Das Monster by Hyndara71
Summary: SGA/CSI:NY-Crossover, erster von drei Teilen: Im New Yorker Central Park geschehen eine Reihe bestialischer Frauenmorde, und das gerade, als die Atlanter im UN-Gebäude Rede und Antwort stehen müssen. Nachdem John Sheppard am letzten Tatort gefunden wurde, richtet sich das Interesse des CSI unter May Taylor auf ihn ... Shep-Whump
Categories: Stargate Atlantis Characters: John Sheppard, Multi-Chara, Other Character
Genre: Action, Crossover, Friendship, General
Challenges: Keine
Series: Drei Fälle für drei Teams
Chapters: 18 Completed: Ja Word count: 46738 Read: 119053 Published: 18.02.12 Updated: 18.02.12

1. Wo ist Major Sheppard? by Hyndara71

2. McKays Verdacht by Hyndara71

3. Erster Verdacht by Hyndara71

4. Wiedervereinigung by Hyndara71

5. Dannys Theorie by Hyndara71

6. Internationale Bedenken by Hyndara71

7. Zwei Streithähne by Hyndara71

8. Kein ruhiger Abend by Hyndara71

9. Die Verhaftung by Hyndara71

10. Verspätete Helfer by Hyndara71

11. Macs Geheimnis by Hyndara71

12. Ermittlungen und böse Überraschungen by Hyndara71

13. Entlastet by Hyndara71

14. Johns Erinnerung by Hyndara71

15. Entmachtet by Hyndara71

16. "Onkel" George by Hyndara71

17. Showdown im Containerhafen by Hyndara71

18. Nachtrag: Was mit Bryan McKillup geschah by Hyndara71

Wo ist Major Sheppard? by Hyndara71
Disclaimer: Stargate Atlantis ist Eigentum von MGM, dem SyFy-Channel und blablabla ... CSI: NY ist Eigentum von CBS, Bruckheimer Productions und sonstwem. Diese FF wurde nicht zum Geldscheffeln geschrieben, sondern um zu unterhalten.

Zeitleiste: Für SG:A spielt das ganze zwischen den Episoden 2.01 und 2.02, für CSI:NY direkt zwischen Staffel 1 und 2.


Major John Sheppard bog vom Hauptweg ab und wurde gleich von der Dunkelheit verschluckt. Der Lärm der Großstadt und der Gestank der Abgase blieben hinter ihm zurück, während er, auf seinen Atem lauschend, den Weg unter den Bäumen entlangjoggte, den er heute nachmittag entdeckt hatte.
Big Apple - New York, die große Metropole und das Tor in die USA für viele Einwanderer seit über zweihundert Jahren. Wallstreet, Broadway, East River, Manhatten ...
Johns Gedanken liefen neben ihm.
Ein Jahr fort und er fühlte sich auf der Erde wie ein Fremder. Sicher, er kannte all das noch, aber er fühlte sich einfach ... wie ein Alien. Er war die Gerüche, die Geräuschkulisse, die Hektik, die vielen Menschen, all das nicht mehr gewohnt. Und wenn er an Elizabeth, Rodney und Carson dachte, die jetzt wahrscheinlich wieder in der Hotelsuite hockten und sich berieten über den Tag, erging es ihnen wohl nicht sehr viel anders.
Schon als sie durch das Tor gekommen waren, als sie plötzlich im Gateroom des SGC standen statt im lichten Gaterium von Atlantis, da war es ihm aufgegangen.
Aber ... war das möglich? Konnte man auf seiner eigenen Heimatwelt zum Fremden werden?
Teyla Emmagan würde ihm wahrscheinlich beipflichten. Andererseits war Teyla weit entfernt in der Pegasus-Galaxie und dort mit für den Betrieb der Stadt verantwortlich. Und die Milchstraße war alles andere als eben dieses weit entfernte Sternensystem, in dem die Wraith mehr oder weniger herrschten.
John fühlte, wie sein Kopf sich langsam klärte, je weiter er lief.
Ja, es war viel geschehen in dem Jahr, in dem sie fort gewesen waren, sowohl hier wie auch auf Atlantis. Wenn er nur daran dachte, auf welche Weise sie Aiden ...
Er beschleunigte unwillkürlich seine Schritte, lief vor dieser Erinnerung davon. Nein, nicht daran denken! Ford war nicht tot, er würde ihn wiederfinden, irgendwann und irgendwie. Und es würde ihm, verdammt noch einmal, gelingen, den Jungen wieder zur Vernunft zu bringen und dafür zu sorgen, daß es keinen größeren Ärger wegen seiner Fahnenflucht gab.
Was hatte Aiden sich denn nur dabei gedacht, verdammt? Und warum ... ?
Der leichte Kopfschmerz kehrte zurück, dessentwegen er sich aus dem Hotel verdrückt hatte. John blieb stehen und beugte sich vor, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, und atmete einfach nur. Die Gedanken hatten ihn überholt - glücklicherweise. Er sah ihnen in der Dunkelheit nach und verabschiedete sich von ihnen, vorerst. Aber er wußte auch, sie würden viel schneller wieder zu ihm zurückkehren, als ihm lieb war.
John biß sich auf die Lippen und richtete sich wieder auf. In diesem Moment hörte er den Schrei. Fluchend wirbelte er herum, die Hand an seiner Hüfte, wo er es gewohnt war, seine Beretta vorzufinden. Doch da war nichts!
Wieder ein Schrei, diesmal noch eindringlicher und ... näher?
John Sheppard zögerte nicht mehr, er raste los, in die Dunkelheit des Central Parks hinein, irgendwo im Herzen von New York ...

***

Notruf-Zentrale 22.54 Uhr:

(aufgeregt)Hallo?
Sie haben die Notrufwahl 911 gewählt. Was ist Ihr Notfall?
(Keuchen)Da draußen liegt eine Frau, die dringend Hilfe braucht. Hören Sie, da war ein ...
Beruhigen Sie sich, Sir. Melden Sie einen Notfall?
(leicht verärgert) Miss, ich würde nicht anrufen, wenn das kein Notfall wäre. Können Sie bitte jemanden herschicken?
(Stimmen im Hintergrund)
Sie melden einen Notfall, Sir. Wo?
(wieder aufgeregt) Was weiß ich wo. Ich kenne mich hier nicht aus. Im ... im Central Park. In der Nähe ist dieser kleine See mit dem Pavillon.
(Stimmen werden lauter. Ein Stöhnen dringt durch den Hörer)
Sir, ich bräuchte noch weitere Angaben. Liegt ein Verbrechen vor?
(andere Männerstimme im Hintergrund) Oh mein Gott, Sie bluten ja!
(erneutes Stöhnen) Ja, ja, ich ... ich würde schon sagen, daß ein Verbrechen vorliegt. Ich ...
Sir? Sir? Ich brauche noch Ihren Namen und Ihre Anschrift. Hallo?
(die Stimme von Gerade, jetzt laut) Hallo? Hallo? Wer ist da? Der ... dieser Jogger ist gerade ... Mist, der liegt hier und ... hier ist überall Blut!

***

Dr. Elizabeth Weir runzelte die Stirn und drehte sich zu den beiden Männern um, die mit ihr zusammen in ihrem Zimmer waren und sich jetzt sehr beredt anschwiegen.
„Wo ist eigentlich Major Sheppard?" fragte die Leiterin der Atlantis-Expedition.
Dr. Rodney McKay verzog unwillig das Gesicht und kreuzte die Arme vor der Brust. „Wo ist Major Sheppard? Was hat das ganze denn jetzt mit ihm zu tun? Wir reden hier über diese Paragrafenreiter vom IOA, ganz zu schweigen von den Betonköpfen in Washington und im SGC. Was hat das denn jetzt mit Sheppard zu tun?"
Elizabeths Blick glitt einen Moment ab, die Sorgenfalte auf ihrer Stirn vertiefte sich.
Ja, wenn McKay wüßte, ging es ihr durch den Kopf. Wenn er wüßte, was ihr da vor fünf Tagen erst im SGC vom Generalstab mitgeteilt worden war. Und bisher hatte sie noch keinerlei Bestätigung, ob ihre Nachricht überhaupt die richtigen Stellen erreicht hatte. Aber auf keinen Fall würde sie auf John Sheppard verzichten! Er war ... ja, er war in seine Rolle als militärischer Leiter unter ihr hineingewachsen und verhielt sich, zumindest meist, sehr gut und verantwortungsvoll der Stadt und deren Bewohnern gegenüber. Bei sich selbst machte er da offensichtlich Abstriche, wie seine Selbstmord-Aktion während der Belagerung gezeigt hatte. Aber ...
„Major Sheppard klagte über Kopfschmerzen. Er wollte ein wenig in den Central Park, um frische Luft zu schnappen", riß sie die ruhige, akzentschwere Stimme von Dr. Carson Beckett aus ihren Gedanken.
Elizabeth stutzte. „Er wollte was?" fragte sie, baff erstaunt.
Rodney, der gerade mit dem Schokostück von ihrem Kopfkissen beschäftigt gewesen war (natürlich hatte sie bemerkt, wie er es sich stibizte, und sie hatte absolut nichts dagegen), blickte jetzt blinzelnd auf. „Soll das jetzt wieder so eine Sheppard-Sache werden?" fragte er.
Elizabeth drehte sich wieder zum Fenster um und blickte in die, von Straßenlaternen und Scheinwerfern nur unzureichend erleuchtete Nacht hinaus.
„Ich verstehe nicht so ganz, was Sie meinen, Rodney", verteidigte Carson hinter ihrem Rücken sich. „Major Sheppard sagte mir, er wolle ein bißchen laufen und sehen, ob er die Kopfschmerzen, die ihn plagen, seit wir wieder auf der Erde sind, nicht durch ein bißchen frische Luft endlich los wird. Er möchte nicht ständig Schmerzmittel nehmen."
Aber mußte John Sheppard wirklich um diese Uhrzeit noch in den Central Park? Gerade jetzt, wo das Gesindel aus den Ecken und unter den Büschen hervorkam.
„Major Sheppard kann auf sich selbst aufpassen, Elizabeth." Carsons Stimme behielt weiter ihren ruhigen Klang. In der Fensterscheibe spiegelte sich sein liebes, offenes Gesicht. Seine Augen lächelten vertrauensvoll.
Von draußen klang das entfernte Jaulen verschiedener Martinshörner gedämpft zu Elizabeth hinauf. Kurz konnte sie einige Blaulichter über eine der Ausfallstraßen leuchten sehen, immer noch begleitet von dem ungewohnten Lärm der verschiedenen Alarmsignale.
Elizabeth rieb sich die Arme und verfolgte das blau-weiß-rote Leuchten, bis es zwischen den tiefschwarzen Schatten der anderen Häuser verschwand. Sie fröstelte unwillkürlich bei den Assozinationen,die ihr gerade durch den Kopf gingen ...
Wenn sie doch auch nur soviel Vertrauen in Sheppard haben könnte wie Carson Beckett! Aber der Major zog den Ärger geradezu magisch an ...

***

Mac Taylor stieg aus dem Taxi und nickte der Fahrerin zu. „Danke", sagte er.
Die Frau grinste. „Ich gebs bei dir ab, okay?"
Mac nickte und schloß die Beifahrertür.
Normalerweise fuhr kaum jemals jemand vorn in einem Taxi mit, er selbst, mußte er gestehen, auch nicht. Aber durch Zufall war er an Lucy geraten, als er den Gig verlassen mußte, eine alte Bekannte, der er auch sein Instrument anvertrauen konnte. Sie hatte sich sofort bereit erklärt, ihn hierher, in die Nähe der Strawberry Fields, zu fahren, oder doch zumindest so dicht dran, wie es eben ging.
Informationen besaß Mac im Moment nur sehr wenige, vor wenigen Minuten hatte Detective Don Flack ihm noch eine SMS mit dem neuesten Stand der Ermittlungen in Stichwortform geschickt:
Ein verletzter, blutüberströmter Mann, gekleidet wie ein Jogger, hatte den Notruf in einer der wenigen noch existierenden Telefonzellen benutzt und während des Anrufes die Besinnung verloren. Alle Spuren, einschließlich der Aussage des Verletzten, wiesen auf ein zweites Verbrechen eben in den Strawberry Fields hin.
Mac fühlte sich wie in einem Deja vú gefangen während er dem finsteren Nebenweg folgte, der ihn zu seinem Ziel bringen sollte. Es war erst einige Monate her, daß ein Vergewaltiger genau hier sein Opfer gefunden hatte. Nur mit sehr viel Geduld und Fingerspitzengefühl war es seinem Team gelungen, diesen Fall aufzuklären.
Ob es Orte gab, die das Unheil anzogen?
Mac war sich da nicht sicher, doch er war stolz darauf, immer für alles offen zu sein - nun ja, fast immer. Aber er ließ erst einmal jede Theorie gelten, und sei sie noch so abwegig, um sich nach und nach voranzuarbeiten und das Unmögliche auszuschließen. Und so versuchte er die schwierige Arbeit beim CSI auch seinem Team zu lehren.
Allerdings gab es Tage, oder wie in diesem Fall Nächte, in denen ihm die objektive Arbeit schwerer fiel als sonst. Und so war es auch im Moment. Darum war er mehr als froh gewesen, mit der Jazzband auftreten zu können, der er sich vor ein paar Wochen angeschlossen hatte.
Seit einigen Tagen nämlich wurde der Central-Park von mehr als der üblichen Klientel zur Nachtstunde heimgesucht. Die Zeitungen hatten dem grausamen und brutalen Vergewaltiger und Mörder bereits einen Spitznamen verpaßt: Der Central-Park-Ripper. Doch bisher hatte der sich am anderen Ende der grünen Lunge der Millionen-Metropole aufgehalten und sein blutiges Handwerk verrichtet.
Womit also hatte Mac es jetzt zu tun? Hatte der Killer sein Revier gewechselt, was für einen Vergewaltiger mehr als untypisch war? Oder handelte es sich um falschen Alarm und es gab schlichtweg nichts anderes als den üblichen, in Central-Park überfallenen Mann?
Mac schätzte, er würde es eher erfahren, als er sich jetzt denken konnte.
„Da bist du ja!" Stella Bonasera, neben ihm die zweite erfahrene Tatortermittlerin, lächelte ihm entgegen, als er aus der Dunkelheit der Nacht hinein in den blendend hell erleuchteten Ort des Geschehens trat.
Mac mußte einen Moment lang die Augen schließen, dann blinzelte er und sah sich um.
Gut, Stella war offensichtlich bereits damit beschäftigt, die Spuren hier am See zu sichern, in einiger Entfernung konnte er Don Flack ausmachen, der mit einem Pärchen sprach, das auf einer Parkbank am Seeufer hockte. Rascheln in den Sträuchern und umherstreifende scharf umrissene Lichter wiesen auf andere hin, die sich in die Büsche geschlagen hatten und dort nach weiteren Spuren suchten. Direkt am See und rund um die Telefonzelle spendeten tragbare, kleine Scheinwerfer genügend Licht, damit ihnen auch nicht die winzigsten Spuren entgingen. Der Krankenwagen mit dem verletzten Anrufer bog gerade um die Kurve und verschwand damit aus seinem Sichtfeld.
„Wie weit seid ihr?" Mac drehte sich wieder zu Stella um und sah sie fragend an.
Die attraktive Griechin grinste und legte die Kamera zur Seite, mit der sie gerade damit beschäftigt gewesen war, die von ihr markierten Spuren zu sichern. „Daß ich einmal eher an einem Tatort sein würde als du, Mac, hätte ich nicht einmal im Traum angenommen", foppte sie ihn.
Mac schmunzelte, neigte den Kopf leicht nach vorn und nickte. „Ich war ... nicht darauf eingestellt, noch einmal zum Dienst gerufen zu werden", gab er zu, sah dann stirnrunzelnd wieder auf. „Und wer sagt mir immer, ich solle endlich wieder unter Menschen gehen?"
Stella lachte und warf ihr schulterlanges, gelocktes Haar zurück. „Schon gut." Sie hob beschwichtigend die Hand, wurde dann unvermittelt ernst. „Der Verletzte war leider noch immer nicht ansprechbar", begann sie dann zu erklären. „Allerdings hat er eine deutliche Spur hinterlassen. Ich habe Aiden und Danny daran gesetzt, den eigentlichen Tatort zu suchen."
„Hälst du das für klug?" erkundigte Mac sich mit hochgezogenen Brauen, die Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben.
„Die beiden müssen lernen, das sagst du doch immer." Stella schenkte ihm ihr charmantestes Lächeln. „Außerdem dürften die Spuren innerhalb des Wäldchens wesentlich einfacher zu sichern sein als hier draußen. Die Straßenreinigung hat dieses Gebiet heute ausgelassen. Genau als wüßten sie, daß wir hier nach Spuren suchen müßten."
Mac schmunzelte. „Du willst doch wohl nicht den öffentlichen Einrichtungen dieser Stadt unterstellen, sie wollten unsere Arbeit untergraben, oder? Weder der Polizeichef noch der Bürgermeister werden das gern hören."
Stellas Gesicht verzog sich unwillig.
Mac kannte ihre Abneigungen nur zu gut. Immerhin waren sie beide schon Partner gewesen, als seine Frau noch ...
Rasch schob er den Gedanken beiseite. „Was hast du noch?"
Stella sah kurz zu Flack hinüber, dann breitete sich wieder dieses zufriedene Lächeln über ihr Gesicht aus. „Möglicherweise interessiert es dich zu erfahren, daß unser einsamer Jogger ein Militärangehöriger ist. Seine Erkennungsmarken waren deutlich zu sehen." Sie griff sich ihren Notizblock und las laut vor: „John Sheppard, Dienst-Nr. 78..."
„Wir haben da was gefunden", meldete sich in diesem Moment die Stimme von Danny Messer über das Funkgerät, das aus der Tasche von Stellas Jacke lugte. Die Tatortermittlerin klappte ihr Notizbuch wieder zu, verstaute es in der gleichen Tasche und holte statt dessen das kleine Walky Talky hervor. „Mac und ich kommen", antwortete sie. „Rührt mir ja nichts an!"
„Ihr solltet einen Notarzt mitbringen, die Frau sieht nicht gut aus", erklärte Danny mit angespannter Stimme. „Sie blutet ziemlich stark."
„Wir sind unterwegs." Mac sah kurz zu dem zweiten Krankenwagen hinüber und gab Stella dann ein Zeichen. Die nickte und griff sich die Kamera, während er dem Notarzt Bescheid gab.
McKays Verdacht by Hyndara71
Wirklich ein Saftladen, dieses Hotel! Einen so schlechten Zimmerservice hatte er ja wirklich noch nie erlebt. Und er hätte wirklich etwas anderes erwartet. Immerhin hatte er ein Jahr lang sein Leben riskiert in dieser von Wraith verseuchten Galaxie, Lichtjahre entfernt von der Erde. Aber wo quartierte das IOA sie ein? In der allerletzten Bruchbude!
Rodney McKay stieg, vor sich hinbrodelnd, die Treppe zur Lobby hinunter.
Nachdem er sich von Beckett und Weir getrennt hatte, hatte er sich eigentlich nach der langen Abstinenz, einen kleinen Gute-Nacht-Schluck gönnen wollen. Doch was fand er, als er die Minibar seines Hotelzimmers öffnete? Non-Alkoholika! Statt also einen kühlen Brandy, der ihm das Einschlafen etwas erleichtern sollte, zu genießen, hatte er den Zimmerservice angerufen, nur um zu erfahren, daß in diesem Hotel der Genuß von Alkohol auf den Zimmern untersagt war, solange die Bar im Erdgeschoß geöffnet hatte.
Eine eigene Art der Prohibition!
Rodney murmelte wüste Beschimpfungen vor sich hin, während er die Seitentür öffnete, die in die Lobby führte.
Um dem ganzen dann noch die Krone aufzusetzen, waren auch noch die beiden Lifte ausgefallen und er hatte diese dämliche, mit einem dicken Teppich belegte, Treppe nutzen müssen.
Man wollte ihn hier zum Wahnsinn treiben! Wahrscheinlich würde ihn am Ende seiner Odyssee auch noch ein „Geschlossen"-Schild vor der Bar erwarten. Dann aber würde er sich den Manager dieses Etablisments zur Brust nehmen. Immerhin war er ein, für den Fortbestand der Menschheit wichtiger Wissenschaftler! Man konnte ihn nicht so einfach ...
„... ein Mord, schon der fünfte. Und offensichtlich hat der Central-Park-Ripper sein Gebiet gewechselt ..."
Bei dem Wort Central Park ging Rodney auf, daß der Major noch immer nicht von seiner Jogging-Runde zurück war. Und was hörte er da ... ?
Der egozentrische Wissenschaftler drehte sich um. Der Nachtportier hatte sich über ein kleines Radio gebeugt und war nun offensichtlich damit beschäftigt, den Ton so leise wie möglich zu stellen, um mögliche Nachtschwärmer wie ihn nicht zu stören. Immerhin ging es auf Mitternacht zu.
„... Verletzter gefunden. Es ist noch nicht klar, ob es sich um einen Tatverdächtigen ..."
In Rodneys Kopf schrillten plötzlich sämtliche Alarmsirenen.
Ein Verletzter und ein offensichtlicher Serienkiller im Central Park, just dann, wenn Sheppard ausgerechnet IM Central Park joggen wollte und schon seit gut einer Stunde überfällig war. Nein, das war kein Zufall! Das war wieder so ein Sheppard-Ding, davon war er überzeugt.
Rodney drehte sich auf dem Absatz um und marschierte zur Brandschutztür zurück. Er mußte Elizabeth Bescheid geben. Da war etwas passiert, das war sicher.

***

Der Notarzt gab den beiden Sanitätern einen Wink und erhob sich langsam, seine Hände auf die Oberschenkel gestützt, wieder. Dabei achtete er, Mac bemerkte es mit einem gewissen Wohlwollen, darauf, ja nicht zuviele Spuren zu verwischen.
Aiden Burn, die junge Kriminalistin aus Brooklyn, murmelte etwas unwilliges vor sich hin, während sie zur Seite trat, um den Sanitätern Platz zu machen. „Aber bitte nicht über die Blutflecken stolpern!" rief sie ihnen nach.
Mac schüttelte den Kopf, wandte sich an den Notarzt: „Wie sieht es aus?"
Der noch relativ junge Mann mit den dunklen Schatten unter den Augen seufzte schwer und schüttelte den Kopf. „Ziemlich übel", antwortete er. „Sie liegt im Koma. Ein Glück, daß jemand Erste-Hilfe geleistet hat, sonst wäre sie schon verblutet. Was auch immer der Kerl da in sie ... verdammt, so wie es aussieht, ist ihre Gebärmutter im wahrsten Sinne des Wortes perforiert! Soetwas habe ich noch nie gesehen."
Mac nickte, wechselte einen Blick mit Stella, die sich den Fundort des Opfers gerade mit ihrer Taschenlampe genauer angesehen hatte.
„Danke", sagte er dann zu dem Notarzt. Sicher eher ein Assistenzarzt aus einem der umliegenden Krankenhäuser, nach dem sichtbaren Grad der Übermüdung zu schließen.
Der junge Mann nickte. „Brauchen Sie noch irgendetwas von uns?"
Danny Messer, das letzte Mitglied von Macs Team, empfand das wohl als Stichwort. „Wir brauchen Ihre Schuhe - auch die der Sanis", erklärte er. „Wir müssen die Spuren vergleichen."
Der junge Arzt nickte. „Schon klar."
„Wohin wird sie gebracht?" fragte Mac nach.
Sein Gegenüber hob die Schultern und rieb sich die Arme, als würde er frieren. Vielleicht tat er das auch, so sicher konnte man sich da nicht sein. „Ins Angel of Mercy, wie schon der Jogger. Aber der dürfte relativ schnell wieder fit sein."
Mac ging auf, daß er noch immer nicht genau wußte, was es mit diesem geheimnisvollen Anrufer auf sich hatte. War er nun ein Zeuge oder eher ein Tatverdächtiger? Für ihn sprach, daß er wohl offensichtlich versucht hatte, Hilfe zu holen, vielleicht auch Erste-Hilfe geleistet hatte. Andererseits aber schien er der einzige zu sein, der etwas von diesem Überfall bemerkt hatte, einmal abgesehen von dem Opfer. Wie hatte er ihn also einzuordnen?
„Sonst noch etwas?" erkundigte der Notarzt sich.
Mac schüttelte den Kopf. „Kommen Sie morgen im Laufe des Tages einfach vorbei und geben Ihre Schuhe ab. Wird nicht lange dauern."
Der junge Mann nickte, gähnte einmal und ging langsam den schmalen Pfad zurück, den sie gekommen waren.
Mac zückte seine Taschenlampe, als ihm etwas auffiel. Im wenigen Licht der anderen Lampen glitzerte etwas unregelmäßig. Eigentlich hatte er sich dem Fundort des Opfers zuwenden wollen, aber jetzt ...
Er trat vorsichtig näher und hockte sich schließlich hin, als er sah, was genau seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Halb hinter ihm erhellten in unregelmäßigen Abständen die Blitze der beiden Kameras die unwirkliche Szenerie.
Eine Armbanduhr.
Mac kramte seine Handschuhe aus der Jackentasche und hob das Beweisstück schließlich vom Boden auf.
Offensichtlich eine Uhr aus Armeebeständen. Nur ... las er richtig oder zeigte sie gerade tatsächlich die fünfundzwanzigste Stunde des Tages an?
Mac schüttelte den Kopf, sah dann auf und leuchtete mit seiner Taschenlampe den Stamm des alten Baumes an, unter dem er sich befand.
„Danny, hier ist Blut und ..." Mac erhob sich und trat näher. Aufmerksam betrachtete er, was er gefunden hatte. „Blut und Haare. Das da könnten auch einige Hautfetzen sein." Mac senkte die Lampe und leuchtete den lockeren Boden unterhalb des Baumes an. Hier müßte es Fußabdrücke geben, weich genug war der Humus dafür. Er konnte auch relativ deutlich den Abdruck eines menschlichen Körpers sehen, der sich in die lockere Erde gegraben hatte.

***

>>>>>Der Jogger prallte mit dem Körper gegen den Baumstamm und sackte daran zu Boden, wo sich der Abdruck seines Körpers in das alte Laub und die gerade aufgelockerte Erde grub.
Während er gegen den Stamm geschleudert wurde, prallte erst sein Kopf, dann seine Schläfe gegen den Stamm. Die Haut schrammte an der rauhen Rinde auf, Blut, Hautfetzen und einige Kopfhaare wurden ausgerissen. Der Stoff seiner Kleidung hinterließ ebenfalls Spuren.
Die Uhr fiel von seinem Handgelenk ...>Der Mann beugte sich über die Verletzte, sah, daß sie unkontrolliert aus mehreren Wunden blutete, am schlimmsten aber unter dem hellen Rock, den sie trug.
Er überlegte nicht lange, sondern schlüpfte aus seiner Jacke, um mit ihr das Blut zu stillen. Danach versuchte er erst, Erste Hilfe zu leisten, ehe er sich erhob und davonlief - Richtung See, zur Telefonzelle.
Erster Verdacht by Hyndara71
Mac hatte sich kurz mit dem behandelnden Arzt unterhalten und herausgefunden, daß der Jogger, John Sheppard, inzwischen wieder bei Bewußtsein und ansprechbar war.
Der Militärangehörige hatte sehr viel Glück gehabt, keine bleibenden Schäden, nicht einmal eine Gehirnerschütterung. Was ihn letztendlich umgehauen hatte, als er den Anruf tätigte, war schlicht und ergreifend ein plötzliches Absacken des Blutdrucks gewesen, als der Adrenalinschub nachließ. Die Platzwunde an der Schläfe sah zwar gefährlich aus und hatte mit zwei Stichen genäht werden müssen, war aber nur oberflächlich, ebenso wie die Schrammen an Wange, Ohr und Hals. Die Hämatome würden dem Mann allerdings, so hatte der Arzt versichert, noch einige Schmerzen bereiten, wie auch die deutlichen Gewebeunterblutungen an seinem Hals. Offensichtlich hatte jemand versucht, ihn zu erwürgen. Abwehrverletzungen an den Armen und ein Schnitt in der linken Hand wiesen auf einen doch wohl etwas länger andauernden Kampf hin und waren allesamt protokolliert worden.
Was Mac allerdings unzufrieden sein ließ war die Tatsache, daß John Sheppard aufgrund der leichten Kopfverletzung an einer partiellen Amnesie litt. Soweit der Arzt es ihm hatte mitteilen können, erinnerte der Militär sich sowohl an sein Leben bis zu seiner Joggingrunde im Central Park wie auch an sein Erwachen im Angel of Mercy, aber der Angriff und der Anruf bei der Notrufzentrale waren für ihn ins Dunkel gehüllt.
Mac Taylor zögerte einen Moment, ehe er die Tür öffnete, hinter der sich das Krankenzimmer befand, in dem sich John Sheppard aufhielt. So oder so, er wollte sich ein Bild von dem Mann machen und sehen, wie er ihn in diesen Fall einordnen konnte.
Als er auf der Schwelle stand, staunte Mac nicht schlecht über den Anblick, der sich ihm bot.
Sheppard saß, in einen Krankenhauskittel gehüllt und die Decke über die Beine geschlagen, in seinem Bett und blinzelte gerade der Schwester zu, die offensichtlich damit beschäftigt war, die Schläfenwunde zu versorgen. Die junge Frau errötete sichtlich und senkte, mit einem leisen, schüchternen Lächeln, den Kopf. Besonders sorgsam strich sie noch einmal die Ränder des Pflasters glatt, während Sheppard sie weiter anlächelte und seine haselnußfarbenen Augen flirten ließ.
Mac verkniff sich ein Schmunzeln, musterte den Mann vor sich.
Sheppard war hochgewachsen und schlank mit einem offenen, freundlichen Gesicht, das Frauen sicher anziehend finden konnten. Das Haar trug er zwar in der vorgeschriebenen Länge für das Militär, allerdings in einer Frisur, die Mac alles andere als regelkonform fand und ihm in gewisser Weise das Aussehen eines Schuljungen gab.
Deutlich waren jetzt die Hämatome und Hautabschürfungen auszumachen, die sichtbar waren. Ein leichter, bläulicher Schimmer lag um sein Auge auf der rechten Seite, eben der, mit der er gegen den Baum geprallt war. Die Würgemale am Hals zeichneten sich im weißlichen Licht aus den Leuchtstoffröhren beinahe überdeutlich ab.
„Mister Sheppard?" wagte Mac sich endlich vor, nachdem die Schwester das Verbandszeug wieder einsammelte unter den sichtlich wohlwollenden Blicken des Militärs.
Der wandte dem Tatortermittler sofort sein Interesse zu. „Major", sagte er mit angenehmer Stimme, richtete sich etwas auf im Bett. Mac ging auf, daß dieses für ihn offensichtlich ein paar Zentimeter zu kurz geraten war, trat näher, die Akte mit den Fotos und dem Protokoll in den Händen, die das Krankenhaus in weiser Voraussicht angefertigt hatte für das CSI.
Der Patient grinste schief. „Major John Sheppard, US Air Force", stellte er sich vor.
Mac nickte, wies auf seine Marke, die er offen an der Brusttasche seines Jacketts trug. „Mac Taylor, NYPD", entgegnete er.
Sheppard lächelte unsicher, hob die Hand. „Ich wußte, daß Sie noch mit mir sprechen wollen, aber ..."
Die Schwester verließ, vielleicht eine Spur zu schnell, das Krankenzimmer.
Mac nickte wieder, zog sich einen Stuhl heran. „Schon klar, ich habe bereits mit dem behandelnden Arzt gesprochen", fiel er dem Major ins Wort. „Ich wollte trotzdem noch einige Worte mit Ihnen wechseln und mir ein Bild von Ihnen machen. Immerhin, Sie scheinen ein Held zu sein."
Sheppard runzelte die Stirn. „Wie geht es ... der Frau?" fragte er zögernd. Einen Moment lang war sein Blick hilflos geworden und seine Augen umhergeirrt.
Mac lehnte sich zurück. Der Major schien sich wirklich nicht erinnern zu können. Vielleicht ... noch nicht, wie er hoffte. „Sie liegt im Koma", antwortete er.
Erleichterung lag in den haselnußfarbenen Augen, mit einer kurzen Grimasse nickte Sheppard. „Gut", seufzte er.
Mac mußte zugeben, sein Gegenüber war ihm sympatisch. Er schien es ehrlich zu meinen und erschien ihm relativ offen und umgänglich. Es nagte offensichtlich an ihm, daß er sich nicht erinnern konnte, was genau vorgefallen war, und Mac war sich ziemlich sicher, daß er alles daransetzen würde, seine Erinnerung zurückzuerlangen. Hoffentlich nicht zuviel.
Sheppard atmete tief ein. „Ich müßte meine Base informieren, sollte ich in Schwierigkeiten stecken", sagte er und warf Mac einen bittenden Blick zu.
„Schon in Ordnung. Sie sind ein Zeuge und haben der Frau vielleicht sogar das Leben gerettet", entgegnete der Tatortermittler mit einem halben Lächeln. „Von mir aus können Sie Ihren Stationierungsort informieren, aber bisher sehe ich keine Veranlassung dazu. Wenn ich fragen darf, wo?"
Der Blick, der ihm zugeworfen wurde, ehe der Major ein so offensichtliches Pokerface aufsetzte, daß es Mac schlicht verblüffte, sprach Bände. Offensichtlich hatte da jemand gerade einigen Ärger hinter sich.
„Cheyenne-Mountain, Colorado", antwortete Sheppard, lächelte dann wieder und zog die Schultern hoch. „Allerdings ... ich schätze, Sie kennen sich mit den Sicherheitsstufen und dazugehörigen Befugnissen aus."
Mac stutzte.
Sicherheitsstufe? Colorado? Was machte Sheppard dann hier in New York? Immerhin lag Colorado nicht gerade um die Ecke ... wo auch immer sich diese Cheyenne-Mountain-Base genau befinden mochte ...
„Und was machen Sie hier?" entfuhr es ihm, ehe er den Gedanken wirklich zu Ende gedacht hatte.
Wieder ein hilfloser Blick. „Ich ... äh ... zur Zeit nehme ich an einer Konferenz bei den Vereinten Nationen teil", kam die ausweichende Antwort.
Eine Konferenz bei den Vereinten Nationen? Es war doch gar kein Sicherheitsalarm gegeben worden.
Mac entschloß sich, auch wenn alles in ihm nach einer Aufklärung schrie, die Sache erst einmal ad akta zu legen. Offensichtlich ging da irgendetwas vor, wovon er keine Ahnung hatte, und auch nicht wirklich wußte, ob er es wissen wollte.
Sheppard wand sich sichtlich unter seinem Blick, was ihn irgendwie amüsierte.
Doch, dieser Major war ihm sympatisch und hätte wohl auch gern mit ihm zusammengearbeitet, wenn da nicht gewisse Hemmschwellen in seinem Leben gewesen wären. Seine Reaktionen waren interessant, wie Mac fand. Auch wenn er kein Psychologe war, die deutlichen Hinweise auf das Ungesagte blieben.
„Dann werden Sie nicht mehr lange in New York sein?" erkundigte er sich.
Sheppard schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht, während er mit der Hand über das Pflaster tastete. Offensichtlich hatte er doch leichte Schmerzen. „Bis die Besprechungen abgeschlossen sind. Danach muß ich wieder zurück."
Mac nickte und griff in seine Tasche, um eine Visitenkarte hervorzuziehen. „Der Arzt ist ziemlich zuversichtlich, daß Sie Ihr Gedächtnis wiederfinden werden. Daher möchte ich Sie bitten, sich bei uns zu melden, sobald Sie mehr wissen."
Sheppard griff zögernd nach dem Kärtchen, nickte dann aber wieder, diesmal aber nur andeutungsweise. „Wenn ich kann, werde ich das gern tun. Der Arzt meinte, dieser Kerl habe schon mehrere Frauen getötet."
Mac erhob sich, schlug mit der Akte leicht auf seinen Oberschenkel. „Heute abend fand der fünfte Angriff statt", antwortete er. „Die anderen vier Opfer hatten nicht soviel Glück."
Kurz war es ihm, als könne er einen gewissen Schrecken in Sheppards Augen sehen, dann wandte der den Kopf ab. „Fünf ... ?"
Kehrte die Erinnerung jetzt schon wieder?
Mac wollte gerade nachfragen, als die Tür sich erneut öffnete. Er drehte sich um und sah Stella auf der Schwelle stehen und ihn mit ernstem Gesicht ansehen. Es brauchte keine Worte, Mac wußte, was sie ihm sagen wollte.
Er gab ihr ein Zeichen, daß sie draußen warten sollte und wandte sich wieder dem Militär zu. Sheppard sah ihn an, Verständnis in den Augen.
Mac begriff, der Major hatte das kurze stumme Zwiegespräch zwischen ihm und Stella verstanden und die richtigen Schlüsse daraus gezogen.

