Verfluchte Helden by Hyndara71
Summary: SGA/SPN-Crossover PreVegas: Dave Sheppard weiß sich nach einer unheimlichen nächtlichen Begegnung, keinen anderen Rat als seinen Bruder John um Hilfe zu bitten. Was John aber Stück für Stück herausfindet, ruft nicht nur die Winchester-Brüder auf den Plan ... ShepWhump, DeanWhump, AU
Categories: Stargate Atlantis Characters: John Sheppard
Genre: Crossover
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 12 Completed: Nein Word count: 26841 Read: 100637 Published: 21.02.12 Updated: 29.04.12

1. Prolog by Hyndara71

2. Unerwarteter Besuch by Hyndara71

3. Hoffnung und Zweifel by Hyndara71

4. Rote Augen by Hyndara71

5. Eine böse Entdeckung by Hyndara71

6. Die Ruhe vor dem Sturm by Hyndara71

7. Familienangelegenheiten by Hyndara71

8. Heldische Notwendigkeiten by Hyndara71

9. Wahrheiten by Hyndara71

10. Kisten, Kaffee und Burger by Hyndara71

11. Jordan Sheppards Tagebuch by Hyndara71

12. Vorbereitungen by Hyndara71

Prolog by Hyndara71
Disclaimer: Weder Stargate: Atlantis noch Supernatural gehören mir, zudem wurde diese Fanfiktion aus Spaß geschrieben.

Author's note: Diese Fanfic spielt VOR der Episode Vegas, allerdings in der gleichen Realität. John Sheppard ist noch nicht Detective, arbeitet aber bereits für die Polizei, ist also nicht mehr bei der Air Force.


Mit einem letzten, müden Stottern erstarb der Motor. Die Scheinwerfer flackerten kurz, erloschen dann für kurze Zeit ganz, ehe sie sich, wenn auch deutlich schwächer als vormals, wieder einschalteten. Allerdings ergab jeder Versuch, den Wagen wieder zu starten, nichts als ein weiteres kurzes Flackern, begleitet von einem dumpfen „Klick" aus Richtung Zündschloß.
„Verdammt!" David Sheppard schlug mit beiden flachen Händen auf das Lenkrad seines BMWs ein, wandte sich dann von den schwach erleuchteten Amaturen ab als wolle er einen uneinsichtigen Gegenüber mit Verachtung strafen.
„Ich wußte, ich hätte dieses … dieses Oktoberfestauto doch nicht kaufen sollen", schimpfte er vor sich hin und zückte schließlich sein Handy. Ein kurzer Check des Displays ließ ihn allerdings ernsthaft an einen verdammten Tag denken: Kein Netz!
„Das fehlte gerade noch!"
Ächzend langte er um den Sitz herum, um den Sicherheitsgurt zu lösen und dann die Tür zu öffnen.
Ein langer Tag im Büro, der eigentlich hätte gefolgt sein sollen von einem gemütlichen Abend in der familieneigenen Jagdhütte. Und so hatte er eigentlich auch das Wochenende geplant. Sicher, David hatte auch einige wichtige Unterlagen dabei, die er in Ruhe durchgehen wollte vor dem wichtigen Meeting am Montag. Aber im großen und ganzen hatte er einmal ausspannen wollen nach den letzten Monaten.
Statt dessen aber durfte er sich jetzt mit einem liegengebliebenen Wagen mitten in der kalten Oktobernacht auf einer besseren Schotterpiste herumschlagen. Noch dazu ohne eine Verbindung in die Zivilisation.
Wie weit war es noch einmal zur Rangerhütte?
David blickte in die Nacht hinunter, durch die er gekommen war, runzelte die Stirn und drehte sich dann zu der Nacht jenseits der Frontscheinwerfer um. Diese wirkte ungleich finsterer und bedrohlicher. Allerdings befand sich die Jagdhütte knappe zwei Meilen weiter, zurück zur nächsten Ansiedlung dagegen … war da nicht diese völlig veraltete Tankstelle gewesen vor zirka 10 Meilen? War diese Tankstelle noch in Betrieb?
David schüttelte den Kopf.
Selbst wenn diese Tankstelle noch in Betrieb war, sie war gleichzeitig einige Meilen weiter entfernt als die Jagdhütte. Somit war es dann entschieden.
Seufzend wandte er sich wieder dem Wagen zu, holte erst die Reisetasche und eine starke Taschenlampe aus dem Kofferraum, dann die Aktentasche vom Beifahrersitz.
„Sei des drum", seufzte er ergeben, schaltete die Taschenlampe ein und begann loszumarschieren. In seinen, auf Hochglanz polierten Schuhen nicht ganz einfach, immerhin war der Weg nicht befestigt. Etwas, was er unbedingt auf seine Liste setzen sollte.
Die Taschenlampe zerriß die Finsternis mit einem langen, kaltweißen Lichtstrahl. Das trockene Laub auf dem Waldboden raschelte, irgendwo schrie ein Nachttier.
David holte noch einmal sein Handy aus der Tasche und checkte es. Noch immer kein Netz.
Himmel, da wollte er sich für ein lausiges Wochenende aus dem täglichen Trott ausklinken, um etwas Energie zu tanken, und statt dessen durfte er jetzt mitten in stockfinsterer Nacht durch den Wald stapfen, darauf hoffend, daß er sich nicht doch noch verirrte.
Wenn John hier wäre …
Stop!
David kniff die Lippen aufeinander.
Nein, er würde jetzt nicht über seinen Bruder nachdenken. Er hatte wichtigeres zu tun, zumal nach dem, was John sich alles geleistet hatte seit der Sache in Afghanistan.
David reichte, was er während des Tribunals gehört hatte. Er kannte seinen Bruder schließlich lange genug, um den Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen glauben oder verwerfen zu können. Nun, in Johns Fall war die Waagschale eindeutig Richtung „Glauben" ausgeschlagen. Zudem dann die Probleme erst in der Firma, dann in Atlantic City …
Nein, John war ein hoffnungsloser Fall, der es niemals zu etwas bringen würde.
Das laute Knacken eines Astes ließ David zusammenzucken. Unwillkürlich bewegte er die Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Nichts als absterbende Bäume und Sträucher und riesiger Mengen herabgefallenen Laubes.
David schüttelte über sich selbst den Kopf und marschierte weiter.
Er hätte sich wirklich noch feste Trekkingstiefel besorgen sollen, ehe er hier herausfuhr. Seine Füße begannen zu schmerzen, weil die Straßenschuhe an seinen Füßen zwar maßangefertigt, aber auch sehr eng waren. Zudem besassen die Sohlen keine Profile, was das Laufen eher zur einer Schlitterpartie auf den feuchten Stellen des besseren Trampelpfades machte.
Ein Fauchen in der Finsternis ließ die Häärchen auf seinen Armen und in seinem Nacken sich aufrichten.
Was, wenn jetzt ein Puma des Weges kam? Oder gar ein Bär?
David schluckte, zwang sich weiterzugehen und nicht weiter über wilde Tiere nachzudenken.
Kein so leichtes Unterfangen mitten in der mitternächtlichen Natur, in der es vor Tieren geradezu zu wimmeln schien.
Und dann … war es plötzlich totenstill, selbst die Brise schien den Atem anzuhalten und etwas zu erwarten. Kein Laub raschelte mehr, keine Tierlaute drangen aus der Finsternis, absolute Stille.
David wollte nichts lieber als es ignorieren, doch die innere Unruhe wuchs weiter und sogar schneller in dieser Stille.
Und dann … begann das Heulen. Es war kein Wolfsgeheul. Es war kein Geräusch wie er es jemals gehört hatte, weder bei Mensch, noch bei Tier.
Und mit dem Heulen kam das Knurren und die Bewegung, gerade außerhalb des Lichtfingers der Taschenlampe.
David atmete tief und schwer.
Mit jeder Sekunde wurde es unwirklicher, surrealer, grotesker. Der nächtliche Wald, vormals eben das und nichts anderes, schien selbst ein einziges großes, bedrohliches Wesen zu mutieren.
David beschleunigte seine Schritte, glitt beinahe aus, behielt aber sein Tempo weiterhin bei und eilte, so schnell er konnte, weiter.
Die Hütte. Wo war diese verdammte Hütte?
Und dann sah er es, das Wesen. Nicht mehr als eine schwarze Silhouette gegen den schmalen Dämmer des Waldes.
Er sah es vielleicht eine Sekunde, doch diese Sekunde genügte. David Sheppard ließ die Taschen fallen und floh …
Unerwarteter Besuch by Hyndara71
Eine Woche später

John Sheppard stieg die Treppen zu seinem kleinen Apartment hinauf. Zum dritten Mal diesen Monat war der Lift ausgefallen und ihn beschlich allmählich der Gedanke, daß der Hausmeister selbst, statt einen Fahrstuhltechniker zu rufen, sein Glück versuchte und vollkommen überfordert war mit dieser Aufgabe. Das hieß … wenn überhaupt.
John seufzte.
Normalerweise hatte er keine Probleme mit dem Aufstieg in den siebten Stock. Normalerweise hatte er aber auch nicht seinen Wocheneinkauf dabei und normalerweise auch keine acht Stunden auf den Beinen hinter sich.
Er war definitiv noch immer nicht in alter Form, gestand er sich selbst ein. Und zumindest was einen Teil seines Körpers betraf, würde er wohl auch nie wieder der Alte sein …
Es schmerzte immer noch, tief in ihm, in seinem Herzen, seiner Seele, daß er seinen Flugschein verloren hatte. Seit seine Zeit als Pilot vorbei war fühlte er sich ziellos, losgelöst vom Rest der Menschheit. Das Spielen half ein wenig darüber hinweg, der Reiz, die Herausforderung, der Bluff, die anderen Spieler am Tisch, mit denen er sich, und sei es nur über Belanglosigkeiten, unterhalten konnte. Aber das normale Leben? Nein, normal war nichts mehr, seit er nicht mehr fliegen durfte und die Air Force hatte verlassen müssen. Noch weniger, seit sein Vater ihn enterbt und davon gejagt hatte.
John schüttelte über sich selbst den Kopf und begann den nächsten Absatz zu erklimmen als er von oberhalb ein Geräusch hörte. Soweit seine Papiertaschen es zuließen beugte er sich über das Geländer und starrte die scheints unendliche Treppenflut hinauf. Ein leichtes Schwindelgefühl stellte sich ein in seinem Kopf.
Da, ein Schatten über ihm. Neunte Etage.
Johns Herz machte einen Hüpfer. Nicht vor Freude, leider. Er konnte beinahe fühlen, wie das Adrenalin in seine Adern ausgeschüttet wurde.
Verdammt, er hatte mit mehr Zeit gerechnet, bis er seine letzten Spielschulden bezahlen mußte. Er hätte nicht damit gerechnet, daß Charly jetzt schon seine Schläger zum Eintreiben schickte.
John stutzte als der Schatten wieder auftauchte. In seinem Ohr mochte nicht mehr alles in Ordnung sein und er somit nicht mehr fähig, ein Flugzeug oder einen Helikopter zu steuern, seine Augen aber waren noch immer sehr gut.
„Dave?" entfuhr es ihm, als er den Schatten nun erkannte.
Der beugte sich nun ebenfalls über das Geländer, der Kopf wurde in Schatten eingehüllt. „John? Bist du das?" rief die bekannte Stimme zu ihm herunter.
Was zum Kuckuck suchte sein Bruder in Michigan? Was wollte er hier?
Schritte kamen die Treppe herunter, Schritte, die John überall erkannte hätte: die seines Bruders.
Die beiden Sheppard-Sprößlinge mochten sich nicht sonderlich nahestehen und vollkommen unterschiedliche Lebenswege beschreiten, dennoch kannten sie einander gut genug, um den anderen jederzeit wiedererkennen zu können. Immerhin waren sie beide mehr oder weniger allein und aufeinander gestellt aufgewachsen. Ihre Mutter war früh verstorben und David Sheppard Senior zu beschäftigt mit dem ererbten Konsortion, um sich auch noch um die Jungen kümmern zu können. Und auch Internate und verschiedene Berufswahl hatte sie nicht gänzlich einander entfremdet. Vielleicht, so glaubte zumindest John, weil der Schock über den plötzlichen Verlust eines Elternteils einfach zu tief in ihnen beiden steckte.
David blieb einige Stufen über ihm stehen und blickte auf ihn hinunter. „Detroit? Ist das wirklich dein Ernst?" fragte er ohne Umschweife.
John verzog das Gesicht und erklomm die nächsten Stufen. „Warum nicht?" fragte er dabei. Tief in seinem Inneren rumorte es.
Natürlich war es nicht die 5th Avenue, NY oder der Stammsitz der Sheppards in Berkley. Das hier war Detroit, schlicht und einfach. Die Stadt mochte an Glanz gewonnen haben seit ihr Stempel geprägt wurde, doch einen schlechten Ruf wurde man eben nur schwer wieder los.
Dave schien aufzugehen, daß er möglicherweise einen Fehler gemacht hatte, während John an ihm vorbei die Stufen hinaufstieg.
„Ich … ich wunderte mich nur. Das letzte Mal wars Atlantic City?"
Als John einen halben Blick zurückwarf auf seinen Bruder zuckte um dessen Lippen ein nervöses Lächeln.
„Atlantic City war … nicht, was ich erhofft hatte", sagte John einfach.
War es tatsächlich nicht – in seinen Augen. Immerhin war er mehr oder weniger der Stadt verwiesen worden nach dem Gerichtsverfahren, das ihr Vater angestrengt hatte, um ihn enterben zu lassen. Nachdem er diese Geldquelle, die nahezu unerschöpflich war, verlor verlor er auch sein Recht, in Atlantic City zu leben und, vor allem, zu spielen. Niemand gab ihm mehr Kredit, weder am Kartentisch noch wenn es um sein Appartment ging. So war John schließlich nichts anderes übrig geblieben, als die Stadt zu verlassen. Glücklicherweise hatte er da bereits über das Angebot verfügt, welches ihn nach Detroit gebracht hatte.
John schüttelte die düsteren Erinnerungen ab. Er wollte auf gar keinen Fall Dave eine Schwachstelle bieten. Nicht nach dem, was während der Verhandlung, ach was, was während des gesamten letzten Jahres geschehen war zwischen ihnen.
„Und was willst du jetzt also von mir?" fragte er.
Dave folgte ihm auf dem Fuße, als er das Treppenhaus durch die Brandschutztür verließ und den schmalen, langen Flur hinunterging. Noch immer trug John seine Einkäufe auf den Armen – allein.
„Naja, ich …" begann Dave herumzudrucksen , „ich meine, ich hatte dich doch angerufen."
John blieb vor der Tür zu seinem Apartment stehen und nickte. „Sehr vage aber ja. Du sagtest, du hättest etwas gesehen in Colorado."
John stellte eine der Papiertüten vorsichtig auf den Boden, um nach seinen Schlüsseln kramen zu können.
„Äh … ja", antwortete Dave zögernd. „Ich … ich habe selbst einige Nachforschungen angestellt nachdem ich dich angerufen hatte."
John rüttelte an dem steckenden Schlüssel, bis dieser sich endlich entschloß, mit Schloß und ihm zusammenzuarbeiten. Mit einem ächzenden und langgezogenen Klicklaut öffnete sich die Tür.
„Ich … ich hatte eine Begegnung", erklärte Dave nun endlich.
John hob die Brauen, während er mit der zweiten Tüte kämpfte. Schließlich gab er auf und schob die abgesetzten Einkäufe mit dem Schuh über die Schwelle.
„Eine Begegnung? Mit dem? Bist du einem UFO begegnet?" scherzte er grinsend.
Doch dieses Grinsen erstarb schnell nachdem John in das Gesicht seines Bruders gesehen hatte. Dave war toternst – und er meinte es toternst.
„Okay", John zog das Wort in die Länge und winkte seinen Bruder in die Wohnung.
Eines, was er gleich zu Beginn gelernt hatte war schlicht die Tatsache, daß man seinen Mitmenschen besser nicht traut – vor allem nicth, wenn diese Mitmenschen ebenso Nachbarn waren.
Als er endlich die Tür geschlossen hatte, sah Dave ihn an mit bleichem Gesicht, aus dem die Augen herausstachen wie die eines Toten.
„Keinem UFO", sagte David leise und schüttelte nun seinerzeits den Kopf. „Ich habe einen Mothman gesehen."


Dean Winchester trat, in Ermangelung einer freien Hand, die Tür zum Motelzimmer mit einem Fuß ins Schloß während er in einer Hand das „Dinner" in form von Burgern und Pommes frites, in der anderen einen Sixpack Bier balancierte – nicht zu vergessen den zweiten Sixpack, den er sich, da er als Mensch eben nur über zwei Arme und zwei Hände verfügte, der Einfachheit halber unter den Arm geklemmt hatte.
„Hey, Dean", nuschelte sein Bruder Sam, der, wie üblich, mit der Nase direkt über dem Bildschirm seines Laptops hing und offensichtlich irgendeine Recherche durchführte. Das direkt neben seiner Hand liegende Handy bestärkte Deans Verdacht, daß es während seiner Abwesenheit zu einer Form Kontaktaufnahme gekommen war. Anderer Jäger oder Bobby, schätzte er. Wobei … anderer Jäger war eigentlich auszuschließen, berichtigte er sich, als er den Karton mit Burgern und Fritten auf die leere Seite des Tisches abstellte.
„Wie geht's Bobby?" fragte er ins Blaue hinein und erntete einen irritierten Blick.
Eins zu Null für Dean Winchester! Yeah!
Mit einem breiten Grinsen ließ Dean sich auf seiner, sprich essensbewehrten, Seite des Tisches nieder, befreite eine der Flaschen aus einem der Sixpacks und löste den Kronkorken. Nach einer tiefen Inhalation des frischen Hopfengeruches (angereichert mit einer Spur Hefe) setzte er die Flasche an die Lippen, um einen tiefen Schluck zu nehmen.
„Woher … ?" Sam starrte ihn einen Moment lang an, dann verfinsterte sich seine Miene. „Scheint ihm gut zu gehen", antwortete er schließlich. „Er meinte, da wir in der Nähe sind, sollten wir mal in Aspen vorbeifahren. In der Gegend gab es offenbar einige Sichtungen."
Dean war vom Bier zum ersten Burger übergegangen und stutzte jetzt. „Wow! Aspen? Ehrlich?"
Sam nickte, während er den Laptop zur Seite schob, um sich seinen Anteil an Fritten zu angeln.
„Und was gibt's jetzt so dringendes in Aspen?" fuhr Dean fort.
„Lach nicht! Die Zeugen sagen übereinstimmend aus, sie hätten den Mothman gesehen", antwortete Sam.
„Moth... ?" Dean schluckte und kämpfte mit sich, um nicht sofort laut loszulachen. „Du meinst … ?"
„Schwarze Gestalt, rote Augen, geflügelt. Mothman", nickte Sam.
Deans Mundwinkel zuckten.
„Ich weiß, was du denkst", fuhr Sam nach einem kritischen Blick auf seinen Bruder fort. „Ich dachte das gleiche und habe deshalb nachgeforscht. Aber da scheint wirklich etwas dran zu sein. Die Zeugen sind ehrlich."
„Und in Aspen stürzt demnächst ein Skilift ab?" warf Dean scherzhaft ein. „Sammy, ich bitte dich!"
„Bobby meint, wir sollten der Sache nachgehen. Und ich stimme ihm zu." Sam sah seinen Bruder sehr ernst an.
„Wir sollen übergroße Motten jagen? Komm schon! Da gibt's doch sicher besseres als im Frühjahr in ein Wintersportgebiet zu fahren", entgegnete Dean. „Und nebenbei … Mothman!" Er verdrehte vielsagend die Augen.
„Ich denke, du weißt genauso gut wie ich, daß am Ende nicht immer das herauskommt, nach dem es anfangs aussah. Die Zeugen beschreiben einen typischen Mothman, das stimmt. Aber das muß noch nicht heißen, daß es auch wirklich ein Mothman ist."
„Es gibt keinen Mothman", entgegnete Dean bestimmt.
„Aber es gibt anderes. Und irgendwas ist da draußen!"
„Es ist immer irgendwas da draußen!"
Kam das wirklich von ihm? Wow! Er wurde wohl allmählich wirklich zynisch, gestand Dean sich selbst ein.
Mothman. Klar, er war der letzte, der hinter irgendeiner Sichtung etwas vollkommen normales und belangloses vermutete. Eher ging er grundsätzlich vom schlimmsten aus.
Aber Mothman?
Früher, ja, früher hatte auch er einmal an das Mottengeschöpf, halb Mensch, halb Insekt, geglaubt. Nicht daß der Mothman für ihn ein Heiliger Gral wäre, nein, aber er hatte dran geglaubt und war jeder einzelnen eingestürzten Brücke hinterher gejagt in der Hoffnung, doch einmal einen zu erwischen. Augenzeugen gabs meistens schließlich mehr als genug.
Aber Mothman war nichts weiter als ein Ammenmärchen, hatte er schließlich akzeptiert. Möglich daß es irgendwelche Vorboten großes Unheils gab wie die Sensenmänner, aber das waren sicherlich keine überlebensgroßen Motten mit roten Augen.
Also, weder Weißer Wal noch Heiliger Gral aber wohl einer der größten Fakes des 20. Jahrhunderts, zu dieser Einsicht war Dean schließlich gelangt. Was auch immer die Zeugen gesehen hatten, es war kein wie auch immer gestaltetes Fabelwesen. Ausnahmsweise mußte selbst Dean einmal den Skeptikern recht geben: die meisten Sichtungen waren nichts anderes als fliegende Eulen, deren Flügelschlag man in der Nacht schlicht nicht hörte.
Dean seufzte.
Er hatte wirklich das Gefühl, er würde bereuen, wenn er jetzt, wider besseren Wissens, zustimmte und mit seinem Bruder nach Aspen fuhr. Andererseits … einmal abgesehen von der üblichen Jagd, hatten sie momentan wenig zu tun. Und vielleicht gabs sogar noch das eine oder andere verspätete Schneehäschen in Aspen zu entdecken.
„Du denkst also, da ist was dran?" fragte er zweifelnd.
Sam nickte. „Ich glaube nicht, daß es Mothman war, den die Zeugen gesehen haben, dafür waren einige der Aussagen zu a-typisch. Aber gesehen haben sie irgendwas. Und möglicherweise ist dieses etwas gefährlich."
An dieser Beweisführung war definitiv etwas dran.
Dean betrachtete den Karton voller Burger und Fritten.
Er wußte, er würde es bereuen, aber … „Okay", nickte er – und nahm einen weiteren Bissen von seinem Burger.


