Aber ... sollte irgendetwas geschehen, glaube es nicht." Ihr Blick wurde mit einem Mal intensiv, so intensiv, wie er es bisher nur einmal gesehen hatte. Und da saß sie gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl und war dabei, elendig zu krepieren. „Was auch immer geschehen mag, John, glaube es nicht, bis irgendetwas in dir es dir bestätigt."
Er runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, was du meinst?"
Sie beugte sich vor, noch immer diesen Blick auf ihn gerichtet. „Du bist meinem Volk ähnlicher, als du denkst, John. Das habe ich dir schon einmal gesagt."
Er nickte, er erinnerte sich daran. Wie er sich an alles erinnerte, was sie anging. Jedes Detail, jedes Wort, was sie je gesagt hatte, jede Geste und jede Grimasse, die sie je gezogen hatte.
„Was wir beide als Liebe bezeichnen, geht darüber hinaus, was ihr Menschen kennt", fuhr sie fort. „Wir beide spüren einander, über Galaxien hinweg. Ich wußte nicht, was mit dir geschehen war, aber ich spürte, daß da etwas geschehen war in der Pegasus-Galaxie. Erst als du es mir erzählt hast, wußte ich dieses Gefühl einzuordnen."
„Du meinst ... ?"
Wieder nickte sie. „Ich denke, du kannst das auch. Irgendeine kleine Stimme in deinem Inneren wird dir immer die Wahrheit sagen, John. Und nur auf diese Stimme mußt du hören. Vielleicht kannst du dann auf irgendeine Weise helfen, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, du wirst die Wahrheit tief in deinem Inneren erkennen. Wenn ich dich brauche, werde ich versuchen, es dich irgendwie wissen zu lassen."
Er hob die Hand. „Moment, nicht so schnell. Redest du jetzt etwa von ... Telepathie? Ich bin nicht telepatisch begabt, ich habe gar keine Kräfte."
„Nein, es ist keine Telepathie, John, es ist etwas anderes." Vashtu biß sich auf die Lippen. „Es ist ein Band, das zwischen uns beiden geknüpft worden ist. Du bezeichnest es als Liebe, aber es ist mehr, verstehst du?"
„Nicht wirklich, fürchte ich." Er sandte ihr einen hilflosen Blick und zuckte mit den Schultern.
Vashtu seufzte. „Und ich kann es dir nicht besser erklären ..." Sie senkte den Kopf, nippte an ihrem Tee, dann blickte sie wieder auf. „Vor ... drei Monaten, nicht lange vor der ... anderen Sache. Hast du da etwas wahrgenommen. Nur kurz, sehr kurz. Irgendeine Unruhe, irgendetwas?"
John runzelte die Stirn und dachte nach. Dann zuckte er plötzlich zusammen. „Ich hatte einen Alptraum. Ich habe geträumt, du wärst ... du wärst gestorben."
Sie nickte befriedigt. „Du kannst es auch, ich wußte es!"
„Hä?"
„Ich war tot, John, für einige Minuten war ich tot vor drei Monaten", erklärte sie, ihr triumphierendes Lächeln erlosch wieder und sie hielt den Kopf gesenkt.
„Du warst tot? Aber ..." Wieder griff er über den Tisch und drückte ihre Hand. „Du bist hier! Vash!"
„Einer meines Volkes benutzte mich für seinen Aufstieg", begann sie stockend zu berichten. „Ich wußte, ich selbst würde den Versuch nicht überleben, dafür würden meinen Fremdzellen sorgen. Aber ..." Sie schloß den Mund und schüttelte den Kopf. Es fiel ihr noch immer schwer, darüber zu sprechen, wenn auch ihm gegenüber leichter als sie je geglaubt hätte.
„Er benutzte dich, um selbst aufzusteigen? Vash, was ist passiert? Warum hast du mir nichts davon gesagt?" John beugte sich vor, streckte jetzt auch seine andere Hand aus und hob ihr Kinn. Was er dann in ihrem Gesicht lesen konnte, ließ ihn zurückweichen. „Er hat dich ..."
„Er hat mich in eine Geistesverschmelzung gezwungen", sagte sie.
John stockte der Atem. Natürlich erinnerte er sich noch daran, wie es gewesen war mit Chaya, aber ...
In Vashtus Augen brannte ein unglaublicher Schmerz, die Lippen hielt sie zusammengepreßt, als müsse sie sonst laut und zornig losbrüllen. „Er übernahm Kontrolle über meinen Geist, ließ mich das halbe Center auf den Kopf stellen und zwang mich dann zu sich", berichtete sie mit gepreßt wirkender Stimme. „Als er mich in die Verschmelzung zwang, war das sein Weg, wieder an meinen Geist heranzutreten und aus mir herauszupressen. Mein Körper funktioniert aber nur mit allen drei Komponenten, John, das weißt du auch. Ich konnte nichts tun, und ich fühlte wie ich starb."
Er schluckte hart. „Vash!" flüsterte er entsetzt.
„Einer der anderen holte mich wieder zurück und gab mir wieder, was man mir gestohlen hatte", sagte sie. Ihre Stimme klang vollkommen emotionslos jetzt. „Und er sagte mir, daß das das letzte Mal sein würde, daß ich Hilfe von ihnen zu erwarten hätte. Ich solle mich in Zukunft von ihnen entfernt halten, denn ich habe meine Wahl anders als sie getroffen."
„Chaya haben sie auch ausgeschlossen, weil sie sich eingemischt hat", murmelte er leise.
„Ich kann aber nicht aufsteigen, John! Das ist der kleine Unterschied. Ich habe von Chaya gehört, ich weiß, wer sie ist, auch wenn ich sie nicht kenne. Aber ich kann mich in sie hineinversetzen. Sie hat meine Anwesenheit auch wahrgenommen, als sie auf Atlantis war. Ich hatte kurz Kontakt zu ihr."
John starrte sie mit großen Augen an. Eine leichte Röte stieg in seine Wangen.
Vashtu lächelte. „Sie wußte offensichtlich mehr als ich, daß sie dich gehen ließ. Und ich bin ihr dankbar dafür. Wärst du nicht mehr auf Atlantis gewesen, wäre ich wahrscheinlich ... ich wäre irgendwann nachts gekommen und hätte mir einen Jumper genommen, um zu verschwinden."
Er sah sie nur an, und in seinen Augen konnte sie einen gewissen Schmerz wahrnehmen. „Ihr zwei habt das also hinter meinem Rücken beratschlagt?"
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das haben wir nicht. Wir hatten keinen langen oder intensiven Kontakt. Sie fühlte, daß ich da war, und sie gab mir einige Informationen weiter, an die ich sonst nicht herangekommen wäre. Das war alles." Sie seufzte. „Aber darum geht es nicht. Ich wollte dir beweisen, daß es da etwas zwischen uns beiden gibt, daß für menschliche Begriffe nicht ganz normal ist. Und ich möchte ..." Wieder stockte sie, holte tief Atem, ehe sie fortfuhr: „Landry hat mich gebeten, ein Testament aufzusetzen. Und ich möchte, daß du mein Erbe wirst."
John fuhr hoch. „Das kommt nicht in Frage!"
Sie sah ihn wieder mit diesem intensiven Blick an, zwang ihn, sich zu setzen. Die Bedienung war aufmerksam auf sie geworden, ebenso wie die beiden MPs. Vashtu wartete, bis die Blicke wieder von ihnen fortdrifteten.
„Ich habe keine Angehörigen, John. Wenn irgendetwas geschehen sollte, und ich rede jetzt nicht über meinen Tod, glaube mir, dann möchte ich, daß meine Habseligkeiten irgendwo gut aufgehoben auf mich warten. Und aus genau diesem Grund möchte ich, daß du sie erhälst."
„Das kann ich nicht. Tut mir leid, Vash, aber das ..."
Sie beugte sich wieder vor. „John, es gibt da Dinge, die euch allen nicht bekannt sind, die ich unter Verschluß halte. Es geht nicht um den Trust oder um Aufgestiegene. Ich will nur, daß meine Sachen irgendwo sicher untergebracht werden, mehr nicht."
„Was hast du vor?" Seine Augen wurden schmal.
„Nichts." Sie schüttelte den Kopf. „Ich will nur nachforschen. Der Ort, an den ich denke, ist weit außerhalb der Reichweite der Erde, und gerade noch erreichbar für Atlantis. Aber ich werde nicht so wahnsinnig sein und ... Ich habe dir von Vineta erzählt, John. Diese Stadt ist es, die mir keine Ruhe läßt. Ich habe einen Devi in der Milchstraße gefunden. Und ich möchte nicht wissen, wieviele es noch hier gibt."
„Devi?" Er runzelte nachdenklich die Stirn. „Diese künstliche Rasse, von der du gesprochen hast?"
Vashtu nickte. „Sie sind verdammt schwer zu töten, schwerer als jeder Wraith, das kann ich dir sagen. Ich will wissen, wie ein Devi hierher gekommen ist und ob es noch mehr gibt. Aber, das kannst du mir glauben, ich werde nicht so wahnsinnig sein und nach einer Stadt suchen, die in einem Massaker unterging."
„Und was willst du dann? Du redest davon, als wäre es beschlossene Sache, daß du ... verschwindest."
„Es muß irgendeine Verbindung zwischen den Galaxien geben. Wie sonst hätte ein Devi herkommen können? Ich will diese Verbindung finden und schließen. Weder Atlantis noch die Erde kann im Moment einen Gegner wie die Devi gebrauchen, ganz zu schweigen davon, daß ich ..." Sie schloß den Mund.
„Du fühlst dich verantwortlich, ich weiß. Aber ich habe dir bereits gesagt, daß es nicht deine Schuld ist."
Vashtu senkte den Kopf. „Wenn es so einfach zu glauben wäre, John ..." Sie kniff die Lippen aufeinander.
Er beugte sich wieder vor, seine Hand streichelte zärtlich ihre Wange. „Es ist so einfach, Vash, glaube mir." Er runzelte die Stirn und seufzte. „Wenn dir soviel daran liegt, dann setz mich ein in deinem Testament. Aber du kannst dich darauf verlassen, daß ich dich suchen werde, wenn du einfach so auf Nimmer-Wiedersehen verschwindest."
Sie blickte wieder auf und lächelte dankbar.
„Dann laß uns diese Sache vergessen und endlich etwas essen. Der Kaffee dürfte inzwischen kalt sein." Er fühlte sich nicht so recht wohl in seiner Haut, aber es war alles, was ihm im Moment dazu einfiel.
John Sheppard seufzte. Dabei hatte der Tag so erquicklich angefangen ...

***

„Wir sollten noch einkaufen fahren, ehe wir ... uns wieder vergessen", schlug Vashtu vor und blickte zu ihm auf.
John überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. „Ich würde gern erst einmal nach meiner Wäsche sehen, wenn du nichts dagegen hast. Ich komme mir vor wie ein Clown in dieser Kostümierung", entgegnete er und blickte die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Stirnrunzelnd beobachtete er einen Mann, der vor Vashtus Tür stand. „Wer ist das?"
Die Antikerin sah nun ebenfalls auf. „Mr. Cavanough?" Stirnrunzelnd nahm sie die Treppe in Angriff. „Was will der denn schon wieder?" Leise in ihrer Muttersprache vor sich hinschimpfend joggte sie die Stufen hinauf.
John schmunzelte, folgte ihr aber dicht auf.
Cavanough? Den Namen kannte er doch? Schien eine Seuche an dem Namen zu kleben, denn der nervtötende Wissenschaftler war es defenitiv nicht, der da vor ihrer Tür auf und ab schlich.
„Was wollen Sie?" Die Antikerin war schneller als er gewesen und baute sich gerade vor ihrem unverhofften Gast auf, die Hände in die Hüften gestemmt.
John kam nicht umhin, ihre Haltung zu bewundern. Und, das mußte er zugeben, das Frühstück war mehr als nur stärkend gewesen für ihn.
„Warum stinkt es hier wie in einem Puff?" beschwerte der ältere Mann sich. „Und überhaupt, seit wann haben Sie denn diesen Herrenbesuch?"
John hob überrascht die Brauen und wechselte einen Blick mit Vashtu, ehe diese nähertrat, ihren Nachbarn anfunkelte.
„Ich wüßte nicht, was ausgerechnet Sie das angeht, Mr. Cavanough! Das Apartment gehört mir, ich habe niemandem gegenüber Rechenschaft abzulegen."
„Ihre ... Ihre Eskapaden haben jetzt schon des öfteren für unangenehme Besuche gesorgt, das wissen Sie auch, meine Liebe. Ich bin hier, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Ich will meine Ruhe, und Ihre ständig wechselnden Männerbesuche ... nun, die sprechen ja wohl deutlich ihre eigene Sprache, Miss Uruhk."
„Major Uruhk", wagte John zu bemerken.
Der Mann sah ihn mit blassen Augen an, hob dann das Kinn. „Wie auch immer. Ich werde das der Hausverwaltung melden. Es ist doch wohl sonnenklar, wie Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen."
John trat näher, baute sich neben der Antikerin auf. „Was soll das heißen?" brauste er auf, kreuzte die Arme vor der Brust. „Major Uruhk ist ein wichtiges Mitglied der USAF, Mr. Cavanough. Wenn sie des öfteren Besuch bekommt, spricht das, meines Erachtens, nur für sie und ihre Arbeit."
Er erntete einen überheblichen Blick für seine Worte. „Sag ich doch. Was für ein billiges Flittchen!"
„Jetzt reicht es mir aber!" Vashtu trat drohend direkt vor ihren Nachbarn. „Mein Besuch geht Sie erstens gar nichts an, und zweitens lasse ich mich nicht gern mit solchen Ausdrücken betiteln, Mr. Cavanough! Ich bin weder ein Flittchen, noch ist mein Apartment ein ... ein ..."
„Puff", half John ihr aus, der begriff, daß sie zwar den Zusammenhang aber nicht die Bedeutung verstanden hatte.
„Ich arbeitete nun einmal mit einigen Männern zusammen, daran werden Sie auch nichts ändern können, Mr. Cavanough!" blaffte Vashtu weiter, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.
John staunte. Selbst wenn sie richtig wütend war, sah sie in seinen Augen noch hinreißend und verführerisch aus. Aber das täuschte nicht darüber hinweg, daß sie im Moment wirklich kurz davor zu sein schien, eine Dummheit zu begehen.
„Die Hausverwaltung hat mir dieses Apartment verkauft, Mr. Cavanough! Mir, nicht Ihnen. Ich war sogar noch so kulant und habe Ihnen einen Teil abgetreten, da Sie ja ach so viel Platz brauchen. Aber wenn es so weitergeht, könnte ich mich entschließen, die Quadratmeter wieder zurückzufordern!"
John hob die Brauen. Deshalb erschien ihm ihre Wohnung als so klein. Wahrscheinlich waren nachträglich einige Wände versetzt worden.
„Dann ziehen Sie doch weg, wenn Sie mehr Platz brauchen. Und Ihr ganzes Gestöhne und Geschreie wäre dann auch endlich ..."
John war einen halben Atemzug schneller, als er sah, wie ihre Hand sich zur Faust ballte. Er riß sie zurück, ehe sie wirklich Schaden anrichten konnte, wandte sich dann an den Nachbarn: „Ich halte es für besser, wenn Sie jetzt verschwinden, Mr. Cavanough, ehe es zu einer unschönen Szene kommen kann."
Der starrte die Antikerin mit großen Augen an.
John atmete tief ein, wagte nicht, Vashtu ins Gesicht zu sehen. Er ahnte, was sie angerichtet hatte in ihrer plötzlichen Wut. Ihre Fremdzellen waren aktiv geworden.
„Sie ... Sie ..."
„Verschwinden Sie!" Vashtus Stimme war nicht mehr als ein Zischen.
Cavanough hob die Hand, drohte ihnen beiden mit dem Finger. „Wir werden ja noch sehen, wer hier ausziehen wird." Damit wandte er sich ab und verschwand durch die Nachbartür.
John atmete einige Male tief ein, ehe er den Blick senkte.
Vashtus Brauen hatten sich wütend zusammengezogen, ihre Kiefer mahlten noch immer. Aber ansonsten schien alles in Ordnung zu sein - zumindest wieder.
„Laß uns reingehen", schlug er mit sanfter Stimme vor.
„Irgendwann drehe ich diesem Lackaffen den Hals um!" entfuhr es ihr zornig.
„Okay, aber nicht heute, wenn es geht. Und auch morgen nicht." John drehte sie mit sanfter Gewalt herum und schob sie zu ihrer Wohnungstür. „Und jetzt schließ bitte auf, damit ich endlich aus diesem Kostüm herauskomme."
Als er bemerkte, wie sie zitterte, begann er unbewußt, ihre verkrampften Schultern etwas zu massieren. Vashtu atmete tief ein, dann lehnte sie sich plötzlich an ihn und gab einen wohligen Laut von sich. „Das ist schön", gurrte sie.
„Dann laß uns reingehen", schlug er vor. „Wir wollen deinem Mr. Cavanough doch nicht noch mehr Gesprächsstoff liefern, oder?"
Endlich zog sie den Schlüssel aus ihrer Jackentasche. Die Tür sprang auf.
John seufzte erleichtert und folgte ihr über die Schwelle, nur um dann fast von ihr angesprungen zu werden.
Diese Frau war einfach unglaublich!
Es gelang ihm gerade noch, die Tür hinter sich zu schließen, da zog sie ihn auch schon in einen langen und fordernden Kuß.
„Carson hatte recht", sagte er nach einer Weile und runzelte die Stirn.
Vashtu hob den Kopf. „Er hatte recht? Womit?"

***

„Verzeihen Sie meine Wortwahl, John, aber Sie sind ein Idiot", wandte Carson Beckett sich an den militärischen Leiter der Atlantis-Expedition.
Der blinzelte irritiert, während er sich sein T-Shirt wieder überstreifte. Verwirrt drehte er sich zu dem kleineren Mediziner um. „Wie bitte?"
Beckett sah ihn mit gekreuzten Armen herausfordernd an. „Da gibt es wahrscheinlich die faszinierendste Frau des ganzen Universums, die ausschließlich an Ihnen interessiert ist, und Sie lassen sie einfach so auflaufen und trennen sich von ihr. Ich nenne das schlicht Dummheit."
John hob die Brauen. „Vashtu Uruhk?"
Beckett nickte. „Sie haben sie nicht gesehen, als sie zurückgeflogen ist über die GateBrigde. Ich dagegen schon. Sie wollte einige Zeit mit Ihnen verbringen und hatte bei Landry zwei Tage herausgeschlagen. Und was machen Sie? Sie streiten sich mit ihr und gehen ihr dann aus dem Weg."
John schob unwillig die Brauen zusammen. „Das ist meine Sache, Doc." Er griff nach seiner Jacke. Diese Routineuntersuchung war in seinen Augen ohnehin vollkommen überflüssig. Er hätte gar nicht herkommen sollen.
„Wenn ich das bis jetzt richtig verstanden habe, lieben Sie Vashtu, John. Und ich kann Ihnen versichern, sie liebt Sie auch, von Anfang an."
„Dann hätte sie ja nicht diesen Unsinn anstellen brauchen. Vashtu und die Air Force! Carson, ich bitte Sie!" Er drehte sich jetzt doch wieder um und schüttelte den Kopf. „Da hätte ich auch gleich McKay zum Kindergärtner machen können für die Athosianer!"
„Vielleicht steckt aber mehr dahinter, haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?" Beckett wandte sich seinen Instrumenten zu und begann sie zu sortieren, als sei das Gespräch für ihn vorbei. Dann aber hielt er inne und drehte sich wieder zu ihm um. „Was war, als diese Sache mit Kolya passierte?"
John zuckte zusammen.
Das würde er wohl sein Lebtag nicht mehr vergessen können. Vashtu, wie sie immer älter und schwächer wurde, und ihm waren die Hände gebunden. Er hatte ihr nicht helfen können, bis es fast zu spät war. Und dann ... Diese Mumie! Dieses entsetzliche Alter, und sie hatte trotzdem noch einen letzten Lebensfunken in sich getragen.
Er hatte geglaubt, das nicht ertragen zu können. Er hatte geglaubt, sich abwenden zu müssen. Doch er hatte es nicht gekonnt. Es war immer noch Vashtu gewesen, die da auf dem Boden lag und um ihr Leben kämpfte. Das Leben, worauf sie so lange hatte warten müssen.
Zehntausend Jahre war sie alt, er dagegen ... nun, war er in ihren Augen eigentlich überhaupt schon erwachsen? Für ihn war dieses Alter nie ausschlaggebend gewesen, höchstens, um andere von ihr zu überzeugen. Aber niemals hatte er sich damit auseinandergesetzt, bis zu diesem einen Moment.
John runzelte die Stirn und senkte den Blick.
„Daß Sie nicht weggesehen haben, hat ihren Lebensmut in diesem Moment gestärkt, wissen Sie das, John?" fuhr Beckett fort, in der offenen Wunde zu wühlen.
Als sie damals wieder zu sich gekommen war, immer noch gezeichnet von einem unglaublichen Alter, hatte er sich bei ihr niedergekniet und ihren Kopf gehalten. Er hatte in ihren Augen gesehen, wer sie war, ansonsten hätte er sie noch immer nicht erkennen können. Doch diese Augen ... Es war Vashtu gewesen, die ganze Zeit über. Diese vertrocknete Mumie mit einem letzten Hauch Leben, diese uralte Frau, deren Kopf er in seinem Schoß gebettet hatte, und dann, irgendwann, wieder die junge Vashtu mit den strubbeligen Haaren, deren Frisur so sehr an die seine erinnerte.
Er hatte ihre Verwandlung mitangesehen. Er hatte gesehen, wie die Wunden sie schmerzten, wie das Blut wieder zu fließen begann. Nicht einen Moment hatte er wegsehen können. Gleich, was er da vor Augen gehabt hatte, es war immer Vashtu gewesen, niemand anderes. Und sie war schön, für ihn war sie schön, und es war ihm vollkommen gleich, wie alt oder jung sie war. Es war Vashtu, seine Vashtu, die er nie hatte hergeben wollen, die ihn aber doch verlassen hatte.
„Wenn Sie nicht bei ihr gewesen wären, sie hätte es nicht geschafft. Wir waren zu spät in der Zelle."
John schloß die Augen und biß sich auf die Lippen.
Beinahe konnte er ihren Körper fühlen, wie er sich an seinen drängte. Beinahe konnte er ihre Augen sehen, die Liebe in ihnen. Diese Liebe, die allein ihm gehörte.
Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper. Er sah wieder auf und starrte Beckett an. „Wie meinen Sie das? Sie sagten damals doch, sie hätte noch eine Stunde", fragte er verwirrt.
Der Schotte nickte. „Ich konnte nur schätzen. Als wir in der Zelle ankamen, war es aber eigentlich schon zu spät. Nach meiner Kenntnis hätte sie nicht wieder zu sich kommen dürfen, John. Sie hat es dennoch getan - für Sie! Alles, was sie bisher getan hat, hat sie mit ihren Gedanken bei Ihnen getan." Er seufzte und neigte den Kopf leicht nach vorn. „So etwas ist mir noch nie untergekommen, das muß ich zugeben. Aber doch ... Wenn es je zwei Wesen gegeben hat, die füreinander bestimmt waren, John, dann sind sie beide es."
„Aber ..." Er schloß den Mund und sann den Worten des Mediziners nach.
„Ich habe mich in der Zeit mit Vashtu angefreundet, die sie jetzt schon auf der Erde lebt", fuhr Beckett fort, sah wieder auf. „Sie selbst begreift es nicht einmal richtig, John, aber es ist wirklich so. Sie hat sich verändert, das haben Sie auch gesehen und bemerkt. Als sie damals erwachte, war es wirklich unheimlich mit ihrer Ähnlichkeit. Inzwischen aber ... Vashtu ist etwas anders geworden als Sie, sie trifft nicht immer die gleichen Entscheidungen, sie geht nicht immer die gleichen Wege. Was für Sie vielleicht eine Sackgasse ist, muß es für Vashtu noch lange nicht sein. Alles, was sie getan hat, alles, was sie tut, tut sie mit ihrem Unterbewußtsein bei Ihnen, John. Ich kann das spüren, wenn ich auch nicht weiß wie."
Er lachte bitter auf. „Und warum heißt es dann ständig, wir beide zusammen wären der Untergang für Atlantis?"
„Warum wurde ihr dieses Angebot gemacht, John? Warum soll sie nach Atlantis kommen?" hielt Beckett dagegen. Beschwörend hob er die Hände. „John, denken Sie doch einmal nach! Wo wären Sie, wenn Sie nicht zur Air Force gegangen wären? Vielleicht wird sich Vashtu einmal eine ähnliche Chance bieten, wer kann das sagen? Vielleicht werden Sie beide doch eines Tages akzeptiert werden." Er lächelte wieder. „Der Untergang für Atlantis?" wiederholte er dann und schüttelte den Kopf. „Nein, sie beide sind die Hoffnung für neue Welten, John. Vashtu mit ihrem Wissen und ihrer Leidenschaft, und Sie mit Ihrem Können und ihrer Intuition. Man fürchtete zu Recht, was herauskommen könnte, wenn sie beide zusammen geblieben wären. Aber das ist über ein Jahr her. Inzwischen hat sich einiges geändert, John, Vashtu hat sich geändert. Und sie hat es sich selbst nicht leicht gemacht, glauben Sie mir."
Er schluckte, wandte sich wieder ab.
Nein, er konnte nicht bereuen, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. In die Army einzutreten, weil man sich schuldig fühlte an etwas, was vor über zehntausend Jahren geschehen war. Das war einfach lächerlich!
„Sie fürchtet den Stuhl auf Antarktica, wußten Sie das?" fragte Beckett unvermittelt.
John stutzte. Waren seine Gedanken so offenkundig lesbar? Oder bewies der kleine Mediziner wieder einmal sein riesengroßes Einfühlungsvermögen?
„Sie hat ... einen Grund für diese Furcht", antwortete er zögernd. „Zumindest denkt sie das."
„Und Sie denken das nicht?"
Er drehte sich wieder um und fixierte den Mediziner. „Was wollen Sie damit sagen?"
Beckett sah ihn weiter unverwandt an. „Daß vielleicht nicht alles Einbildung ist, nur weil Sie nicht davon überzeugt sind, Colonel, das meine ich. Sie sollten versuchen sie zu verstehen und sie nicht von sich stoßen. Sie haben schon einmal bewiesen, daß Sie dazu in der Lage sind. Warum nicht jetzt? Warum sperren Sie sich so sehr gegen diese Lösung?"
„Weil Vashtu nicht geeignet für die Army ist, darum!" John ballte hilflos die Hände zu Fäusten. „Sie ist zu eigenwillig, verdammt! Die Air Force wird sie verderben."
„Dann geben Sie zu, daß Ihre Entscheidung falsch gewesen ist?"
„Was hat das damit zu tun?" Hilflos schoben sich seine Brauen wieder zusammen.
„Sie sagten doch selbst, daß sie zwei sich ähnlich sind. Also liegt dieser Schluß nahe", bohrte Beckett weiter in der Wunde.
John seufzte, zwang sich, sich zu entspannen. „Meine Entscheidung war richtig, Vashtus ist es nicht. Ich weiß, wovon ich spreche, Doc, das können Sie mir glauben."
„Sicher? Wollen Sie tatsächlich etwas aufs Spiel setzen, daß so tief in Ihrer Seele rumort, Colonel? Wollen Sie tatsächlich Vashtu verlieren, nach allem, was Sie für sie riskiert haben, um Ihren eigenen Dickkopf durchzusetzen?"
„Das perfekte Paar, von dem Sie da gerade gesprochen haben?" Ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen. Langsam schüttelte er den Kopf. „Sie kennen mich nicht, Carson. Vielleicht glauben Sie, Sie würden mich kennen. Aber Sie tun es nicht, glauben Sie mir. Ich glaube nicht an dieses Märchen."
„Dem wäre ich nicht so sicher wie Sie." Beckett drehte sich nun doch wieder um und sortierte seine Instrumente weiter. „Ich würde diese Chance nicht einfach wegwerfen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, John. Aber Sie müssen selbst wissen, was Sie tun."
„Das weiß ich auch!" Damit marschierte er aus der Krankenstation heraus. Doch in seinem Magen blieb ein flaues Gefühl.
Das perfekte Paar, wer träumte nicht davon, einen Partner zu finden, der absolut richtig für ihn war? Die Zukunft der Galaxis? Warum dann diese ganzen Machtspielchen des Militärs? Warum dieses strikte Verbot der Kontaktaufnahme?
Gern, viel zu gern, hätte John Beckett recht gegeben, aber er wußte im Moment selbst nicht mehr, was er glauben sollte. Er wußte nur, er wollte Vashtu nicht wirklich verlieren.

***

Vashtu lag nachdenklich da und zeichnete mit einem Finger seine Rippen nach, den Kopf auf seine Brust gelegt.
John streichelte sie zärtlich, jedoch nicht mehr fordernd. Seinen anderen Arm hatte er unter den Kopf geschoben. „Carson hat mir ziemlich zu denken gegeben", sagte er nach einer Weile.
Vashtus Kopf bewegte sich auf seiner Brust, als sie langsam nickte. „Kann ich mir denken", antwortete sie.
„Und er hatte recht. Du bist die perfekte Frau, zumindest soweit ich das bis jetzt sagen kann", fuhr er leise fort.
Sie hob den Kopf, sah ihm in die Augen. Ihre Stirn war nachdenklich gerunzelt. „Unsere Beziehung steht noch ganz am Anfang", entgegnete sie. „Wir wissen noch nicht, ob es wirklich funktionieren wird."
John sah sie an und begann zu lächeln. „An mir soll es nicht mehr liegen, Vash, glaub mir. Was du mir ..." Er setzte sich auf und zog sie sanft an sich. „Ich habe vom ersten Moment an gewußt, daß ich da etwas unvergleichliches erlebe, schon damals, in deinem Labor. Wie du durch dieses Fenster gesprungen bist ... Ich stand einfach nur da und konnte nichts, absolut gar nichts tun."
Sie zog eine Grimasse, ließ es dann aber zu, daß er sie an sich drückte. „Du hattest mich damals ziemlich aus dem Konzept gebracht, John", antwortete sie endlich wie auf eine Frage. „Ich hatte mein Auftauchen ein wenig anders geplant. Nicht mit so viel ... Aufsehen."
Er legte seine Wange an ihr Haar und schloß die Augen. „Aber so bist du eben. Immer mußt du Aufsehen erregen. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, wie es vor zehntausend Jahren gewesen ist. Der Rat war sicher nicht sonderlich erbaut von dir." Leise begann er zu lachen. „Nach allem, was ich weiß, war dein Volk etwas ... steif."
„Stimmt", antwortete sie trocken. „Umso schlimmer, was jetzt so alles herausgefunden wird, gerade über den Rat." Sie hob den Kopf und sah ihn an. „Ich weiß, ich bin nicht, was alle von jemandem wie mir erwarten. Ich war schon immer so, John, ich habe es nie ändern können." Sie runzelte die Stirn und sah ihn hilfesuchend an.
„Ich war auch schon immer so", entgegnete er und blinzelte ihr verschwörerisch zu. „Warum also nicht? Warum sollen immer alle mit den Wölfen heulen?"
„Hä?" Verständnislos blinzelte sie.
„Ein Sprichwort, Vash. Es bedeutet soviel wie, daß alle ... sich gleich verhalten. Irgendjemand muß manchmal aus der Reihe tanzen."
Sie nickte grüblerisch, legte ihren Kopf wieder an seine Schulter. Ihre Finger strichen über sein Rückgrad, so wie er es vor nicht allzu langer Zeit mit ihr getan hatte.
„Carson war auch etwas besonderes. Nur bemerkt man solche Dinge meist, wenn derjenige nicht mehr da ist." Seine Stimme erstarb.
„Ging es schnell für ihn?" Vashtu drückte ihren Kopf fester gegen seine Schulter.
„Ja", war alles, was er sagte, dann vergrub er sein Gesicht wieder in ihrem kurzen Haar.
„Was er wohl seiner Mutter über uns erzählt hat?" murmelte sie leise und nachdenklich.
„Das wir das perfekte Paar in seinen Augen sind?" Er drückte sich fester an sich. „Laß uns von anderen Dingen reden, Vash."
Sie schloß die Augen und preßte die Lippen aufeinander. Dann aber nickte sie langsam.
Sie wollte auch nicht über den toten Freund sprechen. Noch immer schmerzte die Wunde seines Verlustes tief in ihr. Zu wissen, daß er niemals wieder herkommen würde, um gemütlich mit ihr in ihrem Wohnraum zu sitzen und zu schwatzen über dieses und jenes, tat unglaublich weh.
John drückte sie fest an sich, sie erwiderte den Druck.
Aber sie hatte ihn wieder, den einzigen Mann, der für sie in Frage kam. John war zu ihr zurückgekommen, und ihr Zusammensein war schöner, als sie es sich je hätte träumen lassen. Nie wieder wollte sie ihn verlieren! Und sie hoffte, er dachte ebenso.
Sanft küßte er ihr Haar, als er den Kopf wieder hob. „Wie wäre es jetzt mit einer kleinen Massage?" fragte er mit einem spitzbübischen Grinsen.