***

Elizabeth seufzte erleichtert, als sich endlich jemand am anderen Ende der Leitung meldete. Ihre bisherigen Versuche, etwas über Major Sheppards Verbleib herauszufinden, waren vollkommen fruchtlos geblieben. Die Krankenhäuser in der näheren Umgebung des Central Parks gaben generell keine Auskünfte per Telefon, schon gar nicht über neue Patienten. Niemand wollte bestätigen oder dementieren, daß Sheppard in einem Krankenhaus lag, vielleicht sogar gerade in dem, in dem sie anriefen.
Rodney hatte sich irgendwann wieder hinter seinem Laptop versteckt und tippte wie ein Wahnsinniger darauf herum, was auch immer er dachte, damit ändern zu können an ihrer Lage. Seine Flüche wurden mal lauter, mal leiser.
Und Carson ... ? Nun, der Mediziner hatte sich mit einer Liste von Telefonnummern in sein Zimmer zurückgezogen und war vielleicht sogar noch damit beschäftigt, diese nachzuprüfen. Allerdings wagte Elizabeth nach ihrer vollkommenen Niederlage zu bezweifeln, daß der schottische Arzt mehr Erfolg haben würde, zumal bei ihm wohl auch noch klar hörbar war, daß er keinesfalls ein nahestehender Verwandter sein konnte.
„Außenstelle NORAD-Base, Cheyenne-Mountain-Complex", meldete sich eine vollkommen desinteressiert klingende Stimme am anderen Ende der Leitung.
Elizabeth schloß einen Moment lang die Augen und atmete tief ein.
Endlich!
Plötzlich fühlte sie die Verantwortung nicht mehr ganz so schwer auf ihren Schultern lasten. Jetzt konnte sie einen nicht gerade kleinen Teil eben dieser Verantwortung abgeben in der Hoffnung, daß andere möglicherweise besser informiert waren als sie.
„Hier spricht Dr. Elizabeth Weir", sagte sie, nannte ihren persönlichen Code und verlangte dann umgehend einen Verantwortlichen zu sprechen. Der männliche Telefonist, der kaum zu Wort gekommen war, stellte sie nun so rasch auf eine interne, abhörsichere Leitung um, daß Elizabeth schon dachte, sie wäre auf einem Abstellgleis gelandet.
Und dann ging es ihr auf: Genral Landry, der gerade mit seiner Übernahme des SGC beschäftigt war, hatte sie gewarnt, weil sie darauf beharrt hatte, Major Sheppard mit nach New York zu nehmen. Sie sei verantwortlich für ihn, auch wenn er in Schwierigkeiten geraten würde.
Nun, offensichtlich war er in Schwierigkeiten geraten, immerhin war er mittlerweile mehr als drei Stunden überfällig.
„Ja?" meldete sich in diesem Moment genau die Stimme, mit der sie gar nicht gerechnet hatte. Landry war tatsächlich noch im Komplex, was auch immer das zu bedeuten haben dürfte.
„Hier ist Weir. Ich rufe aus New York an", sagte sie und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Rodney von seinem Treiben hochblickte, die Stirn aber weiter gerunzelt hielt. Der Kanadier war tatsächlich in Sorge um Sheppard.
„Dr. Weir, hatten Sie morgen nicht noch eine wichtige Sitzung?" fragte Landry überrascht. „Sollten Sie nicht längst schlafen?"
Elizabeth fühlte, wie ein erleichtertes Lächeln sich auf ihre Lippen stahl. „Ich fürchte, viel Schlaf werde ich heute nacht nicht mehr bekommen, General. Es geht um Major Sheppard", kam sie gleich zum Punkt.
Wenn sie mit jemandem verhandeln konnte im Cheyenne-Mountain, dann mit Landry. Der sagte zwar das, was der Generalstab hören wollte, meinte aber tatsächlich zumeist etwas vollkommen anderes, das war ihr schon bei der Unterredung letzte Woche aufgefallen. Sie war sich auch ziemlich sicher, daß Landry John Sheppard lieber heute als morgen wieder auf Atlantis - und damit sehr weit entfernt von seiner Befehlsgewalt - sehen wollte. Es sägten eben andere an dem Stuhl ihres militärischen Leiters. Andere, denen er nicht militärkonform genug war und die ihn am liebsten wohl irgendwo auf der Erde weggesperrt hätten, damit er auch ja nicht wieder auf dumme Gedanken kam.
„Nanu, sind Sie denn noch nicht informiert worden?" Landry klang überrascht - und spitzbübisch, wie sie ihn schon einmal erlebt hatte.
Elizabeth wandte sich ab und starrte aus dem Fenster. „Inwiefern informiert?" fragte sie.
„Major Sheppard hat sich vor etwas mehr als einer Stunde gemeldet. Er liegt mit dem Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung zur Beobachtung im Angel of Mercy-Krankenhaus. Das müßte gleich um die Ecke von Ihrem Hotel sein. Eigentlich sollte er sich noch bei Ihnen melden." Durch Landrys Stimme klang das deutliche Schmunzeln hindurch.
Elizabeth seufzte erleichtert, schloß die Augen und ließ einen Moment lang den Kopf hängen. „Gott sei Dank!"
„Er klang allerdings schon reichlich ... benommen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß er wohl unter Medikamenteneinfluß stand. Er wollte nicht mehr darüber preisgeben, nur, daß er wohl einen Zusammenstoß gehabt hätte mit jemandem."
„Das haben wir vermutet", sagte Elizabeth.
„Gut, dann kann ich Sie beruhigen", fuhr Landry fort. „Major Sheppard liegt, wie gesagt, im Angel of Mercy und wird wohl morgen, sofern keine Komplikationen eintreten, entlassen werden. Sorgen Sie nur dafür, daß er seine Füße stillhält, Dr. Weir, bis Verstärkung bei Ihnen eintrifft."
Elizabeth stutzte. „Wie bitte?"
Wieder dieses deutliche Schmunzeln in Landrys Stimme. „Da Major Sheppard alles andere als befriedigend klang in meinen Ohren, habe ich mir erlaubt, Ihnen zwei Leute nach New York zu senden, Major Evan Lorne und Sergeant George Dorn. Die beiden sollen die Wogen etwas glätten und Sheppard an die Leine nehmen. Nicht, daß ich Ihnen das nicht zutraue, Dr. Weir, aber ..."
Elizabeth runzelte die Stirn. „Der Major Lorne, der auf der Liste derer steht, die nach Atlantis versetzt werden sollen?"
„Eben der. So können Sie sich schon einmal einen Eindruck von ihm machen. Der Major ist ein ruhiger und genügsamer Zeitgenosse, glauben Sie mir."
Lorne und Dorn? Das klang in ihren Ohren nicht sehr überzeugend, mußte sie zugeben. Nein, es klang eher wie der billige Versuch einer zweitklassigen Komödie, schon im Titel witzig zu sein.
„Am besten, Dr. Weir, Sie besuchen morgen früh Major Sheppard und sehen, ob Sie ihn mitnehmen können." Landrys Stimme klang abschließend. „Und ... er erwähnte etwas von Ersatzkleidung, was auch immer das bedeuten soll. Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn Sie dafür sorgen würden, daß er angemessen bekleidet ist."
Elizabeth nickte, fühlte die Müdigkeit jetzt doch, die tief in ihr nagte. „Gut, und danke, General", sagte sie.
„Passen Sie mir nur auf, daß Sheppard nicht noch mehr Unsinn macht. Gute Nacht, Dr. Weir." Es knackte in der Leitung, als Landry auflegte.
„Mal wieder typisch Sheppard", muffelte Rodney in dem Moment los, in dem sie den Hörer sinken ließ. „Mich wundert nur, daß er sich überhaupt irgendwo gemeldet hat."
Das allerdings wunderte Elizabeth ganz und gar nicht ...

***

Schwärze ... abgrundtiefe, bodenlose Schwärze ... nur unterbrochen von diesem schrillen Kreischen.
Schmerz!
Er warf sich herum.
Schwärze ...
Der Atem blieb ihm weg. Etwas schnürte seine Kehle zu. Er versuchte sich zu wehren, doch es gelang ihm nicht.
Wieder dieses schrille, schmerzerfüllte Kreischen.
Rote Schlieren in der Finsternis.
Er versuchte, sich irgendwie zu wehren, gegen das anzukämpfen, was ihm den Atem raubte. Doch es war, als wäre er von einer amorphen Masse umgeben, nicht wirklich fest, doch auch nicht wirklich flüssig. Es bedeckte seine Hände, hielt sie gefangen.
Schmerz zuckte durch seinen Körper.
Die roten Schlieren erleuchteten die Finsternis, das Kreischen schwoll stakatoartig an und ab und ließ seinen Verstand dahinschmelzen.
Und dann fühlte er etwas festes, unnachgiebiges unter seinen Fingern, gerade als er diese beiden leuchtenden Lichter wahrnahm.
Er konnte nicht atmen!
„NICHT DU!"

***

John Sheppard saß aufrecht im Bett, hielt sich den schmerzenden Hals und keuchte, während seine Augen sich allmählich an die Dunkelheit, die ihn umgab, gewöhnten.
Schritte draußen auf dem Flur. Der schmale Lichtfinger, der unter der Tür hineinschien, wurde kurz durchbrochen.
John keuchte, sank dann auf das Bett zurück und starrte zur Decke hinauf. Er fühlte, wie sein Herz hart gegen seine Rippen schlug. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn.
Er schluckte, um etwas gegen den trockenen Hals zu tun, versuchte sich irgendwie zu beruhigen. Doch er fühlte, daß ihm das nicht wirklich gelang.
Stöhnend rollte er sich auf die Seite und barg das Gesicht in den Händen.
Was war denn nur passiert im Park? Warum konnte er sich an nichts erinnern?
Die Kopfschmerzen setzten wieder ein, dieses Mal aber waren sie nicht mehr als ein dumpfes Pochen, das im Einklang mit seinem Herzschlag an- und abschwoll.
Er war sich sicher, heute nacht keinen Schlaf mehr finden zu können. Nein, nicht nach dem, was sich da gerade abgespielt hatte in seinem Unterbewußtsein. Wenn er nur daran dachte, wie er versucht hatte, sich im Traum gegen diese amorphe Masse zu wehren, liefen ihm kalte Schauer den Rücken hinunter.
John ließ die Hände sinken.
Er tat es selten, doch manchmal brauchte er seine eigene Schwäche, um die Stärke in seinem Inneren wiederzufinden. Auf Atlantis zog er sich dann meist in sein Quartier zurück, tat nichts anderes als auf seinem Bett zu sitzen oder zu liegen und ließ sich einfach treiben. Aber er hatte es sich bisher nicht leisten können, eine Schwäche zu zeigen. Nicht in der Öffentlichkeit. Nicht, solange er Sumners Stelle hatte einnehmen müssen.
Aiden Ford. Warum hatte er nur den Jungen nicht aufhalten können? Wieso hatte er nicht verhindern können, was geschehen war? Irgendetwas hätte ihm doch einfallen müssen! Warum hatte er nicht auf ihn geschossen? Warum war er nicht mehr und tiefer in Beckett gedrungen, damit Ford mehr und besser geholfen werden konnte? Warum war er nicht da gewesen, als der Wraith sich auf den Jungen stürzte? Warum hatte er nur das Gefühl, immer zu spät zu kommen? Warum kam er zu spät?
Erst Sumner, dann Ford und jetzt diese fremde Frau, an die er sich nicht einmal erinnerte. Da bezeichnete man ihn als Helden, doch er hatte die, die er hätte retten müssen, allesamt verloren. Er hatte versagt, in allen Fällen. Sumner war tot, Ford geisterte wer-wußte-schon-wo herum und diese Fremde war ihren Verletzungen erlegen - und er hatte allmählich das Gefühl, als würde er den Verstand verlieren, wenn das noch lange so weiterging. Irgendwann mußte er doch endlich jemanden retten können, der ihm anvertraut war, der seine Hilfe brauchte und in Not war.
John stöhnte gequält auf. Die Kopfschmerzen wurden kurz schlimmer, ebbten dann aber wieder zu dem schon gewohnten dumpfen Pochen ab.
Was war nur im Park geschehen? Warum erinnerte er sich nicht? Er war sich sicher, wenn er sich erinnern könnte, würde er auch Antworten finden können - dann könnte er vielleicht der Polizei und diesem Detective Mac Taylor helfen, der so offen ihm gegenüber gewesen war. John hatte es wirklich leid getan, ihm nicht mehr sagen zu können.
Aber wenn er seine Erinnerung wiederfand, wenn er wieder wußte, was er jetzt vergessen hatte ...
Es würde Aiden Ford nicht zurückbringen, aber es würde vielleicht seine Schuldgefühle etwas abmildern können, hoffte er zumindest.
John biß sich auf die Lippen und starrte in die Dunkelheit ...
Wiedervereinigung by Hyndara71
Mac saß an seinem Schreibtisch und las einen Computerausdruck, als Stella den Raum betrat. Ungläubig sah sie ihn einen Moment lang deutlich stutzend an, dann verfinsterte ihr Gesicht sich.
„Jetzt sag mir nicht, du warst die ganze Nacht hier", begrüßte sie ihn im vorwurfsvollen Tonfall.
Mac blickte auf, lächelte halb mit müden Augen. Dann schien ihm aufzugehen, was sie gerade gesagt hatte. Ächzend drückte er den Rücken durch und sah sich kurz um. „Ist es etwa schon Morgen?" erkundigte er sich leicht verwirrt.
Eigentlich hatte er nur kurz noch in den Labors vorbeisehen wollen, um die Kleidung, die dieser Major Sheppard getragen hatte, ordnungsgemäß zur Untersuchung zu hinterlegen. Dann aber war gerade die Akte des Luftwaffenoffiziers per Mail von NORAD gekommen, so daß er sich denn doch befleißigt fühlte, sie sich einmal anzusehen.
Stella seufzte schwer und trat näher. „Was ist denn so interessant, daß du wieder mal vergißt, daß du ein Zuhause hast?" fragte sie und lehnte sich über den Schreibtisch.
Mac sah stirnrunzelnd auf die Akte hinunter, die er die halbe Nacht immer und immer wieder studiert hatte. „Die Akte dieses Major John Sheppard", antwortete er dann endlich.
Stella richtete sich wieder auf und trat um den Schreibtisch herum, um sich mit einer Hand auf die Fläche zu stützen und sich vorzubeugen, um sich das ganze selbst anzusehen. „Und was ist daran so interessant?" wiederholte sie ihre Frage.
Mac lächelte halb. „Die Tatsache, daß unser Major eigentlich fast ein Colonel gewesen ist beispielsweise. Zumindest ein Lieutenant Colonel", antwortete er.
„Ach!" Stellas Interesse war erwacht. „Und warum wurde er nicht befördert?"
Mac zog eine Grimasse. „Insubordination. Durch die Zurücksetzung der Beförderung und seiner Verlegung nach McMurdo ist er dem Kriegsgericht so gerade eben noch entkommen", erklärte er. „Und da wird es nun wirklich interessant: McMurdo gehört zu den Basen, die es in jeder Waffengattung gibt - die Sackgassen. Wer dort landet, der hat sich nicht nur eine Kleinigkeit geleistet, und der kommt dort üblicherweise nicht mehr weg. Es sei denn, man heißt Major John Sheppard. Der ist, nach nur einigen Monaten in McMurdo, plötzlich in die Geheimbasis Cheyenne-Mountain versetzt worden. Seit diesem Zeitpunkt gilt für seine Akte präsendiale Sicherheitsstufe."
Stella bekam große Augen. „WAS?"
Mac nickte. „Unser guter Major hat es sich in Afghanistan gründlich verscherzt mit seinem Vorgesetzten. So gründlich, daß er auf einem Abstellgleis landete. Aber irgendjemand hat ihn dann wieder zurückgeholt und sogar zu einem hochgradigen Geheimnisträger gemacht."
Als er hochblickte sah er, wie sich ihre Stirn sorgenvoll runzelte und grinste dieses Mal wirklich amüsiert.
„Das könnte auch schlecht für uns aussehen, Mac. Ich hoffe, du weißt das", warnte sie.
Mac kniff kurz die Lippen zusammen, sah wieder auf die Akte hinunter. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich denke nicht, daß er verdächtig ist. Sein Leben ist es, er aber nicht."
Stella war überrascht. „Das sagst ausgerechnet du? Sonst sollen wir doch immer den Beweisen folgen."
Mac nickte nachdenklich.
Das stimmte. Er predigte das seinen Leuten oft genug. Wenn sie die Beweise richtig lesen würden, mußten sie auf den Täter stoßen, so einfach war das. Oder vielleicht doch nicht? Er war sich nicht ganz sicher.
Es kam selten vor, aber bisher hatte sein Gefühl ihn noch nie im Stich gelassen. Sheppard hatte heute nacht ehrlich auf ihn gewirkt, ihm bereitwillig Rede und Antwort gestanden, sofern es in seinem Vermögen lag. Er konnte nicht glauben, daß er sich dermaßen irrte. Dieser Militär war da in etwas hineingeschliddert, davon war er überzeugt.
„Ich kann nur hoffen, daß du dich nicht irrst, Mac." Der Blick, mit dem Stella ihn bedachte, war sorgenvoll. „Du weißt, was es gerade für die Aufstockung unserer Mannschaft bedeuten könnte, läßt du jetzt einen potenziell Verdächtigen laufen und seine Schuld stellt sich heraus."
„Das ist mir klar." Mac nickte nachdenklich, zog eine Grimasse. „Dennoch vertraue ich auf mein Gefühl. Dieser Sheppard ist nicht der Täter, dafür war er zu hilflos und offen mir gegenüber. Er würde uns gern helfen, kann es aber im Moment nicht."
Stella sah ihn nur mit gerunzelter Stirn an, sagt jetzt aber nichts mehr.

***

Als sich die Tür zu seinem Krankenzimmer öffnete, blickte John unwillkürlich auf. Einen Moment lang blinzelte er schüchtern unter seinem Pony hervor, dann huschte kurz ein Lächeln über sein Gesicht, während er sich aufsetzte und die Decke über seine nackten Beine schlug.
Dr. Elizabeth Weir und Dr. Rodney McKay betraten den Raum. Der Kanadier mit einer ... Plastiktüte in der Hand?
John hob die Brauen, äußerte sich aber nicht dazu. „Guten Morgen", begrüßte er statt dessen die beiden Mitglieder der Atlantis-Expedition.
Elizabeth trat näher, sah ihn forschend und besorgt an. „Wie geht es Ihnen, John?" fragte sie.
Er beobachtete sie genau, als sie herankam, ließ aber auch McKay nicht wirklich aus den Augen. Zögernd nickte er. Die Kopfschmerzen waren bis auf ein erträgliches Maß abgesunken. „Danke, ganz gut." Er setzte ein schiefes Lächeln auf und hob den Kopf. „Tut mir leid, ich hätte mich melden sollen, aber ..."
Elizabeth hob die Hand und winkte ab. „Das ist vollkommen in Ordnung. Ich habe mit General Landry gesprochen. Der hatte mir mitgeteilt, daß Sie sich hier befinden."
John nickte, preßte aber trotzdem kurz die Lippen aufeinander.
Ein deutliches Zeichen, daß er sich letzte Nacht nicht wirklich im Griff gehabt hatte. Er hätte die anderen informieren sollen darüber, was geschehen war. Es hatte in seiner Verantwortung gelegen - und wieder hatte er versagt!
John senkte den Blick und starrte einen Moment blicklos vor sich hin, während es in seinem Inneren rumorte und er eine weitere Schlacht mit seinem schlechten Gewissen ausfocht.
Er hatte immerhin unter Medikamenten gestanden, beruhigte er sich. Er war ja schon bei dem Anruf ins SGC nicht mehr wirklich ansprechbar gewesen. Ein Wunder, daß Landry überhaupt verstanden hatte, was er von ihm wollte.
„Was soll eigentlich diese ... diese Zitrone in Ihrem Koffer, Major? Etwas unhygienisch, oder?" ließ McKay sich in diesem Moment vernehmen.
Zitrone?
Er blickte verwirrt auf. Na toll, sollte etwa ausgerechnet Rodney ... Was machte Rodney mit seinem Koffer?
„Ein alter Haushaltstrick." John grinste breit. „Damit die Wäsche zitronenfrisch duftet." Er stutzte und runzelte die Stirn, als er noch dazusetzte: „Und warum wühlen Sie in meinen Sachen?"
„Einer muß Ihnen ja schließlich zivilisierte Kleidung bringen, wenn Sie die Ihre dem CSI spenden müssen", erklärte McKay süffisant und hielt ihm auffordernd die Tüte hin.
John schnappte sie sich und sah scheel zu dem Wissenschaftler hoch. „Sie haben doch wohl hoffentlich zumindest etwas Geschmack bei der Auswahl meiner Kleidung bewiesen, oder?"
Rodney hob das Kinn. „Wo denken Sie denn hin? Ich fand das rosafarbene Hemd und die hellgrüne Krawatte durchaus passend."
John musterte McKay noch einen Moment lang. Nein, er würde jetzt nicht in die Tüte sehen, auch wenn Rodney ganz offensichtlich damit rechnete, nach dem breiten Grinsen zu schließen, das er zur Schau trug. Aber noch war das letzte Wort nicht gesprochen ...
Rodney richtete seine Interesse dem Tablett mit dem Frühstück zu, daß John kaum angerührt hatte. „Ich schätze allerdings, diese Zitrone wird nicht allzuviel bringen, was den Frischeduft betrifft", sagte er dabei, hob die Hand und hob den Deckel von dem Teller mit den Sandwiches. „Sie ist nicht echt."
John nickte, mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen. „Sie war ja eigentlich auch als Geburtstagsgeschenk für Sie gedacht, Rodney", antwortete er wie auf eine Frage und wartete, bis der Wissenschaftler ihm wieder sein Interesse zuwandte. „Sie ist nämlich gefüllt - mit Schokoladendrops."
McKays Augen wurden groß. „Schokoladendops?" Es war ihm förmlich anzusehen, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
John blieb bei seinem strahlenden Lächeln. „Gefüllte Schokoladendrops", setzte er hinzu.
Ein unirdisches Licht trat in Rodneys Augen.
Elizabeth beobachtete die beiden sehr aufmerksam. Wohin würde dieser Schlagabtausch wohl führen?
„Gefüllt mit einer Creme mit Lemon..." John schloß den Mund und neigte den Kopf zur Seite.
Rodneys verklärtes Lächeln fiel in sich zusammen. Einen Moment lang japste er wirklich nach Luft, dann stemmte er die Hände in die Hüften und funkelte den Militär, der immer noch grinste, wütend an. „Sie wagen es ... ?"
„...gras", beendete Sheppard beinahe überfreundlich den Satz.
Rodney schloß abrupt den Mund.
„Ich habe mich erkundigt: Lemongras dürfen Sie essen." John hob einen Finger.
Elizabeth räusperte sich.
Ging das jetzt schon wieder los? Warum fanden die beiden nur so großes Vergnügen daran, sich gegenseitig zu necken und Wortgefechte auszutragen?
Andererseits ... vielleicht war es gerade das, was der Major nach dem ganzen Ärger der letzten Zeit gebrauchen konnte - dieses Foppen und Aufziehen. Der Humor, den er mit McKay teilte.
„Ich sage es nicht gern", mischte sie sich jetzt ein, „aber Mr. Woolsey erwartet uns in einer halben Stunde."
John blickte auf und sah sie einen Moment lang groß an, wollte die Decke zurückschlagen, zögerte dann aber. „Dürfte ich ... ?" Wieder war er etwas verlegen, und Elizabeth konnte es ihm nicht verdenken. Was jetzt kommen dürfte, dürfte der reinste Spießrutenlauf für ihren militärischen Leiter sein - und sie würde sicher nicht wegsehen, auch wenn sie ...
„Natürlich. Carson redet gerade mit Ihrem behandelnden Arzt. Sie sollten doch heute Ihre Aussage vorm IOA machen, falls Sie sich daran erinnern."
Sheppard grinste wieder schief. „Ich erinnere mich an vielleicht eine Viertelstunde nicht", gab er zu bedenken. „Der Rest ist noch durchaus lebendig in mir." Er runzelte die Stirn, sah sie dann wieder an. „Könnten Sie sich ... ? Ich meine ..." Er hob schüchtern die Hand und ließ verschämt seinen Zeigefinger kreisen als Zeichen dafür, daß sie sich umdrehen sollte.
Einen Moment lang war Elizabeth wirklich versucht, etwas vollkommen anderes zu tun, doch dann nickte sie und drehte sich gehorsam, wie befohlen.
„Jetzt stellen Sie sich aber an!" bemerkte Rodney kauend. Offensichtlich hatte er sich inzwischen doch eines der Sandwiches geschnappt.
Hinter ihrem Rücken raschelte die Decke, dann hörte sie das leise „Tapp, Tapp" nackter Füße auf dem Linoleumboden. Und da wagte sie einen kurzen Blick über die Schulter.
John hielt sich die beiden losen Enden seines Krankenhaushemdes hinter dem Rücken zusammen und eilte so schnell wie möglich, in der anderen Hand die Tüte, zu der Naßzelle hinüber, die an sein Zimmer angeschlossen war.
Aber was zwischen den losen Hälften des Kittels durchblitzte ... hatte durchaus einen gewissen Reiz, wie Elizabeth fand. Sheppards Rücken war sehnig, das Rückgrad zeichnete sich unter der Haut ab, allerdings nicht zu deutlich. Noch immer trug er zumindest eine Boxershorts, so daß sie keine wirklichen Rückschlüsse auf eine bestimmte Partie seines Körpers ziehen konnte.
„Kirk ist etwas schüchtern heute, oder wie?" feixte Rodney und grinste wieder breit.
„Ich bin ein Offizier und Gentleman, Rodney", hielt Sheppard dagegen, nachdem er blitzschnell hinter der Tür verschwunden war.
Elizabeths Mundwinkel zuckte, doch noch beherrschte sie sich, zog nur die Brauen etwas hoch. Na, wenn das kein ...
„Schüchtern bis in die Haarspitzen ..." Rodney biß voller Genuß in das labberige Weißbrot hinein. Ein zerstückeltes Salatblatt segelte zu Boden.
„Rodney!" Tadelnd sah Elizabeth zu ihrem Chef-Wissenschaftler hinüber, erntete einen entrüsteten Blick.
„Man kann doch das gute Essen nicht verkommen lassen!" begehrte der Kanadier auf.
Elizabeth seufzte. Warum hatte sie nur immer wieder das Gefühl, es mit zu groß geratenen Kindern zu tun zu haben - gerade bei diesen beiden?
Rodney kontrollierte den Zustand der anderen Teller, befand sie offensichtlich als zufriedenstellend, nach dem Grad zu schließen, wie weit seine Lippen sich von den Zähnen zurückschoben zu einem zufriedenen Grinsen.
„Sie können dem Major doch nicht alles wegessen", fuhr Elizabeth fort.
Rodney mampfte das nächste Sandwich. „Wino? Er mollte doch nicht mehr", bemerkte er mit vollen Backen.
Elizabeth wandte sich kopfschüttelnd wieder ab und sah, daß Sheppard seinen Kopf aus der Naßzelle gesteckt hatte und den Kanadier spöttisch musterte.
„Carson wird Sie wohl noch kurz untersuchen wollen, ehe wir zum UN-Gebäude aufbrechen, Major", wandte Elizabeth sich wieder an den Militär.
„Kein Problem!" meldete John sich und schloß die Tür.
„Für ihn ist nichts ein Problem, wissen Sie doch", mampfte McKay zwischen zwei Bissen. „Hauptsache, er konnte wieder seine Sheppard-Sache durchziehen!"
„Ich höre Sie, Rodney." Johns Stimme klang sehr zufrieden.
Ehe McKay zu einer Antwort ausholen konnte, geschahen zwei Dinge: Eine Duschbrause wurde in der Naßzelle aufgedreht, man hörte deutlich das Rauschen des Wassers, und die Tür öffnete sich, um einem nachdenklichen Carson Beckett das Krankenzimmer betreten zu lassen.
Elizabeth seufzte erleichtert. Diese verbalen Schlagabtausche zwischen ihren Chef-Wissenschaftler und dem bisherigen militärischen Leiter ließen sie immer wieder an ihren eigenen Führungsqualitäten zweifeln. Viel zu oft hatte sie inzwischen das Gefühl, plötzlich von den beiden schlichtweg aus ihrer eigenen Verantwortlichkeit entlassen und in einer Ecke abgesetzt zu werden.
„Carson, was sagt der Arzt?" erkundigte sie sich.
Rodney war inzwischen zu einem unansehnlichen Brei übergegangen, den auch sie nie im Leben hinunterbekommen hätte, wie sie aus den Augenwinkeln feststellte. Doch der Wissenschaftler schien hellauf begeistert und schaufelte sich die an Tapetenkleister erinnernde Masse mit einem verzückten Gesichtsausdruck in den Mund.
Carson zog die Akte unter seinem Arm hervor, nachdem er sich einmal im Zimmer umgesehen hatte, öffnete sie und überflog sie scheinbar. Dabei war Elizabeth sich ziemlich sicher, er hätte ihr auch ohne Hineinzusehen sagen können, was dem Major fehlte.
„Die Nacht verlief ohne Komplikationen", begann der Schotte schließlich. „Was darauf hindeutet, daß es, wenn überhaupt, nur ein sehr leichtes Trauma sein dürfte, durch den Aufprall auf einen Baumstamm verursacht. Die Wunden sind, laut Akte, fast alle oberflächlich und werden schnell abheilen. Mit den Hämatomen dürfte der Major noch einige Zeit Spaß haben. Alles in allem, so versicherte mir Dr. Holmes, hat jemand wieder einmal ziemliches Glück gehabt. Wo ist unser Sorgenkind denn?"
Elizabeth lächelte und nickte zur Naßzelle. Das Wasser lief noch.
„Baumstamm?" Rodney hatte mit dem Essen innegehalten und sah Carson groß an. „Soll das heißen, Major Sheppard ist gegen einen Baum im Central Park gerannt?"
Carson war einen Moment lang noch in die schmale Akte vertieft, runzelte dann aber die Stirn. „Nur, wenn dieser Baum ein Messer dabei hatte und zwei Hände besaß, um den Major zu würgen ... "
Rodney verzog unwillig das Gesicht.
„Dr. Holmes sagte mir, daß Major Sheppard bereits mit einem der zuständigen Ermittler gesprochen hätte. Er ist zwar wohl nicht verdächtig, wie denn auch?, soll sich aber dennoch zur Verfügung halten", fuhr Carson jetzt wieder an sie gewandt fort.
Die Dusche verstummte.
Elizabeth nickte. „Und der Gedächtnisverlust? Der Major sprach das gerade selbst an."
Carson winkte ab. „Partiell und nicht schwer. Eher ein Glück für ihn, wie mein Kollege hier sich anhörte. Sollte noch etwas nachkommen, können wir uns noch immer überlegen, wie wir dagegen vorgehen können."
„Oh, und wie? Voodoo?" fragte Rodney, der sich gerade eine Tasse Kaffee eingoß.
Carson sah kurz wieder zu ihm hinüber. „Hypnose, mein Junge", entgegnete er. „Aber zu diesem Mittel sollten wir erst greifen, wenn wir bemerken, daß die Amnesie nicht nachläßt und diese Lücke den Major belastet."
Elizabeth nickte und beobachtete, wie der Schotte seinen Rucksack von den Schultern nahm, um die Akte darin zu verstauen und wohl seine eigenen Instrumente hervorzukramen.
Die Tür zur Naßzelle öffnete sich, gerade als Carson sein Stetoskop hervorgeholt hatte. John trat, frisch geduscht und mit noch feuchten Haaren, heraus, stutzte, als er Beckett sah. In seiner Rechten trug er die zusammengeknüllte Plastiktüte mit seiner getragenen Boxershorts, bei der er einen länglichen Blutfleck bemerkt hatte, als er sich ihrer entledigte. Da hatte das CSI wohl etwas übersehen ...
Andererseits, da seine restliche Kleidung und seine Schuhe konfisziert worden waren, dürfte es auch mehr als genug Blutspuren an ihm gegeben haben, wenn er da nur an die Brühe dachte, die gerade im Ausguß verschwunden war ...
John erschauderte unwillkürlich wieder. In seinem Kopf begann die fragende Stimme erneut auf ihn einzuprügeln. Warum hatte er nicht helfen können? Wieso mußte diese arme Frau sterben? Was war überhaupt geschehen? Wieso war er dermaßen zugerichtet worden?
Carson blickte auf. Ein freundliches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Ah, da sind Sie ja, Sohn. Kommen Sie doch einmal her."
John erwiderte das Lächeln kurz, zögerte aber. Er war doch heute nacht erst auf den Kopf gestellt worden. Warum jetzt schon wieder?
Dann aber nickte er und trat näher, ließ sich auf das Bett sinken und öffnete das weiße Freizeithemd, das in der Plastiktüte auf ihn gewartet hatte, ebenso wie eine frische Boxershorts, Socken, eine Jeans und seine Armeestiefel. Die Sportschuhe waren ja beschlagnahmt worden und er hatte nur diese zwei Paar mitgenommen zur Erde. Da würde er sich später wohl noch neue Schuhe besorgen müssen ...
Carson tastete vorsichtig seinen Hals ab, der immer noch gerötet war. Doch die vormals deutlichen Abdrücke von zwei Händen waren zu einer einzigen großen Verfärbung verschmolzen.
John ließ die Untersuchung widerstandslos über sich ergehen, auch wenn es ihm körperlich wieder gut ging. Andere Dinge nagten an ihm, Dinge, die viel tiefer saßen und ihn zerfleischen wollten, würde er es zulassen, daß sie endgültig Macht über ihn gewannen.
Carson schien, als er mit seiner Untersuchung fertig war, halbwegs zufrieden gestellt zu sein. Sinnend nickte er, während er noch einmal in Johns Augen leuchtete. Dann richtete er sich auf und begann seine Instrumente wieder in seinen Rucksack zu räumen.
John beobachtete ihn dabei, schloß blind die Knöpfe und wartete auf das Urteil, das hoffentlich zu seinen Gunsten ausfallen würde.
„Und?" ließ Elizabeth sich vernehmen.
Selbst Rodney unterbrach seine offensichtliche Orgie eines seltenen Genußes.
Carson nickte wieder sinnend, wandte sich dann an John: „Wenn überhaupt, dürfte es eine äußerst schwache Gehirnerschütterung sein, die Sie sich eingehandelt haben", erklärte er. „Die Wunden im Gesicht, am Hals und den Armen sind größtenteils, wie man Ihnen ja auch schon mitgeteilt hat, oberflächlich. Mit der Schnittwunde in der Handfläche ist nicht zu scherzen. Ich hätte sie vielleicht genäht, aber es wird auch so verheilen."
John zog unwillkürlich eine Grimasse und senkte den Blick auf seine verbundene linke Hand.
Warum eine Abwehrverletzung auf der falschen Seite? Er war Rechtshänder, nicht Linkshänder?
„Alles in allem aber wirklich nichts, was mich dazu veranlassen würde, Sie weiter hier zu lassen, mein Sohn", fuhr Carson mit einem Lächeln fort.
John atmete erleichtert auf.
Carson klopfte ihm auf die Schulter. „Dann sollten wir jetzt allmählich gehen. Und Sie werden sich die nächsten Tage schonen, Major. Keine Ausflüge in den Central Park mehr."
Aber ... sein Lauftraining! John hatte sich im letzten Jahr so daran gewöhnt, daß er sich wirklich schon Knochen brechen mußte, um nicht seine tägliche Runde zu absolvieren, selbst hier auf der Erde. Er war bisher jeden Abend im Central Park gelaufen.
Carsons Blick blieb an der Plastiktüte mit der getragenen Boxershorts hängen. „Soll ich die einpacken?" erkundigte er sich.
John nickte erleichtert. So mußte er sich zumindest nicht offen mit seiner Dreckwäsche beschäftigen.
Statt dessen richtete er sich wieder auf, trat an Rodneys Seite und schnappte dem die Kaffeetasse aus der Hand, um sie mit einem Schluck zu leeren. Plötzlich hatte er Durst.
Dannys Theorie by Hyndara71
Danny Messer betrachtete die Beweisstücke, die vor ihm ausgebreitet auf dem Tisch lagen, ging dann noch einmal die Tatortfotos durch, die Stella und Aiden gemacht hatten.
„Das alles ergibt doch keinen Sinn", bemerkte er dann schließlich, trat zu dem zweiten Tisch und nahm sich noch einmal die Akte über den Jogger Major John Sheppard vor.
Aiden Burn, die gerade damit beschäftigt gewesen war, eine winzige Pflanzenspur zu sichern, die auf den Jogginghosen klebte, sah auf. „Was meinst du, Danny?"
Der junge Tatortermittler hatte sich schwer auf den zweiten Tisch gestützt und las erneut die Akte. „Das stimmt doch alles hinten und vorne nicht!" Seiner Stimme war deutlich anzumerken, daß da etwas gewaltig in ihm brodelte.
Aiden hob die Brauen und schürzte die vollen Lippen. Gerade jetzt hörte Danny sich verdächtig an, wie sie ihn mindestens schon einmal erlebt hatte: Er verrannte sich gerade in etwas, was ihnen allen nicht sonderlich gefallen würde. Vor allem nach dem, was Stella vor ein paar Stunden, als sie die restlichen Beweismittel sowie die militärische Akte dieses Major Sheppard brachte, angedeutet hatte. Offenbar war auch Mac dabei, sich in etwas zu verrennen ...
Aiden runzelte die Stirn. „Wir sind noch dabei, die Spuren zuzuordnen, Danny", warnte sie. „Jetzt schon über das Ziel hinauszuschießen, könnte für die Anklage tödlich sein, das solltest du wissen."
Danny winkte gereizt ab. „Welche Spuren wem zuordnen?" fragte er, blickte auf. In seine blauen Augen trat ein harter Zug. „Ich bin das ganze jetzt schon dreimal durchgegangen, und ich komme immer zum gleichen Ergebnis: Außer dieser Carmen Lloyd und Major Sheppard war NIEMAND am Tatort. Als abschließender Beweis fehlt uns nur das Messer, ansonsten ..."
Aiden lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und kreuzte mit einem genervten Gesichtsausdruck die Arme vor der Brust. „Richtig, wir haben das Messer nicht. Es gibt im Moment keine Tatwaffe, die wir wem auch immer zuordnen können. Das solltest du wirklich nicht vergessen, Danny."
„Ich werde nachher nochmal in den Park gehen und im See danach suchen lassen. Und ich bin sicher, ich werde dort etwas finden", entgegnete Danny sofort, richtete sich auf und funkelte sie hinter seinen Brillengläsern an. „So wie ich es sehe, lief es folgendermaßen ...

***

Carmen Lloyd, die junge Angestellte einer kleinen, am Central Park ansässigen, Firma, ging schnellen Schrittes durch den Park in Richtung ihres Apartments, das auf der anderen Seite lag.
Natürlich hatte sie von dem Ripper gehört, der sich irgendwo hier versteckt halten sollte, darum hatte sie sich ja auch ein Pfefferspray gekauft und trug es in der Handtasche mit sich.
Ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann tauchte aus der Dunkelheit des späten Abends auf und joggte mit langen Schritten an ihr vorbei. Kurz konnte sie sein Gesicht in der beginnenden Nacht hell schimmern sehen, dann war er hinter ihr.
Carmen beschleunigte ihre Schritte noch etwas.
Der Jogger hatte zwar sympatisch auf sie gewirkt, aber ...
Im nächsten Moment wurde sie von hinten gepackt. Sie schrie schrill auf, ihre Hand zog das Pfefferspray aus ihrer Tasche.
„Hallo, du Schlampe!" zischte eine diabolische Stimme ihr zu, und kurz erhaschte sie einen weiteren Blick auf das Gesicht, das gerade noch an ihr vorbeigelaufen war ...


***

Danny lehnte sich befriedigt zurück.
Aiden klopfte ungeduldig mit den Fingern einen Takt auf den Untersuchungstisch. „Wir wissen, daß sie das Pfefferspray wohl verwendet hat, aber an der Kleidung dieses Majors war nichts zu finden. Du hast das selbst überprüft. Außerdem ... wie erklärst du dir seine Verletzungen?" fragte sie.
Danny lächelte humorlos. „Ganz einfach ..."

***

John beugte sich keuchend über dieses Flittchen. Ihr würde er es schon noch besorgen - richtig besorgen. So wie sie es wohl brauchte.
Er zog das lange, breite Messer aus der Tasche seiner Jacke und grinste diabolisch, während die Frau unter ihm wimmerte.
„Wollen wir es nochmal probieren, mein Schatz?" gurrte er mit kalter Stimme, beugte sich über sie.
Carmen schrie wieder auf, als seine Zunge über ihre Wange leckte. Mit dem Mut der Verzweiflung rammte sie John ihre Beine in den Körper, mit einer solchen Wucht, daß er zurückgeschleudert wurde ...


***

Aiden schüttelte den Kopf. „Nette Geschichte, aber da sind zuviele Lücken, Danny, zuviel Ungereimtes. Zudem ... wo ist die Waffe? Wo ist das Messer? So, wie du es erzählst, hätte dieser Sheppard es verlieren müssen. Außerdem dürfte wohl klar sein, daß er ihr die tödlichen Verletzungen beibrachte, ehe er gegen den Baum geschleudert wurde. Sie war schlicht nicht mehr fähig, sich zur Wehr zu setzen." Sie löste die Verschränkung ihrer Arme und hielt ihm eine Hand entgegen. „Zudem ... trägt eine Frau Pfefferspray in dieser Stadt bei sich, hat sie keine blaße Ahnung von Selbstverteidigung. Das läßt du vollkommen außen vor."
Danny starrte wieder auf die Akte hinunter, kniff die Lippen zusammen. „Das Messer kann er verloren haben, das ist richtig. Aber er kann es auch wiedergefunden haben - daher die Verletzung seiner Hand. Selbst dieser Major dürfte einige Schwierigkeiten haben, im Dunkeln zu sehen, und in der Ecke war es verdammt dunkel!"
„Und wie erklärst du dir seinen Anruf? Wir haben den auf Band, schon vergessen?" Aiden setzte sich wieder gerade hin. „Wir sollten sowieso erst den Autopsie-Bericht abwarten, ehe wir die falschen Schlüsse ziehen. Der Zeuge, der Sheppard am Telefon gesehen und den Anruf fortgeführt hat, hat nichts von einem Messer erzählt. Es wäre aber die einzige Möglichkeit gewesen, neben dem Vergraben, sich der Waffe zu entledigen."
„Gespaltene Persönlichkeit." Danny triumphierte. „Person A ist unser sadistischer Killer, Person B vollkommen unschuldig."

***

„Du kleine Schlampe!" Wie besessen hackte er von unten auf sie ein, rammte ihr die Klinge seines Messers zwischen die Beine. Irrsinn leuchtete in seinen Augen, sein blutverschmiertes Gesicht war bar jeder Vernunft.
Carmen nahm ihr letztes bißchen Kraft zusammen und rammte ihm ihre Beine in den Leib, gerade, als er das Messer wieder aus ihrem Körper zog, Mit der Kraft des nahenden Todes verstärkte sich ihr Tritt und ließ John rückwärts taumeln, ehe er gegen den Baumstamm krachte. Halb bewußtlos rutschte er die rauhe Rinder hinunter und hinterließ Spuren. Dann saß er, wie eine Marionette, deren Fäden man durchtrennt hatte, zwischen den Wurzeln und kämpfte um seine Besinnung.
Carmen Lloyds Blut ergoß sich mittlerweile über den Boden ...
Als er wieder zu sich kam, blickte er entsetzt auf und starrte in die Schatten. Ein leichter Lichtschimmer fiel auf das blasse Gesicht der fremden Frau.
Oh Gott! Es war wieder geschehen! Wieder war er ...
John erhob sich, taumelte auf die Frau zu, fiel bei ihr auf die Knie und starrte sie an, während ihr Blut im lockeren Erdreich versickerte.
„Bitte nicht ..." wisperte er, schälte sich aus seiner Jacke und drückte sie ihr zwischen die Beine. Vorsichtig begann er, so gut er konnte Erste-Hilfe zu leisten, doch weit kam er nicht. Er konnte fühlen, wie die Fremde immer schwächer wurde.
„Ich ... ich hole Hilfe, Mam", sagte er schließlich, in einem leichten Anfall von Panik, rappelte sich wieder auf die Beine. „Ich bin gleich wieder da."
Carmen Lloyd hörte ihn schon lange nicht mehr ...