„Mothman!" John lehnte sich, die Arme lässig vor der Brust gekreuzt, gegen die Lehne des Schlafsofas, auf dem Dave nun saß.
Sein Bruder nickte. „Ja. Das Ding … es war riesig! Es kam plötzlich aus dem Wald und … und … Ich dachte, ich würde den nächsten Tag nicht erleben. Ich schwöre dir, so gerannt bin ich noch nie in meinem Leben!"
John nickte mit ungläubigen Augen.
Ausgerechnet David Sheppard jr., sein Bruder, wollte ein Fabelwesen gesehen haben? Dave, der sonst mit beiden Beinen so fest auf der Erde stand, daß selbst ein Hurrikan ihn nicht umhauen konnte. Und jetzt das!
John schüttelte den Kopf.
„Ich sags dir!" Dave hatte seine Miene richtig gedeutet, was auch nicht schwer war, wie John zugeben mußte. Sein Gesicht verriet ihn immer, und darum war er letztendlich auch aus der Air Force geworfen worden.
Er hob die Schultern. „Wenn du's sagst", meinte er ziellos.
Mothman. Was kam als nächstes?
Dave schrumpfte vor seinen Augen zu einem Häufchen Elend zusammen.
John seufzte und nickte.
„Okay, also Mothman."
Nun war es an Dave zu nicken.
John hob die Brauen. „Und warum ich? Was soll ich dabei? Warum wendest du dich nicht an die Polizei in Aspen? Sheriff Duke wird doch wohl nicht allzu viel zu tun haben im Moment, und er hatte immer einen Narren an dir gefressen."
Dave wurde blaß. „Das … das ..." Er senkte den Blick.
John stutzte.
„Das habe ich als erstes getan. Ich dachte, es sei vielleicht ein Landstreicher auf dem Grundstück", berichtete Dave schließlich zögernd. „Aber …" Er sah wieder auf, mit einer leisen Hoffnung in den Augen. „Duke hat mir nicht geglaubt. Deshalb habe ich dich angerufen."
John runzelte die Stirn. „Warum mich? Was soll ich dabei? Ich bin kaum mehr als ein Rookie."
„Aber du … ich meine, als du in Afghanistan warst, da hast du Nancy geschrieben, du hättest einen Bigfoot gesehen. Du glaubst an soetwas."
John holte tief Atem, doch Dave kam ihm zuvor:
„Ich weiß, das ganze hört sich verrückt an. Ich kanns selbst nicht glauben. Aber ich weiß, was ich gesehen habe! Dieses Ding … dieses geflügelte Wesen, es war da! Und … und ich habe gelesen, daß es ein Vorbote ist für kommendes Unheil."
John verzog das Gesicht.
„Ich meine", fuhr Dave fort, „du sagtest, du wolltest Dad beweisen, daß er sich irrt als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben. Und … und wenn dieser Mothman wirklich ein Vorbote ist, dann … dann sieht Dad vielleicht, daß du doch nur helfen willst."
John biß sich auf die Lippen.
Mußte sein Bruder ausgerechnet jetzt an der Sache rühren?
„John, versteh mich recht, ich denke auch, daß es besser wäre, dich vom Familienvermögen fernzuhalten. Du hattest noch nie viel Sinn dafür", fuhr Dave fort. „Aber, im Gegensatz zu Dad, denke ich, du bist immer noch Teil der Familie, und daß du ein guter Mensch bist. Jemand, auf den man sich verlassen kann. Egal, was da einige über dich ausgesagt haben bei der Untersuchungskommission! Was auch immer in Afghanistan passiert ist, ich bin sicher, du wolltest nur helfen. Und jetzt wäre es eine Chance zu beweisen, daß die Kommission sich geirrt hat – daß Dad sich geirrt hat!"
„Yeti", sagte John nun endlich.
Dave quitierte das Wort mit einem irritierten Blinzeln. „Bitte?"
John seufzte. „Im Himmalaya gibt es keine Bigfoots, es gibt Yetis. Und nein, ich habe keinen gesehen, aber ich kannte einige Piloten, die welche gesehen haben wollten. Ich habe nur ein paar Fußspuren gesehen."
Die Hoffnung in Daves Augen glomm heller.
„Ich brauche Zutritt zur Jagdhütte", entschied John schließlich, „ohne Wenn und Aber. Ich habe kein Geld, um mir ein Hotelzimmer in Aspen leisten zu können."
„Kein Problem. Ich werde Chandler gleich anrufen." Dave griff in seine Jackettasche, um sein Handy herauszuholen.
„Ich werds bereuen, aber okay, ich werde sehen, was ich herausfinde", sagte John endlich, konnte noch immer nicht so ganz glauben, was er da sagte.
Hoffnung und Zweifel by Hyndara71
Drei Tage später:

Der alte, ehemals feuerrote Camaro tuckerte unter deutlichem Bocken die Hauptstraße entlang und ließ John damit seine Abneigung gegen das kühle und feuchte Klima spüren. Nein, Colorado im frühen Frühling war definitiv nichts für diesen Wagen.
John seufzte ergeben, als eine Fehlzündung ihren Weg durch den Auspuff fand und sämtliche Passanten unter dem lauten Knall zusammenzuckten.
„Habs kapiert, Honey", murmelte er dem Lenkrad zu und suchte nach dem besten Parkplatz in der Nähe des Sheriffbüros.
Hinter einem tiefschwarzen Impala schien noch ausreichend Platz zu sein.
John hob anerkennend eine Braue, als er neben dem Musclecar zum Stehen kam und zu kurbeln begann.
Respekt! Der Wagen sah wirklich neu aus für sein Alter. Gepflegt und, zumindest teilweise in der noch faden Sonne glänzend. Da liebte wirklich jemand sein Auto und John überkam leichte Reue über seinen eigenen Wagen. Der Camaro könnte wenigstens ebenso gut aussehen, wenn er denn einmal Zeit und ein wenig Geld investieren würde. Immerhin war der Wagen, neben seiner Kleidung, das einzige, was ihm wirklich noch gehörte.
John parkte rückwärts ein und zog den Schüssel aus dem Zündschloß. Widerwillig wandte er seine Aufmerksamkeit von dem schwarzen Schmuckstück ab und dem Sheriffbüro zu. Martin Duke war kein großer Fan der Familie Sheppard, etwas, was John ihm nicht wirklich verdenken konnte. Leider aber war es in der Vergangenheit zwischen ihm und Duke zu einigen kleineren Streitereien gekommen, ein Grund, warum John die Jagdhütte tunlichst mied, vor allem, seit Duke zum Sheriff der kleinen Gemeinde in der Nähe von Aspen gewählt worden war. John mochte ihm nichts unterstellen, aber auch ein Martin Duke war letztlich nur ein Mensch und könnte seine Machtbefugnisse … ein wenig dehnen, wenn es um die Familie Sheppard ging.
Aber er hatte es Dave nun einmal versprochen.
John kniff die Lippen aufeinander und öffnete endlich die Tür. Ein eisiger Windhauch strich über seinen Handrücken und ließ ihn unwillkürlich frösteln.
Die Tür zum Sheriffbüro öffnete sich und zwei fremde in dunklen Anzügen traten rückwärts heraus, dicht gefolgt von Martin Duke.
John mußte unwillkürlich grinsen bei dem Anblick, wie der kleine Dorfsheriff zwei offensichtliche FBI-Agents aus seiner Stadt zu jagen versuchte. Und tief in seinem Herzen hoffte John, daß Duke den Sieg davontragen würde, auch wenn der neu erlernte Polizeiverstand vom Gegenteil ausging.
Einen Moment lang blieb John nun doch noch im Wagen sitzen und beobachtete die drei. Die beiden mutmaßlichen Agents hielten auf ihn zu, fiel ihm auf und er drehte sich im Sitzen um.
Wenn die hier herüber wollten, mußte hier auch irgendwo ihr Wagen stehen. Üblicherweise ein SUV oder ein anderes, doch eher schwerfälliges aber neues Modell.
Abgesehen von einigen Geländewagen, die am Straßenrand geparkt waren und höchst privat wirkten auf John gab es aber kein verdächtiges Vehikel.
Vielleicht nur Zufall, versuchte er seinen Polizeiverstand abzukühlen und entschied, jetzt doch den Wagen zu verlassen.
Die Aufhängung knarrte leicht, als John sich aus dem Camaro schwang, ein weiteres Zeichen dafür, daß der Wagen nicht mit den klimatischen Bedingungen einverstanden war.
„... sollten sie noch einmal überdenken, Sheriff", wehte die Stimme eines der beiden mutmaßlichen Agents zu ihm herüber.
John runzelte die Stirn.
Bevor er letztendlich zur Polizei von Detroit gegangen war, hatte er sich auch beim FBI beworben. Und wenn er sich recht erinnerte, gab es dort zumindest ansatzweise etwas wie einen Dresscode – auch wenns um das persönliche Aussehen ging. Und dieser große Agent war a) eindeutig zu jung und b) seine Haare waren ebenso eindeutig zu lang fürs FBI.
Was aber dann?
„Ich brauche nichts zu überdenken, Agent Smith. Ist das klar?" brauste Martin Duke auf.
John schmunzelte unwillkürlich wieder. Ja, das war Marty wie er ihn kannte.
Der zweite „Agent" war ein wenig kleiner als Langhaar, mit Kurzhaarschnitt und O-Beinen. Allerdings … stimmte für John etwas an dessen Haltung nicht.
Gabs das? Da stellte das FBI zwei halbe Kinder ein aber ihm wurde eine Absage geschickt?
John entschied, den Ärger runterzuschlucken und statt dessen endlich mit der Arbeit zu beginnen. Die mutmaßlichen Agents interessierten ihn nicht mehr. Er vermutete stark, daß es sich bei den beiden um einen, zugegebenermaßen ziemlich aufwendigen, Studentenstreich handelte. Und diese Meinung wurde sogar noch bestärkt, als die beiden sich schließlich … in den Impala trollten und mit gefährlich röhrendem Auspuff und spritzendem Schlamm davonbrausten.
„Martin?" rief John dem Sheriff nach, der sich kopfschüttelnd wieder zurückziehen wollte in sein Büro.
Jetzt drehte Martin Duke sich um und starrte ihn einen Moment lang verständnislos an, ehe sein Gesicht sich verdüsterte. „Sheppard!"
John kannte nur sehr wenige Menschen, die seinen Familiennamen zu einem Fluch degradieren konnten, aber Martin Duke gehörte definitiv dazu.
„Jep, ich bins", strahlte er dem Sheriff entgegen.
Duke musterte ihn von oben bis unten. „Hab gehört, du hattest einigen Ärger drüben in Afghanistan", sagte er schließlich gedehnt und steckte beide Daumen hinter die Gürtelschlaufen seiner (nicht ganz vorschriftsmäßigen) Jeans.
John zuckte mit den Schultern. „Wie mans nimmt", antwortete er ausweichend.
Duke nickte und sah ihn mißtrauisch an. „Was willst du?"
Wieder zuckte John mit den Schultern. „Reden", schlug er vor.
„Wüßte nicht worüber", schnaubte Duke.
John nickte nachdenklich. „Über das, was Dave gesehen hat", sagte er schließlich zögernd. „Soweit ich weiß, hat er dir irgendwelche Beweise gegeben."
„Hat er nicht", antwortete Duke ohne zu zögern.
„Okay." John klatschte in seine Hände. „Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich mich ein wenig weiter umhöre, oder?"
„Hab ich allerdings", entgegnete Duke. „Was ihr Sheppards auf eurem Grund und Boden treibt geht mich nichts an. Hier aber schon. Du wirst keinen einschüchtern, solange ich Sheriff bin!"
John hob die leeren Hände.
Duke starrte an John vorbei die Straße hinunter.
John folgte seinem Blick. „Irre, was die heutzutage so alles nehmen, was?" meinte er.
Duke schnaubte abfällig. „Kannst ihnen gern hinterher fahren, Sheppard", sagte er.
Johns lächelte freundlich. „Bin gerade erst angekommen, danke. Du wirst schon mit einigen Tagen rechnen müssen, in denen ich hier bin. Sorry."
Dukes Gesicht verzog sich. „Wenns sein muß", seufzte er schließlich.
„Muß es. Kannst mir glauben, ich bin nicht gern hier." John verzog die Lippen. „Aber Dave hat mich gebeten, da kann ich wohl schlecht nein sagen."
Dukes Miene blieb versteinert, doch in seinen Augen glomm ein wenig Mitgefühl auf. „Immer noch der alte, was? Der große Bruder heult und du springst. Du solltest wirklich an deiner Einstellung arbeiten, John."
Huh? Hatte er da gerade richtig gehört?
Ein kleiner Hoffnungsschimmer glomm in John auf. Wenn Duke ihn wieder beim Vornamen nannte, hatte er offensichtlich die richtigen Knöpfe betätigt. Etwas was bei einem Martin Duke nicht sonderlich oft passierte. Aber wenn, nun, dann sollte er das milde Klima nutzen, solange es anhielt.
„Ich habe gehört, du hättest auch etwas gesehen", tastete er sich so geschickt wie möglich an das Thema heran.
Duke kniff die Lippen aufeinander. Kurz schien seine ganze Gestalt sich zu versteifen, dann aber … nickte er. „Die halbe Stadt hat dieses Ding gesehen." Ein ironisches Grinsen ließ einen seiner Mundwinkel hochzucken. „Aber von uns hat sich keiner in die Hose gemacht wie dein Bruder. Hättest du?"
John zuckte mit den Schultern. „Kann ich nicht sagen, möglich. Andererseits hab ich in Asien genug Schweinereien für mehrere Leben gesehen."
Duke nickte und hob die Hand – ließ sie dann aber wieder sinken. „Hab gehört, was passiert ist, zumindest den offiziellen Teil", sagte er mit ernster Miene, „und ich hab zu Joanne gesagt, du magst ein Arschloch sein, John Sheppard, aber was auch immer du tust hat seinen Grund. Einen guten Grund. Ich kaufe denen diese ganze Nummer nicht ab, die sie da verbreitet haben. Propaganda, Punkt."
John biß sich auf die Lippen.
Ja, der Sabotagevorwurf würde ihm vermutlich noch eine Weile anhängen. Er hoffte, nicht für den Rest seines Lebens.
Duke sah ihn an, die Wärme in seinen Augen verlosch langsam. „Und wenn du jetzt einen guten Rat annimmst bist du tatsächlich kleverer als der Rest deiner Familie: nimm deinen Wagen und fahr zurück von wo dich die Hölle wieder ausgespuckt hat. Hier braucht dich keiner. Und der letzte, der dich braucht, ist dein Bruder."
„Ich habs ihm versprochen", entgegnete John prompt.
Duke musterte ihn, schüttelte dann den Kopf. „Was auch immer. Einmal Ärger und ich werde dich aus der Stadt jagen. Ist das klar?"
„Glasklar."
Duke nickte und drehte sich um, um zu seinem Büro zurückzugehen.
„Ich bin in der Jagdhütte", rief John ihm nach.
Doch Duke ignorierte ihn – vermutlich das beste, was ihm passieren konnte.
Offensichtlich aber stimmte es doch und die Zeit heilte die Wunden.
John schwang sich wieder in den Camaro und startete mit einigen Schwierigkeiten den Wagen.
Vielleicht würde sich die Lage zwischen ihm und Martin Duke doch eines Tages wieder entspannen hoffte er, als er endlich losfuhr.


„Was war das denn?" fragte Sam vorwurfsvoll.
„Was war was denn?" schoß Dean prompt zurück, wenn ihm auch, nicht zu weit, unter seiner etwas unwohl war.
Ja, er hätte mehr tun können, ja, er hätte vehementer sein können. Aber wozu? Dieser Sheriff Duke gehörte offensichtlich nicht zu denen, die sich täuschen ließen. Und, wenn er ehrlich war, er verstand nicht, warum sie zu ihm gegangen waren. Immerhin hatte es keine Toten gegeben, nur eine Maßenhalluzination über Mega-Motten.
„Du weißt genau, wovon ich rede", klagte Sam ihn weiter an.
Dean konzentrierte sich aufs Fahren, doch seine Fingerknöchel waren weiß, so fest umklammerte er das Lenkrad.
„Ich verstehe einfach nicht, was das soll", fuhr Sam fort. „Seit ich dir von diesem Job erzählt habe verhälst du dich, als wäre dein Kampfgeist auf Urlaub. Und jetzt auch noch bei diesem Dorfsheriff. Himmel, den hättest du sonst mit links in die Tasche gesteckt.
„Der ist eben … überzeugender als die meisten", entgegnete Dean lahm.
Urlaub? Hörte sich gut an. Er könnte jetzt einfach auf der Straße wenden, richtig Gas geben und runter in den Süden fahren. Würde ihm wesentlich besser gefallen als sich hier in Colorado den Hintern abzufrieren.
„Was ist los mit dir?" fragte Sam gereizt.
Dean reichte es. Harrt trat er aufs Gas und lenkte geschickt gegen, als der Impala auf der leicht vereisten Straße auszubrechen versuchte. Mit einigen weniger eleganten Schlenkern brachte er den Wagen schließlich am Straßenrand zum Stehen, drehte den Schlüssel, zog ihn ab und stieg aus.
„Was … Dean!" rief Sam ihm nach.
Dean lockerte die verdammte Krawatte, ehe er sich an den Wagen lehnte, den Kopf zwischen seinen Armen baumeln ließ und einige Male die eisige Luft einatmete.
Die Beifahrertür öffnete sich knarrend.
„Was ist los mit dir?" fragte Sams Stimme.
Was los mit ihm war?
Um ehrlich zu sein, Dean wußte es selbst nicht so ganz. Er wollte einfach nur tausend Meilen zwischen sich und diesem Ort wissen. Er wollte nicht hier sein, sondern sonstwo Monster jagen. Monster, die es gab! Keine eingebildeten.
Sein Gesicht verhärtete sich, als er schließlich aufblickte. „Das hier ist reine Zeitverschwendung", sagte er mit fester Stimme. „Es gibt keinen Mothman, hab ihn nie gegeben und wird ihn auch nie geben. Ich hab dieses verdammte Ding lang genug gejagt und jetzt habe ich die Nase voll davon. Das ist es, was ich habe." Er holte tief Atem. Die kalte Luft ließ seine Atemwege sich zusammenziehen.
„Du hast was?" Sam starrte ihn groß an. „Warum hast du nichts gesagt? Wir hätten davon profitieren können, was du an Wissen zusammengetragen hast."
„Da gibt es aber nichts zusammenzutragen, Sam!" brauste Dean auf. „Nichts, nada! Ich sagte doch schon: Es gibt keinen Mothman! Das ist irgendein Computertrick!"
Sam schüttelte den Kopf. „Wir haben soviel gesehen und sehr wahrscheinlich gibt es noch sehr, sehr viel mehr. Wie kannst du dir da so sicher sein?" fragte er verständnislos.
„Weil ich dieses Ding mehrere Jahre lang gejagt habe. Seit du dich aufs College verdrückt hattest, um genau zu sein", antwortete Dean. Sein Magen zog sich zusammen.
Der verletzte Blick, den Sam ihm zuwarf sagte ihm nur zu deutlich, daß er zu weit gegangen war. Verdammt!
„Bobby schickt uns nicht leichtfertig los oder bittet um Hilfe. Mag sein, daß dieser Mothman schwer zu fassen ist, aber … ich glaube, hier geht etwas vor", sagte Sam leise.
Na toll!
Dean drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Impala und kreuzte die Arme vor der Brust. Leer starrte er in den Wald am Rande der Straße.
„Ich glaube, tief in dir glaubst du auch noch an den Mothman und bist deshalb wütend und willst hier weg", erklärte Sam.
Gott, er haßte es, wenn sein Bruder Sigmund raushängen ließ! Aber andererseits … er hatte Sam verletzt mit seinen unbedachten Worten, dann war es das mindeste, daß er jetzt diese Analyse über sich ergeben ließ.
„Nur fühlst du dich betrogen, weil du ihn bisher nicht gefunden hast", fuhr Sam fort. „Aber jetzt sind wir zu zweit. Jetzt können wir ..."
„Wir können gar nichts. Wir werden nichts finden", platzte es aus Dean heraus.
Ein Motorengeräusch näherte sich ihnen.
Sam sah ihn vorwurfsvoll an, er spürte den Blick in seinem Nacken wie tausend Nadeln.
„Wir sollten der Sache trotzdem nachgehen. Es mag niemand zu Schaden gekommen sein aber ich denkte, die Menschen hier sind verstört und brauchen Hilfe – und eine Erklärung", fuhr Sam fort.
Dean seufzte ergeben.
Soviel zu seinem Plan, sich nach Florida abzusetzen.
Ein Wagen bog um die weiter unten gelegene Kurve.
Dean runzelte die Stirn.
Das war der rote Camaro, der hinter ihnen geparkt hatte, als sie aus dem Sheriffbüro gekommen waren. Und der Fahrer … Das war der Mann, der sie beide gleichzeitig amüsiert und analytisch gemustert hatte, als sie … nun ja, einen geordneten Rückzug angetreten waren.
Einen Moment lang glaubte Dean, der Camaro würde halten, er wurde eindeutig langsamer, dann aber fuhr der Wagen doch weiter.
Vielleicht …
Dean schwang sich wieder ins Auto.
„Was?" ließ Sam sich vernehmen, der ebenfall in die warme Fahrgastzelle zurückkehrte als Dean den Motor startete.
„Das ist der Typ, der uns beobachtet hat, als wir fuhren", sagte Dean, warf einen Blick auf den Außenspiegel, ehe er losfuhr. „Vielleicht weiß der was."
Rote Augen by Hyndara71
John wußte wirklich nicht, ob er über soviel Dreistigkeit amüsiert oder doch eher verärgert sein sollte, als er schließlich durch das geöffnete Gattertor auf das Sheppardsche Grundstück einbog, den Impala wie einen glänzenden Nachmahr noch immer dicht hinter sich.
Eines war klar, die beiden Jungen meinten es ernst. Niemand, der bei halbwegs klarem Verstand war würde sich in diesen Teil des Waldes verirren.
John mochte die „Jagdhütte" nicht sonderlich, wohl aber die Umgebung, gerade die kleine Ortschaft Billington, aus der er gerade gekommen war nach seinem Gespräch mit Martin Duke. Sein persönlicher Favorit unter den zahlreichen Residenzen der Sheppards war und blieb das alte Ranchhaus in Kansas. Dort, wo sein Großvater seinen Ruhestand mit der Pferdezucht verbracht hatte. John hatte als Kind und auch als Jugendlicher die Vorzüge weiter Ausritte genossen, mal mit, mal ohne (vornehmlich weibliche) Begleitung. Die Jagdhütte dagegen …
Ihn hätte es nie gewundert, wenn plötzlich aus irgendeiner Ecke ein kettenrasselnder Geist erschienen wäre. Das Gebäude war unheimlich, in vielen Winkeln gebaut, als habe der Architekt vor seinen eigenen Ideen flüchten wollen. Noch dazu lag das Haus nicht wie die Ranch mitten unter dem freien Himmel sondern war vollkommen von Bäumen und Büschen umgeben und so bewuchert, daß man selbst zur Mittagszeit das elektrische Licht benutzen mußte.
John hielt sich an die schmale Schotterstraße, die hinauf zu einer kleinen Rodung führte, auf der er den Wagen parken konnte. Der Impala folgte ihm immer noch.
John schüttele den Kopf, parkte ein und drehte den Zündschlüssel, um ihn aus dem Schloß zu ziehen. Der Impala zögerte einen Moment, dann aber tuckerte die schwarze Schönheit auf den freien Platz neben ihm. Der röhrende Motor erstarb und die beiden jungen Männer blickten fragend zu ihm hinüber.
John wußte wirklich nicht mehr, was er tun sollte. Sicher, er hatte die beiden auf der Hauptstraße gesehen, als er auf dem Weg hierher war. Einen Moment lang hatte er angenommen, der Impala hätte eine Panne, war darum vom Gas gegangen und langsamer geworden. Dann aber war ihm aufgegangen, daß keiner der beiden jungen Männer auch nur die geringsten Andeutung machte, daß sie Hilfe brauchten. Die Motorhaube war geschlossen und die sichtbaren Reifen schienen ebenfalls in Takt zu sein.
Darum war John weitergefahren statt anzuhalten. Vielleicht ein Fehler …
John gab sich einen Ruck und schwang sich aus dem Camaro.
Die beiden jungen Fremden taten es ihm nach und musterten ihn fragend von oben bis unten.
„Ihr wißt schon, daß ihr in mächtigem Ärger stecken könntet, oder? Das hier ist kein öffentlicher Grund.", begrüßte John die beiden.
Die tauschten Blicke.
„Dann ist das hier kein öffentlicher Wald?" erkundigte der mit den zu langen Haaren für einen FBI-Agenten.
John nickte bedächtig. "Stimmt, seid ihr nicht."
Die beiden wechselten einen Blick, dann griff Langhaar in die Innentasche seines Jackets.
„Jungs, spart es euch!" warnte John sie und zückte seinerseits seine Brieftasche, in deren Innenseite seine brandneue Polizeimarke prankte. „Ich hoffe ihr wißt, daß es strafbar ist, sich als Staatsdiener auszugeben. Ansonsten sehe ich nämlich schwarz."
Langhaar starrte ihn überrascht an. „Woher … ?"
John stopfte seine Brieftasche zurück in die Gesäßtasche seiner Jeans. „Ich bin weder dumm noch überarbeitt – noch nicht!"
Wieder wechselten die beiden einen Blick.
John seufzte, kreuzte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Camaro. „Also, was wollt ihr hier? Und woher seid ihr? Berkley? Colorado State?" Er hob die Brauen.
„Ähm ..." machte Kurzhaar und hob einen Finger. „Moment, Detective."
„Officer", berichtigte John ihn. „Officer John Sheppard, Detroit PD."
„Sheppard?" fragte der Langhaarige.
John nickte stumm.
„Dann wollten wir mit Ihnen sprechen. Sie haben doch etwas gesehen hier, oder nicht? Sie stehen mit auf der Zeugenliste", wandte der Langhaarige ein.
John schüttelte den Kopf. „Ich war in Detroit", entgegnete er, entschied sich aber, die beiden doch noch etwas mehr einzuweihen. „Mein Bruder David will hier einen Mothman gesehen haben. Und … darum bin ich hier. Aber warum seid ihr zwei gekommen?"
Wieder wechselten die beiden einen Blick, dann straffte der Langhaarige seine Schultern. „Weil wir, mein Bruder Dean und ich, das untersuchen wollen."
Johns Blick glitt von Langhaar zu Kurzhaar, namentlich nun Dean betitelt. „Und ihr tut das aus reiner Menschenliebe, Dean und Bruder?"
Besagter Dean lehnte sich jetzt auf den Impala und begegnet Johns Blick. „Wir tun das, weil das unsere Aufgabe ist, Officer Sheppard."
„Ist für soetwas nicht die Polizei zuständig?" bohrte John weiter.
Langhaar lachte bitter auf. „Mal ehrlich, Officer, wann sind Sie das letzte Mal einem Notruf nachgegangen, in dem der Anrufer behauptet von einem wirklichen Monster verfolgt oder angegriffen zu werden?"
„Definiere Monster." John lehnte sich nach vorn. „Es gibt auch durchaus menschliche Wesen, die den Namen Monster verdienen würden. Ich denke, ihr zwei wißt das."
Dean nickte. „Das ist aber nicht unsere Aufgabe", entgegnete er. „Unsere Aufgabe sind die Monster Monster. Die echten Dinger, klar? Hinter denen sind wir her."
„Und warum?"
„Weil das unser Job ist", antwortete Dean ungerührt.
„Job?" echote John. „Ehrlich, Jungs, Vampirjäger sind mit Van Helsing ausgestorben. Ihr solltet weniger Horrorfilme ansehen." Damit stieß er sich von seinem Wagen ab. „Und ihr solltet besser dieses Grundstück verlassen. Mir solls gleich sein, aber so wie euer Wagen aussieht bin ich mir sicher, ihr wollt kein Loch darin, weder in den Reifen noch im Blech."
„Hören Sie, Officer Sheppard", wandte der Langhaariger wieder ein.
„Laß es, Sam. Mister Wichtig sind wir eben nicht so wichtig wie er selbst und sein Bruder", schnaubte Dean.
„Das glaube ich nicht!" Langhaar aka Sam trat an Johns Seite und starrte ihn intensiv an. „Ich glaube nicht, daß Sie sich selbst wichtig nehmen. Und ich glaube nicht, daß Sie felsenfest davon überzeugt sind, daß das hier nur Nonsens ist. Wenns so wäre wären Sie nicht hier!"
„Wovon du natürlich hundertprozentig überzeugt bist", konnte John sich nicht verkneifen. „Weil du eine so hervorragende Menschenkenntnis hast."
„Falsch", konterte Sam, „weil es mein verdammter Job ist. Und weil ich weiß, daß Sie nicht hier wären, wenn da nicht ein winziger Zweifel in Ihnen wäre."
Ein riesiger Fußabdruck im Schnee …
John schüttelte die Erinnerung unwillig ab. Das hätte ihm jetzt gerade noch gefehlt! Sich mit zwei Grünen Jungen über Monster und Dämonen unterhalten! Genau was er eigentlicht nicht gewollt hatte.
Und in diesem Moment hallte der Schrei über die kleine Rodung. Er klang hoch und schrill und nicht, als könne er aus einer menschlichen Kehle stammen. John war es, als würde jeder einzelne seiner Knochen in seinem Leib beginnen zu vibrieren unter diesem Geräusch.
Was war das?
Er ruckte hoch und herum, starrte in den Wald hinein in der Hoffnung, die Bäumen würden sich teilen und ihm die Sicht auf das eröffnen, was auch immer sich dort befand.
„Teufel, Sam, was war das?" hörte er Dean hinter sich fluchen
Gut zu wissen, daß die beiden selbsternannten Monsterjäger auch keine Ahnung hatten.
John schauderte. Er beugte sich in den Wagen hinein und holte seine Waffe aus dem Handschuhfach.
„Ich weiß es nicht. Aber wir werden es herausfinden", hörte er diesen Sam antworten.
John atmete einige Male tief ein, dann richtete er sich mit einem Ruck wieder auf und … umrundete seinen Wagen in Rekordzeit, um dem Schrei zu folgen.
„Sheppard, bleiben Sie hier, Mann!" hörte er Dean hinter sich rufen.
Sei es drum! Er war hier, dieser Scherzbold offensichtlich auch. Und für den Fall, daß es sich doch nicht um einen Dumme-Jungen-Streich handelte, hatte er immer noch seine Waffe.
Monster! Ha!
John lief schneller, als das Unterholz sich lichtete.
Und dann … glaubte er seinen eigenen Augen nicht mehr trauen zu dürfen, als er den Urheber der Schreie fand – hoch auf einem Baum sitzend, als würde er auf ihn warten …
„Verdammter Mist!" Dean sprintete um den Impala herum. „Warum müssen gerade Cops immer dazu neigen, den Helden spielen zu wollen? Die sind genauso schlimm wie Feuerwehrmänner!" fluchte er dabei.
„Dean, warte!" hörte er Sam hinter sich und drehte sich im Lauf um.
„Es wurde noch nie davon berichtet, daß Mothman irgendwelche Laute von sich gibt", erklärte sein kleiner Bruder.
Dean überlegte nicht lange, sondern nickte zur Rückbank des Impalas. „Sieh nach, ob du etwas aufgrund dieser Schreie finden kannst, ich versuche diesen Idioten von einer Dummheit abzuhalten", befahl er, drehte sich wieder um und hastete, auf Sheppards Spuren, in den Wald hinein.
Verdammt! Einen Moment lang hatte es ausgesehen, als sei Sam zu ihm durchgedrungen, gerade bevor diese eigenartigen Schreie begannen. Einen Moment lang, da war Dean sicher, hatte er etwas in Sheppards Gesicht gesehen. Etwas, was er von unschuldigen Zeugen und auch von neuen Jägern kannte. Eine Sekunde lang war er bereit gewesen, sich der Sachlage zu stellen und sie zu akzeptieren, weil er selbst etwas gesehen hatte.
Was mochte das sein?