***

John küßte liebevoll ihren Nacken, richtete sich dann wieder auf und fuhr fort, ihre Schulterblätter zu massieren.
Vashtu lag unter ihm, gab leise, gurrende Laute des Wohlbehagens von sich, rührte sich aber ansonsten nicht.
Wie sie so dalag ... John fühlte, wie sich tief in ihm wieder etwas regte. Doch im Moment war er wie leergesaugt, er konnte schlichtweg nicht mehr, und sei ihr Körper auch noch so verführerisch. Außerdem empfand auch er sein sanftes Massieren als beruhigend, ebenso wie sie es wohl empfand.
Seine Finger glitten ihren Körper entlang, ein Stück weiter nach unten. Vashtu holte tief Atem, er konnte fühlen, wie ihre Lungen sich unter seinen Händen hoben. Ihre Haut war einfach so herrlich weich ...
Er riß sich zurück, als er einen kleinen Stich in seinen Lenden fühlte, richtete sich noch ein wenig mehr auf und massierte weiter.
Samtig, anders konnte er diese Haut wirklich nicht bezeichnen. Einige wenige Muttermale hoben sich von der natürlichen Bläße ab, wie Schönheitspflästerchen. Aber nicht eine Narbe. Da war gar nichts.
Wenn er bedachte, was er schon hatte einstecken müssen ... Sein Körper war deutlich gezeichnet. Aber offensichtlich halfen ihre Fremdzellen ihr nicht nur bei einer rascheren Heilung, sondern verhinderten auch die Narbenbildung. Wie sähe sie sonst wohl aus?
Er erinnerte sich an ihr erstes Zusammentreffen mit Kolya. Damals war sie mehrfach auch in den Rücken getroffen worden. Wahrscheinlich sähe sie ohne die Wraith-Zellen in ihrem Inneren sehr viel ... entstellter aus.
„Sie verhindern auch Narben, stimmts?" fragte er nach einigem weiteren Nachdenken.
Vashtu hob halb den Kopf, den sie auf ihre Arme gebettet hatte. „Was?" Sie runzelte die Stirn.
„Die Fremdzellen verhindern, daß sich Narben bilden", wiederholte er, hielt mit seiner zärtlichen Massage inne.
„Nicht wirklich." Vashtu legte den Kopf zurück auf ihre Arme und schloß die Augen. „Sie verschwinden nur ziemlich schnell. Was aber nicht heißt, daß ich sie nicht bemerke. Manchmal ... es zieht manchmal in meinen Muskeln."
Er nickte, beugte sich wieder über sie, um ihr einen weiteren, zärtlichen Kuß zu geben. „Aber man sieht sie nicht", wisperte er.
Vashtu schnurrte wohlig unter der Berührung seiner Lippen, doch sie machte keine Anstalten, sich herumzudrehen.
„Du bist so schön, Vash", flüsterte er ihr ins Ohr.
Ein leises Lächeln erschien auf ihren Lippen. Kurz blinzelte sie, schloß dann aber wieder die Augen. „Wenn du meinst ..."
Seine Hände fanden ihre Hinterbacken, kniffen hinein.
„Hey!" Sie hob den Kopf nun doch wieder, sah ihn scheel an. „Was soll das werden?"
Eine seiner Hände glitt zwischen ihre Schenkel. Sie atmete wieder tief ein.
Vashtu stöhnte erregt auf.
Und in diesem Moment klopfte es an der Tür.
John zog sofort seine Hand wieder zurück und richtete sich auf, um zwischen den Rolläden hindurch nach draußen zu sehen. Alles, was er erkennen konnte, war eine Gestalt in einer dicken Jacke, die vor der Tür stand, erneut zu klopfen begann.
„Mist!" entfuhr es ihm, als er sich aufrichtete.
Vashtu drehte sich nun doch um, rappelte sich auf die Ellenbogen. „Es wird wahrscheinlich wieder Cavanough sein", seufzte sie ergeben, blickte dann zu ihm auf. „John, kannst du ... ?"
Er richtete sich bereits auf und schlüpfte in seine Hose. „Ich mache das schon. Und du bleibst wo und wie du bist, Vash. Ich komme gleich wieder und würde gern weitermachen, wo wir unterbrochen wurden."
Ein breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht, als sie nickte. „Gern."
Er warf ihr eine Kußhand zu, schlüpfte in sein Hemd und schloß es nachlässig, während er die Schlafzimmertür hinter sich zuzog. Mit dem Fuß wischte er Vashtus dicke Winterjacke zur Seite, damit er die Tür öffnen konnte, dann drehte er den Schlüssel herum.
Er steckte den Kopf in den Spalt und runzelte einen Moment irritiert die Stirn.
Vor ihm stand ein hochgewachsener Mann mit dunklem Haar, schlank und langgliedrig. Und für einen Moment dachte er ...
„Ja?" Ein wenig unwillig schüttelte er den Kopf.
Sein Gegenüber starrte ihn groß an, sah dann kurz den Gang rauf und wieder runter. „Ich ... äh ... entschuldigen Sie."
John wollte schon nicken, als sein Gegenüber weitersprach: „Ich muß mich wohl im Stockwerk geirrt haben. Ich wollte zu Major Uruhk."
Er stutzte. „Zu Vash?" fragte er irritiert, öffnete die Tür nun doch etwas mehr und baute sich im Zwischenraum auf. „Ich fürchte, sie ist gerade ... beschäftigt."
Sein Gegenüber musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann schluckte er hart. „Dann müssen Sie ... äh ... Sie sind John?"
Mißtrauisch betrachtete er seinen Gegenüber, nickte dann aber. „Ja, der bin ich. Und Sie sind ... ?"
„Tom Finnigan." Ein unsicheres Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Ich ... äh ... wollte nicht stören. Vashtu wollte mit mir sprechen, und ich dachte, da ich gerade Zeit hatte ... ich hätte vorher anrufen sollen."
John nickte wieder. „Stimmt", gab er trocken zur Antwort und wartete.
Dieser Mann war ihm irgendwie ... unsympatisch. Und das lag sicher nicht nur daran, daß er wesentlich mehr Zeit mit Vashtu verbringen durfte als er. Nein, Eifersucht war es nicht, die er fühlte. Es war etwas anderes.
„Tja, dann ..." Finnigan zuckte etwas hilflos mit den Schultern, drehte sich dann nervös um. Seine Augen blickten unstet.
John warf nun auch einen mißtrauischen Blick nach draußen in den Innenhof, sah einmal aufmerksam in die Runde. Doch er konnte nichts wahrnehmen, also richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Gegenüber. „Soll ich ihr etwas ausrichten?"
„Oh!" Finnigan wandte ihm wieder seine Aufmerksamkeit zu. „Äh ... bemühen Sie sich nicht. Ich ... ich werde sie dann einfach anrufen, wenn ich ... äh." Er schloß den Mund.
„Wird besser sein im Moment", kommentierte John, richtete sich auf.
„Tja, dann ... einen schönen Tag noch." Finnigan drehte sich um und flüchtete geradezu zur Treppe, immer noch unsichere Blicke um sich werfend.
„John?"
Er sah dem anderen noch einen Moment lang sinnend nach, dann schloß er die Tür und drehte den Schlüssel um.
Irgendetwas an diesem Mann war merkwürdig - und hatte ihm gründlich die Stimmung verdorben.
Seufzend drehte John sich um und ging zurück ins Schlafzimmer.

***

Vashtu kuschelte sich näher an John heran und lächelte zufrieden. Wenn sie daran dachte, was sie möglicherweise verpaßt hätte, hätte sie nicht alles versucht, ihn auf ihre Seite zu ziehen.
Aber ... war es überhaupt nötig gewesen, was sie getan hatte? Hatte er nicht selbst gesagt, er sei vom ersten Augenblick an fasziniert von ihr gewesen?
John atmete tief ein. Sein Arm lag locker auf ihrer Hüfte. Als sie in sein Gesicht blickte, sah sie, daß er schlief. Und er sah im Moment wirklich sehr entspannt aus, so vollkommen anders, als sie ihn teilweise erlebt hatte.
Sanft strich sie über seine kratzige Wange, dann legte sie ihren Kopf wieder auf seinen Arm.
Carson hatte es als einziger gewußt, und er ...

***

„Du hast was getan?" Die Tasse klirrte, als Carson Beckett sie auf dem Tisch abstellte.
Vashtu saß in ihrem Ohrenbackensessel, die Beine angezogen und die Arme um die Schenkel geschlungen. Auf ihrer Stirn hatte sich eine breite Falte gebildet.
„Denkst du, ich hätte vorhersehen können, was geschah?" Sie seufzte schwer. „Ich ... ich weiß nicht, ob ich es ihm sagen soll. Es war alles damals so verwirrend für mich."
„Das hättest du niemals tun dürfen, Vashtu." Beckett beugte sich vor und starrte sie an. „Ich wußte nicht einmal, daß es möglich ist. Wie bist du denn auf diesen Gedanken gekommen."
Sie legte ihre Wange auf die Knie und starrte mit leerem Blick vor sich hin. „Ich dachte, wenn ich einen eurer Anführer auf meine Seite ziehe, kann ich mich euch anschließen. Darum legte ich die Pheromone aus an Stellen, an denen John vorbeikommen mußte."
Beckett ließ sich in das Sofa zurücksinken und seufzte schwer. „Wenn du ihm das jemals sagst, wirst du dir sicher keinen Freund machen. Er wird denken ..." Er stockte. „Aber ich dachte, die Gefühle von euch beiden seien echt?"
„Sind sie auch, zumindest meine." Vashtu nickte gedankenverloren. „Und seine dürften es inzwischen auch sein, nach mehr als einem Jahr, das wir getrennt waren. Ich stellte es damals sofort ein, als es mir selbst unheimlich wurde." Sie richtete sich wieder auf und drehte sich um. „Carson, was soll ich tun? Ich kann es ihm nicht sagen, ich hätte zuviel Angst, ihn wieder zu verlieren. Auf der anderen Seite aber wird es immer zwischen uns stehen."
Beckett schüttelte ungläubig den Kopf. „Vashtu, wie konntest du nur?" Wieder seufzte er. Sein Blick wurde nachdenklich.
„Ich hatte ihn nie gesehen, ich wußte nicht, worauf ich mich da einließ." Ihre Verteidigung war schwach, und sie wußte es. Doch es war die einzige Erklärung, die sie bis heute geben konnte. Sie hatte schlicht Angst gehabt vor den neuen Bewohnern von Atlantis. Angst davor, wieder eingesperrt und mißbraucht zu werden, keine Stimme zu haben, keine Akzeptanz. Wie zu der Zeit, als ihr Volk noch lebte.
„Du warst sehr vereinsamt", murmelte Beckett gedankenverloren. „Ich weiß nicht, ob du die Berichte kennst, die Dr. Heightmeyer damals über dich verfaßt hat."
Vashtu schüttelte den Kopf und sah den Mediziner hilflos an.
„Was du vor zehntausend Jahren erlebt hast, wird immer in deinem Geist bleiben, Vashtu. Du hast das Vertrauen damals so gründlich verloren, daß es vielleicht eine ebenso lange Zeit brauchen wird, bis es wiederhergestellt ist", erklärte Beckett ihr einfühlsam. „Dazu kam diese extrem lange Einsamkeit. Du sagst ja selbst, regelmäßig seist du aus der Stasis aufgewacht und hättest nachgesehen, ob sich irgendetwas geändert hatte. Ich denke, du wirst nicht sofort wieder zurückgekehrt sein in das Lager, oder?"
„Ich blieb jedesmal einige Tage wach, das stimmt. Ich mußte essen und zu Kräften kommen. Stasis ist für meinen Körper nicht gerade die Ideallösung, das wußte Janus auch. Darum ..." Sie schloß hilflos den Mund. „Aber darum geht es jetzt nicht! Ich muß irgendwie endlich herausfinden, ob Johns Gefühle mir gegenüber echt sind."
„Sind sie", antwortete Beckett trocken. „Und es geht um genau das. Es geht um deine Erfahrungen, Vashtu, und nur darum. Dir ist das Mißtrauen so gründlich eingeimpft worden von deinem eigenen Volk, daß du ... sehr wahrscheinlich gar nicht anders handeln konntest, oder?"
Sie kniff die Lippen aufeinander, nickte dann aber. „Es war ... Es kann sich niemand vorstellen, was ich damals erlebte. Ich weiß nicht, ob es bei euch heutzutage überhaupt möglich wäre, jemanden so gründlich zu ..." Sie stockte wieder und schüttelte den Kopf. „Als ich damals die Gentherapie durchgemacht hatte und mich dem Rat stellte, ließen sie mich zunächst für einige Zeit mit Enkil zusammen in die Brick sperren. Er ... er mußte sich ziemlich zusammenreißen, um mich nicht anzugreifen. Und ich hatte Angst, Angst vor meinem eigenen Bruder." Tränen stiegen in ihre Augen. „Ich wollte doch nur, daß wir uns endlich wehren, Carson! Ich wollte eine Möglichkeit aufzeigen, wie wir den Wraith Respekt beibringen konnten."
„Das weiß ich." Sanft legte er eine Hand auf ihre Schulter. „Und zumindest heutzutage stehst du mit deiner Einstellung nicht allein da. Aber das ändert nichts daran, daß du einen ziemlich großen Fehler begangen hast, als du dich uns ... als du aufgetaucht bist. Der Colonel hat inzwischen einiges hinter sich, das sein Mißtrauen erregte. Dir vertraut er. Wenn du ihm jetzt aber diese Geschichte erzählst, wirst du ... ihn wohl verlieren." Wieder seufzte er.
Vashtu ließ den Kopf wieder auf ihre Knie sinken und sah verzweifelt und leer auf den Tisch. „Es ist alles so kompliziert geworden damals, darum habe ich es ihm nie gesagt. Und jetzt ... Ich will ihn nicht verlieren, selbst wenn es immer noch an ... an meinem Fehler liegen sollte."
„Ich bin mir sicher, daß es das nicht tut", entgegnete Beckett. „Als du in der Geiselhaft gesessen hast, ist er fast wahnsinnig geworden aus Sorge um dich, Vashtu. Und wenn du deine Pheromon-Behandlung wirklich so schnell abgebrochen hast ..."
„Carson!" Ein entrüsteter Blick von ihr. „Ich wollte einen Fürsprecher, keinen Sklaven! Als ich bemerkte, daß es wohl ... zuviel wurde, habe ich sofort aufgehört damit."
Der Mediziner nickte wieder verständnisvoll. „Und wie war es in deinem Labor?"
Vashtu blinzelte verständnislos. „In meinem Labor?" echote sie.
„In den Berichten steht überall, daß ihr zwei euch damals gegenübergestanden seid und euch anstarrtet, als gäbe es den Rest der Welt nicht mehr. Erst dann bist du geflohen."
Sie zog die Brauen zusammen und versuchte sich zu erinnern. „Nein, da konnte ich meine Pheromone noch nicht ausschütten. Es wären zuviele gewesen." Sie erstarrte und richtete sich plötzlich kerzengerade auf. „Was habe ich da angerichtet?" entfuhr es ihr.
Beckett nickte. „Ganz genau, was hast du angerichtet. Du brauchtest die Pheromone gar nicht, eure genetische Verwandtschaft war schon mehr als genug", bestätigte er.
Vashtu fühlte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. „Oh nein!" Sie wirbelte wieder herum und starrte den Mediziner an. „Es ist mehr als nur eine Verwandtschaft, Carson, um einiges mehr."
„Wie meinst du das?" Beckett rückte interessiert näher.
Vashtu atmete tief ein. „Zwischen John und mir besteht ein Band, ein ... etwas, das es früher bei meinem Volk schon gegeben hat. In abgeschwächter Form kommt es heute auch noch bei euch Menschen vor. Und ... Moment!" Sie hob die Hand und erstarrte. „Vor einigen Monaten spürte ich etwas. Einen Schmerz, einen tiefen Schmerz und grausame Angst ... Ich dachte ... es war ..." Sie schloß den Mund, ihre Augen wurden eiskalt. „Kolya!" Der Name war ein so haßerfülltes Zischen, daß es ihr selbst unheimlich wurde.
„Du hast gespürt, wie dem Colonel das Leben ... wie der Wraith ... ?" Beckett starrte sie entgeistert an.
Vashtus Blick irrte verzweifelt hin und her. „Da war mehr. Ich habe dem keine Beachtung geschenkt, weil es so schwach war. Da war ... Angst! Die Erde war in Gefahr, aber ..." Sie schüttelte verständnislos über sich selbst den Kopf. „Es existierte tatsächlich die ganze Zeit über, aber ich habe es nicht bemerkt. Was ... ?" Sie vergrub das Gesicht in den Händen und stöhnte tief auf. „Das kann doch nicht wahr sein!"
„Vor zwei Monaten kam der Colonel etwas verwirrt zum Dienst. Er sagte, er hätte einen merkwürdigen Alptraum gehabt", warf Beckett ein und beobachtete die Antikerin genau.
Vashtus Kopf ruckte hoch. „Vor zwei Monaten? Es war ... Was für einen Alptraum?" Sie drehte sich wieder herum.
Beckett sah sie sorgenvoll an. „Ich weiß es nicht genau. Ich war nur zufällig anwesend, um McKay ... Ist auch egal!" Er winkte ab. „John Sheppard sagte etwas von einem Alptraum, daß er kurz gemeint hätte, jemand, der ihm nahesteht, sei tot. Aber das könne nicht sein. Er war ... nun etwas verwirrt damals, sonst hätte er es mir wahrscheinlich nicht gesagt."
„Vor zwei Monaten war ich tot für einige Minuten." Vashtus Gesicht erstarrte. „Und ich wäre beinahe nicht wieder aufgewacht."
„Und du meinst, es sei dieses ... dieses Band zwischen euch?" Beckett wirkte skeptisch.
Vashtu nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe, nickte dann. „Ja, das war es sicher. Wenn ich John fragen würde, würde er wahrscheinlich auch genau angeben können, wie mein Leben ... wie die Impfung wirkte, die ..." Sie schloß den Mund und spannte die Kiefer an.
„Du mußt dich irgendwann darüber aussprechen, Vashtu", gab Beckett sorgenvoll zu bedenken. „So kann es nicht mehr lange weitergehen. Du mutest dir zuviel zu."
„Wenn dieses Band tatsächlich so stark ist ..." Sie hörte gar nicht hin, war wieder in ihren Grübeleien versunken. „Dann brauche ich keine weiteren Fragen zu stellen. Dann ... dann ..." Ein Leuchten trat in ihre Augen und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Dann liebt er mich tatsächlich." Sie drehte sich wieder um und sah Beckett an. „Dann kann ich sicher sein, Carson."
Er nickte. „Das sagte ich doch schon. Du solltest dir nicht soviele Gedanken machen, Vashtu. Irgendwann werdet ihr zwei euch finden, glaube mir."

***

Vashtu wachte auf, wußte im ersten Moment selbst nicht, warum. Dann hörte sie das leise Klopfen an ihrer Wohnungstür.
John murmelte unwillig etwas im Schlaf. Seine Arme zogen sie kurz an sich und er atmete tief ein, dann erschlaffte sein Griff wieder.
Vashtu lächelte ihn glücklich an und hauchte einen Kuß auf seine rauhe Wange, dann verzog sie das Gesicht. Heute würde sie sicher dafür sorgen, daß er sich rasierte.
Wieder klopfte es.
Wer mochte das sein? Vielleicht wieder Tom?
Vashtu runzelte unwillig die Stirn, dann aber glitt sie so vorsichtig wie möglich vom Sofa herunter, um John nicht zu wecken. Mit einem etwas hilflosen Blick sah sie sich kurz nach ihren Sachen um, ehe sie sich eines von seinen Freizeithemden schnappte und überwarf.
Der sorgsam gebügelte Stapel lag unordentlich auf dem Boden, ihre Kleider waren überall verstreut und der Bügeltisch zusammengebrochen.
Vashtu seufzte, knöpfte sich das Hemd zu und fand ihren Slip, der am Rande des Tisches baumelte. Eilig streifte sie ihn sich über, dann lief sie mit nackten Füßen zur Wohnungstür und drehte den Schlüssel im Schloß. Als sie den Kopf durch die Öffnung steckte, sah sie, wie jemand gerade wieder die Treppe hinuntergehen wollte. Ein älterer Mann mit kurzem, grauen Haar.
„George?" rief sie ihm leise hinterher.
Dorn drehte sich um und sah sie mit einem väterlichen Lächeln an. „Ich wußte nicht, ob ihr schon wach seid. Darum ..." Er wies auf ihre Türschwelle, die noch immer leicht nach Johns After Shave duftete.
Vashtu senkte den Blick und fand einen Korb auf ihrer Fußmatte, der reichlich mit allerlei Lebensmitteln gefüllt war. Sie hob den Kopf wieder und starrte ihr Teammitglied ratlos an. „Danke", brachte sie überrascht hervor.
Dorn nickte grinsend. „Haben zusammengelegt. Wir dachten, ihr könntet es vielleicht gebrauchen", antwortete er auf die stumme Frage.
„Vash?"
Sie richtete sich unwillkürlich auf, als sie John hinter sich wahrnahm.
Dorns Lächeln wurde zu einem Grinsen. Er nickte verständnisvoll. „Wollte nicht stören."
John lugte mit langem Hals um die Tür herum. „Guten Morgen, Sergeant", begrüßte er den Älteren.
„Colonel, Sir." Dorn salutierte kurz, dann stieg er die Treppe wieder hinunter.
Vashtu sah ihm nach, bis er im unteren Stockwerk verschwunden war.
„Netter Kerl", bemerkte John hinter ihr. „Ich mag ihn."
Sie nickte, noch immer überrascht von dieser Morgengabe, bückte sich nach dem Korb. „Ich mag ihn auch", sagte sie, hob den Korb an und drehte sich um. „Scheint, als hätten da einige Leute zusammengelegt im SGC." Ratlos betrachtete sie den Präsentkorb, der in durchsichtige Folie verpackt war.
„Endlich was zu essen! Ich dachte schon, wir beide verhungern irgendwann." John schloß die Tür hinter ihr, während sie den Korb in ihr Wohnzimmer trug und auf dem Tisch abstellte. Dann hockte sie sich davor auf den Boden und betrachtete das unverhoffte Geschenk nachdenklich.
„Du scheinst ziemlich gute Freunde zu haben, wenn sie sich so um dich kümmern."
Wieder stand John hinter ihr, sie konnte ihn sehr genau spüren. Als er sich zu ihr hinunterbeugte, hob sie den Kopf.
„Ich wußte gar nichts davon", sagte sie.
John zog sie wieder auf die Beine und schloß sie fest in seine Arme. Liebevoll betrachtete er sie. „Ein Grund mehr, dankbar zu sein", flüsterte er und küßte sie.

***

„An Major Vashtu Uruhk & Lt. Col. John Sheppard. Einen schönen Urlaub mit vielen unvergeßlichen Momenten wünschen SG-27 und SG-1?" John sah fragend auf. „Was läuft denn da?"
Vashtu stand in ihrer Küche und wartete, daß das Wasser endlich kochte. „Ich habe dir doch gesagt, daß mein Team mit SG-1 zusammenarbeitet - zumindest ab und an", antwortete sie schulterzuckend.
John hob die Brauen. „Aha?"
„SG-1 hat mir auch zu meinem Militäreintritt eine Kleinigkeit geschenkt", fuhr sie zögernd fort und goß heißes Wasser in die beiden Tassen.
„Hattest du nicht immer wieder betont, daß du mit Dr. Jackson nicht zusammenarbeiten könntest?" fragte John. „Und war da nicht irgendetwas zwischen Lt. Colonel Mitchell und dir?"
Vashtu verzog das Gesicht. „Zumindest mit Jackson komme ich inzwischen ganz gut aus, seit Babbis das künstliche Gen trägt. Jetzt ist er es, der ständig in seinem Labor sitzen und Geräte ausprobieren muß. Ich helfe nur noch ab und an bei Übersetzungen mit."
John sah sie noch immer auffordernd an. Sie stellte ihm eine Tasse mit Instant-Kaffee hin, ließ sich dann wieder auf dem Sofa nieder und tauchte ihren Teebeutel nervös in ihre Tasse.
„Und Mitchell?"
Verärgert sah sie auf. „Dieser ... dieser ..." Sie winkte ab. „Mitchell ist in meinen Augen ein Trottel. Ich weiß nicht, wie es ihm gelungen ist, die anderen Mitglieder von SG-1 zu reaktivieren. Ich schätze, vor allem Lt. Colonel Carter wird sich da wohl das eine oder andere von ihm anhören müssen, so wie er mich immer behandelt. Teal'C ist ein Trainingspartner von mir, mit ihm komme ich am besten aus. Und was Jackson angeht ... naja, seit ... seit Antarktica hat sich einiges zwischen uns geklärt, denke ich."
John erhob sich vom Boden und setzte sich neben sie auf das Sofa. „Also weiß Dr. Jackson auch von deiner ominösen Stadt?" fragte er.
„Sie ist nicht ominös!" brauste Vashtu auf und funkelte ihn an.
John lächelte und streichelte ihre Wange. „Du siehst hinreißend aus, wenn du wütend bist, Vash", kommentierte er ihre Reaktion, wurde dann wieder ernst und zog sie an sich. „Dieses Vineta ist weit entfernt und seit mehr als zehntausend Jahren eine Ruine. Ich glaube nicht, daß es da noch irgendeine Gefahr gibt, Vash. Du machst dir zuviele Sorgen. Wenn es tatsächlich Devi in der Milchstraße geben sollte, dürften die degeneriert sein und keine große Gefahr mehr darstellen. Alles andere ist außerhalb unserer Möglichkeiten."
„Wenn es doch so wäre!" Vashtu seufzte und ließ sich liebevoll an ihn drücken. Doch ihre Stirn blieb gerunzelt.
„Was meinst du?"
„Die einzige Verbindung nach Vineta fand über Atlantis statt, John." Düster blickte sie auf. „Benutzt bitte die MALPs, wenn ihr irgendeine Adresse aus dem Speicher anwählen wollt, hörst du? Ich möchte nicht ..." Sie stockte, als er entschieden den Kopf schüttelte.
„Wir wählen kaum Adressen an, die nicht Teyla oder Ronon ein Begriff sind, Vash. Es geht uns um Verbündete, Feinde haben wir uns inzwischen genug geschaffen."
„Hoffentlich!" Sie seufzte.
John schob seine freie Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. Sanft küßte er sie, sah sie dann streng an. „Ich kann es dir wirklich jeden Tag tausendmal sagen, Vash: Du bist nicht schuld an dem, was in Vineta schief gelaufen ist, hörst du? Und ich werde garantiert nicht diese Stadt betreten, das schwöre ich dir."
Sie nickte, doch die kleine Stimme in ihrem Inneren schrie sie wütend an, daß sie beide noch lange nicht wissen konnten, was auf sie zukam.
John sah sie an. „Okay?" fragte er endlich.
Vashtu kniff die Lippen aufeinander und senkte den Blick.
„Du bist nicht schuld", wiederholte er eindringlich. „Okay?"
Sie seufzte.
„Du bist nicht schuld. Ich kann das wirklich tausendmal sagen, ob du es nun hören willst oder nicht." Liebevoll strich er ihr mit den Lippen über die Wange. „Okay?"
„John, ich ..." Sie hob die Augen wieder.
„Du bist nicht schuld!" Streng sah er sie an und schüttelte den Kopf.
Wider Willen mußte sie nun doch schmunzeln.
„Okay?" Er hielt ihren Blick gefangen
Vashtu schüttelte den Kopf.
„Du bist nicht schuld. Okay?" In seine Augen trat ein leiser, spitzbübischer Funke.
Sie nickte. „Okay."
Befriedigt nickte er, wandte sein Interesse jetzt wieder dem Präsentkorb zu. „Dann laß uns einmal sehen, was zwei SG-Teams so für Vorlieben haben." Er zog das Behältnis näher an sich heran und hob eine Dose aus dem Korb. „Schildkrötensuppe", las er dann laut vor.
Vashtu kicherte und nahm ihm die Konserve ab. „Eingelegte Litshis, John. Du solltest lesen lernen."
„Sag ich doch." Er zwinkerte ihr zu, hob eine Banane aus dem Korb und zielte spielerisch auf sie. „Keine Bewegung, Major, sonst drücke ich zu."
Vashtu lehnte sich lachend an ihn. Die Sorgen waren im Moment wirklich vergessen, und das war gut so. Sie wollte nicht ihre Beziehung zu John riskieren wegen ihrer Schuldgefühle. Obwohl er, und das spürte sie sehr genau, was die Wraith betraf, ebenso empfand wie sie wegen Vineta.
„Ein paar Vitamine?" schlug er vor, schälte bereits die gelbe Frucht und hielt sie ihr hin.
Vashtu biß ab und blickte auffordernd zu ihm hoch.
John ließ sich diese Möglichkeit nicht entgehen. Er beugte sich zu ihr hinab und schloß seine Lippen über ihrem geöffneten Mund. Vashtu drückte einen Teil der Frucht nach vorn und biß dann noch einmal ab, einen Teil ihm zuschiebend. Doch darauf schien er es gar nicht angelegt zu haben. Seine Zunge drücke leise gegen ihre Zähne und forderte vehement Einlaß, bis sie ihm diesen gewährte. Ein angenehmer Schauer durchrieselte sie, als die Hand, die sie bis jetzt gehalten hatte, sanft über ihre Schulter strich. Sie ließ sich nach hinten sinken, umschlang ihn mit beiden Armen und zog ihn nach, so gut es ging.
Er hob langsam den Kopf und kaute jetzt doch, noch immer dieses Funkeln in den Augen. „Wir haben uns noch gar keinen Appetit gemacht", sagte er dann sanft und legte die Banane zur Seite. Wieder beugte er sich über sie und küßte sie leidenschaftlich. Seine nun freie Hand glitt unter das Hemd und berührte ihre Brust.
Vashtu stöhnte auf.
Er schob sich etwas anders auf das Sofa, sie immer noch unter sich haltend. Seine Finger knöpften das Hemd auf, strichen es vorsichtig beiseite, als öffne er ein selten kostbares Geschenk.
„Du bist unmöglich!" stieß sie hervor, als er wieder begann, ihre Brüste zu massieren.
„Essen vor dem Frühsport ist ungesund und macht träge", entgegnete er bestimmt.
Vashtu kuschelte sich so eng wie möglich an ihn und schloß die Augen, von einer tiefen und satten Befriedigung erfüllt.
Unwillig blinzelte sie, als John sich bewegte, schlang die Arme fest um ihn. „Nein, so nicht", murmelte sie, „nicht so schnell."
Er küßte sie kurz, schlüpfte dann aus ihrer Umarmung. „Doch, genau so schnell", sagte er sanft und richtete sich auf. „Oh je, was haben wir eigentlich mit deiner Wohnung angerichet?"
„Sag lieber, mit deiner Wäsche." Widerwillig richtete sie sich denn doch auf und sah sich um.
„Upps!" John betrachtete das Chaos. „Und jetzt?"
Seufzend blieb ihr Blick an ihrem Bügeltisch hängen. Ob sie den jemals wieder reparieren konnte?
„Duschen und frühstücken, eins nach dem anderen", schlug sie vor. „Und deine Wäsche aufsammeln und ins Schlafzimmer bringen. Ich kann dir, wenn du möchtest, ein bißchen Platz im Schrank freiräumen."
John schlang ihr einen Arm um die Schultern. „Frühstücken", sagte er bestimmt. „Um den Rest ..." Wieder ein Blick durch den Raum. Dann blinzelte er plötzlich und senkte den Kopf. „Du würdest mir ein bißchen Platz in deinem Schrank einräumen?"
Vashtu nickte überrascht. „Natürlich", antwortete sie, „es sei denn, du willst in deine Wohnung."
„In meine ... ?" Er schloß den Mund, seine Brauen senkten sich. „Ich habe keine Wohnung auf der Erde, Vash. Meine Sachen sind eingelagert."
Überrascht erwiderte sie seinen Blick. „Du hast keine Wohnung? Aber ..." Jetzt schloß sie den Mund.
Natürlich, warum sollte er auch eine Wohnung auf der Erde unterhalten. Die meiste Zeit hielt er sich in der Pegasus-Galaxie auf. Es war überflüssig, sich auf der Erde eine Bleibe zu suchen. Sie wußte selbst nicht, wie sie darauf gekommen war.
Seine Augen wurden sanft. „Aber das Angebot ist verlockend, muß ich zugeben", sagte er und beugte sich vor. „Sehr verlockend sogar." Wieder küßte er sie.
Vashtu gab einen wohligen Laut von sich, als sich ihre Lippen wieder trennten. Sie kuschelte sich eng an ihn und lächelte. „Meine Tür steht dir immer offen."
„Okay."
Ihn mit beiden Armen umfassend drückte sie sich so eng wie möglich an ihn und blickte zu ihm auf. „Immer, John. Das SGC hat dieses Apartment gekauft. Ein Teil meines Gehaltes wird einbehalten, also ist das hier mein Eigentum."
Er sah überrascht zu ihr hinunter. „Du kaufst dir eine Wohnung auf der Erde?"
Sie nickte. „Ich habe einen Platz gesucht, an den ich mich zurückziehen konnte. Nach einigen Debatten stimmte Landry zu, aber nur, wenn es Eigentum wäre."
Er hob die Brauen. Irgendwie war ihm diese Logik ... Die Erde hatte wirklich nichts unversucht gelassen, Vashtu an sich zu binden. Dabei hatte er allerdings auch das Gefühl, daß sie das ganze nicht so empfand. Für sie war es etwas normales, etwas, daß sie auch wieder loswerden konnte, wenn sie wollte. Sie hatte sich gebeugt, aber ihre eigene Logik spielen lassen bei der Entscheidung.
„Dann nehme ich das Angebot gern an", sagte er, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Präsentkorb. „Und jetzt sollten wir endlich sehen, was dein Team und SG-1 sich so haben einfallen lassen für uns."
Vashtu warf ihm einen irritierten Blick zu.
Wie sollte sie je aus diesem Mann schlau werden? Sie wußte es nicht. Jedesmal, wenn sie glaubte, endlich alle seine Facetten zu kennen, fügte er ihr wieder eine neue hinzu.
„Cracker!" Triumphierend hielt er ihr eine Packung Salzgebäck hin. „Das ist doch schon mal was. Und ..." Er kramte in dem Korb, förderte dann ein Glas mit hellbraunem Inhalt hervor. Seine Augen leuchteten auf. „Erdnußbutter!" Er schraubte den Deckel ab und riß ungeduldig den Frischhalteverschluß auf. Dann tauchte er einen Finger in die Masse und zog ihn wieder heraus. Mit einem spitzbübischen Lächeln hielt er ihr das Ergebnis hin. „Hast du schon einmal gekostet?"
„Erdnußbutter?" Ungläubig starrte sie ihn an, während sein Finger sich immer ihrem Mund näherte. „Natürlich."
„Aber nicht so, oder?"
Vashtu sah ihn scheel an. Sanfter Geruch nach Erdnüssen stieg ihr in die Nase. Sie öffnete den Mund und ließ zu, daß er ihr seinen Finger in die Mundhöhle schob. Dann leckte sie die Masse ab und saugte ein wenig.
John atmete tief ein, zog seinen Finger wieder zurück, um sich zu ihr hinzubeugen und in den nächsten Kuß zu ziehen. Genüßlich leckte er sich danach die Lippen. „Lecker."
Vashtu lachte und schüttelte den Kopf. „Okay, mit Erdnußbutter kann man also noch mehr tun, als sie aufs Brot zu schmieren."
„Uns wird sicher noch eine lohnende Verwendung einfallen. Dankend angenommen." John schraubte das Glas wieder zu und stellte es auf der anderen Seite des Korbes ab.
„Was soll das werden?" Vashtu runzelte die Stirn, als er jetzt die nächsten Überraschungen zu Tage förderte.
„Nützliches von Nahrhaftem trennen", kommentierte er, hielt eine kleine Dose hoch. „Gänseleberpastete? Wow!" Mit großen Augen stellte er die Dose zu den Crackern und der Dose mit dem eingelegten Obst.
„Weintrauben!" Vashtu streckte begierig die Hand aus, doch er war schneller. Sofort legte er sie neben dem Glas Erdnußbutter.
„Hey!"
„Später, Vash, später." Wissend nickte er. „Mit Weintrauben läßt sich auch eine Menge Spaß haben, glaube mir."
Sie lehnte sich wieder an ihn und beobachtete, was er als nächstes aus dem Korb zauberte.
„Eine Flasche Wein, edel." Wieder ein anerkennendes Nicken, dann ein Stirnrunzeln. „Wohin? Nützlich kann er sein, nahrhaft ist er auf jeden Fall, mh ..." Kurzentschlossen wanderte er zu den Weintrauben. „Wenn uns der Sekt ausgeht."
„Hä?"
„Du hast doch eine Flasche Sekt im Kühlschrank, oder?" Er sah sie fragend an.
„Das ist nicht meine. Die gehört Babbis. Er hat sie mitgebracht, als er seinen Doktortitel feierte", entgegnete sie.
„Dann kauf eine neue. Die werden wir brauchen, glaube mir."
Als nächstes förderte er ein kleines, weißes Päckchen zu Tage, das den Eindruck erweckte, aus einem Drugstore zu stammen. Stirnrunzelnd drehte er es in den Fingern. „Sehr früh für soetwas", kommentierte er ein wenig säuerlich.
„Was ist das?" Vashtu streckte die Hand aus und nahm es ihm ab. „Kondome? Was ist das?" Irritiert blickte sie auf. „In mehreren Geschmacksrichtungen? Ich verstehe nicht."
John seufzte. „Verhütungsmittel", antwortete er und zuckte mit den Schultern. „Bisher haben wir ... äh ... nicht daran gedacht."
Vashtu nickte verständnislos und drehte das kleine Paket immer wieder in den Händen. „Und warum verschiedene Geschmacksrichtungen? Da unten habe ich keinen Geschmackssinn, was bringt das also?" Im Stillen beschloß sie, sich einmal mit Marnie Evans zu unterhalten, sobald sie wieder im SGC war. Was sollte das Wort „Verhütungsmittel" bedeuten? Sie hatte nicht die blaßeste Ahnung.
„Geschmacksrichtungen nicht für ... äh ... das ist eine andere Geschichte." John war tatsächlich rot geworden, als sie wieder aufblickte. „Manche ... mh ... Männer und Frauen mögen es, wenn ... äh ... naja ..."
Sie nickte ihm auffordernd zu und blinzelte immer noch verständnislos. „Ja?"
Er seufzte und runzelte die Stirn. „Manche Frauen nehmen ... äh ... den Penis ihres Partners in den Mund während des Liebesspiels."
Vashtu bekam große Augen. Ihr Blick wanderte an ihm herunter und blieb an der Blöße zwischen seinen Beinen hängen. „Sie nehmen ... in den Mund? Wozu?"
„Weil ... sie ... es soll ... Manche Männer finden das erotisch. Man nennt das ... äh ... sich einen blasen lassen." Er wand sich sichtlich unter ihrem verständnislosen Blick.
„Magst du das auch?" fragte sie irritiert.
Jetzt schluckte er sichtlich. „Ich ... nein ... ich meine ..." Er schloß den Mund und grabschte nach dem Päckchen. „Ist jetzt eh egal!"
Vashtu entzog die Kondome seiner Reichweite. „Magst du das?" wiederholte sie ihre Frage.
„Ich habe es noch nicht ausprobiert." Er sank ziemlich zusammen bei diesen Worten.
Vashtu runzelte die Stirn, betrachtete dann wieder das Päckchen mit den Kondomen in ihrer Hand. „Sollen wir es ausprobieren?"
„Du willst ... ? Du mußt nicht ... ich meine ... das muß nicht sein!"
„Mh!" Stirnrunzelnd wanderte ihr Blick zwischen den Kondomen und ihm hin und her. Dann reichte sie ihm das Päckchen zurück. „Tu es zu den nützlichen Sachen. Vielleicht probieren wir es noch aus", entschied sie.
John starrte sie groß an. „Du willst das tatsächlich versuchen?"
Sie zuckte mit den Schultern. „Weiß noch nicht. Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen."
Irgendwie empfand sie allein die Vorstellung als etwas ... gewöhnungsbedürftig, zugegeben. Aber vielleicht ergab sich eine Gelegenheit. Außerdem war sie neugierig geworden auf diese Kondome und wollte näheres zu ihnen erfahren.
John warf ihr einen skeptischen Blick zu, legte das Päckchen aber gehorsam zu den anderen Sachen.
„Und was gibt es sonst noch in dem Korb?" Sie lehnte sich wieder an ihn und linste in die aufgerissene Folie hinein.
John zögerte, griff dann aber doch zu und holte nacheinander zwei rotbackige Äpfel hervor.
„Vitamine!" Vashtu lächelte. „Bestimmt von Teal'c."
„Dann waren die Kondome von Mitchell." Er verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf, als müsse er eine bestimmte Vorstellung loswerden.
Vashtu machte einen langen Hals. „Sahne?"
John beugte sich jetzt ebenfalls nach vorn und holte eine Druckflasche aus dem Korb. „Schlagsahne. Eindeutig nützlich." Für diese Worte erntete er wieder einen scheelen Blick, doch die Antikerin schwieg und wartete auf die nächste Überraschung.
„Eine, nein zwei Orangen." Die Früchte wanderten auf die Seite der Lebensmittel.
Beim nächsten Griff in den Korb förderte John eine Tube hervor. „Sardellenpaste ..." Er tauschte einen Blick mit Vashtu.
„Einen dritten Stapel", schlug sie vor, „mit überflüssigem."
Er nickte, beugte sich vor und legte die Tube hinter den Korb. Dabei fiel sein Blick in das Behältnis hinein. „Ein Buch?"
Vashtu beugte sich jetzt ebenfalls vor, während er die aufgerissene Folie mit den restlichen Dingen darin vorsichtig aus dem Korb hob brachte sie das Buch an sich.
„Kama Sutra?" Ratlos blickte sie auf. Der Einband verriet nichts außer daß dieses Buch offensichtlich irgendwo aus einem anderen Land stammen mußte von der Schrift her.
John stöhnte auf. „Nicht noch mehr Ideen!" Dann aber verlor er das Interesse an dem restlichen Inhalt des Korbes, entwand ihr statt dessen das Buch und begann darin zu blättern.
„Hey!" Vashtu beugte sich vor - und bekam große Augen. „Wow! Geht das wirklich?"
John neigte den Kopf leicht zur Seite und betrachtete die aufgeschlagene Grafik recht irritiert. „Keine Ahnung, angeblich ja. Aber ... Dazu muß man ein Schlangenmensch sein."
„Ein was?"
Er blätterte ungeduldig weiter. „Jemand, der sehr biegsame Gelenke hat. Diese Menschen werden bei uns Schlangenmenschen genannt. Wow! Sieh dir das an!"
„Von wem das wohl ist?" Vashtu betrachtete auch die nächste Grafik mit äußerster Skepsis. „Das kann man unmöglich tun, John! Soweit kann ich mich nicht verbiegen, da kann ich noch so beweglich sein."
Er schüttelte den Kopf und schlug das Buch zu. „Gruselig", kommentierte er.
Vashtu entwand es ihm wieder und schlug die erste Seite auf. Mit großen Augen las sie, dann begann sie zu lachen. „Ich hätte es mir denken können!" Noch immer vor sich hinglucksend hielt sie ihm die aufgeschlagene Seite hin.
John las:
„Ein paar nette Anregungen für euch beide, die ihr vielleicht gebrauchen könnt. Falls ihr bei dem einen oder anderen Hilfe braucht, ruft mich nur an, ich bin gern für Tips oder mehr zu haben. Vala"
Mit großen Augen sah er auf. „Vala? Diese Frau, die an Jackson hängt wie eine Klette?"
Vashtu nickte, noch immer amüsiert. „Sie hat deutliches Interesse an dir bekundet, nachdem SG-1 von Atlantis zurückgekehrt ist."
„Was?"
Sie beugte sich vor und umarmte ihn. „Ich habe ihr gesagt, daß du nicht mehr zu haben bist, John. Aber ... sie ist eben auch etwas ... unkonventionell", gurrte sie ihm ins Ohr.
„Das stimmt." Noch immer sah er sie etwas scheel an, dann wurde sein Blick wieder zärtlich und er zog sie an sich. „Nette Geschenke, die man uns da gemacht hat. Wer ihnen wohl verraten hat, daß wir beide uns wieder vertragen würden?"
Sie küßte ihn kurz. „Keine Ahnung. Weißt du es vielleicht?" wisperte sie.
„Vielleicht ..." Er zog sie an sich und küßte sie leidenschaftlich.