***

Aiden schüttelte den Kopf, wandte sich wieder ihrer Spur zu. „Du wirst es erst lernen, wenn du rausfliegst, glaube ich."
Danny starrte sie wütend an. „Und was? Daß das Militär seine Hände schützend über einen Mörder hält? Komm schon, du weißt doch selbst, wie das mit diesen Geheimnisträgern und Diplomaten-Schweinen ist!"
Aiden drehte sich wieder zu ihm um und funkelte ihn an. „Willst du wissen, wie ich das sehe? Dann hör gut zu ..."

***

Major John Sheppard joggte durch den nächtlichen Central Park, mußte dabei aufpassen, daß er auf den Wegen blieb. Da erregte eine Bewegung seine Aufmerksamkeit.
Einen Moment lang blieb er unschlüssig stehen, sah zu den Bäumen hinüber, wollte schon weiterlaufen, entschied sich dann aber doch anders, wenn er auch nicht wußte warum.
Er lief hinüber zu dem Wäldchen nahe am See und schlüpfte zwischen zwei Büschen hindurch.
Irgendwo vor ihm erklang ein undeutliches Wimmern und ein eigenartiges, schmatzendes Geräusch, das er nicht so ganz zuordnen konnte.
John folgte den Geräuschen zögernd, lauschte immer wieder, um die Richtung nicht zu verlieren.
Und dann sah er die Tragödie, die sich zwischen den Büschen und Bäumen abspielte.
John zögerte nun nicht eine Sekunde mehr, sondern sprang vor, auf den Angreifer zu. Ihm war nicht klar, daß er sich hier wahrscheinlich gerade mit dem Central-Park-Ripper anlegte, er wollte die Frau retten, ganz so, wie er es in seiner Ausbildung gelernt hatte.
Doch der Ripper, eine schwarze, unscharfe Gestalt, nahm auch den Kampf mit dem Offizier auf. Der hatte kaum eine Chance, trug er doch keine Waffe bei sich und war offensichtlich auch nicht sonderlich begabt im Nahkampf. Es war eben einfach zu lange her ...
John krachte mit dem Kopf voran an dem Baumstamm, die Wucht schleuderte seinen Körper hinterher. Benommen sackte er an der rauhen Rinde hinab auf den lockeren Boden, wo er, wie eine vergessene Gliederpuppe sitzenblieb und wohl einige Minuten lang besinnungslos war.
Irgendwann kam er wieder zu sich, rappelte sich stöhnend und wimmernd auf. Carmen Lloyd lag in ihrem Blut unter dem Strauch und rührte sich nicht mehr.
John taumelte zu ihr, ließ sich bei ihr nieder und versuchte sich an einer Notversorgung. Doch letztendlich konnte er nicht mehr tun, als seine Jacke auszuziehen und sie ihr, um das Blut etwas zu stillen, zwischen die Beine zu schieben.
Hatte er da vorhin nicht irgendwo ein Münztelefon gesehen auf seiner Runde?
John kam mühsam wieder auf die Beine und taumelte Richtung Seeufer davon ...


***

Danny lachte bitter auf. „Soll das ein Witz sein? Der Schwarze Mann ist der Ripper?" Er tippte mit dem Finger wieder auf die Militärakte. „Guck dir das hier an, Aiden. Dieser Sheppard ist der Täter, da gehe ich jede Wette drauf ein. Weiß der Geier, warum über ihn die Hand gehalten wird, aber mich wird es nicht wundern, wenn der DNA-Abgleich ergibt, daß er der Ripper ist."
„Wir können uns zu diesem Zeitpunkt noch keine echte Theorie leisten, Danny! Erst recht keinen vorzeitigen Schuldspruch, wie du ihn gerade betreibst!" Aiden schüttelte den Kopf. „Ich lasse die Beweise für sich sprechen, aber was tust du mit deiner Theorie? Du läßt die Hälfte außer Acht oder interpretierst sie um! Carmen Lloyd hatte schlichtweg nicht mehr die Kraft, diesem Sheppard irgendwie gefährlich zu werden, nachdem man sie erst brutal vergewaltigt und ihr dann um die dreißig Mal ein Messer in den Unterleib gerammt hat."
Danny kniff die Lippen aufeinander und starrte auf die Akte hinunter.
Er hatte recht! Er wußte es! Die verdammte Regierung hielt ihre Hand mal wieder über einen Mörder, wie so oft!
„Und jetzt laß uns weiter arbeiten, und zwar in Ruhe." Aiden drehte sich wieder um und fuhr fort, die Jogginghose auf Spuren zu untersuchen.
Internationale Bedenken by Hyndara71
Es war Mittagszeit, als Elizabeth an die großen Fenster trat und hinunterblickte auf die Plaza vor dem UN-Gebäude. Ein amüsiertes Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie die beiden Männer bei einem der Hotdog-Stände erkannte.
Natürlich wieder John und Rodney! Wer auch sonst? Carson aß in der Kantine und sie hatte einfach keinen Appetit und wollte auf das Mittagessen verzichten, zumal sie sich heute abend mit Simon traf, der extra nach New York gekommen war.
Elizabeth beobachtete die beiden so unterschiedlichen Männer mit einem leisen Lächeln.
John Sheppard beugte sich in genau diesem Moment weit nach vorn, nachdem er von seinem Hotdog abgebissen hatte und winkte mit der freien Hand.
Rodney gab offensichtlich irgendeinen sehr unpassenden Kommentar von sich, während der Ketchup aus Sheppards Brötchen auf die Steinplatten tropfte. Der Major richtete sich wieder auf, und sie konnte erkennen, daß auch an seinem Mund und Kinn Ketchup klebte.
„Es gibt tatsächlich eine recht gute Kantine in diesem Gebäude", holte eine Stimme sie in die Realität zurück.
Elizabeth richtete sich auf, ließ ihre beiden Stabsmitglieder dennoch nicht aus den Augen. „Richard", grüßte sie blind. „Ich dachte, Sie hätten noch wichtige Dinge zu erledigen?"
Richard Woolsey, der Ex-NID-Agent und jetzige Mittelsmann zwischen dem SGC und der IOA verzog unwillig das Gesicht, während nun auch er die beiden Männer auf dem Platz beobachtete. „Ja, und zwar über ihn", setzte er dann hinzu.
Elizabeth seufzte schwer, als sie sich vom Fenster löste und zu Woolsey herumdrehte. „Was wollen Sie?"
Der sah immer noch auf die Plaza hinaus. „Mit Ihnen über den Auftritt von Major Sheppard reden, Elizabeth", antwortete er. „Ich habe gerade mit den Vertretern der Mitgliederstaaten des IOA gesprochen. Und einhellig war man der Meinung, Major Sheppard hätte es sich zumindest für heute überlegen können, seine Uniform zu tragen."
Elizabeth schüttelte unmerklich den Kopf, wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Fenster zu.
„Sie sollten immerhin bedenken, daß Sie Major Sheppard nach eigenem Bekunden gern wieder mit zurück nach Atlantis nehmen wollen", fuhr Woolsey fort. „Aber wie er sich im Moment aufführt, wird sein nächster Aufenthaltsort wohl eher ein Militärgefängnis sein."
Elizabeth atmete einige Male tief ein.
„Es ist schwer genug zu begreifen, warum er Colonel Sumner erschossen hat, obwohl dieses natürlich schon einige Zeit zurückliegt. Dennoch aber muß der Major sich die Fragen des Komitees gefallen lassen und sollte sie auch ernst nehmen. Seine flapsigen Antworten wurden ebenfalls nicht als besonders fruchtbar und produktiv eingestuft."
Elizabeth hob wieder die Hand, dieses Mal wesenltich bestimmter. „Haben Sie vom Central-Park-Ripper gehört, Richard?" erkundigte sie sich freundlich.
Woolsey stutzte, nickte dann aber. „Natürlich, ich habe über ihn in der Zeitung gelesen", antwortete er.
Elizabeth nickte wieder, kreuzte die Arme vor der Brust. „Sie wissen, daß dieser Killer gefährlich ist?"
„Sicher. Worauf wollen Sie hinaus, Elizabeth?"
Zwei junge Frauen schlenderten an Sheppard und McKay vorbei und warfen dem Major bedauernde Blicke zu. Der setzte augenblicklich eine pure Leidensmiene auf und lächelte tapfer hinter den beiden her. Elizabeth schmunzelte, als nun McKay sich zu dem Militär beugte und ihm etwas an den Kopf warf. Wahrscheinlich wieder seine übliche Tirade in einem solchen Fall: „Kirk!"
Woolsey neben ihr seufzte. „Ich erkenne die Arbeit des Majors durchaus an, Elizabeth", fuhr er unvermutet fort, nachdem sie nicht weiter auf seine Frage eingegangen war. „Ich sehe sogar, daß er, wenn auch unkonventionell, durchaus seine Stärken hat. Mir ist der Bericht, den Colonel Everett vorlegte, ehe er in eine Reha-Einrichtung verlegt wurde, durchaus bekannt, vor allem seine lobenden Worte über Sheppard. Dennoch aber ..."
„John Sheppard steht nicht zur Diskussion!" fiel Elizabeth ihm ins Wort. „Er hat in diesem einen Jahr sehr viel für Atlantis und unser Überleben getan. Ihn jetzt zurückzulassen auf der Erde, kommt für mich nicht in Frage, tut mir leid, Richard." Sie drehte den Kopf und sah den Ex-NID lange an. „Was Ihre Frage angeht: Major Sheppard erschien heute nicht in seiner Uniform, weil er die Nacht im Krankenhaus verbracht hat und die Polizei seine Kleidung beschlagnahmte."
„Er hat sich geprügelt, das ist selbst mir aufgefallen", wandte Woolsey ein.
Elizabeth kreuzte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Er hat sich geprügelt, ja", gab sie zu, „aber er hat sich geprügelt, um einer jungen Frau das Leben zu retten. Er ist durch Zufall auf die nächste Tat des Central-Park-Rippers aufmerksam geworden und dazwischen gegangen. Er hätte dieses Abenteuer auch mit dem Leben bezahlen können, Richard, ich hoffe, das ist Ihnen klar."
Woolsey starrte sie groß an. „Er hat was?"
Elizabeth sah wieder auf die Plaza hinunter. Ihre beiden Stabsmitglieder hatten mittlerweile den Hotdog-Stand gewechselt. Da mußten zwei Fast-Food-Fans wohl ein Jahr der Abstinenz nachholen ...
Sie nickte. „John Sheppard hat wieder das getan, was er auch schon mehrfach auf Atlantis getan hat, Richard. Er ist ein Held, der nicht an sein eigenes Leben denkt, wenn es um das anderer geht. Das sollte das IOA meines Erachtens berücksichtigen, und nicht, ob seine Ausgehuniform sitzt und richtig gebügelt ist."
Aus den Augenwinkeln sah sie, daß Woolsey blaß geworden war, aber nun ebenfalls nachdenklich die beiden so unterschiedlichen Männer auf der Plaza beobachtete.

***

Mac betrat die katakombenartigen Hallen der Pathologie, blickte einen Moment lang nach oben, wo sich backsteinerne Kuppeln über der Decke spannten und dem ganzen Raum etwas kathedralenhaftes verliehen, ebenso wie die hohen, halbrunden Fenster.
„Sheldon, was hast du für mich?" begrüßte er den Schatten am ersten der OP-Tische, die die eine Hälfte des gewaltigen Raumes einnahmen.
Der farbige Pathologe blickte auf, schlug dann das Laken zurück. „Carmen Lloyd, Verkäuferin in einer kleinen, am Central Park ansässigen Firma", antwortete er, lächelte dem Chef des CSI dann zu. „Willkommen in den heiligen Hallen. Was macht mein Antrag."
Mac nickte stirnrunzelnd, sah der Toten ins Gesicht. „Ich warte auf das Okay des Chiefs", antwortete er ausweichend.
Vor Monaten hatte Sheldon Hawkes, seines Zeichens der oberste Pathologe der Stadt New York den Antrag auf Versetzung ins CSI gestellt. Mac bereitete es einige Mühe, den Mann woanders als auf der anderen Seite des OP-Tisches zu sehen. Zwar wußte er von dem Antrag und hatte dem Polizeichef in der Fragestunde auch positiv geantwortet, dennoch hoffte er insgeheim, daß Sheldon dort bleiben würde, wo er jetzt war: Nämlich genau hier und genau so, wie es sein sollte.
Jetzt sah der Pathologe ihn lange und forschend an, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder der Leiche zwischen ihnen beiden zuwandte. „Wir können wohl mit Bestimmtheit davon ausgehen, daß Miss Lloyd das fünfte Opfer des Rippers ist. Sie wurde erst brutal vergewaltigt und dann mit vierunddreißig Messerstichen in Uterus und Unterleib getötet."
Mac kniff die Lippen aufeinander.
Das war der Teil seines Jobs, den er am meisten haßte. Das CSI war oft genug die einzige Stimme, die ein Ermordeter noch hatte. Dennoch bereitete es ihm immer noch Mühe, nicht den Menschen vor sich zu sehen sondern das letzte und wichtigste Beweismittel, das ihnen im Falle eines Mordes zu Verfügung stand.
„Hat er wieder das gleiche Messer benutzt?" fragte er so kühl wie möglich.
Sheldon Hawkes nickte. „Das selbe Messer, die selben Spermaspuren. Dieser Kerl muß sich verdammt sicher sein, daß er nicht geschnappt wird. Stimmt mit den Gen-Proben etwa etwas nicht?"
Mac schüttelte den Kopf. „Damit ist alles in Ordnung. Auch die Spermienanalyse ergab nichts außergewöhnliches. Wer immer dieser Kerl ist, er ist mehr als unvorsichtig in der falschen Zeit. Möglichweise ein weniger gebildeter Mann."
Hawkes wandte sein Interesse wieder dem Leichnam zu. „Jedenfalls sind es zuviele Parallelen, als daß sie Zufall sein könnten. Nur eines ist anders ..."
Mac musterte einen Moment lang den langen Y-Schnitt, der schon wieder vernäht war. Dann ging ihm auf, daß der Pathologe den Satz nicht vollendet hatte. Er sah auf und runzelte die Stirn. „Was ist anders?" fragte er.
Sheldon grinste. „Unser Freund muß sich eine neue Waffe besorgen", antwortete er dann, drehte sich um und fischte einen Beweismittel-Beutel zwischen seinem Obduktionsbesteck hervor. „Die Klinge ist abgebrochen und im linken Beckenknochen von Miss Lloyd steckengeblieben."
Mac überlief es eiskalt. „In ihrem ... Beckenknochen?" staunte er, griff nach dem Beutel.
Darin befand sich tatsächlich die breite und blutverkrustete Spitze eines langen Küchenmessers mit glatter Klinge.
Mac fluchte innerlich. Wäre die Schneide gezahnt gewesen, würde es wesentlich leichter fallen, die dazugehörige Waffe genau zu bestimmen. So mußte er jetzt also mühsam suchen, ehe er vielleicht etwas finden würde.
„Wie es aussieht, war das der letzte Stich, der ihr zugefügt wurde ..."

***

Abwechselnd stach die finstere Gestalt in den Unterleib und von oben in den Bauch der bereits tödlich verwundeten Frau. Immer und immer wieder hackte der Mörder zu. Bis ...

***

Mac ging ein Licht auf. „Er wurde beim letzten Stich gestört!"

***

John näherte sich der Gestalt von hinten, sah sich kurz um, ehe er dem anderen auf den Rücken sprang, um ihn von der jungen Frau abzulenken.
In diesem Moment hatte der Angreifer das Messer wieder in dem fremden Leib versenken wollen. Durch den Aufprall Sheppards rammte er die Klinge tiefer als gewöhnlich in den Leib. Er fühlte in der Handfläche, wie die Schneide vibrierte unter dem physikalischen Drang, noch tiefer in sie einzudringen.
John riß die dunkle Gestalt von Lloyd herunter, in der vagen Hoffnung, vielleicht doch noch das Leben dieser armen Frau zu retten. Eine Sekunde lang war er abgelenkt, als er die Klinge im Unterleib der Frau sah. Und diesen Moment nutzte der Ripper, stürzte sich jetzt seinerseits auf den Major und würgte ihn.
Ein Gerangel entstand, bei dem es Sheppard irgendwie gelang, sich wieder zu befreien, doch viel brachte ihm das nicht. Der Ripper packte ihm am Arm und schleuderte ihn von sich.
John prallte mit der Schläfe auf den Baumstamm und rutschte diesen dann benommen herunter.


***

Sheldon nickte. „Sieht ganz so aus. Und wenn euer Zeuge sich auch nur halbwegs so verhalten hat, wie es seine Pflicht als guter Staatsbürger sein sollte, dann dürfte dieser Zeuge aus dem Schneider sein."
Mac stutzte. „Wie meinst du das?"
Der Pathologe schlug das Laken wieder über den Leichnam der jungen Frau, der so gräßlich verstümmelt worden war. „Ich meine, Danny war vor ungefähr einer halben Stunde hier und sagte, er wolle noch einmal zum Tatort zurück."
Mac sah Sheldon einen Moment lang groß an, dann nickte er nur wortlos und verließ den Raum wieder.
Der Pathologe hatte ihm genug zu denken gegeben ...
Zwei Streithähne by Hyndara71
Carson Beckett lächelte Elizabeth Weir glücklich an. „Sie sehen bezaubernd aus, wenn ich das bemerken darf", entfuhr es ihm.
Elizabeth sah den schottischen Mediziner einen Moment lang verblüfft an, dann lächelte sie. Das knielange, schwarze Cocktailkleid glitzerte durch die Stickereien und Pailetten, als sie sich leicht bewegte. „Danke, Carson", sagte die Leiterin der Atlantis-Expedition.
Der Arzt nickte, trat einen Schritt zurück. „Wenn er das nicht anerkennt, weiß ich auch nicht mehr", sagte er.
Elizabeth stutzte. „Wer?"
Der Schotte blickte auf wie tief aus seinen Gedanken gerissen. „Na, der Mann, für den Sie sich so fein gemacht haben, Elizabeth. Das ist definitiv nicht nur ein geschäftliches Essen, wie Sie behaupten. Dafür strahlen Sie viel zu sehr. Nein, nein, da spielt etwas ganz anderes hinein - oder besser jemand."
Die Stimmen von Rodney und John erklangen aus der Suite, die der Führungsstab von Atlantis sich teilte.
Elizabeth runzelte die Stirn. „Was ist denn jetzt wieder mit den beiden los?"
Carson schüttelte den Kopf. „Wie die kleinen Kinder, nicht wahr?" fragte er und zuckte mit den Schultern. „Aber was soll man schon anderes tun als ihnen hier und da einmal ein wenig mehr Leine zu geben."
Elizabeth sah ihn plötzlich schuldbewußt an. „Ich denke, ich sollte vielleicht ..."
Carson hob die Hand. Das fehlte ihm noch, daß er jetzt auch noch sie trösten mußte wegen einer verpaßten Chance. Nein, nein, sie sollte gehen, er würde das schon klären können. Notfalls hatte er ja auch noch seine Arzttasche (auch wenn das mehr ein Rucksack war) dabei. Wenn alle Stricke rissen, konnte er die beiden immer noch sedieren, um seine Ruhe zu haben.
„Gehen Sie jetzt, Elizabeth. Ich kümmere mich darum", sagte er mit einem Lächeln, ließ aber gleichzeitig den Tonfall ernst klingen. „Ich werde nicht zulassen, daß ausgerechnet Sie auf Ihr romantisches Wiedersehen verzichten müssen."
Elizabeth stieg tatsächlich das Blut ins Gesicht wie einem Teenager.
Carson lächelte wieder. War das nicht einer der Gründe, aus dem er damals Arzt geworden war? Hatte er denn nicht den Menschen helfen wollen und dafür dieses Leuchten in ihren Augen als Dank zu erhalten? An Geld und die Notwendigkeit eben solches zu verdienen dachte man als Kind doch nicht - zumindest nicht alle Kinder. Es war der ehrliche Wunsch zu helfen, der ihn für die Medizin einnahm, sowieso die Tatsache, daß er hatte damals schon einige unschöne Erfahrungen sammeln dürfen.
Die Stimmen hinter ihm gewannen an Lautstärke, zumindest die von Rodney. Der Major hörte sich dagegen eher ... ausgleichend an?
Carson richtete seine Konzentration wieder auf Elizabeth. „Nun gehen Sie schon endlich, das Essen wird sonst kalt, der Platz ist vergeben oder sonsteine Katastrophe tritt ein, die Sie sicher nicht haben wollen."
Die Leiterin der Atlantis-Expedition lächelte wieder. „Danke, Carson", sagte sie leise, dann glitt sie zur Tür hinaus und schloß diese hinter sich.
Carson seufzte erleichtert, seine Schultern sanken herab.
Hindernis Nummer eins beseitigt. Blieben also noch zwei andere.
Er drehte sich um und marschierte durch den Flur zurück zu dem Zimmer direkt neben dem Wohnraum, das Sheppard sich ausgesucht hatte, nachdem sie erfahren hatten wo und wie sie hier leben würden für die Dauer ihrer Konferenz beim IOA.
Carson beschleunigte seine Schritte, als er die beiden Männer sich gegenüberstehen sah. Es wirkte beinahe so als ob ...
„McKay, jetzt hören Sie schon endlich auf, mit meiner Waffe auf mich zu zielen!" beschwerte sich in diesem Moment John Sheppard. Demonstrativ hatte er die Hände ein Stück über Hüftniveau gehoben.
Waffe?
In Carson schrillten sämtliche Alarmsirenen auf einmal. Sollte das etwa heißen, Rodney hatte eine ... ?
McKay HATTE die Beretta des Majors in der Hand, der rechten, die leicht zitterte. Aus welchem Grund auch immer Rodney dieses Mal nicht die rechte mit der linken Hand unterstützte, konnte Carson nicht sagen. Dafür aber, daß das durchaus gefährlich werden konnte. Fraglich war nur, für wen?
„Rodney!" Die Hände in die Hüften gestemmt blieb Carson neben dem Top-Wissenschaftler stehen und funkelte ihn an. „Nehmen Sie sofort die Waffe runter!"
„Ganz meine Meinung", fügte Sheppard auf der Stelle hinzu.
McKays Gesicht wirkte verkniffen. Nun hob er doch den linken Arm, die Finger der Herzhand legten sich stützend um das Handgelenk der rechten.
„Rodney!" begehrte Carson auf.
„Wenn ich die Waffe senke, ist er wieder weg", erklärte McKay mit einem düsteren Blick auf Sheppard. „Deshalb stand ich doch hier. Ich wollte aufpassen, wann er wieder losziehen wollte. Aber dieses Mal war ich schneller!"
Aus den Augenwinkeln sah Carson, wie Sheppards Gesicht sich deutlich verdüsterte.
„Das ist kein Grund, auf irgendjemanden hier eine Waffe zu richten, Rodney", versuchte Carson augenblicklich erneut zu beschwichtigen.
McKays Gesicht wirkte verkniffen. „Oh doch, das ist es. Major Sheppard ist offensichtlich erst zufrieden, wenn wir ihn im Leichenschauhaus besuchen dürfen. Und das werde ich nicht zulassen!"
Johns Brauen zogen sich wütend zusammen. „Was fällt Ihnen ein, McKay?"
Carson hob nun auch die andere Hand in einer beschwichtigenden Geste. „Ganz ruhig, Major, das wird schon werden." Dann wandte er sich wieder an den Wissenschaftler: „Und Sie, Rodney, werden jetzt ganz vorsichtig die Waffe senken. Major Sheppard wird heute nicht mehr diese Suite verlassen, mein Wort darauf."
„Der wartet doch nur, daß wir unaufmerksam werden", ereiferte Mckay sich weiter. „Sobald wir ihm den Rücken gekehrt haben, geht er doch sofort wieder los zum 'Joggen'!" Allein die abfällige Art und Weise, in der er das letzte Wort betonte, sprach für Carson schon Bände.
Unwillkürlich seufzte er in einer tief aus dem Inneren kommenden Resignation. Wie oft hatte er McKay jetzt schon gesagt, daß ein wenig Sport noch niemandem geschadet hatte. Aber bei Rodney traf er einfach auf taube Ohren, wenn es um dieses Thema ging.
Also anders.
Carson wandte sich wieder dem Major zu und sah ihn offen und freundlich an. „Major ... John, sagen Sie bitte, daß Sie nicht joggen wollten, dann wird Rodney die Waffe senken. Mein Wort darauf."
Der Major verzog unwillig das Gesicht.
Carson war einen Moment lang wirklich versucht, McKay die Beretta zu entwinden und sie selbst auf den Militär zu richten.
Gab es das denn wirklich? Er hatte Sheppard doch klipp und klar gesagt, daß jegliche sportliche Aktivität erst einmal ausgesetzt werden sollte, solange seine Wunden und Blutergüße noch nicht verheilt waren.
„Major?" wiederholte er lauernd. „Sie erinnern sich doch noch an das, was Dr. Holmes und auch ich Ihnen gesagt haben, oder?"
John wand sich etwas. Offensichtlich war dieses Thema ihm unangenehm. „Ich wollte mir doch nur neue Laufschuhe kaufen", begehrte er auf. „Vom Joggen war bisher noch keine Rede." Ein sehr schuldbewußter Blick traf den Mediziner.
Und Carson wußte auch sehr genau warum: Woher auch immer, John Sheppard hatte sich offensichtlich einen neuen Jogginganzug besorgt, der ebensowenig wirklich zusammengehörte wie der letzte, den er getragen hatte. Das einzige, was fehlte, waren eben ein Paar ordentliche Laufschuhe, und Carson war sich ziemlich sicher, nachdem diese auch noch organisiert worden wären, wäre der Major wieder losgezogen.
„Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ..."
„Hey, Doc, es geht mir gut!" John grinste spitzbübisch. „Außerdem bin ich es gewohnt zu joggen. Ich kann auf mich selbst aufpassen ..."
„Was wir alle gestern abend gesehen haben", höhnte Rodney.
Augenblicklich wandte der Major dem Wissenschaftler wieder sein Interesse zu. „Kann ich etwas dafür, wenn ein bekannter Serienkiller plötzlich sein Jagdrevier verläßt und andernorts wildert?" fragte er aufgebracht.
„Oh, es kam Ihnen aber auch sehr gelegen, nicht wahr? Mal wieder so eine Sheppard-Sache!"
„Das war keine Sheppard-Sache!" Die haselnußfarbenen Augen funkelten wütend. „Außerdem bin ich damals auch Joggen gegangen, als ich mir die Rippen gebrochen hatte."
Carson bekam große Augen. Augenblicklich ruckte sein Kopf wieder zu dem Major herum und er funkelte ihn an. „Sie sind was?" fragte er lauernd, trat einen halben Schritt auf den Militär zu. „Hatte ich Ihnen damals nicht klar und deutlich zu verstehen gegeben, daß Sie sich schonen sollten und ich Sie nur unter Vorbehalt entlassen habe?"
John Sheppard schien plötzlich aufzugehen, daß er einen gewissen Fehler gemacht hatte. Schuldbewußt blinzelte er und hob die Hände wieder, die er davor hatten sinken lassen. „Ich bin ja auch nicht weit gekommen", gab er sehr zerknirscht zu. „Nur bis um die nächste Ecke."
„Ein Wunder, daß Sie überhaupt so weit gekommen sind nach Ihrer Auseinandersetzung mit dem Wraith!" Carson entschloß sich im Stillen, den Major das nächste Mal gründlich sediert zu halten, tauchte der noch einmal in seiner Krankenstation auf Atlantis auf. Auf diese Weise bestand zumindest nicht die Gefahr, daß er sich noch irgendwann selbst Schaden zufügte.
„Kann ich jetzt vielleicht gehen?" Hoffnungsvoll sah John ihn an.
Carson hob die Schultern und atmete tief ein. „Nein!" entschied er mit fester Stimme.
In diesem Moment läutete es.
John schien regelrecht in sich zusammenzufallen vor seinen Augen. Mit großen Augen blinzelte er ihn unter seinen Ponyfransen an.
Gab es das denn?
Carson stemmte die Hände in die Hüften. „Sie bleiben schön brav hier heute abend! Sie müssen sich noch schonen."
„Es geht mir gut, Doc. Da habe ich schon wesentlich schlimmeres hinter mir", verteidigte John sich.
Das allerdings stimmte, wie Carson zugeben mußte. Immerhin kannte er die ganze Krankenakte von John Sheppard, und die war nicht gerade dünn.
Wieder läutete es an der Tür, dezent und aufdringlich zugleich.
„Das hätten Sie wohl gern. Jetzt gehen Sie auch noch allein und nachts auf Verbrecherjagd, wie?" Rodney kniff die Lippen aufeinander, zielte wieder sorgfältiger. „Aber daraus wird dieses Mal nichts. Sie bleiben schön hier, wie Carson schon sagte: Sie sind angeschlagen!"
„Bin ich nicht!"
„Sind Sie allerdings. Daß Sie es leugnen, macht das ganze nicht besser!"
„Das hätten Sie wohl gern, Rodney!"
„Nein, meinetwegen könnten Sie auch vor das nächste Taxi rennen, das wäre mir vollkommen gleich."
Und zum dritten Mal erklang die dezente Türklingel.
Carson warf John noch einen bitterbösen Blick zu, dann drehte er sich um und marschierte wieder zur Tür zurück, um den ungebetenen Eindringling so gut es ging abzuweisen. „Wie wäre es, wenn Sie beide das bei einer Runde Schach ausdiskutieren würden", schlug er über die Schulter hinweg vor, öffnete dann die Tür und blieb einen Moment lang stocksteif stehen.
Eine junge, rothaarige Frau im Zimmermädchen-Kostüm stand vor ihm, einen Servierwagen mit dem bestellten Popcorn und den Six-Pack Bier darauf neben sich stehend.
„Zimmerservice." Das Dienstmädchen lächelte und zückte einen Block und einen Stift. „Wie bestellt das Popcorn, ganz frisch zubereitet, und das gekühlte Bier. Wenn Sie bitte hier unterschreiben wollen, Sir?"
Carson war nun wirklich überrumpelt, hatte aber dennoch die Geistesgegenwart, so schnell wie möglich seine Initialen auf den Block zu kritzeln und sich die Schüssel und den Six-Pack zu schnappen, ehe das Zimmermädchen auf den Streit im Hintergrund aufmerksam werden konnte. „Danke!" strahlte er sie an und warf mit der Schulter die Tür ins Schloß, gerade in dem Moment, in dem John Sheppard sich wieder über den Mißbrauch seiner Waffe beschwerte. Gerade als das „böse Wort" fiel, knallte die Tür lauter als geplant ins Schloß.
Carson atmete einen Moment lang aus, bis er das Gefühl hatte, seine Lungen vollkommen entleert zu haben, dann trat er, immer noch seine Bestellungen tragend, den Rückweg zu den beiden Streitenden an.
„Ich glaube das einfach nicht!" ereiferte John Sheppard sich gerade, die Hände in die Hüften gestemmt stand er mit einem finsteren Gesichtsausdruck da und funkelte Rodney wütend an. „Sie verletzen sich noch selbst, so wie Sie mit meiner Waffe umgehen. Wieviele Stunden auf dem Schießstand muß ich Ihnen denn noch aufdrücken?"
„Wahrscheinlich soviele, wie Sie wollen!" wetterte McKay dagegen. „Immerhin wollen Sie mich doch belehren, oder nicht? Und jetzt wollen Sie von hier verschwinden, was ich nicht zulassen werde, ist das jetzt endlich auch bei Ihnen angekommen?"
John richtete seine Aufmerksamkeit sofort auf die Riesenschüssel Popcorn, die finstere Miene verschwand, machte einer einzigen großen Frage Platz. Seine Brauen hoben sich, als er auch noch den Six-Pack in Carsons anderer Hand sah, und der Mediziner hätte einen Moment lang schwören können, daß seine Augen aufleuchteten.
Okay, das letzte Bier auf Atlantis war definitiv schon einige Monate lang her, da mußte er dem Militär recht geben. Wirklich gefehlt hatte der Alkohol zwar nicht, aber ...
„Haben Sie etwas größeres vor, Doc?" erkundigte John sich plötzlich neugierig.
Rodney, der leise geschnüffelt hatte in der letzten Minute, drehte ruckthaft den Kopf. In seinen Augen war sofort heißes Begehren zu lesen. „Popcorn?"
Carson wand sich.
Er wollte diesen Abend eigentlich allein verbringen und hatte sich darauf gefreut, ihn auf seine Art zu genießen. Wie hätte er denn auch annehmen können, daß John und Rodney sich ausgerechnet heute streiten mußten und, statt essen zu gehen oder sonstetwas in ihrer Freizeit zu unternehmen, hier blieben?
Sheppard war mit einem Schritt bei McKay und legte seine Hand auf die Waffe. Vorsichtig entwand er dem Wissenschaftler seine Beretta, um sofort das Magazin zu entfernen und den Lauf zu kontrollieren. Erst dann seufzte er erleichtert und richtete seine volle Aufmerksamkeit dem Mediziner zu.
Carson blickte auf sein Popcorn hinunter und seufzte. Naja, warum eigentlich nicht?
„Ich wollte mir einen Film ansehen, der in ein paar Minuten beginnt", erklärte er. „Ich kenne ihn nicht, habe aber schon viel gutes über ihn gehört." Ein verlegenes Lächeln erschien auf seinen Lippen.
John nickte, Rodneys Augen wurden schmal. „Und was für ein Film ist das?" fragten beide beinahe zeitgleich.
Carson betrachtete wieder die große Schüssel, die allmählich doch zu schwer wurde, um sie in nur einer Hand zu tragen. „Galaxy Quest", antwortete er ein wenig kleinlaut, sich sehr wohl an den Ruf eben dieses Films erinnernd.
Augenblicklich strahlte der Major wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum, McKay nickte. „Ein guter Gedanke."
Carson fühlte sich plötzlich sehr einsam. „Was?" fragte er leise.
„Wir sehen ihn uns zusammen an." Johns Gesicht schien immer breiter zu werden bei dem zufriedenen Grinsen, das er zur Schau trug.
„Und Sie bleiben hier und sind friedlich?" erkundigte Carson sich, unversehens eine gewisse Hoffnung hegend.
Sheppard nickte. „Kein Problem. Der Film ist wirklich klasse. Wenn Sie ihn wirklich nicht kennen, haben Sie bis hierher eine Menge verpaßt. Ist ja inzwischen ein richtiger Kultfilm geworden."
„Meines Erachtens wird Galaxy Quest weit überschätzt. Nur weil ein Tim Allen die Hauptrolle hat, bedeutet das noch lange nicht, daß es sich unbedingt um eine Komödie handeln muß", wandte Rodney ein, nickte dann aber. „Aber ansehen würde ich ihn mir auch noch einmal gern. Ist schon einige Jahre her."
John nickte. „Klar. Ich weiß noch, ich habe ihn während einer Stationierung in Afrika das erste Mal sehen können." Abrupt schloß er den Mund, grinste dann entschuldigend und hob beide Hände. „Ich bringe nur kurz die Waffe in Sicherheit." Damit verschwand er in seinem Zimmer.
„Aber ..." Carson fühlte sich ein wenig überrumpelt von den beiden. Er hatte sie weder eingeladen noch wollte er sie unbedingt dabei haben. Er wollte doch eigentlich nur den Film in Ruhe sehen. Und wenn er sich ins Gedächtnis rief, wie ein Filmabend auf Atlantis verlief, waren sowohl John wie auch Rodney anwesend ...
„Geben Sie mal her." McKay entwand ihm die Schüssel, inzwischen waren Carsons Finger vollkommen verkrampft, so daß es ihm wohl nicht sonderlich schwer fiel, die Schüssel an sich zu bringen. Dann trug er sie vor sich her wie eine heilige Relique in den Gemeinschaftsraum hinein.
Carson seufzte ergeben und folgte dem Wissenschaftler.
Soviel zu einem gemütlichen Abend ...
Kein ruhiger Abend by Hyndara71
Ein paar Minuten später saßen die drei Männer mehr oder weniger bequem auf den beiden Sofas und dem einen Sessel. Tatsächlich hatten John und Rodney es irgendwie geschafft, sich eben diese Sofas zu sichern, während Carson mit einem der beiden Sessel vorlieb nehmen mußte und zudem nicht sonderlich gut sehen konnte. Seufzend beobachtete er statt dessen, wie Sheppard seinen langen, schlanken Körper auf dem Sofa ausstreckte und es sich, die Fersen auf der Armlehne und die Arme vor der Brust gekreuzt, gemütlich machte. Rodney lag, wie ein altehrwürdiger Römer, auf der Seite und hielt gespannt Ausschau auf den Film, dessen erste Szenen gerade über den Bildschirm flimmerten.
Carson seufzte schwer und nahm einen Schluck von seinem Bier. Doch selbst das wollte ihm nicht so ganz schmecken.
Wie konnten die Amerikaner diese Brühe denn nur als Bier bezeichnen? Das war ja schlimmer als das, was die Deutschen der Welt andrehen wollten.
Enttäuscht stellte Carson seine Flasche auf den Tisch, beugte sich vor und nahm sich eine Handvoll Popcorn.
„Jetzt kommt die Stelle, die ich meinte!" John hatte unvermittelt eine Hand gehoben und deutete mit einem Finger auf den Bildschirm.
Carson stopfte sich das Popcorn in dem Mund, um den schlechten Geschmack wieder loszuwerden. Morgen würde er sich einen gut sortierten Getränkemarkt suchen und sehen, ob es nicht irgendwo auf diesem Kontinent auch vernünftiges Bier gab, englisches, schottisches, oder, seinetwegen, auch belgisches.
„Ach, kommen Sie, das hat doch absolut keine Ähnlichkeit mit Kirk aus der Enterprise!" begehrte Rodney auf.
„Achten Sie doch mal auf den Gesichtsausdruck von Allen. Klar ist das Kirk!"
Carson verstand kaum noch ein Wort dessen, was da auf dem Bildschirm ablief. Aber das schien auch nicht weiter wichtig zu sein, denn im Augenblick flimmerten die drei Worte „to be continued" darüber. Einen Atemzug später gab es einen Schnitt und ein Mann mit einem schmalen Oberlippenbart tauchte auf.
John lachte plötzlich laut auf. „Das klassische RedShirt!"
„Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst! Der Schauspieler hat Charisma", ereiferte Rodney sich wieder.
„Klar", Sheppards Stimme klang amüsiert, „ungefähr soviel Charisma wie ein Besenstiel! Gott, haben die ihn toll zurückgestutzt."
Carson beugte sich wieder vor, um der Handlung besser folgen zu können.
Ein Kameraschwenk zeigte einen großen Saal voller Menschen in allen möglichen Altersstufen.
„Oh Mann, da kommen doch Erinnerungen auf!" kommentierte wieder John.
Carson warf dem Major einen Blick zu, erhob sich dann halb und zog die Popcorn-Schüssel wieder in die Mitte des Tisches.
John grinste breit.
„Was weiß denn jemand wie Sie über SF-Cons?" fragte Rodney.
„Oh, eine Menge." John nickte.
Carson mampfte die nächste Portion Popcorn. Der Film lief weiter, entwickelte dabei immer deutlichere Stummfilmqualitäten für ihn. Konnten die beiden denn nicht einmal fünf Minuten still sein?
„Jetzt erzählen Sie mir nicht, ausgerechnet jemand wie Sie wäre regelmäßiger Con-Gänger gewesen in seiner Jugend", entgegnete Rodney.
„Wieso in meiner Jugend?" Ein weiterer kurzer und leidender Blick von Carson wurde durch das erneute breite Grinsen abgeschmettert. „Während meiner ersten Stationierung war es sozusagen ein Hobby von uns. Hatten wir am Wochenende frei, waren wir in einer der Nachbarstädte auf den jeweils stattfindenen Cons zu finden. War eine irre Zeit!"
Rodney schnaubte, nahm geräuschvoll einen Schluck von seinem Bier.
Eine Gruppe Jugendlicher tauchte auf, wollte den Hauptdarsteller des Films offensichtlich etwas fragen.
„Lassen Sie mich raten, Rodney. Sie waren einer von denen da - ein Technik-Freak, der wahrscheinlich die Enterprise bis in das letzte Schräubchen kannte, oder?" Johns Stimme klang amüsiert.
Carson fühlte sich immer mehr fehl am Platze. Dabei war er sich sicher, daß ihm der Film gefallen würde - würde er denn je mehr als einige Brocken verstehen.
„Als hätten Sie auch nur die geringste Ahnung von der Serie - oder sollte ich besser sagen, den Serien?" begehrte Rodney auf. „Was wissen Sie schon?"
„Eine Menge!"
Carson reichte es allmählich. Er hatte in Ruhe diesen Film ansehen wollen, statt dessen wurde er jetzt ständig abgelenkt und hatte nun wirklich allmählich nicht einmal mehr die blaßeste Ahnung, was da gerade auf dem Bildschirm geschah.
„Oh Mann, sehen Sie sich nur einmal Sig Weaver an!" Rodney seufzte schwer. „Blond steht ihr einfach!"
„Klar", Johns Kommentar klang trocken. „So sehr, daß sie bis heute fest davon überzeugt ist, ihr Intellekt habe unter der Färbung gelitten. Kaum waren die Dreharbeiten abgeschlossen, hat sie sich auch schon wieder ihren Naturton tönen lassen."
Carson betrachtete die Schauspielerin, die gerade ihren großen Auftritt hatte. Stimmt, auch die blonden Haare standen ihr.
„Woher wollen Sie das wissen?" begehrte Rodney auf.
„Ging durch die Yellow-Press." Selbst in seinen Worten war das breite und zufriedene Grinsen zu hören.
Jetzt reichte es endgültig!
Carson stand auf, warf den beiden anderen noch einen langen und sehr verletzten Blick zu, dann verließ er den Wohnraum, um in seinem Zimmer zur Ruhe zu kommen und den kleineren Fernseher zu frequentieren, der vielleicht kein so gutes Bild lieferte wie der im Wohnraum, aber immerhin würde er dort ungestört sein.
John nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie Beckett den Raum verließ und biß sich unwillkürlich auf die Lippen, während McKay weiter wetterte.
Hieß daß, Rodney und er hatten den Mediziner verscheucht? DAS war ganz sicher nicht seine Absicht gewesen.
„Ich gebe nur weiter, was ich gelesen habe", entgegnete er beinahe taub den Einwand von Rodney, während, wie auf Bestellung, seine Kopfschmerzen wieder einsetzten.
John kniff die Augen zusammen und verzog das Gesicht. Langsam setzte er sich auf, bis er bemerkte, daß die Schmerzen zunahmen, je mehr er sich aufrichtete. Also sank er wieder auf das Polster zurück, wich dem Flimmern des Bildschirms aus und schwieg.
Rodney war im Moment ohnehin in einen Monolog vertieft, den John tunlichst ignorierte.
Die Schmerzen wurden schlimmer. Mit zwei Fingern rieb er sich die Nasenwurzel in der mageren Hoffnung, daß es so vielleicht besser werden würde, doch auch das war nicht der Fall.
Nur nichts anmerken lassen!
Doch er war sich nicht wirklich sicher, ob ihm das gelang. Mit jedem Atemzug schienen die bohrenden und pulsierend-dumpfen Schmerzen, von seinen Schläfen ausgehend, schlimmer zu werden. Und ihm war ein wenig übel, was aber sicherlich nicht an einem überreichlichen Genuß lag, denn er hatte bisher nichts anderes zu Abend gegessen als ein paar Handvoll Popcorn.
Als der erste, sich wie ein Messerstich ins Auge anfühlende Schmerz erfolgte, entwich John ein leises Wimmern, bevor er sich wieder im Griff hatte.
Verdammt, das wurde aber auch mit jedem Tag schlimmer! Was sollte er nur tun?
„Sheppard?"
Er hielt die Augen geschlossen, wagte nicht, den Kopf zu drehen oder sich sonstwie zu bewegen. Im Hintergrund lief weiter der Ton, der seinen Ohren schmerzte.
„Wir sollten diesen Film wirklich in unsere Sammlung aufnehmen, finden Sie nicht?" erkundigte Rodney sich.
John wollte gern antworten, war sich aber nicht sicher, ob seine, plötzlich am Gaumen klebende Zunge sich überhaupt lösen würde.
Das andere Sofa knarrte leise, als McKay sich aufrichtete. „Sind Sie eingeschlafen?"
Nur keine Schwäche, und erst recht keine Schmerzen!, zeigen.
Tapfer öffnete John die Augen, wenn auch nur einen Spaltweit und zwang sich zu einem Grinsen. „Alles in Ordnung."
Rodney musterte ihn genau. „Sicher?"
„Sicher."
„Wirklich sicher?"
„Wirklich sicher."
„Und Sie sind sich absolut sicher, daß es Ihnen gut geht? Sie sehen etwas grün um die Nase aus", fragte Rodney plötzlich besorgt.
„Ein bißchen Kopfschmerz, nichts ernstes." John grinste wieder gequält.
Rodney nickte, erhob sich, während ihm die Lider wieder über die Augen sanken. Das Licht, wenn auch gedimmt, schmerzte ihm.
„Okay, eine Sekunde." Rodneys Stimme klang weit entfernt.
John fühlte sich plötzlich sehr schwach, als würde seine sämtliche Kraft durch die Kopfschmerzen ausgesaugt werden.
So schlimm war es aber noch nie gewesen! Bis jetzt war er davon ausgegangen, daß die Schmerzen sich auf ein Maß eingependelt hatten, doch diese Annahme bestätigte sich jetzt nicht.
Schritte näherten sich, gerade in dem Moment, als John begriff, daß jemand den Fernseher ausgeschaltet hatte.
„Major?" fragte Carsons Stimme ihn jetzt. „Wie geht es Ihnen?"
John schluckte. Von Minute zu Minute schien sein Hals immer mehr auszutrocknen, während die Kopfschmerzen immer heftiger wurden. „Es ... tut weh", gab er schließlich zu und öffnete die Augen wieder einen Spaltbreit.
Carson hatte sich über ihn gebeugt und musterte ihn besorgt. Jetzt nickte der Arzt. „Denken Sie, Sie schaffen es in Ihr Zimmer zurück? Dort können Sie sich besser ausruhen und haben Ihre Ruhe."
„Natürlich muß jetzt wieder alles nach seinen Vorstellungen laufen, nicht wahr?" begehrte Rodney auf.
Carson und John wechselten einen Blick.
„Ich werde es versuchen. Aber ... gerade wurde mir übel, als ich versuchte, aufzustehen", antwortete der Militär nach einer kleinen Weile.
Carson nickte. „Wir helfen Ihnen, kein Problem. Ganz vorsichtig und langsam. So wie Sie aussehen, könnte auch Ihr Kreislauf wieder betroffen sein von den Nebenwirkungen der Kopfschmerzen."
Von stützenden Händen begleitet gelang es John dieses Mal wirklich, sich aufzurichten. Unter Lamentos und Tiraden fand sich auch endlich Rodney bereit, ihm aufzuhelfen. Halb von den beiden getragen und halb geschleift gelangte John wieder in sein Zimmer und wurde dort sehr umsichtig auf seinem Bett abgeladen.
Irgendwie empfand er diese Situation als etwas skuril. Als hätte er einen über den Durst getrunken, hatten Beckett und McKay ihn hergebracht und abgelegt. Rodney war jetzt wohl mit seinen Schuhen beschäftigt - selbst schuld!, während Carson ...
John ließ vorsichtig den Kopf zur Seite sinken und beobachtete, wie der schottische Mediziner gerade eine Ampulle auf der Kommode abstellte, eine Spritze hob und sie kontrollierte. Dann trat er wieder an das Bett heran.
„Das wird jetzt kurz ein bißchen pieksen. Aber das kennen Sie ja schon, nicht wahr?" Carson lächelte und schob die Nadel vorsichtig in die Armbeuge seines unverhofften Patienten. John verzog kurz das Gesicht, schloß die Augen wieder.
„Das wird Ihnen ein bißchen helfen, damit Sie sich auch ausschlafen können", sagte Carson. Doch seine Stimme klang bereits wie aus weiter Ferne ...