Dean hoffte, daß sie noch die Chance haben würden, Sheppard vollkommen zu überzeugen. Wenn er seinem Bruder tatsächlich versprochen hatte, nach diesem Ding zu suchen, und ein Ding gab es jetzt, davon war Dean nach den Schreien ebenfalls überzeugt, dann konnte er ihnen vielleicht auch auf andere Weise nützlich sein. Immerhin war er ein Cop, er konnte ihnen vielleicht den Rücken freihalten, falls dieser Job doch nicht ganz so astrein verlaufen sollte wie sie hofften. Wäre nicht das erste Mal, daß sie mit dem Gesetz in Konflikt gerieten …
Dean folgte John auf dessen Spuren. Und John war alles andere als vorsichtig gewesen.
Was war das wohl für ein Ding? Was für ein Monster stieß solche Schreie aus?
Dean wußte es nicht. Um ehrlich zu sein, dieser Fall gab ihm mehr als ein Rätsel auf. Er verstand ihn nicht, nicht vollkommen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Monstren hatte dieses noch keinen echten Schaden angerichtet. Wahrscheinlich war es Sam deshalb so wichtig gewesen, herzukommen – EHE nämlich etwas geschehen konnte.
„Sheppard!" rief Dean, als er endlich die hochgewachsene und sehnige Gestalt des Polizisten zwischen den Bäumen erkannte. „Verdammt, Sie können doch nicht einfach so losrennen, wenn Sie gar nicht wissen ..." Dean blieb stocksteif stehen, eine Armeslänge von dem Gesuchten entfernt, als er erkannte, warum dieser sich ebenfalls nicht bewegte.
Eine Gestalt stand vor ihnen beiden. Die beste Beschreibung, die Dean finden konnte war die, daß diese komischen Geisterreiter aus dem Herrn der Ringe plötzlich zum Leben erwacht waren. Das ganze Ding war schwarz, wie in Lumpen gehüllt hingen einzelne Fetzen stoffähnlichem Materials überall herab. Und aus den tintenschwarzen Tiefen unter der tief herabgezogenen Kapuze (so es denn eine Kapuze war) starrten zwei leuchtende glutrote Augen ohne Iris oder Pupille ihnen entgegen, schienen sie im Bann zu halten.
„Scheiße!" entfuhr es Dean endlich.
Er hatte ja schon eine Menge gesehen in seinem Leben, darunter auch eine Menge grusliges, widerwärtiges, schleimiges … eben ziemlich viele Varianten des Schreckens, aber das hier … ? Er wußte nicht, was er davon halten sollte. Die Augen flößten Respekt ein, keine Frage, aber der Rest?
„Was ist das für ein … Ding?" hörte er Sheppard an seiner Seite endlich fragen.
Gute Frage, nächste bitte?
„Keine Ahnung", gestand Dean dem Polizisten zu wissen und hob seine Waffe. Sheppard tat es ihm nach.
„Okay, Halloween ist noch ein Weilchen entfernt", sagte der Polizist mit so fester Stimme, wie er wohl aufbringen konnte. Dennoch nahm Dean ein feines Vibrieren in ihr wahr. „Klasse Kostüm, Kumpel, aber du befindest dich hier auf privatem Land. Und ich würde jetzt vorschlagen, du nimmst die Kapuze ab und trollst dich."
Kapuze abnehmen?
„Keine gute Idee, Sheppard", murmelte Dean.
„Was?" wisperte der zurück.
„Die Kapuze abnehmen. Man weiß nie, wie die Dinger unten drunter aussehen ..."
Sheppard stöhnte. „Ich will wissen, womit ich es zu tun habe."
Die schwarze Gestalt machte keine Anstalten, einer der Anweisungen nachzukommen. Noch immer starrte sie sie beide an mit seinen rotglühenden Augen. Ohne jede Regung …
„Hast du nicht verstanden?" fragte Sheppard.
„Nicht reizen!" warnte Dean zischend.
Der Polizist warf ihm einen Blick zu, der allzu deutlich sagte, was er in diesem Moment dachte.
„Dean!" hörten sie beide in diesem Moment die entfernte Stimme von Sam rufen.
Na endlich! Dean seufzte erleichtert. „Wir sind hier, Sam!" rief er halb über die Schulter zurück, nicht einen Blick von dem rotäugigen Ding lassend.
Entweder Mothman sah völlig anders aus als alle Zeugen ihn je beschrieben hatten, oder es war keiner. Und irgendwie tendierte Dean jetzt nur noch stärker zu letzterem. Was auch immer dieses Ding war, es war kein Mothman. Es sah ihm ja nicht mal ähnlich!
Schritte näherten sich.
Und plötzlich bewegte das Ding sich. Es … wuchs!
Dean hatte keine Ahnung, wie er das anders beschreiben konnte. Es wurde einfach immer größer, bis es sie beide um mehr als einen Kopf überragte.
„Tu das nicht, Kumpel!" warnte Sheppard an seiner Seite.
Tu was nicht? Wachsen?
Dean fühlte sich plötzlich unwohl.
Hier passierte gerade etwas. Etwas, was er nicht unbedingt wollte. Etwas, was möglicherweise gefährlich sein konnte.
Das Ding begann zu zischen wie ein Teekessel, wenn er überkocht.
„Laß das!" wiederholte Sheppard. „Zwing mich nicht ..."
Und da war das Ding plötzlich über ihnen.
Ein Schuß löste sich, und im nächsten Moment fand Dean sich auf dem Boden wieder.
„Mein Gott, nein!" hörte er Sam rufen. „Dean, Officer Sheppard, laßt euch nur nicht berühren! Das ist eine ..."
Der Rest ging in dem triumphierenden Schrei der schwarzen Gestalt unter, als sie zwischen den Baumwipfeln verschwand.
Und alles, was Dean denken konnte war: zu spät!
Eine böse Entdeckung by Hyndara71
Seine Hand brannte wie Feuer. Die Waffe war ihm entglitten, nachdem der Schuß sich gelöst hatte. Einfach, weil er sie schlicht nicht mehr halten konnte, nachdem dieser Typ in dem schwarzen Kostüm …
John verzog das Gesicht und umklammerte mit seiner Linken die schmerzende linke Hand, während er sich auf die Knie rappelte.
„Gott verdammt!“ keuchte er dabei und sog scharf Atem zwischen seinen Zähnen hindurch in die Lungen.
„Alles in Ordnung, Officer?“ fragte … Sam, der großgewachsene der beiden Jungen.
John verzog das Gesicht und blickte auf. Sam hockte bei dem anderen … Dean, der nicht so recht frisch aussehen wollte. Er holte einige Male tief Atem, ehe er langsam zu nicken begann. „Was ist mit euch?“ fragte er mit krächzender Stimme. „Was sollte dieser Unsinn mit dem Nicht-Berühren-lassen?“
Dean starrte ihn mit großen dunklen Augen aus einem kalkweißen Gesicht an. „Es hat Sie gepackt, Sheppard. Oder hab ich da was falsch in Erinnerung.“ Er nickte zu Johns schmerzender Hand.
Der schüttelte den Kopf. „Ich muß sie mir verdreht haben, als ich fiel.“
Sams Gesicht blieb ernst. „Das glaube ich nicht“, sagte er schließlich.
John runzelte die Stirn. „Wieso?“
Dean grinste humorlos. „Weil das Ding mich auch erwischt hat. Nur gestreift an der Schulter. Aber das reicht für höllische Schmerzen.“
John verstand allmählich gar nichts mehr.
Er konnte sich noch damit anfreunden, daß es möglicherweise mehr zwischen Himmel und Erde gab als im allgemeinen angenommen. Aber … was sollte diese Gestalt sonst darstellen? Es war sicherlich kein Mothman!
Riesige Fußabdrücke im Schnee …
„Ich habe alle verfügbaren Informationen über die Sichtungen noch einmal recherchiert“, erklärte Sam, „Dean ist Ihnen nach, um Sie aufzuhalten, bis wir auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen konnten.“
John zuckte mit den Schultern. „Okay … ?“ fragte er gedehnt.
„Es kommt noch etwas anderes, allerdings ebenso abstruses, in Betracht“, wandte nun Dean ein. „Das Problem ist, Sie sind in direkten Kontakt mit dem Wesen gekommen. Mich hat es nur gestreift ...“
„Kontaktgift?“
War er hier in einem schlechten Spionagefilm gelandet? Vielleicht sollte er seinen Camaro nach nachträglich eingebauten „Extras ala James Bond“ durchsuchen …
„Und was jetzt?“ fragte er noch einmal.
„Es ist … eine Broucha“, erklärte Sam endlich.
Johns Brauen hoben sich. „Eine Hexe“, übersetzte er. „Was? Eine Wicca hat ihre Hände in Stechapfeltee gebadet? Soll das ein schlechter Witz sein?“
„Keine Wicca, eine Broucha“, wiederholte Sam. „Officer Sheppard, haben Sie schon einmal von den fliegenden Humanoiden gehört?“
Wenn möglich, wuchsen seine Brauen noch einen Millimeter in die Höhe. „Fliegende Menschen? Hey, ich war Pilot, zählt das auch?“
Doch etwas tief in ihm erschauderte.
Ja, er hatte von sogenannten fliegenden Hexen gehört. Seine Mutter hatte ihm als Kind von ihnen erzählt. Sie hatte selbst eines dieser Phänomene gesehen und ein, reichlich verwackeltes und unscharfes Foto davon geschossen.
„In Mexiko nennt man diese Wesen Brouchas“, fuhr Sam mit seiner Erklärung fort. „Sie sind sehr selten und sehr gefährlich. Wo immer sie auftauchen gibt es Tote, meist Kinder. Ihre Berührung soll giftig sein und zu einem langsamen Tod führen. Wobei … direkter Kontakt schneller tötet.“
„Nette Aussichten … wenns stimmt“, konnte John sich nicht verkneifen zu bemerken. „Mit anderen Worten, ich bin jetzt schon so gut wie tot.“
Und er kannte zumindest einen Menschen, der wohl alles andere als traurig über diesen Verlust wäre. Tja, da versuchte er sein Leben wieder in den Griff zu kriegen und dann …
Der an die gute alte Wissenschaft glaubende Teil seines Geistes schalt ihn einen Idioten, den beiden auch nur zuzuhören. Er hatte sich das Handgelenk verstaucht, als er gefallen war. War nicht die erste Verletzung in seinem Leben, würde vermutlich auch nicht die letzte sein. Anzunehmen, daß da mehr dahinter steckt war vollkommener Unsinn.
Doch der Teil von ihm, der an Dinge glaubte, die eben nicht immer erklärbar waren, dieser Teil urteilte über den Schmerz. Und dieser Schmerz war definitiv anders als der bei einer Verstauchung oder Überdehnung. Es fühlte sich an, als habe ihm jemand flüssiges Feuer unter die Haut injiziert. Zudem konnte er die Hand noch gebrauchen, wenn auch unter Schmerzen. Seine GANZE Hand schien in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein, nicht nur, wie eben bei einer Verstauchung zu erwarten, sein Handgelenk.
Und, nicht zu vergessen, er hatte dieses Ding live und aus der Nähe gesehen. Mochte sein, daß es solche Masken gab, doch sie waren eindeutig zu teuer weil zu detailliert, um bei einem einfachen Dumme-Jungen-Streich herzuhalten. Vielleicht zu Halloween, aber sicherlich nicht im Vorfrühling mitten in den Bergen von Colorado!
John betrachtete die beiden jungen Männer ihm gegenüber. „Ihr sagt, ihr kennt euch mit solchen Dingen aus? Ihr seid Monsterjäger.“
„Nicht Monsterjäger“, entgegnete Dean, der sich allmählich, mit Hilfe von Sam, auf die Beine rappelte. „Wir jagen … was nicht unbedingt in diese Welt gehört, wenn Sie verstehen. Ich bin Dean Winchester, das ist mein Bruder Sam.“ Er hielt John die Hand hin.
Der biß sich auf die Lippen, schlug aber ohne zu zögern ein. „Und was jetzt?“ fragte er. „Was können wir tun?“
Sam schüttelte den Kopf. „So schnell bin ich nicht. Und ich wage zu bezweifeln, daß wir im Internet ein geeignetes Gegenmittel finden werden“, antwortete er.
„Ich soll mir also schon einmal einen Sarg bestellen?“
Hatte er das nicht gerade hinter sich? Lustig, wie das Leben einem immer wieder Streiche spielte … Vor einem Jahr war er irgendwo in Afghanistan mit seinem Helikopter abgestürzt und hatte mit seinem festen Tod gerechnet. Nur um jetzt, ein Jahr später, unehrenhaft von der Air Force entlassen, so gut wie pleite und in einer Stadt lebend, die er nicht mochte, von einer Sagengestalt vergiftet zu werden.
„Bobby?“ schlug Dean vor. „Der weiß doch so gut wie alles. Und was er nicht weiß, findet er heraus.“
„Wäre eine Möglichkeit“, nickte Sam.
„Ist dieser Bobby noch ein Bruder? Oder ein sonstiger Verwandter?“ fragte John.
Die beiden Winchesters wechselten einen Blick und grinsten. „Bobby? Nein, er ist ein Freund, ein wirklich guter Freund. Er hat uns hierher geschickt.“
John seufzte.
Es war im Moment mehr als genug für ihn. Noch immer kämpfte der phantasievolle Teil in ihm mit dem rein naturwissenschafrtlichen. Und er … tja, seiner Hand ging es nicht besser.
„Dann sollten wir zur Hütte gehen. Dort können wir uns ausruhen und ein Telefon gibt’s auch – und Internet“, schlug er vor und stand langsam, seine linke Hand weiterhin schonend, auf.
„Hütte?“ echoten die beiden Brüder.
„Vergessen? Dieser Wald gehört meiner Familie. Wir haben eine alte Jagdhütte auf dem Gelände. Eigentlich war ich dorthin unterwegs.“
„Oh!“
Sie mußten nur noch an Quinn vorbei. Aber wenn Dave sein Wort gehalten hatte, sollte das das kleinste Problem sein …