***

„Ist er hier?"
Vashtu blickte von dem Benzinmotor, an dem sie gearbeitet hatte, auf und runzelte die Stirn. „Wer?" fragte sie.
Vala, die in der geöffneten Tür stand, runzelte ungeduldig die Stirn. „Dieser knuddelige Doktor aus Atlantis. Ist er hier?"
Die Antikerin richtete sich auf und wischte sich die Hände an einem schmutzigen Lappen ab. Obligatorisch warf sie einen forschenden Blick um sich, zuckte dann mit den Schultern. „Wenn du Beckett meinst, nein, hier ist er nicht. Oder siehst du ihn irgendwo?"
Vala schob die Unterlippe ein wenig schmollend vor, nickte dann aber. „Okay. Falls du ihn sehen solltest, Vash, sag ihm bitte, daß Landry ihn sehen will."
Die Antikerin nickte. „Geht klar. Ich richte es ihm aus, wenn ich ihn treffen sollte. Ist allerdings unwahrscheinlich. Meines Wissens weiß er nicht einmal, wo mein Büro ist."
Vala sah sich wieder aufmerksam um, dann zuckte sie mit den Schultern. „Vergiß nicht den Frauen-Pokerabend bei Marnie. Ich kann doch bei dir schlafen?"
„Klar, war doch so abgemacht." Vashtu lächelte.
„Gut." Vala schloß die Tür wieder hinter sich.
Die Antikerin beobachtete aufmerksam das Milchglas und zählte bis zehn, als sie keinen Schatten mehr wahrnehmen konnte. „Sie ist weg", sagte sie dann einfach nur.
Carson Beckett kroch wenig elegant unter ihrem Schreibtisch hervor, klopfte sich den Staub von den Hosen und seufzte erleichtert.
Vashtu sah ihn kopfschüttelnd an. „Was war das denn für eine Vorstellung?" fragte sie nach einer kleinen Weile.
Beckett blickte auf. „Diese Frau ist wahnsinnig!"
„Das behaupten auch einige von mir, Carson." Vashtu schmunzelte. „Vala ist ein wenig ungewöhnlich, selbst für meinen Geschmack. Aber sie hat das Herz am rechten Fleck, wie es hier auf der Erde heißt. Sie wird Ihnen schon nichts tun."
Beckett warf ihr einen zweifelnden Blick zu, sah dann wieder zur Tür. „Sicher, daß sie sich nicht irgendwo verschanzt auf dem Weg in Landrys Büro?"
Vashtu schürzte die Lippen. „Nicht sicher, aber ziemlich unwahrscheinlich." Sie drehte sich wieder zu dem Mediziner um. „Warum haben Sie solche Angst vor ihr? Vala ist merkwürdig, aber an für sich ganz in Ordnung. Wenn man weiß, wie man mit ihr umgehen soll, ist es gar nicht so schwer, an sie heranzukommen und richtig zu nehmen. Von John wird sie ihre Finger lassen, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie Sie mir auch zugestehen wird."
„Was?" Beckett bekam große Augen.
Vashtu nickte. „Wir haben das unter uns abgemacht. Sie zeigte mir ein bißchen viel Interesse an John, nachdem sie aus Atlantis zurück war", erklärte sie. „Da habe ich ein ernstes Wort mit ihr gesprochen. Sie merkt es sich, zumindest hoffe ich das. In erster Linie ist sie eh mehr an Daniel Jackson interessiert."
„Ihr Frauen teilt uns Männer unter euch auf?" Seine Augen wurden immer größer.
„Nicht wirklich. Aber wenn es sich ergibt, werden gewisse notwendige Absprachen getroffen." Sie sah den Mediziner wieder forschend an. „Sagten Sie mir nicht, daß Sie eine nette Frau suchen? Wäre Vala da nicht etwas für Sie?"
„Um Gottes Willen nein!" Beckett hob abwehrend die Hände.
Vashtu zuckte mit den Schultern. „Dann nicht."
Der Schotte atmete erleichtert auf.
„Allerdings frage ich mich, was ihr alle gegen Vala habt." Vashtu runzelte die Stirn. „Okay, sie ist wirklich etwas merkwürdig, sogar für mich, aber an für sich komme ich sehr gut mit ihr aus."
„Vielleicht, weil manche meinen, Sie wären ebenfalls nicht ... äh ... ganz von dieser Welt?" wagte Beckett zu bemerken. „Vashtu, Sie sind an für sich eine sehr nette Frau, die sich manchmal etwas ... burschikos verhält und durchaus auszuteilen vermag. Aber diese Vala ... Für mich ist sie einfach nur ein männermordendes Etwas."
Vashtu stutzte wieder. „Ist sie aber nicht", entgegnete sie.
„So kann man sich irren. Auf jeden Fall danke für die rasche Hilfe."
Die Antikerin nickte. „Viele Grüße nach Atlantis, Carson. Und ... besondere Grüße an John. Sie haben meinen Brief?"
Beckett nickte. „Der Colonel würde sagen, nicht einmal der Zoll wird ihn finden."
Vashtu lächelte. „Danke für Ihre Hilfe, Carson. Ich hoffe, irgendwann ..." Sehnsucht trat in ihre Augen.
„Irgendwann, Vashtu, das ist sicher." Beckett trat näher, reichte ihr die Hand. Dann warf er einen Blick auf den teils zerlegten Motor. „Ein neues Hobby?"
„Babbis erklärt mir, wie Ihre Geräte funktionieren. Dabei nehmen wir dann schon einmal das eine oder andere auseinander."
Der Mediziner nickte wieder. „Viel Glück, Vashtu. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder."
„Hoffentlich. Und laufen Sie Vala nicht wieder über den Weg. Mein Büro ist nicht direkt von jeder Ebene zu erreichen."
„Ich werde aufpassen." Damit wandte er sich ab und verließ das Büro.
Vashtu sah ihm nach, nicht ahnend, wann und wie sie ihn wiedersehen sollte. Doch diese Frage würde ein anderer bald für sie beantworten: Acastus Kolya.

***

John betrat das Schlafzimmer, einen wieder ordentlich zusammengelegten Kleiderstapel auf den Armen. Auf der Höhe des Terrariums blieb er stehen und bewunderte das Bild, das sich ihm bot.
Vashtu hatte ihren Schrank geöffnet, war gerade damit beschäftigt, ihm ein Fach freizuräumen und wandte ihm dem Rücken zu. Ihr Körper war nur mit einem knappen Top und einem neuen Slip bekleidet, so daß immer wieder wesentlich mehr Haut durchblitzte, als vielleicht nötig gewesen wäre. Sie sah einfach ... verführerisch aus.
John räusperte sich, dann stutzte er, als sie etwas aus dem Schrank zog. Er beugte sich etwas vor und blinzelte.
„Ein Skateboard?" Überrascht hob er die Brauen.
Vashtu drehte sich um, das Fortbewegungsmittel noch immer in den Händen. „Ja", antwortete sie einfach und trat zur Seite. „Ich muß es wohl irgendwo anders unterbringen. So oft brauche ich es jetzt nicht mehr, darum habe ich es erst einmal in den Schrank geräumt."
John nickte. Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Ich erinnere mich, du hattest mir meins stibizt auf Atlantis." Sein Blick fiel wieder auf das Board. „Sieht aber reichlich gebraucht aus. Bist du so oft gefahren?"
„Ehe ich den Führerschein hatte ja. Ich bin damit zur Arbeit und wieder zurück gefahren." Sie grinste schuldbewußt.
John riß die Augen auf. „Du bist was?"
„Ich habe mich an andere Fahrzeuge drangehängt und mich von ihnen ziehen lassen. Ich wußte nicht, daß das verboten ist. Für mich war es eine billige Alternative, bis O'Neill mir das Motorrad schenkte." Sie zuckte mit den Schultern und trat zur Seite. „Du kannst deine Sachen einfach reinräumen."
John sah sie immer noch verständnislos an. „Na klar, Marty McFly", murmelte er nach einer kleinen Weile.
„Wer?"
„Vergiß es." John seufzte.
Warum wunderte ihn überhaupt noch irgendetwas bei ihr? Warum sollte sie nicht auf andere Lösungen kommen als jemand, der auf der Erde aufgewachsen war? Natürlich kannte sie sich mit den hiesigen Gepflogenheiten nicht gut genug aus, um wirklich zu begreifen, warum sie scheinbar die einzige war, die auf diese eine Lösung gekommen war. Wenn ihr dazu niemand erklärte, daß solche Dinge wie das Ranhängen an andere Fahrzeuge streng verboten war ...
John schüttelte den Kopf und begann, seine Kleider in den Schrank zu räumen.
Irgendwie ... Er liebte sie nur noch mehr für solche Späße, wie sie sich offensichtlich geleistet hatte in der Zeit, seit sie auf die Erde gekommen war. Sicher hatte sie es nicht einfach gehabt, wenn man ihr schon so einfache Dinge wie den Umgang mit einem Skateboard nicht erklärte. Daß sie dennoch eine Lösung für ihre Probleme gefunden hatte machte sie umso reizvoller in seinen Augen. Vor allem, da er, wie er sich selbst eingestand, früher selbst mit dem einen oder anderen Gedanken gespielt, ihn aber nie ausgeführt hatte.
Vashtu rollte das Board unter ihr Bett, richtete sich dann wieder auf, gerade als er sich umdrehte. Er konnte nicht anders. Er trat zu ihr und umarmte sie von hinten.
„Du bist wirklich einmalig, Vash", flüsterte er ihr ins Ohr. „Einfach nur einmalig. Mit dem Skateboard zum Cheyenne-Mountain!"
„Irgendwie mußte ich ja zur Arbeit, und niemand hat es mir erklärt." Sie lehnte sich an ihn, ihr Kopf lag an seiner Schulter. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen.
John küßte sie sanft auf die Schläfe und drückte sie. „Einmalig, die Idee hätte wirklich von mir stammen können."
Vashtu sah zu ihm auf und grinste.

***

„Willkommen zurück in Atlantis, Doc." John hatte die Tür geöffnet und lächelte den kleineren Mediziner gewinnend an.
„Colonel, schön Sie zu sehen." Beckett drehte sich um und betrachtete seufzend sein Quartier. „Wieder daheim zu sein ... komisch."
„Dürfte ich vielleicht ..."
Beckett fuhr wieder herum, nickte dann. „Entschuldigen Sie, John. Ich bin nur in Gedanken noch bei der Reise."
Er trat ein und ließ die Tür hinter sich zufahren. „Klar, verstehe. Alles in Ordnung auf der Erde?" Die Wahrheit getraute er sich nicht zu sagen. Er wußte nicht einmal, ob es dem Schotten gelungen war, überhaupt Kontakt zu Vashtu herzustellen, geschweige denn, eine Antwort von ihr zu erhalten. Die letzten Male, als er auf der Erde gewesen war, war sie jedesmal fort gewesen, auf Außenmission, mit irgendeinem SG-Team.
John biß sich auf die Lippen und lehnte sich an die Wand neben der Tür.
„Oh, es war merkwürdig, es ist ja jedes Mal merkwürdig, nicht wahr?" In Becketts Augen trat ein verträumter Ausdruck. „Aber es war schön, die Lieben einmal wiederzusehen."
John nickte stirnrunzelnd, kämpfte mit seiner eigenen Ungeduld.
Seit mehr als einem Vierteljahr war Vashtu fort, und er suchte noch immer den Kontakt zu ihr. Er wußte selbst nicht genau, was er sich davon versprach, hoffte, man würde ihm seine Sehnsucht nicht allzu sehr anmerken. Dennoch war und blieb es wie es war. Er vermißte die Antikerin, gleich, was andere dazu meinen mochten. In seinen Augen war sie etwas besonderes, und was jetzt geschah, diese strikte Verhinderung jeglichen Kontaktes zwischen ihnen, schmerzte ihn tiefer, als er jemals geglaubt hatte.
Beckett begann seine Reisetasche auszupacken. „Das Wetter in Schottland war wie immer - einfach ... naja, verregnet. Aber meine Mutter macht wirklich den besten Haggis, den Sie je kosten werden."
John nickte etwas verzweifelt, war sich allerdings ziemlich sicher, daß er ein solches Gericht beim besten Willen nicht herunterkriegen würde. Allein die Vorstellung ließ eine Gänsehaut auf seinen Armen wachsen.
„Und ... äh ... sonst?" fragte er, nachdem der Mediziner in seinem Bericht stockte.
Beckett drehte sich zu ihm um. „Ach ja, im SG-Command ist alles beim alten, einmal abgesehen von der einen oder anderen Schwierigkeit. Man sagte mir, ... Ach!" Er tippte mit den Händen an seinem Sakko herum und zog schließlich eine Brieftasche hervor. Dieser entnahm er einen Briefumschlag. „Das ist von Vashtu. Sie läßt Sie auch besonders grüßen, Colonel. Den Rest können Sie sich, hoffe ich, denken."
Johns Augen hafteten auf dem Umschlag als seien sie festgeklebt. Er atmete einige Male tief ein, dann trat er entschlossen einen Schritt vor und streckte die Hand aus.
Eine Antwort! Beckett war es tatsächlich gelungen, bis zu der Antikerin vorzudringen und ihr sogar eine Antwort auf seinen Brief zu entlocken.
John nahm den Umschlag entgegen. Seine Finger zitterten ein wenig.
Wie lange hatte er sich nach einer Reaktion von ihr gesehnt? Wie lange war es her, daß er sie im Arm hatte halten können?
Warum hatte er damals nur soviel Zeit verschwendet mit Belanglosigkeiten und seinem eigenen Zögern. Er hätte vielleicht viel mehr haben können, und vielleicht wäre es ihm auch gelungen, Vashtu davon abzuhalten, Atlantis überhaupt zu verlassen.
„Ihr geht es gut", sagte Beckett mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. „Sie ... Nun, ich denke, ich muß nicht viele Worte machen, Colonel. Ihr ist das Herz mindestens ebenso schwer wie Ihnen, das können Sie mir glauben."
„Wie geht es ihr?" John schob den Umschlag in seine Jackentasche.
Später, sagte er sich. Später würde er sich für einige Minuten zurückziehen und ihre Worte in sich aufnehmen, wenn er allein war. Dann konnte er sich vielleicht vorstellen, daß sie bei ihm wäre.
Beckett neigte den Kopf leicht zur Seite und seufzte. „Sie hat sich verändert, John."
Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. Sollte das heißen, sie hatte ... ?
„Rein äußerlich, meine ich. Ich hätte sie fast nicht wieder erkannt, als ich sie sah. Ihr Haar ist ... kürzer und selbstverständlich trägt sie andere Kleider."
Erleichtert atmete er auf. Einen Moment lang hatte er wirklich befürchtet, sie hätte vielleicht jemand anderen getroffen.
„Vashtu hat jetzt übrigens ein eigenes Apartment", fuhr Beckett fort und schüttelte den Kopf. „Nett eingerichtet, wenn Sie mich fragen. Sie scheint viel in Second-Hand-Möbelhäusern und auf Flohmärkten zu sein und sich dort zu kaufen, was ihr gefällt."
„Und was tut sie?" Sie richtete sich auf der Erde ein, hatte eine eigene Wohnung! Das konnte er alles nicht so recht glauben. Wurde sie am Ende doch erwachsen?
„Oh, sie war bisher im Innendienst und half bei Übersetzungen und der Aktivierung von Gerätschaften ihres Volkes. Aber ich denke, das wird sie Ihnen auch in ihrem Brief mitgeteilt haben." Beckett nickte ihm zu, wollte sich wieder abwenden. Dann schien ihm plötzlich etwas einzufallen und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den militärischen Leiter der Atlantis-Expedition. „In einigen Tagen wird sie festes Mitglied in einem SG-Team. SG-15, falls Ihnen das etwas sagt."
John schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich", antwortete er.
Mitglied in einem fremden SG-Team. Wäre sie in Atlantis geblieben, hätte er sie mit in sein Team genommen oder ihr ein eigenes zugestanden. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was ihr alles für Barrieren in den Weg gestellt werden würden. Hier hätte sie sicher nicht so viel zu kämpfen gehabt mit Alltäglichkeiten.
„Ansonsten scheint sie sich ganz gut eingelebt zu haben auf der Erde." Beckett lächelte wieder. „Ich konnte sie leider nur kurz besuchen, Colonel. Vielleicht, wenn das nächste Mal etwas mehr Zeit ist. Vashtu ist schon eine außergewöhnliche Person." Er schmunzelte. „General O'Neill hatte mich zu ihr geschickt, weil die Wissenschaftler im SGC meinten, sie sei nicht teamfähig. Tatsächlich aber scheint es eher so zu sein, daß sie ... nun, unterfordert gewesen ist bisher. Es steht zu hoffen, daß sich das ändern wird, wenn sie regelmäßig in Außenwelteinsätze geschickt wird."
„Sie waren bei ihr?" Ein tiefes Verlangen zerrte an ihm. Beckett war bei Vashtu gewesen, er war in der Wohnung der Antikerin gewesen. Wie gern wäre er dort!
Beckett nickte. „Natürlich steht sie unter Bewachung, wenn sie diese MPs wohl auch gern einmal abhängt. Falls Sie wollen, ich bin sicher, es wird schon einen Weg geben, zumindest ihre Briefe zu tauschen."
„Ist sie denn noch ... Ich meine, will sie überhaupt ..." John schloß ein wenig hilflos den Mund. Das war eine Situation, in der er noch nie so tief gesteckt hatte. Er wußte einfach nicht, wie er sich verhalten sollte.
Beckett winkte ab. „Es wird sich schon ein Weg finden, John", entgegnete er. „Ich habe ohnehin den Eindruck, daß der Befehl nicht von General O'Neill kam sondern von ganz anderer Stelle. Irgendwann, davon bin ich überzeugt, werden sie beide sich durchsetzen können. Es mag jetzt zwar eine harte Zeit für Sie sein, aber ..." Er lächelte. „Wozu gibt es Liebesboten?"
John atmete auf. Er hatte sich auch nicht vorstellen können, daß ausgerechnet O'Neill gegen die Verbindung zwischen ihm und Vashtu sein konnte. Er hatte das von Anfang an nicht glauben können, dafür hatte der ehemalige Leiter des SGC einen zu tiefen und kameradschaftlichen Eindruck auf ihn gemacht, als er ihn in die Atlantis-Mission brachte.
„Ich ... Danke, Carson." Er lächelte.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Manchmal tut es gut, wenn man ein bißchen Abstand voneinander hat, John, glauben Sie mir. Andererseits ... Ich soll Ihnen von Vashtu noch ausrichten, daß Sie recht hatten mit Football."
„Wirklich!" Er strahlte über das ganze Gesicht. Er hatte gewußt, daß sie diesen Sport auch mögen würde.
Beckett trat näher, musterte ihn sehr genau. „Aber tun Sie ihr niemals weh, Colonel", sagte er mit fester Stimme. „Niemals, oder Sie haben nicht nur sie verloren, das schwöre ich Ihnen."
„Ich habe nicht vor, das zu tun. Eher würde ich ..." John schloß den Mund und tastete wieder nach dem Brief. Stirnrunzelnd biß er sich wieder auf die Lippen. „Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen. Danke nochmals, Doc."
Beckett nickte und lächelte ihn versonnen an.

***

Vashtu erwachte, als sie plötzlich Schreie und ein dumpfes Poltern hörte. Unwillig öffnete sie die Augen und runzelte die Stirn.
Was ging denn da wieder vor sich?
John gab einen unwilligen Laut von sich, drückte sie kurz an sich, ehe sein Griff wieder erschlaffte.
Wieder Stimmen.
Vashtu reichte es allmählich. Sie hatte Cavanough erkannt, und er schien wieder vor ihrer Tür zu sein. Jetzt hatte sie endgültig die Nase voll von ihrem Nachbarn.
So leise wie möglich entschlüpfte sie Johns Armen und richtete sich auf. Mit blossen Füßen tappte sie in den Flur und warf sich ihre Pilotenjacke über. Die war lang genug, und sie hatte nicht ewig Zeit, bis sie sich vollständig angezogen hatte. Sie schloß den Reißverschluß während sie zu ihrer Wohnungstür ging, drehte bereits den Schlüssel um, ehe sie überhaupt richtig fertig war und riß mit einem wütenden Funkeln in den Augen die Tür auf.
Dann aber blieb sie wie erstarrt stehen und glotzte einfach nur.
Die beiden MPs, die zu ihrer Bewachung abgestellt waren, standen vor ihr, ihre gesenkten Waffen zielten auf jemanden. Und dieser jemand war niemand anderes als ... Cavanough!
„Was ... ?" Vashtu blinzelte und fühlte sich wie in einem schlechten Traum. Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Ihr Nachbar blickte hoch, ihr ging im letzten Moment auf, daß er aus seiner Position wahrscheinlich mehr sehen würde, als ihr lieb war und wich unwillkürlich zurück. Doch Cavanough schien im Moment andere Probleme zu haben als ihr wieder irgendwelche Beleidigungen an den Kopf zu werfen.
„Miss Uruhk, sagen Sie diesen Wahnsinnigen, daß sie mich sofort losmachen sollen!" Seiner Stimme war deutlich die Panik anzuhören.
„Mam?" Der erste ihrer Leibwächter salutierte. „Wir fanden dieses Objekt, wie es mit einem verdächtig aussehenden Gegenstand vor Ihrer Wohnung herumschlich."
Vashtu nickte, blinzelte wieder. Dann begann sie endlich zumindest ansatzweise zu verstehen. „Was für einen Gegenstand?" fragte sie.
Sollte Cavanough am Ende die undichte Stelle sein, die sie wieder an den Trust verraten hatte? Dann hätte sie Tom zu unrecht beschuldigt und er war wahrscheinlich vollkommen unschuldig zwischen die Fronten geraten, weil er sie des öfteren besuchte.
Der MP wies mit verlegener Miene auf etwas auf dem Boden vor ihrem Schlafzimmerfenster. Vashtu reckte den Hals und atmete tief ein.
Eine Videokamera lag zerschellt unter dem Fenster. Und es fiel wirklich nicht schwer sich vorzustellen, was Cavanough damit hatte tun wollen.
In ihr brodelte wieder die Wut auf. „Ich kenne diesen Kerl nicht. Nehmen Sie ihn mit!" befahl sie.
„Das ist ihr Nachbar, Cavanough", sagte eine Stimme hinter ihr, zwei Hände legten sich auf ihre Schultern. „Aber ein kleines Verhör hätte er inzwischen schon verdient. Sergeant, warum konnte er uns gestern den ganzen Tag belästigen, ohne daß Sie eingeschritten sind?" John drückte kurz ihre Schultern, als wolle er sie beruhigen.
Die beiden MP wechselten einen Blick. „Da waren wir nicht im Dienst", erklärte der erste dann.
Vashtu atmete tief und kontrolliert ein, um nicht loszubrüllen vor Wut. „Es reicht mir! Mr. Cavanough, Sie können meinerseits mit einer Anzeige rechnen." Damit drehte sie sich um und marschierte an John vorbei in ihre Wohnung zurück.
Dumpf vor sich hinbrütend warf sie sich in ihren Sessel und zog die Beine an. Aus dem Flur hörte sie John noch einige Worte mit den beiden Militärpolizisten wechseln, dann schloß sich die Tür, der Schlüssel wurde wieder herumgedreht. Kurz darauf erschien er, noch vom Schlaf zerzaust und unzureichend bekleidet, in der Türöffnung und sah sie stirnrunzelnd an.
„Das war nicht nett", kommentierte er.
„Dieser ... dieser ..." Vashtu stieß einen Fluch in ihrer Muttersprache aus. „Gerade, wenn ich denke, alles läuft gut, taucht Cavanough auf. Der wollte uns filmen!"
John hob die Brauen, kreuzte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Türrahmen. „Aber ihn zu verleugnen und Storm ausliefern zu wollen ist auch keine Lösung, Vash." Er schmunzelte. „Obwohl die Vorstellung schon irgendwie reizvoll ist."
Vashtu schnaubte.
John trat langsam näher. „Jetzt komm wieder runter, Vash. Sicher, das war kein sonderlich schöner Weckdienst, aber zumindest für heute dürften wir den Kerl los sein."
Ihn anblitzend warf sie ihm einen wütenden Blick zu. „Und was bringt das? Morgen ist er wieder da."
„Müssen wir dann da sein?" John sah sie auffordernd an.
Vashtu blinzelte überrascht, dann richtete sie sich auf. „Du hast recht!" Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. „Wir wollten doch ohnehin ein bißchen skifahren."
John musterte sie amüsiert. „Habe ich nicht gesagt, du wirst noch Ideen haben? Was meinst du, was man im Schnee alles anstellen kann?"
„Es ist naß und kalt", kommentierte sie.
Er beugte sich zu ihr hinunter. „Ein schönes Picknick, sich dicht aneinanderkuscheln und gegenseitig wärmen", schlug er vor.
„Und dann, im Hotel ..." Ein Strahlen breitete sich über ihr Gesicht aus. Dann trat ein spitzbübisches Glitzern in ihre Augen. „Bist du eigentlich wirklich so gut, wie Faustus meint?"
Überrascht riß er die Augen auf. „Fau... Woher kennst du Faustus?"
„Aus MacMurdo?" Sie schlang die Arme um seinen Nacken und zog ihn dichter an sich heran, ehe er sich wieder aufrichten konnte. „Sollen wir gleich packen, oder möchtest du vielleicht erst ... ?" Sie wartete nicht auf Antwort, sondern zog ihn in einen langen, sehnsüchtigen Kuß.

***

Gut eine Stunde später kamen sie aus dem Apartment, ihre Sachen zusammen in Vashtus Reisetasche gepackt, weil Johns noch immer nach After Shave stank. In aller Eile hatten sie gepackt, Vashtu dann in dem Hotel angerufen, mit dem sie sich schon vorher in Verbindung gesetzt hatte. Jetzt trabten sie die Treppen hinunter, John die Tasche über der Schulter, Vashtu ihre Schlüssel unternehmungslustig schwingend.
„Und du willst wirklich ... ?" Er blieb im Durchgang stehen, während sie den Schlüssel zu ihrem Keller heraussuchte, in dem sie immer ihr Motorrad unterstellte.
„Warum nicht?" Vashtu sah kurz auf, runzelte dann die Stirn. „Du bist doch schon mit mir gefahren. So schlecht bin ich nun auch wieder nicht."
„Aber schnell", entgegnete er und erntete einen vernichtenden Blick. „Bist du eigentlich schon einmal auf einer vereisten Straße mit einem Motorrad gefahren?"
„Nein."
„Dann sollten wir uns vielleicht einen Mietwagen nehmen." John sah kurz zur Straße hinaus. Ein dunkler Sportwagen hatte gerade am Straßenrand gehalten.
„Wozu? Ich kann fahren."
John seufzte ergeben und fügte sich.
Noch immer war die Antikerin in einer etwas ... gereizten Stimmung, und er wollte keinen Streit mit ihr anfangen. Also würde er wohl hoffen müssen, daß sie beide nicht im nächsten Graben landeten, sobald sie ins Gebirge kamen.
„Geh schon mal vor." Vashtu griff nach der Tasche.
Er ließ sie von seiner Schulter gleiten, dann ging er wortlos die Einfahrt hinunter. Dabei ließ er den Sportwagen nicht aus den Augen, der immer noch am Straßenrand verhielt. Er sah eine Bewegung im Inneren, eine Silhouette.
War das nicht ... ?
John beschleunigte seine Schritte, da gab der Wagen plötzlich Gas und brauste davon. Stirnrunzelnd blieb der Lt. Colonel stehen und sah dem Gefährt nach.
Er war sicher, er hatte gerade diesen eigenartigen Tom gesehen. Aber was wollte der schon wieder hier?