Alles war zerfasert um ihn her, Dunkelheit und dieses dämmrige Licht, das nicht wirklich vorhanden war.
Er fühlte eine gewisse Befriedigung in sich, als er sich aufrichtete. Erst dann ging ihm auf, worauf er genau gefallen war. Seine Augen wurden groß.
Nein, das konnte doch nicht ...
Mit einem schrillen Kreischen meldete sich diese Kreatur zurück. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Er hatte ihr doch dermaßen eine überbezogen, daß der dicke Ast es nicht überlebt hatte. Wie konnte sie ... ?
Die Frau unter ihm röchelte, gerade in dem Moment, als er plötzlich am Kragen gepackt und auf die Beine gerissen wurde.
Die Welt um ihn her tanzte. Und er hielt das Messer, zog es aus dem Leib der jungen Frau.
Kein Mitleid, kein Bedauern. Da war nichts.
Nein, das stimmte nicht. Da war etwas.
Der Griff des Messers war glitschig.
Schlieren von Rot durchzogen die Dunkelheit.
Wieder dieses irrsinnige Kreischen, das ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Und dann war sie wieder über ihm.
Er hackte mit dem Messer zu, blind und wie von Sinnen, während sich etwas um seinen Hals schlang.
Nein, nein, nein!
Er stach weiter auf diese dunkle Wolke ein, die allmählich das Gesicht der Fremden formte.
Was tat er da? Er tötete!
Der Atem wurde ihm knapp. Mit dem nächsten Schlag wurde ihm das Messer aus der Hand geschlagen.
Die Welt versank in Rot.
Er keuchte um Atem, streckte die leeren Hände aus und bekam etwas zu fassen. Nein, es war nichts. Eine eigenartige Masse, die ihn an den Wackelpudding erinnerte, den er im SGC gegessen hatte, nachgiebig und glibberig unter seinen Händen.
Seine Lungen schrien, während sich diese Finsternis über ihn beugte.
Blind griff er wieder zu.
Ein grünes Leuchten, als er etwas festes berührte, dann ... nichts mehr ...
Nur Leere - und dieses Kreischen ...


John kam keuchend zu sich. Das hieß, er versuchte es, er spürte, daß sein Körper erwachen, nein, hochschrecken!, wollte nach diesem Alptraum. Doch es gelang ihm nicht, sich aus dem zähen Brei der Finsternis zu lösen, ebensowenig wie es ihm möglich war, seine Lider zu heben. Es war, als habe man sie festgeklebt.
Sein Körper war bleischwer, schien Tonnen zu wiegen. Tonnen, unter denen er begraben lag.
John versuchte zu schreien, um Hilfe zu rufen, als die nackte Panik ihn erfaßte. Doch mehr als ein undeutliches Krächzen steckte einfach nicht in seiner Kehle.
Er spürte, wie er wieder zurücksank in die Finsternis der Nachtmahre und Seelensauger, klammerte sich nur noch fester an den Wunsch, richtig zu erwachen. Doch da sackte sein Bewußtsein schon wieder in sich zusammen und ließ den klebrigen Pech des sedierten Schlafes über seinem Kopf zusammenschlagen.
Doch wirkliche Ruhe sollte John Sheppard nicht mehr finden in dieser Nacht. Das Gesicht der Toten verfolgte ihn durch seine Träume - und es gab mehr als genug andere, die sich ihr nur zu gern anschlossen.
John stöhnte mehr als einmal unruhig auf, doch er erwachte nun nicht mehr ...
Die Verhaftung by Hyndara71
John saß stumm daneben, während Elizabeth und Carson sich munter unterhielten und Rodney, wie immer morgenmuffelnd, sein Frühstück hinunterschlang und sich hinter einer Zeitung vergraben hatte.
Der Traum der letzten Nacht verfolgte ihn. Immer wieder tauchte aus den Tiefen seines Geistes das Gesicht der Frau auf. Der Frau, deren Bild er gestern in einer Abendausgabe gesehen hatte, die Rodney hatte lesen wollen.
John schnürte es die Kehle zu.
War er es vielleicht gewesen? Hatte er diese Frau getötet, diese Miss Lloyd?
Er wußte es nicht. Er hatte nicht die blaßeste Ahnung, ob und was sich vor zwei Nächten abgespielt hatte. Nur dieser Traum, der ihn quälte und verfolgte ... Wenn nun ... ?
„Es hat wieder einen Mord gegeben", sagte Rodney in diesem Moment, „nicht einmal einen Block von hier entfernt."
John zuckte zusammen, als habe der Wissenschaftler ihn geschlagen.
Einen weiteren Mord. Das dürfte dann das ... sechste Opfer sein.
Sechs. Seit sechs Tagen waren sie in New York, um der Außenabteilung des IOA über das eine Jahr der Expedition Rede und Antwort zu stehen. Und vorher hatte man ihm im Cheyenne-Mountain sehr deutlich zu verstehen gegeben, daß er von jetzt an nicht mehr gebraucht werden würde auf Atlantis. Was immer der Generalstab und die Air Force mit ihm planen mochten, er würde nicht zurückkehren in die Pegasus-Galaxie. Und das vornehmlich, weil er selbst die meisten Fehler begangen hatte.
John schloß die Augen.
Und wenn er nun der Mörder war? Wenn ...
Elizabeth und Carson diskutierten mit Rodney über diesen sechsten Mord. Keinem schien aufzufallen, daß er sich nicht an diesem Gespräch beteiligte.
John öffnete die Augen wieder, sah auf seine verbundene linke Hand hinunter, betrachtete dann seine bloßen Unterarme, an denen sich deutlich Krater und Hämatome abzeichneten. Abwehrverletzungen, so hatte dieser Ermittler Mac Taylor es genannt. Aber was, wenn das nicht seine Abwehrverletzungen waren, sondern die dieser Lloyd? Was, wenn er durch die Kopfschmerzen regelmäßig den Verstand verlor und ...
Es läutete.
John zuckte unwillkürlich zusammen, sah dann auf, als Carson sich erhob und etwas vom Zimmerservice murmelte.
Was, wenn er der Central-Park-Ripper war?
John wußte, was der Krieg aus einem Menschen machen konnte, er hatte es oft genug selbst erlebt. Und er kannte mehr als einen seiner alten Kameraden, die sich nie von dem erholt hatten, was sie während der Kämpfe hatten mitansehen und manchmal sogar selbst hatten tun müssen. Irgendwie war es ihm bis vor einem Jahr meist gelungen, sich von den größten Massakern fernzuhalten. Sicher, es war schlimm gewesen, was er erlebt hatte, seit er das erste Mal in ein Krisengebiet versetzt worden war, aber wenn er an die Schilderungen von manchen anderen dachte ...
„NYPD", sagte eine Stimme.
„Was?" Elizabeth klang vollkommen verblüfft.
John öffnete die Augen, atmete tief ein. Er begegnete Rodneys entsetztem Blick, richtete sich dann auf und drehte sich um, gerade als drei Männer und eine Frau die Suite betraten.
„Major Sheppard?" fragte Elizabeth leise, doch er ignorierte sie.
Beinahe wollte ein erleichtertes Lächeln sich auf sein Gesicht schieben, als er sah, wer da gekommen war. Ja, den einen Mann kannte er, es war Mac Taylor, an den er gerade noch gedacht hatte. Hinter ihm ging eine Frau mit dunklen Haaren und einem ausgeprägten Schmollmund - untern normalen Umständen hätte er sie vielleicht anziehend gefunden. Der zweite Mann trug ein Ledersakko und hatte schwarze Haare. Die Koteletten waren vielleicht etwas lang für Johns Geschmack, betonten andererseits aber auch das schmale Gesicht mit den dicken Brauen und den dunklen Augen. Sicher hatte dieser Mann wenigstens einen Italiener in seiner Familie.
Aber ... warum auch nicht? Immerhin galt New York weithin als die Hochburg der Italianos und als Hauptquartier der amerikanischen Mafia.
Der letzte Mann trug die Uniform der Polizei und ging neben der Tatortermittlerin einher.
Vor John blieben die vier stehen.
Er nickte Mac zu. Es brauchte keine Worte zwischen ihnen, er wußte, warum sie gekommen waren.
„John Sheppard, ich verhafte Sie hiermit", der Schwarzhaarige legte ihm eine Hand auf die Schulter, doch er ließ sich nicht stören, sah weiter offen und forschend in das Gesicht des Tatortermittlers, der ihm im Krankenhaus so sympatisch gewesen war, „wegen des dringenden Verdachtes des vorsätzlichen Mordes und der Vergewaltigung in sechs Fällen."
Mac senkte den Blick. „Es tut mir leid." Seine Stimme klang rauh.
John nickte, richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Rodney?" fragte er, ohne sich umzusehen. „Würden Sie bitte in mein Zimmer gehen und meine Waffe holen?"
„Was geht hier vor?" meldete sich endlich Elizabeth zu Wort.
„Detective Don Flack, NYPD", stellte der Schwarzhaarige sich endlich vor und zückte seinen Dienstausweis. John warf ihm nur einen halben Blick zu.
Rodney bewegte sich noch immer nicht!
„McKay!" John klang ungeduldig, wandte sich dann an Flack: „Wollen Sie mich fesseln zur Sicherheit?"
„Das wird nicht nötig sein, Major", antwortete Mac sofort wie auf Kommando. „Ebensowenig wie Sie jemanden schicken müssen, um Ihre Waffe zu holen. Sie haben eine Berechtigung. Und wollen Sie sich diese Schmach wirklich antun?"
John biß sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf.
„Ich bestehe darauf zu erfahren, was genau meinem Stabsmitglied vorgeworfen wird", begehrte Elizabeth hinter ihm auf.
Carson kam jetzt endlich den Flur hinunter, während McKay an ihnen vorbei in Richtung seines Zimmers stürzte.
John seufzte erleichtert.
„Tut mir leid, Mam, aber ..."
„Wir haben die Ergebnisse des DNA-Vergleichs", schnitt Mac Flack das Wort ab, noch immer sehr konzentriert John musternd. „Die Proben von Ihnen stimmen mit denen der ersten fünf Ermordeten überein, Major."
Er war der Ripper!
John schluckte, nickte dann wieder. „Ich gehe freiwillig mit und ..." Er brach ab, weil ein Klumpen in seiner Kehle ihn plötzlich würgte.

Grün glühende Augen starrten ihn an ...

„Mein Junge!"
John riß sich zusammen, richtete sich wieder auf, während der uniformierte Polizist und die Tatortermittlerin Carson von ihm fernhielten.
„John?" ließ Elizabeth sich vernehmen.
Ihm war übel, doch er würde wohl nichts daran ändern können, was hier gerade geschah.
„Wir sollten gehen", sagte John, als er sich wieder gefangen hatte.
„John!"
Er warf einen Blick über die Schulter zurück auf Weir. Ein trauriges Lächeln zuckte um seinen Mundwinkel. „Würden Sie für mich Landry informieren, Elizabeth? Man wird in ... Colorado wissen wollen, was geschehen ist."
Elizabeth starrte ihn groß an. Deutlich sichtbar schluckte sie und begann zu nicken.
John drehte sich wieder um, betrachtete die attraktive Frau. „Sie wollen meine Sachen durchsuchen?" fragte er.
Die musterte ihn mißtrauisch, nickte dann aber und zog einen Umschlag aus ihrer Jackentasche.
John schüttelte den Kopf. „Danke, aber ich gebe Ihnen meine Genehmigung. Nehmen Sie mit, was Sie brauchen."
„Sind Sie sicher, Major?" erkundigte Mac sich. „Sie verzichten gerade auf Ihre Rechte. Ich hoffe, das ist Ihnen klar."
McKay kam endlich zurück, die leere Beretta in der zitternden Hand. Gut, daß er das Magazin an einem sicheren Ort versteckt hatte.
„Gehen wir", sagte John nur, während diese Frau Rodney die Waffe abnahm. „Das Magazin finden Sie in der Seifenablage im Bad", wandte er sich an sie und lächelte wieder humorlos.
„John!"
Er sah noch einmal über die Schulter zurück und schüttelte den Kopf. „Es ist in Ordnung, Elizabeth. Wirklich."
Damit ließ er sich, von Flack und Taylor flankiert, aus der Suite führen.

Sergeant George Dorn nahm seine Mütze ab und folgte dem Luftwaffenoffizier, dem er zugeteilt worden war, in das Hotel hinein.
Erst das Chaos im Cheyenne-Mountain selbst, dann auch noch das Debakel in Peterson und schließlich das schlechte Wetter hier in New York. Es war zum Auswachsen gewesen. Dadurch, daß gerade die Leitung des SGCs wechselte, war selbst Dorns Geduldsfaden etwas strapazierter als sonst, zumal er erst vor wenigen Tagen erfahren hatte, daß seine Tochter Laurell in den Irak versetzt werden sollte als Sanitätsfliegerin.
Es behagte ihm nicht, auch wenn ihm klar war, daß sie, durch ihren Eintritt in die Streitkräfte, sich auch verpflichtet hatte, an Auslandseinsätzen teilzunehmen. Doch Cindy, seiner Frau, das klar zu machen ... und es auch noch selbst zu akzeptieren, das waren definitiv andere Dinge als die, die er bisher hatte bewältigen müssen.
Dabei war er so sicher gewesen, Laurell irgendwie ins SGC bringen zu können und hatte deshalb mehr oder weniger darauf bestanden, daß sie der Air Force beitrat, als sie unbedingt in seine Fußstapfen hatte schlüpfen wollen. Vielleicht wäre sie bei den Marines doch besser ... ?
Major Lorne, dem er zugeteilt worden war auf Geheiß des neuen Leiters von Cheyenne-Mountain, diesem General Hank Landry, hatte sich an den Tresen gestellt und sprach jetzt auf den Portier ein.
Dorn sah sich, zugegeben, etwas desinteressiert um. Hatte sich einiges verändert, seit Stephen, sein Neffe, hier einen Ferienjob als Page gehabt hatte.
Mit einem leisen Klingeln öffneten sich die Lifttüren.
Dorn schmunzelte. Immer noch der gleiche alte Aufzug, der allmählich wirklich in Rente gehen sollte - so wie er demnächst.
Drei Männer verließen den Lift, alle drei dunkelhaarig, einer in einem Ledersakko.
Dorn musterte die drei, wohl wissend, daß er so schnell deren Gesichter nicht mehr vergessen würde. Wie immer, er hatte nun einmal ein sehr gut funktionierendes Gedächtnis, was sich in seinem Dienst für das SGC auch schon mehrfach ausgezahlt hatte.
Der mittlere der drei sah ihn groß an, konnte seinen Blick nicht von ihm wenden. Merkwürdige Augen ...
Dorns Blick glitt die Gestalt hinab. Helles T-Shirt, ausgewaschene Jeans, Militärstiefel ...
Er stutzte, gerade als Lorne sich wieder aufrichtete.
Der Fremde mit den Militärstiefeln wollte stehenbleiben, öffnete den Mund.
„Weitergehen", sagte der mit dem Ledersakko. Konnte es sein, daß das einer aus dem Flack-Clan war?
Der hochgewachsene Mann mit den Militärstiefeln an den Füßen ging, wenn auch unter deutlicher Zuhilfenahme der Hand des Ledersakkos, weiter, drehte sich im Lauf aber immer weiter um, als das Recken seines langen, geröteten Halses nicht mehr ausreichte.
Nicht gerade ganz regelkonform die Frisur, ging Dorn auf. Sollte das vielleicht dieser Sheppard sein, wegen dem sie gekommen waren?
„Serge?" wandte Lorne sich an ihn, gerade als die drei das Hotel verließen.
Dorn nickte nachdenklich, folgte dem Major zu den Aufzügen. „Sollten die Treppen nehmen", brummte er einsilbig.
Lorne warf ihm einen überraschten Blick zu. „Wieso?"
Wieder erklang dieses leise Läuten, als die beiden Türen sich öffneten.
Dorn schürzte nachdenklich die Lippen und zuckte mit den Schultern, folgte Lorne aber anstandslos in den Aufzug hinein.
Dieser Mann mit den Militärstiefeln ging ihm nicht aus dem Kopf. Sollte das etwa wirklich Sheppard sein, der angeblich einigen Ärger hatte, sowohl hier in New York wie auch im SGC? Soweit Landry das beim Briefing angedeutet hatte schien er wohl nicht gerade sehr ... militärisch zu sein. Andererseits aber besaß er wohl auch einige Erfahrung, wie Dorn über den Techniker Walter erfahren hatte, der, auf sein Geheiß hin, die Akte dieses Sheppard aus den Eingeweiden des Hauptrechners gezogen hatte. Eine zugegebenermaßen beeindruckende Akte.
Wider Erwarten blieb der Lift nicht stecken, was Dorn schon einmal etwas beruhigte.
Zumindest schienen die Götter nun wieder auf ihrer Seite zu sein, hatte doch was für sich.
Sich weiter an Lornes Seite haltend, marschierte er den Gang hinunter, der im Stil der 20er gehalten einiges mehr versprach als dieses Etablisement halten konnte, bis zu einer halb offenstehenden Tür.
Lorne gab ihm Zeichen. Dorn blieb stehen und wartete, während der Luftwaffenoffizier vorsichtig, die Hand an seiner Waffe, die Tür ganz aufstieß und in die Suite sicherte. Dann gab er ihm Entwarnung und trat ein. Der Marine folgte und sah sich neugierig um.
Sieh an, soweit war die Renovierung denn doch schon gekommen ...
Ein langer Flur schloß sich an die Tür an. Am Ende dieses Flures stand eine Tür offen, vor der sich ein Streifenpolizist positioniert hatte. Aufgeregte Stimmen drangen aus dem Raum schräg hinter der geöffneten Tür, der wohl eine Art Aufenthaltsraum für die hier lebenden Gäste sein sollte.
Dorn warf einen kurzen Blick in das erste Zimmer hinein und sah den Rücken einer jungen Frau, die sich gerade über das ungemachte Bett beugte. Auf dem Rücken ihrer Windjacke war deutlich die Abkürzung CSI zu lesen.
Sie waren zu spät!
Dorn folgte Lorne in den Wohnraum hinein und fand sich unvermittelt in einem halben Chaos wieder.
Ein Mann saß wie betäubt an einem Eßtisch, der noch gedeckt war, ein anderer lief, fingerschnippend und vor sich hinlamentierend, auf und ab. Eine dunkelhaarige Frau stand an einem niedrigen Beistelltisch und telefonierte gerade aufgeregt.
„Major Lorne und Sergeant Dorn vom SGC", stellte der Air Force Offizier sie beide vor, erntete erst einmal nichts als Unverständnis für seine Worte, dann sprang der Mann, der gerade noch vor sich hingemurmelt hatte, auf sie beide zu.
„Und wo, wenn man fragen darf, kommen Sie ausgerechnet erst jetzt her?" fuhr er Lorne an. „Hier geht gerade die Welt unter und Sie sind seit Urzeiten überfällig!"
Dorn schmunzelte.
Das schien ja ein munterer Tag zu werden ...

Mac hatte die Reaktion des Majors in der Lobby sehr genau beobachtet und war auch selbst auf die beiden Militärs aufmerksam geworden, die am Tresen gestanden hatten und offensichtlich nach einer Auskunft verlangten. Was ihn eher verblüffte war die Tatsache, wie lange die Air Force gebraucht hatte, um einem ihrer Leute Hilfe zu schicken. Irgendwie wollte er nicht so ganz davon ausgehen, daß es sich „nur" um ein Versehen handelte. Nein, dazu kannte er die „Flugaffen" ein bißchen zu gut noch aus seiner Zeit beim Militär. Außerdem, hatte er nicht bereits beim ersten Gespräch mit Sheppard mehr oder weniger deutlich wahrnehmen können, daß dieser offensichtlich Ärger hatte?
War es möglich, daß dieser Ärger schuld daran war, daß Sheppard vielleicht durchgedreht und die Frauen doch ermordet hatte? Dann hätte Danny recht mit seiner Theorie der multiplen Persönlichkeiten, denn niemand konnte so gut schauspielern, wie der Major es im Moment tat.
„Weitergehen", sagte Flack auf der anderen Seite.
Mac fühlte wieder, wie sein Mitleid für dem Militär erwachte. Und genau in dieser Empfindung sah er auch seinen vorrangigen Grund dafür, Sheppard für unschuldig zu befinden, obgleich das sonst ganz und gar nicht seinem Naturell entsprach. Diese Verwirrung in den haselnußfarbenen Augen, dieses Gesicht, das sich verzweifelt bemühte, keine Empfindung zu zeigen, es aber dennoch tat, diese Schuldgefühle, die aus jeder Ritze von Sheppards Verstand schimmerten.
Was auch immer er in den letzten Monaten mitgemacht hatte, es hatte ihn wohl wesentlich deutlicher gezeichnet als die vormaligen Einsätze in Krisengebieten. Und es arbeitete immer noch in dem Mann.
Mac öffnete die Tür für ihren Gefangenen, wartete, bis dieser in den Wagen geklettert war - Gott sei Dank hatte er Flack davon überzeugen können, nicht mit einem Streifenwagen zu kommen - und schloß sie dann hinter Sheppard.
Der Detective sah ihn nachdenklich an. „Hoffentlich verrennst du dich nicht, Mac", sagte er schließlich. „Vergiß nicht, laut der DNA war es Sheppard."
Mac nickte.
DAS würde er wohl so schnell schlichtweg nicht vergessen können. Erinnerte der Rest des Teams ihn nicht daran, dann würde es Sheppard selbst sein, der ihm keine Ruhe ließ.
Wer auch immer da im Central Park sein Unwesen trieb, für Mac war es nur zu klar, daß es sich dabei um jemanden handeln mußte, der dem Major übles wollte. Aber warum? Und warum diese bestialischen Morde? Man hätte Sheppard auch wesentlich leichter eine Falle stellen können, so es denn überhaupt noch nötig war, wovon er nicht so wirklich auszugehen wagte.
„Ich weiß", sagte er schließlich, sah zu dem Polizisten hinüber und erwiderte Flacks Blick. „Und was denkst du, Don?"
Der Detective sah ihn einen Moment lang überrascht an. „Bin ich dieses Mal etwa nicht der Akteur, dem ihr so wunderbar souflieren könnt?" fragte er nach einer kleinen Weile amüsiert.
Mac schmunzelte. „Ich fürchte, ich bin auf jede zweite Meinung angewiesen, die ich nur hören kann. Das 'Verrennen' habe ich inzwischen einmal zu oft gehört ..."
Flack grinste, zog seine Sonnenbrille hervor und setzte sie sich auf. „Verständlich", gab er zu. „Aber ich muß dir recht geben. Dieser Sheppard ist bisher alles andere als ein typischer Serienkiller, vielleicht abgesehen von seinem IQ."
Mac warf einen Blick auf die Rückbank. Der Major saß, die Finger in seine Oberschenkel gekrampft, da und starrte nach vorn aus der Frontscheibe. Er wirkte wieder angespannt. Dabei verrieten die kleinen Falten in seinem Gesicht, daß er gern und oft lachte.
Der IQ ... der war wirklich mit anderen Serienkillern vergleichbar, das stimmte. Aber nicht jeder, der intelligent war, mußte zwangsläufig zu einer Bedrohung für seine Mitmenschen werden. Das war Unsinn!
„Noch Fragen?" Flack grinste ihn an.
Mac kniff kurz die Lippen aufeinander, dann schüttelte er den Kopf. „Laß uns fahren."
Verspätete Helfer by Hyndara71
„Einen Moment, bitte." Major Evan Lorne hob die Hand und sah von einem zum anderen. Kurioserweise trat plötzlich Stille ein, kurz nachdem er die Stimme erhoben hatte.
Wow! Dabei hatte er doch bisher immer als der gegolten, der so leicht zu übersehen und -hören war! Dieser Major Sheppard hatte seine Leutchen wohl gut erzogen in dem Jahr Pegasus-Galaxie.
Sergeant Dorn lehnte am Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. Desinteressiert sah er sich um, schien gleichzeitig aber vollkommen konzentriert zu sein.
Evan fühlte sich gleich besser. Auch wenn er zu Anfang nicht begeistert gewesen war, ausgerechnet mit dem maulfaulen Dorn zusammengesteckt zu werden, inzwischen hatte es sich doch gelohnt, wie er fand. Dabei mußten sie beide ein interessantes Paar für jeden Außenstehenden abgeben, schon allein aufgrund ihrer unterschiedlichen Uniformen.
„Was ist denn jetzt?" fuhr der Mann ihn plötzlich an, der bis jetzt den Raum ruhelos durchschritten hatte.
Konnte DAS tatsächlich Dr. Rodney McKay sein, von dem er soviel gehört hatte? Der McKay, der Samantha Carter regelmäßig zur Weißglut gebracht hatte und es wohl immer noch schaffen würde, sollte er auf den weiblichen Lt. Colonel treffen? Davon allerdings war weniger auszugehen, da Carter inzwischen die militärische Abteilung in AREA 51 leitete.
Evan war sich nicht sicher, aber der andere, dieser leicht untersetzte Mann mit den himmelblauen Augen und dem hochgegelten Pony, saß nur am Tisch und musterte ihn ratlos. Von McKay hatte er bisher eigentlich nur gehört, daß er sehr hektisch sei.
Also dann ...
Evan räusperte sich, zog seine Uniformjacke zurecht. „Erst einmal würde ich gern über das informiert werden, was hier geschehen ist. General Landry sagte lediglich, daß Major Sheppard in Schwierigkeiten stecken und im Krankenhaus liegen würde, jedoch gestern bereits wieder in Ihre Obhut entlassen worden sei. Aber hier ist er nicht. Und wenn ich die Durchsuchung dieses Zimmers draußen auf dem Gang richtig deute, ist inzwischen die Polizei aktiv geworden - was nicht der Fall hätte sein dürfen."
„Major ... Lorne, richtig?" Die dunkelhaarige Frau, die bis jetzt telefoniert hatte, legte endlich den Hörer wieder auf die Gabel und drehte sich um. Endlich ein bekanntes Gesicht! Dr. Elizabeth Weir sah ihn streng und nachdenklich zugleich an.
Evan nickte, wies zu dem Marine hinüber. „Sergeant Major George Dorn, United States Marine Corps, zugeteilt dem SGC und Mitglied von SG-9", stellte er seinen Begleiter vor. „Und ich bin Major Evan Lorne von der Air Force, zur Zeit warte ich auf die Bestätigung, mit Ihnen in die Pegasus-Galaxie zu reisen und dort meinen neuen Stationierungsort kennenzulernen."
Weir sah ihn von oben bis unten an, ebenso wie dieser hektische Kerl, der wohl wirklich McKay war. Nur der Mann am Tisch blickte zu Dorn hinüber und musterte den Marine, der sich jedoch keine Reaktion anmerken ließ, sondern weiter dastand wie bisher.
„Major Lorne, unter anderen Umständen würde ich sagen, es ist schön, daß Sie nun doch endlich eingetroffen sind", sagte Weir nun wieder. „Ich kann mich ... dunkel entsinnen." Sie lächelte leicht, als er nickte. „Ich bin die Leiterin der Atlantis-Expedition und das sind meine beiden Stabsmitglieder Dr. Rodney McKay", es war tatsächlich der hektische, der ihn jetzt mit einem bösen Blick bedachte, „und Dr. Carson Beckett." Der Blauäugige sah jetzt zu ihm hinüber und lächelte, ehe er sein Interesse wieder auf Dorn richtete.
Evan war, zugegeben, irritiert über diese Reaktion. Was war auf den ersten Blick an Dorn so faszinierend? Oder spürte der Mediziner irgendetwas, was ihm verborgen geblieben war?
„Da haben Sie sich ja schön den Wecker auf 'zu spät' gestellt!" maulte McKay wieder los.
Lorne zuckte sichtlich zusammen, als er aus seinen Gedanken gerissen wurde und fokusierte den Wissenschaftler.
„Major Sheppard ist vor gerade verhaftet worden", erklärte Weir, nachdem sie McKay einen strafenden Blick zugeworfen hatte. „Ich wundere mich allerdings ebenfalls darüber, daß Sie so lange bis hierher brauchten."
„Vielleicht sind die beiden ja zu Fuß gegangen. Von der Zeit könnte es vielleicht passen", bemerkte der Wissenschaftler giftig, trat an den Tisch und wollte sich offensichtlich seine Tasse nehmen, um einen Schluck zu trinken.
Evan begriff nicht so ganz, was als nächstes geschah. Es schepperte kurz, dann heulte McKay plötzlich los und hielt sich die rechte Hand. Beckett sprang auf, jedoch wohl mehr erschrocken als ebenfalls beteiligt.
„Ja, mein Junge, was machen Sie denn für Sachen?" fragte der Mediziner mitfühlend.
Evan und Dorn tauschten einen Blick. Was war das denn?
McKay jammerte laustark vor sich hin, machte damit jede mögliche Erklärung und Entschuldigung von Seiten der beiden Militärs unmöglich. Evan tauschte nur abwechselnd einen Blick mit Dorn und dann mit Weir.
In was für einen Affenzirkus hatte Landry ihn denn da geschickt? Ganz zu schweigen von seinem eigenen Antrag auf Versetzung nach Atlantis. Sicher, damit würde er deutlich (und endlich) die Karriereleiter hochfallen. Aber zu welchem Preis?
„Ich hole kurz meine Tasche, dann wird es halb so schlimm", bemerkte Beckett, nachdem er McKay endlich auf einen der vier Stühle niedergedrückt hatte.
Wieder tauschten Evan und Dorn einen langen und sehr beredten Blick, ehe dem Luftwaffenoffizier auffiel, daß sich hinter dem Marine noch zwei Schatten auf dem Flur abzeichneten.
Dem Sergeant schien eine Veränderung ebenfalls nicht entgangen zu sein, denn plötzlich richtete er sich wieder zu seiner durchschnittlichen Größe auf und drehte sich zu den beiden im Flur stehenden Angehörigen der Exekutive um. „Alles in Ordnung", brummte er maulfaul.
Evan seufzte und sah Beckett nach, der hinter einer der angrenzenden Türen verschwunden war.
„Hören Sie, Major. Es mag kein sonderlich gut gewählter Zeitpunkt sein, aber ich möchte Ihnen trotzdem sagen, daß ich mich freue, Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen."
Evan blickte irritiert wieder auf und sah Weir neben sich stehen. Etwas beschämt lächelte er.
Toller zukünftiger stellvertretender Kommandant des militärischen Kontingents auf Atlantis! Eine Zivilistin konnte sich an ihn heranschleichen!
„Wir wurden aufgehalten, Mam", erklärte er so leise wie möglich. „Sie können mir glauben, ich wäre auch lieber bereits gestern hier eingetroffen. Schon allein, damit ..."
Weir schüttelte den Kopf. „Ich habe gerade einen Bekannten angerufen, der Major Sheppards Fall übernehmen wird als sein Anwalt. Darüber sollten Sie sich im Moment keine Sorgen machen. Ich möchte allerdings, daß Sie ein bißchen mehr leisten als nur dumm herumzustehen. Wir müssen Major Sheppard helfen - und wir werden das auch tun!"
Dorn schloß die Tür zum Aufenthaltsraum und nickte ihm zu, als er dem Marine einen ratlosen Blick zuwarf. „CSI will sich auch noch die anderen Räume ansehen", brummte der alternde Militär.
„WAS?" brauste McKay plötzlich auf. „Soll das ein Witz sein? Wieso sollte diese ... diese Miss September irgendwo wühlen wollen?"
Dorn sah den Wissenschaftler sinnend an. „Die kleine Addy ist groß geworden", sagte er dann endlich und nickte, „hat aber immer noch ihre Haare auf den Zähnen. Und sie hat einen Durchsuchungsbefehl." Ein breites und zufriedenes Grinsen erschien auf seinem Gesicht, als McKay das Blut in den Kopf stieg.
Evan und Weir beobachteten diesen Schlagabtausch zwischen den beiden interessiert - vor allem die Leiterin der Atlantis-Expedition, deren Blick deutlich länger auf Dorn verharrte, als notwendig gewesen wäre.
Irgendwie fühlte Evan sich denn doch etwas in seinem männlichen Stolz verletzt. Okay, er war nicht gerade der große Rassler, der alle auf sich aufmerksam machte, aber immerhin war er für Pegasus ausgewählt worden und nicht Dorn.
„Kennen Sie diese Eddy, Sergeant?" erkundigte Weir sich interessiert.
Dorn sah sie überrascht an, hob dann wie in Zeitlupe die Schultern. „Die Burns, die wohnen in Brooklyn", antwortete er. „Cal hat früher ganz passabel Baseball gespielt. Reichte aber nicht ganz zum Profi, hatts trotzdem probiert. Ist dann abgesoffen, Minneapolis oder Chicago oder wo auch immer. War der Onkel der kleinen Addy."
Evan starrte den Marine groß an.
Dorn konnte ja sprechen! Wenn er das im SGC berichten würde, würde man ihm nicht glauben, soviel war sicher. Daß Dorn mehr als maximal fünf Wörter hintereinander über seine Lippen brachte würde als Naturphänomen gelten, das nicht öfter als alle hundert Jahre einmal stattfand - wohl eher seltener.
Beckett verließ, mit hochrotem Gesicht und einem blauen Rucksack in den Händen, wieder sein Zimmer. „Ellizabeth?" fragte er hilflos.
Dorn und Evan wechselten einen Blick, dann folgte der Air Force-Offizier der Leiterin von Atlantis.
„Was ist denn, Carson?" erkundigte Weir sich, während Becketts Gesichtsfarbe von dunkelrot zu schmutzigem Weiß wechselte.
„Carson, was auch immer passiert ist, ich verblute hier!" beschwerte McKay sich. „Es wird schon nicht so schlimm sein, daß Sie nicht zumindest ein Pflaster für mich hätten, oder?"
Der schottische Mediziner schluckte und zog eine Plastiktüte aus seinem Rucksack. „Die gehört dem Major", flüsterte er heiser. „Und ... es sieht aus, als wäre Blut daran."
Evan warf einen Blick über die Schulter zu Dorn, der sich stocksteif aufgerichtet hatte und sich jetzt lautstark räusperte. „Verdammt trockene Luft hier", sagte er dann mit beinahe theatralisch erhobener Stimme.
Weir warf einen irritierten Blick über die Schulter. „Was?" fragte sie verblüfft.
„Mam, die Polizei befindet sich noch im Nebenraum", gab Evan zu bedenken. „Vielleicht finden wir etwas, womit wir dem Major helfen können. Aber das setzt voraus, daß wir ungestörten Zugriff darauf haben."
Die Leiterin der Expedition sah ihn einen Moment lang an, dann hellte sich ihr Gesicht auf. „Niemals jemanden zurücklassen, wie?"
Evan nickte. „Unser Ehrenkodex im SGC."
McKay fauchte den immer noch ruhigen Dorn an und gab ihnen damit eine brauchbare Geräuschkulisse, als sie zu Beckett traten, der die Tüte nach einem kurzen Zögern der dunkelhaarigen Frau übergab.
Evan bekam einen langen Hals und lugte an ihr vorbei auf den Inhalt der Tüte. Eine Boxershorts, recht verknüllt und nur nachlässig hineingestopft. Doch der dunkelrote Fleck war gut auszumachen und wies eine interessante Form auf.
Die Farbe ...
„Ich dachte, diese Sache im Park sei vor knapp zwei Tagen passiert?" fragte Evan nach und sah Beckett ins Gesicht. Der nickte nur stumm.
„Warum ist der Fingerabdruck dann immer noch feucht? Das Blut ist nicht eingetrocknet", fuhr Evan fort.
Eine halbe Sekunde später beugte sich noch ein vierter Kopf über die Tüte. „Sie haben recht!" Dr. McKay schien wirklich überrascht. „Das ist tatsächlich ein Fingerabdruck."
Evan nickte, wechselte einen Blick mit Beckett. „Kann das irgendetwas beweisen?"
Weir verschwand von seiner Seite und begann jetzt ihrerseits irgendeinen recht lauten - und recht sinnlosen Monolog.
„Wenn es vom wahren Täter ist, könnte ich mit geeignetem Gerät beweisen, daß Major Sheppard unschuldig ist", antwortete Beckett leise.
„Wenn ich eine sichere Leitung bekommen könnte, könnte ich mich bei AFIS einhacken und herausfinden, zu wem der Abdruck gehört. Falls ein gewisser Arzt mich versorgen kann, EHE ich verblute!" Selbst McKay hielt seine Stimme deutlich gesenkt.
Evan sah plötzlich Land am Horizont. „Dann könnten wir also mehr tun als dumm herumsitzen und abwarten. Sehr schön." Ein zufriedenes Lächeln erschien aus seinem Gesicht.
McKay warf ihm einen unwilligen Blick zu. „Sie meinen, wenn wir nicht auf der Erde wären, Major!" giftete er ihn an. „Wir brauchen ein Top-Labor. So, wie der CSI ihn wohl haben dürfte. Nur leider werden die uns nicht an ihre Geräte lassen!"
„Kein Problem", brummte Dorns dunkle Stimme im Hintergrund.
Evan drehte sich mit McKay zusammen um und beobachtete, wie der Marine den Hörer von der Gabel nahm, ein Amt wählte und dann eine Nummer.
„Was macht der da?" fragte Beckett verblüfft und erntete unwillige Blicke. Selbst Dr. Weir war kurzfristig verstummt.
„Al? ... Bin hier ... ja ... ja ... nein ... gut ... schlecht ... das Labor? Geht gut? Brauche es ... wann? Gut ... grüß Mum ... mhmh." Dorn hängte den Hörer auf und sah in vier verwirrte und erwartungsfrohe Gesichter. Stumm nickte er. „Hab ein Labor, hilft manchmal dem CSI aus", sagte er, konsulidierte kurz seine Uhr. „Halbe Stunde, dann müssen wir da sein. Ist'n ziemliches Stück. Wir sollten jetzt los."
„Sergeant, dürfte ich fragen, woher Sie sich so gut auskennen hier?" erkundigte Weir sich.
Dorn grinste. „Komme aus NY. Die Dorns waren schon alteingesessen, als das hier noch Neu Amsterdam hieß", antwortete er, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Gemeinschaftsraum.
Weir nickte sinnend, während Evan, Beckett und McKay verwirrte Blicke miteinander tauschten.