Der Weg zur Jagdhütte erwies sich als schwieriger als John zunächst geglaubt hatte. Vor allem lag das wohl an ihm selbst und auch an Dean. Was auch immer dieses Ding da auf sie beide losgelassen hatte, das Zeug schien seine Wirkung mit jeder Minute zu verstärken. Mittlerweile stand nicht nur seine Hand, sondern sein Arm bis zu Schulter in Flammen.
Sam stützte seinen Bruder. Er hatte sich auch erboten, John zu helfen. Doch er fand, der Junge war schon ausgelastet genug mit einem von ihnen, den er schleppen mußte.
Tolle Helden, kam es John in den Sinn. Sie mußten wirklich ein eigenartiges Bild abgeben, wie sie da allmählich den besseren Trampelpfad zur Hütte hinaufhumpelten. Wie Krieger nach einer verlorenen Schlacht.
Nun, wenn er ehrlich war, er fühlte sich auch ein wenig so …
Eines allerdings beunruhigte John: von Quinn war nichts zu sehen. Dabei hätte der als pflichtschuldiger Verwalter, als den John ihn kannte, schon gleich nach seinem abgegebenen Schuß bei ihnen auftauchen müssen – und hätte dies auch getan. Unter normalen Umständen.
Johns Bauchgefühl jedoch überzeugte ihn mit jeder Minute mehr davon, daß dies hier keine normalen Umstände waren, ja, daß Quinn möglicherweise etwas zugestoßen war.
„Wie kommt man eigentlich zu einem solchen Job?“ wandte John sich schließlich an die beiden Brüder, weniger aus Neugier als vielmehr, um sich von seinen eigenen Sorgen und Ängsten abzulenken.
„Wir sind da quasi … reingewachsen“, antwortete Sam ausweichend. „Unsere Mutter wurde getötet, daraufhin wollte unser Vater ihren Mörder finden und wurde so zum Jäger.“
John nickte. „Eure Mutter wurde also von irgendeiner Art Monster getötet? Tut mir leid zu hören.“
„Von einem Dämon“, keuchte Dean. „Von einem verdammten, gelbäugigen Dämen wurde unsere Mutter umgebracht!“
Da sprach eindeutig blanker Haß allein aus dem Tonfall dieser Antwort.
Dämon? Hatte er gerade wirklich das Wort Dämon gehört?
John stellten sich unwillkürlich die Nackenhaare auf.
„Meine Mutter starb auch“, lenkte er statt dessen ab und verzog das Gesicht. „Naja, ich war noch ein Kind.“
„Tut mir leid“, sagte Sam.
John spürte, daß der junge Mann seine und auch Deans Trauer nicht ganz begreifen konnte. So als habe er wahre Mutterliebe nie kennengelernt.
John runzelte die Stirn, blickte nach vorn und erleichterte, als er einen ersten Schimmer des Blockhauses zwischen den Bäumen schimmern sah.
Hoffentlich hatte Dave Quinn auch wirklich Bescheid gegeben, ansonsten würden sie nämlich vor einer verschlossenen Tür stehen. Und nach den letzten Erlebnissen mit seiner Familie verspürte John wirklich keinen Drang, seinem Vater am Ende auch noch zerbrochene Fensterscheiben zu erklären – so sein Vater ihn nicht sofort wegen Einbruchs anzeigen würde.
Wo zum Kuckuck war Quinn?
„Ist Ihr Vater noch am Leben?“ erkundigte Sam sich bei ihm und riß ihn aus seinen Gedanken.
John nickte. „Jep, er und mein Bruder. Dave, wir sprachen kurz über ihn.“
„Der, dessentwegen Sie hier sind, richtig?“ fragte Sam nach.
John verzog das Gesicht. „Eigentlich haben wir keine sonderlich enge oder herzliche Beziehung zueinander. Aber, wie heißt es? Blut ist dicker als Wasser.“ Er seufzte.
Noch immer kein Zeichen von Quinn – und nebenbei bemerkt, auch kein Zeichen, daß er erwartet wurde.
Na toll! Hatte Dave vergessen, ihn anzukündigen?
John preßte die Kiefer aufeinander und humpelte weiter.
„Sheppard … Sheppard … irgendwie kommt mir der Name bekannt vor“, hörte er Sam murmeln.
Sollten die beiden ruhig ein wenig nachdenken. John hatte zumindest eines gelernt durch die Gerichtsverhandlung: besser er stieß nicht gleich jeden mit der Nase auf die Tatsache, welcher Familie Sheppard er genetisch angehörte.
Das Blockhaus lag verlassen und dunkel vor ihnen.
John stellten sich die Nackenhaare auf, als er das Außenlicht sah.
Nein, nicht ganz dunkel. Quinn schaltete die Außenlampe nur ein, wenn er glaubte, ein Tier halte sich in der Nähe auf – nachts! Jetzt allerdings war Nachmittag. Die Sonne näherte sich den Berggipeln und in zwei Stunden würde es vermutlich dunkel sein, aber eben noch nicht jetzt.
John beschleunigte seine Schritte und erreichte schließlich als erster den gepflasterten Weg, der von der Rodung zum Haus führte.
„Quinn?“ rief er dabei. „Quinn, ich bins, John. Ich bin in Davids Auftrag hier.“
Stille antwortete ihm.
„Was ist los?“ fragte Sam hinter ihm.
John schüttelte den Kopf, kniff die Lippen fest aufeinander, ehe er antwortete: „Ich weiß nicht. Etwas stimmt nicht ...“
Er atmete tief ein und … marschierte wieder los, dem Weg folgend zur vorderen gepflasterten Außenterrasse, an deren Ende die Lampe glühte.
Als erstes nahm er den Geruch wahr. Dieser Geruch, der einem immer in Erinnerung bleibt, hatte man ihn einmal in der Nase. Der Gestank von Tod und Verwesung.
John wandte kurz den Kopf ab, in der irrigen Hoffnung, noch etwas frische Luft in seine Lungen ziehen zu können. Er hob die unversehrte Rechte und hielt sie sich vor Mund und Nase.
Gott, der Gestank war mörderisch!
Langsam ging er weiter, umrundete das buschige, dichte Gerippe des alten Weidenkätzchens. Eine schwarze, halb erstarrte Flüssigkeit hatte die Terrakotta-Fließen getränkt – altes Blut.
John schluckte und verzog das Gesicht zu einem gezwungenen Grinsen ohne jeglichen Humor.
Nein, er freute sich nicht über das, was er hier fand. Aber er wußte aus Erfahrung, daß Gestank und Anblick dessen, was ihn unweigerlich erwartete, kurioserweise besser zu ertragen war, zwang er sich selbst zu einem zähnefletschenden Grinsen.
Dann tat er den letzten Schritt um die winterlich kahle Katze herum und … schloß die Augen.
„Quinn ...“ seufzte er, plötzlich unendlich müde, und wandte sich ab, seinen beiden Begleitern zu.
Die Winchesterbrüder waren am Rande der Terrasse stehengeblieben und sahen ihn erwartungsvoll aber auch voller Verbitterung an.
„Quinn ist tot“, brachte John schließlich über die Lippen.


Die morgendliche Einsatzbesprechung war gerade beendet worden, als Dave das vibrierende Summen seines privaten Handys hörte und auch an seiner Brust spürte. Sein Griff in die Innentasche seines Jackets wurde von den meisten Anwesenden, inklusive von David Sheppard sr. Mit irritierten Blicken quittiert.
Dave lächelte entschuldigend, als er die Nummer auf der Anzeige erkannte. Die Jagdhütte!
„Alles in Ordnung, Junge?“ erkundigte sein Vater sich.
Dave nickte eilig. „Eine Minute, Dad. Ich komme nach“, erklärte er.
Der alte Sheppard warf ihm noch einen nachdenklichen Blick zu, ehe er sich mit den beiden anderen Abteilungsleitern in Richtung Ausgang trollte.
Dave fühlte ein gewisses Stechen in seiner Brust.
Manchmal wünschte er sich wirklich, er hätte mehr soziale Kontakte außerhalb der Arbeit. Aber wann sollte er auch noch Zeit finden, um sich Freunde zu suchen? Andererseits schmerzte es ihn, daß ein Anruf innerhalb der Geschäftszeiten, aber nicht von einem Lieferanten oder Kunden, Geldgeber oder Schuldner, von seinen Kollegen und Untergebenen mit purer Irritation quitiert wurde.
Einerlei, rief er sich selbst zur Ordnung und straffte die Schultern, ehe er das Gespräch annahm. „Quinn? Sind Sie das? Geht es um meinen Bruder? Ich habe John die Genehmigung gegeben, die Hütte zu ...“
„Dave, hier ist John“, unterbrach ihn die bekannte Stimme seines Bruders.
Dave stutzte. „John? Hat Quinn dich reingelassen?“ fragte er.
Ein Seufzen antwortete, dann ein unterdrücktes Stöhnen. „Dave“, begann John dann schließlich, „weißt du, ob Quinn Familie neben seinem Vater hatte?“
„Wieso ist das relevant?“ fragte Dave zurück. „Wie weit bist du bisher mit deinen Nachforschungen überhaupt gekommen? Hast du einen Anhaltspunkt?“
„Ich frage noch einmal: hatte Quinn Verwandte?“ John ignorierte seine eigenen Fragen einfach und wiederholte die seine.
Dave begriff nicht – oder wollte nicht begreifen. Allerdings fiel ihm die Vergangenheitsform der Frage auf und ließ einen eisigen Schauer über seinen Rücken rinnen.
„Ist etwas mit Quinn?“ fragte er schließlich, wesentlich ruhiger nun. Unbewußt griff er nach der Lehne des am nächsten stehenden Stuhles.
„Quinn ist tot“, antwortete John seufzend. „Tut mir leid.“
Dave fühlte, wie ihm alle Farbe aus dem Gesicht wich. „Tot? Wie?“
„Ich vermute, er ist vergiftet worden. Genaueres können wir aber erst nach einer Obduktion sagen, fürchte ich. Sofern da noch etwas feststellbar ist ...“
„So schlimm?“
Dave konnte es kaum glauben.
Quinn Deveraux war mit den beiden Sheppard-Brüdern zusammen aufgewachsen, zumindest soweit die Familie Sheppard nach Colorado gefahren war. Quinns Vater Walter war früher der Verwalter des Grundstücks gewesen, nach seinem Ausscheiden aufgrund des Alters hatte Quinn die Stelle übernommen. Wenn Dave sich recht erinnerte, war der alte Walter vor zwei Monaten gestorben und Quinn war unverheiratet gewesen.
„Wir … ich werde sehen, was ich herausfinden kann“, sagte er endlich zögernd und schluckte. „Hast du schon etwas herausfinden können was dieses Ungeheuer angeht?“
Wieder ein Stöhnen, schmerzerfüllt, gefolgt von einem Zischen, als würde John Atem zwischen seinen Zähnen hindurch holen. „Nicht direkt“, antwortete er schließlich. „Allerdings … es ist kein Mothman, sondern etwas anderes.“
Dave stutzte. „Und das weißt du weil … ?“
„Weil ich ein paar Helfer habe, die sich wohl ganz gut mit solchen Dingen auskennen“, antwortete John ohne zu zögern.
Dave kniff die Lippen aufeinander. „Du hast Fremde auf das Grundsttück gelassen?“
„Die haben sich eher selbst auf das Grundstück gelassen“, korrigierte John ihn mit einem amüsierten Unterton in der Stimme. „Aber ...“ Plötzlich klang er wieder ernst, „Dave, falls mir etwas zustößt möchte ich, daß du dich um alles kümmerst. Nicht als mein Erbe, aber als eine Art … Testamentsvollstrecker.“
„Was soll der Blödsinn? Was sollte dir denn zustoßen?“
Dave mußte zugeben, er begann sich Sorgen zu machen. John hörte sich nicht sonderlich fit und nicht sonderlich gut an. Da war etwas in seiner Stimme, zudem stöhnte er immer wieder unterdrückt auf als habe er wirkliche Schmerzen. Das letzte Mal hatte Dave seinen Bruder so erlebt, als er gerade aus Asien wieder zurück in die Staaten geflogen worden war nach dem Abschuß.
„Versprichs mir einfach, okay?“
Dave dachte nach.
Es war Donnerstag, was bedeutete, er konnte sich vielleicht den morgigen Tag frei nehmen, um selbst nach dem Rechten sehen zu können. John beunruhigte ihn, noch mehr durch die schlechten Neuigkeiten, die er ihm übermittelt´hatte.
„Ich versprechs“, antwortete er endlich. „Bist du in der Hütte? Bleibst du dort?“
„Kann ich dir nicht sagen“, antwortete John. „Kommt drauf an. Diese beiden Jungs, die kennen jemanden, der sich mit diesen Dingern auskennen soll. Möglich, daß ich mit ihnen kurzfristig zu ihm fahre, weiß noch nicht.“
„Tu mir den Gefallen und bleib bei der Hütte. Ich komme so schnell ich kann“, erklärte Dave daraufhin.
„Du willst was?“ fragte John erstaunt.
„Ich habe dich um Hilfe gebeten, also stehe ich auch in der Verantwortung. Ich komme zu dir“, wiederholte Dave. Dieses Mal klang seine Stimme schon fester.
„Keine gute Idee. Dave, das hier ist keine feindliche Übernahme eines Fremdunternehmens. Hier sind Taten gefragt“, entgegnete John.
„Und ich kann anpacken. Ende der Diskussion!“ Dave beendete das Gespräch.
Sein Herz klopfte zum Zerspringen.
Wenn er ehrlich war, er hatte eine Heidenangst davor, diesem Ding nochmal zu begegnen. Aber … er hatte auch nur einen Bruder!
Die Ruhe vor dem Sturm by Hyndara71
Als John aus Quinns kleinem Apartment zurück ins Haupthaus kam fand er die Winchester-Brüder vor sich hinbrütend im Wohnraum. Sam saß vor dem riesigen Bildschirm des PCs, dessen kühles Licht sein Gesicht kränklich bleich wirken ließ. Dean dagegen lag, die Füße auf der Armlehne, auf einem der beiden Sofas vor dem großen offenen Kamin aus Naturstein. Das schnurlose Telefon baumelte noch in seiner Hand.
„Und? Hattet ihr Glück mit eurem Freund?“ fragte John ohne Umschweife.
Besser nicht daran denken, daß er sich in Bälde auch noch um seinen Bruder würde Gedanken machen müssen, sollte Dave hier wirklich auftauchen. Um ehrlich zu sein, momentan kreisten seine Gedanken darum, Dave im Kellerraum einzuschließen, bis die Gefahr hoffentlich beseitigt war. Wäre vermutlich die beste Lösung.
Dean hob den Kopf und winkte mit dem Telefon. „Wir hatten Glück. Bobby war zu erreichen, wie eigentlich immer.“
„Stubenhocker, eh?“ John ließ sich auf das andere Sofa plumpsen und begann wieder, seine Hand zu reiben. Gott, der Schmerz wollte einfach nicht nachlassen. Dabei hatte er das Gefühl, seine Finger seien mittlerweile in Eiswasser eingelegt.
„Würde ich so nicht sagen. Bobby liebt eben sein Heim“, entgegnete Dean, der sich nun aufrappelte.
John quittierte den besorgten Blick des jüngeren Mannes mit einem Schmunzeln. Dean kontrollierte tatsächlich, ob seine Boots Schmutz auf dem hellen Stoff der Armlehne hinterlassen hatten.
„Wie steht es mit Ihnen, Officer? Hat Ihr Anruf etwas erbracht?“ ließ Sam sich vernehmen.
John seufzte und legte den Kopf in den Nacken. „Sieht aus, als würden wir Verstärkung kriegen. Mein Bruder hat sich angekündigt“, erklärte er. „Ob Quinn noch Angehörige hatte, muß er allerdings erst nachsehen.“
„Muß ja ein ziemlich großer Stab an fleißigen Händen sein, der Ihre Familie da bewirtschaftet“, bemerkte Dean mit einer gewissen Herablassung.
John konnte es ihm nicht verdenken. Bevor er mit dem Spielen begonnen hatte war ihm das Familienvermögen vollkommen gleichgültig, ja, eher hinderlich und unbequem gewesen. Sicher, er hatte sich als Kind und Jugendlicher Dinge leisten können, die andere, wenn überhaupt, erst viel später in ihrem Leben erreichten. Und ehrlich, welcher Teenager konnte schon von sich sagen, einen alten Schweizer (A/N: Hubschrauber-Marke) in der Garage stehen zu haben?
„Mein Bruder und mein Vater leiten nun einmal eines der größten Wirtschaftsunternehmen. Da bleibt es nicht aus, daß man irgendwann seine eigenen Angestellten nicht mehr kennt“, entschuldigte er seine Familie lahm.
Es war bitter, daß ausgerechnet er als einziger nach ihrer Mutter geraten war. Mit ihr teilte er die Abenteuerlust und die Leidenschaft fürs Fliegen – zumindest solange er noch hatte fliegen dürfen …
Ein bitterer Zug grub sich um seine Lippen und er wandte schnell das Gesicht ab, starrte blicklos zum Panoramafenster hinaus in den Wald.
„Was hat euer Freund Bobby denn sagen können?“ fragte er nach einer gewissen Weile, die er brauchte, um sich selbst wieder zu sammeln. Trotzdem klang seine Stimme noch immer rauh.
„Ich fürchte, nichts wirklich gutes“, antwortete Sam.
Wer hätte das gedacht?
„Und was genau?“ bohrte John noch einmal.
„Wollen Sie das wirklich wissen, Officer? Sie stecken ohnehin schon bis zum Hals in Schwierigkeiten. Sie müssen da nicht mitmachen. Es ist Sams und mein Job“, wandte Dean, noch immer seltsam handzahm, ein.
Johns Kiefer arbeiteten einen Moment. Noch immer starrte er zum Fenster hinaus.
Irgendwo dort draußen war dieses … Ding. Und dieses Ding hatte ihn einmal mehr krank gemacht. Verdammt! Als hätte er den Absturz und die lange Rekonvaleszenz nur überlebt, um dann von einer … Broucha gebissen zu werden – oder respektive was auch immer sie getan hatte.
Nein, er war noch nie derjenige gewesen, der ruhig sitzenbleiben konnte, wenn es irgendwo ein Problem gab. Das war auch der Grund für mehr als einen Rückfall gewesen – weil er versucht hatte, die Sache mit Holland wieder gerade zu biegen. Statt dessen hatte er seine eigene Gesundheit ruiniert, seine Pilotenkarriere für immer an den Nagel hängen müssen. Und hier und jetzt war seine einzige Perspektive, vielleicht ein relativ guter Polizist zu werden. Das hieß, FALLS er diese Sache überstand.
John atmete tief ein und drehte sich dann um, um die beiden jungen Männer hart zu mustern. „Ihr zwei würdet euch wundern, was ich alles wissen will und bereits weiß. Also raus damit: WAS können wir tun, damit ich nicht wie Quinn verrecke?“ fragte er.
Dean starrte ihn tatsächlich für einen Atemzug lang verblüfft an, ehe er blinzelte und sich die Schulter rieb.
„Um das Gift zu neutralisieren brauchen wir das Gift einer Broucha, am besten der gleichen“, erklärte Sam nach einem weiteren Blickwechsel mit seinem Bruder.
„Soll das heißen, ich muß mich nochmal beißen, kratzen oder was auch immer lassen?“ John riß entgeistert die Augen auf.
„Nicht so ganz“, entgegnete Dean daraufhin.
Wäre auch viel zu einfach gewesen.
John seufzte und erhob sich. „Hättet ihr zwei jetzt also endlich die Güte mir die ganze Sache zu erklären? Und ja, ich werde es vertragen. Ich habe schon ganz andere Sachen vertragen, da kommt so eine Horrorgestalt gerade richtig. Also?“
„Wir brauchen die Giftdrüse der Broucha“, erklärte Sam endlich.
John neigte fragend den Kopf.
„Und daszu müssen wir sie erst töten“, fügte Dean hinzu.
„Mit dem Horn eines Dickhornschafes“, beendete Sam das „Rezept“.
Wenns sonst nichts war …
Wohl oder übel zweifelte John jetzt doch an den Verstandeskräften der Winchesters, respektive ihres ihm unbekannten Freundes Bobby.


„Wie geht’s dir?“
Dean sah auf und zog eine Grimasse.
Selten hatte er sich so … schlecht gefühlt, weil er nichts tat. Im allgemeinen genoß er seine spärliche freie Zeit, wußte er doch genau, sie würde in Bälde enden und er damit meist erneut in Lebensgefahr sein. Diese Faulheit aber … sie fühlte sich falsch an, war falsch und sollte auch falsch sein. Immerhin war es seine Aufgabe als älterer Bruder, sich um Sam zu kümmern und nicht umgekehrt – zumal das nicht das erste Mal war.
„Ging mir schon mal besser“, antwortete er endlich und runzelte die Stirn. „Aber ich muß zugeben, um diesen Sheppard mach ich mir wirklich Sorgen. Die Broucha hat mich nur gestreift, ihn dagegen voll erwischt.“
Sam folgte seinem Blick zur angelehnten Tür.
John Sheppard hatte sie erneut hier im Wohnraum allein gelassen. Er wollte etwas suchen, wenn er auch nicht gesagt hatte was. Nur, daß er im Haus bleiben wollte. Vermutlich die beste Entscheidung mit einer Broucha vor der Tür.
„Was da wohl vorgefallen ist?“ murmelte Dean versonnen.
Eigenartig, all das hier sprach für Geld – und nicht gerade wenig Geld. Gab es nicht den Namen Sheppard auf einer dieser „Die zehn reichsten Familien“-Liste, die regelmäßig veröffentlicht wurden? John Sheppard aber wirkte auf ihn nicht wie der Sproß einer reichen Familie. Um genau zu sein, er hatte von Anfang an eher den Eindruck hinterlassen, er gehöre hier nicht mehr hin. Vor allem, als es um dieses Haus ging, hatte er sich angestellt wegen des Verwalters.
„Wie meinst du das?“ fragte Sam.
Dean zuckte mit den Schultern, eine Bewegung, die ihm gleich wieder mit einem stechenden Schmerz gedankt wurde. „Naja, diese ganze Situation wirkt auf mich nicht wie ein idyllisches Familienbild, wenn du verstehst?“
Sam sah noch einen Moment länger zur Tür, hinter der Sheppard verschwunden war, dann richtete er sich wieder auf. „Das geht uns nichts an“, entschied er.
„Es geht uns was an, wenn wir auf diesen Officer vertrauen müssen“, entgegnete Dean prompt. „Und, ehrlich gesagt, ich weiß im Moment nicht einmal, ob ich ihm traue.“
„Warum nicht? Er hat uns hergebracht und ein Dach über den Kopf angeboten, solange dieser Job dauert“, sagte Sam. „Also, mir reicht das fürs erste.“
„Mir nicht!“ Dean rappelte sich auf und rieb sich die Schulter. „Verdammt, dieses Ding hat mich nur gestreift und ich bin fast außer Gefecht. Und Sheppard? Der hat die volle Ladung Broucha abgekriegt und läuft hier noch rum!“
„Das wird sich rächen, wenn ich Bobby glauben darf.“
Dean stutzte angesichts der scheinbaren Gleichgültigkeit in der Stimme seines Bruders. Er drehte sich herum und sah Sam wieder am Bildschirm sitzen und eben diesen konzentriert anstarren.
Er fühlte sich allein. Sam beschäftigt mit was auch immer, Sheppard sonstwo im Haus verschwunden und er saß hier auf dem Sofa herum. Er brauchte eine Beschäftigung!
„Wie war das mit dem Ritual? Brauchen wir, abgesehen von diesen Hörnern, noch irgendwas?“
„Holzkohle“, antwortete Sam zerstreut. Mit einem Finger tippte er auf eine Stelle des Bildschirms und beugte sich vor.
Welch ein sprudelnder Quell an Information sein Bruder heute doch wieder war!
Gerade als Dean sich endlich dazu aufgerafft hatte, vom Sofa aufzustehen um im Kamin nach geeigneter Kohle zu suchen, öffnete die Tür sich wieder und John Sheppard kehrte zurück … eine Jagdtrophäe im Arm.
„Was haben Sie denn da?“ konnte Dean sich nicht verkneifen auszurufen.
Sheppard blinzelte, dann breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. „Falls ihr es immer noch nicht bemerkt habt, dies ist eine Jagdhütte“, erklärte er freundlich und legte sein Mitbringsel auf dem Tisch ab. „Ich wußte, irgendwo war so eine Trophäe. Und ich schätze, wir werden sie gut gebrauchen können, oder?“ Erwartungsvoll blickte er in die Runde.
Dean war wirklich perplex. Was John Sheppard da auf den Tisch gestellt hatte war der Kopf eines Dickhornschafes, inklusive der eindrucksvollen wenn auch kurzen Hörner.
„War wohl noch ein Jungbock“, kommentierte Dean trocken.
„Besser als gar nichts“, entgegnete Sheppard und ließ sich, sich wieder die infizierte Hand reibend, auf dem zweiten Sofa nieder. „Und wie geht’s jetzt weiter?“
„Woher wollen Sie wissen, daß wir nicht ein größeres Horn brauchen?“ fragte Dean.
„Und woher soll ich wissen, wie lang dieses Horn sein muß?“ schoß Sheppard direkt zurück. Dann schüttelte er den Kopf. „Entschuldigt, aber … ich dachte, ich helfe euch.“
„Das tun Sie, Officer. Danke“, antwortete Sam vom Computer her. Der Bürostuhl wurde zurückgeschoben. Kurz darauf kam Sam an Deans Seite und betrachtete den präparierten Kopf. „Wirklich ziemlich klein. Aber es wird reichen“, kommentierte er und sah zu ihrem Gastgeber. „Das heißt, wenn wir es benutzen dürfen?“
„Ich schätze schon“, antwortete Sheppard zögernd. „Immerhin ist das etwas, was wir brauchen, um einen Eindringling und Mörder loszuwerden.“
Dean sah in die leeren Glasaugen.
Ob diese Schafe ebenso … dumm aussahen, wenn sie noch lebendig waren?
„Und wie geht’s jetzt weiter?“ erkundigte Sheppard sich.
„Jetzt müssen wir die Hörner vom Schädel trennen und spezielle Piktogramme anbringen, damit sie als Waffen wirksam werden“, antwortete wieder Sam. „Sicher gibt es hier soetwas wie eine Säge, oder?“
Sheppard zuckte mit den Schultern, zuckte dann erst recht zusammen. In seinen haselnußfarbenen Augen stand deutlich Schmerz zu lesen, doch er verlor kein Wort darüber. „Dann werde ich in Quinns Werkstatt nach... Was ist das?“ Um seinen Schmerz zu verbergen hatte der Officer sein Gesicht abgewandt Richtung Panorama-Fenster. Jetzt erhob er sich und starrte hinaus in den allmählich dämmrigen Wald.
„Was ist was?“ fragten Dean und Sam gleichzeitig.
„Da ist doch ...“ Sheppard trat einen Schritt näher an das Fenster heran, dann noch einen. Und dann …
„Runter!“ brüllte Sam, gerade als Dean die roten Augen erkannte, die rasend schnell auf sie zukamen.
„Scheiße!“ fluchte er und ließ sich nach vorn kippen, so daß er von dem massiven Couchtisch relativ geschützt sein würde, würden die Fenster, wie zu vermuten war, bersten.
Ein lauter, dumpfer Knall, gefolgt von einem der inzwischen nur allzu bekannten Schreie.
„Sheppard, weg da!“ Sam hechtete über seinen Bruder und den Tisch hinweg und stürzte sich auf den Polizisten, gerade als die schwarze Gestalt einen weiteren Angriff startete.
In den nächsten Knall mischte sich bereits ein deutliches Knirschen, das nichts gutes verhieß.
„Raus hier!“ rief Dean, kam irgendwie wieder torkelnd auf die Beine und schwankte in Richtung der Tür, durch die Sheppard gekommen war.
Ein weiterer, deutlich frustriert klingender Schrei – und dann … wurde es dunkel.
Familienangelegenheiten by Hyndara71
Author's Note: Um der Story ein bißchen mehr Fleisch zu geben, mußte ich mir einen gewissen Hintergrund für die Familie Sheppard ausdenken. Dabei stütze ich mich auf die Ideen, die JaneSheppard und ich vor ein paar Jahren ausgetüftelt haben. Da bei SGA nie weiter auf Sheps Familie eingegangen wurde hoffe ich einfach das beste :)