***

„Du hast was?" John staunte Vashtu nur noch groß an.
Die Antikerin zuckte mit den Schultern. „Was sollte ich denn machen? Zu Mackenzie habe ich kein Vertrauen, tut mir leid. Er ist ... so komisch mir gegenüber."
„Er will dich aus der Reserve locken. Das macht er mit jedem. Aber du kannst doch keinem Wildfremden Staatsgeheimnisse anvertrauen. Vash!" John schüttelte ungläubig den Kopf.
„Ich habe Tom keine Staatsgeheimnisse anvertraut. Ich habe nicht einmal den Namen erwähnt!" Vashtu knallte ihre Tasse hart auf den Tisch des Diners, in dem sie saßen, um zu Frühstücken. „so dämlich bin ich nun auch wieder nicht. Ich habe Tom erzählt, ich sei ... auf einen ... Vergewaltiger gestoßen." Sie senkte den Kopf.
John holte tief Atem und schluckte hart. „Kolya ist ... war kein ... Vergewaltiger, und das weißt du auch sehr genau."
„Und was sollte ich ihm sonst sagen? Daß ich beinahe das Opfer eines machtgierigen Irren geworden wäre, der eine sagenhafte Stadt mit meiner Hilfe in seinen Besitz nehmen wollte? Und, das noch ganz nebenbei, dich zu töten beabsichtigte? Und anschließend wollte er dann auch noch die Macht über einen ganzen Planeten an sich reißen? Wer sollte mir das denn glauben?" Vashtu schüttelte den Kopf.
John sah sich unauffällig um, doch es war niemand auf sie aufmerksam geworden, zumindest schien es so. Der Geräuschpegel hier war eindeutig zu hoch.
Er drehte sich wieder zu ihr um und funkelte sie an. „Du hättest dich gar nicht an diesen Tom wenden dürfen, Vash, und das weißt du auch sehr genau", zischte er ihr zu. „Ob du Mackenzie nun magst oder nicht, er ist ein hervorragender Therapeut. Was weißt du denn eigentlich über diesen Tom? Der könnte dir weiß Gott was für eine Geschichte aufgetischt haben, die du nicht überprüfen lassen kannst." Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Und dann ... ein Vergewaltiger! Vashtu, ich bitte dich!"
Ihre Brauen zogen sich zusammen. „Denkst du, ich weiß nicht, was eine Vergewaltigung ist, John?" In ihren Augen funkelte etwas, bei dem er erst nach dem zweiten Hinsehen bemerkte, daß es Tränen waren.
Urplötzlich fiel ihm die andere Geschichte wieder ein, die sie ihm erzählt hatte.
Natürlich wußte sie, was eine Vergewaltigung war. Vielleicht keine körperliche, aber in eine Geistesverschmelzung gezwungen zu werden war wenigstens ebenso schlimm.
Betreten senkte er den Kopf. „Ich habe nicht daran gedacht", gestand er, griff nach ihrer Hand. Einen Moment lang glaubte er, sie wolle sie ihm entziehen, dann aber ließ sie es doch zu. Als er ihr wieder ins Gesicht sah, las er sehr deutlich den Schmerz, den der andere Antiker hinterlassen hatte.
„Es tut mir leid", wisperte er, streichelte sanft ihren Handspann.
Vashtu holte tief Atem, dann nickte sie und senkte den Kopf.
„Aber dennoch ..." fuhr John fort. „Du hast da einen riesengroßen Fehler gemacht. Ich kann nur hoffen, daß er nicht irgendwann auf dich zurückfällt. Du hättest gar nicht mit diesem Tom anbändeln dürfen, Vash. Und, wenn du ehrlich zu dir selbst bist, weißt du das auch sehr genau."
Sie preßte die Lippen fest aufeinander, dann aber nickte sie zögernd.
„Versprich mir, daß du Landry von dieser Sache erzählst. Bitte, Vash! Vielleicht ist das die Antwort darauf, warum der Trust dich plötzlich wieder jagt."
„Ich glaube nicht, daß Tom etwas mit dem Trust zu tun hat." Sie schüttelte den Kopf. „Zumindest nicht freiwillig. Ich habe gesehen, wie er reagierte während des fingierten Überfalls. Er gehört nicht dazu."
John seufzte und verzog das Gesicht.
Mit vernünftigen Argumenten kam er hier wohl nicht sehr weit. Dennoch aber blieb die Gefahr, daß dieser Tom die undichte Stelle war. Und, wenn er ehrlich war, war das sogar ziemlich wahrscheinlich. Kaum war Tom in ihr Leben getreten, meldete sich auch derTrust zurück. Das konnte schlicht kein Zufall sein!
„Dr. Heightmeyer hat mir den Rat gegeben, ich solle mir neue Freunde suchen." Vashtus Stimme klang dumpf. „Und ich hatte auch das Gefühl, daß es mir besser gehen würde. Bis du mir gesagt hast, daß ..." Sie schloß den Mund und starrte auf ihr Rührei.
„Bis ich dir gesagt habe, daß Kolya tot ist", vollendete John den Satz und nickte. „Ich habe sehr genau bemerkt, wie es dir gegangen ist in diesem Moment. Und genau darum solltest du noch einmal mit Mackenzie sprechen. Er ist auf Traumata spezialisiert."
Vashtu schüttelte vehement den Kopf. „Er ist aggressiv!" entgegnete sie heftig.
„Aber genau das ist es, was du brauchst, glaube mir." John beugte sich vor. „Du mußt mit dieser Sache fertigwerden, Vash, ehe sie dich auffrißt. Du magst dein Aggressionspotenzial wieder in den Griff gekriegt haben, aber die Sache ist noch längst nicht ausgestanden für dich. Ich kann das verstehen, wenn vielleicht auch nicht alles. Ich habe keine unsterblichen Zellen in mir wie du, ich weiß, daß ich eines Tages sterben werde, im Gegensatz zu dir."
„Ich werde auch irgendwann sterben, John. Ich weiß nur nicht wann." Noch immer starrte sie auf ihren Teller, die Stirn in tiefe Falten gelegt.
„Das weiß so gut wie niemand." John ließ seine Stimme sehr sanft klingen bei diesen Worten.
Vashtu schüttelte unwillig den Kopf. „Aber ihr wißt, ihr habt eine bestimmte Zeitspanne." Sie blickte wieder auf. In ihren Augen blitzte es. „Ich weiß das nicht. Wraith können unendlich lang leben, wenn sie genug Nahrung haben."
„Ich weiß. Ich mußte schon gegen einen zehntausend Jahre alten Wraith antreten." John zog eine Grimasse und rieb sich unbewußt die Rippen.
Vashtus Augen folgten seiner Bewegung. Sie verzog unwillig das Gesicht, senkte dann den Blick wieder.
John seufzte. „Je länger diese Sache an dir nagt, desto schlimmer wird es werden, glaube mir. Ich weiß, wovon ich rede. Oder denkst du, mir hat es Spaß gemacht, als der ... der Wraith sich an mir nährte?"
Sie schüttelte stumm den Kopf und blickte auf ihre Hand. „Ich ..." Sie schloß den Mund und kniff die Lippen wieder aufeinander.
John beugte sich vor. „Du hast es mir erzählt, schon vergessen?"
Sie sah auf. „Aber du weißt nicht ..." In ihre Augen trat Verzweiflung. „Ich hatte einen unendlichen Hunger damals. Ich hätte mich an dir nähren können. Ich hätte nie geglaubt, daß ... daß die Verwandlung so weit reichen könnte." Sie erschauderte. „Als ... ich noch Rettungsmissionen durchführte, wurde ich einmal beschuldigt, genau das getan zu haben an einem anderen. Aber zumindest das hat der Rat mir geglaubt. Damals konnte ich es nicht."
„Du konntest auch nur, weil du gegen diese Königin angetreten bist, Vash. Sie hat das letzte von dir verlangt. Ich war dabei, schon vergessen?" Er streckte die andere Hand aus und berührte sanft ihre Wange.
Vashtu sah nun doch wieder auf. Ein dünnes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. „Ich hätte das nicht gekonnt, nicht bei dir. Aber ich hatte Angst, daß du es bemerken und mich beschuldigen könntest, ich hätte ..."
„Hast du mir damals so wenig vertraut?" Überrascht hob er die Brauen.
„Ich habe dir immer vertraut, John. Von Anfang an. Aber ..." Ihre Schultern sanken herab.
Er nickte verständnisvoll. „Und genau darum solltest du dir Hilfe suchen. Ich kann dir dabei nicht wirklich helfen, wenn ich auch nachvollziehen kann, wie es dir gegangen ist. Aber ich war nie in einer Situation wie du damals, zur Zeit der Belagerung. Ich war nie so vollständig isoliert von anderen, schon gar nicht über eine so lange Zeit."
Sie kniff die Lippen wieder zusammen, sagte nichts mehr, sondern starrte auf ihren Teller.
„Ich kann verstehen, wenn du Mackenzie nicht trauen willst. Aber, glaube mir, er ist der beste, wenn es um solche Dinge geht, wie du sie erlebt hast. Versuch es zumindest, versprich mir das." Er ließ seine Worte besonders einfühlsam klingen bei diesen Worten.
Vashtu atmete tief ein, sah dann wieder hoch. Langsam nickte sie. „Ich werde es versuchen."
John lächelte. „Gut."

***

Kaum hatte sie die Tür aufgeschlossen, da entfuhr Vashtu schon der erste kleine, entzückte Aufschrei.
John, der ihre Tasche wieder über die Schulter geschlungen getragen hatte, schüttelte amüsiert den Kopf, als sie in das Zimmer stürmte und, wie ein kleines Mädchen, zu staunen begann. „Wir haben einen Balkon!" rief sie ihm zu, während er den Schlüssel wieder abzog und die Tür hinter sich sorgsam schloß. „Und guck dir nur dieses Bett an! Und ... was für eine Einrichtung!" Vergnügt tanzte sie auf der Stelle.
John grinste.
Wieder hatte er das kleine Mädchen vor sich, wenn auch ein sehr glückliches und entspanntes kleines Mädchen. Diese Verwandlungen an ihr irritierten ihn zwar ein bißchen, aber inzwischen, so bemerkte er selbst, gewöhnte er sich daran und harrte sogar auf einen neuen Rollenwechsel. Ob er auch so war? Nein, zumindest er hatte das noch nicht realisiert.
Vashtu warf sich auf das breite Bett. Die Matratze federte leicht nach. „Klasse!"
John stellte ihre Tasche auf einem der zwei Sessel ab und drehte sich um, um das Hotelzimmer zu betrachten.
Der Raum war recht groß, und, Vashtu hatte recht, mit einem Balkon verbunden, wahrscheinlich dem gleichen, den sie schon auf den letzten Metern ihrer Herfahrt gesehen hatten. Das breite Bett wirkte wirklich sehr einladend, vor allem mit seinem jetzigen Inhalt, ein wuchtiger Kleiderschrank und eine Kommode, auf der ein Fernseher stand, vervollständigten die Einrichtung. Eine schmalere Tür führte sehr wahrscheinlich in ein Bad. Dazu dam dann noch eine kleine, gemütliche Sitzgruppe vor einem Kamin.
John schürzte die Lippen und schälte sich aus seiner Jacke, ehe er den Raum durchschritt und die besagte Tür öffnete.
Ein Bad mit hellen Kacheln lag erwartungsgemäß dahinter. Eine breite Badewanne mit eingebauter Dusche, ein Waschbecken, die Toilette und ein BD, alles da. Die Amaturen glänzten wie poliert.
„Und?"
Er drehte sich um und sah, daß Vashtu sich auf die Ellenbogen gerappelt hatte und ihn erwartungsvoll ansah. Er nickte grinsend. „Perfekt. Und hier gibt es sicher keinen Cavanough, der uns beide ärgern kann."
Ihre Stirn umwölkte sich, schmollend schob sie die Unterlippe vor. „Mistkerl!" entfuhr es ihr.
John trat an das Bett und beugte sich über sie. „Er ist nicht hier", sagte er mit bestimmter Stimme, nachdem er ihren Blick eingefangen hatte.
Sie sah ihn an. In ihren Augen leuchtete etwas, was er inzwischen mehr als gut kannte. Er beugte sich noch tiefer über sie und küßte sie. „Und fahren kannst du wirklich hervorragend."
Ein sehr zufriedenes Lächeln erschien auf ihren Lippen. Und im nächsten Moment hatte sie ihre Arme um seinen Nacken geschlungen und zog ihn zu sich hinunter.
„Vash!"
John verlor das Gleichgewicht und purzelte auf sie drauf.
Vashtu lachte, dann wurde sie wieder ernst, als sie in sein Gesicht blickte.
War diese Frau nicht einfach unglaublich? Sie war es, rief John sich immer wieder ins Gedächtnis. Sie mußte es einfach sein.
Carson hatte so recht gehabt. Die faszinierenste Frau des ganzen Universums, das war sie. Und sie hatte sich ausgerechnet für ihn entschieden. Er konnte dieses Glück kaum fassen.
Zögernd senkte er seinen Kopf und küßte sie erneut, lang und zärtlich, und ließ sanft seine Hände über ihren Körper wandern.
„Zieh die Jacke aus", murmelte er zwischen zwei weiteren Küssen.
Vashtu lächelte wieder, reckte sich ihm entgegen und drückte ihre Lippen kurz auf seine. „Ich glaube, jetzt hatte ich einen Einfall", wisperte sie ihm zu.
John richtete sich überrascht wieder auf. „Was?"
Sie mußte ihre Fremdzellen eingesetzt haben, denn ohne große Anstrengung zog sie ihn wieder zu sich hinunter.
John ließ es mit sich geschehen, was auch immer sie da tun wollte. Das ganze machte ihn allmählich neugierig.
Entschlossen rollte Vashtu sich unter ihm hervor und schlüpfte vom Bett herunter. Er wälzte sich träge herum und beobachtete, wie sie sich ihrer dicken Jacke entledigte.
„Was hälst du von Snowboards?" fragte sie schließlich, als sie wieder zum Bett zurückkehrte.
„Hä?"
Sie öffnete die Schnürsenkel und kickte ihre Schuhe von den Füßen, ehe sie wieder auf das breite Bett krabbelte, sich über ihn beugte. „Snowboard fahren", wiederholte sie sanft und zärtlich und drückte erneut ihre Lippen auf seine, während ihre Linke über das Hemd strich, das er trug.
„Snowboard klingt gut." Er sah etwas ratlos zu ihr auf, sog dann aber scharf die Luft ein.
„Gut", gurrte sie.
In diesem Moment klopfte es an der Tür.
Vashtu richtete sich sehr zufrieden grinsend wieder auf.
„Hey!" John rappelte sich entrüstet auf die Ellenbogen, während sie zur Tür ging und diese öffnete, nachdem sich der Zimmerservice gemeldet hatte. Dabei ging ihm auf, daß sie ihre Beretta im Hosenbund mit sich herumtrug. Seine Augen weiteten sich. War sie die ganze Zeit über bewaffnet?
Ein Hotelangestellter betrat den Raum, einen Servierwagen vor sich herschiebend. „Wie Sie bestellt haben, Miss. Wenn Sie bitte hier unterschreiben würden." Er hielt ihr einen Block und einen Stift hin.
John runzelte die Stirn und warf dem Wagen einen kritischen Blick zu.
Was sollte das? Was hatte sie vor?
Vashtu zeichnete die Rechnung gegen und gab sie dem Mann vom Zimmerservice wieder zurück. Dann drehte sie sich zu John um, während der andere das Zimmer wieder verließ und lächelte verschmitzt über seine Miene. „Laß dich überraschen, John Sheppard." Sie drehte den Schlüssel.
Seine Augen wurden schmal, als er sich aufsetzte. Mit scheelem Blick betrachtete er die abgedeckten Schüsseln auf dem Servierwagen. Und eines war ihm garantiert nicht entgangen: Der Sektkühler und die beiden Gläser.
„Wann hast du denn das bestellt?" fragte er.
Vashtu grinste, hob die Abdeckung von der Schüssel und nickte befriedigt. „Bevor wir losgefahren sind. Die Flasche Sekt ist vom Hotel, die habe ich nicht bestellt. Alles andere schon."
John erhob sich nun doch und trat hinter sie. Sie mit seinen Armen einfangend und sanft und liebevoll an sich drückend legte er das Kinn auf ihre Schulter und blickte in die Schüssel.
„Sogar extra geliefert. Sehr schön." Vashtus Stimme klang wie ein zufriedenes Schnurren.
„Obstsalat?" John blinzelte etwas irritiert.
„Mach die zweite Schüssel auf", gurrte sie und lehnte sich gegen ihn.
John drückte ihr einen liebevollen Kuß auf den Hals, löste seine Hand dann von ihrem Körper und beugte sich, sie leicht mitziehend, vor, um die zweite Schüssel ihres Deckels zu entledigen. Dann aber wurden seine Augen groß. Ein verschmitzte Lächeln erschien auf seinen Lippen.
„Gute Idee, Vash", flüsterte er, als er sich wieder aufrichtete.
Sie drehte sich in seinem Arm zu ihm um und reckte das Kinn. „Nicht wahr?" gurrte sie, legte ihm die Hände um den Nacken.
„Sehr gut, sogar." Er suchte ihre Lippen und küßte sie erneut, während seine Finger begannen, ihre Wirbelsäule entlangzustreichen.
Vashtu gab einen wohligen Laut von sich, drängte sich dichter an ihn und ließ seine Zunge nicht mehr aus ihrem Mund verschwinden.
Johns Hände glitten an der Waffe vorbei. Einen Moment lang wollte sich seine Erregung wieder zurückziehen, dann aber gewann doch diese unglaubliche Frau in seinen Armen. Seine Hände glitten unter ihren Pullover, streichelten ihre Hüften, glitten zu ihrer Mitte hinauf.
Vashtu schloß die Augen halb und wölbte sich unter seinen Streicheleinheiten nach hinten. Und ihre Hände glitten über seine Seiten, fanden den Hosenbund und zerrten ungeduldig an seinem Hemd, bis sie endlich ihr Ziel fanden, seine Haut.
John schluckte, seine Knie wurden weich.
Was war das nur für eine Frau, die er da in seinen Armen hielt? Wie konnte all das hier überhaupt geschehen? Er fühlte sich wie in einem Traum.
Vashtu löste sich mit entschlossenen Bewegungen von ihm, zog dann, mindestens ebenso entschlossen, ihren Pullover über den Kopf. Eine leichte Gänsehaut bildete sich sofort auf ihrem Oberkörper, obwohl der Raum eigentlich warm war, wenn man ihm auch anmerkte, daß das Hotel die Heizung erst geöffnet hatte, als dieses Zimmer vermietet war.
John knöpfte sich ungeduldig das Hemd auf, lächelte sie unter seinen Ponyfransen her an.
Vashtus Finger versanken in der zweiten Schüssel. Als sie sie wieder hob, war eine weiche, weiße Masse an ihnen.
Mit einem langen Schritt war er bei ihr, packte sanft ihren Arm. Dabei sah er sie an.
„Sahne ist sehr lecker, findest du nicht?" fragte er leise.
Sie lächelte.
John beugte sich über ihre erhobene Hand. Seine Lippen schlossen sich um die beiden Finger und er saugte die Sahne von ihnen, um sich dann wieder seinen Mund über ihren zu senken.
Vashtu gab einen wohligen Laut von sich, während er seine Zunge, mit den Resten der süßen Sahne an ihr, in ihren Mundraum schob.
Sie lernte also doch. Alles was sie gebraucht hatte, waren ein paar Tage, um sich auf dieses neue in ihrem Leben einzustellen, wurde ihm klar. Jetzt aber hatte er sie endlich da, wo er sie schon die ganze Zeit über hatte haben wollen.
Er löste seine Hand von ihrem Körper, zupfte eines der Fruchtstücke aus der ersten Schüssel und versenkte es in der Sahne, um es ihr anschließend hinzuhalten.
Gemeinsam sanken sie endlich auf das Bett, bedeckten sich mit heißen Küssen und fieberten ihrem Höhepunkt entgegen.

***

Vashtu trat entschlossenen Schrittes auf das Snowboard, sah sich dann noch einmal die Abfahrt an, die in der untergehenden Sonne dieses Tages rötlich leuchtete.
„Das war eine klasse Idee von dir", bemerkte John an ihrer Seite.
Die Antikerin nickte. Ihr Atem dampfte in der kalten Luft. Sie warf ihm einen langen, liebevollen Blick zu. „Wer zuerst unten ist ..." rief sie dann aus und holte Schwung. Gekonnt warf sie sich auf die Piste und raste den Abhang hinunter. Die Geschwindigkeit versetzte sie in einen gewissen Rausch, dem Fliegen nicht unähnlich. Und John nahe bei sich zu wissen ...
Vashtu lächelte.
Es war einfach ein herrliches Gefühl, ihn bei sich zu haben, alles gemeinsam tun zu können und ihre Gefühle zueinander wachsen zu lassen.
Sicher, sie wußte auch, es würde nicht immer ohne Reibereien unter ihnen funktionieren. Dafür waren sie sich dann doch zu ähnlich, wenn sie auch versuchte, andere Wege und Lösungen zu finden als er. Dennoch tat sie wohl oft genug genau das, was er auch tun würde, sagte vielleicht sogar das gleiche.
Carson hatte mit allem Recht, kam ihr in den Sinn, als sie schließlich abbremste. Noch ehe sie sich umdrehen konnte, fühlte sie auch schon einen anderen Körper, der gegen ihren prallte. Der Halt auf dem Board war alles andere als sicher, so daß sie beide lachend in den Schnee plumpsten. John rappelte sich wieder auf, blickte spitzbübisch zu ihr hinunter. Dann beugte er sich plötzlich vor und stibizte ihr einen Kuß von den Lippen.
„Die faszinierendste Frau des ganzen Universums! Ich bin ein riesiger Glückspilz, Vash", flüsterte er ihr zu.
Und sie lächelte nur.

***

„Was muß man eigentlich tun, damit ihr zwei euch nicht in den Haaren liegt, mh?" Carson Beckett umarmte sie kameradschaftlich, hielt sie dann von sich und sah sie fest an. „Mach dir nicht so viele Sorgen, Vashtu, hörst du? Das wird sich schon wieder einrenken."
Sie sah ihn mit traurigem Augen an, dann nickte sie. „Danke, Carson. Du hast schon so viel geholfen. Ich wüßte nicht, wie ich dir das je danken soll."
Der Schotte lächelte versonnen. „Sagen wir, mein Dienst als Liebesbote für euch beide bringt auch mir eine gewisse Befriedigung. Das reicht mir."
Sie nickte bitter. „Und du bist weiter einsam. Es tut mir leid für dich."
„Mach dir darum keine Sorgen, Vashtu." Beckett machte kurz Babbis Platz, der den Jumper besteigen wollte mit düsterer Miene.
„Es tut mir leid, daß ich in dir nur einen Freund sehen kann. Aber wahrscheinlich den besten Freund, den ich je hatte, falls dich das tröstet."
„Na, das ist doch schon einmal etwas." Beckett drückte sie wieder kurz an sich, dann trat er zurück. „Und jetzt solltest du sehen, daß du über die GateBrigde kommst, ehe Landry noch ein Rettungskommando ausschickt, um dich wieder zurückzuholen. Die Pegasus-Galaxie scheint ihm für dich zu gefährlich."
Vashtu senkte den Kopf. „Ja, ich weiß. Auch wenn ..." Sie stockte und seufzte schwer.
„Laß dich nicht unterkriegen und vertrau mir. Einen letzten Dienst werde ich euch beiden noch erweisen, Vash, und wenn es das letzte ist, was ich je tun werde", sagte der Schotte mit entschlossener Miene. „Euch beide zusammenzubringen war bisher schon eine harte Arbeit für einen Aushilfsarmor wie mich. Euch die Köpfe ein wenig zurechtzurücken erscheint mir da noch die wesentlich leichtere Übung."
„Du bist auch gegen die Air Force, Carson", warf Vashtu mit einem traurigen Lächeln ein.
Beckett zuckte mit den Schultern. „Einen letzten Dienst für zwei dickköpfige Liebende." Er hob einen Finger. „Was deinen Militäreintritt angeht, so halte ich mich da heraus. Du kennst meine Meinung, aber ich bin gern bereit, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Also streng dich an, Major Vashtu Uruhk."
„Das werde ich tun, Carson." Wieder sandte sie ihm ein trauriges Lächeln.
„Was deine Beziehung zu John Sheppard angeht ... nun, ich denke, ihr beide seid erwachsen genug, um das letztendlich unter euch zu klären. Und genau darum sage ich, ich werde euch beiden noch einen letzten Dienst erweisen. Wenn der scheitert ... kann auch ich nichts mehr tun und nur hoffen, daß ihr doch wieder zusammenfindet." Er trat noch einen Schritt zurück. „Und jetzt ab mit dir, baldiger Major. Du hast dein Team gerettet, das ist doch etwas."
Vashtu nickte, bestieg jetzt wirklich die Rampe. Dann drehte sie sich noch ein letztes Mal um und sah sich in der Jumperbase von Atlantis um, während die Heckklappe sich schloß.

***

Vashtu seufzte, lehnte sich gegen die Tür und wartete ein wenig mißmutig. Dabei blickte sie den Gang hinauf und hinab, bis ihre Augen an einem gerahmten Plakat kleben blieben. Interessiert trat sie näher und las es sich aufmerksam durch, um schließlich breit zu grinsen.
Da war ihr doch glatt gerade noch ein Einfall gekommen ...

***

„Was hälst du von Wellness?"
John blinzelte. Er war schon fast eingeschlafen. Der Tag war lang und, zugegebenermaßen, auch ein wenig anstrengend gewesen. Wenn auch nicht wie in der Pegasus-Galaxie oder die letzten Tage in ihrer Wohnung. Er schätzte, allein die Herfahrt und dann der späte Nachmittag auf der Piste an der frischen Luft ließen ihn ein wenig schläfrig werden.
„Von was?" Er bewegte leicht den Kopf. Ihr strubbeliges Haar kitzelte an seiner Kehle.
„Wellness. Was hälst du von Wellness?" wiederholte Vashtu sanft, hob jetzt den Kopf und drehte sich leicht, um ihm in die Augen zu sehen.
John blinzelte. „Mit dir?" fragte er schließlich.
Vashtu grinste. „Denkst du, ich lasse dich auch nur fünf Minuten allein, John Sheppard? Damit die nächste Frau dir den Kopf verdrehen kann?"
Er schürzte die Lippen, begann dann aber zu lächeln. „Warum eigentlich nicht?" sagte er dann. „Wann?"
Sie löste sich aus seinen Armen, beugte sich über ihn und griff nach dem Telefon, das auf einem der beiden kleinen Nachttische stand. „Morgen? Das Wetter soll sowieso nicht besonders werden."
John streckte sich. „Warum nicht." Seine Hand kam auf ihrem Becken zu liegen, strich sacht über die weiche Haut.
Vashtu drückte eine Taste und wartete dann, bis sich offensichtlich jemand am anderen Ende der Leitung meldete. Dann bestellte sie, für den morgigen Tag, was sie wollte, legte schließlich wieder auf.
Johns Hand streichelte sie leise weiter und er beobachtete sie in dem wenigen Licht, das durch die Fenster hereindrang. Schneelicht, so hatte er das auf MacMurdo immer genannt. Die Nacht schien nicht ganz so dunkel in seinen Augen, wenn Schnee und Eis zu leuchten schienen. Und auch ihre Silhouette leuchtete, ging ihm auf. Zumindest erschien es ihm so.
Die Formen ihres Gesichtes, ihres strubbeligen Haares, alles schien scharf umrissen von etwas, was ihm erst jetzt auffiel. Und als er seine Hand kurz hob, war es hier das gleiche.
„Schneelicht ..." murmelte er.
Vashtu richtete sich wieder auf, beugte sich über ihn. „Was?" fragte sie. Das Weiß ihrer Augen schimmerte leicht.
John lächelte. „So habe ich das auf MacMurdo genannt, wenn die Nacht nicht wirklich finster werden wollte. Schneelicht."
Sie nickte verstehend, kroch zu ihm hoch und küßte ihn sanft. „Manchmal hast du wirklich sehr interessante Einfälle, John", wisperte sie ihm zu.
„Manchmal?" Ein verschmitztes jungenhaftes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
Sie schien dieses Lächeln zu erwidern. Dadurch, daß sie ihn jetzt ansah, lagen ihre Züge vollkommen im Dunkeln. „Für mich immer", wisperte sie sanft, küßte ihn wieder.

***

John lehnte sich entspannt gegen die Wand zurück und schloß die Augen.
Dieser Urlaub war einfach ... unvorstellbar! Nie hätte er es sich träumen lassen, daß sie beide zusammen so viel Spaß haben konnten. Und jetzt bedauerte er fast, wie schnell es vorbei ging.
So gern würde er sie mit sich nehmen. Für ihn gehörte Vashtu zu Atlantis, mochten die Bestimmenden noch so sehr dagegen wettern. Dort lag ihre Heimat, dort war sie zu Hause. Was sie sich auf der Erde aufgebaut hatte, spielte zwar eine Rolle, doch er glaubte nicht so wirklich daran, daß man sie würde halten können, wenn sie die Wahl hätte.
Die Antikerin lehnte sich an seinen Arm und atmete tief ein. „Sauna ist was feines", murmelte sie.
„Stimmt." John hob den Arm und legte ihn ihr um die Schultern.
Die Zeit im Sporthotel in den Rocky Mountains verflog unglaublich schnell.
Wie konnte nur irgendjemand denken, ihre Beziehung könne irgendetwas zerstören? Bis jetzt kam sie ihm mehr als nur fruchtbar vor, mußte er sich eingestehen. Wenn vielleicht auch nicht alles, wie immer, regelgerecht vor sich ging - wie mit den Hundemarken, die sie nun ja beide zu tragen hatten.
Irgendwie hatte Vashtu am Morgen einen Weg gefunden, die groben Ketten zu öffnen. Auch wenn es nicht erlaubt war, hatten sie je eines der beiden Metallschildchen getauscht, daß jetzt ihrer beider Namen an jeder Kette hing.
John war sich nicht so ganz sicher, was er von diesem Spaß halten sollte, auf der anderen Seite war er nur zu gern darauf eingestiegen.
Die Tür öffnete sich, ein anderes Paar kam in die Sauna, setzte sich zu ihnen.
John drückte Vashtu zärtlich an sich. „Es war ein selten guter Gedanke, vor deinem nervenden Nachbarn hierher zu fliehen", wisperte er ihr zu. „Hätte von mir stammen können."
Sie lächelte zufrieden und glücklich. Ihre Hand lag entspannt auf seinem flachen Bauch.
So sollte es sein, fand er, so sollte es immer sein. Doch er war sich auch allzu bewußt, daß es nicht so bleiben konnte.
Konnte eine Beziehung so auf Dauer halten?
Bei jedem anderen Paar hätte er das weit von sich gewiesen. Bei ihnen beiden allerdings ...
Ihm war wirklich nicht entgangen, wie ähnlich sie sich tatsächlich waren. Es war mehr als nur dieser perfekte Gleichklang während ihrer Liebesspiele. Früher hatte er nie darauf geachtet, inzwischen aber tat er es ab und an. Gut, Vashtu dachte nicht in allem gleich wie er, aber zumindest die Richtung stimmte meist auf beinahe unheimliche Weise überein. Wenn zwei aber zueinander fanden, sie sich so ähnlich waren wie sie, konnte eine Wochenbeziehung vielleicht die Lösung für die sonst unvermeidlichen Reibereien sein.
Wer konnte das sagen?
Beckett hatte es ihm gesagt. Carson hatte mehr als einmal auf ihn eingeredet, vor allem, nachdem er sich wirklich hatte von Vashtu trennen wollen, wenn sie nicht von ihrem Vorhaben mit der Air Force abrückte. Beckett hatte ihm gründlich den Kopf gewaschen - und inzwischen mußte er dem Mediziner auch recht geben.
Das andere Paar sah etwas mißtrauisch zu ihnen hinüber.
Ein breites Grinsen stahl sich auf Johns Gesicht. Er tippte Vashtu mit einem Finger an und wartete, bis sie zu ihm hochsah, ehe er ihr zuzischte: „Wollen wir den beiden mal ... ?"
Die Antikerin grinste und beugte sich, ihm ihre Arme um den Hals legend, zu ihm vor, um ihn in einen leidenschaftlichen Kuß zu ziehen.
Das Paar starrte sie an, zwei Augenpaare wurden noch größer, als John begann, Vashtus Hinterteil zu befühlen und ihre Hand zu seinen Lenden glitt. Aufgeregt zischend und flüsternd erhoben die anderen sich und verließen so schnell wie möglich die Sauna wieder.
Vashtu drehte den Kopf und sah ihnen sinnend nach.
„Machen wir so weiter, landen wir tatsächlich noch hinter Gittern", bemerkte John grinsend.
„Und wenn schon. Dann ziehe ich die Gitter auseinander und wir können fliehen."

***

Nach Massagen und einem, beinahe unangenehm kalten Bad saßen sie beide jetzt, wieder eng umschlungen, wie es Vashtu nach immer sein sollte, in einem großen Whirlpool. Johns Hand streichelte sanft ihren Arm, während sie ihren Kopf wieder auf seine Brust gesenkt hatte und das blubbernde Wasser sanft betrachtete.
Ein wunderschöner Tag, so wunderschön, das sie es kaum glauben konnte, das sie das bisher nicht ausprobiert hatte. Allerdings, und da kamen ihr ehrliche Zweifel, war sie sich nicht sicher, ob sie allein ebenso empfunden hätte. Mit John zusammen ließ sie sich eine Menge gefallen, an seiner Seite wurde sie ruhiger - wie auch er ruhiger zu sein schien. Zumindest ruhiger, als sie ihn während ihres Auftauchens in Atlantis erlebt hatte.
„Gefällt es dir?" Sie hob leicht den Kopf und sah ihn von unten herauf an.
John hatte eine nachdenkliche Miene aufgesetzt. Jetzt blinzelte er und blickte sie an. „Was?"
Vashtu richtete sich auf, hielt seine Augen gefangen und runzelte die Stirn. „Was ist los mit dir?" fragte sie.
John atmete tief ein, schüttelte dann den Kopf. „Das war eine ausgezeichnete Idee, Vash", sagte er als wolle er ihr auf ihre eigentliche Frage antworten. Allerdings wagte sie zu behaupten, daß das nur ein Schuß ins Blaue von ihm war.
„Was ist los?" fragte sie, rückte langsam wieder näher.
Johns Stirn runzelte sich jetzt ebenfalls. Der Blick aus seinen Augen glitt wieder ab, die Lippen kniff er nachdenklich zusammen. „Nichts", wagte er schließlich zu antworten.
Vashtu legte ihm einen Arm um die Schultern und suchte wieder seinen Blick. „Das kannst du mir doch nicht erzählen, John. Allmählich kenne ich dich gut genug. Du ..." Sie schloß den Mund. Sie wollte jetzt nicht aussprechen, was sie eigentlich hatte sagen wollen.
„Laß gut sein, ja?" Ein sehr zerknirschtes Lächeln erschien auf seinen Lippen.
„Du denkst an Carson", behauptete sie schließlich, nachdem sie noch etwas gezögert hatte.
Er atmete einige Male tief ein, dann nickte er schließlich. „An seinen Todestag", antwortete er leise. „Wir hatten zusammen gefrühstückt."
Vashtu schluckte, drängte sich wieder an ihn. Doch sie spürte, diese Erinnerung mußte er allein durchleben.