Nach den erkennungsdienstlichen Maßnahmen hatte man John in diesen Raum gebracht, in dem er bis jetzt noch wartete. Auf was, das konnte er selbst nicht ganz genau sagen.
Das alles erschien ihm immer noch so real wie seine Alpträume. Er wußte, irgendetwas stimmte nicht, aber er konnte seine Finger nicht wirklich darauf legen und das kranke Gewebe herausreißen. Es war wie verhext. Auf der einen Seite war er sich sicher, daß er nichts mit den Morden zu tun hatte, auf der anderen aber wußte er auch nicht, ob er nicht doch der Ripper war.
Auffällig war es auf jeden Fall, daß er ...

Unter seinen hilflos tastenden Fingern gab das Fleich widerlich leicht nach, während er nach irgendeiner Schwachstelle suchte, um dieses ... Ding von sich fernzuhalten. Und da sah er das Leuchten und fand einen festen Widerstand ...

John zuckte zusammen, als sich die Tür öffnete.
Was waren das für merkwürdige Bilder, die ihn immer wieder heimsuchten?
Er wußte es nicht, und er war sich nicht sicher, ob er es wissen wollte. Das ganze war einfach nur ...
„Major?"
John blickte auf, in die besorgten Augen von Mac Taylor. „Detective." Er versuchte sich an einem schiefen Grinsen, war sich aber ziemlich sicher, daß ihm das gründlich mißlang nach der Mimik seines Gegenübers zu urteilen.
Die Tür öffnete sich erneut und dieser Detective Flack trat ein. Beide Männer ließen sich John gegenüber an dem Tisch nieder.
„Sind Sie sicher, daß Sie mit Ihrer Aussage nicht warten wollen, bis Ihnen ein Rechtsbeistand zur Verfügung steht?" erkundigte Mac sich.
John preßte kurz die Lippen aufeinander, nickte dann aber. „Ich bin mir sicher, ja", sagte er.
Flack lehnte sich lässig auf seinem Stuhl zurück. „Dann geben Sie also zu, daß Sie die sechs Frauen erst brutal vergewaltigt und dann getötet haben, Major?"
John zuckte wie getroffen zusammen, schüttelte dann den Kopf. „Ich ... ich weiß es nicht", flüsterte er.
Mac beugte sich vor. „Sie können sich nicht daran erinnern, ob Sie die Frauen überfallen haben?" erkundigte er sich.
John nickte. „Ich ... ich habe Kopfschmerzen, seit Tagen schon", erklärte er. „Ich bin mir nicht sicher, ob es vielleicht auch zu Blackouts gekommen ist. Es ist ... ich gehe regelmäßig joggen, auch an meinem Stationierungsort. Und ... Seit wir in New York sind ..." Er seufzte und zuckte mit den Schultern.
Mac wechselte einen Blick mit Flack, nickte dann. „Ich muß gestehen, ich kann es immer noch nicht glauben. Könnte es sein, daß irgendjemand im Besitz Ihrer DNA ist und uns deshalb so deutliche Spuren hinterläßt?"
John blickte auf. „Wie bitte?"
„Bisher gab es an jeder Leiche deutliche Spermaspuren und auch Blut und Gewebeteile des Mörders. Und all das weist auf Sie als Täter hin, Major Sheppard", ließ Flack sich nun vernehmen.
John schüttelte verwirrt den Kopf. „Wenn die DNA mit meiner übereinstimmt, dann ..."
Was hatte er da angerichtet? Wieso konnte er sich nicht daran erinnern? Was hatte er getan?
Die Schuld drückte ihn wieder nieder.
Er hatte seinen vorgesetzten Offizier getötet. Sumner war von seiner Hand gestorben, egal, ob es sich nun um einen Akt der Gnade gehandelt hatte oder nicht, er hatte es getan. Er war nicht da gewesen, als Markham und Stakehouse von den Wraith abgeschossen wurden. Er hatte Ford nicht aufgehalten und dadurch wäre Atlantis beinahe ...
Die Tür öffnete sich erneut und Schritte näherten sich ihm von hinten.
Mac blickte auf. „Aiden?"
Der Name war wie ein Schlag ins Gesicht.
John ruckte hoch, fuhr herum. Einen Moment lang die vollkommen irrsinnige Hoffnung in den Augen, daß er Ford wiedergefunden hatte. Doch es war nicht Ford ...
Das Licht in seinen Augen erlosch, John senkte den Kopf wieder und drehte sich um. Heftig und tief, als hätte er gerade einen Spurt hinter sich, mußte er einige Male Atem holen.
Nein, es war natürlich nicht Ford, wie denn auch? Es war die junge, attraktive Frau aus der Hotelsuite, die ihn jetzt irritiert musterte.
John mußte ein tief aus seiner Brust aufsteigendes Stöhnen unterdrücken, verbarg sein Gesicht in den Händen und zwang sich, immer wieder tief und ruhig durch die Nase zu atmen.
Mac war die Reaktion des Militärs dagegen nicht entgangen. Er wechselte einen langen Blick mit Aiden, die gerade zu einer zynischen Bemerkung hatte ansetzen wollen. Unmerklich schüttelte er den Kopf.
Nein, was auch immer hier vorging, der Major hatte nichts damit zu tun. Wie auch immer seine DNA an und in die Leichen kam, er war kein Mörder, kein eiskalter Killer, den es gebraucht hätte für einen dieser Morde.
Aiden trat an den Vernehmungstisch, reichte ihm ihren vorläufigen Bericht. Dabei musterte sie aufmerksam Sheppard, schüttelte schließlich stumm den Kopf und ging wieder.
Mac reichte den Bericht an Flack weiter, musterte weiter seinen Gegenüber.
Irgendjemand wollte Sheppard ganz offensichtlich einen Strick drehen. Anders war das ganze nicht zu erklären. Und der Major spielte insofern auch noch mit, indem er sich seinen Schuldgefühlen ergab und sich selbst quälte. Nein, da stimmte etwas ganz und gar nicht.
Flack gab ihm den Bericht zurück. Er warf nur einen halben Blick darauf.
Noch nie in seinem Leben war Mac sich einer Sache dermaßen sicher gewesen, und der Bericht von Aiden unterstützte ihn darin noch. Sheppard war unschuldig.
„Vielleicht sollte ich ..."
„Sie werden auf einen Rechtsbeistand warten, Major", sagte Mac sofort und klappte die Akte zu. „Und ich möchte, daß Sie sich ganz genau an das zu erinnern versuchen, was vor zwei Nächten geschehen ist. Wir brauchen Ihre Aussage, um Sie zu entlasten."
Sheppard warf ihm einen verblüfften Blick zu.
Macs Geheimnis by Hyndara71
Dorn nahm dankbar nickend den Schlüssel von seinem Neffen entgegen und schloß die Tür hinter dem jungen Mann.
„Wow!" entfuhr es es Carson Beckett, als er sich umsah und die Gerätschaften genau begutachtete.
Ja, damit konnte er arbeiten - vor allem schnell und effizient. Die Geräte in diesem Labor waren ebenso gut wie die, die er nach Atlantis mitgenommen hatte für seine Forschungszwecke. Wer auch immer der Inhaber dieser Firma war und sich hinter dem Namen „Scundoc Inc." verbarg, er hatte ein erstaunlich gutes Equipment. Kein Wunder, daß selbst die Polizei sich an dieses Labor wandte.
„Und?" Elizabeth trat an seine Seite. Major Lorne folgte ihr und sah sich um.
Carson klatschte unternehmungslustig in die Hände. „Dann sollten wir anfangen!" sagte er voller Enthusiasmus.
„Bis morgen früh ist das Ihres, Doc", meldete Dorn sich zu Wort. „Neun Uhr, dann kommen die Angestellten."
Carson fühlte sich einfach nur wohl, so wohl, wie er sich schon lange nicht mehr gefühlt hatte, seit Elizabeth ihn mitgenommen hatte und er durch das Tor geschritten und wieder hier auf der Erde gelandet war.
Wie fremd man seiner Heimat innerhalb nicht einmal eines Jahres werden konnte ... Früher hätte er nie geglaubt, daß er sich einmal nach dem Ozean und der salzgeschwängerten Luft sehnen würde statt nach den schroffen Bergen und dem wechselhaften Wetter Schottlands. Jetzt, das mußte er zugeben, dachte er anders darüber. Atlantis war zu seiner zweiten Heimat geworden, wie die Stadt wohl für so gut wie jeden ihrer neuen Bewohner ein Zuhause bot. Mit ihrem ganz eigenen Charme hatte die Antiker-Stadt sie eingefangen und an sich gebunden. Es war längst nicht nur darum gegangen, daß sie nicht zurück konnten - sie wollten nicht, und zwar allesamt.
Jetzt und hier hatte Carson zumindest ansatzweise das Gefühl, etwas ähnliches wie eine vertraute Umgebung wiedergefunden zu haben.
Er nickte. „Mit diesem Equipment dürfte das zu schaffen sein. Haben wir noch die Proben vom Major?"
Elizabeth nickte und holte aus ihrer Tasche die Zahnbürste hervor, die Major Sheppard gehörte. Irgendwo zwischen den Borsten mußte sich seine DNA verbergen. Und Beckett würde sie finden und analysieren, und das so schnell, wie es eben für irdisches Gerät möglich war.
Irgendwie wünschte er sich gerade jetzt doch die eine oder andere Apparatur aus Atlantis hierher, die feiner waren und noch schneller arbeiteten. Ganz zu schweigen davon, daß ...
„Hat sich schon jemand den Computerraum angesehen?" fragte in diesem Moment McKay und erschien im Durchgang zum nächsten Zimmer.
Carson fühlte sich deutlich überfahren von dem Kanadier, sagte aber nichts, sondern griff nach seinem Rucksack.
„Moment!" Mit langen Schritten war McKay an seiner Seite und entwand ihm die Tüte mit ihrem kostbaren Inhalt. „Sie werden jetzt keine Beweise zerstören, ehe ich sie nicht gesichert habe, Carson. Ist das klar?"
„Vielleicht sollten wir sehen, ob wir nicht selbst noch das eine oder andere finden am Tatort", schlug in diesem Moment dieser nette Major vor, der den interessanten älteren Mann mit den grauen Augen mitgebracht hatte.
Carson sah auf. Elizabeth lächelte ihn an. „Schon gut", sagte sie. „Sie werden hier gebraucht. Und ich bin mir ziemlich sicher, Major Lorne meinte das auch nicht, nicht wahr?"
Der Luftwaffenoffizier wirkte plötzlich ziemlich verwirrt. „Wie?" Dann leuchtete Begreifen in seinem Gesicht und er nickte. Ganz offensichtlich war er es nicht gewohnt, daß man auf ihn hörte. Ein merkwürdiger Umstand, immerhin war Lorne ja Major.
„Na, ich werde sicher auch nicht im Unterholz herumkriechen und mir noch irgendeinen Ausschlag an Feuerefeu oder Brennesseln holen." Rodney hielt die Tüte hoch. „Und ich werde hier gebraucht. Es sei denn, jemand von Ihnen hat ein Programm, um ein Paßwort zu umgehen binnen relativ kurzer Zeit."
Elizabeth nickte. „Und Sergeant Dorn sollte ebenfalls hier bleiben und Wache halten", schlug sie vor. „Immerhin war dieser Albert Baxter-Dorn doch ein Verwandter und hat hier irgendeinen verantwortungsvollen Posten, oder?" Bei diesen Worten drehte Elizabeth sich halb zu dem Marine um, der immer noch an der Tür stand.
Dorn hob eine Braue und zuckte mit den Schultern, während er seine Hände in den Hosentaschen vergrub. „Meinem Neffen gehört das hier", brummte er schließlich. „Hat studiert und Glück gehabt in der Lotterie, so daß er das hier aufziehen konnte."
Carson lächelte. „Dann sollten Sie ihm herzlich danken und ihn von mir für seine hervorragende Wahl danken, was sein Equipment angeht. Es wird mir ein Vergnügen sein, diese Geräte bei der Arbeit zu sehen."
Dorn nickte nur stumm, lehnte sich schwer gegen den Türrahmen.
Elizabeth wandte den Kopf und lächelte Lorne an. „Damit blieben noch wir beide", sagte sie. „Was ist, trauen Sie sich zu, Spuren zu sichern?"
Der Major stand plötzlich stocksteif da und starrte sie groß an. „Sie meinen ... ?"
Rodney, die Tüte in einer Hand, winkte mit der anderen ab. „Wenn Sie mit wollen, sollten Sie sich besser gleich daran gewöhnen, daß bei uns einer für den anderen einsteht, Major Lorne. Auch wenn es noch so schwer fällt und manche von sich selbst glauben, gleicher als andere zu sein. Gerät einer in Schwierigkeiten, helfen die anderen. So ist das in einem Team."
„Das ist mir klar", entgegnete Lorne, sah dann wieder Elizabeth an. „Sie wollen tatsächlich mit in den Central Park gehen und Spuren an Orten suchen, die die Polizei vielleicht noch nicht wieder frei gegeben hat?"
Die Leiterin von Atlantis nickte. „So ist es. Oder denken Sie, ich sei dafür nicht geeignet, Major?" Um ihren Worten die Spitze zu nehmen lächelte sie freundlich. Doch in ihren Augen glomm eine gewisse Warnung.
Lorne hob sofort die Hand. „Um Gottes Willen nein!" entfuhr es ihm.
„Gut, dann sollten Sie endlich losziehen!" Rodney winkte mit der Hand, als wolle er Fliegen verscheuchen. „Immerhin wird es nicht früher und irgendwann auch wieder dunkel. Los jetzt!"
„Rodney!" begehrte Elizabeth auf.
Der Top-Wissenschaftler schien einen Moment lang selbst von seiner Forschheit, gerade ihr gegenüber, überrascht zu sein, dann winkte er ab. „Machen Sie einfach, daß Sie hier verschwinden und mir nicht länger auf die Nerven fallen."
DAS allerdings hielt Carson für ein Gerücht. Doch er sagte nichts dazu, sondern lächelte Elizabeth und Lorne gewinnend hinterher, als diese das Labor verließen.

John hockte in der Zelle und fragte sich, ob er jemals wieder frische Luft würde atmen können. Alles in ihm schien sich verkrampft zu haben und darauf zu warten, daß er ... etwas tat. Aber er hatte noch immer nicht die blaßeste Ahnung, WAS genau er tun sollte.
Er fühlte sich hilflos, wußte nicht wirklich, wie er vorgehen sollte. Sicher, dieser Detective Taylor hatte ihn von einer großen Dummheit abgehalten, und dafür war er ihm auch dankbar. Andererseits aber ... konnte es nicht doch sein, daß er der Ripper war? Immerhin wußte er nichts von den letzten beiden Nächten, einmal abgesehen von den Alpträumen. Und hatte er sich da nicht selbst mit einem Messer in der Hand gesehen? Einem Messer, daß er aus einem Körper gezogen hatte.
Die Tür öffnete sich.
John blickte auf, wollte sich aufsetzen. Er hockte, die Beine angezogen und die Fersen auf den Bettrahmen gestützt, auf der Matratze, den Rücken gegen die kalte Wand gelehnt und die Arme auf den Knien.
„Bleiben Sie ruhig sitzen, Major." Mac Taylor trat ein, nickte dann dem Beamten zu, der daraufhin von außen die Tür der Zelle wieder verschloß, und lehnte sich lässig gegen die Wand, um ihn genau zu studieren.
John schluckte und biß sich auf die Lippen.
„Ich möchte Ihnen helfen", wandte Mac sich nach einer Weile an ihn. „Nur muß ich dazu wissen, was vor zwei Nächten im Park passiert ist."
John schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht." Seine Stimme klang plötzlich heiser.
Mac runzelte die Stirn. „Was ist das letzte, woran Sie sich erinnern können?" bohrte er vorsichtig weiter.
John wollte schon abwiegeln und um seine Ruhe bitten, als es ihm plötzlich einfiel ...

Eine Frauenstimme. Er war sich ganz sicher. Da rief eine, immer schwächer werdende Frau um Hilfe.
Er beschleunigte seine Schritte, stolperte über etwas, was unter seinem Fuß nachgeben wollte und kam zum Stehen. Er konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Beinahe blind tastete er nach dem, das ihm gerade beinahe das Gleichgewicht gekostet hatte:
Ein Ast!


„Ein schwächer werdender Schrei", sagte er endlich zögernd. „Er kam ... Ich weiß nicht. Irgendwo von vorn, aber ... es muß irgendwo zwischen zehn und elf Uhr gewesen sein."
Mac nickte nachdenklich, als er aufblickte.
„Also links vor Ihnen", fragte der Tatortermittler nach einer Weile. „Sind Sie sich da sicher?"
John zögerte, biß sich wieder auf die Lippen. Eine Falte wuchs zwischen seinen Brauen, als er versuchte, sich an mehr zu erinnern ...

Er wich vom Weg ab, den er sowieso kaum noch sehen konnte, und schlug sich in die Büsche. Der Boden unter ihm war nachgiebig wie lockerer Waldboden. Seine Fußspuren gruben sich tief hinein.
Wieder dieser Schrei - und gleichzeitig setzten seine Kopfschmerzen ein, heftiger als an jedem vorhergehenden Abend.
John rutschte beinahe aus, als er ein Rasenstück erreichte. Das Gras war feucht ...


„Ein feuchtes Rasenstück? Sind Sie sich sicher?" Mac hatte sich aufgerichtet.
John schloß die Augen wieder, sah dieses grüne Leuchten. „Und dann war da dieses Licht", flüsterte er heiser, spürte den irritierten Blick des Tatortermittlers und hob die Lider wieder. „Dieses grüne Leuchten."
„Grünes Leuchten?" echote Mac verwirrt.
John nickte. „Ich ... ich kann es nicht anders beschreiben. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich würde etwas ähnliches kennen, aber im letzten Moment entgleitet mir die Erinnerung. Ich ... ich weiß nicht, was es ist."
„Ist es eine Floureszenz?" erkundigte Mac sich.
John strengte sein Hirn an, kniff die Lippen aufeinander. Schließlich aber zuckte er hilflos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht", gab er zu und blickte auf. „Ich kann durchaus verstehen, daß Sie mir helfen wollen, Detective Taylor, aber ..."
Mac hob eine Hand. „Sie sind Pilot, haben einiges an Einsätzen auf dem Buckel. Gerade Ihnen muß ich nichts von dem Phänomenen der Luminiszenz erzählen. Sie kennen die Geschichten bestimmt ebenso gut wie ich, was in den 40ern während des Krieges geschehen ist mit verirrten Piloten ..."

Die Jagdbomber hatten sich über den Inseln verirrt.
Captain Miller sah immer wieder auf die rasant sinkende Nadel seiner Treibstoffanzeige. Nur noch einige Minuten, dann ...
Er wagte gar nicht, sich vorzustellen, was geschehen würde. Kaltes Gewässer, irgendwo zwischen den Inseln. Haigebiet. Seine Leute würden, sofern sie sich aus den kleinen Flugzeugen würden retten können, Stück für Stück zerfleischt werden. Es brauchte weniger als die gestrige Schlacht gegen die Japs, um ...
„Captain?" meldete sich Weis über das Funkgerät.
Eigentlich sollte Funkstille herrschen. Aber die Aussicht auf eine Bruchlandung auf dem Wasser ließ das Schweigen brechen, ebenso wie es die Kommandowege untergrub. Und Miller fühlte sich nicht in der Lage, daran etwas zu ändern.
„Captain!" Dieses Mal war es Wilson, der aufgeregt in sein Funkgerät schrie. „Acht Uhr! Acht Uhr!"
Miller schüttelte den Kopf, wollte einen Moment lang wirklich den Befehl zur Notwasserung geben, da sah er es selbst.
Es war ein Wunder! Schlicht und ergreifend ein Wunder!
Der Ozean vor ihnen leuchtete. Ein breiter Weg, wie eine Straße, eine Landebahn, glühte in der Schwärze der Nacht. Und irgendwo, gerade noch erreichbar für die Maschinen, wartete der Flugzeugträger ...


John nickte.
Ja, er kannte die Geschichten. Er selbst hatte das Leuchten des Planktons mehr als einmal selbst gesehen, als er als Sea Hawk-Pilot auf einem der Flugzeugträger stationiert gewesen war. Das war vor Afghanistan ...
„War es so?" bohrte Mac weiter.
War es das gleiche Leuchten wie damals, als er mit dem Hubschrauber beinahe vom Weg abgekommen wäre im Golf?
„Nein!" Das Wort war ihm einfach entfleucht. Er hatte es nicht aussprechen wollen. „Das Leuchten des Planktons sieht anders aus. Es ist bläulich."
Mac warf ihm einen zufriedenen Blick zu. „Sind Sie sich sicher? Sie wissen, wie es entsteht?"
John zögerte wieder, nickte dann aber.

Mikroskopisch kleine Algen treiben im Salzwasser der Ozeane. Gerade an den warmen Stellen innerhalb der Erdachse ist ein zusätzliches Phänomen sichtbar, das es sonst nirgendwo gibt:
Zu bestimmten Zeiten des Jahres, während die Strömungen sich Jahreszeitenbedingt kurzfristig ändern, treffen verschiedene Planktonarten aufeinander. Kleinstlebewesen, Algen, kaum intelligenter als Einzeller, beginnen sich zu teilen, um sich fortzupflanzen
Winzige klonartige Zellteile der Algen trennen sich vom „Mutterkörper" ab. Während dieser Zellteilung kommt es zu einem floueszierenden Leuchten des Ozeans und der Meere, da Energie frei wird und die Kleinstlebewesen mit diesem Leuchten auf andere ihrer Art reagieren.


„Inzwischen weiß wohl jeder Pilot, woher das Leuchten des Ozeans stammt." Johns Stimme klang sarkastisch.
Mac nickte nachdenklich, sah ihn weiter forschend an. „Sonst noch etwas? Es war nicht das Leuchten einer Lumineszenz, soweit waren wir schon."
John konzentrierte sich wieder. Aber die Erklärung flutschte aus seinen zugreifenden Geistesfingern wie ein Fisch, den man mit den Händen fangen wollte. Er wußte, er kannte dieses Leuchten, er hatte es bereits gesehen, damit zu tun gehabt. Aber wo? Wann? Warum?
Er assoziierte es nicht mit Gefahr - eigentlich. Eher mit ... Rodney?
Wieso mit McKay?
„Vielleicht wie Glühwürmchen? Ab und an finden sich zu dieser Jahreszeit schon einige, die nachts unterwegs sind", schlug Mac vor.
Glühwürmchen ...
„Nein!" John schüttelte den Kopf.
Wieder tauchte das Gesicht des Wissenschaftlers vor seinem inneren Auge auf, und immer noch konnte er sich keinen echten Reim darauf machen, warum er immer an McKay dachte, wenn er sich an dieses Leuchten erinnerte.
„Haben Sie den Ripper gesehen, Major?" bohrte Mac weiter.
John fuhr sich mit einer Hand durch sein verwuscheltes Haar. „Ich ... ich bin mir nicht sicher", gab er zu.
Das Leuchten. Das grüne Leuchten ...

Der Schatten tauchte zwischen den Büschen auf, und irgendetwas ... war verdammt falsch an diesem Schatten in der Finsternis.
John begriff erst beim zweiten Hinsehen, als er schon den Ast fester packte, WAS genau nicht stimmte. Da war ein grünes Leuchten an diesem Schatten. Aber es kam nicht von einer Lampe ... zumindest nicht von einer, die zu sehen gewesen wäre. Nein, dieses grüne Leuchten gab keine wirkliche Helligkeit ab. Es strahlte nicht, es beleuchtete nicht. Es war ... einfach da!
Und im nächsten Moment begriff John auch, wo dieses „einfach da" sich befand ...


John stockte in seinen Gedanken, doch der entscheidende Moment in seiner Erinnerung war immer noch nicht abrufbar. Er konnte den undeutlichen Schatten gegen die andere Finsternis der sie beide umgebenden Büsche und Bäume wahrnehmen, aber auch nur wenig mehr. Und der Punkt fehlte. Er wußte nicht wirklich, wie er ihn zurückholen konnte.
„Ist da wirklich nichts? Oder können Sie sich nicht daran erinnern?" erkundigte Mac sich mitfühlend.
John beschloß, weiterhin ehrlich zu sein. „Ich glaube, da ist etwas. Aber die Erinnerung ist blockiert." Er blickte auf und sah den Chef des CSI-New York forschend an. „Warum wollen Sie mir helfen, Detective? Ich kann mir nicht vorstellen, daß Ihre Aufgabe innerhalb des CSI der eines Advocato Diaboli ist."
Mac grinste schief und nickte. „Stimmt, ich bin üblicherweise der unparteiische", antwortete er nicht ohne Zynismus, wurde wieder ernst. „Warum ich Ihnen helfen möchte? Sagen wir, ich habe meine Gründe."
„Sie waren auch in der Armee, stimmt's?" John fühlte sich wohler, nachdem er einmal ausholen konnte.
Mac schmunzelte mit nach vorn geneigtem Kopf. „Stimmt", antwortete er. „Ich war bei den Marines. 1982 in Beirut, falls Ihnen das noch etwas sagt."
John wurde ernst. Stumm nickte er.
„Sie sind noch etwas jung dafür. Wo waren Sie? Noch auf dem College? Oder schon auf der Akademie?"
John senkte den Blick. „Ich ... an der Akademie", antwortete er zögernd. „Luft- und Raumfahrttechnik. Ich wollte eigentlich ins Raumfahrtprogramm wechseln."
Mac nickte nachdenklich. „Wie Gary", sagte er dann leise.
John setzte sich mit einem leisen Schnaufer auf. „Wer ist Gary?"
Macs Blick glitt ab. „Lieutenant Gary Francis war einer der verdammt besten Hubschrauber-Piloten, den ich je kennengelernt habe. Bis Beirut. Da ... traf er auf einen Panzerbrecher, der ihn vom Himmel holte."
John atmete tief ein und ballte die Hände zu Fäusten. Afghanistan kratzte an seiner Erinnerung und wollte losgelassen werden. Doch er zwang es wieder zurück in die Tiefen seines Geistes.
„Gary starb damals." Mac seufzte und kreuzte die Arme vor der Brust, während er sich nun von der Wand abstieß. „Sie beide hätten sich hervorragend verstanden, Major, davon bin ich überzeugt. Wer weiß, vielleicht wäre er irgendwann Ihr Vorgesetzter geworden, wäre er damals nicht verblutet. Ich weiß nur, daß er meine Meinung über die 'Fliegeraffen' der Air Force ziemlich auf den Kopf gestellt hat." Ein trauriges Lächeln erschien auf Macs Gesicht. „Er hat mich damals gebeten, jedem zu helfen, der mich an ihn erinnern würde. Tja, und Sie sind der erste, der mich an Gary erinnert, Major. Gehe ich recht in der Annahme, daß Ihre Insubordination darin bestand, daß Sie anderen den Hintern retten wollten?"
John nickte stumm.
Mac schloß kurz die Augen. Sein Lächeln vertiefte sich kurzfristig. Dann drehte er sich um und ging zur Zellentür zurück. „Dann sind Sie wirklich wie Gary", sagte er und klopfte.
Kurz darauf drehte sich der Schlüssel im Schloß.
Gerade als die Tür sich öffnete, drehte Mac sich noch einmal um. „Übrigens, bei Gedächtnisverlusten, die sich nicht auf natürliche Art beheben lassen, kann Hypnose helfen, Major. Das sollten Sie vielleicht im Auge behalten." Damit verließ er die Zelle, ließ einen sehr nachdenklichen Major John Sheppard zurück.
Ermittlungen und böse Überraschungen by Hyndara71
„Vorsicht!" Major Lorne nahm sie fest und sicher am Arm.
Elizabeth staunte nicht schlecht über den Luftwaffen-Offizier, den man ihr von Cheyenne-Mountain aus aufdrücken wollte für die Expedition. Lorne schien ja wirklich ein vollkommen anderes Kaliber zu sein als sie geglaubt hatte. Eigentlich hatte sie eher mit einem zweiten Caldwell gerechnet, mußte sie zugeben.
Elizabeth lächelte und nickte. „Danke."
Der Major sah sie einen Moment lang forschend an, dann wandte er sich ab und ging wieder vor ihr her.
Elizabeth richtete ihre Aufmerksamkeit jetzt auf ihre Umgebung. „Was ist das hier?" fragte sie verblüfft.
Lorne zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht eine Sumpfwiese", schlug er vor. „Da hinten ist der See, an dem die Telefonzelle steht."
Elizabeth nickte wieder, betrachtete die Wiese, auf der sie stand.
Irgendetwas stimmte hier doch nicht. Der Boden unter ihren Füßen war trocken, also konnte sie sumpfiges Gelände ausschließen. Warum aber dann glänzte die ganze Wiese vor Feuchtigkeit? Überall waren, wie Tau am Morgen, kleine Tropfen auf den Grasstielen und Blättern, verliehen dem ganzen einen silbrigen Schimmer.
Lorne drehte sich wieder zu ihr um. „Mam? Ich glaube, ich habe etwas gefunden."
Elizabeth nickte. Dessen war sie sich auch ziemlich sicher, wenn sie es auch nicht benennen konnte. Sie wußte nur, sie wurde allmählich neugierig. Was war das für eine merkwürdige Wiese?
„Major, hatten Sie nicht vorhin im Drugstore Tiefkühlbeutel gekauft?" fragte sie, stapfte Lorne endlich hinterher.
Der blinzelte irritiert und stutzte, nickte dann aber. „Ja, das ..." Er schloß den Mund, sah zu den silbrig glänzenden Gräsern hinunter. „Sie meinen, daß hier könnte irgendwie mit dem zusammenhängen, was Major Sheppard zugestoßen ist?"
Elizabeth nickte. „Möglicherweise", gab sie zu bedenken. „Sicher bin ich mir nicht. Aber wir sollten eine Probe mitnehmen, die Carson untersuchen kann. Vielleicht sind diese Tropfen etwas anderes als Wasser. In der Pegasus-Galaxie könnten Sie vielleicht auf etwas ähnliches stoßen."
Lorne atmete einige Male tief ein. „Ich ... äh ..." Er schloß den Mund und holte die Packung mit den Tiefkühlbeuteln hervor, die sie vorhin gekauft hatten. Eilig und sehr verlegen riß er die Pappe auf und ließ beinahe die Rolle fallen, die sich in deren Inneren befunden hatte.
Elizabeth griff danach und sah, wie sein Gesicht dunkelrot anlief.
„Schon gut", sagte sie sanft. „Ich weiß, Sie wurden ausgewählt, weil Sie als natürlicher Genträger identifiziert wurden. Das ist für mich kein Problem, Major, wirklich nicht."
Lorne blickte etwas verschüchtert wieder auf, nickte dann. „Ich weiß ... man sagte mir ... Also, wegen Major Sheppard ..." Etwas hilflos schloß er den Mund wieder und zuckte mit den Schultern.
„Auch das wird geklärt werden, darauf können Sie sich verlassen." Elizabeth trennte einen der Beutel ab, stülpte ihn gekonnt um und riß einen Grasstengel ab, um das Plastik über ihn zu ziehen. Die Feuchtigkeit verteilte sich eigenartige zähflüssig in dem Beutel und sagte ihr, daß sie vielleicht auf dem richtigen Wege war mit ihrer Vermutung.
Lorne beobachtete sie, schwieg jetzt aber, bis sie den Beutel verschloß und in ihre Umhängetasche steckte.
„Da entlang", murmelte er schließlich.
Elizabeth mußte zugeben, dieser junge Mann gefiel ihr immer besser. Nicht so flippig und quirlig wie Sheppard würde er einen guten Ausbremser für den Major abgeben auf Atlantis. Und daran bestand kein Zweifel: Sie WOLLTE Lorne mitnehmen - am liebsten hätte sie auch noch diesen Marine mit eingepackt, diesen Sergeant Dorn. Aber das würde wohl eher ein Wunschtraum bleiben, nach dem, was er auf seine eigenartige Art angedeutet hatte.
Elizabeth lächelte, als sie dem Major folgte.
Wenn es nach ihr gehen würde, würde sie wohl die halbe Erde mitnehmen nach Atlantis. Und, das mußte sie zugeben, es wäre mehr als genug Platz in der Stadt mit ihren gewaltigen Ausmaßen. Sie fragte sich ohnehin, wie lange es wohl noch dauern würde, bis Atlantis vollständig erforscht sein würde. Bei dem Tempo, das Sheppard und die anderen Teams vorgelegt hatten, wohl noch eine ganze Weile.
„Ich weiß jetzt nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, Mam", brach Lorne unvermittelt das Schweigen mit unsicherer und leiser Stimme.
Elizabeth sah auf und betrachtete seinen breiten Rücken. Breiter als der Sheppards. Allerdings hatte sie auch selten einen so schlanken Mann wie ihn gesehen ...
„Was meinen Sie, Major?" erkundigte sie sich.
Oh Gott, sie war Sheppard um den Hals gefallen, als die Daedalus ihn heruntergebeamt hatte in das Gaterium von Atlantis. Sie war einfach nur so erleichtert gewesen, ihn lebend wiederzusehen. Ihr war schlichtweg nicht in den Sinn gekommen ...
„General Landry war der Meinung, Sie sollten wissen, daß der Generalstab der Meinung ist, für die Verteidigung der Erde besser gerüstet sein zu müssen. Unter anderem auch mit jemanden, der mit dem Kontrollstuhl auf Antarktica gut umzugehen weiß", erklärte Lorne.
Elizabeth war es, als würde ihr Herz zu Eis erstarren. „Wie bitte?"
Darum also war es gegangen von Anfang an! John Sheppard war ein Naturtalent im Umgang mit dem seltenen ATA-Gen. Er mußte sich nicht einmal groß anstrengen, um Ergebnisse zu erzielen. Und nur allein sein Umgang mit den Puddlejumpern auf Atlantis sprach Bände, ganz zu schweigen davon, was Rodney ihr über den Umgang mit dem dortigen Kontrollstuhl erzählt hatte.
Natürlich würde man ihn, sobald sich irgendeine Chance bot, eben an diesen Planeten fesseln und nicht mehr weglassen. Und dann war auch noch ausgerechnet sie mit dieser hirnrissigen Idee gekommen, ihre Stabsmitglieder mit auf die Erde zu nehmen!
Lorne blieb stehen. „Es tut mir leid, aber man ist wohl tatsächlich der Meinung, Major Sheppard wäre hier auf der Erde besser aufgehoben als in der Pegasus-Galaxie", sagte er.
DAS allerdings würde sich noch zeigen! Wenn es sein mußte, würde Elizabeth wirklich auch noch das letzte aufbieten, um John Sheppard wieder dorthin mitzunehmen, wohin er ihrer Meinung nach gehörte - und so abgeneigt schien er Atlantis gegenüber auch nicht zu sein, bedachte sie den ganzen Unsinn, den er innerhalb eines knappen Jahres angestellt hatte.
Lorne blieb wieder stehen, doch dieses Mal den Blick auf den Boden geheftet. „Ich glaube, wir haben tatsächlich etwas gefunden, Mam", sagte er, rückte etwas zur Seite.
Elizabeth beugte sich interessiert vor, erstarrte dann, als sie genau erkannte, was da auf dem Boden lag.
„Oh mein Gott!" entfuhr es ihr, ihre Hand glitt unwillkürlich an ihren Hals.
Lorne nickte und hockte sich hin.
Vor ihm, zwischen ihnen beiden, zog sich eine breite, schleimige Spur entlang, als wäre eine überdimensionale Schnecke hier herumgekrochen. Doch es stimmte die Farbe dieses „Schleimes" nicht: Er war rötlich!
Und zudem lang mitten in diesem schleimigen Pfad der Teil von einem Ast. Sogar einem recht dicken und stabil wirkenden Ast. Nur eben fehlte ein deutliches Stück, war wie unter einer großen Gewaltanwendung einfach abgebrochen.
Der einzige Grund, warum der Major wohl auf diese Spur und den Ast aufmerksam gworden war, war die Tatsache, daß der rote Schleim im vereinzelt durch die Blätter fallenden Sonnenlicht glitzerte, ansonsten hätten sie das ganze wohl vollkommen übersehen.
„Wie kann das sein?" hauchte Elizabeth endlich.
Lorne schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber wir sollten es mitnehmen."
Elizabeth nickte, reichte Lorne die Tiefkühlbeutel. Der Major kramte das Isolierband aus seiner Uniformjacke, das sie ebenfalls im Drugstore erstanden hatten, dann hockte er sich hin und begann, das ganze einzutüten.
Elizabeth wartete und rieb sich fröstelnd die Arme. Doch die Kälte kam von innen, aus ihrem Körper - besser aus ihrer Seele. Sie konnte einfach nicht glauben, daß ausgerechnet Major Sheppard zu solchen grausamen und bestialischen Morden fähig sein konnte. Und sprach bisher nicht alles eine andere Sprache?
Lorne erhob sich wieder, reichte ihr die beiden zusammengeklebten Gefrierbeutel, sah dann den schmalen Trampelpfad hinunter, dem sie bis hierher gefolgt waren.
„Was denken Sie?" erkundigte Elizabeth sich, als sie sah, wie Lornes Stirn sich runzelte.
Einen Moment lang schien er abwiegeln zu wollen, dann nickte er gedankenverloren. „Wenn Sie mich fragen, spricht hier kaum etwas für die Schuld von Major Sheppard, Mam", antwortete er nach einer Weile endlich, half ihr über die Senke mit ihrem ekligen Inhalt und folgte dann dem Pfad weiter. „Ich mag ihn nur anhand seiner Akte kennen, aber die spricht eigentlich recht deutlich FÜR ihn. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er irgendeiner Frau Schaden zufügt. Außerdem ... was sind das für Spuren, die wir gefunden haben? Woher kommen sie? Und warum hat das CSI sie nicht schon mitgenommen?"
Das allerdings waren interessante und richtige Fragen - auf die Elizabeth aber leider ebenfalls keine Antwort hatte. Seufzend zuckte sie mit den Schultern.
Wieder blieb Lorne stehen, nachdem er sie durch ein Gebüsch gelotst hatte.
Sie befanden sich in einer kleinen, natürlichen Höhlung neben einem gewaltigen Baumstamm und einigen hohen, komplett verwilderten Büschen und anderen Bäumen, die jedoch längst nicht so majestätisch wie der große waren.
„Der Tatort", sagte Lorne erschaudernd.
Elizabeth wollte einen Moment lang fragen, woran er das sehen konnte, als sie das gelb-schwarze Absperrband bemerkte und den großen, dunklen Fleck unter einem der Büsche.
„Oh mein Gott!"
Lorne nickte nur stumm. Sein Interesse hatte er allerdings dem großen Baum zugewandt.