„Was zum Kuckuck war das?“
Sam richtete sich auf, als der Körper des Polizisten unter ihm unruhig wurde.
Sheppard rappelte sich daraufhin selbst auf die Knie und warf ihm einen bösen Blick zu. „Ist das Vieh auf Anabolika?“
Dean ächzte, während er unter dem Tisch hervorkroch. „Gute Frage.“
Sam fühlte sich plötzlich sehr unwohl in seiner Haut. Warum glaubte er sich jetzt in der Pflicht? Vielleicht weil er ein schlechter Lügner war und beiden nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte? Aber wie sollte er ihnen den ausgelassenen Part beibringen?
„Sie sollten vielleicht Abstand vom Fenster halten, ehe es endgültig bricht“, schlug er ausweichend vor.
Sheppard warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Das bezweifle ich. Die Panoramafenster sind bruchsicher“, entgegnete er.
„Wow!“ kam es von Dean. „Bruchsicher? Im Ernst?“
Der Moment war verflogen.
Innerlich atmete Sam auf. „Das klingt, als gäbe es mehrere wie diese“, wandte er ein.
Sheppard nickte. „Ein Stockwerk über uns. Das große Schlafzimmer nebst Dachterrasse.“
„Warum bruchsicheres Glas?“ ließ Dean sich wieder vernehmen. „Ich meine, wer ist denn scharf darauf, ausgestopfte Tierköpfe zu klauen?“
„Es ging weniger um Diebe als vielmehr um Wild“, erklärte der Polizist. „Als ich noch ein Kind war stand plötzlich ein Hirsch hier im Wohnzimmer, der durch die Panoramafenster gekommen war. Daraufhin entschied mein Vater, daß es besser sei, mit bruchsicherem Glas nachzurüsten.“
Dean nickte anerkennend.
Sam allerdings erinnerte sich an das laute, knirschende Geräusch und warf den großen Fensterscheiben einen kritischen Blick zu. Vorsichtig trat er näher heran.
Nichts geschah, was ihn innerlich sowohl aufatmen wie auch versteinern ließ.
„Vorsicht, Junge“, warnte Sheppard ihn. „Nicht daß das Vieh nochmal kommt in der Hoffnung auf leichte Beute.“
Dann sah Sam das Malheur und wurde bleich.
„Muß ja ne spaßige Kindheit gewesen sein“, hörte er Dean hinter sich sagen, gerade eine Sekunde, bevor ein schmerzerfülltes Ächzen ihn sich umdrehen ließ – wieder zu Sheppard gewandt.
Der starrte auf seine linke Hand hinunter mit riesigen, ungläubigen Augen und bebenden Schultern.
„Scheiße, was ist das denn?“ ließ sich Dean jetzt auch wieder vernehmen.
„Nicht!“ Sam hob wie abwehrend einen Arm und trat wieder an Sheppard heran. Mit zusammengekniffenen Lippen blickte er auf die infizierte Hand des Polizisten hinunter. Diese hatte sich verfärbt. Die Haut wirkte wie aufgeweicht, die Finger waren geschwollen.
Wie ein mit Wasser gefüllter Gummihandschuh, schoß es Sam durch den Kopf.
Hart schluckte er.
„Was ist das?“ verlangte nun auch Sheppard zu wissen. „Was … ? Wie … ?“
Sam leckte sich die Lippen und wandte sich ab … um direkt in Deans blaue Augen zu blicken, die ihn hart musterten.
„Was gibt’s da noch?“ verlangte sein Bruder zu wissen.
Sam ballte die Hände zu Fäusten, entspannte sich dann bewußt wieder. „Ich … ich hab da was gefunden im Internet“, erklärte er schließlich, „aber ich wußte nicht, ob es tatsächlich stimmt.“
Nun, jetzt hatte er die Bestätigung. Sogar doppelt: einmal durch den Angriff und jetzt noch durch den Anblick der infizierten Hand.
„Was?“ verlangte der auch prompt erneut zu wissen.
Sam knabberte an seiner Unterlippe.
„Sam!“ Deans Stimme klang scharf. „Was ist los?“
Seine Schultern sanken herab. „Wenn eine Broucha ihr Gift einsetzt, dann um Nahrung aufzunehmen. In einigen Legenden heißt es, sie kann keine feste Nahrung zu sich nehmen. Daher hat ihr Gift … zersetzende Eigenschaften.“
„Das Vieh ist eine verdammte, übergroße Spinne?“ rief Sheppard aus. „Und wann gedachtet ihr mir das mitzuteilen? Bevor oder nachdem ich mich in einen blubbernden Hautsack aufgelöst habe?“
„Das erklärt den schlechten Zustand der Leiche Ihres Verwalters“, wandte Dean ein, rappelte sich auf die Beine und funkelte Sam böse an. „Was ist in dich gefahren, daß du uns eine solche Information vorenthälst? Seit wann ist einer von uns ein Versuchskaninchen, verdammt?“
Sam wagte nicht aufzusehen. Noch immer knabberte er an seiner Unterlippe.
Ja, er hatte Mist gebaut, aber er hatte schlicht nicht geglaubt, daß das tatsächlich stimmen konnte. Brouchas waren so selten, keiner wußte wirklich, wie diese Dinger tickten.
Die leise Stimme in seinem Hinterkopf, die ihm einen weiteren Grund zuflüstern wollte, ignorierte er.
„Gibt es sonst noch etwas, was wir wissen sollten?“ In Deans Stimme schwang eine leichte Drohung mit.
„Brouchas markieren ihre Opfer und sind in der Lage, sie immer und überall wiederzufinden“, ergänzte Sam leise.
„Na toll! Nicht genug damit, daß ich mich verflüssigen werde in absehbarer Zeit, das Vieh hat auch noch mein GPS-Signal!“
Sheppard kam ächzend endlich wieder auf die Beine. „Wollen wir hoffen, daß es bei Ihnen später ist“, sagte er und wankte mit zitternden Knien zum Schreibtisch hinüber.
„Was haben Sie vor?“ fragte Sam sofort.
Sheppard hielt inne und warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. „Ihr zwei mögt ja Monsterjäger sein, mein Bruder ist es nicht. Und wenn ich irgendwie aufhalten kann, daß Dave hier auch noch reinstolpert, werde ich das tun.“ Schwer stützte er sich auf den Tisch und beugte sich über die Tastatur, um kurz darauf mit schmalen Lippen wieder aufzusehen. „Der Strom scheint dauerhaft gestört zu sein.“ Vorsichtig tastete er nach der deutlichen Ausbuchtung in der Gesäßtasche seiner Jeans und zog schließlich ein Handy hervor.
„Sind Sie hier autark oder vom Stromnetz abhängig?“ fragte Dean.
Ein halbes, wenn auch schmerzverzerrtes Grinsen erschien auf Sheppards Lippen. „Das städtische Stromnetz“, antwortete er und legte sein Handy mit deutlichem Mißfallen auf den Tisch. „Kein Netz!“
Diese Aussage veranlaßte gleich beide Winchesters, ihre eigenen Handys zu testen – mit gleichem Ergebnis.
„Kein Strom, kein Handynetz, kein Telefon – und vor der Haustür ein überlebensgroßes Monster mit Spinnengenen. Hab ich was vergessen?“ Sheppard sah beide Brüder fordernd an.
„Ja, daß wir beide uns langsam verflüssigen“, wandte Dean ein.
„Wie konnte ich das vergessen!“


„Dave?“
Dave, der gerade das Telefon weglegen wollte, drehte sich zu seinem Vater um.
David Sheppard sr. kam die Treppe herunter, langsam aber stetigen und festen Schrittes. Statt des Maßanzugs trug er jetzt, am Abend, legere Kleidung und Cowboystiefel.
Dave hob die Brauen.
Offensichtlich hatte sein Vater noch einen Ausritt vor. Vielleicht das beste, was ihm passieren konnte. Auf diese Weise würde er nicht in Erklärungsnot geraten.
„Dad?“ fragte er mit einem nervösen Lächeln.
Er hatte jetzt bereits seit Stunden versucht, in der Jagdhütte anzurufen, ohne jeden Erfolg. Die Leitung war laut Zeichen besetzt. Auch Johns Handy, dessen Nummer er in der Kurzwahl hatte, war nicht erreichbar.
Eigentlich hatte Dave geplant, schon längst in der Luft zu sein in Richtung Colorado. Aber da hatte sein Vater ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Statt sich gleich nach dem Lunch verabschieden und in ein frühes Wochenende gehen zu können, hatte er sich, laut Anweisung, noch mit einigen Investoren treffen müssen. So kam es, daß er überhaupt noch hier war.
„Hast du mir etwas zu sagen?“ fragte David Sheppard sr mit ausdruckslosem Gesicht.
Dave zuckte nervös mit den Schultern. „Ich wüßte nicht was, Dad“, antwortete er ausweichend.
„Zum Beispiel, warum du erst morgens angerufen wirst und dann den Rest des Tages damit verbringst, offensichtlich zurückzurufen. Einmal abgesehen davon, daß du die Anweisung gegeben hast, den Jet Bereit zu machen. Hast du irgendetwas vor?“
„Ich dachte, ich könne mir einmal ein verlängertes Wochenende gönnen“, erklärte Dave. „Ich wußte nicht, daß ich dazu eine Genehmigung brauche.“
„Normalerweise nicht“, stimmte sein Vater ihm zu und nickte, „aber ich werde das Gefühl nicht los, daß an diesem Wochenendausflug etwas nicht stimmt. Was ist es? Ein Mädchen, das du mir nicht vorstellen willst?“
Daves Brauen zogen sich zusammen. „Nein, sicher kein Mädchen, Dad“, antwortete er bestimmt.
„Was dann? Du bist nicht schwul, das weiß ich. Also?“
„Dad, denkst du nicht, ich bin mittlerweile alt genug, um wegzufahren, ohne mir vorher deine Genehmigung zu holen?“
„Also geht es um John.“ David sr. seufzte. „Das verbiete ich!“
„Selbst wenn es um John gehen würde, geht dich das noch immer nichts an“, entgegnete Dave sofort. „Dad, ich bin über vierzig, ich denke, ich komme auch allein klar.“
„Es hat seinen Grund, warum ich John enterben ließ. Der Junge bedeutet nichts als Ärger!“ erklärte sein Vater bestimmt. „Er hat seinen Weg gewählt, dann soll er ihn gehen – ohne daß er einen von uns noch mit in seine Geschäfte, wie er es wohl nennt, hineinzieht. Was will er? Geld?“
Dave fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. „Nein!“ antwortete er ohne zu zögern.
„Was auch immer, ich bin das Familienoberhaupt und verbiete dir, ihn aufzusuchen!“ Diese Entscheidung war entgültig. Dave kannte diesen Tonfall.
„Ich habe John um Hilfe gebeten“, entgegnete er, „also habe ich die Pflicht, ihn zu kontrollieren.“
Sein Vater, der sich bereits abgewandt hatte und die Halle wohl verlassen wollte, blieb stehen mit dem Rücken zu ihm. „Du hast was?“
„Ich habe John um Hilfe gebeten wegen diese Sache bei der Jagdhütte“, wiederholte Dave und richtete sich gerade auf. „Und jetzt werde ich nachsehen, wie weit er gekommen ist mit seinen Nachforschungen.“
„Bist du eigentlich noch zu retten?“ David sr. wandte sich wieder zu ihm um. „Nicht genug damit, daß du deine Halluzinationen nicht unter Kontrolle hast, du ziehst auch noch diesen Versager von deinem Bruder mit in die Sache hinein? Was hast du ihm geboten, damit er nachsieht? Geld? Willst du ihm auch noch deinen Erbteil auszahlen, nachdem er seinen so gut wie durchgebracht hat?“
Dave fühlte, wie das Blut ihm aus dem Gesicht wich. „Ich habe ihm gar nichts geboten“, entgegnete er mit ruhiger Stimme. „ Ich habe ihn lediglich um Hilfe gebeten. Und ja, du hast recht, der Anruf heute morgen kam von ihm. Er wollte mir mitteilen, daß meine … Halluzination, wie du es nennst, doch keine Halluzination war. Er hat etwas gefunden, und offensichtlich wurde er verletzt.“
„Wieder einmal!“ David sr. winkte ab. „Wie oft willst du eigentlich noch auf ihn hereinfallen? Natürlich hat er etwas gefunden, er will schließlich Geld für seine Nachforschungen. Und, wenn ich bedenke, daß Colorado so ziemlich der einzige Ort ist, an dem er noch nie gern gewesen ist, würde ich einfach behaupten, er will viel von dir. John ist ein faules Ei, und er wird dich mit runter in die Gosse ziehen, in der er jetzt haust!“
„Er ist in Detroit Polizist, Dad!“ rief Dave aus. „Er ist sicherlich nicht in der Gosse gelandet!“ Er atmete tief ein und kniff die Lippen aufeinander, ehe er fragte: „Ganz entgegen deinen Plänen für ihn, nicht wahr?“
David sr. starrte ihn an. Nun war er es, der blaß wurde. „Du weißt gar nichts“, flüsterte er schließlich.
„Ich weiß, was du getan hast, Dad. Das weiß ich. Vielleicht nicht jedes Detail, aber ich weiß, daß du dafür gesorgt hast, daß der Vorfall in Afghanistan überhaupt erst so weit aufgeblasen wurde, daß John unehrenhaft entlassen werden mußte. Das oder Gefängnis“, entgegnete Dave. „Und ich weiß, daß du ihn nicht einmal im Krankenhaus besucht hast, als er wieder zurück in die Staaten kam. Du hast dich überhaupt nicht mehr um ihn gekümmert, schon vor der Sache in Asien. Ich kann es nicht beweisen, aber ich bin sicher, daß du auch dahinter steckst, was den Zwischenfall in New York angeht.“ Er schüttelte den Kopf. „Was ich nicht weiß ist, warum du das alles getan hast, warum du das Leben eines deiner Söhne so unbedingt ruinieren wolltest. Weil John nicht, wie ich, in deine Fußstapfen treten wollte? Weil er sich nicht für das Geschäft eignet? Verdammt, es gab mehr in der Familiengeschichte der Sheppards, die nicht den Weg des Geldes gewählt haben!“
„Wenn du nach Colorado gehst, habe ich keinen Sohn mehr. Hast du das verstanden?“ knurrte David sr.
Dave starrte ihn an, nickte dann. „Wenn du es so willst, dann soll es so sein. John hat uns immer zu beschützen versucht. Wenn du der Meinung bist, daß das nicht reicht, dann ist das deine Sache“, fuhr er fort. „Ja, er hat Probleme, massive Probleme. Aber er arbeitet daran und braucht jetzt jemanden, der ihm zur Seite steht.“
„Er hatte das alles und noch viel mehr!“ ereiferte David sr. sich mit zornesfunkelnden Augen. „Ich hab ihm vieles durchgehen lassen, hab versucht, ihm der Vater zu sein, den er brauchte. Verdammt, ich hätte schon diesen Blödsinn unterbinden sollen, als er unbedingt zur Army gehen wollte!“
„Air Force, Dad“, korrigierte Dave automatisch. „John war bei der Air Force.“
„Meinetwegen hätte er auch zur Navy gehen können!“ schnaubte David senior herablassend. „Es bleibt dabei: Er war unfähig! Ich habe nur getan, was getan werden mußte, um die Familie zu schützen. Er hätte uns alle mit in diese Sache hineinziehen können.“
Daves Augen wurden groß. „Du hast Zeugen bestochen, weil es dich vielleicht ein paar tausend Dollar gekostet hätte?“ fragte er entgeistert. „Du hast einen deiner Söhne geopfert für den Gewinn des nächsten Jahres?“
„Ich habe das Erbe der Familie beschützt!“ korrigierte sein Vater. „Sieben Generationen Sheppards haben die Firma aufgebaut und zu dem gemacht, was sie heute ist. Ich werde niemals zulassen, daß mein misratener Sohn, der Kriegsheld spielen wollte und dumm genug war, sich abschießen zu lassen, dieses Erbe gefährdet!“
Dave konnte einfach nicht glauben, was er da hörte.
Es stimmte, er hatte einige Unregelmäßigkeiten in den Büchern gefunden und sich auf diese Weise einen Teil der Geschichte zusammenreimen können. Daß John ein rotes Tuch für ihren Vater war war nichts neues, aber daß er so weit gehen würde, Johns Leben und Karriere zu ruinieren, weil Johns Befehlsverweigerung und Absturz Meilen hinter der Frontlinie eventuell einige der Geschäfte mit ihren pakistanischen Kunden hätte gefährden können … nein, so weit hatte er nicht gedacht.
„Du bist wahnsinnig, Dad“, flüsterte er kopfschüttelnd. „Du bist wirklich und wahrhaftig wahnsinning geworden.“
„David junior, du wirst nicht gehen!“ befahl sein Vater bestimmt, als er sich zur Haustür umwandte. „Du wirst hierbleiben! Hast du das verstanden?“
Doch Dave hatte seine Wahl getroffen.
Heldische Notwendigkeiten by Hyndara71
Author's Note: Dieses Mal ein bißchen kürzer, sorry! Stecke in meiner üblichen „Midstory-Glaubenskrise“.