***

„Guten Morgen, Colonel. Darf ich mich dazu setzen?"
John blickte von seinem Frühstück auf und nickte überrascht.
Carson Beckett ließ sich ihm gegenüber am Tisch nieder, ein Tablett vor sich abstellend, auf dem sich allerlei Nahrungsmittel befanden.
John runzelte die Stirn und griff nach seiner Kaffeetasse.
„Wie ich hörte, wollen Sie Ihren Urlaub nun doch auf der Erde verbringen?" wandte Beckett sich vollkommen unvermutet an ihn.
John verschluckte sich fast, stellte die Tasse wieder ab. „Äh, ja, hatte ich vor. Warum auch nicht? Das Command besteht ja darauf, daß wir einen Teil unseres Jahresurlaubes auf der Erde verbringen."
Beckett nickte, wandte sich seinem Joghurt zu. „Und was haben Sie vor?"
„Woher soll ich das wissen? Keine Ahnung, dies und das erledigen. Vielleicht ein bißchen Bergsteigen. Wäre mal was interessantes." John musterte den Arzt mit einem scharfen Blick. „Oder sollte ich etwas tun, von dem ich nichts weiß?"
Beckett nickte. „Vashtu", sagte er nur, mümmelte weiter von seinem Joghurt.
Johns Brauen schoben sich unwillig zusammen. „Über dieses Thema haben wir schon einmal geredet. Meine Meinung dazu hat sich nicht geändert."
Der Schotte sah auf, zuckte dann mit den Schultern. „Ich kann mich da noch an ein Gespräch zwischen uns beiden erinnern, John", erklärte er, scheinbar unvermittelt das Thema wechselnd. „Damals sagte ich, glaube ich, etwas davon, daß Sie ihr besser niemals wehtun sollten, sonst würden Sie mich als Freund verlieren. Nun, wenn es so weitergeht mit Ihrer beider Dickschädel, verlieren Sie auch beide - und nicht nur mich."
John versuchte, seinen Gegenüber niederzustarren.
Warum begriff der Arzt das denn nur nicht? Warum konnte niemand verstehen, daß er es einfach nicht erleben wollte, wie Vashtu sich in irgendeiner hirnrissigen Mission selbst richtete? Er würde es nicht ertragen können, die Nachricht von ihrem Tod zu erhalten. Umso schlimmer wäre es, wenn auch noch das Militär sich dazwischenschalten würde.
„Ich denke, Vashtu hat sich das ganze gut überlegt, John. Sie wollte Sie an ihrer Entscheidung teilhaben lassen, sie hätte Sie auch vor vollendete Tatsachen stellen können", fuhr Beckett mit ruhiger Stimme fort. „Wir haben bereits darüber geredet, und wir werden es wohl, denke ich, noch des öfteren tun, bis Sie endlich verstehen, daß sie beide füreinander geschaffen worden sind. Ich glaube nicht, daß es ein Zufall war, daß Vashtu sich ausgerechnet Ihnen offenbarte damals. Und ich glaube auch nicht, daß Kolya so falsch mit ihrer Geiselnahme gelegen hat. Was da zwischen ihnen beiden vor sich geht ist stärker als alles, was ich bisher in meinem Leben erlebt oder gesehen habe."
„Dann sollte sie allmählich zur Vernunft kommen!" John beugte sich wieder vor. „Wissen Sie, warum Sie in die Air Force eintreten will? Aus Schuldgefühlen ihrem toten Volk gegenüber! Aus keinem anderen Grund als diesem. Als sie in Antarktica gewesen ist, hat sie etwas entdeckt, darüber aber Stillschweigen bewahrt. Und genau das ist der Grund, aus dem sie jetzt zur Army will. Und aus genau diesem Grund fürchtet sie auch den Kontrollstuhl."
„Dann sollten Sie Verständnis zeigen", entgegnete Beckett.
„Das habe ich ja versucht!" John sah sich um, doch noch waren sie beide die einzigen Gäste der Cafeteria, sie konnten also keine Aufmerksamkeit erregen.
„Und was ist mit Ihnen und dem Erwachen der Wraith? Haben Sie da nicht auch Schuldgefühle?" bohrte Beckett unbarmherzig weiter.
John wich zurück. „Das ist etwas anderes."
„Ist es nicht. Und wenn sie ehrlich sind, begreifen Sie das auch." Nun war es der Mediziner, der sich vorbeugte. „Ich sage Ihnen jetzt etwas als Freund, John, und als Bote zwischen Ihnen und Vashtu über eine sehr lange Zeit: Denken Sie einmal richtig nach und handeln Sie dann! Ich biete Ihnen gern meine Hilfe an, aber dieses Angebot ist nur noch einmalig. Und wenn ich sie beide zusammen in einen fensterlosen Raum sperren und den Schlüssel in den Ozean werfen muß, sie beide werden sich wieder vertragen! Wenn es je ein Paar gegeben hat, das so zusammenpaßte wie Sie und Vashtu, dann wird dieses diese Chance sicher nicht so einfach fortgeworfen haben wie Sie es jetzt wollen! Sie beide haben von Anfang an zusammengehört, und daran werden Sie auch nie etwas ändern können, ob Sie nun wollen oder nicht."
Still vor sich hinbrütend lehnte John sich wieder zurück, die Arme vor der Brust gekreuzt.
„Wissen Sie denn überhaupt, was Sie sich da entgehen lassen wollen?" fuhr Beckett fort. „Haben Sie auch nur die blaßeste Ahnung von einer Beziehung, wie Sie sie jetzt haben könnten? Warum wollen Sie das so einfach wegwerfen aus falsch verstandenem Stolz?"
„Ich kann es nicht ertragen." Dieser Satz war ihm einfach entschlüpft, er hatte ihn nicht aussprechen wollen.
„Was? Sie in einer Uniform zu sehen? Vashtu selbst wird schon dafür sorgen, daß sie sie nicht allzu oft zu tragen braucht, glauben Sie mir. Wie oft tragen Sie denn Ihre?"
John atmete tief ein. „Sie wird sich für die Erde verheizen lassen."
„Wird sie nicht. Sie hat selbst den Hoffaner-Stamm überlebt - dank Ihnen. Sie wird das auch überleben."
John starrte ins Leere.
Wenn er ehrlich zu sich selbst war, konnte er sich nicht mehr vorstellen, wie ein Leben ohne die Antikerin aussehen sollte. Selbst wenn sie nicht allzu oft aufeinandertrafen, sie war da, irgendwo im hintersten Winkel seiner Gedanken. Seit er Vashtu getroffen hatte, damals in den unteren Ebenen von Atlantis, war sein Leben auf den Kopf gestellt worden, selbst wenn sie nicht bei ihm war. Irgendwo lauerte immer der Gedanke an sie, selbst bei den harmlosesten Dingen. Und seit der Sache mit Kolya ...
John biß sich auf die Lippen.
Er wollte nicht mehr daran denken. Der Genii hatte bezahlt für das, was er ihnen beiden angetan hatte. Es spielte keine Rolle mehr.
Aber das tat es doch, wenn er daran dachte, was Vashtu ihm erzählt hatte. Sie mochte es herunterspielt haben, aber er kannte sie gut genug, um die Wahrheit in ihren Augen lesen zu können - noch so eine merkwürdige Sache zwischen ihnen beiden. Er hatte sie genau beobachtet, als er ihr vom Tod des Genii erzählt hatte, und er hatte den Haß und die blanke Wut in ihren Augen deutlich lesen können. Erst einmal vorher hatte er etwas ähnliches in ihrem Gesicht gesehen, und da waren sie beide auf der Flucht vor einer Wraith-Königin durch ein Basis-Schiff gehetzt und die Antikerin hatte Sprengladungen in den Wänden installiert.
Er wußte, was sie hatten mitansehen müssen war nur die Spitze eines Eisbergs, an dem auch er lange zu knabbern gehabt hatte, oft genug immer noch in ihm arbeitete. Aber wie mochte es einer Frau gehen, die vor zehntausend Jahren von ihrem eigenen Volk verraten, weggesperrt und vergessen wurde, die niemals eine echte Chance erhalten hatte und jetzt, in dieser Zeit, auf ein Leben hoffte? Was mochte in einer nahezu Unsterblichen vor sich gehen, die plötzlich hilflos miterleben mußte, wie sie langsam und qualvoll starb?
Vashtu hatte es ihm gegenüber heruntergespielt, aber das hatte auch er getan, eine viel zu lange Zeit sogar. Aber man merkte trotzdem noch immer, daß es in ihr arbeitete.
„Werfen Sie diese Chance nicht weg, John. Lassen Sie sie tun, was sie will."
John riß sich aus seinen Gedanken, blickte wieder auf. „Wie könnte es denn überhaupt klappen zwischen uns - Vashtu auf der Erde, ich hier in Atlantis. Eine Woche im Monat, vielleicht meine Heimaturlaube. Das kann auf Dauer nicht funktionieren."
„Vielleicht aber ist gerade das der Punkt, auf dem Sie eine Beziehung aufbauen könnten, John. Sie beide sind sich zu ähnlich, um eine längere Zeit zusammenleben zu können. Aber wenn Sie Abstand zueinander halten, gelingt es vielleicht und wird Sie beide ausfüllen." Beckett lächelte wieder versonnen. „Denken Sie zumindest darüber nach."
Johns Blick glitt wieder ab. Stirnrunzelnd dachte er nach.
Als eine gewisse Betriebssamkeit auf der anderen Seite des Tisches ausbrach, sah er stirnrunzelnd auf. „Wollen Sie schon gehen?" fragte er irritiert.
Beckett hatte sein Tablett genommen und wollte sich offensichtlich gerade umdrehen. Jetzt sah er auf ihn hinunter. „Die Pflicht ruft", antwortete er. „Da ist etwas merkwürdiges aufgetaucht. Wir kommen mit den Proben nicht so recht weiter."
„Ich habe davon gehört. Tut mir leid für ..." John brach ab, als Beckett den Kopf schüttelte.
„Lassen Sie es mal gut sein. Heute ist Sonntag. Ich will nur kurz nach den Patienten sehen. Dann hatte ich mich zum Angeln mit Rodney verabredet." Damit ging er.

***

„Sag mal, woher kennst du eigentlich Faustus?" John starrte in die Flammen des Kaminfeuers, fühlte sich wieder eigenartig müde, aber auch vollkommen entspannt. Wellness schien zum Teil wohl auch ... nun ja, sie hatten beide keine große Lust mehr gehabt, sich irgendwie zu betätigen, nachdem sie aus dem Wellnessbereich des Hotels gekommen waren. Statt dessen hatten sie sich auf ihr Zimmer zurückgezogen und den Kamin angezündet.
„Sagte ich doch: Als ich mit Dr. Jackson in Antarktica war, flog Faustus uns von MacMurdo rüber zu der Forschungsanlage."
John nickte versonnen.
„Und er sagte, wenn du mir wehtust, brauchst du ihm gar nicht mehr unter die Augen zu treten." Jetzt hob die Antikerin doch den Kopf und blinzelte ihn spitzbübisch an. „Und auch, daß deine verlorene Wette noch nicht vergessen ist."
John stöhnte unwillig auf. „Dieser Kerl vergißt aber auch nie etwas!" Er schüttelte den Kopf, seufzte dann. „Du warst also, während deines Besuchs in Antarktica, auch in MacMurdo. Wie geht's den faulen Hunden?"
„Wir saßen einige Tage in einem Schneesturm fest. Da bin ich in Kontakt mit ihnen gekommen", erklärte Vashtu. „Für dich ist übrigens ein Captain Higgins nach MacMurdo gekommen. Aber die anderen ... waren klasse! Ich hätte es mir nicht so vorgestellt. Nach allem, was ich wußte, ist MacMurdo doch der letzte Posten vor dem Rauswurf."
John gluckste und erwiderte ihren fragenden Blick. „Was soviel bedeutet wie: Die Piloten auf MacMurdo sind alle nicht sonderlich regelkonform für die Air Force", sagte er.
Vashtu blinzelte. „Oh!" Sie sah nachdenklich aus. „Also könnte ich irgendwann auch auf MacMurdo landen - und davor fürchtest du dich."
John seufzte. „Ich fürchte eher, daß du ... dich in eine F-302 setzt und ein Himmelfahrtskommando durchziehen willst", entgegnete er. „Wenn die Zeiten für die Erde anders wären, würdest du wahrscheinlich in Rekordzeit auf MacMurdo landen. Aber so? Man wird dir ein bißchen mehr ... äh, zugestehen als normal, denke ich, und auf die alles entscheidende Schlacht warten. Denk an Mitchell."
Ihre Brauen zogen sich zusammen.
„Ich weiß, daß du ihn nicht magst." Wieder seufzte er, sah sie eindringlich an. „Aber in der Schlacht gegen Anubis hat er mitgekämpft und hätte beinahe sein Leben verloren. Und genau davor habe ich bei dir Angst. Du würdest es eiskalt durchziehen, Vash, und du weißt das auch selbst. Ich habe dich schon in Aktion erlebt, vergiß das nicht."
„Ich werde vorsichtig sein", versprach sie ihm.
John hatte da seine ehrlichen Zweifel, doch er sagte dazu nichts mehr, sondern blickte wieder ins Feuer. „Und was habt ihr während des Schneesturms so getrieben, du und die Jungs?"
„Jede Menge im Simulator gesessen und Gefechte geflogen. Die wußten nicht, was man in einer F-16 so anstellen kann - ich habe es ihnen gezeigt."
Jetzt lachte John leise. „Kann ich mir vorstellen", gluckste er, zog sie wieder an sich. „Den Trick mit dem Jumper mußt du mir unbedingt noch verraten. Den habe ich immer noch nicht heraus."
„Beschleunigen, beschleunigen, beschleunigen. Jumper sind schneller als ihr alle denkt", erkärte sie. „Und dann ziemlich schnell abschalten und die Richtung ändern. Ist zwar nicht sonderlich angenehm für die Beteiligten, aber ..."
„Effektiv. Der Stunt ist unvergessen, Vash! Einige Techniker erzählen immer noch, wie die Nummer 13 rückwärts durch das Tor kam."
Er fühlte, wie sie jetzt ihrerseits ein Kichern unterdrückte, während ihr Kopf wieder auf seiner Brust lag.
„Kannst du eigentlich auch Hive-Schiffe fliegen?"
Vashtu atmete tief ein, nickte dann. „Ja, aber besonders mag ich die nicht. Das merkten diese Kisten auch schnell."
John schüttelte verständnislos den Kopf und seufzte.
Was hatte dieses Mädchen eigentlich noch nicht geflogen? Irgendwie fühlte er sich ... naja, er fragte sich ehrlich, wer von ihnen beiden die größere Begabung hatte.
„Am Wochenende waren wir skifahren", sagte Vashtu unvermittelt.
„Was?"
„Die Jungs von MacMurdo und ich, als ich auf Antarktica war. Der General hatte uns einen Apache gegeben und wir sind losgezogen. Hat Spaß gemacht. Ich hoffe nur, die Bewaffnung wurde nicht komplett durchgezählt. Ich bin ... äh, einmal kurz an den Schalter gekommen."
John atmete tief ein. „Du bist was?" Er schmunzelte. Daß sie aus Versehen an einen Schalter gekommen war, glaubte er ihr nicht eine Sekunde. Aber gut, vielleicht war es wirklich nicht weiter aufgefallen.
„Was macht ein Apache in MacMurdo?" Er stutzte. „Das Klima ist doch viel zu kalt."
„Der kam mit einem Geheimauftrag für Mitchell und stand dann nur in den Hangars herum. Wir hatten dem General in den Ohren gelegen, bis er ihn uns für den Trip gegeben hat."
„Ist Quint inzwischen der Leiter?"
Sie nickte. „Der kennt dich auch noch sehr gut. Er vermißt eure Schachspiele." Vashtu kicherte.
John fiel ein. „Laß mich raten. Aus lauter Mitleid hast du mit ihm gespielt und ihn ziemlich ratlos zurückgelassen."
„So ungefähr. Faustus und er waren sich einig, daß es ... etwas gruselig wäre, mir gegenüberstehen."
John drückte sie liebevoll an sich.
Naja, zumindest jemand, der seine Fahne in der alten Heimat hochhielt und ihn unvergessen machte. Vashtu war einfach unmöglich! Er konnte sich wirklich das Gesicht seines alten Vorgesetzten vorstellen, nachdem er eine Partie mit ihr gewagt hatte. Wahrscheinlich hatte sie seine Figuren ebenso über das Schachbrett gejagt wie er zu seiner Zeit.
„Also, nach MacMurdo würde ich schon mal gern wieder", bemerkte Vashtu plötzlich. „Da könnte ich mir, wenigstens eine zeitweilige Versetzung, zumindest sogar vorstellen. Die Jungs da sind alle cool!"
John gluckste wieder. „Sind sie auch. Aber du würdest dich wahrscheinlich sehr schnell dort langweilen. Rate mal, warum Quint so ... ruhig ist? Der hat genug mit den üblen Scherzen zu tun, die man ihm ständig spielt." Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht, als er an seine kurze Zeit in der eisigen Kälte der Antarktis dachte. „So wie den Wissenschaftlern, wenn neue kommen."
„Das habe ich bemerkt. Aber so leicht lasse ich mich nicht hochnehmen."
„Nein, du hast es ihnen, wie ich, wahrscheinlich mit gleicher Münze heimgezahlt, was?" Er senkte den Kopf und suchte ihren Blick.
„Ach daher!" Sie kicherte und reckte den Hals.
„Was daher?" Er küßte sie kurz.
„Darum brauchte ich gar nichts zu sagen oder anderes zu tun. Als wir ankamen, hatte jemand mein Quartier in eine Eishöhle verwandelt und die Heizung heruntergedreht. Ich verzog mich und baute ein Iglu."
„Okay, der wäre selbst mir nicht eingefallen!" Kopfschüttelnd sah er ihr in die Augen.
Vashtu runzelte die Stirn. „Wieso? Die anderen meinten, du hättest etwas ähnliches getan, wenn du da gewesen wärst."
„Etwas ähnliches, aber nicht das gleiche!" Er stibizte sich einen Kuß von ihren Lippen. „Du bist unglaublich!"
„Dann habe ich die Türen mit Sekundenkleber verstopft", fuhr sie andächtig fort.
„DEN habe ich auch durchgezogen."
„Weiß ich seitdem." Sie grinste breit.
John wurde wieder nachdenklich. „Was hast du ihnen von mir erzählt?" fragte er.
Vashtu blinzelte. „Daß du jetzt einen verantwortungsvollen Posten hast, mehr nicht."
Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. „Und das hast du Faustus gesagt? Der hat dir doch kein Wort geglaubt."
„Er meinte, wenn man dir genug Freiheiten lassen würde, würde es vielleicht gut gehen."
Er öffnete die Augen wieder und sah sie nachdenklich an. „Grüß sie von mir, wenn du noch einmal nach Antarktica ..."
Unwillkürlich spannte sich ihr Gesicht an.
John seufzte ergeben. „Falls du noch einmal einen irgendwie gearteten Kontakt zu ihnen kriegen solltest", sagte er.
Sie nickte, ließ ihren Kopf wieder an seine Brust sinken. Ihre Hand strich über seinen Körper, doch ohne jedes Verlangen, einfach eine liebevolle Geste.
John biß sich auf die Lippen.
Da hatte er wirklich noch Schwerstarbeit vor sich, wenn sie es nicht endlich selbst einsah.

***

„Hey, guck dir das mal an!" Vashtu war vor einem kleinen Souvenierladen stehen geblieben und blinzelte in das Schaufenster. „Was sind das denn für Dinger?"
John, der schon einige Schritte weitergegangen war, kehrte jetzt um und drückte sich ebenfalls die Nase am Schaufenster platt. „Kuckucksuhren", kommentierte er und erntete einen scheelen Blick. „Alle Stunde springt da ein kleines Vögelchen heraus und gibt mechanisch Laut. Wenn du deinem nervenden Nachbarn ..." Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht und er blickte zu ihr hinunter.
Vashtu sah ihn einen Moment lang an, dann erwiderte sie sein Grinsen und nickte. „Laß uns reingehen", schlug sie vor.
„Ich wollte sowieso noch ein paar Souveniers mitbringen, wenn ich wieder zurück muß", sagte John. „Sieht aus, als hätte ich zumindest das erste Mitbringsel gefunden."
Vashtu drückte sich an ihm vorbei und öffnete die Tür.
Im Laden war es dämmrig und eng. Die Regale waren mit allem möglichen vollgestellt, zum größten Teil mit unsinnigen Dingen wie kleinen Mickey-Mouse-Figuren auf Skiern oder merkwürdigen zotteligen Plüschtieren, die einen Bigfoot darstellen sollten.
Vashtu hielt direkt auf den kleinen Abschnitt Wand zu, an dem die Kuckucksuhren hingen. „Welche meinst du?" fragte sie, sich halb umdrehend.
John betrachtete die Auswahl sinnend. „Nach Möglichkeit eine, die nur anschlägt, wenn Rodney schlafen will." Er grinste breit.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?" Eine junge Frau war hinter den Tresen an der, dem Schaufenster am entferntesten gelegenen Wand.
„Wir suchen einige Mitbringsel für ... äh, Bekannte?" Vashtu blickte wieder zu John hoch. Der nickte, wies dann auf die Kuckucksuhren.
„Eine von denen wäre nicht schlecht. Eine besonders große mit einem besonders lauten Kuckuck."
In diesem Moment öffneten drei der Uhren eine kleine Klappe und winzige Vögel auf Schienen kamen heraus.
Vashtus Augen wurden groß. Sie konzentrierte sich auf eine der Uhren, die irgendwie ... besonders kitschig auf sie wirkte.
Das Uhrwerk schlug leise an. Der Vogel schien sich vorzubeugen und öffnete dabei seinen Schnabel.
„Kuckuck!"
Sie begann zu lachen. „Süß!"
Die junge Angestellte kam dienstbefließen um den Tresen herum und stellte sich bei ihnen auf. „Wir haben hier original Schwarzwälder-Kuckucksuhren. Die sind allerdings um einiges teurer als die taiwanesischen."
Vashtu und John tauschten einen Blick. „Eine Schwarzwälder!" entschieden sie dann einhellig nickend.
Die Angestellte lächelte und wies auf das Modell, das die Antikerin gerade genau betrachtet hatte. „Diese?"
„Klar!" Wieder ein einhelliges Nicken.
Dann richtete John sich auf. „Was haben Sie denn noch so?" Er sah sich aufmerksam um, ob nicht doch noch das eine oder andere interessante zu finden war. Dabei blieb sein Blick an einem Ständer mit Mützen hängen.
Die Angestellte verschwand wieder hinter dem Tresen und ließ ihre beiden Kunden im Verkaufsraum allein zurück, um eine verpackte Uhr zu holen.
Vashtu wandte ihre Aufmerksamkeit jetzt auch den anderen Dingen hier zu. „Suchst du für noch jemandem etwas?" erkundigte sie sich, beugte sich über einen, in eine durchsichtige Masse eingebetteten Stein.
„Für Elizabeth, Teyla und vielleicht Ronon. Eventuell noch Radek. Gefällt dir hier etwas?" John war nachdenklich näher an den Mützenständer herangetreten.
„Ziemlich kitschig, die Auswahl hier." Vashtu sah sich wieder um.
„Andenkenläden." John zuckte mit den Schultern und hob eine Baseballkappe von dem Ständer, betrachtete sie aufmerksam von allen Seiten. „Wäre vielleicht was für Radek. Was meinst du?"
Vashtu trat näher, nahm ihm die Mütze ab und sah sie sich jetzt ebenfalls an. „Irgendwie kann ich ihn mir nicht mit einer Mütze vorstellen", wandte sie schließlich ein.
Im nächsten Moment wurde etwas auf ihren Kopf gedrückt. Entgeistert sah sie auf und fand John, der sie breit grinsend betrachtete. Vashtu hob die Brauen, schielte zu dem breiten Schirm hoch und schürzte die Lippen.
„Sieht interessant aus an dir." John beugte sich vor und sah ihr ins Gesicht.
Vashtu grinste sehr zufrieden und stülpte ihm jetzt ihrerseits die Baseballmütze über.
„Hey!" beschwerte er sich, nahm sich die Mütze gleich wieder ab und fuhr sich mit beiden Händen durch sein Haar.
Vashtu nahm sich jetzt auch wieder die Kappe ab und hielt sie ihm hin. „Nimm sie mit. Wenn nicht für Radek, dann für deinen Stellvertreter ... Lorne?"
„Wäre auch eine Möglichkeit." John betrachtete wieder die Auswahl an Mützen, sah dann sie wieder an. „Jetzt siehst du erst recht zum Schießen aus!"
Vashtu griff sich eine andere Mütze, eine mit einem eigenartigen ... Bommel? ... und stülpte sie sich über ihr Haar.
John wandte sich glucksend ab. „Nimm das Ding wieder ab, Vash!"
„Wieso?" Sie hatte einen Spiegel mit einer Werbung für irgendein Getränk gefunden und stellte sich davor. Mit großen Augen starrte sie sich an, dann riß sie sich die Mütze wieder vom Kopf. „Sowas trägt hier doch keiner, oder?"
„Eigentlich doch." John hatte eine ander Variante vom Ständer geholt und warf sie ihr hin. „Probier die mal."
Vashtu legte die Bommelmütze zur Seite und drehte die neue Kopfbedeckung in ihren Händen. Auch wieder aus Wolle, wenn sie sich nicht irrte. Extrem bunt, mit merkwürdigen Mustern versehen, und zwei lange Bänder hingen zu den Seiten herab.
Vorsichtig stülpte sie sich auch diese über, betrachtete sich dann im Spiegel. Sofort riß sie sich die Mütze wieder vom Kopf. „Ich sehe aus wie eine Idiotin!" entfuhr es ihr.
John lachte laut und schallend.
Als sie jetzt ihr Haar betrachtete, seufzte sie nur ergeben. Auch die zweite Mütze wurde zur Seite gelegt. Statt dessen bearbeitete sie ihren Schädel mit beiden Händen, bis sie mit dem Ergebnis halbwegs zufrieden war. Ihr Haar würde sich ohnehin nicht lange in einer Form halten lassen, das wußte sie.
„Haben Sie noch etwas gefunden?"
Die Angestellte war wieder nach vorn gekommen, einen Karton auf den Tresen abstellend musterte sie ihre beiden Kunden mit leicht irritiertem Gesichtsausdruck.
„Diese Mütze dann noch." John legte die Baseballmütze auf den Tresen, während Vashtu die beiden Mützen wieder an den Ständer hängte.
Wer machte sich denn auf diesem Planeten freiwillig zum Narren?

***

„Jetzt sollten wir die Sachen noch kurz zum Hotel zurückbringen, was meinst du? Wir können sie schließlich nicht mit auf die Piste nehmen", schlug John vor, als sie den Laden verließen und er mit zwei doch recht gefüllten Tüten bepackt war. Er trat auf die Straße und schlug die Richtung zum Hotel zurück ein. Da traf ihn etwas zwischen die Schulterblättern.
„Was ... ?" Er wollte sich umdrehen, doch dazu kam es gar nicht mehr.
Der nächste Schuß war ein Treffer. Ein Schneeball knallte hart gegen seinen bloßen Nacken. Schnee rieselte in seinen Kragen.
„Argh!" Unwillkürlich zog er den Kopf ein, wirbelte herum, gerade als ein dritter Schneeball auf ihn abgefeuert wurde.
Vashtu hatte ihn geworfen. Sie stand mit funkelnden Augen an einem Auto, das an der Straße geparkt war und ballte bereits den nächsten Ball zusammen.
„Nie wieder wirst du mir irgendetwas auf den Kopf setzen, John Sheppard!" drohte sie ihm.
Er richtete sich auf, sah sie groß an. „Was?"
Wie ein Baseballspieler holte sie aus, wirbelte dann nach vorn. Der weiße, halbwegs runde Schneeball traf seine Brust, ließ ihn unwillkürlich ächzen und einen Schritt zurückweichen.
Donnerwetter, hatte diese Frau einen harten Wurf!
„Na warte!" John schüttelte sich. Kälte und Nässe tropften innen seinen Kragen entlang seinen Rücken hinunter und ließen ihn erschaudern. Trotzdem setzte er mit weiten Schritten zu ihr zurück, während sie sich bereits eine neue Waffe zulegte.
„Nie wieder wirst du mir irgendetwas auf den Kopf setzen!" wiederholte sie und warf erneut. Doch diesmal ging der Schneeball daneben.
„Ich kriege dich!"
Vashtu packte noch eine Handvoll Schnee, dann raste sie los, auf die Straße und hetzte in einem weiten Bogen um ihn herum. John schlitterte, als er die Richtung ändern wollte, verlor fast das Gleichgewicht und warf sich im letzten Moment herum. Die Taschen noch immer in den Händen hetzte er ihr nach.
War diese Frau schnell!
Doch dann rutschte Vashtu ebenfalls weg, konnte sich nicht richtig auffangen und schlug lang hin.
John blieb fast das Herz stehen. Er konnte sich noch so oft sagen, daß Vashtu nahezu unsterblich war, dennoch schien sie sich etwas getan zu haben.
„Vash!" Hart bremste er ab, schlitterte noch ein paar Meter weiter, um sofort herumzuwirbeln und bei ihr niederzuknien, die Tüten jetzt vollkommen vergessend.
Sie hob den Kopf. Ein bißchen Schnee klebte an ihrer Nasenspitze.
„Geht's dir gut?" fragte er.
Vashtu rappelte sich wieder auf. „Klar." Sie grinste sehr zufrieden und bewarf ihm mit lockeren Schnee.
John wich unwillkürlich zurück, als das kalte Naß seine Haut berührte. Dann bekam er ebenfalls etwas Schnee in die Hand. Er warf sich nach vorn und drückte es ihr ins Gesicht.
Vashtu schrie spitz auf, während er sie sehr genüßlich mit noch mehr Schnee einrieb. Dann warf sie sich plötzlich auf ihn und drückte ihm ihrerseits wieder Schnee ins Gesicht.
„Hör sofort auf!" rief er, mehr erschrocken. Seine Wangen glühten.
„Wirst du noch einmal versuchen, mir irgendetwas auf den Kopf zu setzen?" Mit langem Hals und roten Wangen beugte sie sich über ihn.
John ging erst jetzt auf, daß sie wohl von der Straße abgekommen und in einen Park gelaufen waren.
Er prustete, wischte sich mit einer Hand über das Gesicht. „Ich hab dir die letzte Mütze nur gegeben", beschwerte er sich. „Aufgesetzt hast du sie allein."
„Du hast sie ausgesucht. Und die Baseballkappe hast du mir aufgesetzt!" beschwerte sie sich.
John zwinkerte. „Aber nur, weil du die andere ausprobiert hast und zum Schießen ausgesehen hast!"
Diese Worte wurden ihm mit einer weiteren Handvoll Schnee gedankt, das sie ihm ins Gesicht klatschte.
John holte Schwung, als es ihm reichte, packte sie unversehens und wirbelte herum, so daß er jetzt auf ihr saß. Sehr konzentriert begann er, ihr etwas Schnee in den Kragen rieseln zu lassen.
Vashtu kreischte und lachte gleichzeitig, strampelte mit den Beinen und schlug mit den Händen um sich.
„Hörst du jetzt endlich auf?" fragte er schließlich, sich dicht über sie beugend.
Ihr Gesicht glühte in der Kälte und war vollkommen naß.
Ihm ging auf, daß sie sich besser ins Warme verziehen sollten, ehe sich einer von ihnen beiden noch eine Erkälung holte.
„Hörst du auf?" wiederholte er seine Frage.
„Gibst du mir einen Kuß?" Sie sah ihn unschuldig an.
Johns Augen wurden schmal.
Irgendetwas plante sie, das war klar. Aber was?
„Wenn du aufhörst", sagte er schließlich.
Sie grinste zufrieden. „Gut, dann höre ich auf", antwortete sie, reckte ihm die gespitzten Lippen entgegen.
John beugte sich tiefer zu ihr hinab und drückte seinen Mund auf den ihren. Nur um unterdrückt loszubrüllen, als sie ihm mit beiden Händen fleißig Schnee in den Kragen stopfte.
Wie eine Schlange wand sie sich von ihm los, kam wieder auf die Beine, während er immer noch damit beschäftigt war, die Eiseskälte aus seinem Nacken zu wühlen.
„Bis später!" Er hörte ihre leichten Schritte im Schnee. Als er aufblickte, waren seine Tüten verschwunden - und mit ihnen Vashtu.
„Na warte!" drohte er, öffnete den Reißverschluß, um auch die letzten Reste Schnee loszuwerden.
Das würde sie ihm büßen, schwor er sich.

***

„Eigentlich hat das doch keinen Sinn, oder?" Vashtu blickte zu ihm auf, schob sich die Sonnenbrille wieder auf die Nasenwurzel zurück.
„Was?" John sah die Abfahrt hinunter. Es war wenig los, kein Wunder, es war ein Wochentag. Und ihr vorletzter hier. Für morgen mußten sie sich noch irgendetwas ganz besonderes einfallen lassen, fand er.
„Na, wir heizen die ganze Zeit den Hang runter, um ihn dann wieder hochzuklettern und das ganze immer und immer zu wiederholen", sagte Vashtu.
„Es macht Spaß", kommentierte er, setzte die Stöcke auf den festen Schnee.
„Trotzdem ist es eigentlich sinnlos."
„Wieso? Man kommt schnell von A nach B." Er grinste sie an, dann holte er Schwung und stieß sich ab.
Leider hatte der Snowboard-Verleih heute geschlossen. Irgendwie hatte er sich in den letzten Tagen daran gewöhnt, mit nur einem „Ski" unter den Füßen die Abfahrt hinunterzusausen. Vashtus Vorschlag war einfach grandios gewesen, mußte er zugeben. Irgendwie kamen ihm zwei Skier plötzlich sehr langsam vor.
Eine kleine Gestalt, tief über den Skiern gebeugt, die Stöck an den Seiten nach hinten geneigt, raste im atemberaubenden Tempo an ihm vorbei den steilen Abhang hinunter.
War diese Frau denn wahnsinnig?
Die Abfahrt war heute extrem glatt und rutschig, darum war auch der Snowboard-Verleih geschlossen. Und sie beide hatten sich natürlich nicht den Anfängerhügel ausgesucht.
John stieß die Stöcke in den vereisten Schnee, um mehr Tempo zu gewinnen, krümmte sich dann über den Skiern zusammen und raste ihr nach.
Eines mußte er ihr lassen, sie hatte offensichtlich auf MacMurdo mehr getan, als nur mit einem Apache irgendwelchen Unsinn zu bauen. Die Jungs schienen sie ja richtig in ihr Herz geschlossen zu haben. Und so wirklich wunderte ihn das nicht. Für Vashtu gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man liebte sie oder man haßte sie. Etwas anderes kam einfach bei dieser Frau nicht in Frage.
Die kleinere Gestalt richtete sich etwas auf, um Schwung zu verlieren. Die Abfahrt wurde etwas flacher.
John kam ein böser Gedanke. Wieder holte er mit den Stöcken Schwung, krümmte sich noch mehr über seinen Skiern zusammen. Dann versuchte er, so dicht wie möglich an ihre Läupe zu gelangen.
Vashtu war inzwischen zum Stillstand gekommen, drehte sich gerade um, als er den Schwung wegnahm und sich aufrichtete. Absichtlich stellte er einen Skier quer. Schnee spritzte unter den Kufen und traf die Antikerin voll.
Mit offenem Mund prustete und pustete sie.
John kam zum Stehen, drehte sich etwas schwerfällig zu ihr um.
Mit beiden Händen wischte sie sich den Schnee vom Gesicht, richtete sich schließlich wieder auf. Er meinte, durch die dunklen Gläser ihrer Sonnenbrille hindurch das wütende Funkeln ihrer Augen zu hören.
„Was war das denn?" begehrte sie zu wissen.
„Da hatte ich wohl ein bißchen viel Schwung", bemerkte er unschuldig.
Vashtu schnaubte, wischte sich die letzten Eiskristalle aus ihrer Sturmwindfrisur.
John grinste zufrieden.
Er hatte seine Rache gehabt.
„Hey!" Vashtu hatte sich abgewandt, schien jetzt etwas sehr genau zu mustern.
John drehte sich in die Richtung, in die auch sie starrte, blinzelte dann. „Schneemobile?" fragte er irritiert.
Und tatsächlich, hinter dem Auslauf standen, in Reih und Glied ein halbes Dutzend Schneemobile und warteten unschuldig auf ihre nächsten Piloten.
Vashtu hob den Kopf, drehte sich wieder zu ihm um. Ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen.
John erwiderte es. „Du hast recht. Eine klasse Idee!"
Sie nickte stumm.