Rodney hatte sich in den angrenzenden Raum des Labors zurückgezogen, in dem der Rechner stand, der mit der internationalen Fingerabdruck-Datenbank verlinkt war. Nach einigen fruchtlosen Versuchen, war es ihm irgendwann denn doch wider Erwarten gelungen, das Paßwort zu knacken (wer rechnet denn auch mit einem solchen Wort wie Mausilein?) und jetzt ratterten pro Minute einige hundert gespeicherten Fingerabdrücke über den Bildschirm und verglich die unverkennbaren Merkmale so gut wie jedes Menschen automatisch mit dem Print, den er dem Rechner eingegeben hatte.
Was er brauchte waren schlicht und ergreifend ERGEBNISSE!
Rodney fühlte, wie er wieder nervöser wurde und begann in seinen Hosentaschen zu wühlen, bis er schließlich, ziemlich enttäuschend, ein Hustenbonbon fand. Wahrscheinlich eines von denen, die diese Stewardess verteilt hatte.
Nein, darauf konnte er wirklich verzichten!
Rodney packte das Bonbon trotzdem aus und steckte es sich in dem Mund. Wenn er jetzt nicht allmählich etwas gutes und gescheitetes zu Essen bekam, würde er wahrscheinlich bald im Zuckerkoma liegen und Sheppard damit seine einzige Chance verlieren, jemals entlastet zu werden.
Er wollte sich gerade abwenden und den Rechner ein bißchen allein arbeiten lassen, als plötzlich ein Klingelton ertönte.
Rodney fuhr zusammen und drehte sich um, um in ein schmales Gesicht mit zusammengewachsenen, nachtschwarzen Brauen unter ebenso dunklen Augen zu starren. Ein Gesicht, daß ihm der Computer zeigte. Über den zweiten, kleineren Bildschirm blinkte eine grüne Anzeige über den schwarzen Hintergrund: Match - Match - Match
Rodney konnte sein Glück einfach nicht fassen. So schnell? Dabei hatte er doch gerade erst ...
Er fuhr herum, sah zur Tür, wo gerade Carson Beckett aufgetaucht war. Der Schotte trug einen ziemlich verwirrten Gesichtsausdruck zur Schau.
„Was ist?" fragte Rodney.
Beckett blickte von einem anderen Computerausdruck auf, hielt ihn ihm dann hin. „Könnten Sie vielleicht ... äh, eine Gegenprobe zur Verfügung stellen?" fragte er.
„Und warum sollte ich das tun?" Rodney kreuzte die Arme vor der Brust und funkelte den Mediziner an. „Ich bin beschäftigt, Carson!"
Nie im Leben würde er zugeben, daß er Angst vor Spritzen hatte!
Beckett hielt ihm den Ausdruck hin. „Aber ich brauche ... eine Bestätigung, um zu sehen, ob das Gerät richtig geeicht ist", behaarte er.
„Warum nehmen Sie dann nicht diesen maulfaulen Dorn? Der steht oder sitzt die ganze Zeit nur herum!"
„Weil Sergeant Major Dorn die gleiche Blutgruppe wie Major Sheppard hat", erklärte Beckett. „Aber die Vergleichsprobe stimmt nicht. Sie kommt von einem anderen, nicht vom Major. Die Blutgruppe stimmt nicht."
Rodney runzelte die Stirn, schnappte sich dann den Ausdruck und studierte ihn sofort ... um das Papier kurz darauf sinken zu lassen und sinnend durch die Wand zu starren.
„Rodney?" fragte Carson leise.
Dann hatte der Major recht gehabt und es gab diesen Killer ... Nicht, daß er nicht daran geglaubt hatte, aber ...
„Was macht die DNA?" fragte Rodney, nachdem er dem Bildschirm mit dem AFIS-Programm einen Blick über die Schulter zugeworfen hatte.
„Nicht vor morgen früh, tut mir leid."
McKay kniff die Lippen aufeinander, dann drehte er sich steif herum und marschierte zum Rechner hinüber, um die polizeiliche Akte dieses Mannes da auf den Bildschirm zu rufen. Mit ein bißchen Glück würde dort auch seine Blutgruppe zu lesen sein. Und wenn nicht in der Polizeiakte, dann in einer anderen.
Rodney war entschlossen, dem Major zu helfen. Immerhin ... es galt ein Beinahe-Mitglied der Mensa zu retten. Da konnte er nicht anders, er war geradezu verpflichtet zu tun, was er tun würde ...

Nacht gegen 23.30 Uhr
Mac war es, als würde er ein grauenvolles Deja Vu erleben ... zum inzwischen siebten Mal.
Wieder eine Frauenleiche, wieder im Central Park, und dieses Mal sogar wieder in der Nähe der Strawberry Fields - gab es denn kein anderen Pflaster mehr für den Ripper? Immerhin war der Central Park groß, einiges an Quadratkilometern. Warum ausgerechnet immer hier?
Flack nickte ihm zu, drehte sich dann wieder zum Finder der Leiche, einem Junkie um, und befragte ihn recht rüde weiter.
Mac atmete einige Male durch die Nase und stapfte weiter.
Mit einem zumindest hatte ER recht behalten: Major John Sheppard war NICHT der Täter. Der saß immer noch brav in seiner Zelle und wartete darauf, daß sich jetzt die Tür endlich für ihn öffnete. Sein Gefühl, so ungern er sich dem auch hingab, hatte ihn nicht getrogen.
Danny blickte auf und kniff die Lippen unwillig zusammen, als er nähertrat. Aiden auf der anderen Seite der Wiese fotografierte etwas.
Mac sah sich um, dann stutzte er.
Die ganze Wiese sah aus, als hätte der Tau sie benetzt, aber für Tau war es noch zu früh. Woher also kam dieses ...
Er tat etwas untypisches und streckte die Hand aus, zupfte einen der Stengel ab und betrachtete ihn mit zur Seite geneigtem Kopf.
Was war das? Jedes normale Wasser wäre ihm längst auf die Finger getropft, warum ... ?
„Da muß ein Fehler vorliegen!" Danny hatte sich endlich aufgerichtet und stand nun neben ihm. „Wahrscheinlich wollen diese Freunde von unserem Major ihn decken und haben ..."
„Sie haben gar nichts, Danny", entgegnete Mac mit einem drohenden Unterton in der Stimme. Er ließ den Stengel sinken und funkelte den wesentlich jüngeren Tatortermittler an. „Du hast dich in eine Sache verrannt, das ist passiert, Danny", fuhr er fort. „Wir dürfen uns keine Meinung bilden, zumindest solange nicht, bis wir wirklich alles andere ausschließen können. Das weißt du auch verdammt genau. Und dennoch hast du es getan."
Danny zog deutlich den Kopf ein, funkelte ihn aber hinter seiner Brille weiter wütend an.
Mac nickte. „Das ist, was ich sehen möchte von dir: Biß!" Er nickte. „Und jetzt geh wieder an die Arbeit. Oder hast du wieder eine Antwort auf das, was hier auf dem Gras liegt?"
Danny war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren, Mac wußte es es. Dennoch aber mußte der Junge sich endlich einmal ein dickeres Fell anschaffen, sonst würde er wirklich irgendwann untergehen. Und jemand so begabten und intelligenten wie Danny Messer würde Mac so schnell nicht wieder finden. Also ...
„Und wenn sie doch ... ?" Danny verstummte, als er ihm einen langen Blick zuwarf.
„Die Begleiter des Majors sind allesamt in dem Privatlabor von Scunlap. Inc. Flack und ich lassen sie beobachten, seit Sheppard verhaftet ist. Die Beamten hätten sich schon gemeldet, wenn ihnen etwas spanisch vorgekommen wäre, denkst du nicht?"
Danny druckste etwas herum, nickte dann aber.
„Dann mach dich jetzt wieder daran die Spuren zu nehmen, zu ordnen und zu analysieren!" Mac wandte sich ab.
Der jüngere Tatortermittler zögerte noch einen Moment, dann schlich er im wahrsten Sinne des Wortes davon.
Mac seufzte schwer und schloß einen Moment lang die Augen.
„War das nötig?" erkundigte sich Aiden an seiner Seite. Sie mußte den Standort gewechselt und den Rest des Streites mitbekommen haben.
Mac zögerte, nickte dann aber. „Das war es. Danny muß endlich begreifen, wie und woran wir arbeiten. Wir können es uns nicht leisten, unsere Neutralität zu verlieren."
Aiden sah ihn an. Sie sah ihn einfach nur an, für eine ihm unendlich lang erscheinende Zeit. Dann erst fragte sie sehr aufmerksam, jedes Wort betonend:
„Haben wir die nicht schon längst verloren?"

Hände waren schmierig-klebrig, und als er auf sie hinabsah, wirkten sie gegen die Dunkelheit schwarz. Irgendetwas klebte an ihnen, und es dauerte eine kleine Weile, ehe er begriff, daß es sich um verrottetes Laub und Dreck handelte.
Sein Kopf ... die Welt drehte sich, und er hatte das Gefühl, etwas würde in sein Auge laufen.
War das möglich? Aber was sollte ihm in sein Auge laufen?
Er stützte sich an der rauhen Rinde eines dicken Baumstammes ab, hangelte sich mehr oder weniger daran hinauf. Die Welt drehte sich schneller, und zu den stechenden Schmerzen in seinem Kopf gesellte sich eigenartiges Summen in seinen Ohren.
Er sackte gegen den rauhen Stamm, dann hörte er, seltsam losgelöst von sich und seiner Umwelt, das ferne Brüllen und Heulen. Und nahe das leise Wimmern, dessen Ursprung er in seinen eigenen Schmerzen vermutete, bis ihm klar wurde, daß da noch etwas bei ihm war.
Mühsam, sich immer noch gegen den Baumstamm stemmend, um das Gleichgewicht halten zu können, drehte er sich um. Mit einem letzten Rest Humor fragte er sich, wie er wohl auf andere wirken mußte. Wahrscheinlich wie jemand, der um einiges zuviel getrunken hatte, ging ihm auf.
Ein gewaltiger Schatten erhob sich vor ihm in der Nacht. Mit verschleierten Augen blickte er daran hinauf und ... lächelte als sich seine Lider resignierend senkten und er den Baumstamm wieder hinabrutschte.
Das war er, der da vor ihm stand. Nur ein anderer ER als er war. Und dieser andere hatte ein blutverschmiertes Messer in der Hand ... und den Arm gehoben, bereit zuzustechen.
Das Lächeln wurde zu einem zynischen Grinsen. Er starb, doch er würde weiterleben. Sollte es so nicht sein?
Er konnte spüren, wie der andere näherkam ...


John öffnete die Augen und atmete einige Male schnell und hektisch ein, während seine Augen versuchten, sich an die Finsternis zu gewöhnen.
Oh Gott, was ... ? Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt jemals wirklich erfahren wollte, WAS sich in dieser Nacht abgespielt hatte im Central Park.
Er hatte sich selbst gesehen. Er hatte sich mit der Mordwaffe in der Hand gesehen!
Hatte er sich so in das Opfer eingefühlt, daß er durch dessen Augen den Mord, den er begangen hatte, mitverfolgen konnte?
John stöhnte leise auf.
Er hatte sich, ehe ein Polizist die Nachtschicht übernommen hatte, in weiser Voraussicht ein Kopfschmerzmittel geben lassen und fühlte sich jetzt leicht betäubt. Aber ...
John ging auf, als es ihm endlich gelang, den Traum abzuschütteln, der aber innerlich weiter an ihm nagte und kratzte und sicher noch mehr Wunden reißen würde, daß er keine Kopfschmerzen hatte.
Mit einem Ruck saß er aufrecht, spürte die leichte Desorientierung in der absoluten Finsternis, ebenso ein leichtes Schwindelgefühl, daß ihm nicht ganz echt zu sein schien. Doch ... da waren keine Kopfschmerzen!
Warum hatte er plötzlich keine Kopfschmerzen mehr?

Elizabeth lehnte sich zurück und sah auf den Bildschirm.
Eigentlich sollten sie wohl allmählich sehen, daß sie beide wieder ins Labor kamen, um die anderen zu unterstützen. So wirklich helfen würden sie jetzt, nachdem sie den Tatort nochmals untersucht hatten, wohl nicht. Aber zumindest drückte das schlechte Gewissen nicht mehr ganz so arg auf ihr Gemüt.
Elizabeth zögerte, dann griff sie nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
Eigentlich hatten sie nur kurz duschen und sich umziehen wollen, nachdem sie die Beweise, die sie noch gefunden hatten, ins Labor gebracht hatten. Doch der Major ... Wo war der eigentlich?
Elizabeth zögerte nicht mehr, sondern erhob sich mit Schwung vom Sofa und streckte sich.
„Major Lorne?" rief sie und marschierte in die Richtung, in der Sheppards Zimmer in dieser Flucht lag.
Irgendwie schien Lorne davon auszugehen, daß dieser Raum für sämtliche Militärangehörige als Schlafplatz dienen konnte, denn die Deckenlampe war bereits gelöscht und in dem wenigen Licht, das von draußen hereinstrahlte, konnte Elizabeth einen Körper sehen, der auf dem Bett lag.
„Major?" fragte sie. „Wir sollten allmählich wieder zurück zu den anderen." Sie hob die Hand, um das Licht einzuschalten.
„Lassen Sie bitte das Licht aus, Dr. Weir", meldete sich in diesem Moment eine verkrampft beherrscht klingende Stimme. Die von ... Lorne?
Elizabeth zögerte, ließ die Hand wieder sinken, trat aber statt dessen in den Raum hinein. „Stimmt etwas nicht?" fragte sie, sich an diesen Unterton erinnernd.
„Bitte ... wenn Sie wieder ins Labor wollen, dann ... dann fahren Sie ohne mich, Dr. Weir." Ein Leises, halb unterdrücktes Stöhnen.
„Major?" Elizabeth zögerte und versuchte, die Finsternis um sie her mit den Augen zu durchdringen. Die Vorhänge vor den Fenstern waren komplett geschlossen und ließen nicht den leisesten Lichtschimmer durch.
„Bitte", sagte Lorne gequält.
Elizabeth begriff endlich. „Jetzt sagen Sie nicht, Sie haben Kopfschmerzen!"
Lorne schwieg.
Die Leiterin der Atlantis-Expedition stöhnte auf.
War das eine Seuche? Erst Sheppard und jetzt Lorne? Warum das? Und warum jetzt und hier? Das ...
„Bitte, Dr. Weir, ich möchte nicht unhöflich sein, aber ..."
„Schon gut." Mit diesen zwei Worten zog Elizabeth sich zurück und schloß die Tür hinter sich ganz, als sie wieder im Flur stand. Dann ging sie zum Telefon im Wohnraum.
Sie war sich ziemlich sicher, daß Carson sich geirrt hatte. Einer, der ständig Kopfschmerzen zu haben schien, das ließ sie sich noch gefallen. Aber jetzt den zweiten auch noch? Nein, das war jetzt kein Zufall mehr.
Elizabeth hob den Hörer von der Gabel und wählte die Nummer, die Dorn ihr auf einem Zettel notiert hatte. Dann wartete sie ... und wartete ... und beschloß schließlich doch, es zu riskieren und zum Labor zu fahren und Lorne damit allein zu lassen. Es würde ihm wohl hoffentich nichts passieren in den wenigen Minuten, bis sie wieder zurück war.
Elizabeth legte den Hörer zurück auf die Gabel und schnappte sich ihre Jacke.
Entlastet by Hyndara71
John richtete sich auf, als er hörte, wie der Riegel der Tür zurückschnappte. Innerlich wappnete er sich, wenn er auch nicht so recht wissen wollte und konnte wovor. Vielleicht vor einer neuen Vernehmung, vielleicht aber auch ...
Die Tür schwang auf und ein übernächtigt aussehender Mac Taylor betrat die Zelle, sah sich kurz um, ehe er, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen nickte. „Guten Morgen, Major."
John zögerte, erwiderte dann den Gruß und richtete sich auf. Er würde wohl wieder verhört werden, wie es aussah.
„Sie können gehen", fuhr Mac unvermittelt fort. Und ganz offensichtlich war das seine eigene Art von Humor, nach der Art, wie er über Johns Gesichtsausdruck schmunzelte.
Damit allerdings hatte er nun gar nicht gerechnet, auf gar keinen Fall. Aber ... das bedeutete auch gleichzeitig ...
John blickte auf, Begreifen in seinen Augen. Macs Grinsen verblaßte. Langsam nickte er. „Es hat wieder einen Mord gegeben. Gleiches Muster, gleiche Spuren. Es war der selbe Täter. Und da Sie wahrscheinlich das beste Alibi vorzuweisen haben, was man sich nur vorstellen kann, Major ..." Mac zuckte mit den Schultern. „Lieber hätte ich es anders bewiesen, das müssen Sie mir glauben. Aber es ist gekommen, wie ich es vermutete. Sie sind frei."
John schluckte, hielt den Blick gesenkt, damit der Tatortermittler nicht den Schrecken in seinen Augen lesen konnte. In diesem Moment hatte er sich nicht wirklich im Griff, und er wußte es. Nein, besser, er ließ erst einmal ...
John atmete einige Male tief ein, sah dann doch hoch, als er glaubte, sich wieder halbwegs im Griff zu haben. „Aber es könnte auch ein Trittbrettfahrer gewesen sein", wandte er ein.
Mac schmunzelte humorlos, schüttelte dann den Kopf. „Ich möchte Sie bitten, sich sofort an uns zu wenden, sollte Ihre Erinnerung wieder zurückkehren, Major Sheppard. Ansonsten ... wünsche ich Ihnen alles Gute für die Zukunft und daß Sie nie wieder in eine solche Lage geraten."
Mit einem Ruck stand John aufrecht, seine Hände ballten sich wie von allein zu Fäusten. „Es könnte auch jemand gewesen sein, der mich entlasten wollte und deshalb die gleichen Spuren hinterlassen hat!"
Macs Augen wurden schmal. „Ihre Bekannten wurden überwacht, wenn Sie das beruhigt, Major. Sie waren es NICHT!" Er ließ seine Stimme an Schärfe gewinnen.
John schluckte hart und biß sich auf die Lippen.
„Sie quälen sich weiter selbst", bemerkte der Tatortermittler, trat einen Schritt auf den Militär zu. „Aber das sollten Sie nicht. Sie haben richtig gehandelt, Major, vollkommen richtig. Sie wollten einer Frau in Not helfen. Daß es nicht geklappt hat, ist nicht Ihre Schuld. Also ..."
„Ich hätte aber vielleicht etwas daran ändern können! Der Kerl ..." Die Unwissenheit würgte ihn.
John beugte sich vorn über und keuchte einige Male.
So viele, die er verloren hatte. So viel Schuld, die auf seinen Schultern lastete.
John stöhnte unterdrückt auf.
„Melden Sie sich, sollte Ihre Erinnerung zurückkehren. Wir brauchen Sie als Zeugen, Major", wandte Mac sich mit sanfter Stimme an ihn.
Und wenn er es doch gewesen war? Immerhin hatte er doch sein eigenes Gesicht gesehen in diesem Alptraum. Wenn es sich nun um eine Erinnerung handelte? Wenn er durchgedreht war und die Frau getötet hatte, diese Miss Lloyd?
„Ihre Sachen erhalten Sie an der Ausgabe zurück", fuhr Mac fort.
John richtete sich endlich wieder auf, atmete immer noch tief und preßte die Augen wie vor Schmerzen zusammen. Dann fiel ihm plötzlich etwas ein.
„Haben Sie meine Uhr gefunden?"
Mac, der sich hatte zurückziehen wollen, drehte sich nun doch wieder um. „Bitte?"
John öffnete die Augen und wandte den Kopf. „Meine Armbanduhr. Eine Armeeuhr." Er hob den linken Arm, so daß der helle Streifen auf seiner Haut gut zu sehen war.
Mac öffnete den Mund, schloß ihn dann wieder und nickte.
John kniff die Lippen aufeinander.
„Wir haben die Uhr unter einem Baum gefunden, in der Nähe des Tatorts", erklärte Mac endlich. „Es war Blut daran ... Ihr Blut, wie sich mittlerweile herausgestellt hat. Das Armband muß bei dem Kampf gerissen sein. Es sieht aus wie aufgeschlitzt."

Er hob den Arm und fühlte den brennenden Schmerz, als die Klinge über seine Haut schrammte. Über das Jammern hinweg konnte er hören, wie die Schneide sich an ihm rieb und die Härchen auf seinem Arm zerschnitt. Und sie zerschlitzte das Band seiner Uhr, die beinahe unbeachtet zu Boden fiel.
Das Messer war scharf wie eine Rasierklinge!


John taumelte einen Schritt zurück, die Augen geweitet. „Oh Gott!" entfuhr es ihm. Keuchend stützte er sich mit einer Hand an
der Wand ab.
Mac trat alarmiert wieder einen Schritt näher. „Geht es Ihnen gut?"
John schluckte, während ein weiterer Flashback an ihm zerrte:

Die Augen leuchteten in dem gleichen Grün wie das andere Licht.
Das Licht ... Licht ...
John wurde zurückgeschleudert, der Ast zerbrach, den er sich vorhin geschnappt hatte in Ermangelung einer anderen Waffe.
Taumelnd wurde er zur Seite geschleudert, während das Ding wieder diesen jammernden Schrei ausstieß, der seine Trommelfelle perforieren wollte.


Das war KEIN Mensch gewesen!
Johns Augen weiteten sich, als er endlich begriff.
Nein, er hatte wirklich nichts mit den Morden zu tun, jedenfalls nicht so, wie er es befürchtet hatte. Er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatte sich mit etwas angelegt, was ...
„Mist!"
Er hob den Kopf und sah Mac forschend an. „Wenn ... ich mich erinnere ... ?" fragte er stockend.
Der Tatortermittler nickte mit ernster Miene. „Der Beamte am Tresen kann Ihnen die Durchwahl in mein Büro geben. Wenden Sie sich am besten direkt an mich, Major. Jeder andere ... Nun, sagen, wir, auch wenn wir Sie entlasten konnten, ist noch nicht wirklich jeder der Meinung, daß Sie auch unschuldig sind, wenn Sie verstehen, was ich meine."
John nickte. „Und ... die Uhr?" fragte er kläglich.
Sein Magen wollte sich ihm umdrehen.
Dieser schwarze Schatten war nie und nimmer menschlich gewesen, davon war er jetzt überzeugt. Wo auch immer dieses Ding herstammte ... er mußte das SGC informieren!
„Ist leider zunächst noch ein Beweismittel." Mac zuckte mit den Schultern. „Aber vielleicht könnten Sie mir beantworten, warum diese Uhr in der Lage ist, sechsundzwanzig Stunden anzuzeigen?"
Auch das noch!
John fühlte plötzlich eine gewisse Erleichterung und mußte wiederwillig schmunzeln.
Natürlich lief sein Organismus noch nach Atlantis-Zeit, und mit ihm auch seine Uhr. Er hatte schlicht vergessen, sie wieder auf den 24-h-Rhythmus der Erde umzustellen.
„Das ist ... ein Fehler, den sie schon immer ab und an hatte, wenn die Batterie sich leerte", log er. Und er sah nur allzu deutlich, daß Mac ihm nicht ein Wort glaubte. Doch das war alles, was er aus ihm herausbekommen würde.
John zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe, ich bekomme sie wieder."
Mac zögerte, nickte dann aber. „Wenn sie nicht mehr weiter relevant für den Fall ist, können Sie Ihre Uhr zurückfordern. Sie ist kein Beweismittel, das in irgendeiner Weise mit dem Täter in Verbindung gekommen ist."
Und ob sie das war!
John wünschte sich, sich an mehr erinnern zu können. Doch aus den Tiefen seines Geistes tauchten immer wieder nur kurze Fetzen auf, die er kaum richtig zusammensetzen konnte. Er wußte nicht, was er tun oder lassen sollte und konnte nur hoffen, daß ...
Er mußte unbedingt das SGC anrufen und Landry darüber informieren, daß hier nicht alles mit rechten Dingen zuging. Was auch immer diese Frauen ermordete, es mußte außerirdisch sein. Dieses Leuchten, das er immer noch nicht wirklich zuordnen konnte ... Irgendetwas hatte es mit McKay und Atlantis zu tun, da war er sich sicher.
„Ich habe mir übrigens erlaubt, in ihrem Hotel anzurufen. Man wird Sie abholen", wechselte Mac das Thema.
John nickte, strich sich mit einer Hand durchs Haar.
Gut, dann geriet er schneller als gedacht in die Lage, sich mit dem SGC in Verbindung zu setzen. Er wagte gar nicht sich vorzustellen, wie man ihm diese Eskapade nun wieder auslegen würde. Für den Generalstab war er doch ohnehin schon schuld daran, das die Erde überhaupt noch existierte.
„Und denken Sie daran ..."
John sah Mac an und dieser verstummte. „Sie meinten gestern, es könne helfen, wenn ich mich hypnotisieren ließe. Sind Sie sich da sicher?" fragte er.
Der Tatortermittler nickte. „Genau das wollte ich Ihnen vorschlagen, Major. Suchen Sie sich jemanden, dem Sie vertrauen und hoffen Sie, daß es gelingt. Es gibt einige Studien darüber, daß es die Erinnerung wieder heraufholen kann, wenn sie nicht von allein zurückkehren will."
John nickte, spannte die Kiefer an.
Gut, er hatte Beckett. Das war definitiv schon einmal jemand, dem er vertraute.
„Und ... Major, Sie sollten vielleicht auch Ihren Freunden sagen, daß es besser ist, wenn sie die Ermittlungen der Polizei überlassen. Ihre Bekannten haben sich da in ein Labor eingemietet und sind im Central Park gewesen, nahe des Tatortes des Mordes, zu dem Sie gestoßen sind. Das hätte nach hinten losgehen können, zumal ... Wir haben Ihre 'feuchte Wiese' gefunden. Was auch immer es ist, was da auf den Pflanzen liegt, es ist kein Tau."
John atmete wieder tief ein, nickte dann. „Ich werde daran denken. Und ich melde mich, sobald ich mich erinnern kann", antwortete er.
Dabei allerdings war er sich ziemlich sicher, daß er sich zwar melden würde, doch nur, um Mac und seinen Kollegen den Fall abzunehmen. Was auch immer dieser Schatten, dieses Monster gewesen war, es war kein Mensch!
Mac reichte ihm die Hand. „Viel Glück, Major."
John lächelte und nickte, als er einschlug.
Um wieviel Mac wohl älter war als er? Viel konnte es nicht sein, ging ihm auf, dazu hatten sie zu oft die gleichen Ansichten. Dieser Mann war ihm eindeutig sympatisch.

Dorn hatte vor der Tür Aufstellung genommen und ließ niemanden durch. Die Angestellten, alle schienen sie durchweg pünktlich zu sein, wenn der Marine sich nicht verzählt hatte, murrten mehr oder weniger enthusiastisch und versuchten, an ihm vorbei einen Blick auf die beiden Wissenschaftler zu erhaschen, die im Genlabor mit irgendetwas beschäftigt waren.
Dorn stand da, der leibhaftige Fels in der Brandung und wartete. Noch immer trug er seine Uniform vom Vortag, war bewaffnet mit seiner Standard-Automatik, auch wenn er nicht vorhatte, seine Hand auch nur in die Nähe der Waffe zu bringen. Er hatte wirklich genug Leben genommen in seiner langen, und recht fruchtbaren Militärkarriere.
Der mit dem schottischen Akzent klang aufgeregt, vielleicht sogar etwas ängstlich.
Dorn wagte nicht, den Kopf zu drehen, immerhin könnte ihm dann einer der Angestellten seines Neffen durchschlüpfen. Und soviel hatte er durchaus verstanden aus den wenigen Brocken: Dieser Beckett war auf irgendetwas gestoßen, was ganz und gar nicht harmlos war. Die Frage sollte hier und jetzt wohl eher sein, ob es nicht besser wäre, das ganze Labor zu räumen.
„Was ist denn hier los?"
Dorn erleichterte innerlich, als er die Stimme seines Neffen sich über das deutliche Gemurmel und Gemurre erheben hörte. Endlich war Al, wenn auch mit deutlicher Verspätung, eingetroffen. Sehr gut. Jetzt mußte man ihm nur noch begreiflich machen, daß ...
„Onkel George?"
Die Familienähnlichkeit zwischen Onkel und Neffe war beinahe frappierend. Albert sah aus wie ein jüngerer und deutlich fitterer George Dorn, wenn es auch bei ihm schon gewisse Anzeichen eines leichten Hanges zum Übergewicht gab.
Jetzt baute der Mann in den Dreißigern sich vor seinem Onkel auf, die Hände in die Hüften gestemmt, und funkelte den Marine an. „Ich habe doch gesagt, ihr habt bis neun Uhr Zeit. Danach ..."
„Sind noch nicht ganz fertig", fiel Dorn seinem Neffen ins Wort. „Kann nicht mehr lange dauern."
Dabei war er sich ziemlich sicher, es würde sogar deutlich länger dauern als Al sich jetzt vielleicht denken mochte. Was er da vorhin, als die ersten Angestellten gekommen waren, aufgeschnappt hatte, hörte sich alles andere als gut an. Der Begriff „Replikatoren" in Verbindung mit einem Mitglied der beiden großen Stargate-Stützpunkte - ob nun hier oder in der Pegasus-Galaxie - bedeutete nie etwas gutes, soviel wußte er.
„Ich habe dir gesagt, bis neun Uhr. Punkt!" Al funkelte ihn immer noch an. „Ich kriege mein Geld nur sehr selten vom Staat, Onkel, tut mir leid. Ich habe Termine!"
„Sind Sie der Inhaber dieses Labors?" Die akzentschwere Stimme des Schotten mischte sich nun in das Gespräch.
In Dorns Gesicht zuckte nicht ein Muskel. Er starrte weiter seinen Neffen an, durchdringend und durchaus beredt - wenn man ihn denn kannte.
Und Al kannte ihn. Der Inhaber von wurde blaß. „Das ist nicht dein Ernst!" keuchte er.
Dorn sah ihm weiter in die Augen, starrte ihn richtiggehend nieder.
„Sind Sie ... ?"
„Ja doch!" Als Kopf ruckte zu Beckett herum. „Was soll das hier?"
Der Schotte wurde offensichtlich aus seinem Konzept gebracht durch den forschen Angriff und schwieg.
„Schick die Leute nach Hause", sagte Dorn ruhig.
Als Augen weiteten sich wieder. „Wie bitte?"
„Schick die Leute nach Hause!" Dorn ließ seine Stimme eindringlicher klingen.
„Das ... das wird sich leider nicht umgehen lassen ... fürchte ich", ließ Beckett sich jetzt wieder vernehmen. „Tut mir leid, mein Junge."
„Ich bin nicht Ihr Junge!" raunzte Al den Schotten an, der sichtlich zusammenzuckte.
„Al!" Dorns Augen schienen Funken zu sprühen.
„Uns ist ... äh, ein kleines Malheur passiert", begann Beckett zu erklären, auch wenn das selbstverständlich eine bodenlose Lüge war.
„Ein Malheur?" brauste Al auf.
„Al, die Leute", warnte Dorn wieder und brachte seinen Neffen damit aus dem Konzept. Doch dem Marine war nicht entgangen, wie einige der Wartenden durchaus interessiert die Ohren spitzten.
Al schwoll deutlich der Hals, wütend kniff er die Lippen zusammen, dann drehte er sich abrupt auf der Stelle um. „Ihr könnt nach Hause gehen", sagte er zu den gut zwanzig Menschen, die hier arbeiten wollten.
„Wenn es auf den unteren Etagen noch andere Labore gibt ..." Beckett verstummte unter dem nächsten bitterbösen Blick. Dann allerdings ging ein deutlicher Ruck durch den schottischen Mediziner.
„Hören Sie, junger Mann, ich will Ihnen nur helfen. Ich dürfte Ihnen eigentlich gar nichts sagen, sondern könnte Ihren Onkel einfach anweisen, Sie aus Ihrem eigenen Labor zu werfen. Ist Ihnen das denn immer noch nicht klar? Wir arbeiten für eine streng geheime internationale Behörde."
Al hatte plötzlich mit einem deutlichen Schluckreflex zu kämpfen.
Dorn konnte sich vorstellen, was im Kopf seines Neffen gerade vor sich ging. Ihm würde es sehr wahrscheinlich nicht sehr viel anders ergehen, wenn er außen vor gelassen würde, während ein großer Teil des eigenen Lebens gerade den Bach runterging.
„Das ist ..."
„Washington wird dir den Ausfall erstatten", fiel Dorn seinem Neffen ins Wort.
Und genau dafür würde er auch sorgen. Al hatte mehr als genug riskiert, damit man ihm ein wenig unter die Arme greifen konnte. Es würde irgendeine Möglichkeit geben, ihn für das zu entschädigen, was ihm da möglicherweise verloren gehen würde durch das, was hier gerade geschah.
„Wie bitte?" McKay war auf Dorns anderer Seite aufgetaucht, funkelte den Marine jetzt über die Schulter hinweg an. „Wie können Sie es eigentlich wagen, soetwas auch nur in Aussicht zu stellen?"
Der Marine hob nur eine Braue und warf dem Wissenschaftler einen scheelen Blick zu. Dann zuckte er wie entschuldigend mit den Schultern.
„Das ist eine Unverfrorenheit sondergleichen!" schimpfte McKay weiter. „Sie können nicht Gelder versprechen, die Ihnen überhaupt nicht zur Verfügung stehen!"
Al sah ihn fragend an.
Dorn zuckte wieder mit den Schultern. „McKay", sagte er nur, sog kurz die Wangen ein und dachte nach. „Kanadier", fügte er dann hinzu.
Der Wissenschaftler lief krebsrot an. „Wie können Sie es wagen?"
„Rodney!" ließ Beckett sich jetzt mit einem warnenden Unterton vernehmen, wandte sich dann wieder an den Betreiber des Labors: „Hören Sie, es tut mir leid, aber wie es aussieht, haben wir das Genlabor konterminiert. Selbstverständlich werden wir Ihnen den Ausfall ersetzen, so denn Gelder dafür freigemacht werden können. Auf jeden Fall sollten Sie aber wissen ..."
„Konterminiert?" unterbrach Al ihn, stemmte wieder die Hände in die Hüften. „Konterniniert? Wieso gehen Sie nicht in den Keller in unser BL4-Labor? Oder in die dritte Stufe, wenn es nicht ganz so schlimm gewesen ist? Statt dessen ..." Seine dunklen Augen, die hatte er definitiv von seiner Mutter, wurden groß. „Was zum Teufel tut dieser Kanadier da mit meinen Maschinen?"
Dorn drehte sich herum und beobachtete McKay, der gerade mit irgendetwas beschäftigt war, daß für ihn aussah wie in dieser alten Fernsehserie, die Laurell so gern gesehen hatte. War das nicht auch so ein Kerl mit einem „Mac" vor dem Namen gewesen ... ?
McKay blickte auf, als er die Blicke der anderen auf sich fühlte. „Ich versuche nur, die Na... den Befall einzugrenzen", erklärte er hastig, als Al sich wieder an seinem Onkel vorbeidrängen wollte.
„Schalten Sie den Magneten auch nur für eine Sekunde ein, bringe ich Sie persönlich um!" begehrte der Eigentümer des Labors wütend auf.
Dorn begriff. McKay wollte dem, was er und Beckett da gefunden hatten, mit einem EMP zu Leibe rücken. Soweit er wußte, würde das jeden Replikator außer Gefecht setzen - allerdings auch sämtliche elektronischen Anlagen. Und von denen wimmelte es im Labor.
„Wenn wir die Kisten abschalten?" schlug er vor und sah Beckett an.
Der Schotte stutzte, als sei er gerade aus einem tiefen Gedanke gerissen worden. Einen Moment lang sah er sehr desorientiert drein, dann aber ging ihm auf, was Dorn gemeint hatte. „Eine gute Idee", nickte er. „Aber leider wird das nicht für alle Gerätschaften hier gelten, fürchte ich. Einige Dinge können schlichtweg nicht ausgeschaltet werden."
„Ganz genau! Und zwar die teuersten. Und wenn Sie jetzt nicht sofort diese Bastelei aufgeben, werde ich die Polizei rufen!" wetterte Al wieder los und versuchte sich an seinen Onkel vorbeizudrängen.
In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Treppenhaus und die drei vermißten Mitglieder dieses zusammengewürfelten Haufens traten ein.
John erfaßte mit einem Blick den Ernst der Lage, wenn auch nicht den Grund für diesen Ernst. Sofort war er bei Dorn und legte Al beide Hände auf die Schultern. „Beruhigen Sie sich, Mann!" sagte er mit eindringlicher Stimme.
„Dann sagen Sie diesem kanadischen Idioten, er soll aufhören, meine Geräte zu Schrott verarbeiten zu wollen!"
„McKay!" John blickte auf. Seine Augen begegneten kurz den dunkelgrauen von Dorn, nur für den Bruchteil einer Sekunde sahen die beiden Männer sich an. Und trotzdem fühlten sich beide plötzlich um einiges wohler in ihrer jeweiligen Haut.
„Major, wir haben hier ein kleines Problem. Um nicht zu sagen, es ist winzig." McKay verzog das Gesicht und wies auf den Tisch, auf dem einiges lag, daß er nicht richtig zuordnen konnte auf diese Entfernung. Aber er wußte etwas anderes:
„Rodney, Sie werden sofort aufhören mit dem, was Sie da machen wollten! Haben Sie jetzt endlich verstanden?"
Der Wissenschaftler seufzte und hob die Arme. „Und jetzt?" fragte er genervt.
John nickte, ließ Al vorsichtig los. „Jetzt werden wir uns zusammensetzen und erst einmal beratschlagen, was wir tun können. Und irgendwie denke ich, ein Elektromagnet ist im Moment eine ganz falsche Wahl, Rodney."
Der Kanadier starrte ihn nieder, versuchte es zumindest. Doch er hatte kein Glück.
John nickte wieder, drehte sich dann zu Elizabeth und diesem Lorne um, der ihn mit interessierten Augen musterte.
Noch ein Spion, na toll!
John hatte keine Zeit, sich groß darum Sorgen zu machen. Er spürte deutlich, wie dieser Al wieder dabei war, sich in etwas hineinzusteigern, dessen Ende er lieber nicht erleben wollte. Also mußte er gegenrudern.
Wieder sah er diesen älteren Mann an, der ihm den Zugang zum Labor verweigerte. Entschlossen trat er ihm gegenüber. „Sergeant, geben Sie auf der Stelle diesen Durchgang frei!" befahl er.
Dorn sah ihn immer noch an. Dann richtete er sich nach Vorschrift gerade auf und salutierte. „Sir, tut mir leid, Sir. Meine Order lautet, alles tun, um das Leben so vieler wie möglich der Expedition zu retten, Sir. Wenn Ich Sie jetzt in diesen Raum lasse, Sir, wird es kein Zurück mehr für Sie geben."
John hob überrascht die Brauen.
„Das ist doch jetzt vollkommen unerheblich!" Al funkelte seinen Onkel an.
John fühlte sich plötzlich wie ein Kind, das mit einem unerlaubten Gegenstand hatte spielen wollen unter Dorns Blick. Zögernd trat er einen Schritt zurück und reckte den Hals.
Da fiel ihm Beckett ein, der immer noch hinter Dorn stand, seine Aufmerksamkeit allerdings Rodney zugewandt hatte.
„Major?" Elizabeth war zu John getreten, sah ihn etwas ratlos an.
„Moment, Dr. Weir." John lächelte kurz, trat wieder an Dorn heran. „Doc, kann ich Sie kurz sprechen?" fragte er.
Beckett kam wieder näher, beugte sich etwas über Dorns erhobenen Arm. „Ja?"
John zögerte nun doch, gab sich dann aber einen Ruck. „Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie da etwas gefunden haben, dem wir schon mal begegnet sind und es eigentlich nicht wiedersehen wollten?"
Beckett blinzelte. „Naniten", wisperte er dann.
John nickte. Also hatte er McKay doch richtig verstanden.
Tief atmete er ein, ehe er weitersprach: „Ich erinnere mich inzwischen an einiges, aber nicht an alles. Dieser Detective Taylor meinte, ich könnte meiner Erinnerung mit Hypnose auf die Sprünge helfen. Könnten Sie das ähnlich wie bei Teyla machen?"
Beckett starrte ihn verblüfft an, nickte dann. „Sicher, aber ..."
John seufzte. „Dann lassen Sie uns jetzt mal machen und halten Sie Rodney davon ab, sich für den Rest seines Lebens unglücklich zu machen." Bei den letzten Worten hob er seine Stimme wieder. „Er wird sich nämlich einen neuen Job suchen müssen, wenn er wirklich mit einem selbstgebastelten Elektromagneten sämtliche Geräte grillt. Das wird man ihm dieses Mal nicht durchgehen lassen."
McKay wurde krebsrot und kniff die Lippen aufeinander. Der Blick, mit dem er John bedachte, war geradezu mörderisch.
„Ihnen fällt schon etwas anderes ein." John lächelte so liebenswürdig wie möglich, dann zwinkerte er Beckett noch einmal zu, ehe er sich umdrehte und seine Aufmerksamkeit diesem Al zuwandte. „Und jetzt sollten wir uns in Ruhe und bei einer guten Tasse Kaffee unterhalten. Die beiden da drin werden Ihren Geräten nichts mehr antun, vertrauen Sie mir. Und Ihr Laden wird bald wieder brummen."
„Das will ich auch hoffen", wetterte der Angesprochene los, drohte dann Dorn mit einem Finger. „Und denk ja nicht, daß ich dir zukünftig auch nur ein Taschentuch geben werde, wenn du mich darum bittest, Onkel George! Das war einer zuviel dieses Mal. Es war viel zu viel."
Dorn blieb weiter unbewegt, nicht einmal ein Nerv in seinem Gesicht zuckte. John konnte nicht anders, er mußte den Marine beneiden um diese stoische Ruhe. Beinahe wünschte er sich, er könnte das ebenso. Andererseits ...
„Kommen Sie, Al", wandte sich jetzt auch Elizabeth an den Eigentümer dieser Firma. „Wir reden jetzt in Ruhe darüber, was wir tun können, um Ihnen zu danken und Sie wieder friedlich zu stimmen."
John war sich ziemlich sicher, zumindest den Vorschlag für eines dieser Heilmittel zu kennen und tauschte mit Al einen Blick. Dann folgte er Elizabeth und dem Unternehmer aus dem Vorraum heraus, gab Lorne nur kurz den Befehl, Dorn zu unterstützen. Erst später, als sie schon eine Weile diskutierten, ging ihm auf, daß er eigentlich gar nicht Lornes Vorgesetzter war.
Johns Erinnerung by Hyndara71
Stunden später im Hotel wußte John zwar nicht genau, was McKay und Beckett getan hatten, aber zumindest waren die Wogen in der Firma von Dorns Neffen geglättet und alle Geräte noch einsatzbereit.
„Die Naniten breiteten sich nicht aus", erklärte Rodney gerade und löste damit das Problem. „Ich weiß nicht, was sie taten, aber sie breiteten sich nicht aus."
„Waren sie vielleicht deaktiviert worden durch irgendetwas?" fragte John hoffnungsvoll.
McKay verzog das Gesicht als habe er in eine Zitrone gebissen. „Irgendetwas?" echote er.
Elizabeth stellte ihre Tasse härter als nötig ab. „Haben Sie etwas herausfinden können, Sie beide? Etwas, was uns weiterbringt und wir vielleicht der Polizei geben können."
„Das ist ein schlechter Gedanke", kommentierte John und schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht an viel erinnern, aber ich weiß, daß das, was ich gesehen habe, nicht ganz in das übliche Täterschema von Polizei oder FBI paßt, Elizabeth. Wenn etwas herausgefunden wurde, sollten wir das entweder selbst regeln oder dem SGC Bescheid geben. Wie wollen Sie denn nur allein die Naniten erklären, die Rodney und Beckett gefunden haben?"
Elizabeth sah ihn nachdenklich an.
Die Tür zur Suite wurde geschlossen, dann näherten sich Schritte.
John blickte auf und seufzte, als er die beiden ungleichen Helfer den Raum betreten sah. Dorn verzog sich sofort auf eines der Sofas. Offensichtlich war er der Meinung, für heute genug irgendwo herumgestanden und Wache gehalten zu haben. Lorne dagegen blieb abwartend stehen und erwiderte seinen Blick fragend.
John verzog das Gesicht.
Wenn er ehrlich zu sich selbst war, er war schon neugierig auf das, was Major Lorne eventuell leisten konnte auf und für Atlantis. Andererseits würde er wohl kaum eine Chance erhalten, mehr darüber herauszufinden. Verdammt, gerade hatte er sich noch wohl gefühlt, hatte seinen ganzen Ärger verdrängen können. Jetzt waren mit einem Schlag die ganzen Vorwürfe wieder da.
Aber, das ging ihm auf, es gab einen Unterschied: Er fühlte sich nicht mehr schuldig! Ja, er hatte Sumner erschossen, aber der hatte ihn darum gebeten, ihn legetemiert. Ja, er hatte Ford verloren, weil der durchgedreht war. Aber in diesem Moment war er mehr als sicher, daß sie beide sich wiedersehen würden. Würde nicht er Aiden finden, würde der ihn finden, davon war er überzeugt. Zwischen ihnen war noch nicht das letzte Wort gesprochen!
„Sind Sie sich da sicher, John?" Elizabeth klang zweifelnd.
Er zögerte, nickte dann aber, als er in das eigentliche Thema zurückfand.
Hier war er gut, hier wurde er gebraucht. Im Moment mochte es nicht sehr viel mehr als pure Ablenkung sein, was ihn vorwärts trieb, aber er hatte etwas zu tun und er konnte andere beschützen ... wenn er denn nur wüßte, was sein Gedächtnis ihm vorenthalten wollte.
Er holte tief Atem, stieß die Luft dann wieder aus. „Ich kann mich an eine eigenartige Masse erinnern", berichtete er dann stockend, „und an ein grünes Leuchten. Erst dachte ich, es seien die Augen des Rippers, aber jetzt erinnere ich mich, daß es die falsche Stelle für Augen war. Er hatte offensichtlich Schmerzen, jedenfalls schrie er die ganze Zeit über. Und er war ... er war so stark wie ein Wraith."
Die anwesenden Atlanter zuckten allein bei dem Wort zusammen. Zuviel hatten sie gerade in der letzten Zeit mit den Wraith erlebt.
„Eine eigenartige Masse?" McKay fing sich als erster. „Was bitte schön soll das sein?"
John kniff die Lippen aufeinander. „Ich griff ihn an, zumindest denke ich, daß ich das tat. Und ... und es war als würde der Ripper aus ... Götterspeise bestehen. Ich weiß nicht, wie ich das anders erklären soll. Er war wie ... amorph!"
Beckett trat aus seinem Zimmer, seinen Rucksack in der Hand. „Gut, Sohn, dann klären wir jetzt, was mit Ihnen geschehen ist."
John erleichterte. Seine letzte Hoffnung lag in der Hypnose.