Es war früh am nächsten Morgen, als John das Motorengeräusch hörte. Ein Motor, der sich näherte, der immer lauter wurde. Kein Auto, aber …
Er blickte auf, wandte den Kopf zur Haustür.
Dean Winchester tat es ihm nach, dessen Bruder Sam dagegen schlief noch.
Möglicherweise, so kam es John in den Sinn, lag es schlicht daran, daß Dean und er mittlerweile die körperlichen Auswirkungen der Vergiftung mehr als nur ein wenig spürten. Seine Hand schien bis zum Handgelenk jegliche Konsistenz verloren zu haben, während der Schmerz bis in sein Schulterblatt reichte. Wie es Dean damit gehen mochte, wagte er gar nicht, sich vorzustellen.
„Da kommt jemand“, bemerkte der endlich.
John nickte, und unwillkürlich drehte er sich zum Panoramafenster um, auch wenn er dort nichts mehr sehen konnte, abgesehen von dem großen Schrank, den sie mit Mühe und Not vor die Scheiben gerückt hatten, nachdem Sam ihnen mitteilen mußte, daß das Glas zwar hielt, aber die Rahmen deutliche Ermüdungen zeigten und einem weiteren Angriff der Broucha nicht standhalten würden.
Was, wenn das Vieh noch immer da draußen war? Es war auch schon vorher bei Tag aktiv gewesen, und jetzt war es Morgen, eine der aktivsten Tageszeiten überhaupt.
Wer kam denn schon hier herauf? Das war der nächste Gedanke.
Ja, wer kam hierher? Allein durch die Tatsache, daß es sich offensichtlich nicht um ein Automobil handelte vom Motorengeräusch her, grenzte Dave schon einmal von vornherein aus. John war erleichtert darüber.
Vielleicht war sein Bruder vernünftig genug, es sich anders überlegt zu haben. Und wenn er niemanden erreichen konnte in der Hütte …
Johns Augen wurden groß.
„Mist!“ entfuhr es ihm, als er eins und eins zusammenzählte.
Duke war früher Motocross gefahren und besaß vermutlich noch immer eine Maschine. Schon allein, um in dem unwegsamen Gelände, das die Wälder rund um die kleine Ortschaft bildeten, größtenteils mobil sein zu können.
Wenn Dave ihn nicht hatte erreichen können, ihm aber eine Nachricht zukommen lassen wollte, war seine logische Wahl Martin Duke, der Sheriff. Und Duke seinerseits würde, nachdem er sich lang und breit darüber ausgelassen hatte, daß er eben kein Dienstbote der Sheppards, geschweige denn ein Postbote sei, schließlich doch nachgeben, seine Maschine aus dem Schuppen holen und hier herauf fahren. Einfach und allein schon aus purem Pflichtgefühl heraus.
„Was ist?“ Sam Winchester hob den Kopf, der auf der Tischfläche gelegen hatte, nachdem er eingeschlafen war. Verschlafen blinzelte er in den Raum hinein.
John stand endlich auf. „Ihr zwei bleibt hier“, befahl er.
Ja, das war eindeutig der Motor eines Bikes. Er war früher oft genug selbst mit einem unterwegs gewesen (etwas, was Martin „Training“ zu nennen pflegte, tatsächlich aber kaum mehr war als der Überschwang zweier Teenager), er erkannte den Klang. Und, was noch wichtiger war, er kannte in dieser Gegend wirklich nur eine Handvoll Menschen, die Motocross fuhren.
Nein! Nicht noch jemand! Nicht nach dem ganzen Mist in Afghanistan! Nicht nach der Sache mit Gill!
John taumelte auf seine Beine, bis er endlich festen Stand gefunden hatte und hastete zur Tür.
Er wußte selbst nicht warum, aber er spürte, die Broucha war hier irgendwo. Sie lauerte auf ihre Opfer, und sie würde nicht von ihnen lassen, eher noch jemanden vergiften, um sich später an ihm gütlich zu tun. Und das würde er nicht zulassen.
Auch wenn es reichlich nutzlos war, zückte er seine Waffe, während er zur Haustür hastete, mit plötzlichem Schwindel und einem leichten Kopfschmerz kämpfend. Beides nur allzu vertraut und, Gottlob, nicht durch diese Märchengestalt verschuldet. Ein Hohn, daß er einmal den Schmerz begrüßen würde, der ihn an sein verlorenes Leben erinnerte und es letztendlich auch beendet hatte.
„Sheppard, was ist los?“ rief Dean ihm nach.
Verdammt, konnten die beiden denn nicht einmal auf ihn hören?
John riß die Haustür auf, gerade als die verdreckte, knatternde Maschine mit Martin Duke in der Auffahrt auftauchte. Und … war da nicht ein Schatten zwischen den Bäumen hinter dem Sheriff?
John hob die Waffe und entsicherte sie mit dem Daumen. „Martin, hierher!“ brüllte er so laut er konnte, wohl wissend, daß Duke das Bild, das er jetzt bot, falsch verstehen würde – falsch verstehen mußte!
Tatsächlich! Es war dieses riesige, schwarze Etwas, das da aus dem Wald auftauchte.
John wünschte sich, er könne beide Hände benutzen. Er war nur ein durchschnittlicher Schütze – im Normalfall. Jetzt nur eine Hand zur Verfügung zu haben war seiner Treffsicherheit nicht sehr förderlich, zumal die Broucha klever genug war, sich direkt hinter Duke zu halten, so daß er kein wirklich freies Schußfeld finden konnte.
„Scheiße!“ entfuhr es ihm, als er den Sicherungshebel wieder einrasten ließ. Statt zu schießen raste er los, so schnell seine Beine ihn tragen konnten.
„Sheppard, nicht!“ hörte er Dean hinter sich brüllen, doch das Ziel war klar – und er würde jetzt nicht mehr zurückweichen.
Martin Duke starrte ihn groß an, nicht realisierend, daß er ihm das Leben zu retten versuchte. Und die Broucha setzte offensichtlich zum Landeanflug an.
Mit einem Hechtsprung riß John den Sheriff von der Maschine. Das Bike heulte kurz auf, fuhr noch zwei, drei Meter schlingernd weiter, ehe es zur Seite kippte.
„Hast du den Verstand verloren?“ keuchte Duke unter ihm.
„Keine Zeit!“ John riß den Sheriff hoch, sobald er selbst wieder wußte, wo der Himmel und wo der Boden war.
Verdammtes Ohr!
Schüsse klangen vom Haus her.
Jetzt war John doch erleichtert, daß die Winchesters nicht auf ihn gehört hatten. Es mochte wenig bis gar nichts bringen, auf die Broucha zu schießen. Aber immerhin konnten die beiden Brüder ihn und Duke decken.
Er würde Martin Duke retten, er mußte!
John schob den Sheriff Richtung Haus, warf einen Blick über die Schulter.
Die Broucha nahm wieder Schwung auf und stemmte sich in die Luft. Und noch konnte sie ihnen den Weg abschneiden.
„Schneller!“ ächzte er.
„Was zum Kuckuck geht hier draußen vor?“ verlangte Duke zu wissen. „Bist du auf einem Trip oder was?“
„Später!“
Die Kugeln flogen ihnen um die Ohren, als sie endlich das Vordach erreichten.
John fühlte sich ein wenig sicherer, wenn ihm auch klar war, daß der einzig wirklich sichere Ort das Innere des Hauses war.
In Duke kam endlich ein wenig Schwung und schließlich … kippte John einfach vorn über über die Schwelle ins Haus hinein. Es gelang ihm gerade noch, seine Beine einzuziehen, daß einer der Winchesters die Tür wieder schließen konnte, dann krachte auch schon etwas mit Wucht von außen dagegen.
Keuchend und sich vor Schmerz windend blieb John einfach nur zusammengekauert auf dem Bruchstein-Boden liegen.


Bobby Singer legte zum xten Mal den Hörer auf die Gabel zurück. Eine steile Falte war auf seiner Stirn gewachsen und grub sich nun bis zum Schirm seiner allgegenwärtigen Baseball-Kappe.
Wo waren die Winchester-Brüder? Warum meldeten sie sich nicht mehr? Und, ebenso wichtig, wieso konnte er sie nicht erreichen?
Bobby griff nach seinem Glas, zögerte dann aber auf halbem Wege.
Er hatte etwas herausgefunden über den unverhofften Gastgeber von Sam und Dean, besser über die Familie dieses John Sheppard. Und das konnte vielleicht wichtig werden für alles, was die drei in diesem Fall unternehmen würden.
Bobby stellte das Glas mit einer entschlossenen Geste wieder ab und drehte sich zur Tür.
Er tat es nicht gern, vor allem eingedenk all der Jäger, die üblicherweise auf ihn zählten, aber … er mußte jemanden erreichen, der den beiden, besser den dreien helfen konnte. Entweder er selbst, oder er mußte jemand anderen finden. Und es hielt sich schlicht niemand in der Nähe von Colorado auf! Unglaublich aber wahr angesichts der Entwicklungen in letzter Zeit.
Also, da er der nächste dran war, mußte er sich selbst opfern und zu ihnen fahren in der Hoffnung, daß er nicht zu spät kommen würde.
Bobby war sich da alles andere als sicher, aber er hatte schlicht keine andere Wahl.
Er warf einen letzten Blick zurück auf sein „Büro“, das jetzt seltsam verlassen auf ihn wirkte. Dann wandte er sich, das Haus zu verlassen, nichts als sein Handy in der Tasche. Waffen hatte er mehr als genug in dem Geheimfach seines Wagens – wie jeder Jäger!
Wahrheiten by Hyndara71
Author's Note: Damit die Story funktioniert mußte ich einen Hintergrund für Mama Sheppard schaffen. Der Weg ist reine AU, also ausschließlich meins. Zudem war da schon immer der Diskussionspunkt über Sheps Reaktion in „Vegas“, wenns um diese ominöse Feldärztin ging. Wer JS's „Ein Held sein“ gelesen hat weiß, daß (für uns beide) diese namenlose Ärztin kein Thema war. Warum und wie McKay darauf gekommen ist, eine Erklärung gibt’s hier – erneut, JS und meine AU, kein Kanon.


„Sag mal, hast du sie noch alle?“ schimpfte Sheriff Duke los.
John stemmte sich ächzend in eine sitzende Position hoch.
Besser ein wenig warten, ehe er seinem Gleichgewichtssinn wieder trauen konnte. Der war durch die letzten, adrenalinbeladenen Minuten mehr als durcheinander geraten.
Er spürte die ratlosen Blicke der Winchesters auf sich, ignorierte sie aber im Moment. Hier ging es um Duke und ihn, und hoffentlich um ein funktionstüchtiges Funkgerät.
„Du hast einen Sheriff angegriffen, Sheppard!“ schimpfte Duke weiter. „Das ist Angriff auf einen Staatsbeamten. Eine strafbare Handlung!“
„Von einem anderen Staatsbeamten?“ fragte Dean Winchester hinter ihm irritiert. „Geht das überhaupt?“
Dukes Kopf ruckte hoch, zornig starrte er die beiden Brüder an. „Und ihr solltet besser still sein, Jungs!“ drohte er mit erhobenem Finger. „FBI-Agenten, das ich nicht lache! Diese Vortäuschung ist strafbar und wird mit hohen Strafen belegt. Ich hoffe, ihr zwei habt ein langes Leben!“
„Jetzt laß die Jungs da raus“, wandte John endlich ein und blickte auf, in Martin Dukes Augen. „Die beiden haben getan was sie konnten, um die Stadt zu schützen.“
„Ach, und wer hat sie darum gebeten? Ich nicht!“
„Ihre Pflicht.“
Endlich traute John sich selbst weit genug, um den Versuch zu starten, wieder auf die Beine zu kommen – was überraschenderweise auch gelang, wenn er auch schwankte wie ein Matrose auf hoher See.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Sheppard?“ fragte Sam.
John seufzte. „Soweit es geht“, antwortete er.
„Oh ja, jetzt spielt er wieder den Märtyrer!“ Duke schnaubte und wandte sich seinerseits an die Winchesters: „Gentlemen, richten Sie Ihr Augenmerk auf den miesesten Landesverräter der USA! Major Sheppard a.D. War dumm genug, sich in Afghanistan abschießen zu lassen, weil er seine Bettgespielin zu retten gedachte. Und dabei hat er nebenbei neueste Technologie an Al Quaida gegeben. Ist er bestraft worden dafür? Dann wären Daddy ja ein paar Rüstungsaufträge floten gegangen, stimmts?“
Johns Lippen wurden schmal. „Halt den Mund, Martin!“ sagte er im warnenden Ton. „Wenn du keine Ahnung hast, wovon du sprichst solltest du besser schweigen!“
„Und, wißt ihr Jungs was? Ein paar Jahre vorher hat Mr. Superhero hier was ähnliches mit MEINER Schwester veranstaltet!“ fuhr Duke fort – und im nächsten Moment saß er auf dem Steinboden und Johns geballte Faust schmerzte.
„Ich habe nichts mit Gillian zu tun!“ fuhr er den Sheriff an. „Verdammt, warum kannst du mir das nicht glauben? Ich hab versucht, sie davon abzuhalten. Sie wollte nicht hören!“
„Ja, und deine Heldenmutter hat erst meine Schwester und dann sich selbst umgebracht!“ brüllte Duke zurück. „Deine verrückte Mutter, immer auf Monstersuche, war dämlich genug, mit ihrem Heli gegen den nächsten Bergrücken zu knallen! Deine komplett durchgeknallte Mutter hat meine Schwester angesteckt mit diesem Schwachsinn!“
„Aber du glaubst an diesen Mothman, ja?“ John beugte sich über Duke und blitzte ihn wütend an. „Ma hat nichts, aber auch gar nichts mit Gill zu tun gehabt! Gill wollte unbedingt allein losziehen!“
„Und warum hast du sie dann nicht begleitet? Sonst warst du doch schon soo ein großer Prince Charming?“
„Ich war, verdammt noch mal, zehn Jahre alt!“
Erst jetzt wurden John die Blicke in seinem Rücken bewußt. Mühsam beherrscht richtete er sich wieder auf. „Und darum geht es jetzt nicht. Ich hab dir, verdammt noch mal, den Hintern gerettet gerade. Dieses Ding … dein Mothman … wollte dich zum Dinner verspeisen.“ Er kontrollierte Atmung und Stimme. Auf keinen Fall wollte er sich noch eine weitere Blöße geben.
„Ja, klar!“ schnaubte Duke. „Der heilige John Sheppard, die Unschuld schlechthin. Man hätte dich vors Erschießungskommando stellen sollen. Statt dessen hat Daddy dich doch wieder mal frei gekauft von jeglicher Schuld!“
John war plötzlich einfach nur müde. Müde dieser Diskussion, müde der ständigen Erklärungen und Richtigstellungen. Müde dieser ganzen Angelegenheit.
Kopfschüttelnd wandte er sich ab. „Dann laß dich fressen“, seufzte er und zuckte mit zumindest der heilen Schulter. „Mir gleich.“
Aber es war ihm nicht gleich. Er haßte sich dafür, daß er nichts wirklich unternehmen konnte, daß er ohnehin schon gehandikapt war und Duke ihm einfach nicht vertrauen wollte – und vermutlich konnte. Er haßte sich selbst für so vieles, die Liste war voll.
Humpelnd verließ John den Flur in Richtung Küche, um sich einen Kaffee zu machen, solange die Broucha noch nicht auf den Gedanken gekommen war, ihnen auch noch das Wasser und das Gas abzustellen.
Die Winchesters tauschten Blicke, während Duke sich wieder aufrappelte. „Muß telefonieren“, knurrte er die beiden an und marschierte Richtung Wohnraum.
Dean und Sam wechselten einen langen Blick, dann folgte Sam Duke und Dean John.

John war in der Küche mit einer alten Blechkanne beschäftigt, in der er das Wasser für den Kaffee erhitzen wollte, als Dean den Raum betrat.
Einen Moment lang beobachtete der ältere der Winchesters das Treiben des Polizisten, sich seine Worte zurechtlegend, dann öffnete er endlich den Mund: „Sie hätten uns sagen können, daß Ihre Mutter eine Jägerin gewesen ist.“
Sheppard stockte für eine Sekunde in seinem Tun, dann stellte er die Kanne endlich auf den Gasherd. „Meine Mutter war Fotografin“, antwortete er und nickte zu einer gerahmten Fotografie über dem Küchentisch in der Ecke.
Dean runzelte die Stirn. „Aber der Sheriff ...“
„Martin Duke, seine Schwester Gillian und mein Bruder und ich sind, wie wohl noch ein Dutzend anderer, die mehr oder weniger ihre Wurzeln hier haben, gemeinsam aufgewachsen … bis meine Mutter starb. Danach bin ich kaum noch hier gewesen. Zu viele Erinnerungen.“ John drehte sich zu seinem unverhofften Gast um mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen. „Aber interessant zu wissen, wo eure Prioritäten liegen. Die meisten anderen hätten nach Afghanistan gefragt statt nach der Nebenbeschäftigung meiner Mutter.“
Dean schluckte und tat bewußt lässig – was ihm seine infizierte Schulter gleich wieder mit einem üblen Schmerz dankte. „Afghanistan ist weit weg“, entgegnete er. „Was da passiert oder nicht passiert ist hat für unsere jetzige Situation keine Bedeutung.“
Das bittere Lächeln vertiefte sich. „Denkst du“, entgegnete John trocken und seufzte. „Meine Mutter war nicht wie dein Bruder oder du“, erklärte er schließlich, „sie wollte diese Monster nicht töten. Ihrer Meinung nach hatten diese Dinge ebenso Daseinsberechtigung wie wir.“
Dean runzelte die Stirn wieder. „Und was wollte sie dann?“
„Sie war, wie gesagt, Fotografin“, antwortete John.
„Sie wollte ein Foto von einem Monster?“ staunte Dean.
John zögerte, nickte dann aber. „Sie wollte den ultimativen Beweis dafür, daß es mehr zwischen Himmel und Erde gibt als wir normalerweise wissen“, erklärte er und schaufelte Kaffeepulver in eine weitere Kanne. „Soweit ich weiß, hat sie nie irgendetwas getötet. Aber sie wußte, die meisten Dinge da draußen sind alles andere als friedlich und freundlich.“
„Die Untertreibung des Jahres!“ Dean betrachtete seinen unverhofften Gastgeber. „Und diese Gill?“
Johns Schultern sanken herab. „Gillian war die Schwester von Martin Duke“, erklärte er, „sie verschwand in der gleichen Zeit, in der meine Mutter starb. Ob beides zusammenhängt weiß ich bis heute nicht, aber ich weiß, daß meine Mutter nie einfach so abgestürzt wäre. Sie war auf der Suche nach Bigfoot damals. Es gab ein paar Augenzeugenberichte, denen sie nachgehen wollte. Gillian hatte Ärger in der Schule und auch zu Hause, weil ihre Eltern sich trennen wollten. Aus irgendeinem Grund war sie der festen Überzeugung, daß sie der Grund war. Sie packte ihre Sachen und ...“ Er starrte ein Loch in die Luft für eine kleine Weile. „Erst kam sie hierher. Wir beide waren gut befreundet, wirklich sehr gut befreundet. Ich versuchte ihr, die Sache auszureden. Als dann meine Mutter verschwand, verschwand auch Gillian.“
„Sind die beiden vielleicht zusammen gewesen?“ fragte Dean, von plötzlichem Mitgefühl überwältigt. Aus irgendeinem Grund mußte er plötzlich an Jo denken und deren Wunsch, Jägerin zu sein wie ihr Vater.
„Das glaube ich nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Mutter wußte, daß Gill hier war. Und selbst wenn, welchen Grund sollte sie gehabt haben, ein zehnjähriges Mädchen mitzunehmen auf Fotosafari nach einer Legende?“
Gute Frage und Dean mußte zugeben, daß er nicht wirklich wußte, wie Frauen tickten – zumindest in dieser Hinsicht nicht. Jo war schließlich auch nicht … Naja, sie war schließlich … Sie war besser im Roadhouse aufgehoben, Punkt!
Allerdings war es auch nicht auszuschließen, daß Mama Sheppard auf Foto-Exkursion nach Bigfoot, wobei es immer noch in Frage stand, ob es Bigfoot gab oder nicht, diese Gillian aus irgendeinem Frauengefühl heraus mitgenommen haben konnte.
Aber auch darum ging es ihm am Ende nicht.
„Wenn Ihre Mutter an diesen Dingen interessiert war“, sagte er schließlich zögernd, „hatte sie doch bestimmt auch Bücher oder Journale über ihre Jagden und die Hintergründe.“
John versteifte sich und hob den Kopf. „Stimmt ...“ antwortete er, den Blick zur Zimmerdecke gerichtet.