***

Ihr letzter Tag im Sporthotel war angebrochen - und schon sehr weit fortgeschritten für Vashtus Geschmack. Immerhin saßen John und sie gerade irgendwo auf einem Berg und wollten Picknicken.
Ihr wurde allmählich das Herz schwer, wenn sie daran dachte, ihn bald wieder hergeben zu müssen. Andererseits aber, auch das mußte sie zugeben, sehnte sie sich allmählich wieder nach ihrem Team und auf neue Abenteuer.
Carsons Gesicht rief keine Tränen und keine Trauer mehr in ihr hervor, nur noch eine leise Beklemmung, der sie aber recht leicht Herr werden konnte. Es tat ihr leid, einen Freund verloren zu haben, noch dazu einen so guten, wie der Schotte es gewesen war. Andererseits aber ...
„Noch ein Stück?" John reichte ihr eine Apfelspalte.
Vashtu riß sich aus ihren Erinnerungen und nickte lächelnd. „Danke." Sie steckte das feste Fruchtfleisch in den Mund und begann zu kauen.
„Die Sache mit den Schneemobilen war wirklich eine grandiose Idee von dir." John beugte sich vor und küßte sie kurz auf die Lippen.
Vashtu lächelte wieder. „Du hattest sie auch", wandte sie ein.
„Du hast die Schneemobile aber vor mir entdeckt."
Vashtu schüttelte den Kopf und stöhnte leise auf.
„Wann gilt eigentlich der Handel mit Atlantis?" John schob sich näher, hockte sich hinter sie und umarmte sie.
Vashtu drückte sich eng an ihn. „Eigentlich auch schon ab diesem Monat", antwortete sie leise, schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück. „Was noch davon übrig ist, heißt es."
„Nicht mehr allzu viel ..." John schloß den Mund und drückte sie eng an sich.
Vashtu betrachtete still die Berggipfel um sie her und runzelte die Stirn. „Dafür darf ich dann vielleicht nächsten Monat etwas länger bleiben", wandte sie ein.
„Möglich." Seine Lippen trafen ihren Nacken zu einem zärtlichen Kuß. „Es war eine unvorstellbare Zeit, Vash", murmelte er leise in ihr Ohr. „Du bist unvorstellbar."
„Du auch, John." Sie drehte den Kopf und sah ihn aus den Augenwinkeln an. „Ich liebe dich."
Er drückte seine, wieder leicht kratzige Wange an die ihre. „Ich liebe dich auch, Vashtu Uruhk. Ich hätte mir das nie vorstellen können, nie."
Sie atmete tief ein, dann machte sie sich unversehens wieder los. „Wollten wir nicht essen?"
John blinzelte überrascht, nickte dann aber. „Gut."
Vashtu sah ihn einen Moment lang an, dann wandte sie sich der mitgebrachten Decke zu, auf der sie beide das Essen bereitgestellt hatten.
Sie wollte ihm nicht sagen, daß sie etwas von ihm empfing, das ... Nun, ihre Stimmung vielleicht endgültig verdorben hätte, hätte sie es angesprochen. Nein, es mußte nicht sein. Sie sollten die letzten beiden Tage genießen, die ihnen noch geblieben waren.
Allerdings wurde ihr auch klar, daß diese Art der Beziehung, wie sie beide sie von nun an führen würden, etwas komplizierter für sie werden würde als das, was sie bis jetzt genossen hatten. Aber möglicherweise war es wirklich der einzige Weg für sie, eben diese Beziehung zu erhalten und vielleicht sogar auszubauen. Es mochte nicht viel sein, was ihnen bleiben würde, eine Woche, vielleicht seine Heimaturlaube, aber es war vielleicht die Lösung für die Probleme, die sie auf sie beide zukommen sah. Denn mit einem hatten alle Kritiker recht: Sie beide waren sich, trotz all ihrer Anstrengungen, noch immer recht ähnlich. Vielleicht zu ähnlich, sie wußte es nicht. Aber sie legte keinen Wert darauf, eben das herauszufinden.
Eines jedoch hatte sie beschlossen, und sie würde es tun: Sie würde Landry darum bitten, ihre eigenen freien Tage auf Atlantis verbringen zu dürfen, sobald die GateBridge wirklich stand. Immerhin hieß es doch „Heimaturlaub" und nicht „Exilurlaub". Und fragen würde sie wenig kosten.
„Hunger?" John beugte sich vor und musterte sie mit einem verschmitzten Zug um die Lippen.
Vashtu griff nach einer der beiden Thermoskannen und schraubte sie auf. Dann roch sie erst einmal, ehe sie sicher sein konnte, daß diese nicht den Kaffee enthielt.
John musterte sie amüsiert. „Ich würde gern einmal dein Team kennenlernen, Vash", sagte er dann unvermittelt.
Sie blickte auf. „Mein Team?" fragte sie stirnrunzelnd. „Die kennst du doch selbst ... abgesehen von Dorn."
„Ich meine richtig kennenlernen. Was wir in Atlantis gehört haben, reichte von Katastrophe über Durchschnitt bis zur Spitzenleistung. Ich frage mich wirklich, wie du diese beiden ... äh, Wissenschaftler zu einer solchen Einheit hast verschweißen können."
Vashtu nahm einen Schluck von ihrem Tee. „Wallace ist nicht wirklich im Team. Ihn habe ich irgendwann aufgegeben. Aber er arbeitet mit. Dorn, Peter und ich, wir sind das Team." Ihre Stirn umwölkte sich.
„Du gibst ein Mitglied auf?" John blinzelte ungläubig.
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Aber er hat sich zuviel geleistet mir gegenüber. Außerdem ..." Sie seufzte und zog die Schultern hoch. „Ich habe immer wieder den Eindruck, ich bin soetwas wie seine Nemesis. Seit ich durch Zufall seine Familie in Kansas besucht habe ..."
„Du warst in Kansas bei der Familie eines deiner Teammitglieder?" John grinste und lehnte sich zurück.
„Ein dummer Zufall. Mir war das Benzin ausgegangen." Vashtu griff nach einem Käsekanten und steckte ihn in den Mund. „Jedenfalls ist Wallace seit dem alles andere als von mir begeistert. Er sperrt sich zwar nicht mehr, arbeitet mit und hält sich an meine Anweisungen, aber beispielsweise ist er nie dabei, wenn wir uns einmal abends im Steakhouse treffen."
„Im Steakhouse?"
„Mein Stammlokal. Du hättest auch mal erwähnen können, wie lecker Steaks sind. So mußte ich es allein herausfinden." Sie blickte unter ihren Ponyfransen auf und zwinkerte.
John schüttelte leise lachend den Kopf. „Etwas solltest du auch durchaus noch allein herausfinden, Vash. Ich konnte dir nur Tips geben." Er runzelte die Stirn. „Also abendliche Treffen wie bei uns auf Atlantis?"
Vashtu neigte den Kopf leicht. „Nicht jeden Abend, aber ein- oder zweimal die Woche treffen wir uns schon", antwortete sie. In ihren Augen leuchtete es. „Auf jeden Fall freue ich mich schon darauf, wieder auf Atlantis zu sein und bei euch sitzen zu können. Das hat damals immer Spaß gemacht."
„Laß diesmal aber bitte Babbis zu Hause! Sieht Rodney ihn noch einmal, wirft er ihn den Walen zum Fraß vor." John gluckste wieder.
„Die beiden mögen sich wirklich nicht." Jetzt lachte auch Vashtu, sah ihn offen an. „Ich glaube, sie haben das gleiche Problem wie wir beide: sie sind sich zu ähnlich. Nur ging bei ihnen der Schuß nach hinten los."
„Könnte sein." John stibizte ihr ein weiteres Stück Käse direkt vor den Fingern weg. „Als ich SG-27 leitete, kamen mir allerdings beide ziemlich nervig vor. Wie hast du es nur geschafft, Babbis vor möglichen tiefen Klüften fernzuhalten?"
„Indem Dorn und ich die Jobs aufgeteilt haben?" Vashtu holte sich eine der Weintrauben. „Der Serge paßt auf Wallace auf und ich auf Peter, so einfach ist das. Außerdem ... Damals wußte das noch keiner, aber Babbis kann schlecht sehen, sehr schlecht sogar. Kein Wunder, daß er dir damals abgestürzt ist."
John beugte sich vor. „Er kann schlecht sehen und ist durch sämtliche Tests gekommen?" fragte er irritiert.
„Wie auch immer er das geschafft hat." Vashtu zuckte mit den Schultern. „Vielleicht war es bei den Eignungstests noch nicht so schlimm, ich weiß es nicht. Er schweigt sich ohnehin ziemlich darüber aus. Landry hat es mir gesagt, mir selbst war nur aufgefallen, daß er manchmal Schwierigkeiten hat, etwas wahrzunehmen, meist beim Lesen. Seitdem wirke ich auf ihn ein, daß er sich eine Brille besorgt. Aber dazu ist er wohl zu stolz."
„Ein großer Schritt für einen so jungen Menschen." John beugte sich vor und sah sie interessiert an. „Du hast dich wirklich zu einer guten Leaderin gemausert, Vash. Das hätte wirklich niemand von dir gedacht nach deinen Leistungen bei SG-15."
„Ich dachte, du wüßtest absolut gar nichts über meine Zeit hier auf der Erde?" Spitzbübisch blinzelte sie ihn an.
John erwiderte ihr Lächeln, rückte noch etwas näher. „Sagen wir, Landry hält mich seit einiger Zeit auf dem Laufenden."
„Tatsächlich? Und was hat er dir so erzählt?" Vashtu reckte den Hals in seine Richtung.
„Er hat mir deine Berichte geschickt."
Einen Moment lang blinzelte sie verständnislos. Und diesen Moment nutzte er, um sie sanft und zärtlich zu küssen.

***

„Vash?" Der fragende Ruf erklang über die angeblich beruhigende Dudelei in der Mall, die die Kunden zum Kauf animieren sollte. Vashtu hatte diese Musik bisher eigentlich eher als abschreckend empfunden. Ein Grund mehr, der Einkaufs-Mall so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen.
Die Antikerin drehte den Kopf und begann zu lächeln. „Marnie!" Sie sah hoch zu John, der ebenfalls einen Blick über die Schulter warf, sie dann fragend ansah. „Marnie Evans, eine Ärztin aus dem SGC, und eine Freundin von mir", erklärte Vashtu, löste sich dann widerstrebend von ihm.
Die blonde Ärztin musterte sie von oben bis unten. „Wo hast du denn gesteckt die letzten Tage? Ich habe mehrmals versucht, dich zu erreichen." Fragend sah sie zu John, nickte anerkennend. „Ist er das?" zischte sie dann.
Vashtu lächelte glücklich. „John und ich waren unterwegs. Ein bißchen Snowboarden und ... mehr", antwortete sie, dann wurde sie ernst. „Ich habe unsere Meditationsstunde vergessen! Oh nein!"
Marnie nickte. „Stimmt", sagte sie, begann dann aber zu lächeln. „Aber bei einem solchen ... Naja, dir sei verziehen."
Vashtu lachte leise auf. „Johns Urlaub ist leider fast vorbei. Heute abend wollten wir es uns noch einmal in meinem Apartment gemütlich machen, morgen bringe ich ihn dann nach Cheyenne-Mountain."
„Gemütlich machen ... soso." Marnie nickte vieldeutig. „Ich hatte da irgendetas am Rande gehört, aber ... Du hast einen guten Geschmack, Vash, das muß man dir lassen." Wieder ein anerkennender Blick auf die hochgewachsene Gestalt.
Vashtu kicherte. „SG-1 und mein Team haben zusammengelegt und uns einen Präsentkorb geschenkt, damit wir ... naja, ich denke, du weißt, was ich meine." Unvermittelt wurde sie ernst. „Sag mal, was sind Verhütungsmittel?"
Die Ärztin starrte die Antikerin einen Moment lang mit großen Augen an, dann faßte sie sich. „Verhütungs... ?" Sie atmete tief ein. „Vash, du hast doch nicht etwa ohne ... Du bist doch noch immer fähig ..." Sie schloß den Mund, musterte die andere entschlossen von Kopf bis Fuß. „Okay, wenn du deinen Colonel morgen gut durch das Tor gebracht hast, meldest du dich bitte umgehend bei mir. Wir werden da einige Tests durchführen."
Vashtu blinzelte verständnislos. „Warum denn das?" fragte sie. „Es geht mir doch gut."
„Ihr zwei werdet doch nicht nur Händchen gehalten haben die letzten Tage, oder?" Marnie kreuzte die Arme vor der Brust.
Die Antikerin runzelte die Stirn. „Das ist zwar ... Nein, haben wir nicht. Und?" fragte sie herausfordernd.
Marnie nickte. „Komm einfach zu mir morgen, dann erkläre ich es dir", sagte sie, warf noch einen Blick auf John. „Aber das muß man dir lassen. Einen ausgesucht guten Geschmack hast du. Allerdings, ein bißchen mehr Verstand sollte man zumindest ihm zutrauen." Sie schüttelte den Kopf, wandte sich dann wieder ihrer Freundin zu. „Bis morgen dann. Und ich bitte um einen genauen Report."
Vashtu hatte ihren Argwohn schon wieder vergessen. Breit und zufrieden grinsend schüttelte sie den Kopf. „Privatsache, Doc."
„Und ich bin deine Ärztin und unterstehe der Schweigepflicht. Machs gut! Bis morgen!" Marnie drehte sich um und verschwand in einem anderen Gang.
Vashtu fühlte sich nun doch etwas verunsichert.
Was hatte das zu bedeuten? Warum bestand Marnie so vehement auf ihrem morgigen Besuch? Hatte sie am Ende irgendetwas nicht richtig begriffen?
„Kommst du?" Johns Stimme klang zärtlich.
Vashtu drehte sich um und kehrte zu ihm zurück, um sich liebevoll von ihm in seine Arme schließen zu lassen. „Ich will doch heute für dich kochen, damit du nicht eine ganz so schlechte Meinung von mir mitnimmst", sagte sie, reckte sich ihm dann für einen Kuß entgegen.
„Wie könnte ich?" Johns Lippen streiften die ihren. „Du bist das beste, was mir je passiert ist."
„Mal sehen, was du heute abend von mir hälst." Vashtu fühlte sich sehr zufrieden mit sich selbst. Marnie und ihre kryptischen Äußerungen waren vergessen.

***

Vashtu blickte ein wenig verzweifelt auf die Uhr, dann wieder auf den Backofen. Schließlich preßte sie die Lippen fest aufeinander, um einen Fluch zu unterdrücken.
Wieder hatte sie alles falsch gemacht. Dabei hatte sie es doch nur gut gemeint. Einmal war es ihr sogar gelungen, als sie den Frauen-Poker-Abend ausrichtete, hatte sie auch gekocht, das gleiche. Und da war es perfekt gewesen.
John lehnte sich über den Tresen und runzelte die Stirn. „Okay, es wird allmählich spät", sagte er und hielt plötzlich den Flyer eines Lieferservice in der Hand. „Vielleicht sollten wir ..."
Vashtu drehte ihm demonstrativ den Rücken zu und schraubte an der Temperaturanzeige.
Dieser dämliche Vogel würde doch wohl kleinzukriegen sein! So leicht jedenfalls würde sie sich nicht geschlagen geben.
John mußte ein Lachen unterdrücken, als er ihre angespannte Gestalt betrachtete. „Vorführeffekt", kommentierte er schließlich.
„Was?" Jetzt drehte sie sich doch wieder um und sah ihn stirnrunzelnd an.
Er wies auf den Backofen. „Man nennt es Vorführeffekt, wenn etwas nicht klappen will", erklärte er, wieder ernst werdend. „Hör zu, Vash, ich glaube dir auch so, daß du kochen kannst. Und ich glaube dir auch, daß du deinen Haushalt im Griff hast. Irgendwie standen wir beide ihm gegenüber nur von Anfang auf dem falschen Fuß. Aber ich habe deine Wohnung gesehen, als ich reinkam. Reicht dir das nicht?"
„Nein!" Entschieden öffnete sie jetzt doch die Ofenklappe und starrte den Truthahn an, als könnten allein ihre Blicke dafür sorgen, daß er endlich fertig war. Dabei fiel ihr endlich etwas auf. „Oh nein!" entfuhr es ihr. Sie hielt die Hand in den Backofen, zog sie dann wieder zurück und musterte genau und streng die Einstellungen.
„Was ist los?"
Sie hatte den Herd eingeschaltet. Die Platten funktionierten auch, daran gab es keinen Zweifel. Zumindest die Beilagen waren fertig. Aber der Backofen ...
Wieder hielt sie ihre Hand hinein, richtete sich dann seufzend wieder auf.
Dabei hatte sie sich diesen Abend als etwas vorgestellt, was John in positiver Erinnerung bleiben sollte, nicht als die Katastrophe schlechthin. Einmal zumindest hatte sie etwas richtig machen wollen. Und ausgerechnet an diesem Abend streikte ihr Backofen!
„Er heizt nicht." John war nun doch endlich um den Tresen herumgekommen und hatte ebenfalls eine Hand in das Rohr gesteckt. „Kein Wunder, daß der Vogel nicht gar wird. Aber ..." Er tippte den gefüllten Braten mit dem Finger an. „Naja, zumindest lauwarm, aber nicht durch."
„Das habe ich auch schon bemerkt." Vashtu seufzte, als müsse sie die Last der ganzen Welt auf ihren Schultern tragen. „Dabei hatte ich diesen Abend doch als etwas ganz besonderes geplant. Du ißt doch gern Truthahn."
John richtete sich wieder auf und schnüffelte über den Töpfen, die die Beilagen zum Braten beinhalteten. „Zumindest der Rest riecht doch sehr verführerisch. Also, ich brauche nicht unbedingt Truthahn. Mir würden die Beilagen reichen."
„Aber ..."
John richtete sich wieder auf und sah sie streng an. „Wir essen die Beilagen, das reicht. Du hast hier sowieso für ein ganzes Regiment gekocht, Vash. Das würden wir beide nie im Leben heute abend allein vertilgen." Er nahm sie in seine Arme und drückte sie an sich. „Wenn der Ofen kaputt ist, kannst du doch nichts daran ändern, mh? Mach dir jetzt keine Vorwürfe." Mit einem Finger hob er ihr Kinn und küßte sie sanft.
„Aber ..."
„Ich habe Hunger - und zwar auf mehr als die Beilagen, wenn wir genau sein wollen. Heute nacht hatte ich nicht vor, viel zu schlafen. Nicht in unserer letzten Nacht."
Ein leises Licht stieg in ihre Augen. „Du denkst nicht, ich bin eine Niete?" fragte sie.
„Wie könnte ich? Ich habe deine Wohnung gesehen, als wir hier ankamen", entgegnete er. Dann begann er spitzbübisch zu lächeln. „Andererseits ... wenn ich da an deinen Kühlschrank denke ..."
„Ich war die letzten Wochen sehr beschäftigt und habe im SGC gegessen!" warf sie entrüstet ein.
Wieder küßte er sie. „Ich mag es, wenn du wütend wirst, Vash", gurrte er ihr zärtlich ins Ohr.
„Und du bist immer noch ein Schuft." Ihr Ärger war gespielt, das sah er sofort.
„Stimmt. Dann laß uns jetzt endlich essen, ehe die ganze Nacht herum ist und wir zu gar nichts mehr kommen."
Vashtu sah zu ihm hoch. Wieder war da eine gewisse Leidenschaft in ihren Augen, etwas, was er die letzten Tage sehr zu schätzen gelernt hatte. „Ich liebe dich, John", flüsterte sie endlich, drängte sich dann an ihn.
Er atmete tief ein und drückte sie fest an sich. „Ich liebe dich auch, Vashtu. Ich liebe dich mehr als mein Leben", antwortete er mit geschlossenen Augen. Und wieder stieg in ihm eine Erinnerung auf. Eine Erinnerung an ihrer beider Liebesboten.
Als er die Augen öffnete, sah er den gleichen Schimmer in ihren Augen, und er wußte, diese Erinnerung an Carson Beckett teilten sie gemeinsam.
Der Arzt hatte sein Versprechen gehalten, wenn auch auf andere Art, als er vielleicht geglaubt hatte. Er hatte sie beide wieder zusammengeführt, sie ihren albernen Streit vergessen lassen. Er war wirklich zu ihrem Armor geworden, zu ihrem Liebesboten. Carson Becketts letzter Dienst war erfüllt ...

***

John saß an Vashtus Bett, hielt ihre Hand in seiner. Ihre Blicke waren ineinander verschlungen, und sie schwiegen. Sie brauchten keine Worte für das, was sie sich mitzuteilen hatten.
Carson Beckett stand schon eine Weile in der Nähe, lächelte über das Paar. Nun trat er an das Bett heran und räusperte sich vernehmlich.
Beide zuckten zeitgleich zusammen und blinzelten, richteten dann ihre Aufmerksamkeit auf ihn. John drehte sich zu dem Mediziner um, Vashtu holte tief Atem.
„Colonel, schön, daß Sie wieder Zeit gefunden haben. Vashtu ..." Beckett nickte.
Wenn das Zusammenspiel zwischen der Antikerin und dem Lt. Colonel nicht so innig wäre, wenn sie nicht so gut zueinander passen würden - zumindest in seinen Augen -, er hätte vielleicht ein bißchen eifersüchtig werden können auf ihr Verhältnis.
Andererseits aber ... Er war einer der ersten gewesen, die sie beide damals zusammen erlebt hatten, nachdem die Antikerin aus den Tiefen der Zeit aufgetaucht war. Und er hatte sofort gesehen, was zwischen ihnen vorging. Keiner von ihnen konnte sich wirklich gegen das wehren, was da zwischen ihnen gewachsen war. Selbst nach mehr als einem Jahr der Trennung war ihr Verhältnis nur noch inniger geworden statt abzukühlen.
„Was gibt es?" fragten beide zeitgleich.
Beckett schüttelte lächelnd den Kopf, richtete seine Aufmerksamkeit dann auf das Klemmbrett, das er mitgebracht hatte und begann in Vashtus Krankenakte zu blättern. Dann aber wurde er wieder ernst und seufzte. „Leider muß ich euch beiden mitteilen, daß das SGC allmählich seine vermißten Teammitglieder zurückhaben möchte. Ich habe mich für eine Rekonvaleszenzzeit ausgesprochen, aber Landry meint, die könntest du auch auf der Erde absolvieren."
Beide starrten sich groß an, doch gleichzeitig sah der Arzt auch, daß sie von Anfang an gewußt hatten, daß sie irgendwann wieder getrennt werden würden.
„Wann?" Wieder fragten sie zeitgleich, ließen sich nicht aus den Augen.
„Ich habe noch drei Tage herausschlagen können", erklärte Beckett. „Nutzt die Zeit, alle beide. Wer weiß, wann ihr euch wiedersehen werdet." Er klappte die Akte zu und betrachtete beide wieder.
Ein tiefer Schmerz war jetzt auf ihren Gesichtern zu lesen, der auch ihm ins Herz stach.
Wie mußte es sein, seinen eigenen Gegenpart zu lieben? Er wußte es nicht, er wußte nicht einmal, ob das eine Erfahrung war, die er gern mit ihnen teilen würde. Doch ihm war von Anfang an klar gewesen, daß sie beide zusammengehörten. Und jetzt ...
Er betrachtete das eigenartige Paar. Und plötzlich war es ihm, als könne er die stummen Worte hören, die ihre Gedanken waren. Es war, als gäbe es da etwas, was ihn mit ihnen beiden verband, etwas, was er noch nie empfunden hatte. Doch es erschien ihm gerade zwischen ihnen als richtig - und auch als wichtig. Und ihm wurde klar, daß sie in Wirklichkeit nicht mehr getrennt werden konnten. Vashtu Uruhk und Lt. Colonel John Sheppard waren etwas eingegangen, mit ihm als Zeugen, was sie drei miteinander verband und sie aneinanderschweißte.
Carson Beckett fühlte eine tiefe Zufriedenheit in sich wachsen. Einen Moment lang betrachtete er das Paar noch, an dessen Erfüllung er so lange und behaarlich mitgearbeitet hatte, dann wandte er sich ab und ging.

***

„Ja, Sir, ich verstehe." John nickte ein wenig steif. Er wußte noch immer nicht so recht, was er von General Landry zu halten hatte. Auf der einen Seite war er ihm dankbar für das eine oder andere, auf der anderen Seite aber ...
„Gut, dann können Sie allmählich los. Atlantis wird Sie schon vermissen, Lt. Colonel." Der General lächelte.
„Eingehendes Wurmloch", meldete der bereitsitzende Techniker.
John sah unwillkürlich in den Gateroom hinaus, der so ganz anders war als der, den er gewohnt war. Tief unter der Erde, keine Fenster, durch die buntes Licht hereinströmen konnte, und statt eines Energieschirmes die metallene Iris.
Seine Augen wurden groß, als er die Gestalt sah, die auf der Rampe stand, spitzbübisch zu ihm hochlächelte.
„Vash ..." flüsterte er, drehte sich um und verließ die Kommandozentrale.
„SG-1 Code, Sir", hörte er den Techniker noch hinter sich sagen, dann eilte er den Gang hinunter zum Torraum.
Landry blickte in gerade diesem Moment zum Fenster hinaus. Etwas ratlos starrte er auf die Antikerin hinunter, die unverrichteter Dinge vor der noch geschlossenen Iris stand. „Was ... ?" In diesem Moment bemerkte er die zweite Gestalt, hochgewachsen und schlank, die vor der Rampe stehenblieb.
„Was haben die beiden denn vor?" fragte Walter, der Techniker.
„Gute Frage ..." Landry runzelte die Stirn. „Iris öffnen. Abhauen können sie ja schließlich nicht."