Kurz darauf lag er wirklich in seinem abgedunkelten Zimmer. Beckett hatte ihm ein Beruhigungsmittel gespritzt und ihm einen Zugang gelegt. Eine Flasche mit irgendeiner Lösung wurde jetzt von Lorne gehalten, dem diese ganze Situation wirklich peinlich war.
John grinste schwach, konzentrierte sich dann wieder und drückte den Hinterkopf in sein Kissen.
„Es kann sein, daß es nicht funktioniert", bemerkte der Schotte in diesem Moment und neigte den Kopf ein bißchen. „Sie müssen die Hypnose zulassen, Sohn, und dazu ist nicht jeder fähig. Ist Ihr Wille zu stark ..."
John verzog unwillig das Gesicht und schloß die Augen. „Es wird funktionieren. Es ist unsere einzige Hoffnung", entgegnete er.
Und tatsächlich setzte ein leichtes Schwindelgefühl allmählich ein. Nach der Ruhe, die ihm die erste Spritze gebracht hatte, begann jetzt auch das Mittel zu wirken, das Beckett dieser Lösung beigemischt hatte.
„Gut, versuchen wir es." Beckett senkte seine Stimme. „Bleiben Sie ruhig und lauschen Sie auf meine Stimme - und nur auf meiner Stimme, Major. Lassen Sie sich fallen, wenn Sie müde werden. Wehren Sie sich nicht, das ist das wichtigste."
John nickte, öffnete den Mund und holte tief Atem, den er dann seufzend wieder ausstieß.
Und dann begann es ...

John hing in seinen Gedanken fest und blieb stehen. Sich vornüberbeugend starrte er den Weg entlang, das Gefühl in sich, für eine Sekunde den Sorgen und Nöten entkommen zu sein, die ihn quälten.
Nach einigen tiefen Atemzügen biß er sich schließlich auf die Lippen und richtete sich wieder auf. In diesem Moment hörte er den Schrei. Fluchend wirbelte er herum, die Hand an seiner Hüfte, wo er es gewohnt war, seine Beretta vorzufinden. Doch da war nichts!
Wieder ein Schrei, diesmal noch eindringlicher und ... näher?
John zögerte nicht mehr, er raste los, mitten in die Finsternis des gewaltigen Parks hinein.
Er konnte kaum die Hand vor Augen sehen, dennoch verminderte er sein Tempo nicht. Unregelmäßig, mal lauter, mal leiser, hörte er weiter die Schreie einer Frau, orientierte sich eben an diesen Lauten.
Da rutschte er weg, auf etwas feuchtem und glibberigem, das sich sofort wie feuchter Schleim auf seine Kleider legte.
John verzog angeekelt das Gesicht, während er sich schon wieder aufrappelte. Dabei bekam er etwas trockenes und auf ihn stabil wirkendes zu fassen - einen dicken Ast, der wohl beim letzten Sturm vom Baum gebrochen war.
John überlegte nicht lange. Die Schreie wurden inzwischen immer leiser, die Stimme immer schwächer.
Den Ast mit beiden Händen haltend rannte er weiter, in ein Dickicht hinein, das ihm auch noch das letzte bißchen Sicht raubte. Dafür aber ...
Da tauchte ein eigenartiger, grünlicher Schimmer zwischen den Büschen auf.
John packte den Ast fester, und hob ihn. Halb springend, halb rennend drosch er das Holz auf diesen eigenartigen leuchtenden Buckel so fest er konnte. Der Ast zersplitterte unter der Wucht, das Leuchten wurde deutlicher.
Im nächsten Moment wirbelte das Ding herum.
Das war nicht menschlich, ging es John auf, eine Sekunde, ehe er gepackt wurde. Ächzend wollte er zurückweichen, doch das Ding, ein riesiges schleimiges Etwas, stürzte sich jetzt auf ihn, packte ihn bei der Kehle und würgte ihn.
John versuchte, irgendwo Halt zu finden, um seinen Gegner vielleicht aushebeln zu können.
Dieses Leuchten wurde immer intensiver.
Er konnte nicht atmen. Verzweifelt krallte er sich an seinem Angreifer fest, schlug schwach mit den Fäusten auf die armähnlichen Auswüchse ein, während die Welt um ihn her sich drehte und immer kleiner zu werden schien.
Das Wesen brüllte die Schreie heraus, die es ihm untersagte. Es schien wirklich Schmerzen zu leiden, was ihm nicht so ganz aufging. Aber seine eigenen Kopfschmerzen waren intensiver geworden.
Kraftlos krallte John sich an einem festen Widerstand fest, während seine Lungen nach Atemluft schrien. Irgendwie mußte er wieder loskommen. Er würde nicht hier sterben, vor allem nicht ...
Er bekam etwas zu fassen, und im nächsten Moment wurde das Brüllen dieses Etwasses so laut, daß Johns Trommelfelle zu platzen drohten und ihm die Ohren klingelten. Und dann ...
Er riß die Augen auf, als er erkannte, WORAN er sich da festgekrallt hatte. Und mit dieser Erkenntnis wuchs das Grauen, denn aus der amorphen Masse, die dieses Wesen bis vor wenigen Minuten gebildet hatte, entstand plötzlich ein Gesicht, erschien einfach in dem feucht glänzenden Schleim, der die oberste Schicht bildete.
Das war ein persönlicher Schild, wie McKay ihn getragen hatte. Dieses ... dieses Ding trug einen Schild! Aber irgendetwas damit stimmte nicht, irgendetwas war falsch daran.
John japste verzweifelt nach Luft, starrte in ein Paar haselnußfarbene Augen, die sich in diesem Moment öffneten und glaubte sich in einem Alptraum.
Er sah sich selbst! Wer ihn da erwürgen wollte, war er!
Das Wesen - er! - brüllte noch einmal, dann wurde John herumgeschleudert und losgelassen. Die Kraft seines Doppelgängers war so gewaltig, daß er durch die Luft gewirbelt wurde. Und dann kam der Aufprall. Hätte er noch Luft in den Lungen gehabt, jetzt wäre diese aus ihm herausgetrieben worden.
John fühlte die rauhe Rinde eines Baumstammes, der seine Wange aufscheuerte, während sein Körper der Schwerkraft folgte.
Atmen! Er mußte atmen!
Tief und hektisch holte er Luft, japste und keuchte und würgte.
Allmählich nahm die Welt wieder Gestalt an, unendlich langsam, aber sie tat es. Und da hörte er den Laut und blickte mit tränenden Augen auf.
Die Frau!
John rappelte sich hoch und taumelte zu dem Bündel Stoff hinüber, das sich gerade schwach bewegt hatte.
„Ganz ruhig", krächzte er.
Oh Gott! Sie verblutete! Unter ihrem hellen Rock hervor strömte tiefschwarze, glänzende Flüssigkeit. Es roch nach Blut.
Ohne weiter nachzudenken öffnete John seine Jacke und zog sie aus, um sie der Fremden in den Unterleib zu drücken.
Die Frau war noch am Leben, ihre Lider flatterten ...
„Mam?" krächzte John, blickte sich hilflos um. „Haben Sie vielleicht ein Handy dabei?"
War das ein schwaches Kopfschütteln? Er war sich nicht sicher, andererseits aber sah er im Umkreis auch nichts, was irgendwie an eine Handtasche erinnerte.
War da nicht eine Telefonzelle gewesen auf seinem Weg?
„Hören Sie, ich komme gleich wieder", krächzte er weiter, beugte sich über die Gestalt. „Ich rufe Hilfe, dann bin ich wieder bei Ihnen. Halten Sie nur so lange durch, Mam."
Er war sich nicht sicher, ob sie wirklich verstanden hatte, er wußte nicht einmal, ob sie überhaupt noch bei Bewußtsein war. Aber er mußte etwas tun, er konnte hier nicht herumsitzen und darauf warten, daß es hell wurde.
John kam mühsam wieder auf die Beine, rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht kurz den Hals. Dabei fiel ihm auf, daß er wohl selbst blutete, rieb sich mit beiden Händen die Augen, ehe er sich schwankend umdrehte und davonhumpelte - hoffentlich in die Richtung, in der er das Telefon gesehen hatte ...


Schweigen hatte sich über die Gruppe gesenkt, als John den Wohnraum wieder betrat. Blinzelnd blieb er im Türrahmen stehen und wartete.
Hatte er nicht gerade noch die Stimmen von Beckett und McKay gehört, die sich offenbar angeregt unterhielten? War nicht Elizabeth eingeschritten, zumindest hatte es sich so angehört?
Jetzt wandten sie sich allmählich ihm zu, sahen ihn an.
Dorn saß immer noch auf einem der Sofas, erwiderte als einziger der Runde seinen Blick unbefangen. Dem Marine schien es wirklich gleichgültig zu sein, was den anderen Kopfzerbrechen bereitete. Dabei, John war sich plötzlich sehr sicher, war diese stoische Ruhe eigentlich eine Fassade, hinter der der Mann sich verbarg. Vielleicht wäre das der richtige Weg gewesen, seine Karriere ruhig und ohne Probleme voranzutreiben, ging ihm auf, während er noch immer in diese grauen Augen blickte.
Dorn überließ ihm die Entscheidung, er würde nicht diskutieren darüber. Er würde tun, was man ihm sagte und damit seinen Dienst versehen. Mehr war da nicht, seine Leidenschaft hatte er wohl offensichtlich schon längst verloren.
John senkte die Augen, biß sich kurz auf die Lippen. „Was ist los?" fragte er dann, nachdem offensichtlich noch immer Schweigen ihm gegenüber herrschte. „Ich dachte, jetzt sei der Fall klar. Ich kann mich wieder erinnern und Sie alle sind meine Zeugen, daß ich weder diese Miss Lloyd noch eine der anderen Frauen getötet habe. Wo also ist das Problem?"
Probleme gab es noch mehr als genug, und das wußte er auch. Aber er war jetzt nicht bereit, sich auf eine lange Diskussion einzulassen. Er hatte schon mehr als genug Ärger gehabt in den letzten Wochen.
„Genau da liegt das Problem." Elizabeth, die neben Dorn gesessen hatte bisher, erhob sich und kreuzte die Arme vor der Brust. Tief holte sie Atem, stieß ihn dann seufzend wieder aus. Ein sicheres Zeichen dafür, daß sie sich Sorgen machte.
John zuckte mit den Schultern. „Ich sehe keines, das sich nicht lösen ließe."
McKay und Beckett tauschten einen Blick.
„Diese amorphe Masse, dieser Körper, den Sie erwähnten", begann der Kanadier dann schließlich. Er blieb ernst, ein sicheres Zeichen dafür, daß die Lage es ebenso war. „Elizabeth und Lorne haben diese Wiese, auf der Sie ausgerutscht sind, gefunden gestern und Proben genommen. Es waren die Proben, die wir heute vormittag vernichten wollten. Und inzwischen wissen wir auch, warum die Naniten sich nicht reproduzierten, wie sie es tun müßten."
„Sie sind anders programmiert", wagte Beckett zu bemerken.
John runzelte die Stirn, wechselte wieder einen Blick mit Dorn. „Anders programmiert?"
„Sie schreiben sich um und bilden Basenpaare", fuhr Carson fort. „Sie reproduzieren, ja, aber anders, als wir dachten. Sie replizieren nicht sich selbst, sondern einen anderen Organismus. Notfalls 'schreiben' sie auch noch ihren Wirt um, wie es wohl ausieht nach Ihrem Bericht."
John schwante etwas, doch noch schwieg er, fixierte weiter Dorn.
„Offensichtlich hat der persönliche Schild etwas damit zu tun", übernahm jetzt McKay wieder. „Vielleicht war er auch der bisherige Träger der Naniten. Irgendetwas ist da wohl schiefgegangen. Jedenfalls ... die Naniten tun, was sie für ihren Basisbefehl halten."
Beckett nickte, blieb jetzt aber stumm.
Wieder senkte sich diese bedrückende Stille über den Raum.
John sah forschend von einem zum anderen, schließlich blieben seine Augen an Elizabeth haften. „Und was heißt das jetzt?" fragte er zögernd.
„Mit Sicherheit wissen wir es nicht." Beckett wand sich sichtlich.
Elizabeth schüttelte ungeduldig den Kopf, erwiderte Johns nächsten Blick und hielt den Kontakt. „Rodney und Carson glauben beide, daß Sie durch die Berührung des Schildes den Befehl der Naniten geändert haben, John. Sie replizieren sich jetzt nicht mehr und bilden Zellklumpen, sondern sie replizieren Sie. Insofern sind Sie schon der Ripper, wenn auch auf Umwegen. Ihr Doppelgänger ist kein echter Doppelgänger, sondern von den Naniten umgewandelt."
John schluckte.
Da waren sie ja in etwas hineingeraten! Er wollte lieber gar nicht weiterdenken an das, was da möglicherweise noch auf sie zukommen konnte ...
Elizabeth schüttelte wie bedauernd den Kopf. „Es tut mir leid."
John atmete tief ein, richtete sich dann wieder auf und drehte sich zu Lorne um. „Major, wir warten auf Verstärkung. Ich werde das SGC informieren und hoffen, daß man uns so schnell wie möglich Hilfe schicken kann."
Nein, er würde nicht allein losziehen, wie seine Kritiker jetzt wahrscheinlich hofften. Er würde sich Rückhalt aus Colorado holen, Bestätigung und die Genehmigung, gegen dieses Wesen vorzugehen. Auf keinen Fall würde er sich noch irgendeinen Lapsus leisten, der ihn wieder in Teufels Küche bringen würde.
Lorne nickte und salutierte.
Himmel, sie beide waren gleichrangig!
John nahm dem anderen den Gruß ab und marschierte entschlossenen Schrittes zum Telefon. Dabei war er sich der Blicke der anderen mehr als nur bewußt und blieb unbewußt steif, als habe er einen Stock verschluckt.
„Wissen wir irgendetwas über den Ripper, das nicht mit mir zusammenhängt?" fragte er, die Hand schon auf dem Hörer.
„Rodney hat einen Namen", sagte Elizabeth sanft.
John atmete erleichtert auf und sah kurz zu dem Wissenschaftler hinüber. „Wie sind Sie denn daran gekommen, Rodney?" Er konnte tatsächlich wieder grinsen und machte jetzt Gebrauch davon.
McKay zuckte mit den Schultern. „Der Ripper hat einen Fingerabdruck auf Ihrer Unterhose hinterlassen."
Die Unterhose!
John hätte am liebsten erleichtert aufgelacht. An dieses Kleidungsstück hatte er nun gar nicht mehr gedacht. Und wohl auch der CSI nicht, was sich als Glück herausstellen konnte. Auf keinen Fall durfte der Ripper von der Polizei festgenommen werden. Nicht, wenn Naniten im Spiel waren. Am Ende würde sich SingSing noch mit hunderten John Sheppards füllen!
„Eines verstehe ich aber noch nicht." John hob die Hand wieder von der Gabel und drehte sich um. „Warum habe ich jeden Abend Kopfschmerzen? Und warum hat der Ripper die ganze Zeit geschrien, als er mich am Wickel hatte?"
Dieses Mal sah er in ratlose Gesichter. Offenbar konnten die anderen sich das genauso wenig erklären wie er.
„Vielleicht hängt es mit dem Gen zusammen", schlug Beckett zögernd vor. „Er muß schließlich Genträger sein, sonst würde der Schild nicht funktionieren. Vielleicht sind es die Naniten oder die Fehlprogrammierung, die zu einer Art Wechselwirkung führen."
„Das hört sich an, als hätten Sie wirklich nicht die blaßeste Ahnung!" stöhnte McKay und setzte zur nächsten Tirade an.
„Wie lautet der Name des Verdächtigen?" bremste John den Kanadier prompt aus und erntete einen bösen Blick.
„Bryan McGillup."
John nahm den Hörer ab.
Entmachtet by Hyndara71
20 Minuten später, CSI-Labor:
„Mac, du hattest recht." Stella betrat das Büro ihres Vorgesetzten und nickte lächelnd. „Deine Menschenkenntnis ist immer wieder bemerkenswert."
Mac Taylor blickte von den Unterlagen auf, an denen er gearbeitet hatte. Er wußte sofort, wovon seine Kollegin da sprach. Und er war mehr als erleichtert, daß jetzt, nach dem ersten Beweis des lückenlosen Alibis, noch ein zweiter folgte.
„Danny hat sich wohl dermaßen auf deinen Major als Täter eingeschossen, daß er etwas übersehen hat", plauderte Stella in aller Ruhe weiter und lehnte sich gegen den Schreibtisch. „Ich habe mir die Sachen noch einmal vorgenommen wie wir es besprochen haben. Da ist mir ein Fingerabdruck an der Hose des Majors aufgefallen. Ein blutiger Fingerabdruck. Offensichtlich ein Negativ und ich konnte seine Unterhose nirgends finden. Entweder das Krankenhaus hat sie uns nicht mitgegeben oder einer von uns ..." Mit einem leidenden Blick schloß sie den Mund.
Mac schüttelte den Kopf. Er hatte sich, während sie erzählte, zurückgelehnt und ihr gelauscht. „Das mußt du mir ankreiden", antwortete er, ein halbes Lächeln erschien auf seinen Lippen. In seinen Augen blitzte es auf. „Sagen wir, wir sind alle Menschen und ich hatte das sichere Gefühl, daß diese Unterhose Major Sheppard vielleicht genau zum richtigen Zeitpunkt helfen würde, würde ich sie ihm lassen."
„Das kann dir als Beweismittelunterschlagung ausgelegt werden." Stella drohte ihm mit einem Finger, rutschte von seinem Schreibtisch herunter. „Aber du hattest ja schließlich und endlich recht. Wir haben den Fingerabdruck, also haben wir auch einen Namen." Wieder begann sie zu lächeln. „Weißt du, unser neuer Verdächtiger hat da bereits einiges zu bieten, mit seinem Strafregister können wir eine neue Brücke über den East River bauen."
Mac schmunzelte.
Er wußte, die Sache mit der Unterhose konnte wirklich übel für ihn ausgehen, andererseits hatte er das untrügliche Gefühl gehabt, daß der Major genau dieses Beweisstück brauchte, um sich entlasten zu können. Darum hatte er sie ihm gelassen.
Stella legte ihm die Akte, die sie bis jetzt unter dem Arm getragen hatte, auf den Tisch. „Eines allerdings ist interessant", gab sie dabei zur Auskunft, „bisher ist er noch nie wegen eines Gewaltverbrechens aufgefallen. Immer Diebstähle und Einbrüche. Es ist, als habe er sich komplett verändert von einem Tag auf den anderen."
Mac nahm die Akte und las den Namen. „Bryan McGillup." Er runzelte die Stirn und begann zu blättern. „Vielleicht ist irgendein uns unbekannter Faktor hinzugekommen, weswegen er sich verändert hat", gab er zu bedenken. „Wir können das Phänomen der Serientäter noch immer nicht ausreichend erklären."
In diesem Moment öffnete sich seine Bürotür wieder und ein Mann im dunklen Anzug trat ein, den Mac noch nie gesehen hatte. Kurzes, dunkelbraunes Haar, nichtssagendes Gesicht, schwarzer Anzug und Krawatte, weißes Hemd. Irgendwie drängte sich Mac die Erinnerung an den Film „Man in Black" auf - und diese Assozination wurde sogar noch stärker, als der Eindringling in sein Sakko faßte, eine Brieftasche herauszog und gekonnt und wie selbstverständlich einen offiziellen Ausweis präsentierte.
„NID, Agent Finham", sagte er. Nein, er stellte sich nicht vor, er sagte es einfach, als sei es das normalste auf der Welt.
Mac bewahrte die Ruhe. „Mac Taylor, NYPD und Leiter des CSI. Was kann ich für Sie tun?" fragte er.
„Sie bearbeiten den Fall des sogenannten Central Park Rippers, ist das richtig?" Finham musterte ihn kühl.
Himmel, da fehlte wirklich nur noch die dunkle Sonnenbrille und ein Will Smith, der durch seine Bürotür stolperte!
„Wir sind zuständig für die Tatorte, das ist richtig." Mac nickte.
Die Erinnerung an den Kinobesuch schmerzte noch etwas, wenn auch längst nicht mehr so sehr wie früher. Er war mit seiner Frau damals in diesem Film gewesen, und sie beide hatten sich köstlich amüsiert.
„Ich muß Ihnen mitteilen, daß dieser Fall nicht länger in die Zuständigkeit der Polizeibehörden fällt", erklärte Finham ohne jede Emotion. „Ein Team des CDC wird in Kürze hier eintreffen und das Labor säubern. Wir müssen davon ausgehen, daß es kontaminiert wurde."
Kontaminiert? Womit denn kontaminiert?
„Sagen Sie mal, für wen halten Sie sich eigentlich?" brauste Stella auf. „Wir arbeiten an diesem Fall!"
Finham warf ihr einen kühlen Blick zu.
Durch die Fenster seines Büros konnte Mac ein halbes Dutzend ähnlich gekleideter Männer sehen, die die einzelnen Labore sicherten. Offensichtlich war man entschlossen, wirklich auch das kleinste Beweisstück an sich zu bringen.
„Wir haben keinerlei Krankheitserreger gefunden", wetterte Stella weiter. „Wir machen hier nur unsere Arbeit. Also halten Sie uns nicht davon ab, einen Mörder zu überführen!"
„Stella!" Mac schüttelte den Kopf. Mit einer Geste, als sei es etwas vollkommen normales, legte er die Akte ihres Hauptverdächtigen zurück auf seinen Schreibtisch und dort auf den Stapel mit den gelösten Fällen. Die andere Akte, in der er gelesen hatte, als Stella sein Büro betrat, schob er darüber.
Finham beobachtete ihn mit halbem Auge, drehte sich dann um. „Bleiben Sie kooperativ, Detective Taylor, bleiben wir es auch."
Mac nickte, wechselte einen Blick mit Stella.
Ja, hier wurde eindeutig mehr gespielt, als er gedacht hatte.

Gegen Abend, nahe des Containerhafens:
John griff sich die Waffe und kontrollierte sie noch einmal, ebenso wie er es mit der Weste getan hatte.
Endlich fühlte er sich wieder zumindest ansatzweise wie in seinem Element, endlich konnte er mehr tun als herumzusitzen und nachzugrübeln.
Die Bewegung half, wie ihm schon das Joggen geholfen hatte. Solange er aktiv blieb, solange hatte er auch sein Gehirn im Griff.
Aber, und das war ihm in den letzten Stunden klar geworden, er arbeitete sich allmählich wieder aus dem dunklen Loch hervor, in das er durch das Verschwinden Fords und den Befragungen im SGC gestürzt war. Man hatte in den letzten Wochen vieles in ihm wieder aufgewühlt, was immer unbewußt an ihm nagte. Doch erst jetzt war ihm klar geworden, wie weit seine Schuldgefühle bereits vorgedrungen waren in sein Leben.
Nein, hier und jetzt konnte er zumindest etwas tun, damit die Erde sicherer wurde. Er mochte nicht mehr gegen Terroristen kämpfen oder in mehr oder weniger zweifelhaften Kriegen Einsätze fliegen, aber war es nicht sinnvoller, die Menschheit vor Naniten, Wraith und was es da noch alles geben mochte zu beschützen? War es nicht seine Aufgabe als militärischer Leiter des ersten großen Außenpostens in einer anderen Galaxie, dafür zu sorgen, daß jegliche Gefahr für die Erde minimiert oder am besten gleich ganz eleminiert wurde?
Lorne an seiner Seite atmete tief ein, Dorn auf der anderen zuckte noch immer nicht mit einem Muskel.
John fragte sich allmählich wirklich, was den Marine wohl aus der Ruhe bringen konnte. Er hatte es ganz offensichtlich bisher nicht geschafft. Ob das für oder gegen ihn sprach, diese Frage ließ er lieber selbst unbeantwortet.
Beckett stieg jetzt auch endlich aus dem Wagen des NID, mit dem sie gekommen waren.
John hatte nur noch staunen können, wie schnell der Apparat in Gang gesetzt wurde, nachdem er sich im SGC gemeldet hatte. Binnen Minuten waren die ersten Agenten im Hotel aufgetaucht und hatten Informationen gesucht bei ihnen. Plötzlich war keine Rede mehr von Insubordination oder aggressivem Verhalten seinerseits. Plötzlich suchte man seinen Rat, wollte an sein Wissen heran, billigte seine Pläne und seine Vorschläge wurden nicht nur wohlwohlend zur Kenntnis genommen, sondern soweit machbar auch umgesetzt. Landry hatte ihn am Telefon sogar gelobt für sein Handeln.
John wußte nicht so recht, was er von dieser offensichtlich veränderten Situation halten sollte. Erst war er nahe daran, aus dem SGC herauszufliegen und wahrscheinlich wirklich auch noch Eiszapfen zählen zu müssen auf irgendeiner vorgelagerten Nordatlantikinsel. Im nächsten Moment wurde er zum Einsatzleiter und alle und jeder wollten seinen Rat.
„Darf ich?"
Beckett war herangetreten und wies auf seinen bloßen Unterarm.
John nickte.
Eine Vorsichtsmaßnahme für jeden, der bekanntermaßen über das ATA-Gen verfügte und an diesem Einsatz teilnahm. Beckett war sich zwar nicht hundertprozentig sicher, aber allein sein Verdacht, daß Johns Kopfschmerzen etwas mit dem Ripper zu tun hatten, hatten sie dazu bewogen. Jeder ATA-Träger erhielt jetzt eine Ladung Depot-Schmerzmittel, das sich nach und nach im Organismus löste und hoffentlich die üblen Kopfschmerzen verhindern würde, die sie sonst aus dem Gefecht ziehen würden.
John ließ es über sich ergehen, daß Beckett ihm das Schmerzmittel spritzte. Dabei lauschte er mit einem Ohr auf die Funksprüche des NID.
Sein Plan sah vor, diesen McGillup aus seinem Versteck zu jagen, ehe er zur selbiger aufbrechen konnte. Danach sollten der NID und die Marines-Einsatztruppe, die er leitete, den Verdächtigen in die Zange nehmen und nach Möglichkeit aus dem Verkehr ziehen. Gelang es dem NID schon jetzt, McGillup zu überwältigen, umso besser. Allerdings zweifelte John offen daran, daß das möglich sein würde.
Beckett wandte sich Lorne zu und spritzte dem Major ebenfalls das Schmerzmittel.
Hoffentlich würde es wirken!
John entsicherte die P-90 und atmete tief ein.
„Zugriff!" befahl er dann.
Augenblicklich herrschte eine Sekunde lang komplettes Schweigen über Funk.
Johns Herz schlug ihm bis zum Halse.
In der Nähe wurden einige Container bewegt, er konnte den Motor eines Krans hören.
„Soetwas schon einmal gemacht?" erkundigte er sich bei Lorne.
Der verzog das Gesicht, schüttelte dann den Kopf. „Nein, Sir."
John hob die Brauen und gab Beckett ein Zeichen, wieder in den Wagen zurückzukehren. Was er jetzt absolut nicht gebrauchen konnte waren Zivilisten, die ihnen vielleicht noch vor die Waffenmündungen laufen würden. Nicht daß er das von Beckett glaubte, dazu hatte der Schotte sich während der Belagerung zu gut gehalten, aber Vorsicht war besser als Nachsicht.
„Zielperson entkommen. Wiederhole! Zielperson entkommen!"
John gab Dorn ein stummes Zeichen.
Der Marine senkte augenblicklich seine Waffe, hob eine Hand und zählte seine Männer ab, ehe er zu Johns Rechter im hereinbrechenden Dunkel des Abends verschwand.
Verdammt! Der Mann war gut. Jemanden wie ihn könnten sie auf Atlantis mehr als nur gebrauchen.
John rief sich zur Ordnung, hob jetzt seinerseits die Faust, um seinen Trupp zusammenzurufen.
„Viel Glück, Major." Lorne lächelte angespannt, ehe er er mit den verbliebenen Männern allein auf der Straße zurückblieb.
John suchte sich Deckung. Er wollte unbedingt wissen, wie Lorne sich im Kampf schlug.
Wer mochte sich hinter dieser Maske des Untergebenen verbergen? Warum übernahm Lorne nicht selbst die Verantwortung, wenn er doch schon zum Stellvertreter des neuen militärischen Leiters gemacht worden war?
John verstand diesen Mann noch weniger als Dorn, mußte er zugeben. Lorne machte ihn skeptisch, beruhigte ihn gleichzeitig aber auch. Er wußte so gut wie nichts über den Major.
Ob man ihm wohl noch Einblick in die Akten bot? Vielleicht würde er nach hoffentlich glücklichem Abschluß dieser Angelegenheit zumindest eine Zehenspitze in der Tür der Verantwortlichen haben und man ließ ihn einmal nachforschen, wer dieser Evan Lorne war, der da so offensichtlich nach Atlantis gelobt wurde.
Jetzt stand der Major mitten auf der Straße, bei ihm waren drei Marines, die sichtlich nervös wirkten.
Lorne hielt sich gut, ging John auf. Es mochte ihm vielleicht ein wenig an Biß fehlen, aber er hielt die Männer zusammen und vergrößerte die Nervosität nicht noch weiter.
Ein Entsetzensschrei hallte die Straße herunter.
Johns Kopf ruckte wie automatisch herum, doch da kam nichts. „Lieutenant, alles klar?" wisperte er in sein Funkegerät.
„Keine Probleme, Sir", kam prompt die Antwort.
Aber wer hatte dann gerade geschrien?
Einen Moment lang war John verwirrt, ehe sich das Gebrüll wiederholte.
„Verdammt, der holt sich einen nach dem anderen!" John atmete tief ein. „Lorne, wenn Sie freies Schußfeld haben, sofort schießen. Ansonsten sofortiger Rückzug nach Sichtkontakt."
„Ja, Sir." Lorne war weiterhin nichts anzumerken.
John konzentrierte sich wieder, sein Gesicht erstarrte, seine Augen wurden eiskalt. Die P-90 hielt er entsichert im Arm und wartete.
Und dann brach die Hölle los.
Was da plötzlich auf der Straße auftauchte und direkt auf Lornes Männer zuhielt, hatte nur noch entfernte Ähnlichkeit mit der amorphen Masse, an die John sich endlich erinnerte. Das einzige, was irritierte, war die Tatsache, daß die ganze Gestalt leicht grünlich schimmerte. Irgendwie beschlich John die Erinnerung an den „Hulk", dieses grüne Monster aus seiner Jugendzeit. Auch das Brüllen paßte dazu, befand er. Was aber gar nicht dazu paßte, war die Tatsache, daß dieses Etwas, was da auf sie zukam wie eine außer Kontrolle geratene Dampflok, sein Gesicht trug.
John war es, als habe man ihm einen Vorschlaghammer in den Magen gerammt.
Damit dürften McKay und Beckett wohl doch recht behalten haben, was die Naniten anging. Zwar paßten Körperbau und Größe nicht, aber das Gesicht, daß er da auf sie zukommen sah, war eindeutig das, welches er jeden Morgen beim Rasieren bewundern durfte.
„Lorne, weg da!" brüllte John in sein Funkgerät, als er bemerkte, daß seinem Doppelgänger die Kugeln, die mittlerweile die Luft durchsiebten, kaum etwas auszumachen schienen. Noch immer preschte der frühere Einbrecher McGillup die Straße hinunter, und sein Weg führte ihn direkt DURCH Lorne hindurch, würde nicht einer von ihnen ausweichen. Und irgendwie beschlich den Major das sichere Gefühl, es würde nicht der veränderte Körper sein, der den Klügeren spielte in dieser Situation.
John entließ eine Garbe den Lauf, sprang auf die Straße.
„Abbrechen! Wir müssen abbrechen!" brüllte er in sein Funkgerät, während er über den Asphalt hetzte und im letzten Moment Lorne in die Seite fiel. Er konnte den Luftzug spüren, den McKillup hinterließ, als er an ihnen beiden vorbeiraste.
Sofort rollte er sich herum und sah ... wie sein scheinbarer Doppelgänger mit einem Satz den Zaun zum Containerhafen überwand.
"Onkel" George by Hyndara71
Straße zum Containerhafen, kurz darauf:
Es war ein Marine, der sie anhielt. Mac tat zwar, als ginge ihn das nichts an, andererseits aber packte ihn jetzt doch endgültig die Neugier.
Ein Luftwaffenoffizier, der für eine Zeit in der Patsche saß, jede Menge Wissenschaftler, die ihn unterstützten. Eine Akte, die alles andere als eine saubere Karriere versprach, dann plötzlich unter höchster Sicherheitsstufe stand. Geheimagenten und vorgebliche Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, die das CSI-Labor einer Grundreinigung unterzogen, wie sie das Gebäude wohl kaum je erlebt hatte seit seiner Erbauung zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Und jetzt Marines, mitten in New York, die eine Straße sperrten, sowie der Notruf aus dem Containerhafen, daß in direkter Nähe eine Schießerei stattfand.
Hier stimmte immer weniger, ging Mac auf, während Flack die Scheibe runterkurbelte und den Kopf aus dem Wagen steckte.
Die Ermittlungen über den Ripper waren ihnen komplett entzogen worden. Ihrerseits durften sie auch keinen Kontakt mehr zu Sheppard oder seinen Begleitern suchen. Mac aber hatte das sichere Gefühl, er würde den Major noch wenigstens einmal wiedersehen.
„Tut mir leid, hier dürfen Sie nicht durch." Der Marine war endlich zu ihrem Wagen gekommen, nachdem keiner von ihnen sich bemühte, auszusteigen. Seine Kameraden aber hielten weiter an der Absperrung Wache. Himmel, sie hatten einen Panzerwagen dabei!
Flack lachte bitter auf und wies auf seine Dienstmarke. „Wir haben einen Einsatz hier", begehrte er auf.
Der Marine schüttelte den Kopf. „Nationale Sicherheit, Sir. Bedaure."
Nationale ... ?
Mac tauschte mit dem Polizisten einen Blick.
„Das hat keinen Sinn", bemerkte der Leiter des CSI schließlich, wenn ihm auch ganz andere Dinge durch den Kopf gingen. „Laß uns die Straßensperre umfahren."
„Das wär's noch!" Flack schnaubte und gurtete sich los. „Das ist meine Stadt und mein Einsatz. Ich mach mich doch nicht lächerlich!"
In diesem Moment tauchte ein weiterer Marine bei der Absperrung auf und blieb einen Moment lang stehen. Mac fiel er auf, weil er offensichtlich der Älteste im weiten Umkreis war und zudem auch der Maulfaulste. Wahrscheinlich sollte er neue Befehle bringen und diese an den zuständigen Lieutenant weitergeben. Das aber war im Moment nicht möglich, da der Lieutenant an ihrem Wagen stand, jetzt zwei Schritte rückwärts ging, damit Flack aussteigen konnte.
Mac beobachtete den Neuankömmling, der plötzlich für einen Atemzug zu erstarren schien, als Flack neben ihrem Wagen Beschwerden hageln ließ.
Was ging da vor?
Der Marine drehte sich um. Erst jetzt sah Mac, daß er eine der neuesten Überlebenswesten trug, die die Army zur Verfügung hatte. Das allein machte ihn weniger unruhig. Was ihm zu denken gab war die Tatsache, daß dieser Neuankömmling eine relativ großkalibrige Waffe trug, und das offen. Die anderen begnügten sich damit, ihre Waffen in Griffweite zu haben, kleine, handliche Maschinenpistolen. Der Ältere aber benutzte noch eines der schweren, die leicht zu Präzissionsgewehren umzubauen waren.
Jetzt trat der Neuankömmling hinter der Absperrung hervor und hielt auf ihren Wagen zu.
Mac hörte nur mit einem halben Ohr zu, wie Flack und der Lieutenant sich stritten. Dieser Marine interessierte ihn.
„Donald!" Die Stimme war dunkel und voll und beendete den Streit der beiden auf der Stelle. Er mochte zwar nicht den Rang haben, aber die Durchsetzungsfähigkeit besaß er, ging Mac auf.
Flack zuckte zusammen. Seine Augen wurden groß, als er den Marine musterte, der vor der Motorhaube seines Dienstwagens stand.
„Onkel George!"
Mac war nun wirklich erstaunt.
Er wußte natürlich, daß Flacks Familie seit Generationen hier ansässig war, und mindestens drei Viertel dieser Zeit ihr Leben als Polizisten aufs Spiel gesetzt hatten. Daß jemand wie Don Flack aber plötzlich dermaßen kuschte ...
„Setz dich in deinen Wagen und fahr nach Hause, Junge", sagte der Marine mit fester und befehlsgewohnter Stimme. „Und vergiß nicht, deine Ma von mir und Tante Cindy zu grüßen. Wir sorgen hier für alles, mach dir keine Sorgen."
Flacks Gesicht lief dunkelrot an. „Keine Sorgen? Uns wurde eine Schießerei gemeldet, Onkel George! Das ist mein Aufgabenbereich!"
„Onkel George" warf einen halben Blick auf sein Gewehr hinunter. Einen sehr aufschlußreichen Blick, ging Mac auf, denn er ahnte im gleichen Moment, wer da geschossen hatte.
„Geh nach Hause!" Der alte Marine schüttelte in stoischer Ruhe den Kopf.
Sergeant Major, endlich erkannte Mac die Schulterstücke. Für einen alten Haudegen also doch ein recht hoher Rang.
Flack ballte die Hände zu Fäusten, erwiderte den Blick aus den grauen Augen von „Onkel George". Dann drehte er sich endlich zum Wagen um und stieg steif wieder ein.
Wortlos fuhren sie beiden die Straße zurück, die sie gekommen waren.