„Tut mir leid, Sir, Mr. Sheppard“, sagte der Pilot. „Aber durch die Suppe ... da käme selbst Ihr Bruder nicht durch, Sir.“
Dave blickte auf und sah aus einem der ovalen Fenster im Passagierraum hinaus. Eine bleierne Wand aus Wolken starrte zurück. Eine dichte Wolkendecke lag quer über der Flugschneise zum Flughafen von Aspen.
Dave seufzte ergeben und erhob sich, um nach vorn ins Cockpit zu gehen.
Hoffentlich war einer der anderen Flugplätze in Colorado offen. Er hatte wenig Lust, von Kansas aus zurückfahren zu müssen und noch mehr Zeit zu verschwenden.
Die Tür zum Cockpit war nahe, als das Flugzeug in ein Luftloch geriet und vornüber zu kippen schien.
Dave war froh, daß er nichts gegessen hatte seit dem gestrigen Abend. Wie auch immer irgendjemand solche Turbolenzen aushielt war ihm schleierhaft. Er hielt sich mit beiden Händen so gut wie möglich fest und wartete, bis der Pilot die Maschine wieder unter Kontrolle hatte, ehe er schließlich doch das Cockpit betrat.
Hier vorn schien die dichte Wolkendecke noch bedrohlicher auf ihn. Hier und da sah er kurze, gleißende Lichter, Blitze zwischen den Wolkenbergen. Ein leichter feuchter Film lag auf der Frontscheibe.
Der Pilot schien ihn zu spüren und drehte den Kopf. Überrascht hob er die Brauen, nickte dann aber zum leeren Co-Pilotensitz hinüber.
Dave ignorierte die bedrückende Atmosphäre außerhalb des Flugzeugs und ließ sich auf den leeren Sitz gleiten, nahm den Kopfhörer, der an der Seite über der Armlehne baumelte und stülpte ihn sich über.
„Alles in Ordnung, Mr. Sheppard?“ begrüßte ihn die besorgte Frage des Piloten.
Dave nickte und hob, so wie er es schon bei John gesehen hatte, den Daumen. „Ich dachte, vielleicht könnte ich helfen.“
Der Pilot nickte, schwieg jetzt aber.
Ausrede durchschaut? Dave war sich nicht sicher, doch er vermutete stark, daß dem so war.
„Müssen wir weit ausweichen?“ fragte er weiter.
„Vermutlich ist Denver noch offen“, antwortete der Pilot. Auf seiner Brust prankte ein Namensschild „G. Matthews“ stand darauf.
Dave seufzte erleichtert.
Denver war zwar nicht seine erste Wahl, aber wenn es nicht anders ging. Er würde sich einen Mietwagen nehmen müssen, hatte die Familie doch keinen Nebensitz in Denver, wohl aber in Colorado Springs.
Möglicherweise sollte er diesen Mr. Matthews veranlassen, die Außenstelle in Colorado Springs zu kontaktieren, damit ihm von dort … Nein!
Das lag weniger daran, daß Dave sich durchaus noch immer bewußt war, daß er im Streit mit seinem Vater lag, sondern vielmehr daran, daß es zuviel Zeit kosten würde, bis jemand von der einen zur anderen Stadt gefahren wäre. Beste Option war und blieb der Mietwagen.
Dave nagte an seiner Unterlippe und warf dem Piloten einen weiteren Blick zu. „Darf ich Sie etwas fragen oder lenkt Sie das zu sehr ab?“ erkundigte er sich dann.
Matthews nickte. „Fragen Sie, Sir, fragen Sie nur.“
Dave warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, sah aber gleich wieder weg. Ihm wurde übel angesichts der trüben Wand dort draußen.
„Sie erwähnten vorhin meinen Bruder“, sagte er statt dessen.
Matthews nickte wieder. „Stimmt. Ich war mit ihm zusammen in Kandahar stationiert. War aber schon weg, als die Sache passierte. Leider! Ich hätte ihn nicht so einfach im Stich gelassen.“ Sinnend starrte er hinaus in die graue Brühe. „Wobei die Jungs eigentlich alle nicht so drauf waren, auch die Mädels nicht, wenn Sie verstehen?“ Er grinste breit.
Stimmt, Dave erinnerte sich, daß Johns direkte Vorgesetzte im Geschwader eine Frau gewesen war.
„Johns Codename war schon passend“, fuhr Matthews fort. „Ich hab selten einen so begabten Piloten gesehen. Wenn er mit Flügeln geboren worden wäre, hätte es nicht besser klappen können, ehrlich! Icarus war mehr als passend.“
Diese Spitznamen, die Piloten sich selbst oder einander gaben. Dave erinnerte sich wie stolz John damals gewesen war, als sein Ausbilder, witzigerweise war dessen Fliegernahme Deadalus, ihm diesen „Icarus“ verpaßt hatte.
„Ist wirklich eine Verschwendung“, fuhr Matthews fort. „Hab gehört, ihm wurde die Pilotenlizenz entzogen?“
Dave rief sich in die Gegenwart zurück und nickte. „Sein Innenohr wurde verletzt, darum kann er nicht mehr fliegen“, antwortete er.
„Sinnlose Verschwendung!“ schnaubte Matthews. „Und das am Ende wofür? Mikey will nichts mehr von ihm wissen. Dabei waren die beiden beste Freunde.“ Er warf Dave wieder einen Blick zu. „Michael Holland. Das faule Ei, für das Ihr Bruder zurückgeflogen ist hinter die Linien.“
Dave stutzte.
Moment! Er wußte zwar, daß die Sache mit dem abgeschossenen Helikopter mit Geheimtechnologie an Bord ein Fake gewesen war, den ihr Vater eingefädelt hatte, aber …
„Was ist mit dieser … dieser Ärztin?“ fragte er irritiert.
Matthews starrte ihn an. „Ärztin? Welche Ärztin?“
Dave krallte sich in den Sitz, als das Flugzeug in ein weiteres Luftloch geriet. Fluchend kämpfte Matthews kurz mit dem Steuerrad, bis er die Maschine wieder unter Kontrolle hatte.
„Erstens, Icarus hatte sich mit seiner Crew besprochen, er war nicht der einzige, der Befehlsverweigerung begangen hatte“, erklärte er dann, „zweitens, die Mannschaft, um die es ging war die von Dusty, also Michael Holland. Das war zwar ein Rettungsheli, aber es gab keine Frau in seiner Crew. Drittens, aufgrund der Lage in Afghanistan wurden Frauen generell selten in der Frontlinie eingesetzt, Mr. Sheppard. John mag einen gewissen Ruf haben, bei Gott, die meisten jungen Piloten haben diesen Ruf!, aber der Grund, warum er zurückflog war, weil er Holland helfen wollte, der hinter den Linien abgeschossen worden war. Von allem weiteren, was ihm vorgeworfen wurde, weiß ich nichts.“
In Daves Hirn begann es zu routieren.
Er wußte, diese Anklage war ein Schwindel gewesen. Er wußte, ihr Vater hatte John für die Firma geopfert, um ihn dann zurückzuholen in den Schoß der Familie – einfach, weil sie zu diesem Zeitpunkt eine dritte Kraft gebraucht hatten. Dave hatte zwar insistiert und auch bereits Kontakt zum Generalstab hergestellt, dann aber war plötzlich die Hölle über John losgebrochen und alles, was er noch hatte tun können, war Schadensbegrenzung für die Firma und den Namen Sheppard betreiben. John war dabei auch von ihm zunächst einmal auf der Strecke geblieben, ehe er schließlich mit dem Angebot zu ihm gekommen war, ihn zum Sicherheitschef der New Yorker Außenstelle zu machen – was letztendlich ein fataler Fehler gewesen war und John erst recht ins Unglück gestürzt hatte.
Jetzt allerdings konnte Dave sich die eigenartige Reaktion seines Bruders erklären, als dieser vor dem Kriegsgericht ausgesagt hatte und die Sprache auf diese, noch immer namenlose Feldärztin gekommen war: John hatte gestutzt und war sehr verwirrt gewesen. Alle anderen aber in seiner Einheit hatten diese Liason bestätigt und somit den Grund geliefert, John unehrenhaft zu entlassen.
Ob das Ergebnis ein anderes gewesen wäre, wäre diese Rettungsaktion für den abgeschossenen Freund der Grund gewesen statt eine Affäre, die es dann wohl doch nicht gegeben hatte, glaubte Dave nicht. Allerdings hätte Johns Umfeld vielleicht anders reagiert und er selbst nicht so tief gestürzt wie er es dann schließlich war. Zudem warf allein die Tatsache, daß der Rest der Mannschaft der Insubordination zugestimmt hatte, bereis ein anderes Bild auf John. Er war eben nicht der aufgeregte Liebhaber, der seine Affäre aus den Händen des Feindes holen wollte und dabei auch mutwillig die Leben anderer aufs Spiel gesetzt hatte. Nein, plötzlich war es eine Teamentschiedung, hinter die Front zu fliegen und eine andere, befreundete Besatzung zu bergen, ehe diese in Kriegsgefangenschaft geraten konnte. Großer Unterschied!
Allmählich wurden Dave die wirklichen Dimensionen dessen klar, was ihr Vater da angerichtet hatte …
Kisten, Kaffee und Burger by Hyndara71
„Warum sollte ich einem von euch helfen?“ Duke kreuzte die Arme vor der Brust und warf einen langen Blick in die Runde. „Und, übrigens, die Telefonleitung ist tot.“
Innerlich verdrehte John die Augen, die beiden Winchesters warfen sich einen langen, sehr beredten Blick zu.
„Keiner hier will dich zu irgendetwas zwingen, Martin“, erklärte John schließlich. „Die Sache ist nur die, wir brauchen die Unterlagen meiner Mutter. Und die sind auf dem Dachboden … wenn sie hier sind!“
„Dann geh und hol sie selbst!“ Duke starrte ihn herausfordernd an. „Warum sollte ich dir bei irgendetwas helfen? Nach allem, was deine Familie dieser Gemeinde angetan hat sehe ich wirklich keinen Grund, irgendetwas zu tun als von hier zu verschwinden!“
„Liebendgern … wenn du an der Broucha vorbeikommst ...“ John setzte sein freundlichstes Lächeln auf und trat zur Seite.
Duke stutzte, betrachtete ihn von Kopf bis Fuß kritisch.
„Tatsache ist, Sheriff, keiner von uns kann dieses Haus verlassen, solange dort draußen dieses Ding herumgeistert“, erklärte Sam im beschwörenden Ton.
John hob eine Braue, schwieg aber.
„Ich mag es nicht, wenn in meinem Beisein andersgläubige Gruppierung verunglimpft werden“, knurrte Duke.
„Wenn dir ein besserer Name einfällt als den Mexikanern, ich bin offen für alles. Nur, ich bitte dich, hilf uns und damit auch dir selbst!“
In Dukes Gesicht arbeitete es. Wieder betrachtete er John, doch dieses Mal stutzte er und begann die Stirn zu runzeln. Er nickte schließlich zu Johns Hand hinunter. „Was ist da passiert? Gestern hattest du das noch nicht.“
John spannte unwillkürlich die Kiefer an. „Unser namenloses Monster da draußen“, antwortete er.
„Diese Art von Wesen sondern ein Gift bei Berührung ab“, begann Sam prompt zu erklären, „ein zersetzendes Gift.“
„Wo ist eigentlich Quinn?“ fragte Duke zögernd.
John konnte nicht umhin und wedelte ein wenig mit seiner infizierten Hand. „Genau das ist ihm auch passiert“, antwortete er. „Dummerweise kamen wir zu spät. Er liegt im Schuppen.“
„Scheiße!“
„Und einer der Gründe, warum Officer Sheppard nicht auf den Dachboden kann“, wandte wieder Sam ein.
Dean seufzte hörbar genervt. „Mann, sagt es doch einfach. Das Vieh hat uns, Shep und mir, mit dem Gift, so'ne Art Peilsender implantiert. Gehen wir da hoch, kommt es durchs Dach!“
Duke stutzte, sah John wieder an, diesmal tief in seine Augen. „Sicher?“
John zuckte mit den Schultern. „Rate mal warum wir das Panoramafenster verbarrikadiert haben.“
„Mist!“
Duke holte tief Atem, blies ihn dann durch geblähte Nasenflügel wieder aus. „Und wie kommen wir dem Vieh bei? Sah ja nicht so aus, als würden Kugeln es großartig aufhalten können.“
„Können sie nicht. Wir arbeiten an einer Alternative“, antwortete wieder Sam.
John warf einen amüsierten Blick über die Schulter, als er ein Schnaufen von Dean hörte.
Der Junge gefiel ihm, mußte er zugeben. All diese doppelten und dreifachen Erklärungen mußten ihn einfach nerven – und irgendwie machte es das ganze nur interessanter.
„Und die zwei sind … ?“ wandte Duke sich wieder an ihn.
Johns Lächeln erstarb. „Soetwas ähnliches wie meine Mutter. Nur machen sie ernst im Gegensatz zu ihr.“
„Mh ...“ Duke schien keineswegs mit dieser Erklärung zufrieden, etwas, was John ihm nicht einmal verdenken konnte. „Wo sind diese Unterlagen? Hast du eine Ahung?“
Johns Blick glitt ab.
Er war nur einmal dort oben gewesen nach dem Tod seiner Mutter. Und das war mittlerweile Jahrzehnte her. Er konnte nur hoffen, daß die Kiste noch immer da stand, wo er sie damals gesehen hatte. Dabei half, daß die Hütte mittlerweile wirklich nur noch selten benutzt wurde.
„Wenn du die Leiter hochgehst müßte sie die erste rechts sein. Ist beschriftet mit Moms Namen“, antwortete er.
Duke nagte an seiner Unterlippe. „Und was denkt ihr, finden wir in diesen Büchern?“
„Hoffentlich die Lösung für unser kleines fliegendes Monster-Problem da draußen.“
„Ich dachte, ihr hättet schon eine Alternative zu Kugeln?“
Nun waren es die Winchesters, die einen langen Blick wechselten. „Könnte sein, daß der Bannspruch, den wir brauchen, nicht ganz vollständig ist“, erklärte Sam schließlich. „Der Strom fiel aus, ehe ich die Zeichnung vollenden konnte.“
Dukes Gesicht zeigte nur allzu deutlich sein Mißfallen, doch dann nickte er. „Na gut, sehen wir nach.“ Er wandte sich Richtung Tür.
„Bannsprüche, Symbol-Zeichnungen, fliegende Monster mit zersetzendem Gift. In welchem Horrorfilm bin ich da nur gelandet?“ hörte John ihn leise fluchen.
Und er konnte Martin Duke nur recht geben.

***

Der Dachboden war, wie nicht anders zu erwarten war, staubig und von einer trockenen Wärme erfüllt. Sam fühlte bereits nach einer Minute, wie ihm der Schweiß ausbrach. Zudem war es nur dämmrig, so daß er mehr als froh war, eine Taschenlampe mitgenommen zu haben.
Die dicke Staubschicht hier oben zeigte, daß dieses Haus wirklich nicht mehr allzu oft benutzt wurde, zumindest der Dachboden nicht. Kisten waren so weit wie möglich in Ecken geschoben worden, zerbrochene und zerschlissene Möbel standen, nur zum Teil abgedeckt, dazwischen. Sam erhaschte einen Blick auf einen alten Hochstuhl für Kinder sowie eine leere Wiege, Zeichen dafür, daß die Sheppards tatsächlich zum Teil hier aufgewachsen waren.
Der Sheriff hustete, kaum daß er die Leiter heraufgestiegen war. Die Luft war schwer von Staub und Sam hatte, obgleich er sich bemüht hatte, sich eben nicht zu viel und zu hastig zu bewegen, zusätzlich welchen aufgewühlt.
„Oh Mann! Da sage jemand, bei den Sheppards gäbs keine dreckigen Ecken!“ keuchte der Sheriff schließlich, zückte seine eigene Lampe, schaltete sie ein und ließ den hellen Lichtfinger die Düsternis durchschneiden. „Okay, wo mag also diese Kiste sein?“
Sam leuchtete in die angewiesene Richtung. Einige Meter von der Leiter entfernt stand tatsächlich eine schwere, vernagelte Holzkiste, an deren Seite ein rissiger, trockener Zettel an einem Nagel baumelte.
„Hieß Mrs. Sheppard Jordan?“ fragte er, nachdem er versucht hatte, die ausgebleichten Buchstaben zu lesen.
„Ja“, kam die einsilbige Antwort zurück, gefolgt von schweren Schritten.
Sam beleuchtete den Deckel der Kiste und zählte ein Dutzend Nägel, mit denen sie einst verschlossen worden war.
„Na, da war wohl jemand gründlich, was?“ Der Sheriff spuckte in die Hände. „Runtertragen?“
Sam war sich nicht sicher. Die Kiste sah wirklich schwer aus, zudem war der Aufgang zum Dachboden nur sehr schmal. Er fragte sich, wie diese Kiste wohl hierher gebracht worden war.
„Versuchen wir's“, stimmte er zu, legte die Taschenlampe zur Seite und trat um die Kiste herum. Unter seinen Schuhen knackten trockene Knochen. Irgendein kleines Tier, vielleicht auch ein Vogel, der sich hierher verirrt und dann gestorben war.
Sam packte die Kiste, der Sheriff auf der anderen Seite, und versuchte sie hochzustemmen. Ohne Erfolg.
„Verflucht! Das Ding ist schwer!“
Sam nickte. In ihm aber wuchs ein wenig Hoffnung.
Wenn diese Mrs. Sheppard wirklich eine Jägerin gewesen war und wenn ihre komplette Sammlung sich hier in dieser Kiste befand, standen die Chancen mehr als gut, daß sie auch fündig werden würden, sobald sie die Kiste geöffnet hatten. Soviel zumindest wußte er, jeder Jäger hatte zwar seine spezielle Herangehensweise, aber alle Jäger besaßen das gleiche Basiswissen.
Noch einmal versuchten sie, die Kiste hochzustemmen, wieder mit dem gleichen, negativen Erfolg.
„Was nun?“ fragte der Sheriff endlich, begreifend, daß sie beide diese Kiste niemals allein würden auch nur bewegen können.
Sam allerdings hatte bereits beschlossen, was zu tun war. Mit der Lampe leuchtete er, bis er gefunden hatte, wonach er gesucht hatte: ein alter Zimmermannshammer, der auf einem wurmstichigen Tisch lag.
Er ging hinüber und griff sich das Werkzeug.
„Wow, Junge, was hast du vor?“ Der Sheriff hob die Hände.
Sam nickte entschlossen zu der Kiste. „Wir brauchen den Inhalt, nicht die Kiste. Also werden wir sie hier oben öffnen.“

***

Wenn er abhängig von Beacon/Cheese-Burgern war, dann war dieser Sheppard definitiv ein Kaffee-Junkie, befand Dean, als er die Küche betrat.
Einmal mehr fand er John Sheppard am Herd vor, wo er gerade eine Kanne Wasser zum Nachfüllen eben seiner Reserven erhitzte. Unglaublich, welche Mengen Kaffee dieser Mann in sich hineinschüttete!
Sheppard warf nun einen Blick über die Schulter, nickte dann und richtete sein Interesse wieder auf den Wassertopf.
„Wieso haben Sie nicht gleich gesagt, daß Ihre Mutter Jägerin war?“ erkundigte Dean sich und ließ sich ächzend am Küchentisch nieder. Das gerahmte Foto über der einfachen Holzbank zeigte eine Landschaft, wie sie überall im Nordwesten hätte aufgenommen sein können. Dennoch war er sich sicher, daß es sich um ein nahegelegenes Gebiet handelte.
„Meine Mutter war nicht wie Sie oder Ihr Bruder“, korrigerte Sheppard erneut. „Sie tötete nicht. Sie war auf der Suche nach dem ultimativen Beweis.“
Dean verzog das Gesicht.
Na toll, dann eben der Monster-Fan unter den Jägern.
„Lassen wir das“, schob er die leidige Erklärung zur Seite, „aber … Bigfoot? Ehrlich?“
Sheppard hob den Kopf. Im Halbprofil war zu sehen, wie sein sichtbares Auge sich verklärte, nach innen richtete.
Irgendeine Erinnerung, schätzte Dean.
„Es ist das, was meine Mutter meinem Bruder und mir erzählt hat“, antwortete Sheppard endlich, noch immer mit diesem seltsamen, nach innen gerichten Blick.
Dean erinnerte sich, bisher hatte ihr Gastgeber jedesmal so ausgesehen, wenn sie ihn über dieses Thema befragt hatten. So als sei da etwas, was für ihn alles erklärte, er aber auch nicht bereit war, mit jedem zu teilen.
„Okay, ich meine nur“, fuhr Dean fort, „wir sind seit mehr als zwanzig Jahren auf der Jagd und einen Bigfoot haben wir bisher noch nie gesehen. Unser Vater meinte sogar, daß das alles Hirngespinste seien.“
„Könnte sein … für diese Region!“ Sheppard blinzelte, als müsse er sich selbst mit Kraft zurückholen in die Wirklichkeit. „In anderen Regionen könnte das anders sein ...“
Dean runzelte die Stirn.
Irrte er sich, oder hatte Sheppard gerade zugegeben, wenn auch indirekt, daß er ebenfalls etwas gesehen hatte, was offiziell nicht zur zoologischen Norm gehörte?
„Sie glauben also daran?“
Mit einem Seufzen drehte der Polizist sich um. „Alles, was ich gesagt habe und nur wiederholen kann ist schlicht das, was unsere Mutter mir damals gesagt hat. Ist es möglich, daß sie tatsächlich auf der Jagd nach etwas anderem war? Ja! Ich weiß es nicht. Wie gesagt, ich war ein Kind.“
Das rief nur allzu schmerzliche eigene Erinnerungen wieder ans Licht zurück, mußte Dean zugeben. Oh, wie gut er Sheppard doch verstand! Viel besser, als dieser vermutlich glaubte.
„Wie war es damals?“
Das Wasser kochte.
Sheppard nahm den Topf mit einem halten, halb verbrannten Geschirrtuch hoch und schüttete das kochende Wasser in die vorbereitete Kaffeekanne, ehe er den Topf wieder zurück auf den Herd stellte.
„Wie es war?“ echote er dann. „Hart, wie sonst? Mit einem Schlag waren gleich zwei Personen verschwunden, eine davon noch ein kleines Mädchen, die andere Mutter von zwei Söhnen. Mag nicht so hart wie bei euch gewesen zu sein, aber es war hart – für meinen Bruder und mich.“
„Nicht für Ihren Vater?“ Dean war überrascht.
Sheppard verzog das Gesicht. „Nicht für ihn“, nickte er dann und ließ sich ebenfalls am Tisch nieder. „Unser Vater war dagegen, daß unsere Mutter loszog. Als sie den Unfall hatte war das für ihn nur die Bestätigung dessen, was er ohnehin wußte.“
„Aber irgendwas muß er doch an ihr gefunden haben, daß er sie geheiratet hat“, wunderte Dean sich unverhohlen.
Sheppard zuckte wieder mit der heilen Schulter. „Soweit ich weiß, hat sie ihm den Hintern gerettet, als irgendein … Ding hinter ihm her war. Daraufhin hat er sich eben in sie verliebt. Reichte diese Liebe für das wirkliche Leben? Nein. Andererseits waren beide auch nicht stark genug sich scheiden zu lassen.“
Das war hart. So sehr Dean seine Mutter auch immer noch tief in seinem Herzen vermißte und so sehr er sich immer bemüht hatte, seinem Vater nachzueifern, ein guter und folgsamer Sohn zu sein, er wollte nicht mit Sheppard tauschen. Besser ein kaum existierendes Familienleben als eines, bei dem sich die Ehepartner gegenseitig an die Kehle gingen.
Dean runzelte die Stirn. „Aber möglich ist es, daß Ihre Mutter hinter etwas anderem her war, oder?“ wiederholte er.
Sheppard seufzte, nickte aber schließlich. „Ja, es ist möglich“, gestand er ein. „Ich weiß es nicht. Sie hielt uns, Dave und mich, raus aus ihrem zweiten Leben, zumindest soweit es ihr möglich war.“
„Und Sie sagten, die Zeit nach dem Verschwinden dieser Gillian und dem Tod Ihrer Mutter sei hart gewesen?“
Der Blick, mit dem Sheppard ihn bedachte, hätte nicht beredter sein können.
Dean war sich klar, daß eigentlich eher Sam derjenige war, der das Einfühlungsvermögen für eine solche Befragung hatte. Andererseits war Sam jetzt irgendwo auf dem Dachboden und suchte nach etwas, was ihnen weiterhelfen konnte.
Sheppard seufzte. „Ja, es war einer der kältesten Winter seit Menschengedenken“, antwortete er, „keine Ahnung, es war wirklich sehr kalt. Das Rettungsteam hatte Schwierigkeiten, den Leichnam zu bergen, weil so viel Eis und Schnee runterkam.“
Dean fühlte sich plötzlich unwohl.
Letztes Jahr waren Sam und er schon einmal in den Wäldern Colorados gewesen. Letztes Jahr waren sie beide fast in einer verlassenen Mine zum Hauptgericht für einen Wendigo geworden.
Was, wenn dieser Wendigo entweder nicht der einzige gewesen war? Oder es war der einzige, der sich aber, wie auch immer, fortpflanzen wollte?
Nein, sie hatten sich geeinigt. Es mußte eine Broucha sein! Es ging nicht anders.
„Stimmt was nicht?“ fragte Sheppard, der auf ihn und sein Schweigen aufmerksam geworden war.
Dean fühlte sich wirklich unwohl in seiner Haut. Er zögerte.
Bisher wußte niemand wirklich, welche Stadien ein Wendigo durchlaufen mußte, um eben ein Wendigo zu werden. Soweit bekannt, waren alle Fälle mit Wendigos in den letzten Jahrzehnten mit uralten indianischen Hungergeistern passiert. Aber was, wenn es eine Art Vorstufe gab? Wenn, bevor ein Wendigo ein Wendigo wurde, er erst etwas ähnelte, das möglicherweise mit einer Broucha verwechselt werden konnte?
„Dean?“
Über ihnen polterte etwas, ließ sie beide zusammenfahren und die Köpfe in die Nacken reißen und gen Zimmerdecke starren. Aber nachdem sich das Gerausch nicht wiederholte, entspannten sie sich auch beide langsam wieder.
„Mein Bruder und ich waren letztes Jahr schon einmal in Colorado. Black River, wenn Ihnen das was sagt?“
Sheppard hob die Brauen und nickte. „Ja, das ist nicht so weit entfernt. Ein Naturschutzgebiet mit ein paar alten Silberminen, wenn ich mich nicht irre.“
Dean sah seinen Gegenüber starr an. „Und haben Sie schon einmal vom Wendigo gehört? Den haben wir dort nämlich zur Hölle geschickt.“
Sheppard stutzte. „Wow, dann seid ihr zwei gar nicht so schlecht“, entfuhr es ihm. „Meine Mutter sagte immer, Wendigos seien schwer zu töten, weil sie eben einmal Menschen gwesen sind und immer noch die Tricks drauf haben.“
Dean nickte, den Blick immer noch durchdringend auf Sheppard gerichtet. „Ganz genau. Und wußte Ihre Mutter auch, wie Wendigos entstehen?“
Der Polizist setzte sich gerade auf. „Du willst mir jetzt nicht erklären, daß ihr euch geirrt habt, oder?“
„Möglicherweise ...“
„Ein Wendigo, der fliegen kann?“ Sheppard lachte. „Das ist das erste Mal, daß ich von soetwas höre!“
„Noch kein Wendigo, aber etwas, was ihm vorausgeht. Etwas, was man mit einer Broucha verwechseln kann.“
„Inklusive Gift“, Sheppards Stimme klang trocken. „Ich glaube dir kein Wort!“
„Und wenn doch?“
Dean sah, wie Sheppards Hände leise zu zittern begannen, als dieser nach einer Tasse greifen wollte. Er hatte ins Schwarze getroffen!
Jordan Sheppards Tagebuch by Hyndara71
Author's Note: Sorry für die leichte Verspätung. RL tendiert dazu, auch mal mir zu passieren ;)