John blieb wie angewurzelt vor der Rampe stehen. Die Marines, die sich als Wache im Torraum befanden, wechselten ratlose Blicke, zuckten dann aber mit den Schultern.
Vashtu stand oben vor dem Tor und sah zu ihm hinunter, ein zärtliches Lächeln auf den Lippen und Worte in den Augen, die nur er lesen konnte.
Langsam stieg er die Rampe hinauf, die so ungewohnt für ihn war. Dabei ließ er sie nicht eine Sekunde aus den Augen, ebensowenig wie sie ihn.
Bilder der letzten Nacht stiegen in beiden auf. Diese süße Liebe, gepaart mit dem Abschiedsschmerz, stand in ihren Gesichtern geschrieben. Um sie herum versank die Welt.
Vashtu sah ihn auf sich zukommen. Erwartungsvoll hob sie den Kopf. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Noch einmal, ein letztes Mal, bevor sie beide wieder voneinander getrennt waren, wollte sie ihm nahe sein. Ein allerletztes Mal seinen Körper spüren.
John blieb dicht vor ihr stehen, sah sie noch immer an. Und in seinem Blick las sie etwas, das sie erst jetzt zu verstehen begann.
Die Iris hinter ihr wurde eingefahren.
Noch immer standen sie einander gegenüber, so dicht, daß sie nur ihre Hände auszustrecken brauchten, um sich zu berühren. Noch immer waren ihre Blicke ineinander verschlungen und die Welt um sie her einfach nicht mehr da. Nur sie beide zählten - und das, was ein Dritter für sie getan hatten.
„Ich liebe dich", flüsterte sie schließlich, ließ ihren Mund nach diesen Worten leicht geöffnet.
John sah sie immer noch an, öffnete seine Lippen jetzt ebenfalls. Und dann ... Der magere Rest ihrer Umgebung schien zu explodieren in der gewaltigen Leidenschaft, mit der sie sich in die Arme fielen und ihre Lippen sich berührten.
Hinter Vashtu trat als erster der Jaffa Teal'C aus dem Tor. Mit einer fragend gehobenen Braue sah er das Paar an, während er mit sicheren Schritten die Rampe hinunterschritt. Dr. Daniel Jackson folgte ihm dicht auf, stutzte kurz, schüttelte dann den Kopf und blieb wartend stehen, während Vala Mal Doran nun aus dem Wurmloch trat, die beiden Liebenden mit großen Augen anstarrte. Jackson wechselte einen Blick mit der Außerirdischen. Sie lächelte verführerisch. Er schüttelte nur den Kopf und marschierte endlich weiter, Vala hinter sich wissend. Dann trat Lt. Colonel Samantha Carter aus dem hellen Gleißen hervor. Ein leises Lächeln bildete sich auf ihren Lippen und sie drehte sich im Gehen etwas um, während nun auch Lt. Colonel Cameron Mitchell das Wurmloch verließ. Einen Moment lang riß er die Augen auf, dann war es, als senke sich ein düsterer Schleier über sein Gesicht. Angespannt und konzentriert nach vorn starrend marschierte er an dem Paar vorbei.
Und, sich noch immer fest und sicher haltend, standen Lt. Colonel John Sheppard und Major Vashtu Uruhk vor dem geöffneten Wurmloch. Sie blickten sich einen Moment lang an, ein leises, wissendes Lächeln nach dem ersten, ehe sie nun den letzten sehnsüchtigen Kuß tauschten.
Die Falle by Hyndara71
„Du hast was? Tom!" Vashtu Uruhk stand, die Arme vor der Brust gekreuzt, mit geweiteten Augen und starrem Gesicht, vor ihrem Küchentresen und starrte ihren Gast mit einer Mischung aus Schrecken und Begreifen an.
Tom Finnigan, der hochgewachsene, schlanke Mann mit den kurzen dunklen Haaren, ließ seufzend die Schultern hängen. „Ich hatte keine andere Wahl", entgegnete er. „Es gibt da Dinge, von denen du nichts weißt."
Vashtu schüttelte den Kopf. In ihren Augen flammte Wut auf. „Das gibt dir nicht das Recht, mich an irgendwen zu verraten. Tom! Ausgerechnet ... Das sind gefährliche Männer!"
„Das ist mir klar." Der Psychologe nickte. „Und ich habe ihnen so gut wie nichts gesagt. Aber bei dem Überfall ... Da ..." Hilflos hob er die Hände.
Vashtu atmete tief ein und preßte die Lippen aufeinander. Dann stieß sie sich vom Tresen ab und wollte an ihm vorbei zum Tisch, und damit an ihr Telefon.
Tom hielt sie auf. „Bitte, Vash! Wenn du ... Die werden mich umbringen!" In seinem Blick war pure Verzweiflung.
Sie sah ihn starr an, wollte ihm schon eine geharnischte Antwort geben. Dann aber wich sie zurück.
  Tom seufzte erleichtert. „Vash, ich habe ihnen wirklich so gut wie nichts verraten ... ich weiß doch nicht einmal etwas über dich außer dem, was du mir erzählt hast. Und das fällt unter die Schweigepflicht. Es gibt da etwas in meinem Leben ... Ich habe früher einmal mit ziemlich üblen Leuten zusammengehangen, Vash. Und diese Leute ..." Hilflos zuckte er mit den Schultern.
Vashtu nagte an ihrer Unterlippe. Einerseits hatte sie John Sheppard versprochen, daß sie nichts tun würde, sollte der Trust noch einmal versuchen, an sie heranzukommen. Andererseits ... zweimal hatten sie versucht, sie zu entführen, und beim ersten Mal hatten sie zumindest einen Teilerfolg zu verbuchen gehabt. Beim letzten Mal aber ...
Tom schien ihr wirklich verzweifelt zu sein. Er wußte nicht mehr ein noch aus. Darum war er zu ihr gekommen und hatte ihr gebeichtet, was in den letzten Wochen geschehen war. Zwar noch kein echter Vertrauensbeweis, aber immerhin.
Außerdem, und das mußte sie offen zugeben, reizte es sie, dem Trust ein drittes Mal zu zeigen, daß sie kein hilfloses Frauchen war, für das sie von ihnen offensichtlich immer wieder gern gehalten wurde. Um genau zu sein, es ärgerte sie sogar, daß man soetwas von ihr annehmen konnte.
„Also gut." Sie straffte sich. „Wo ist dieser Treffpunkt?"
Tom erbleichte. „Was?" fragte er mit weit aufgerissenen Augen.
Vashtu sah ihn starr an. „Wohin solltest du kommen mit den Sachen über mich?" wiederholte sie ungeduldig ihre Frage.
„Aber ... Vash, was hast du vor?"
„Ihnen ein für allemal klar machen, daß ich nicht zur Verfügung stehe, das habe ich vor!" In ihren Augen blitzte kalte Wut. „Wenn sie es aus dem letzten Mal immer noch nicht gelernt haben, müssen sie es eben anders begreifen. Dann komme ich zu ihnen und erkläre ihnen meinen Standpunkt selbst."
  „Das ... das ..." Er schloß den Mund.
Vashtu schüttelte ungeduldig den Kopf, trat jetzt doch an ihm vorbei, ging aber in ihren Flur hinaus und öffnete eine Lade ihres Sideboards, um einen Umschlag herauszunehmen.
„Du kannst doch nicht allein ..."
„Ich kann und ich werde, Tom Finnigan. Und du kommst mit!" entschied sie.
Sie würde sich nicht wie eine dumme Gans einfach so einfangen lassen! Das würde dem Trust so passen. Sie würde ihnen klar machen, mit wem sie sich da hatten anlegen wollen. Es reichte allmählich! Sie wollte ihr Leben wieder leben, ohne die Schatten, die Storm ihr angehängt hatte. Sie wollte sich endlich wieder frei bewegen können, verdammt!
Sie nahm sich die Kette mit dem Steuerkristall ab und steckte sie in den Umschlag, dann verschloß sie ihn und dachte kurz nach, ehe sie ihn in die Tasche ihrer Fliegerjacke stopfte. Unten war ein Briefkasten, dort konnte sie ihn einwerfen. Peter Babbis würde wissen, was zu tun war und ihr den Kristall zurückgeben. Andererseits, sollte etwas passieren, hatte sie die Sicherheit, daß zumindest Atlantis vor den Goa'uld weiterhin geschützt war. Außer ihr und John Sheppard gab es niemanden ganzen Universum, der den Kristall gebrauchen konnte.
Sie nahm ihre Jacke und streifte sie über. Aus einer anderen Schublade nahm sie ihre Beretta, kontrollierte sie kurz und steckte sie dann ein.
„Und jetzt fährst du mich zu diesem Treffpunkt, Tom!" Mit einem kalten Funkeln in den Augen drehte sie sich um und sah den Psychologen an. 
*** 
Als Dr. Peter Babbis die Tür öffnete, klappte ihm unvermittelt die Kinnlade herunter, als er die  Gestalt sah, die vor seiner Wohnung stand. Dann erst ging ihm auf, wen er da vor sich hatte und er trat einen Schritt zur Seite.
„Vater", begrüßte er den Mann, der vor ihm stand, machte eine einladende Handbewegung. „Komm doch rein, bitte."
Professor Alastair Babbis sah seinen Sohn einen Moment lang mit einer undeutbaren Miene an, dann überschritt er die Schwelle. Naserümpfend sah er sich in dem Ein-Zimmer-Apartment um.
Babbis zögerte, schloß dann die Tür wieder und drehte sich um. „Wo ist Mum?" fragte er.
Der Professor winkte ab. „Wo soll sie schon sein? Im Vollrausch vor ein Auto gelaufen, das ist sie und liegt jetzt mit diversen Verletzungen im Krankenhaus."
Der junge Wissenschaftler runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
„Nicht einen Moment denkt dieses Weib daran, was ihre Eskapaden mir antun können." Der Professor drehte sich wieder um und sah sich noch einmal kritisch um. „Ebensowenig wie du, Peter. Hast du eigentlich eine Ahnung, was deine ... deine Arbeit für das Militär für mich bedeutet? Und was soll dieser Quatsch? Was für Unmöglichkeiten hast du denn noch geplant? Maschinenbau, Mathematik und Astrophysik? Wie soll dir das jemals weiterhelfen?"
„Und wie sollte mir englische Literatur und Philosophie weiterhelfen?" erdreistete Babbis sich zu fragen. Er kreuzte die Arme vor der Brust und funkelte seinen Vater an. „Und ich arbeite gern für das Militär. Man bietet mir dort Möglichkeiten, die ich sonst niemals hätte nutzen können. Nur allein ... Ich bin inzwischen wichtig, Vater. Ich!"
Der Professor hob eine Braue. „Du und wichtig? Das ist lächerlich! Wärst du in Boston geblieben, wo du auch hingehörst, dort hättest du es zu etwas bringen können - als mein Sohn! Aber du ziehst es ja vor, dich beim Militär lächerlich zu machen. Streng geheim, uuh!" Er schüttelte sich. „Mit tumben Waffennarren zusammenarbeiten, die den Verstand einer Amöbe haben? Und ich soll da nicht einschreiten?"
„Genau das ist der Grund, aus dem Mum trinkt und ich weggegangen bin, Vater. Genau das!" fuhr Babbis seinen Gegenüber an. „Wie geht es ihr?" Leichte Sorge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
  „Wem?"
„Mum!" Babbis atmete tief ein, schüttelte dann den Kopf und ging an seinem Vater vorbei.
„Wo willst du hin?" bellte der Professor ihn an.
„Ich packe meine Sachen zusammen und fahre nach Boston, Vater", antwortete Babbis mit konzentriert ruhiger Stimme. „Ich will selbst sehen, wie es Mum geht. Vielleicht können die Ärzte ..."
„Quacksalber! Stümper! Von denen hat noch keiner irgendetwas zu stande gebracht." Der Professor schnaubte. „Aber gut, daß du zumindest soviel Verstand hast. Ich bin gekommen, um dich zurück zu holen. Deine Arbeit für das Militär ist beendet. Ich habe da meine Beziehungen spielen lassen."
Babbis hielt inne in seinem Packen und blickte auf. „Was?" Sein Gesicht war blaß geworden.
Ausgerechnet jetzt tauchte sein Vater wieder in seinem Leben auf! Ausgerechnet jetzt, da er endlich auf dem richtigen Weg war und seine Zusammenarbeit mit Vashtu Uruhk Fortschritte machte. Und dann ...
Der Professor nickte befriedigt. „War gar nicht so schwer. Senator Watts schuldete mir noch einen Gefallen."
„Hast du den Verstand verloren?" Babbis richtete sich wieder auf. In seinem Gesicht war Schrecken und Unglauben zu lesen. „Ich habe doch gerade gesagt ..."
„Du, ein Hochbegabter, mit zweiundzwanzig schon drei Titel, soll beim Militär versauern? Das konnte ich doch nicht zulassen!"
„Ich bin dreiundzwanzig, Vater!" bellte Babbis wütend los. „Und ich werde das SGC nicht verlassen, hast du das verstanden? Du magst denken, was du willst. Ich gehe nicht hier weg. Ich bin froh, daß ich es bis hierher geschafft und endlich den Posten inne habe, den ich von Anfang an wollte. Ich arbeite in einem Team, zusammen mit anderen Wissenschaftlern, Vater! Meine Vorgesetzte ist ebenfalls hochintelligent, und was sie ... Ich kann von ihr lernen, und ich bin der Meinung, jeder könnte von ihr lernen, wenn man sich auf sie einläßt. Ich werde das jetzt nicht aufs Spiel setzen!"
  Professor Babbis sah seinen Sohn hochmütig an. „Ich habe von deiner Vorgesetzten gehört, diesem Major Vashtu Uruhk. Watts überließ mir Teile ihrer Personalakte. Und was ich dort gelesen habe, klingt für mich alles andere als intelligent."
Babbis' Gesicht wurde aschfahl. „Du hast was? Du hast doch gar nicht die nötige Autorisation dazu!" Seine Stimme kippte. „Major Uruhk hat mir mehr als einmal das Leben gerettet, Vater. Ich werde sie jetzt nicht im Stich lassen!"
„Du wirst tun, was das beste für dich ist, Sohn. Ich habe mir deine dummen Ideen schon länger als nötig gefallen lassen. Pack endlich deine Sachen, damit wir von hier verschwinden können. Deine ... Militärlaufbahn ist vom heutigen Tage an beendet." 
*** 
„Da vorn ist es." Tom wies auf einen dunklen Schatten zwischen den Bäumen.
Vashtu fuhr den Wagen zwischen einige niedrige Büsche und hielt dort. Sinnend überlegte sie noch einmal, ehe sie die Beretta wieder aus der Jackentasche holte.
Der Herweg hatte es denn doch erforderlich gemacht, daß sie sich hinter das Steuer setzte, da Tom die MP, die ihnen die ganze Zeit über auf den Fersen gewesen war, nicht abhängen konnte. Also hatten sie irgendwann, zwischen Colorado Springs und Denver, die Plätze getauscht und sie den sie verfolgenden Wagen abgeschüttelt, wenn auch nicht ohne Kommentare ihres Beifahrers. Aber sie konnte Storms Männer im Moment nicht gebrauchen. Sie wollte diese Sache allein klären, und sie würde das auch tun!
Sie öffnete die Fahrertür. „Komm mit", sagte sie und stieg aus. Draußen sah sie sich erst einmal aufmerksam um und lauschte. Jetzt konnte sie sich verfluchen dafür, daß sie ihren Energiedetektor im Cheyenne-Mountain gelassen hatte. Aber wer hatte denn auch denken können, daß sie sich ausgerechnet heute mit dem Trust anlegen wollte? Außerdem ... wie hätte sie Tom erklären sollen, was das für ein Gerät war, das zwar funktionierte, solange sie es in ihren Händen hatte, aber sobald er es nahm, sich komplett abschaltete?
„Bist du sicher? Ich meine ... Es könnte auch eine Falle sein", sagte er mit leicht bebender Stimme.
  Vashtu schüttelte unwillig den Kopf und marschierte mit strammen Schritten los.
Natürlich konnte das eine Falle sein, alles konnte eine Falle sein! Sie konnte auch einen Morgen aufwachen und sich in irgendeiner Zelle wiederfinden. Manchmal zweifelte sie wirklich an ihrer eigenen Menschenkenntnis, wenn es um Tom ging.
Was er ihr auf der Fahrt hierher erzählt hatte, nagte immer noch an ihr. Er, der ihr so sympatisch gewesen war von Anfang an, dem sie Vertrauen geschenkt hatte, besaß selbst ein düsteres Geheimnis - ein sehr viel düstereres Geheimnis als sie je vermutet hätte. Als Jugendlicher war Tom, damals noch unter einem anderen Namen und mit einem etwas anderem Aussehen, irgendwie in die Machenschaften eines Drogenkartells hineingestolpert. Als Kronzeuge hatte er gegen die Bosse ausgesagt, und dafür eine neue Identität erhalten, neben einem sehr guten Job in der Spezialklinik in Colorado Springs.
War es das gewesen, das sie von Anfang an gespürt hatte bei ihm? War es dieser verlockende Widerspruch, den sie wahrgenommen hatte an ihm? Er, der sich meilenweit von jedem Streit entfernt hielt, der offenbar nicht einmal sonderlich mutig war, er war auf seine Weise gegen sehr gefährliche Männer angetreten und hatte, zumindest für eine gewisse Zeit, gewonnen.. Bis ihm der Trust auf die Schliche kam und ihn zu erpressen begann.
„Ich werde diese Sache ein für allemal klären, Tom. Du wirst keine Angst mehr zu haben brauchen", antwortete sie entschlossen. Noch einmal sah sie sich aufmerksam um, dann hielt sie auf den Schatten zu, der sich beim Näherkommen in eine Holzhütte verwandelte.
Vashtu blieb wieder stehen, sah sich aufmerksam um und lauschte. Doch bis auf ihren eigenen Atem und Toms ungelenke Schritte konnte sie nichts hören. Also richtete sie ihr Interesse auf die Hütte.
Eine Waldhütte, wie man sie im Fernsehen sehen konnte. Ein kleines Blockhaus, das in Western von irgendwelchen Trappern aufgesucht wurde für den Winter. Nur wirkte diese Hütte um einiges mitgenommener. Moos hatte sich auf den roh zusammengezimmerten Balken festgesetzt, wenigstens ein Fenster war erst kürzlich ersetzt worden, die Tür wirkte alles andere als stabil. Vor die anderen Öffnungen waren schwere Läden geschoben worden.
Vashtu trat an das eine offene Fenster und spähte in die Hütte hinein.
Leer, aber nur unsicher beleuchtet. Licht schien wirklich nur durch dieses Fenster hineinzufallen, was große Teile des einen Innenraums in ein schattiges Zwielicht tauchte.
„Wir sollten gehen. Das war keine gute Idee von dir, Vash", bemerkte Tom unsicher.
Vashtu warf ihm einen kalten Blick zu und drückte die Klinke herunter. Die Tür ließ sich problemlos öffnen und gab keinen Laut von sich.
Vorsichtig lugte sie durch die Öffnung, konnte aber immer noch nichts wahrnehmen. Die Beretta im Anschlag tat sie einen großen Schritt in die Hütte, sicherte sofort nach allen Seiten. Dann hob sie ihre Waffe.
„Leer", kommentierte sie und drehte sich wieder um. Aufmerksam forschte sie in die Schatten hinein.
  Der eine Raum war relativ gut einsehbar. Altes Laub lag auf dem Boden, neben einigen zerbrochenen Möbeln. An einer Wand war eine große Waschwanne aus Metall aufgehängt, unter einem provisorischen Wasserhahn, eine andere wurde von einem großen Kamin eingenommen, in dem sich halb verkohltes Holz stapelte. Der Geruch nach feuchter Erde, schimmligem Holz und altem Rauch hing in der Luft.
„Hier ist nichts." Tom seufzte erleichtert. „Dann war es wahrscheinlich doch ein übler Scherz."
Vashtu schüttelte den Kopf.
Da, weit hinten, gab es noch eine Tür. Vielleicht würde sie dort Antworten finden. Mit langen Schritten ging sie darauf zu.
„Vash?"
„Gleich", sagte sie unwillig.
Dann hörte sie es, den leisen Laut, der entstand, wenn man eine ZAT-Waffe entsicherte. Als sie herumwirbeln wollte, traf die Energieentladung sie voll, ließ sie zu Boden stürzen. Doch im Gegensatz zum ersten Mal, als sie von einer dieser Goa'uld-Waffen getroffen worden war, war da noch ein Funke Bewußtsein in ihr, an den sie sich klammern konnte. Und dieser Funke teilte ihr noch zwei Feuerstöße mit, ehe auch er verlosch. 
*** 
Sergeant George Dorn öffnete stirnrunzelnd seine Wohnungstür. Überrascht hob er die Brauen, als er Detective Hernan vor sich stehen sah. „Sir?" fragte er.
Der Polizist, der sich offensichtlich gerade etwas umgesehen hatte, drehte sich wieder zu ihm um und nickte ihm zu. „Sergeant Dorn. Es gibt da noch ein paar Fragen ... wegen des Überfalls vor einigen Wochen", erklärte er.
Dorn runzelte die Stirn. Soweit er wußte, war dieser „Überfall" komplett unter die Geheimhaltung gefallen. Warum also sollte Hernan sich noch darum kümmern? Er durfte es an für sich nicht, und das sollte ihm auch klar sein.
„Darf ich reinkommen?" fragte der Polizist jetzt.
Dorn überlegte.
Eigentlich sollte er sofort seinen alten Kampfgefährten Jeffrey Storm anrufen, damit dieser Hernan noch einmal ins Gebet nahm und ihm klar machte, daß es so nicht ging. Auf der anderen Seite aber war er auch neugierig, warum dieser Mann sich dermaßen in den Fall festgebissen zu haben schien, daß es ihm selbst Wochen später noch keine Ruhe ließ.
Dorn trat zur Seite und ließ seinen unverhofften Gast in sein Haus. Dann schloß er die Tür und folgte dem Polizisten in das Wohnzimmer.
Dorn bot Hernan einen Platz an, während er sich noch einmal prüfend umsah. Seit seine Frau Cindy vor knapp einem Jahr Selbstmord begangen hatte, hatte er nichts mehr im Haus verändert. Alles erinnerte noch immer an seine kleine, glückliche Familie, die mit einem Schlag ausgelöscht worden war durch einen grausamen Krieg.
Hernan ließ sich auf dem Sofa nieder, knetete mit den Händen seine Knie. „Ich denke, Sie wissen, daß ich diese Ermittlungen ... nun, eigentlich bin ich gar nicht hier", begann er.
Dorn, aus seinen Erinnerungen gerissen, nickte und sah seinen Gast aufmerksam an.
„Um die Wahrheit zu sagen, ich bin suspendiert worden nach dieser Sache", fuhr Hernan fort.
Dorn hob eine Braue, äußerte sich aber noch immer nicht.
„Ich ... ich habe versucht, mit Ihrer Vorgesetzten in Kontakt zu treten, weil ich ... nun, ich habe einige Fragen." Hernan zuckte mit den Schultern. „Aber ich habe sie nicht erreichen können."
„War in Urlaub für zehn Tage", antwortete Dorn und lächelte.
Hernan sah überrascht zu ihm hoch. „Seit wann? Man sagte mir am Telefon, daß sie im Dienst sei."
  Dorn richtete sich unvermittelt auf und drehte sich um.
Im Flur griff er nach seinem Telefon, tastete die Nummer des SGC ein und wartete. „Major Uruhk", sagte er dann einfach nur, als eine Stimme sich meldete. Dann nickte er verstehend und legte wieder auf.
Einen Moment lang mußte er gegen seine innere Unruhe ankämpfen, während er ins Wohnzimmer zurückkehrte, dann hatte er sich aber schon wieder gefaßt. „Sie ist nicht zum Dienst erschienen", sagte er einfach nur. „Sieht übel aus." 
*** 
Als Vashtu zu sich kam, fühlte sie sich wie erschlagen. Zwar waren es nicht mehr die Schmerzen wie beim ersten Mal, als sie von einer ZAT getroffen worden waren, doch sie wußte sofort, was an ihr nagte: verletzter Stolz!
Sie hatte es mit dem Trust aufnehmen wollen, in der festen Überzeugung, daß es, ebenso wie bei den anderen Malen, gut für sie ausgehen würde. Daß es einmal anders sein würde, daß sie wieder in eine Falle lief - nein, damit hatte sie niemals gerechnet. Und erst recht nicht mit ...
Tom!
Vashtu riß die Augen auf und hob den Kopf.
Sie lag auf dem dreckigen Boden der Hütte, und ein Stück entfernt konnte sie ...
Vashtu schloß die Augen und ließ den Kopf wieder sinken.
Tom war tot. Sie wußte nicht, warum, wer auch immer sie hergelockt hatte, ihn nicht gleich mit einem dritten Schuß endgültig beseitigt hatte, aber sie hatte noch deutlich die beiden Schüsse, die auf den, der sie getroffen hatte, gefolgt waren, gehört. Wenn der Psychologe zweimal getroffen worden war, war er tot. Und sie war sich ziemlich sicher, daß der Schütze eben dies gewollt hatte.
Langsam öffnete sie die Augen wieder, sah sich von ihrem Standort aus um, richtete schließlich ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst.
Sie lag in einer eigenartigen Position auf dem Boden und konnte die Metallschellen fühlen, die ihre Handgelenke umwanden. Als sie kurz an ihnen ruckte, wußte sie, daß diese mit ihren Knöcheln verbunden waren. Sie konnte, wenn sie die Finger ausstreckte, fast ihre Schuhe berühren. In dieser Position blieb ihr nicht viel, was sie tun konnte, zumal sie nicht irgendwo festgemacht worden war wie beim letzten Mal. Wenn sie sich vorsetzlich ein Glied abriß, um aus den Fesseln zu kommen, würde es nicht nachwachsen. Es wäre verloren. Zumal ...
Wieder ruckte sie an ihren Fesseln.
Das linke Handgelenk war mit dem rechten Knöchel verbunden, beziehungsweise umgekehrt. Zusätzlich umwand noch irgendetwas, wahrscheinlich ein Klebeband, ihre Handgelenke, wahrscheinlich war es ihr auch um die Knöchel gewickelt worden, um so auch ihre Glieder zu fixieren. Und sie war geknebelt. Irgendetwas, was leicht nach Gummi roch, war fest um ihren Kopf gebunden, wahrscheinlich auch wieder Klebeband. Es schnitt in ihre Wangen und preßte ihre Lippen gegen die Vorderzähne. Ihre Gesichtsmuskeln fühlten sich an, als hätte sie bereits erste Krämpfe hinter sich.
Gut, sie lag hier, relativ unbeweglich, weil die Art ihrer Fesselung keine großartigen Bewegungen zuließ und sie sich im Moment auch noch nicht befreien konnte. Auch konnte sie nicht schreien, solange sie geknebelt war. Aber vielleicht ...
Vashtu versuchte, den Knebel irgendwie zu lockern, doch das wollte ihr nicht gelingen. Ihre Wangenmuskeln konnte sie im Moment nicht einsetzen, ebensowenig die Fremdzellen, es sei denn, sie wollte riskieren, sich selbst zu verstümmeln. Und das wäre wirklich der letzte Ausweg.
Die Tür öffnete sich, jemand betrat die Hütte. Sie konnte die Schritte hören, reckte den Hals in den Nacken.
Ein Mann. Ein Fremder. Sie kannte ihn nicht, das war sie sich ...
Seine Augen leuchteten in einem gelblichen Licht auf.
Vashtu zuckte zusammen, als sie sich erinnerte.
Doch sie kannte ihn, zumindest hatte sie ihn einmal kurz gesehen. Und zwar, als der Trust sie das erste Mal entführte und in dieses leerstehende Bürogebäude gebracht hatte. In der Tiefgarage hatte sie ihn gesehen, nur kurz, ehe sie geflohen war.
Ein Goa'uld!
Vashtus Atem beschleunigte sich unwillkürlich.
Der Mann blieb stehen, sah auf sie hinunter. Dann beugte er sich über sie und packte sie unter den Achseln.
„Ganz ruhig", sagte er mit diesem tiefen, eigenartigem Timbre. „Du bist in Sicherheit, Itar."
Itar?
Vashtu verkrampfte sich unwillkürlich, als er begann, sie zu der hinteren Tür zu schleifen. Wirklich zu wehren vermochte sie sich nicht, dazu war ihr Körper zu unbeweglich durch die Fesselung. Aber vielleicht konnte sie es ihm etwas schwerer machen.
Doch ähnlich wie ein Wraith, der sich gerade genährt hatte, schien auch dieser Goa'uld unter übersteigerten Kräften zu stehen. Als sie sich verkrampfte und zu winden versuchte, um sich von ihm loszumachen, packte er einfach fester zu, hob sie schließlich ganz vom Boden und schleppte sie unsanft durch die Tür in den hinteren Raum.
Dieses Zimmer war nur unzureichend beleuchtet, sah Vashtu sofort. Einige Lichtkugeln auf dem Boden sandten weiches Licht aus. Und nahezu in der Mitte des Raumes befand sich etwas, was entfernt an einen Kessel erinnerte, nur daß er durchsichtig wie Glas oder Kristall war. Und in diesem Bottich bewegte sich etwas.
Vashtu sträubte sich noch erbitterter und stieß unterdrückte Rufe aus, doch es half ihr nichts. Solange sie ihre Fremdzellen nicht einsetzen konnte, war sie hilflos wie eine normale Menschenfrau. Und sie konnte es nicht wagen, sich am Ende noch einer Hand oder eines Fußes selbst zu berauben.
Der Goa'uld zerrte sie an dem Bottich vorbei, so daß sie ihn im Rücken hatte. Dann ließ er sie wieder zu Boden und begann akribisch, sie richtig zu positionieren. Augenblicklich protestierten ihre Muskeln, als er sie zwang, sich hinzuknien. Ihre Schultern spannten, ihr gesamter Körper wurde ein Stück nach hinten gerissen durch die Fesseln. Aber es war die einzige Art, wie sie schließlich irgendwie hocken konnte. Unwillkürlich spreizte sie ihre Knie ein wenig, um eine festere Position zu erreichen.
„So ist es gut, Itar. Bleib so, dann ..." Er richtete sich wieder auf.
Vashtus Atem kam keuchend.
Was hatte er vor? Warum ließ er sie in einem Raum mit einem Goa'uld? Und warum nannte er sie die ganze Zeit Itar? Wer war das?
Dann hörte sie das Zischen und schloß die Augen.
Tom war fort. Erst hatte der Goa'uld ihn getötet, seinen Körper aber liegenlassen. Jetzt aber war auch der gegangen.
Die Tür schloß sich.
„Dann sind wir beide jetzt endlich ungestört, meine Liebe", wandte der Goa'uld sich an sie. Sie hörte, wie er irgendetwas hinter ihr tat. Es klirrte leicht und leise.
Vashtu schluckte, ihr Atem beschleunigte sich wieder.
„Ich werde dich jetzt vorbereiten, Itar. Du bist auserwählt worden, eine große Ehre zu tragen und meine Gemahlin zu werden - nach einer Vorbereitungszeit, versteht sich. Wir beide werden wieder alles teilen, wie früher schon."
Er näherte sich ihr.
Vashtus Körper versteifte sich.
Was hatte er vor mit ihr?
Er beugte sich über sie, seine Hand strich durch ihr kurzes Haar. Etwas war daran befestigt, an dieser Hand.
Vashtu blickte auf, sah ihn forschend an. Er lächelte.
„Du wirst die schönste der Göttinnen sein, Itar. Ich habe gut gewählt", sagte er, hob die Hand.
Vashtu starrte auf diesen eigenartigen Schmuck, den er sich darüber gestreift hatte. Sie hatte soetwas schon gesehen, im SGC. Man hatte ihr auch erklärt, wofür der kleine Kristall in der Mitte der Handfläche ...
Der Kristall leuchtete auf und gab diesen Lichtstrahl gebündelt an sie weiter. Wie ein Laser schien dieser sich durch ihre Stirn in ihr Hirn zu fressen.
Vashtu keuchte vor Schmerz. 
*** 
„... tja, so war das. Am Ende durfte ich meine Marke abgeben. Und ich habe nicht die blaßeste Ahnung, ob ich die jemals wiedersehen werde." Hernan kreuzte die Arme vor der Brust und ließ sich gegen die Rückenlehne des Sofas sinken.
Dorn nickte sinnend. Sein Blick war auf das Foto einer blonden jungen Frau geheftet, das auf der Anrichte stand. Auf Laurie, seine Tochter.
Wenn er ehrlich war, erinnerte ihn Major Uruhk oft genug an sie, und genau darum hatte er sie schon vom ersten Moment an ins Herz gefaßt. Sie wußte das inzwischen auch, und sie nahm seine Empfindungen für sie gern an. Offensichtlich hatte sie in ihrer Zeit ... Nun, ihre Familie schien damals sehr eng miteinander verknüpft gewesen zu sein.
Dorn wußte, er war der einzige in SG-27, der die Antikerin nicht nur mit ihrem Vornamen anreden, sondern auch duzen durfte. Doch zumindest im Dienst machte er davon keinen Gebrauch. Da war sie seine Vorgesetzte, seine Leaderin. Und sie machte ihre Sache vielleicht nicht immer nach den Regeln, aber immer so, daß ihr Team mit relativ heiler Haut zurückkehrte, selbst wenn sie Schaden nahm. Und sie wußte, sie konnte sich auf den Rest ihres Teams verlassen.
Dorn erhob sich, verließ das Wohnzimmer wieder und nahm den Hörer von seinem Telefon, um eine andere Nummer zu wählen. Aufmerksam lauschte er, dann betätigte er die Gabel und versuchte wieder eine andere. Doch auch hier meldete sich niemand.
Sollte der Major irgendetwas mit Babbis geplant haben? Aber warum war sie dann nicht zum Dienst erschienen? Sie war nie unpünktlich, sie tat ihre Arbeit, mal mit mehr, mal mit weniger Elan.
„Sie können mir also nicht weiterhelfen?"
Dorn richtete sich auf. Und wieder wählte er eine Nummer, fast die gleiche, die er schon einmal gewählt hatte. Doch diesmal meldete sich jemand am anderen Ende.
„General, Sir. Ich schätze, wir haben ein Problem", sagte Dorn emotionslos. „Und jemanden, der uns helfen kann." Bei diesen Worten traf sein Blick auf den des Polizisten. 
*** 
Die Verbindung brach urplötzlich ab und ließ sie in sich zusammensacken. Vashtu keuchte und hielt die Augen weiter geschlossen.
Das war ... Sie hätte niemals geglaubt, daß irgendjemand dermaßen auf sie zugreifen konnte! Ihre Erinnerungen, ihr ganzes Selbst, alles lag offen wie eine blutende Wunde vor ihr, und der Goa'uld konnte darin lesen, wenn er dieses eigenartige Gerät benutzte.
Und dabei wurden ihr beinahe unmenschliche Schmerzen zugefügt und sie erlebte alles noch einmal mit. Sie fühlte, sie dachte, sie war da.
Ihr wurde übel. Was hatte sie verraten? Wieviel wußte er jetzt?
Sie konnte es nicht sagen, sie wußte es nicht mehr. Die Erinnerung war wie ausgebrannt aus ihrem Geist. Sie wußte nur eines, dieses Gerät war gefährlich! Würde er es noch öfter einsetzen ... Sie würgte, hustete dann hinter dem Knebel.
„Pst, ganz ruhig." Jemand wischte ihr den Schweiß vom Gesicht.
Vashtu öffnete nun doch die Augen wieder, nur einen spaltweit, und beobachtete ihn. Der Goa'uld musterte sie stirnrunzelnd.
„Was für eigenartige Erinnerungen du hast", wisperte er ihr schließlich zärtlich zu. „Ich wußte, was du bist, Itar, eine der Alten, die letzte der Alten. Ich wußte, daß es für dich der größte Wunsch war, noch einmal einen solchen Körper zu besitzen. Aber ... gibt es tatsächlich diese Stadt im Ozean? Wo ist sie?"
Vashtu riß die Augen auf, ihr Atem stockte.
Sie hatte Atlantis verraten! 
*** 
Hernan sah sich interessiert um, während der Sergeant ihn die Gänge entlang führte. So sah also eine streng geheime Anlage des Militärs aus. Irgendwie etwas enttäuschend, wie er fand. Man merkte dem ausgehöhlten Berg an, daß er im letzten Jahrtausend angelegt worden war.
„... vollkommen übergeschnappt? Was wollt ihr sein? Ihr wart abgestellt, um sie zu überwachen und zu beschützen! Das ist das zweite Mal, daß ihr versagt habt!" wütete eine bekannte Stimme hallend durch den Gang.
Hernan mußte einen Moment lang überlegen, dann erinnerte er sich. Es war dieser MP-Captain, der während des Banküberfalls die Leitung der Ermittlungen an sich gerissen hatte. Storm, so der Name.
  Dorn ließ sich nichts anmerken, noch immer nicht. Wie konnte dieser Mann so stoisch sein? Angeblich sorgte er sich doch um die beiden vermißten Mitglieder seines Teams. Was für ein Team eigentlich?
Hernan hatte mehr oder minder ins Blaue geschossen, als er den Sergeant aufsuchte. Bei seinen Ermittlungen zum Thema NID war er immer wieder gegen Mauern gerannt, die ihm schließlich sogar seine Marke kosteten. Dabei aber war er auch auf etwas gestoßen, zumindest dachte er das. Und Dorn schien das ebenfalls zu denken.
„Ihr werdet die nächste Zeit Dienst am Tor verrichten", wütete Storms Stimme weiter hinter irgendeiner offenen oder angelehnten Tür. „Ich kann nur hoffen, daß nicht irgendein Prior auf den Gedanken kommt, uns ausgerechnet dann anzugreifen. Vielleicht sollte ich das aber auch, verdammt! Dann wäre ich euch endlich los. Noch so ein Schnitzer und ihr landet als Hilfskräfte in AREA 51, verstanden?"
AREA 51? Was sollte das denn bedeuten?
Dorn bog in einen Seitengang ab, blieb kurz darauf vor einer Tür stehen und klopfte an. Dann öffnete er nach einem Atemzug des Wartens und ließ seinem Gast den Vortritt.
Hernan machte einen langen Hals, ehe er das Büro des Leiters dieser Anlage betrat. Der General, Landry sein Name, erhob sich, als er sich schließlich entschloß, den Raum zu betreten.
„Detective Hernan, ich hoffe, Sie hatten keine Schwierigkeiten?" Der Militär reichte ihm die Hand.
  Sympatisch, war das erste, was der Polizist dachte. Dieser Mann war ihm wirklich sympatisch, wenn er auch immer noch nicht begriff, was hier eigentlich gespielt wurde.
„Nein, hatte ich nicht. Sergeant Dorn hat offensichtlich ein sehr überzeugendes Wesen." Er lächelte.
  Der alternde Marine nickte und schloß die Tür hinter sich, ehe er salutierte.
„Setzen Sie sich. Dorn, Sie auch. Vielen Dank für Ihr rasches Schalten." Landry bot seinen beiden Gästen die Stühle an, die vor seinem Schreibtisch standen, ehe er sich ebenfalls wieder niederließ.
  „Sir?" Dorn richtete sich auf und warf dem Leiter dieser Anlage einen fragenden Blick zu.
Landry nickte und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. Hernan erinnerte das irgendwie an seinen Commissioner.
„Wie es aussieht, ist Major Uruhk tatsächlich verschwunden. Was mit Dr. Babbis passiert ist, wird gerade geklärt. Es gibt da eine offizielle Kündigung. Doch diese wurde nicht unterschrieben."
Dorn runzelte die Stirn.
Die Tür öffnete sich und ein ziemlich verärgerter Captain Storm trat in das Büro. „Sir?"
Landry nickte seinem Sicherheitschef zu. Storms Kiefer mahlten immer noch, sein Gesicht war gerötet.
„Major Uruhk war offensichtlich mit ihrem neuen Bekannten, diesem Dr. Finnigan, unterwegs Richtung Denver", berichtete der MP nun. „Leider wissen wir nichts genaues, weil ... Nun, diese beiden Flaschen sind ab sofort in den Innendienst versetzt."
Landry seufzte. „Wir alle kennen Major Uruhk. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, wird sie das auch durchführen, und wenn sie dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt." Er lehnte sich zurück, doch er wirkte angespannt. „Mit diesem Arzt sagen Sie?"
Hernan spürte den Blick des MPs auf sich und drehte sich halb zu ihm um. Storm musterte ihn stirnrunzelnd, sagte aber nichts.
„Detective Hernan hat Infos", sagte Dorn einfach.
Storm nickte, wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem General zu.
Landry beugte sich vor. „Und was für Informationen haben Sie, Detective?" fragte er.
Hernan atmete tief ein. „Ich weiß, ich hätte nicht weiter forschen sollen, nachdem ich den Befehl des Präsidenten erhielt", begann er zu erklären. „Aber irgendetwas an dieser Sache stank gewaltig. Und damit meine ich nicht nur die Tatsache, daß dieser ganze Überfall mehr oder weniger fingiert war, General."
Landry nickte. „Ich hoffe auch, Sie wissen, daß Sie zukünftig über alles werden schweigen müssen, was Sie hier sehen, Detective."
Hernan zuckte mit den Schultern. „Wenn ich überhaupt noch ein Leben habe, Sir." Er sah wieder zu Storm. „Der Captain unterhielt sich mit dem FBI-Agent während des Überfalls. Dabei fiel ein Begriff, eine Abkürzung: NID", fuhr er mit seinem eigentlichen Thema fort. „Ich forschte nach, was es damit auf sich hat. Nun, die eigentlich Organisation ist inzwischen sauber, das dürften Sie auch wissen. Aber da gibt es eine Splittergruppe, die immer noch als NID-Agenten auftreten. Und diese ... Bei den Bankräubern handelte es sich um Mitglieder dieser Splittergruppe. Sie unterstanden einem gewissen ... Baal."
„Das ist uns bekannt", warf Storm ein.
„Es geht weiter", brummte Dorn stirnrunzelnd.
Hernan nickte, beugte sich vor. „Ich forschte weiter, auch über Ihren Major. Dabei stieß ich auf jemanden, der sich ... Moment." Er zog seinen Notizblock aus der Jackentasche und blätterte darin herum, bis er auf eine Seite stieß, die ihm offensichtlich etwas sagte. „Er nennt sich Nisroch, General. Und, nach allem, was ich herausfinden konnte, war er es wohl, der zuerst auf Ihren Major aufmerksam wurde."
Storm richtete sich plötzlich steif auf und wechselte einen Blick mit Landry. „Itar!" entfuhr es ihm. „Verdammt! Der Kerl hat immer noch nicht aufgegeben!"
Landry wurde unruhig. Seine Augen waren leicht geweitet, als er sich wieder an den Detective wandte: „Was haben Sie noch? Hat Nisroch es auf Major Uruhk abgesehen aus einem bestimmten Grund?"
Hernan zögerte, blickte etwas hilflos auf. „Er hat sich aus dem ... .dem Trust zurückgezogen, so die Deckorganisation, der er und auch dieser Baal, sowie der NID, unterstehen. Er arbeitet auf eigene Faust. Die Informationen, die ich ... äh ... sie sind etwas merkwürdig, General. Irgendetwas von einem Körper."
Landry wurde blaß. Er schien sehr genau zu wissen, um was es ging.