John hätte fluchen können über diese New Yorker Arbeiter, die sich als zäher und sturer erwiesen als selbst die Hoffaner mit ihrer eigenwilligen Art, die Wraith aufhalten zu wollen.
Der Containerhafen war ein Warenumschlagplatz der Sonderklasse. Hier wurden täglich Millionen von Dollar in die Welt exportiert oder in die Staaten importiert. Soweit er wußte, war das hier zwar nicht der größte Hafen der Welt, lag aber doch noch auf einem der Spitzenplätze. Und allmählich ging ihm auch auf warum dem so war.
Die Arbeiter weigerten sich schlichtweg, ihre jeweiligen Arbeitsplätze zu verlassen, selbst Waffengewalt brachte da nicht viel, höchstens einen Vergleich der Waffen beider Seiten. Die Dockarbeiter schienen mit einer beinahe unnatürlichen Gleichgültigkeit gesegnet (oder verflucht) zu sein. Ihnen war es vollkommen gleich, wer da zwischen ihren kostbaren Frachtcontainern langjagte, solange er oder sie nicht den Betrieb aufhielten. Da brachte selbst präsidiale Sicherheitsstufe und NID wenig bis gar nichts. Von solchen Gestalten wie ihn, Lorne oder Dorn gar nicht zu sprechen. Militär halt, da wurde mit den Schultern gezuckt, sich umgedreht und weitergearbeitet.
Wo war er hier gelandet? In der Irrenanstalt?
John hetzte zwischen den Containern hindurch, immer noch auf der Suche nach seinem unfreiwilligen Doppelgänger.
Der Abend hatte sich innerhalb weniger Minuten zur Nacht entwickelt, als dunkle Wolken endlich den Himmel für sich eroberten. McKay hatte vor einer Schlecht-Wetter-Front gewarnt, andererseits war keiner von ihnen bereit, noch mehr Opfer hinzunehmen. Nein, sie waren verpflichtet, den Ripper so schnell als möglich aufzuhalten.
Ein erster, dicker Tropfen traf ausgerechnet Johns Nasenspitze und reizte seine Schleimhäute. Unwillig verzog er das Gesicht, bis der Nießreiz etwas nachgelassen hatte, dann betätigte er sein Funkgerät.
„Wie lange noch?"
Die Frage bezog sich auf die schmale Zeitspanne, die ihnen noch blieb, ehe der Sturm, der sich hier gerade mit einem beginnenden Platzregen ankündigte, über New York hereinbrechen würde wie ein Jüngster Tag.
„Genau kann ich das nicht sagen", antwortete McKay, der neben Beckett und Weir im Leitfahrzeug wartete. „Wenn ich schätzen müßte, vielleicht noch eine halbe Stunde - allerhöchstens!"
John kniff unwillig die Lippen aufeinander.
Eine halbe Stunde, ehe die Welt am East River untergehen würde in einem Sturm, wie er nur selten über Land kam. Eine halbe Stunde bis ihnen McKillup entkommen konnte, einfach durch die Tatsache, daß das Unwetter sie zwingen würde, Sicherheit zu suchen. Sicherheit, die McKillup nicht mehr besaß, nachdem sie in seine Wohnung eingedrungen waren.
„Lorne", John wandte sich an den zweiten Major, der zusammen mit einem guten Dutzend Marines ebenfalls damit beschäftigt war, den Containerhafen zu durchsuchen, „haben Sie verstanden?"
„Ja, Sir", kam prompt die Antwort.
John blieb plötzlich stehen und runzelte die Stirn. Langsam drehte er sich um.
Er war hier in einer ruhigen Ecke des Containerhafens, hatte sich deutlich von den anderen Suchenden abgesetzt. Es wäre unfair eben den anderen gegenüber, wenn er nicht zugeben würde, daß es durchaus Absicht von ihm gewesen war.
Jetzt allerdings war er nicht mehr allein.
John hob die P-90 und leuchtete seine nähere Umgebung aus. Und da hörte er es endlich.
Mit einem Ruck hob er die Waffe und konnte gerade noch einen Fuß erkennen, ehe der sich ebenfalls in der hereinbrechenden Nacht verlor.
„Verdammt!" John spannte die Kiefer an, dann aktivierte er wieder sein Funkgerät. „McKillup ist AUF den Containern!"

„Halt hier an." Mac schnallte sich los und hob die Hand zum Türöffner.
„Was hast du vor?" Flack hielt tatsächlich, sah ihn aber scheel von der Seite an.
Mac lächelte humorlos. „Ein Freund der Familie, dieser 'Onkel George'?" erkundigte er sich dann.
Flack zuckte mit den Schultern. „Die Dorns leben schon seit Urzeiten hier", antwortete er. „Waren lange Zeit selbst Cops. Jeremy, Georges Bruder, ist am 09/11 umgekommen bei einem Rettungseinsatz. Onkel George ist lieber zu den Marines gegangen. Arbeitet irgendwo in Colorado, soweit ich weiß. Hat ne süße Tochter ... Laurie! Die ist bei der Luftwaffe, wollte immer zur NASA, wenn ich mich nicht irre."
Colorado ... Zufall? Mac glaubte nicht an Zufälle. Nein, dieser Onkel George hatte etwas mit Sheppard zu tun. Hatte der nicht sogar von Hilfe gesprochen, als er entlassen wurde?
Mac öffnete die Tür. „Ich möchte, daß du hier wartest, Don", sagte er, nachdem er sich noch einmal in das Wageninnere gebeugt hatte. „Vergiß deinen Onkel George nicht. Der wollte dich warnen. Hier ist irgendetwas sehr gefährliches im Gange."
Müde lächelte er und schlug die Wagentür zu. Dann drehte Mac sich um und marschierte auf den Zaun zu, der den Containerhafen von der Zufahrtsstraße trennte. Flacks Rufe überhörte er.
Er hatte noch etwas zu erledigen ...
Showdown im Containerhafen by Hyndara71
Regen fiel immer dichter und wie in langen Bindfäden vom nachtschwarzen Himmel.
John hatte Mühe, überhaupt noch die Hand vor Augen zu sehen. Zudem kam inzwischen auch noch böiger Wind auf, der ihn immer wieder zurück zu den Kanten drängen wollte.
John war auf einen Container geklettert, um seinen Doppelgänger besser verfolgen zu können. Tatsächlich hatte er von hier oben einen besseren Überblick - oder zumindest war es so gewesen, ehe der Himmel seine Schleusen öffnete. McKillup allerdings suchte er vergeblich. Er hörte auch die Schmerzensschreie nicht mehr. Vielleicht durch das harte Trommeln des Regens auf das Metall der Container und den immer noch vorhandenen Krach, der ihn umgab, vielleicht aber hatte, was immer der Auslöser für McKillups Schreie gewesen war, auch aufgehört an dem Mann zu nagen.
John huschte vornüber gebeugt weiter, prustete sich das Wasser aus Mund und Nase und blinzelte.
Dieser Wolkenbruch hatte definitiv Lantea-Qualität. Der heraufziehende Sturm mochte da vielleicht nicht mithalten können, aber zumindest die Ausläufer versprachen einiges.
John nahm Anlauf und sprang, so gut er auf dem glitschigen und nassen Metall konnte, so präzise wie möglich auf den nächsten Container.
Irgendwo piepte etwas regelmäßig. Blinzelnd sah er sich um, bis er den Auslöser für dieses, kaum den Regen übertönende aber dennoch nervtötende Geräusch gefunden hatte: Einer der Ladekräne fuhr rückwärts aus einer Lücke heraus. Offensichtlich hatte er einen Container dabei.
John wischte sich kurz mit der Linken über das Gesicht und zog die Nase hoch. Blinzelnd sah er sich noch einmal um, dann lief er schlitternd weiter.
Wo, verdammt noch einmal, steckte McKillup? Er mußte hier irgendwo in der Nähe sein, irgendwie spürte John das ... aber wo?
Hilflos blieb der Major wieder stehen, prustete das Wasser aus seinem Mund und wischte sich die Augen halbwegs trocken.
Er wünschte sich einen Detektor hierher, und das sehr schnell. Warum war er denn auch so leichtsinnig gewesen, Atlantis ohne eines dieser kleinen Geräte zu verlassen?
John versuchte, sein Funkgerät zu aktivieren, da erst fiel ihm auf, daß dieses offensichtlich gestört war. Er hörte niemanden mehr, und niemand würde ihn noch hören. Und das ihm als Einsatzleiter.
Wieder floh ein Fluch aus seiner Kehle, während er weiter schlitterte, bis zum nächsten Container.
Der Kran kam laut brummend näher.
John blieb wieder stehen und beobachtete das Fahrzeug, um ihm nicht in die Quere zu kommen. Aber das schien nicht der Fall zu sein.
Also weiter ...
Er bemerkte nicht, wie sich hinter ihm, nur wenig Meter entfernt, ein dunkler Schatten aus dem schmalen Zwischenraum zweier Container auf eines der Dächer heraufzog. Er sah auch nicht, wie das Wesen mit seinem Gesicht sich ihm zuwandte. Mit einem tiefen, zufriedenen Knurren setzte das Wesen sich in Bewegung - eine Sekunde, ehe der Schuß durch die Luft peitschte.
John wirbelte herum, gerade in dem Moment, in dem McKillup stürzte. Und er sah ... Mac Taylor, der nur zwei Container weiter stand, die Waffe noch im Anschlag. Der CSI-Mann hatte ihm das Leben gerettet!
John nickte in den Regen hinein, der schon wieder dichte Schleier zu werfen begann. Die P-90 sicherheitshalber entsichert und schußbereit trat er langsan und vorsichtig näher an McKillup heran. Dabei war er aber auch relativ sicher, daß der Ripper tot war.
Mac auf dem anderen Container zögerte, ging dann aber ebenso los, langsam und vorsichtig und die Waffe immer noch in der Hand.
Keiner von ihnen sollte eine Chance zur Befragung erhalten.
In dem Moment, in dem der Central Park-Ripper sich wieder zu bewegen begann, in dem Moment, als die Naniten ihn soweit wiederhergestellt hatten, daß sie ihn reanimieren konnten, in dem Moment, in dem seine Finger begannen zu zucken, in diesem Moment senkte sich unvermittelt ein Container auf den mutierenden Körper herab. Mit einem verzweifelten Kreischen rollte McKillup noch auf den Bauch, dann zerquetschte der tonnenschwere Container seinen Körper zu Brei.
John, der losgerannt war, als er den Kran sah, wie er immer näher kam, es aber auch schon zu spät war, um noch eingreifen zu können, blieb vor der Metallwand, die sich unvermittelt vor ihm erhob, fluchend stehen und knallte einmal seiner Faust gegen den Widerstand, um selbst wieder zur Besinnung zu kommen. Dann erst kletterte er umständlich von den Containern herunter, auf der Suche nach einem funktionierenden Funkgerät oder einem Mobiltelefon.
Mac Taylor war verschwunden, als er sich ihm zuwenden wollte. Der Detective war offensichtlich schlauer als irgendjemand von ihnen auch nur gedacht hatte. Und irgendwie - John mußte wider Willen grinsen, als er seinen Funkspruch absetzte - machte das den Polizisten sympatisch ...

Eine Woche später, CSI-Labor:
Mac Taylor war gerade damit beschäftigt, einige Kleinigkeiten in einen der Umzugskartons zu packen, als es an seiner Bürotür klopfte. Überrascht drehte er sich herum. Ein freundliches Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er sah, wer da sein Büro betreten hatte.
„Major Sheppard", begrüßte er seinen Gast. „Es freut mich, daß es Ihnen wohl besser geht."
Der Luftwaffenoffizier erwiderte sein Lächeln und nickte. Er bewegte sich etwas vorsichtig in seiner Uniform, was vielleicht daran lag, daß er sie selten trug. Zumindest wies sie nicht allzu viele Gebrauchsspuren auf. Allerdings ... hatte das Eichenlaub auf seinen Schulterstücken die falsche Farbe.
„Ich muß mich korrigieren, Lieutenant Colonel."
Sheppard schien jetzt tatsächlich die Brust zu schwellen. Er strahlte wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. Das war nicht allein die Beförderung, soviel stand fest.
„Danke", brachte der Militär endlich hervor, räusperte sich dann. Sorge trat in seine haselnußfarbenen Augen, als er einen Blick auf die Kisten warf, die Mac bereits zum Abtransport bereitgestellt hatte.
„Ich hoffe, daß ist nicht wegen uns, oder?" fragte Sheppard dann.
Mac schmunzelte. „In gewisser Weise schon", antwortete er und konnte beobachten, wie der frischgebackene Lt. Colonel zu einem Häufchen Elend zusammenfiel. „Bei der Säuberung dieses Gebäudes stellten sich gravierende Baumängel heraus, die einen sofortigen Umzug unumgänglich machen", erklärte Mac daher ruhig. „Wir ziehen ins Polizei-Headquarters um. Hätten wir ohnehin getan, so allerdings ging es schneller."
Sheppard erleichterte sichtlich und nickte. „Dann hat es ja für uns beide etwas gutes gebracht", meinte er mit einem schiefen Grinsen. „Wider Erwarten bin ich von den Vorwürfen freigesprochen worden, die gegen mich erhoben wurden. Man bestätigte mich sogar in meiner Position, was mich überrascht. Ich kehre zu meinem Stationierungsort zurück." Ein unirdisches Licht schien in seine Augen zu treten. Ein Licht der puren Freude.
Wo auch immer Sheppard jetzt hingehen würde, er war dort so glücklich wie er es offensichtlich sonst kaum je in seinem Leben gewesen war. Mac erinnerte sich unwillkürlich daran, als er ähnlich empfunden hatte damals, als er mit seiner Frau nach New York gekommen war.
„Ich wollte mich noch bedanken, Detective Taylor", fuhr Sheppard fort und reichte ihm die Rechte. „Wenn Sie nicht da gewesen wären, hätte McKillup mich in der Luft zerfetzt."
Mac schlug ein, sah dem anderen tief in die Augen. „Ich freue mich für Sie, Colonel. Allerdings würde ich mich wohl mehr freuen, wenn ich mehr über die Lösung des Falles wissen dürfte."
Sheppard holte tief Atem, verzog dann das Gesicht zu einer Grimasse. „Wenn Sie nicht wollen, daß ich Sie erschieße, sollten wir es dabei belassen. McKillup hatte sich mit einer Art Virus infiziert, einem tödlichen und sehr ansteckenden Virus."
Mac nickte, zog jetzt seinerseits eine Grimasse. Er wußte, wenn er gekonnt hätte, Sheppard hätte ihm die ganze Wahrheit erzählt. Aber vielleicht war es besser, wenn er die nie erfahren würde.
„Ich frage mich nur, warum er diese Frauen ermordet hat", sagte er leise wie zu sich selbst und wandte sich ab.
„Weil sein Sexualtrieb gestört war", antwortete Sheppard fest. „Zumindest ist das die Erklärung, die unsere Ärzte mir gegeben haben. McKillup wußte, er trug eine tödliche Krankheit in sich, die auch über Körperflüssigkeiten übertragen werden konnte. Andererseits stimulierte das Virus eben seine Libido. Er war gefangen in seinen eigenen Instinkten."
Mac warf einen Blick über die Schulter auf seinen unverhofften Gast. „Und Sie glauben das?" fragte er.
Sheppard zuckte mit den Schultern. „Es ist eine Erklärung für das, was in jener Nacht geschehen ist", antwortete er, sah dann auf seine Uhr. „Tja, und das wars wohl. Mein Flug geht in kürze."
Mac drehte sich nun doch noch einmal um, musterte seinen Gegenüber lange, ehe er etwas sagte, was er selbst nicht verstand:
„Ich glaube, Sie werden Ihr Glück finden, Colonel Sheppard. Und ich glaube, wir werden uns wiedersehen - als Freunde."
Noch einmal schüttelten sie sich die Hände, noch einmal sah er in die Augen seines Gegenübers. Dann ging dieser ungewöhnliche Mann, dessen Leben er unten im Containerhafen gerettet hatte. Aber, und da war Mac sich wirklich ganz sicher, er ging nicht für immer. Vielleicht noch nicht ...
ENDE
Nachtrag: Was mit Bryan McKillup geschah by Hyndara71
Eine Woche vor den Ereignissen in „Das Monster":
Vorsichtig stieß er das Fenster auf, stemmte sich dann hoch und sah sich mit Hilfe des Nachtsichtgerätes, das er vor den Augen trug, so gut wie möglich um.
Es war wirklich keiner hier, gut.
Bryan McKillup holte Schwung und kletterte katzengleich durch das geöffnete Fenster in das Innere des Hauses. Endlich am Ziel seines nächtlichen Streifzuges angekommen, erlaubte er sich einen Moment des Durchatmens, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und sah sich nochmals aufmerksam um.
Dieser Professor J. Preceptius war schlicht ein Idiot! Ließ seine wertvollen Artefakte einfach so offen in seinem Haus herumliegen. In Zukunft würde es ihm wohl eine Lehre sein. Wobei ... so schnell brauchte dieser stadtbekannte Philantrop sich nicht zum Einsiedler zu verwandeln.
Bryan grinste und nahm sich den Rucksack von den Schultern.
Heute würde er sich erst einmal um die wertvollsten Kleinteile kümmern. Vielleicht würde dem Professor ihr Fehlen gar nicht auffallen. Das Fenster jedenfalls könnte er am Ende seines Raubzuges so herrichten, als habe es einfach offengestanden. Und wer vergaß nicht einmal, ein Fenster zu schließen? Das passierte selbst ihm, als sozusagen Sicherheitsexperten.
Bryan sah sich nochmals in dem Raum um, in den er eingestiegen war.
Dort, diese herrliche kleine Figurine!
Mit drei Schritten war er bei ihr, hob sie hoch und betrachtete sie.
Verdammt, mit dem Nachtsichtgerät konnte er die Details nicht ganz ausmachen. Aber sie schien ihm doch wertvoll, und sie war schwer!
Eilig stopfte Bryan die kleine Statue einer alten, halbvergessenen persischen Göttin in seinen Rucksack, sah sich noch einmal um, ehe er den ersten Raum verließ. Auf dem langen Flur endlich konnte er das Nachtsichtgerät abschalten. Statt dessen zückte er die Taschenlampe, die er in seinem Werkzeuggürtel trug, und leuchtete sich damit seinen Weg in den nächsten Raum - einer Bibliothek.
Auch hier wurde er fündig, eine kleine Jadescheibe mit filigranen Mustern, noch aus dem präkaiserlichen China stammend, wanderte in den Rucksack, gefolgt von einem altägyptischen Geschmeide mit Türkisen und Elfenbein.
Dieses Haus schien ja eine wahre Fundgrube zu sein!
Bryan leuchtete über die Buchdeckel und kam aus dem Staunen kaum heraus, fand er hier doch Werke eines Aristotiles ebenso, wie eine sehr alte Ausgabe der Bibel (dem Aussehen nach konnte es sich wirklich um eine hervorragend erhaltene Gutenberg-Bibel handeln).
Im nächsten Raum fand er sich in einer Kunstgalerie wieder, in der neben Werken, die wie Reproduktionen von Tizian oder etwas, das wirklich wie ein echter Rembrandt wirkte, auch kleine Skulpturen auf den geneigten Betrachter warteten. Ein knabengroßer Michelangeloscher David stand in der Mitte dieses Raumes. Große Ordner waren aufgereiht an einer Wand, mit einer klaren Schrift ausgewiesen als „Michelangelo, Skizzen zur Sixtina". Auf einem Beistelltisch lag ein aufgeschlagener Ordner, der voller alter anatomischer Zeichnungen war, teils mit Vermerken versehen. Auf dem Deckel des Ordners stand der Name „Leonardo da Vinci".
Kopfschüttelnd und ohne etwas einzustecken verließ Bryan diese eigenartige Galerie wieder.
Er hatte zwar mittels seiner Recherchen herausgefunden, daß dieser Professor Preceptius Altertumsforscher und Kunstsammler war (so war er schließlich auf ihn und seine Sammlung aufmerksam geworden), aber daß dieser sich wohl auch noch ein bißchen Geld mit Fälschungen verdiente ... jedenfalls konnte es sich ja wohl kaum um die verschollenen Originale der Skizzen von Michelangelo handeln.
Bryans Weg endete in einem Treppenhaus, und einen Moment lang zögerte er, ob er nicht doch noch das eine oder andere aus den ersten Räumen einstecken und dann wieder verschwinden sollte.
Dann aber rief er sich zur Ordnung. Dieser Professor Preceptius war seit einigen Tagen nicht mehr in der Stadt, und er sollte wohl auch noch etwas länger fort sein nach allem, was Bryan gehört hatte. Es wäre geradezu sträflich, wenn er diese Chance verpaßte!
Der einsame Lichtfinger der Taschenlampe traf auf eine Reihe von Fotos. Lächelnde Menschen waren größtenteils darauf zu sehen, einige Schnappschüsse allerdings waren auch darunter. Ein Gesicht aber wiederholte sich - das Gesicht von Professor Preceptius: Schmal, edel, mit dunklen, aber wißbegierigen Augen. Stets ein eigenartiges, wissendes Lächeln auf den Lippen.
Preceptius schüttelte nacheinander John F. Kennedy und Martin Luther King die Hand, dann stand er an der Seite von Papst Johannes Paul I. und überreichte diesem offensichtlich gerade etwas. Ein Schnappschuß von Preceptius, wie er auf Michael Gorbatchow einredete, dann bei einem offensichtlichen Streit mit jemanden, der verdammte Ähnlichkeit mit Mao hatte.
Bryan wandte sich kopfschüttelnd ab und nahm nun doch die Treppe in Angriff.
Allmählich, mußte er zugeben, wurde ihm unwohl. Denn eines war ihm aufgefallen an diesen Bildern: Preceptius schien sich kaum zu verändern. Immer war es mehr oder weniger das gleiche Gesicht, keine Falte, keine grauen oder gar weißen Haare, kein Verfall. Als würde dieser Mann unbeschadet durch die Zeit reisen und an wichtigen Stationen Halt machen ...
Unsinn! Die Phantasie ging mit ihm durch.
Bryan schüttelte über sich selbst den Kopf, blieb am oberen Ende der Treppe stehen und orientierte sich.
Bis hierher reichten seine Informationen nicht. Er hatte einen relativen Plan des Erdgeschoßes dank der überaus freundlichen Mithilfe einer der Putzkräfte dieses Hauses. Aber hier herauf durfte wohl nur der engste und vertrauteste Teil der Angestellten. Bryan schloß daraus, daß es sich umso mehr lohnen würde, sich hier einmal umzusehen.
Er wechselte die Hand, in der er die Taschenlampe hielt und trat lautlos in den westlichen Flur des ersten Stockwerkes, arbeitete sich damit den Weg wieder zurück, den er unten gegangen war.
Die erste Tür war unverschlossen. Hinter ihr kam ein gemütliches Schlafzimmer zum Vorschein. Alte Meister hingen an den Wänden, ein beinahe überquellendes Bücherregal mit allerlei Werken über Astrophysik und der Chaostheorie.
Was war dieser Professor wohl für ein Mensch?
Bryan schüttelte den unwillkommenen Gedanken ab, suchte statt dessen oberflächlich nach Kostbarkeiten und wurde auch fündig: eine kleine, metallene Brosche, sehr schwer, sehr futuristisch im Design, wanderte in seinen Rucksack, sowie eine weitere kleine Figurine, eine hinduistische Gottheit, die er nicht weiter bestimmen konnte. Zuletzt gab er sich doch geschlagen und und nahm eines der Bücher, die direkt neben dem Bett auf einem Tisch gelegen hatten. „Über den Ursprung der Arten", offenbar eine weitere Erstausgabe, noch dazu mit einer Widmung von Darwin selbst versehen: „Für meinen guten Freund und Weggefährten Janus. Hab Dank für Deinen Rat und Deinen Mut, mein treuer Freund. Möge das Licht der Weisheit weiter über dir leuchten."
Bryan zögerte einen Moment, steckte das Buch aber schließlich doch ein. Erstausgaben brachten immer etwas, mit einer Originalwidmung versehen oft sogar noch ein bißchen mehr.
Noch einmal ließ er den Lichtfinger der Taschenlampe über das Inventar des Raumes gleiten, stutzte dann, als er auf etwas aufmerksam wurde, was wie ein leerer Bilderrahmen erschien - zunächst.
Als er diesen Rahmen allerdings in die Hand nahm, leuchtete das Innere auf und mit einem sanften Glühen bildete sich eine Art Foto, wie Bryan es noch nie gesehen hatte. Es wirkte unglaublich realistisch und dreidimensional, als würden die Gestalten auf diesem Bild gleich zum Leben erwachen.
Zu sehen war wieder Preceptius, allerdings dieses Mal deutlich jünger, und an seiner Seite stand ein Mädchen oder eine sehr junge Frau mit schulterlangen schwarzen Haaren. Neben ihr war noch ein anderer Mann, ebenfalls jung, und der Ähnlichkeit nach zu schließen, waren zumindest er und das Mädchen verwandt. Alle drei trugen eigenartige Kleider, fließende Gewänder, so nüchtern geschnitten wie Laborkittel, doch durch die Art des Zuschnittes wieder bequem und auch modern wirkend.
Bryan runzelte die Stirn, drehte den Rahmen hin und her, doch er konnte keine Öffnung oder Vermerk finden, wie man dieses ... Ding benutzte.
Einen Moment lang zögerte er, wollte den Rahmen schon in seinen Rucksack stecken, dann aber stellte er ihn doch wieder zurück. Und im selben Moment, in dem er das Material losließ, verlosch das Bild wieder.
Bryan stutzte, tippte mit einem Finger gegen den Rahmen - und sofort leuchtete das Foto wieder auf.
Mußte defekt sein, schloß er und wandte sich, nach einem letzten, prüfenden Blick, ab, um den Raum zu verlassen.
Auf dem Gang draußen atmete er noch einmal tief durch, wandte sich dann der nächsten Tür zu, um in das mit Abstand merkwürdigste Zimmer zu gelangen, daß er in seiner langen kriminellen Karriere je zu Gesicht bekommen hatte:
Eigenartige, orgelähnliche Panele voller leuchtender Kristalltasten, mehrere Kisten voller merkwürdig rechteckiger und durchsichtiger Platten (ebenfalls Kristall? Möglich) in verschiedenen Größen. Und in der Mitte des Raumes stand ein rechteckiger Sockel - und auf diesem Sockel eine Art Tischfläche, mit einer Flüssigkeit bedeckt, die wie Quecksilber schimmerte. Ebenfalls auf dem Tisch lag ein merkwürdiges ovales Objekt, wie Bryan es noch nie zu sehen bekommen hatte.
Als er danach greifen wollte, konnte er mit seiner Hand nicht dieses helle, gelbliche Licht, das den Sockel und den Tisch umgab, durchdringen.
Als würde dieser Tisch von einer Art Kraftfeld geschützt ...
Bryan wollte den Raum schon wieder verlassen, als er auf eines der hinteren Panele aufmerksam wurde. Auch dieses arbeitete, und ein sanftes Summen ging davon aus. Doch das war es nicht, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
Auf dem Panel stand einer der größten, geschliffenen Kristalle, den Bryan je gesehen hatte. Mehr als einen Fuß hoch, auf einer runden und geraden Basis stand es da und leuchtete in einem hellen Sonnengelb, mit grünen und roten Einschlüßen.
Fasziniert trat Bryan näher und staunte diesen gewalten Kristall einfach nur an.
Ein solches Material kannte er nicht, aber er war sich im klaren darüber, daß dieser Kristall wohl einen Haufen Geld einbringen konnte, ging er damit an die richtigen Stellen. Allein dieses Leuchten, das tief aus dem Inneren zu kommen schien, machte das Gebilde beinahe unwiderstehlich.
Er MUSSTE den Kristall einfach haben!
Bryan streckte die Hände aus, bereit, es mit dem schweren Kristall, den Rodney McKay als ZPM betitelt hatte, aufzunehmen. Doch hier traf er auf eine Sicherung des Systems:
Eine Energieentladung schlug ihm entgegen und schleuderte ihn ... quer durch den Raum! Bryan prallte erst gegen das Kraftfeld des Nanitentisches, und eine Energieschwankung, ausgelöst durch den Schutzmechanismus, ließ ihn rückwärts fallen - auf den Tisch mit und auf den persönlichen Schild, der in die Nanitenpfütze geglitten war.
Der Schild bohrte einen Dorn durch Bryans Kleidung, um dessen genetische Angleichung vorzunehmen - und die Naniten wurden im gleichen Moment aktiviert.
Bryan brüllte vor Schmerz heiser auf, sackte dann vornüber und damit wieder aus dem Kraftfeld heraus.
Die Naniten begannen im gleichen Moment ihre Arbeit - den Basisbefehl, der ihnen eingegeben worden war: Vermehren und kopieren. Durch den Dorn des aktivierten persönlichen Schildes gelangten Naniten in Bryans Körper, sein Blut, sein Rückenmark - sein Gehirn. Dort angekommen begannen sie, gemäß ihres Basisbefehles, das Wesen, das sie gerade übernommen hatten, umzuschreiben.
Vermehren und kopieren. Vermehren und kopieren. Vermehren und kopieren.
Bryans Körper zuckte einige Minuten lang krampfhaft, dann lag er still, während die Naniten sich in und auf ihm immer und immer mehr vermehrten.
Ein kleiner Teil seiner Psyche rettete sich, nicht mehr als ein bloßer Instinkt. Der Rest seiner Persönlichkeit aber ... verlor sich unter den Basisbefehlen der ihn immer schneller überschreibenden Naniten.
Vermehren, Vermehren. Vermehren.
Der Teil seines Gehirnes, der Bryans Sexualtrieb gesteuert hatte, sprach auf diesen Befehl an. Er wollte, er mußte sich vermehren! Er brauchte eine Partnerin!
Die Naniten arbeiteten weiter in ihrem neuen Wirt.
Langsam, noch ungelenk wie ein kleines Kind, kam das Wesen, das bis vor wenigen Minuten noch Bryan McKillup gewesen war, wieder auf die Beine.
Vermehren. Er mußte sich reproduzieren.
Bryans Haut quoll auf, wurde schwammiger und begann schließlich, Nanitentropfen abzusondern, die wie klebriger Schweiß an seinem Körper und seinen Gliedmaßen hafteten.
Mit schleppenden Schritten verließ das Wesen, das früher Bryan McKillup gewesen war, das Labor von Professor Janus Preceptius wieder. Es gab keine Eile mehr, ebensowenig wie Vorsicht. Es war unverwundbar ...

Fünf Tage vor den Ereignissen in „Das Monster":
Das Wesen, das einst Bryan McKillup geheißen hatte, verbarg sich in einem kleinen Wäldchen irgendwo im Central Park, der grünen Lunge der Millionenstadt New York.
Ein winziger Teil in diesem schwammigen, aufgequollenen Ding trug einen noch winzigeren Teil des früheren Einbrechers: ein besonderes Gen, dem Dr. Carson Beckett den Namen ATA gegeben hatte. Den Naniten, die darauf programmiert waren, sich selbst und ihren Wirt „umzuschreiben", gelang es nicht, diese letzte Gensequenz ihres Opfers zu überschreiben.
Dennoch aber hatte sich auch dieses Erbgut verändert, war es doch von den winzigen Replikatoren so weit wie möglich umprogrammiert worden. Statt weiterhin fremdartige Artefakte zu aktivieren und die Gehirnleistung des Trägers zu erhöhen, war das ATA-Gen mittlerweile an die Schmerzreize gekoppelt. Auf diese Weise wurden die Naniten von ihrem Wirt frühzeitig gewarnt, kam ihnen eine potenzielle Gefahr zu nahe.
Nun, die Gefahr war nahe, sie war sogar sehr nahe.
Das Wesen krümmte sich unter den stärker werdenden Schmerzen in seinem Inneren, nicht ahnend, daß es dem Träger des Gens, der da zum ersten Mal durch den Park joggte an diesem Abend, ähnlich erging: Major John Sheppard hatte Kopfschmerzen, und das besonders schlimm, seit er New York erreicht hatte.
Das Wesen, das bis vor kurzem noch Bryan McKillup gewesen war, trollte sich, flüchtete vor den Schmerzen. Dabei hinterließ der immer noch mutierende Körper eine feucht glänzende Spur auf den Gräsern. Eine Spur, die allzu leicht mit Tau verwechselt werden konnte.
Es flüchtete tiefer in den Park hinein, um den Schmerzen zu entkommen. Dabei nahm es Witterung auf, und der Rest eines genetischen Triebes, durch die Nanitenbefehle verstärkt, übernahm endlich die Oberhand:
Eine junge Frau, empfängnisbereit, ging schnellen Schrittes einen der beleuchteten Hauptwege hinunter. Ihr Name: Lisbeth Brown. Ihr Ziel: Ein kleines Restaurant im Central Park. Dort wollte sie sich mit ihrem Lebensgefährten Jonathon Miles treffen.
Doch sie sollte ihr Ziel nicht mehr erreichen ...

Während des Kampfes zwischen Major John Sheppard und Bryan McKillup:
Johns Finger krallten sich an den Rändern des persönlichen Schildes fest in der Hoffnung, irgendwo Halt zu finden. Doch er rutschte ab. Dabei berührte seine Fingerspitze, an der sein eigenes Blut klebte, eine winzige Steuerungsfläche am Rande des Kristallförmigen Objektes. Sofort leuchtete die ganze Aparatur auf, während ein winziger Sender in dessen Inneren die neuen Befehle an die Naniten weiterleitete:
Kopiere eingegebene DNA. Kopiere eingegebene DNA.
Die Naniten reagierten ohne Verzögerung auf den neuen Befehl, während der Sender im Inneren des Schildes die kabellose Schnittstelle aller mittlerweile aktivierten Naniten zu einem Update rief:
Kopiere eingegebene DNA.
John, der hab ohnmächtig unter dem Baum lag, hob noch ein letztes Mal mühsam den Kopf, gerade als die Naniten Bryan McKillups Körper soweit umgeschrieben hatten, daß sein eigenes Gesicht aus der formlosen Masse des verseuchten Leibes auftauchte ...
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