Als Sam kurz darauf mit dem Sheriff vom Dachboden wieder herunterkam waren beide beladen mit Büchern. Alte, ledergebundene Folianten, größtenteils um einiges größer als die handelsüblichen Bücher, die in den Regalen der sheppardschen Bibliothek zu finden waren. Die Bücher wirkten alt und abgegriffen, die Ledereinbände waren rissig, bei einigen wellten sich die Buchseiten, so als seien sie irgendwann einmal naß geworden.
Bücher, die offensichtlich benutzt worden waren, schloß John daraus.
Sam Winchester schien eine Antenne dafür zu haben, daß etwas nicht so ganz stimmte. Sein Kopf ruckte kurz von einem zum anderen, John und Dean saßen noch immer am Küchentisch und mittlerweile hatte John auch dem älteren Winchesterbruder eine Tasse seines selbstgebrühten Kaffees andrehen können.
Sam schien plötzlich unsicher, trat dann aber, nach einigem Zögern, an den Tisch heran und ließ seine Ladung an Büchern darauf nieder.
„Und? Was gefunden?“ nuschelte Dean in seine Tasse.
Sams Lächeln galt John, der nun doch überrascht die Brauen hob.
„Officer Sheppard, ich muß sagen, die Sammlung Ihrer Mutter ist zwar klein, dafür aber wirklich außergewöhnlich! Vielen Dank, daß wir sie benutzen dürfen.“
Kurios aber wahr, John glaubte dem jungen Mann jedes Wort. Er mußte nur das Glitzern in dessen Augen sehen um zu begreifen, daß da wohl tatsächlich ein Schatz für Jäger des Übersinnlichen auf dem Dachboden vor sich hingegammelt hatte.
„Ja, und ziemlich schwer noch dazu!“ ächhzte Martin Duke, der seinerseits ebenfalls seinen Bücherstapel auf den Tisch plumpsen ließ. Schnuppernd reckte er die Nase. „Gibts noch mehr von deinem schwarzen Gift?“
John nickte zur Anrichte. „Nimm dir eine Tasse und bedien dich. Sieht aus, als hätten wir jetzt einiges zu tun.“
„Vielleicht auch nicht ...“ Mit wenig Interesse hatte Dean nach dem zu oberst liegenden Buch gegriffen und betrachtete mit gelangweilter Miene den Titel auf dem Buchrücken. Dann blickte er auf. „Wenn meine Vermutung stimmt ...“
„Sie stimmt nicht!“ John fühlte sich, als hätte er diesen Satz schon zum millionsten Male ausgesprochen seit diese unwahrscheinliche Theorie erdacht worden war.
Sam, der einen der leeren Stühle unter dem Tisch hervorzog, sah ratlos von einem zum anderen. „Was für eine Theorie?“ erkundigte er sich unschuldig.
John warf Dean einen warnenden Blick zu. Das letzte, was sie jetzt brauchten, war ein durchdrehender Sheriff. Und durchdrehen würde Martin Duke, immerhin ging es hier möglicherweise um seine Schwester.
„Wir sprachen davon, daß wir uns möglicherweise geirrt haben und es keine Broucha ist, die da draußen lauert“, antwortete Dean, umschiffte dabei recht gekonnt die tückische Klippe.
„Was dann?“ Martin Duke ließ sich auf der letzten freien Seite des Tisches nieder und goß sich eine Tasse Kaffee ein.
„Möglicherweise etwas wie … ein Wendigo“, antwortete Dean.
Duke starrte ihn an. „Ein was?“
„Ein indianischer Geist“, antwortete John wie mechanisch. „Und ich halte das für eine mehr als gewagte Theorie. Wendigos sind in dieser Gegend nicht heimisch.“ Ein weiterer warnender Blick in Richtung Dean.
„Wendigos können nicht fliegen. Dean, du solltest dich daran eigentlich noch erinnern können.“ Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen griff Sam nach einem der Bücher und begann, darin zu blättern, aufmerksam die Seiten überfliegend.
„Aber es war ein extrem kalter Winter damals“, entgegnete Dean. „Zudem ist Black Water nicht zu weit entfernt.“
Martin Duke blickte von seinem Kaffee auf. „Black Water Ridge? Was hat das Naturschutzgebiet mit alten Legenden zu tun?“
„Wir haben dort letztes Jahr einen Wendigo getötet“, Sams Stimme klang, als sei er Welten entfernt vom Küchentisch.
John zögerte, sich ebenfalls eines der Bücher zu nehmen. Zum einen machte ihm sein vergifteter Arm allmählich wirklich zu schaffen, zum anderen war er sich nicht sicher, inwieweit er die Vorsicht fallen lassen konnte. Wenn Martin Duke erfuhr, wen Dean da im Verdacht hatte, draußen auf sie zu lauern, würde er alles menschenmögliche tun, um dieses Ding am Leben zu lassen. Und das wiederum war eine denkbar schlechte Idee, soweit er das beurteilen konnte.
Doch Dean vertiefte sich allmählich, wie auch sein Bruder, in die Lektüre. John hoffte einfach, daß er es wagen konnte.
Er erinnerte sich nur schwach daran, diese Bücher je gesehen zu haben. Nur an eines erinnerte er sich: Das Tagebuch seiner Mutter. Manche ihrer Einträge hatte sie mit, wie er als Kind geglaubt hatte, phantasievollen Zeichnungen versehen. Jetzt allerdings war er sich nicht mehr so sicher, daß diese Zeichnungen wirklich aus ihrer Imagination entstanden waren. Nicht nachdem, was er selbst innerhalb der letzten nicht ganz zwanzig Stunden erlebt hatte.
Das Tagebuch war von dem Stapel, den Duke getragen hatte, heruntergerutscht und lag jetzt wirklich auffordernd fast vor Johns Hand. Er erkannte den Riemen wieder, mit dem seine Mutter es immer verschlossen hatte.
John kniff die Lippen zusammen und sah aus den Augenwinkeln zu Duke. Der hatte sich zurückgelehnt und starrte jetzt Löcher in die Luft, während der Kaffee in seiner Tasse dampfte.
Endlich griff John nach dem Büchlein, öffnete ungeschickt den Knoten und schlug es auf. Die Schrift seiner Mutter war energisch und schnörkellos. Ganz im Gegensatz zu den, zum Teil recht verblaßten Zeichnungen. Bei diesen hatte sie offensichtlich besondere Sorgfalt walten lassen, so als wolle sie sich das jeweilige Objekt genau einprägen. Es waren nicht nur unterschiedliche, mal mehr mal weniger eigenartig aussehende Gestalten, sondern auch Muster, schmuckvolle Pentagramme, teilweise mit genauen Erklärungen versehen, wie sie herzustellen waren.
John wußte nicht so recht, wonach er eigentlich suchte, doch er blätterte weiter. Er wollte die Stille nicht wirklich stören, die sich über die Küche ausgebreutet hatte. Ein brüchiger Frieden, als würde die Gefahr eine kurze Pause machen.
Dann, als er umblätterte, starrte er plötzlich auf die Zeichnung eines Horns, das mit Schnitzereien übersäät war.
„Bingo!“ entfuhr es ihm.
Sofort waren die Winchesterbrüder hellwach und aufmerksam. Selbst Duke erwachte aus seinem Tagtraum und richtete sich auf.
„Was ist?“
Mit einem triumphierenden Lächeln drehte John das Buch in seiner Hand, so daß alle Anwesenden die Zeichnung sehen konnten.
„Das ist es!“ Sams Augen weiteten sich. Sofort hob sich seine Hand, als wolle er John das Tagebuch entreißen, dann aber zögerte er. „Darf ich?“
John nickte und reichte ihm das Tagebuch.
„Also gut“, seufzte Dean. „Aber was, wenn es wirklich keine Broucha ist?“
Sam blickte auf. „Eine Schwäche scheinen beide Kreaturen zu besitzen“, erklärte er und tippte auf den Test auf der gegenüberliegenden Seite der Zeichnung. „Eine Broucha hat Angst vor Feuer.“
„Und ein Wendigo brennt wie Zunder ...“
Irgendwie drehte sich John der Magen um, als er in Deans lächelndes Gesicht sah.
Und was, wenn das dort draußen doch Gill war?

***

„Verdammt!“
Dave schlug mit beiden flachen Händen frustriert auf das Lenkrad. Zum Leben erwachte der Leihwagen trotzdem noch immer nicht.
Seit einer Stunde versuchte er bereits, den Motor wieder in Gang zu bringen, nachdem dieser plötzlich stotternd erstorben war. Er hatte an dem Kabel gewackelt, an jenem Deckel gedreht und … abgesehen von schmutzigen Händen hatte es ihm wenig bis gar nichts gebracht.
Dave war frustriert.
Seit er aus dem Flugzeug gestiegen war, war nichts mehr richtig gelaufen. Der Verleih hatte nicht einen einzigen Mietwagen gehabt, also hatte er bis zum Morgen warten müssen, in dem klapprigen, komplettsanierungsbedürftigen Motel auf der anderen Seite des, bei den Sheppards üblicherweise besuchten Hotels, da auch dieses ausgebucht war. Der bestellte Mietwagen war noch immer nicht verfügbar gewesen, also hatte er sich schließlich bereit gefunden, doch einiges dieser „Spielzeugautos“ der Kleinstwagenklasse zu nehmen. Dieser Wagen allerdings war ihm nun auch noch auf halben Weg verreckt und sein Handy hatte keinen Empfang hier im Nirgendwo, mitten in den bewaldeten Bergen Colorados.
Es war zum Auswachsen!
Mißmutig sah Dave nach draußen in die hereinbrechende Nacht hinein.
Eigentlich hatte er schon längst bei der Jagdhütte sein wollen, um nach dem Rechten (und vor allem nach John) zu sehen. Statt dessen durfte er sich jetzt wohl auf eine lange, kalte und feuchte Nacht einstellen. Am fast dunklen Himmel zeichneten sich immer noch mehr als deutlich gewaltige Wolkenberge ab und erste Tropfen trafen die Windschutzscheibe.
Dave griff einmal mehr nach seinem Handy, nur um festzustellen, daß mittlerweile auch der Akku deutliche Entropie-Erscheinungen zeigte. Und keine Ladestation in der Nähe.
Gerade als der Regen an Stärke gewann leuchteten Scheinwerfer in einiger Entfernung auf und wurden rasch größer.
Dave zögerte nicht, sondern schwang sich sofort wieder aus dem Wagen. Wobei schwingen wohl ein sehr positives Wort für entfalten war. Er hatte wirklich Mühe, sich aus dem Auto zu schälen. Seine Beine waren zu lang oder das Chassi zu kurz, vielleicht sogar beides.
Schließlich gelang es ihm doch, sich aus dem Inneren zu retten und er baute sich winkend in der Mitte der Straße auf.
Das letzte halbe Dutzend Autos, die vorbeigekommen waren, hatten nicht einmal die Geschwindigkeit gedrosselt, sondern waren unvermindert an ihm vorbeigerauscht.
Dieses Mal aber nicht!
Dave winkte mit beiden Armen und rief laut: „Hallo! Anhalten! Anhalten bitte!“
Der Wagen, ein schwerer Pickup, wurde tatsächlich langsamer.
Dave fühlte Hoffnung aufkeimen.
Tatsächlich, der Wagen wurde langsamer und bog von der Straße ab, um direkt hinter dieser Entschuldigung für ein Auto stehenzubleiben. Das Fenster auf der Fahrerseite wurde heruntergekurbelt.
Am Steuer saß ein Mann irgendwo zwischen 50 und 60 mit einer Baseballkappe auf dem Kopf und einem alten Holzfällerhemd über einem T-Shirt gekleidet. Ein recht ungepflegt wirkender Bart bedeckte die untere Hälfte seines Gesichts, während seine Augen, irgendwie gutmütig doch gleichzeitig besorgt blickend, Dave aufmerksam musterten.
„Was gibt es?“ fragte der Fremde, als Dave an den Truck herangetreten war.
„Mein Wagen ist stehengeblieben“, erklärte er und zuckte mit den Schultern. „Ich kann nichts tun.“
Bei dem Wort „Wagen“ hob der Fremde die Brauen, und Dave konnte es ihm nicht einmal verdenken. Dieses Ding war alles, aber sicher kein Auto!
„Mein Handy hat keinen Empfang, ich kann also keinen Abschleppdienst rufen“, fuhr er fort.
Der Fremde nickte verstehend. „Müssen Sie irgendwo hin?“ erkundigte er sich und griff neben sich.
Daves Herz setzte einen Schlag aus. Beinahe erwartete er, daß der Mann im Truck ihn gleich mit einer Ladung Schrot eindecken würde. Statt dessen holte er eine Wasserflasche hervor. „Durstig?“
Dave grinste. „Sie schickt der Himmel, ja!“ Er griff nach der Flasche. Sie war bis zur Markierung gefüllt, also hatte der Fremde wohl eher weniger aus ihr getrunken. Ein Grund mehr zuzugreifen.
Dave öffnete die Flasche und nahm einen tiefen Schluck.
Gott, tat das gut!
Dadurch, daß er so lange hatte auf den Leihwagen warten müssen, hatte er es schließlich versäumt, sich etwas Reiseproviant mitzunehmen. Umso mehr genoß er jetzt das Wasser.
Der Fremde musterte ihn forschend, nickte dann. „Müssen Sie weit?“ fragte er.
„Ein kleiner Ort Nähe Aspen“, antwortete Dave erleichtert.
„Ist auch meine Strecke“, erklärte der Fremde und nickte ihm zu. „Hüpfen Sie rein. Ich werd Ihnen schon nicht den Hals umdrehen.“
„Danke!“ Dave behielt die Flasche und hastete zum Leihwagen zurück, um seine Tasche zu holen. Gerade rechtzeitig zum Wolkenbruch war er dann eingestiegen in den Truck.
Der Fremde runzelte unwillig die Stirn, schaltete die Scheibenwischer eine Stufe höher und fuhr auf die Straße zurück.
„Ach, nochmals vielen Dank, daß Sie mich mitnehmen“, wandte Dave sich an seinen Retter. „Ich bin David Sheppard. Angenehmen Sie kennenzulernen.“
Der Fahrer warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. Sein rechter Mundwinkel zuckte nach oben. „Bobby Singer“, sagte er nur.
Dave seufzte und lehnte sich zurück.
Eigenartig, plötzlich fühlte er sich sicher …
Vorbereitungen by Hyndara71
Während die Winchesters weiter die „Verzierung“ des Hornes vornahmen hatte John für sich eine andere Aufgabe gefunden. Eine, die ihm zugegebenermaßen Magenschmerzen bereitete, allerdings für ihn im Moment auch eine Art Strohhalm darstellte: Er suchte nach etwas brennbarem, mit dem er was auch immer dieses Ding vor dem Haus sein mochte, auf Abstand halten konnte.
John war Realist genug um zu wissen, daß das nicht reichen würde. Er war infiziert, seine Hand sah mittlerweile mehr nach einem mit Wasser gefüllten Gummihandschuh aus dem nach etwas, das er noch zwei Tage zuvor hatte ganz normal gebrauchen können. Zudem schritt die Zersetzung fort, er fühlte seinen Arm bis zum Ellenbogen nicht mehr, dafür brannte sein Oberarm wie Feuer.
Er hatte im Tagebuch seiner Mutter einige Einträge gefunden, die auf andere Arten von Infektionen hinwiesen. Wenn, was auch immer ihm das angetan hatte, nicht starb, würde der Zerfall immer weiter fortschreiten, bis er schließlich nichts anderes mehr als ein vor Schmerz schreiendes, wabberndes Bündel sein würde. Starb das Ding vor der Tür hatte er die Chance, zumindest noch das von sich selbst zu retten, was eben noch nicht vom Gift zerfressen worden war. Im besten Falle würde er vielleicht irgendwann in einigen Tagen, Wochen oder sogar Monaten seine Hand wieder im alten Zustand vorfinden.
Aber solange er nicht wußte, ob das Ding dort draußen vielleicht die irgendwie umgewandelte Gillian war war nicht daran zu denken, es zu töten. Er würde auch mit einer Hand leben, so wie er mit einem weitestgehend vollkommen vernarbten Innenohr leben mußte, damit, daß er auf einen Schlag alles verloren hatte, was ihm je etwas bedeutet hatte.
Was also konnte er tun?
Zu allererst mußte er herausfinden, was es mit dem Ding auf sich hatte. War es eine Broucha, die sich verflogen hatte und dieses Gebiet doch ganz interessant fand konnte er immer noch dafür sorgen, daß die Winchesters (oder besser er selbst) diese Kreatur töteten. War es eine eigenartige Art Wendigo, und somit vielleicht Gillian, konnte Feuer es auf Abstand halten, es gefangenhalten, bis er irgendeinen Weg gefunden habe würde, um Gill wieder zu der zu machen, die sie früher einmal gewesen war.
So steinig sein eigener Weg auch geworden war, John glaubte immer noch an eine Lösung für wirklich jedes Problem. Vielleicht nicht immer die beste, sprich positive Lösung, aber eine Lösung.
Wenn ihm keine andere Wahl bleiben würde, würde er das Ding draußen töten, auch das war ihm klar. Er war Soldat gewesen, und er hatte gelernt, Leben zu nehmen. Er hatte Leben genommen vor und auch während Afghanistan.
Allerdings würde es ihm wirklich schwerfallen, Gillian zu töten. Er hatte sie gemocht, sie war seine beste Freundin gewesen, und umgekehrt hatte wohl auch sie ähnlich empfunden. Anders konnte er es sich nicht erklären, daß sie damals ausgerechnet hierher geflohen war.
Gill war für ihn, für jeden, der sie traf, etwas besonderes gewesen. Sie hatte vor Leben nur so gesprüht, jedem gegenüber war sie mehr als freundlich gewesen. Wenn er daran dachte, daß er vielleicht ihr Henker sein würde …
„Hey!“
John zuckte zusammen, als er die Stimme hinter seinem Rücken hörte. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter zurück. „Hey“, antwortete er.
Martin Duke stand in der Tür und beobachtete ihn.
„Was tust du da?“ erkundigte der Sheriff sich nun.
John neigte den Kopf leicht. „Ich suche nach Grillanzünder“, antwortete er.
„Du meinst es ernst, was?“
„Ich meine es verdammt ernst, Martin!“ John richtete sich auf und drehte sich um. Kühl musterte er den Sheriff. „Was willst du?“
„Hattest du etwas mit Gills Verschwinden zu tun? Ja oder nein.“ Dukes Gesicht wurde ernst bei dieser Frage. „Und schwöre deine Antwort auf deine Ehre als Polizist.“
Ein humorloses Lächeln spielte um Johns Mundwinkel.
Welche Ehre? Er hatte sich bei der Polizei schlicht aus einem Grund beworben: Er bekam nichts anderes und wußte, daß man dort gern auf Ex-Soldaten zurückgriff. Von Ehr- oder Pflichtgefühl konnte da keine Rede sein.
Trotzdem nickte er. „Ich schwöre.“
Er fühlte Dukes auffordernden Blick im Rücken, wandte sich jetzt aber nicht wieder um, sondern tat als würde er weiter nach der Flasche suchen, während er statt dessen jede Möglichkeit nutzte, um Dukes Augen nicht begegnen zu müssen.
„Ich hatte keine Ahnung, was passiert ist“, erklärte er schließlich und seufzte. „Gill war hier, das wußtest du auch. Ich hatte am Abend vor ihrem Verschwinden noch mit ihr gesprochen, da redete sie davon, zu eurem Onkel nach New Mexiko gehen zu wollen. Als ich ihr am nächsten Abend Essen bringen wollte war sie weg.“
„Wußte deine Mutter davon?“ bohrte Martin weiter.
Wieder zögerte John, schüttelte dann den Kopf. „Nein, sicher nicht.“
„Bist du dir wirklich sicher?“
„Hundertpro.“
Wie gern hätte er Martin Duke auch den Rest der Story erzählt, davon, daß die Möglichkeit bestand, daß das da draußen seine Schwester war. Davon, daß die vermutlich einzige Lösung für ihn und Dean Winchester möglicherweise in Gillians Tod lag.
John tat es nicht. Er konnte es nicht!
Dafür aber fand er den Sheriff kurz darauf an seiner Seite.
„Grillanzünder, ja?“ Martin grinste ihn an.
Dieses Grinsen hatte John schon lange nicht mehr gesehen, viel zu lange! Seit ihre Freundschaft damals an Gills Verschwinden scheiterte, um genau zu sein.
John lächelte tapfer zurück, doch innerlich fühlte sich dieses Lächeln mehr wie ein Zähnefletschen an.
Aber er brachte es einfach nicht über sich, Martin Duke die mögliche Wahrheit mitzuteilen.
Besser, er wußte nichts davon. Besser für sie alle …

***

Dean beobachtete seinen Bruder, der mit großer Sorgfalt auch noch das zweite Horn mit den Symbolen versah, die die Broucha hoffentlich töten würden.
Ihm lag Johns Reaktion schwer im Magen, noch schwerer vermutlich, weil er nicht wirklich etwas mit ihr anfangen konnte.
Warum sollte jemand sich dagegen aussprechen, wenn er die Möglichkeit hatte, sich selbst und auch noch die ganze nähere Umgebung von einem Monster zu befreien? Irgendwie ergab das ganze keinen rechten Sinn für ihn.
„Wir sollten uns darum kümmern, daß weder der Sheriff noch Sheppard der Broucha zu nahe kommen“, wandte Sam sich plötzlich an ihn. „Sheppard ist schnell, das hat er gezeigt, aber trotzdem ist er für uns ein Zivilist.“
War er das?
John Sheppard wußte verdammt viel, befand Dean. Mehr als er eigentlich wissen sollte und durfte. Zudem … mußte er selbst zugeben, daß er nicht mehr recht fit war. Das Gift floß durch seinen Körper. Vielleicht nicht ganz so viel wie eben bei Sheppard, der sich seiner Ansicht nach noch immer nicht seinem Zustand entsprechend benahm, aber offensichtlich ausreichend. Der nagende, bohrende, manchmal stechende Schmerz nagte an ihm und nur seine Selbstkontrolle ließ ihn noch immer aufrecht stehen.
Wie John Shepprad das aushielt war ihm schlicht ein Rätsel …
Sam sah auf. In seinen Augen war deutlich Sorge zu lesen. „Alles in Ordnung m mit dir?“
Dean nickte und stellte das erste Horn, das bereits fertig war und in das er nur das vorgeschriebene Pulver gerieben hatte, beiseite.
„Sheppard hält irgendwas zurück, denkst du nicht auch?“ fragte er schließlich nach einigem Zögern.
Sam betrachtete ihn zweifelnd, zuckte dann aber mit den Schultern. „Kann sein. Er weiß verdammt viel, vielleicht sogar ein bißchen mehr. Mich wundert, daß er seiner Mutter nicht nachgeeifert hat.“
Hatte er, dachte Dean, sich an das Gespräch in der Küche erinnernd. John Sheppard hatte seiner Mutter so gut wie möglich nachgeeifert. Nur hatte er nie gejagt … hatte er nie gejagt?
Vor seinem geistigen Auge erschien wieder dieser eigenartige Gesichtsausdruck, diese gläsernen, nach innen gerichteten Augen.
„Denkst du, es gibt noch viel anderes anderswo?“ fragte er schließlich.
Er wußte nicht warum, doch er schauderte unwillkürlich.
Sam runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“
Dean zog eine Grimasse im hilflosen Versuch, sich selbst zu erklären. „Naja, ich meine, andere Legenden-Gestalten als wir sie kennen. Andere Monster, wenn du so willst.“
Sam sah ihn weiter an. „Wer weiß? Bobby meinte, in letzter Zeit seien einige merkwürdige Kreaturen hier aufgetaucht.“
Dean verzog das Gesicht.
Das war es nicht, was er meinte. Es war etwas anderes. Aber etwas, was eben schwer zu erklären war für jemanden, der tagein, tagaus mit solchen Höllenwesen zu tun hatte wie er und Sam.
„Deine Theorie ist übrigens interessant“, wechselte Sam das Thema.
Dean riß sich sich aus seinen Gedanken. „Die Broucha-Wendigo-Theorie?“
Sam nickte. „Keine schlechte Idee. Würde vor allem erklären, warum man so wenige Brouchas sieht.“
Deans Magen krampfte sich wieder zusammen.
Okay, allmählich langte es! Sein Magen verhielt sich üblicherweise nicht so, und Dean mußte zugeben, er mochte es nicht, wie sein Magen sich im Moment aufführte.
Sheppard, Sheriff Duke, Broucha, Wendigo und ein kleines Mädchen, das von zu Hause ausgerissen war.
War die vermeintliche Broucha wirklich eine Art Vorläufer für einen Wendigo? Und wenn ja, dann …
Endlich fiel der Groschen!
Das Bild setzte sich zusammen, und es war kein angenehmes Bild.
„Oh Mist!“ entfuhr es Dean.
Wenn die Broucha draußen keine Broucha war sondern ein verkappter Wendigo, und der von dem anderen kreiert worden war, dann blieb in dieser Gleichung nur die Frage offen WER die Broucha/Wendigo sein könnte. Und da kam nur eine Person in Frage, die in den letzten zwnazig Jahren verschwunden war. Und das könnte auch diesen merkwürdigen Gesichtsausdruck Sheppards erklären und die Tatsache, daß er nicht wollte, daß Dean seine Theorie an die große Glocke hängte.
„Was ist?“ fragte Sam alarmiert. „Geht's dir schlechter?“
Dean fühlte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. „Ich glaube ich weiß, wer dieses Monster dort draußen wirklich ist!“
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