„Itar ist tot", warf Storm ein. „Ich habe sie selbst erschossen, Sir. Aber der Goa..." Hörbar klappten seine Kiefer wieder aufeinander, als Landry ihm einen warnenden Blick zuwarf.
„Er hat noch mehr", kommentierte Dorn mit tiefer Stimme. Irrte er sich, oder bebte sie jetzt doch etwas.
Sofort richteten sich die zwei Augenpaare von Landry und Storm auf den Polizisten.
Hernan schluckte, nickte aber. „Ganz genau. Dieser Dr. Finnigan, mit dem Ihr Major des öfteren ihre Zeit verbringt, ist nicht, was er zu sein vorgibt. Meine Nachforschungen ergaben, daß er vor gut fünfzehn Jahren in einen Drogenfall verwickelt war und in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde."
Storm wechselte wieder einen Blick mit seinem Vorgesetzten. „Das ist ..."
„Dann ist Nisroch über Finnigan an Major Uruhk herangekommen." Landry lehnte sich wieder zurück und starrte vor sich hin.
„Sir, ein Schiff in der Nähe?" ließ Dorn sich plötzlich vernehmen.
Landry sah den Marine stirnrunzelnd an. „Was?"
„Ein Schiff in der Umlaufbahn?" wiederholte Dorn ruhig.
„Der ID-Chip!" Storm schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Vielleicht kann uns die ISS wieder aushelfen?"
„Das wird nicht möglich sein. Und, Sergeant, nein, die Schiffe sind im Moment alle unterwegs. Frühestens in drei Tagen wird die Daedalus uns wieder zur Verfügung stehen", antwortete Landry, ließ dabei den Polizisten nicht aus den Augen. „Wenn Nisroch Major Uruhk hat, haben wir keine drei Tage. Wenn es ihm gelingt, sie in eine neue Itar zu verwandeln, haben wir Chaos auf der Erde - und vielleicht auch in ... Atlantis."
Hernans Augen wurden groß.
Wohin war er hier geraten? Was sollte das bedeuten? Wie ... ?
„Detective, folgen Sie mir." Landry erhob sich.
Hernan nickte und stand ebenfalls auf. Irgendwie beschlich ihn unversehens das Gefühl, noch nie so nahe an der Lösung vieler Rätsel gewesen zu sein. 
*** 
„Du kannst es, kleine Schwester", wisperte Enkils heisere Stimme ihr zu.
Vashtu stand vor dem Käfig und starrte die Gestalt an, die ehemals ihr Bruder gewesen war. Dabei nahm sie das undeutliche Wispern des Goa'ulds wahr.
Das hier war nicht echt! Es waren ihre Erinnerungen, in die dieses fremdartige Schlangenwesen eindringen wollte. Er zwang sie, sich zu erinnern. Warum, das konnte sie noch nicht sagen. Aber sie wußte, sie würde irgendwann den Verstand verlieren, wenn es so weiter ging.
„Du kannst es, kleine Schwester."
Vashtu schloß die Augen und lehnte sich vor.
Irgendwie war es ihr gelungen, in dieser Erinnerung eine Schleife zu erzeugen, doch es kostete sie Unmengen ihrer Kraft. Verzweifelt klammerte sie sich an diesen einen Satz, hoffte, auf diese Weise den Goa'uld in die Irre führen zu können. Doch er war aufmerksam geworden. Das Gerät, das er benutzte, bohrte sich immer tiefer in ihr Hirn und verursachte inzwischen selbst in ihrer Erinnerung Schmerzen.
„Du kannst es, kleine Schwester."
Vashtu sah wieder auf.
Enkil!
Wenn er noch leben würde, wenn er hier wäre, oder wenn er wenigstens wissen würde, was gerade mit ihr geschah.
„Du kannst es, kleine Schwester."
Aus diesem Satz schöpfte sie Kraft. Sie durfte nicht noch mehr verraten. Und irgendwie mußte ihr auch die Flucht gelingen, ehe man ihr diese verdammte Schlange einpflanzen konnte. Ihr war mehr als klar, was geschehen würde, würde ein Goa'uld sie übernehmen. Dabei aber zweifelte sie auch, ob das überhaupt möglich war.
„Du kannst es, kleine Schwester."
Mit einem abschließenden Schmerz, der Sterne vor ihren Augen leuchten ließ, wurde das Gerät deaktiviert. Vashtu sank erschöpft zurück, in die stützenden Arme ihres Peinigers.
Sie war zu Tode erschöpft und hätte sich liebendgern der Bewußtlosigkeit ergeben, die deutlich an ihr nagte. Aber das konnte sie nicht wagen. Sie mußte durchhalten, irgendwie. Wenn er weiter in ihr bohrte, würden Geheimnisse ans Licht kommen, die besser ungesagt blieben. Sie wußte zuviel, sie kannte zuviele Geheimnisse.
„Du bist erschöpft", sagte er mit sanfter Stimme.
Vashtu keuchte immer noch.
Irgendwie mußte sie ihn von ihren richtigen Erinnerungen ablenken, ihm aber gleichzeitig genug bieten, damit er befriedigt war. Viel mehr konnte sie nicht ertragen. Irgendwann würde ihr Widerstand erlahmen, nachdem sie einmal begriffen hatte, wie sie sich selbst und auch ihn in eine Sackgasse führen konnte.
Vashtu zuckte zusammen, als er sie wieder berührte.
Sie hatte eine verdammte Angst und konnte sich nicht dagegen wehren. Wenn sie nur ... bittere Galle stieg in ihren Mund. Hinter dem Knebel stöhnte sie auf.
„Bald, Itar", sagte er mitfühlend. „Bald ist es überstanden. Dann teilen wir beide wieder das gleiche Wissen. Und dann ..."
Sie erschauderte.
Irgendetwas mußte ihr einfallen! Sie mußte hier heraus, verdammt! Wenn das noch lange so weiterging, würde sie wirklich den Verstand verlieren. Es würde sie besser töten als jede Impfung, wenn er nicht bald nachließ.
Vashtus Augen weiteten sich, als er wieder die Hand mit dem Gerät hob. Entsetzt schüttelte sie den Kopf. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen.
Nein! Nicht jetzt! Nicht diese Erinnerung!
Doch dann fühlte sie bereits die Schmerzen. Sie wurde auf einen Stuhl gefesselt, befand sich in einem schlecht beleuchteten Raum. Und aus dem Schatten trat Acastus Kolya ... 
*** 
„Major Uruhk ist die letzte lebende Angehörige eines Volkes, das man ... Nun, sie waren wohl etwas wie unsere Vorfahren. Wir nennen sie Antiker, sie selbst sich Lantianer", erklärte der General. „Sie ist ... zu einer Zeit, als unsere Vorfahren gerade begannen, die Zivilisation zu entdecken, kehrten die Antiker zur Erde zurück. Major Uruhk aber blieb in der fliegenden Stadt ihres Volkes. Sie war dort eingesperrt worden für etwas, daß sie selbst entwickelt hatte. Sie war ursprünglich Wissenschaftlerin für ihr Volk. Sie selbst spielt ihre Rolle zwar gern herunter, aber sie muß schon etwas besser als der Durchschnitt gewesen sein, nach allem, was wir wissen. Sie begab sich in Stasis und überlebte auf diese Weise rund zehntausend Jahre, bis sie erwachte, als eine Expedition von der Erde die Stadt ihres Volkes betrat."
Hernan nickte nur stumm und starrte auf das riesige Metallrund, das sich in dem anschließenden Raum befand. Er hatte mitangesehen, wie es aktiviert wurde und eine Gruppe Männer durch etwas gekommen waren, das wie ein vertikaler Teich ausgesehen hatte. Jetzt war es wieder nur ein eigenartiger Reifen, der da aufrecht in dem Raum stand.
„Major Uruhk schloß sich der Erde an", fuhr Landry mit ruhiger Stimme fort. „Wir gaben ihr die Möglichkeit, sich hier und heute ein Leben aufzubauen. Schließlich erhielt sie ihr eigenes SG-Team, mit dem sie fremde Planeten besucht."
Wie betäubt nickte Hernan.
Das ganze hörte sich für ihn einfach nur wie Science Fiction an. Wenn ihm das jemand erzählt hätte, er hätte nicht ein Wort geglaubt. Hatte es da nicht eine kurzlebige Fernsehserie gegeben namens „Wormhole Extreme"?
„Nach außen wirkt sie wie ein normaler Mensch", erklärte Landry weiter. „Aber tatsächlich arbeitet ihr Gehirn mit einer höheren Kapazität als unseres. Sie verfügt über leichte telepatische Gaben und ... Nun, der Grund, aus dem ihr eigenes Volk sie zurückließ in Atlantis war der, daß sie sich selbst einer Gentherapie unterzogen hat in einem Selbstversuch. Sie trägt in sich Zellen von zwei nicht- oder nur bedingt humanen Spezies, die ihr zusätzliche Kräfte verleihen. Durch diese Zellen ist sie auch jung und vital geblieben während ihrer langen Stasis."
„Dann ist sie wirklich in der Bank die Wand hinaufgelaufen!" Das war tatsächlich der erste Satz, den Hernan zu sagen hatte nach einer, ihm unendlich vorkommenden Zeit, in der er nur dem General gelauscht und das Stargate angestarrt hatte.
„Ja, das ist ihr möglich. Sie verfügt auch über wesentlich mehr Körperkraft als ein Mensch, kann sogar bedingt ihr Erscheinungsbild etwas verändern", antwortete Landry. „Und Wunden heilen extrem schnell bei ihr und hinterlassen keine Narben."
Hernan schluckte hart.
Das ganze hörte sich für ihn eher wie eine Superheldenfigur aus einem der Comics an, die er als Kind verschlungen hatte. Unbesiegbar und unsterblich. Fehlte nur noch Kryptonit!
„Dieser Nisroch, über den Sie gestolpert sind, Detective, ist ein Goa'uld", begann Landry jetzt mit einer neuen Erklärung. „Auch er sieht menschlich aus, ist es wahrscheinlich irgendwann auch gewesen. Aber er trägt einen schlangenähnlichen Parasiten in sich, der die Kontrolle über sein Denken und Fühlen hat. Nisroch ist schon früher in Erscheinung getreten, immer gemeinsam mit einem anderen Goa'uld namens Itar. Die beiden sind ein Paar, was bei den Goa'uld sehr selten vorkommt, da es sich bei diesen Parasiten um extreme Egomanen handelt. Der menschliche Körper von Itar wurde vor einiger Zeit getötet, das hatte Captain Storm ja vorhin erwähnt. Aber offensichtlich ist es Nisroch gelungen, den Goa'uld zu bergen und ihm irgendwie eine Möglichkeit zu geben, bis jetzt zu überleben."
Hernan schluckte.
Was er hier gerade erfuhr, stellte nicht nur sein Leben auf den Kopf, nein, es ging gegen jede Spur seines Verstandes. Wie sollte er damit umgehen? Wie sollte er mit diesem Wissen weiterleben? Er wußte es nicht. Aber ihm war klar, Landry würde ihm all das nicht erzählen, wenn es nicht irgendwelche Pläne für ihn geben würde.
„Nach dem, was Sie ermittelt haben, sieht es aus, als habe Nisroch Major Uruhk in eine Falle gelockt, um sie in einen Goa'uld zu verwandeln und Itar wieder einen menschlichen Körper zu geben. Sollte ihm das gelingen, werden wir mehr als eine unbedeutende Militärangehörige verlieren. Major Uruhk ist in der Lage, eine geheime Waffenplattform ihres Volkes auf unserem Planeten zu bedienen. Außerdem besitzt sie unschätzbares Wissen über Dinge, die wir uns nicht einmal erträumen können. Ganz zu schweigen von der Gefahr, die von einer genveränderten Antikerin mit einem Goa'uld in ihrem Inneren ausgehen könnte."
Hernan versteifte sich. „Diese Geschichte über die Antarktis ist wahr?" Seine Augen wurden groß.
  Landry nickte. „Ja, sie ist wahr. Es gab einen Krieg gegen außerirdische Invasoren."
Hernan schluckte hart.
Das alles war kaum zu glauben. Wenn er es nicht mit eigenen Augen sehen würde, er würde dafür sorgen, daß dieser General und seine ganze Mannschaft hier in die geschlossene Anstalt eingeliefert würden. Aber so, wie die Dinge lagen ...
„Was wollen Sie von mir?" Endlich wandte er sich von dem Stargate ab und erwiderte Landrys Blick. „Sie haben mir das alles doch nicht erzählt, wenn Sie nicht irgendwelche Pläne hätten."
„Wir brauchen Ihre Spürnase, Detective. Was Sie herausgefunden haben, und das ohne jede Autorisation, ist mehr, als wir wußten."
Hernan verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. „Und was dann? Sie werden mich wohl kaum einfach laufen lassen, oder?"
„Das kann ich in der Tat nicht. Aber ich kann Ihnen etwas anbieten. Ein Angebot direkt aus Washington. Wenn Sie uns helfen, wird das Ihrer Karriere einen gewissen Schub in eine gewisse Richtung geben, wenn Sie verstehen."
Der Detective nickte stumm.
Landry lächelte. „Gut, dann hoffe ich auf Ihr Einverständnis. Wir brauchen einen Sicherheitschef für eine unserer internationalen, nichtmilitärischen Einrichtungen. Dieser Posten wäre ideal für Sie, Detective."
Hernan atmete tief ein. 
*** 
Vashtu erkannte ihre Chance.
Babbis beugte sich über sie, einen Verband in der Hand.
„Erwürgen Sie mich nur nicht, Kolya wird das nicht sehr gefallen."
Sie konzentrierte sich auf seine Augen.
„Ich will nur helfen", entgegnete Babbis.
Vashtu biß sich auf die Lippen, um die Entgegnung, die ihr auf der Zunge lag, hinunterzuschlucken. Sie spürte noch immer das fragende Wispern des Goa'ulds in sich. Er wollte nähere Angaben zu Kolya. Er wollte wissen, wer dieser Feind war und wie es ihm gelungen war, das Tor zu manipulieren.
Vashtu stemmte sich mit aller Macht dagegen, dachte an alles mögliche, nur nicht an diese Sache. Sie durfte nicht verraten, daß sie wußte, was der Genii gegen sie eingesetzt hatte und warum das Tor plötzlich in zwei Richtungen funktionierte. Sie mußte sich auf Babbis konzentrieren. Sie mußte diese eine Chance nutzen, ehe sie verstrich.
„Wir müssen hier heraus, Peter", sagte sie unvermittelt und richtete sich trotz der Schmerzen auf. „Der Spiegel. Dahinter befindet sich eine Kamera. Atlantis nimmt alles auf, was Kolya während der achtunddreißig Minuten sendet. Wir müssen John einen Code durchgeben! Er muß wissen, wo wir uns befinden. Nur er und ich haben relativ unbeschränkten Zugang zum Hauptrechner."
„Was?" Babbis starrte sie entgeistert an.
Vashtu wußte, auch der Goa'uld wurde aufmerksam, und gerade das hatte sie erreichen wollen. Er wußte ohnehin von dem Steuerkristall, sie hatte es ihm bereits verraten müssen. Aber auf keinen Fall durfte er nähere Angaben zu Atlantis bekommen. Und das bedeutete, sie mußte ihre Erinnerungen verändern.
„Was sollen wir tun?"
Vashtu konzentrierte sich.
Das hier waren ihre Erinnerungen. Und sie allein hatte die Macht, diese zu verändern. Sie brauchte nur genug Geschick, damit der Goa'uld nicht aufmerksam wurde. Sie mußte ihn in die Irre führen, und sie war gerade auf dem besten Weg dazu, genau dies zu tun.
„Helfen Sie mir hoch", sagte sie, stemmte sich gegen die Wand.
Babbis kam ihr sofort zu Hilfe. In ihrem Inneren wisperte der Goa'uld und verlangte nach mehr. Er wollte die Zeit beschleunigen, doch das ließ sie noch nicht zu. Sie mußte sich überlegen, wie diese Erinnerung verlaufen sollte, sonst hatte sie ein Problem.
„Nehmen Sie die Salbe und schreiben Sie den Code auf", befahl sie Babbis, starrte zu dem Spiegel hinüber.
Wie lange blieb ihr noch? Konnte sie ihren Geist davon überzeugen, eine weitere Anomalie zuzulassen? Sie mußte es riskieren.
Babbis zog sich gehorsam die Jacke aus.
Vashtu starrte weiter auf den Spiegel. Dann begann sie, irgendeinen willkürlichen Code zu nennen. Sie konnte nicht riskieren, daß der Goa'uld den richtigen erhielt. Sie mußte ihre Phantasie spielen lassen und sie mit ihren Erinnerungen verknüpfen. Sonst hatte sie wirklich schlechte Karten.
„Und, Peter, kommen Sie in Atlantis ja nicht auf dumme Gedanken. Eine Impfung reicht vollkommen, Sie brauchen nicht auch eine", warnte sie ihr Teammitglied mit einer kryptischen Äußerung.
Der junge Wissenschaftler starrte sie groß an. „Woher ... ?" Er schloß den Mund und zog die Jacke an.
„Man sieht es ihrer Nasenspitze an, Peter, daher weiß ich es." Vashtu grinste.
Im nächsten Moment zuckte wieder der Schmerz durch ihr Hirn, als das Gerät deaktiviert wurde. Qualvoll stöhnte sie auf, doch gleichzeitig fühlte sie einen gewissen Triumpf in sich wachsen.
Sie hatte ihn auf eine falsche Fährte geführt! Es war ihr gelungen, aktiv in ihre Erinnerungen einzugreifen und so hoffentlich zu verhindern, daß er noch mehr erfuhr, als er bis jetzt wußte.
Keuchend ließ sie das Kinn auf ihre Brust sinken und schloß die Augen. Ihr Kopf schmerzte von der ganzen Anstrengung. Sie war es nicht mehr gewohnt, ihr Hirn dermaßen zu verdrehen, wie sie es jetzt schon seit ... ja, seit wann? ... tat.
„Ruh dich aus, Itar. Ich werde über deinen neuen Körper wachen. Es ist spät geworden."
Vashtu versteifte sich unwillkürlich wieder, als er sie berührte. Diesmal kontrollierte er den Sitz des Knebels, dann die Fesseln, ehe er sich erhob.
Unter ihren Ponyfransen blickte sie auf und beobachtete, wie er hinter ihr verschwand. Die Tür fiel wieder ins Schloß, ein Schlüssel wurde herumgedreht.
Sie ließ sich erschöpft zur Seite fallen und schloß die Augen wieder.
Sie war so unendlich müde! 
*** 
„Ein schwarzer Sportwagen, Marke BMW, Kennzeichen ..." Hernan blätterte kurz in seinem Notizbuch, gab dann auch dieses durch. „Gemeldet auf einen gewissen Tom Finnigan, Doktor der Psychologie. Sollte heute gegen elf Richtung Denver unterwegs gewesen sein. Habt ihr da was?"
  „Scheiße, und ob wir was haben! Die Karre hat sich einem anderen Wagen ein Rennen geliefert. Ein Wunder, daß dabei niemand zu schaden kam", antwortete die Stimme am anderen Ende der Leitung. „Finnigan, sagst du? Oh Mann, das ist übel!"
Dorn richtete sich auf. Landry hatte ihn abgestellt, mit Hernan zusammenzuarbeiten. Jetzt wartete er darauf, daß es endlich losging.
„Wieso?" Der Detective warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Melicent geht zu ihm, hält sogar große Stücke auf diesen Finnigan", erklärte die Stimme. „Daß der so austickt ... hätte ich nie gedacht. Der kann doch keiner Fliege was zuleide tun."
Dorn sah den Polizisten starr an.
„Dieser Finnigan ist da in eine Sache geraten ... Naja, du kennst das ja, Huck", begann Hernan zu erklären.
„Verstehe ... Was willst du wissen?"
„Habt ihr irgendetwas genaueres als Richtung Denver?"
Ein Seufzen. „Joe, du weißt ..."
„Ich arbeite wieder." Hernans Stimme klang entschieden.
„Du hast deine Marke zurück? Na, herzlichen Glückwunsch. Laß die Bestätigung rüberfaxen, dann ..."
„Detective Hernan arbeitet unter Code Alpha", mischte sich Dorn plötzlich ein. „Nationale Sicherheit, Status orange."
Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann eine Frage: „Und mit wem spreche ich jetzt?"
„George Dorn, US-Marine-Corps."
„Joe?"
„Das ist wahr, Huck", bestätigte Hernan und warf Dorn einen bitterbösen Blick zu. „Ich kann dir nichts faxen. Dieser Fall ist streng geheim."
„Scheiße!"
Dorn erwiderte den Blick des Polizisten regungslos und wartete.
„Der BMW ist vom Highway runter an der Ausfahrt Waldercreek. Danach habe ich nichts mehr von ihm", antwortete Huck am anderen Ende endlich. „Von da aus kommt man auch nach Denver, wenn auch auf Umwegen."
„Das ist ein Waldgebiet ..." Hernan runzelte die Stirn.
Dorn nickte, beugte sich vor. „Kennen Sie da jemanden?"
Hernan zögerte, dann nickte er, wandte sich wieder seinem Gesprächspartner am Telefon zu. „Danke, Huck. Du hast mir schon sehr weitergeholfen."
„Sieh nur zu, daß du keinen Fehler machst, Joe. Nationale Sicherheit! Mann!"
„Grüß Melicent von mir." Hernan drückte eine Taste und die Verbindung wurde unterbrochen.
Dorn nickte und lehnte sich zurück, den anderen noch immer im Auge behaltend.
Hernan verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Okay, Waldercreek. Das Gebiet ist riesig, da können wir wochenlang suchen." Er lehnte sich über Landrys Schreibtisch und starrte das Telefon an. „Die Frage ist, hat die Forstverwaltung irgendetwas bemerkt."
„Anrufen."
Hernan warf dem Marine einen amüsierten Blick zu. „Klar, aber das ist jetzt zu spät. Die sind nur tagsüber im Dienst."
Dorn runzelte unwillig die Stirn. 
*** 
Vashtu erwachte, als sie Schritte sich ihr nähern hörte. Sie hielt die Augen weiter geschlossen und hoffte, auf diese Weise noch ein wenig Zeit zu gewinnen.
Was sollte sie nur tun? Ihr Körper war inzwischen vollkommen von der unnatürlichen Haltung verkrampft, so daß sie bezweifelte, ob es überhaupt etwas bringen würde, sollte sie die Fremdzellen einsetzen. Zudem bestand immer noch die Gefahr, daß sie sich selbst eine Hand oder einen Fuß abtrennte, sollte sie versuchen, die Handschellen zu zerreißen.
„Guten Morgen, Itar", sagte eine Stimme sanft.
Vashtu fühlte, wie ihr Atem sich unwillkürlich beschleunigte.
Verdammt! Was sollte sie nur tun?
Niemand wußte, wo sie war, und sie selbst hatte dafür gesorgt, daß auch die, die es wissen könnten, in die Irre geführt worden waren. Wenn es so weiterging, würde sie sehr bald nähere Bekanntschaft mit einem Goa'uld machen, als ihr lieb war. Selbst wenn sie nicht wußte, ob es möglich war, daß einer dieser Parasiten sie übernehmen konnte, die Gefahr bestand weiterhin.
Ihr Peiniger beugte sich über sie. „Dein Körper wird bald bereit sein, Itar", wandte er sich wieder mit dieser eigenartig tiefen Stimme an das schlangenartige Wesen in dem durchsichtigen Kessel.
Vashtu wußte nicht, ob sie erleichtert oder nun erst recht besorgt sein sollte. Der Goa'uld nannte sie zumindest nicht mehr bei dem Namen seines Artgenossen. Dafür aber degradierte er sie offensichtlich zu einem Ding, einem mehr oder weniger nützlichen Gegenstand.
Hände packten sie bei den Schultern, schüttelten sie kurz und unsanft, bis sie die Augen öffnete. Dann drückte der Goa'uld sie wieder in die knieende Haltung zurück, die sie auch schon vor der Pause hatte einnehmen müssen.
Vashtu fühlte, wie seine Hände noch einmal den festen Sitz von Fesseln und Knebel kontrollierte, dann hockte er sich wieder neben sie und musterte sie.
„Du bist stark, das ist gut", wandte er sich an sie.
Vashtu sah ihn an und schluckte. Ihr Mund war trocken und sie hatte Hunger und Durst. Aber offensichtlich dachte er entweder nicht daran, ihr etwas zu geben, oder er wollte auf diese Weise ihren Widerstand noch gründlicher brechen.
„Itar hat noch nie Körper gemocht, die schwach im Geist sind. Mit dir wird sie sehr einverstanden sein, vor allem mit deinem Wissen."
Er zog etwas aus seiner Jackentasche.
Vashtus Atem beschleunigte sich wieder. Unwillkürlich wich sie leicht zurück, als sie den Handschmuck wiedersah.
Dieses Gerät flößte ihr eine heiden Angst ein, mehr Angst als jede Wraith-Königin es bis jetzt vermocht hatte.
Nicht daran denken! Sie durfte nicht noch mehr verraten.
Er streifte sich den Schmuck wieder über die Hand.
Vashtu stöhnte hinter dem Knebel auf. Beinahe verlor sie wieder das Gleichgewicht, als sie noch weiter zurückweichen wollte.
„Nicht doch!" Er legte ihr den freien Arm um die Schultern, richtete sie wieder auf. „Ganz ruhig. Wir beide unterhalten uns jetzt weiter und du zeigst mir mehr von deiner Vergangenheit. Diese Stadt ... Ich will mehr über dieses Atlantis wissen."
Vashtus Augen weiteten sich, als er die Hand mit dem Schmuck hob. Der Kristall leuchtete auf. Ein erster Schmerz traf sie und Johns lächelndes Gesicht tauchte vor ihrem inneren Auge auf. 
*** 
Dorn umrundete mit gerunzelter Stirn das ausgebrannte Autowrack.
„Eine verfluchte Verschwendung!" Der Mann von der Forstverwaltung kniff die Lippen zusammen. „Noch dazu ausgerechnet hier. Wir haben riesiges Glück gehabt, daß es so spät im Jahr und relativ feucht und kühl ist. Das hätte einen Flächenbrand auslösen können."
Dorn beugte sich über die rusige Motorhaube und wischte mit einem Finger über das Logo. BMW. Und, soweit er feststellen konnte, war es der, mit dem dieser Finnigan immer unterwegs gewesen war. Er richtete sich wieder auf und wechselte einen Blick mit Hernan.
Der Polizist nickte, wandte sich dann an den Forstbeamten: „Wann habt ihr das Wrack entdeckt?"
  „Heute morgen, kurz bevor Sie uns angerufen haben, Detective. Sieht aus, als wäre der Wagen noch recht neu gewesen. Warum sollte man so eine Karre abfackeln?"
„Entführung", kommentierte Dorn nur.
Der Forstbeamte, ein junger Mann mit blondem Haar, riß die Augen auf. „Was?" Entgeistert wandte er sich wieder dem Polizisten zu. „Ist das wahr?"
Hernan nickte nachdenklich. „Dem Militär ist eine Geheimnisträgerin abhanden gekommen. Und sie soll mit einem solchen Wagen unterwegs gewesen sein, als sie verschwand."
Dorn betrachtete wieder das Wrack.
Es gab keinerlei Anzeichen für eine Gewalteinwirkung, einmal abgesehen von der Hitze des Feuers.
  „Und diese Entführung soll hier im Wald stattgefunden haben?" fragte der Forstbeamte.
„Es deutet alles darauf hin." Hernan nickte. „Es ist keinem gestern zwischen elf und zwölf Uhr etwas aufgefallen?"
Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Nein, gestern nicht", antwortete er. „Aber seit einigen Wochen treibt sich hier des öfteren ein merkwürdiger Kerl herum, gekleidet wie einer dieser Juppies. Er streunt immer um die alte Trapperhütte herum, hat sie sogar reparieren lassen."
Dorn und Hernan wechselten einen elektrisierten Blick.
„Wo befindet sich diese Hütte?" fragte der Polizist, drehte sich wieder zu dem Forstbeamten um.
Der zuckte mit den Schultern. „Der Typ ist durchgeknallt aber harmlos", beeilte er sich zu versichern.
„Durchgeknallt?" Dorn hob die Brauen.
„Der traf sich des öfteren mit anderen, irgendwelche Anzugtypen. Und ständig redete er mit jemandem, der gar nicht da war. Muß wohl seine Frau gewesen sein, die irgendwie ... gestorben ist", erklärte der junge Mann. „Aber Entführung? Das traue ich ihm nicht zu!"
„Wo ist diese Hütte?" wiederholte Hernan seine Frage.
„Ich kann Sie hinführen. Aber, zumindest gestern, war er nicht da."
„Lassen Sie das unsere Sorge sein. Dorn?"
Der Marine nickte, zog sein Handy aus der Tasche. Kurz betrachtete er die Anzeige, dann begann er zu tasten.
Der Forstbeamte starrte irritiert von einem zum anderen. „Was soll das jetzt wieder bedeuten? Ich sagte doch, der Typ ist verrückt, aber harmlos."
„Sprach er von einer Itar?" bohrte Hernan weiter.
Ungläubig sah der junge Mann ihn an. „Woher wußten Sie das?"
„Storm ist unterwegs, bringt ein Einsatzkommando mit." Dorn verstaute sein Handy wieder in der Jackentasche. 
*** 
Mit einem weiteren Schmerz löste der Goa'uld wieder die Verbindung. Vashtu ächzte und sank nach hinten. Kalter Schweiß glänzte auf ihrer Stirn.
„Warum denkst du an ihn, wenn du mir die Stadt zeigen sollst?" Er packte sie hart.
Vashtu sah auf. Ihr Blick war noch immer schmerzverschleiert, doch eine mörderische Wut blitzte durch diesen hindurch.
„Wer ist er? Was verbindet ihn mit diesem Atlantis?" Der Goa'uld beugte sich vor. Seine Augen leuchteten wieder auf.
Wenn sie ihn zu fassen kriegen würde ...
„Dieser John war bei dir, das weiß ich." Sein Griff wurde allmählich schmerzhaft.
Vashtu hob den Kopf, entschlossen den Kampf von neuem aufzunehmen. Die Erinnerungen an John Sheppard hatten in ihr den Kampfgeist geweckt, der vorher dabei war abzusterben. Noch immer wisperte seine Stimme in ihrem Kopf. Noch immer glaubte sie, seine Berührungen spüren zu können.
  Er war es, wegen dem sie aufgewacht war. Er war da, wenn sie ihn brauchte. Er brachte fertig, was Enkil nicht gelungen war.
Drei kleine Wörter hallten in ihr, drei Wörter, die Zauberkraft für sie besaßen.
„Wer ist er?"
Wieder strahlte der Stein auf.
Vashtu wappnete sich, ließ Johns Gesicht hinter sich.
Es war Zeit, diesem Kerl zu zeigen, was ihn erwartete.
Den Stunner im Anschlag hastete sie durch die Gänge eines Wraith-Zerstörers. Sie würde keine Gefangenen machen - die machte sie nie! 
*** 
Dorn hatte die Augen auf den Boden gerichtet, stieß Hernan jetzt an und wies nach unten. „Reifenspuren", sagte er nur.
Der Polizist ging in die Knie, betrachtete die Spur, die sich hinter einigen Büschen verlor. „Das könnte der BMW gewesen sein. Dann wollten sie nicht gesehen werden und parkten deshalb etwas von der Hütte entfernt", mutmaßte er, sah wieder auf. „Sie haben wohl einen Hang zur SpuSi, was?" Ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen.
„Halte die Augen offen, das reicht." Dorn drehte sich wieder um und betrachtete forschend den dunklen Schatten, der sich zwischen den Bäumen erhob.
Da war die Hütte. Die Frage war nur, ob sich der Major auch noch hier befand. Daß sie hier gewesen war, daran dürfte wohl wenig Zweifel bestehen.
„Sind in Position", meldete Storm über das Funkgerät.
Dorn nickte, drehte die Lautstärke herunter. Dann griff er in seine Jacke und holte eine ZAT hervor, die er dem Polizisten reichte.
„Was ist das?" Hernan sah sich das Ding etwas ratlos an.
Dorn aktivierte die ZAT. „Goa'uld-Waffe", antwortete er. „Den Knopf drücken, dann wird sie aktiviert. Einmal schießen - betäuben, zweimal schießen - töten, dreimal schießen - Leiche entsorgen."
Hernan starrte ihn an. „Was?"
Dorn sah ihn ungeduldig an. „Weiter!"
Der Polizist warf der fremdartigen Waffe in seiner Hand einen skeptischen Blick zu, nickte dann aber. „Also gut. Machen wir uns auf." 
*** 
Die Verbindung riß so plötzlich ab, daß Vashtu einen Moment lang nicht zwischen Realität und Erinnerung unterscheiden konnte. Hart kippte sie zur Seite. Ihr Atem kam wieder keuchend.
Verdammt, der Schmerz wurde immer schlimmer! Wie lange würde sie noch durchhalten können? Sie wußte es nicht. Aber sie wußte, allmählich wurde ihre Zeit knapp.
Der Goa'uld packte sie hart und drückte sie an sich. „Keinen Ton, verstanden?"
Verständnislos blinzelte sie, fühlte dann, wie sich die Mündung einer Waffe in ihren Rücken bohrte. Unwillkürlich erstarrte sie.
Er streifte hektisch den Schmuck ab und legte seine Hand noch zusätzlich über den Knebel. „Ganz ruhig, dann sind sie gleich wieder weg."
Vashtu lauschte. Dann hörte sie es: Die vordere Tür wurde geöffnet. So tief wie möglich holte sie Atem. 
*** 
„Hier ist nichts, Sir." Der MP drehte sich etwas ratlos um und zuckte mit den Schultern.
Dorn sah sich aufmerksam in der Hütte um. Sie schien tatsächlich verlassen zu sein. Doch ihm waren auch nicht das neue Fenster und das ebenfalls gerade eingebaute Türschloß entgangen. Als er einmal kurz den Kopf hob, sah er, daß auch Hernan sehr aufmerksam geworden war.
Dann blieb der Polizist plötzlich stehen und sah zu Boden. „Hier war jemand." Er wies auf den Dreck und das verrottende Laub auf dem Boden. „Eine Schleifspur, sehr deutlich."
Dorn trat näher, leuchtete mit seiner Taschenlampe. „Eine Tür", sagte er dann mit ruhiger Stimme, hob das Zak'Ni'Tel. 
*** 
Die Holzbohlen knarrten unter den Schritten im vorderen Raum.
Vashtu starrte aus den Augenwinkeln zur Tür hinüber.
Waren es Leute vom SGC, die sich in der Hütte umsahen? Waren es irgendwelche andere? Hatte sie unverhofft doch eine Chance erhalten?
Sie wußte es nicht. Aber ...
Ihr Blick glitt zu dem Glaskessel und sie erstarrte.
Der Goa'uld regte sich wieder. Er regte sich nicht nur, er hatte seinen Kopf aus dem Kessel gestreckt und schien sie jetzt zu mustern.
Vashtu bäumte sich unwillkürlich auf, soweit ihre Fesseln es zuließen.
„Ich sagte ruhig!" zischte ihr Peiniger ihr zu. „Itar, sie ist noch nicht bereit. Noch ist zuviel Widerstand in ihr. Sie ist stärker ..."
Mit einem gewaltigen Knall zerbarst die Tür. 
*** 
Hernan hielt sich im Hintergrund, als die MPs die hintere Tür aufbrachen. Gleich darauf herrschte plötzlich Schweigen. Eine tiefe, unmenschlich wirkende Stimme bellte einen Befehl.
Hernan und Dorn tauschten einen Blick, dann drückten sie sich beide in Deckung.
„Zurück!" Storm, der in der vordersten Reihe der Stürmenden gewesen war, trat einige Schritte rückwärts, die Waffe immer noch im Anschlag.
Hernan beugte sich etwas vor. Kurz erhaschte er einen Blick auf einen eigenartig erleuchteten Raum mit einem gläsernen Ding in der Mitte. Und in diesem Ding ...
Ein Mann trat in sein Sichtfeld. Ein Mann mit gelb leuchtenden Augen.
Hernan erschauderte.
Er hatte eine Frau bei sich, der er eine Waffe an die Schläfe hielt. Und diese Frau ... das war der weibliche Major, der damals während des Banküberfalls für soviel Aufsehen gesorgt hatte. Major Vashtu Uruhk.
Ihre Blicke trafen sich. Ihre dunklen Augen bohrten sich in seine.
Sie sah erschöpft aus, doch eine eigenartige Entschlossenheit lag in ihrem Blick. Etwas, was er bisher bei den wenigsten Menschen gesehen hatte. Und er verstand, warum die Army sie bei sich aufgenommen hatte.
„Zurück, ihr Jämmerlichen! Seht die Auferstehung von Itar, der großen Göttin!" Der Kerl mit den leuchtenden Augen griff in das leuchtende Glas.
Hernan legte an. Er hatte zwar kein freies Schußfeld, aber ...
Der Major sah ihn. Und sie nickte unmerklich.
Wie war das mit den Schüssen aus dieser komischen Waffe?
Hernan wußte es nicht mehr. Er zielte und hoffte, er würde den Major nicht treffen, als er abdrückte.
  Der Mann mit den leuchtenden Augen taumelte zurück, ließ seine Geisel los.
Der Major warf sich sofort nach vorn, platt auf den Bauch. Doch da war noch etwas. Und dieses Etwas bewegte sich.
Hernan starrte einfach nur, während die MP wieder vorrückte. Schüsse hallten durch die kleine Hütte, teils aus Projektilwaffen, teils aus diesen eigenartigen Energiedingern, wie auch er eines in der Hand hielt.
Und dann herrschte Totenstille ... 
*** 
Vashtu warf sich auf den Bauch, sobald sie frei war. Ihren Fehler aber bemerkte sie viel zu spät: Sie hatte nicht an den Goa'uld gedacht, den ihr Peiniger aus dem Kessel geholt hatte!
Die schlangenähnliche Kreatur kroch unaufhaltsam auf sie zu, kam immer näher.
Vashtu stellten sich die Nackenhaare auf, während vor ihr Tumult ausbrach.
Nein! Nicht so kurz vor der Rettung. Das konnte doch nicht wahr sein!
Der Goa'uld berührte sie. Sie erschauderte darunter. Und dann kam der nächste, unmenschliche Schmerz, bohrte sich direkt in ihren Nacken.
Vashtu bäumte sich auf, dann verlor sie das Bewußtsein. 
*** 
„Oh mein Gott!" Storm hatte den Kopf gesenkt und starrte auf den weiblichen Major hinunter.
Dorn wartete bis Hernan aufgeschlossen hatte. Dann nickte der alternde Marine anerkennend. „Guter Schuß."
Der Detective schüttelte nur unwillig den Kopf und trat an der Seite des Soldaten in den hinteren Raum.
Der Mann mit den leuchtenden Augen, Nisroch, lag verkrümmt an der hinteren Wand. Drei MPs hielten noch immer ihre Waffen auf ihn gerichtet. Aber er regte sich nicht mehr. Auf seinem gesamten Oberkörper war Blut, der Anzug wies über ein Dutzend Einschüsse auf.
Doch das war es nicht, worauf die Anwesenden sich konzentrierten.
Hernan und Dorn stoppten gleichzeitig und starrten auf die Gestalt, die vor Storms Füßen lag.
Major Vashtu Uruhk hatte offensichtlich das Bewußtsein verloren. Und das war auch kein Wunder: Eine blutende Wunde war in ihrem Nacken. Und in dieser Wunde regte sich etwas.
„Wir brauchen einen Arzt." Storm krächzte nur noch.
Hernan atmete tief ein, dann wandte er sich ab und verließ die Hütte. 
*** 
Vashtu öffnete mühsam die Augen, hob die Brauen, als könnten diese ihre Lider offen halten.
Ihr Hals kratzte, einen feinen Schmerz bescherrte ihr das erste Schlucken. Sie verzog unwillig das Gesicht, blinzelte dann noch einmal und sah stirnrunzelnd zu einem Fenster hinüber, hinter dem sich sanft bewaldete Berghänge in den Himmel schraubten.
Was?
Wieder das Gesicht verziehend rappelte sie sich auf die Ellenbogen, starrte aus dem Fenster.
Wo war sie?
Das letzte, woran sie sich erinnerte ...
Die Tür öffnete sich.
Vashtu fuhr herum und erleichterte. „Dorn!" Sie sank in die Kissen zurück.
Der Marine trat näher, nahm ihre Hand und hielt sie. „Du hast viel Glück gehabt, Mädchen", sagte er lächelnd.
Vashtu runzelte wieder die Stirn. „Was?"
„Der Goa'uld Itar hatte sich noch nicht festsetzen können. Es war relativ einfach, ihn zu entfernen."
  Jetzt wurde sie auf die zweite Gestalt aufmerksam, die noch in der Türöffnung stand. Ihr Gesicht verfinsterte sich. „Mackenzie!"
Der Psychologe kam herein, schloß die Tür hinter sich. „Ganz recht." Er nickte, trat ans Fußende ihres Bettes. „Sie wurden von Nisroch und Itar gemeinsam ausgewählt, ein neuer Wirt zu werden, Major", begann er mit seiner Erklärung.
Vashtus Augen blitzten kalt. „Das weiß ich selbst." Sie hustete und verzog wieder das Gesicht. Vorsichtig tastete sie nach ihrem Hals und fand einen dicken Verband. Fragend sah sie zu Dorn.
Der zuckte mit den Schultern. „Der Goa'uld", sagte er nur.
„Er fand keine Körperöffnung. Also bohrte er sich von außen in Ihre Haut", fuhr Mackenzie mit seiner Erklärung fort. „Den Chirugen gelang es, Itar wieder zu entfernen, ehe sie sich festsetzen konnte."
Vashtus Kiefer mahlten. „Danke", brachte sie irgendwie hervor, setzte sich wieder auf. „Dann kann ich ja jetzt hoffentlich meinen Dienst wieder antreten."
Der leicht übergewichtige Psychologe hob die Hand. „Ich weiß, daß Sie mich nicht mögen, Major. Aber Sie werden nicht eher aus dieser Klinik entlassen, als daß ich es sage. Was da passiert ist ... Sie müssen endlich eine Therapie aufnehmen, ehe Sie wieder auf einem fremden Planeten ausflippen und sich selbst und Ihr Team in Gefahr bringen."
„Ich schaffe das auch so."
„SG-27 ist zur Zeit außer Dienst, da unterbesetzt. Sie haben also alle Zeit der Welt." Mackenzie stützte beide Hände auf den Metallrahmen des Bettes und beugte sich vor. „Tun Sie nicht so hart, Major Uruhk. Sie sind es nämlich nicht."
„Unterbesetzt?" Wieder warf sie Dorn einen Blick zu. „Wieso unterbesetzt?"
„Babbis ist weg", antwortete der Marine nur.
Vashtus Augen wurden groß. „Was? Seit wann?"
„Sie und er verschwanden in etwa zeitgleich", antwortete Mackenzie. „Storm und Hernan sind bereits auf der Suche nach ihm. Und Sie werden endlich die Rekonvaleszenz nutzen, die Sie bisher immer so weit von sich geschoben haben. Da ist eine Menge aufgelaufen für Sie, Major. Das will irgendwann verarbeitet werden."
„Aber nicht, wenn ein Mitglied meines Teams in Schwierigkeiten steckt!"
Dorn drückte sie auf das Bett zurück. „Sei vernünftig." Seine Stimme klang eindringlich.
Vashtu funkelte den Marine an. „Ich bin vernünftig. Laß mich hier raus, George!"
„Sie bleiben wo Sie sind, bis die Verletzungen alle geheilt sind, Major Uruhk. So lange und nicht eine Sekunde eher werden Sie dieses Krankenhaus verlassen."
„Ich rede nicht mit Ihnen. Sie können sich das ganze also sparen. Ich will ..."
„Sie reden mit mir oder gar nicht. Aber Sie werden endlich bewältigen, was Ihnen zugestoßen ist, seit Sie ihr Team leiten, Major. Gerade das letzte Ereignis ... Gehe ich recht in der Annahme, daß Ihr Bekannter das nicht überlebt hat?"
Vashtu starrte den Psychologen plötzlich groß an und schluckte. Ihr Blick wurde plötzlich stumpf und leer.
Tom war tot - und sie wäre es vielleicht auch fast gewesen.
Mackenzie nickte befriedigt. Endlich begann seine Patientin zu begreifen.
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