Das traurigste Weihnachtsfest by Astra
Summary: Das zwanzigste Weihnachtsfest auf der „Odyssey“.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Cameron Mitchell, Daniel Jackson (SG-1), Samantha Carter (SG-1), Teal’c (SG-1), Vala Mal Doran / Qetesh
Genre: Friendship, Gedicht, Missing Scene, X-Mas
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 1640 Read: 2630 Published: 12.01.12 Updated: 12.01.12

1. Kapitel 1 by Astra

Kapitel 1 by Astra
Author's Notes:

Spoiler: „Endlosigkeit“
Das traurigste Weihnachtsfest


Dank Asgard-Technologie hatten sie alles, was normalerweise zu einem Weihnachtsfest gehörte. Einen Truthahn, Plumpudding, Eierpunsch, sogar einen Mistelzweig und einen reich geschmückten Weihnachtsbaum. Keine Geschenke allerdings, die hatten sie bereits vor fünfzehn Jahren abgeschafft. Was sollte man sich hier auch groß schenken? Das, was sie am allernötigsten gebraucht hätten – einen Weg nach Hause – konnte niemand von ihnen beschaffen.

Noch nicht einmal Sam, und sie fühlte sich von Jahr zu Jahr schuldiger deswegen. Und sie bildete es sich nicht nur ein, dass die Stimmung jedes Jahr gedrückter wurde. Ein Blinder konnte das sehen. Was für ein Unterschied zum ersten Weihnachten, das sie hier notgedrungen gefeiert hatten. Damals waren sie noch voller Zuversicht gewesen, bald eine Lösung zu finden und nach Hause zurückkehren zu können.

Es hatte angeregte Tischgespräche gegeben, Lachen, einfach ein paar Stunden Gemeinsamkeit. Das Festessen war eine willkommene Abwechslung zum täglichen Einerlei gewesen, und ein jeder hatte sich eine kleine spezielle Aufmerksamkeit einfallen lassen, um die anderen zu überraschen.

Doch die Tage wurden zu Wochen, die Wochen zu Monaten und die Monate zu Jahren. Die Computer an Bord des Raumschiffes zeigten immer das aktuelle Datum an, trotzdem kam das nächste Weihnachtsfest für Sam sehr überraschend. Wo war nur all die Zeit hin? Täglich grübelte und grübelte sie über dem Problem, fragte das Hologramm von Thor um Rat, versuchte jede nur denkbare Möglichkeit, um die Zeit rückwärts laufen lassen zu können – und musste nur immer wieder hören, dass bestimmte Dinge einfach nicht machbar waren.

Auch das zweite und dritte Weihnachten war noch schön gewesen. Nicht mehr ganz so voller naiver Zuversicht, dafür aber mit einer kämpferischen „Wir lassen uns nicht unterkriegen“- beziehungsweise „Jetzt erst recht“-Mentalität. In stummer Übereinkunft hatten sie jedes Gespräch über ihre Situation vermieden und stattdessen in Kindheitserinnerungen gekramt. Besonders General Landry wusste manch amüsante Begebenheit aus seinem langen Leben zu erzählen, und den Rest der Unterhaltung besorgte Mitchell mit Anekdoten und Anekdötchen aus seiner großen Familie, und mittlerweile kannte Sam wohl alle Großmamas, Onkel, Tanten, Nichten und Neffen dritten Grades mütterlicherseits.

Sie sangen sogar. Es wäre ein leichtes gewesen, sich eine Stereoanlage samt CD-Stapel herzubeamen, aber irgendwie fühlte sich das falsch an. Stattdessen sangen sie alle gemeinsam die alten Lieder, und selbst Sam, die nicht religiös war, schöpfte neue Kraft aus ihnen. So genau hatte sie zuvor noch nie auf manche Texte geachtet, und sie war überrascht, wie zeitlos die meisten von ihnen doch waren.

Wenn man nicht aufpasste, fing Daniel plötzlich einen Vortrag über die verschiedenen Weihnachtsbräuche in aller Welt an, und bei den unzähligen Nationen konnte das eine Weile dauern, wenn er erst einmal in Fahrt kam. Er ließ sich nur durch Teal’c oder Vala stoppen, die versuchten, dem Weihnachtsfest ähnliche Bräuche aus ihrer Heimat zu erklären, und nicht nur einmal kam es vor, dass Daniel mittendrin rausrannte, um einen Block und Stift zu holen und sich eine neue Erkenntnis aufzuschreiben.

Überhaupt war Daniel wohl noch am besten dran, dachte Sam. Während sie all ihre Energie in ein Problem steckte, für das es keine Lösung zu geben schien, verbrachte er seine Tage in der Asgard-Bibliothek. Anfangs war er begierig darauf, so viel wie möglich zu lernen, für den Fall, dass sie das Schiff wirklich aufgeben müssten und alles verloren wäre.

Doch im Laufe der Jahre wurde es ein Zufluchtsort für ihn. Wenn Sam ihn da manchmal so stehen sah, in Gedanken versunken, musste sie plötzlich wieder an Ernest Littlefield denken, damals, vor einer Ewigkeit. Sein ganzes Leben hatte er an einem ähnlichen Platz verbracht, und noch immer hatte er diesem nicht alle Geheimnisse entreißen können. Er hatte Zugriff auf diese unheimliche Datenbank von Wissen – und konnte doch nichts damit anfangen. Gefangen auf einer Welt, aus der es kein Entrinnen gab.

Wie Ernest, war auch Daniel über seinem Studium gealtert. Sie alle waren gealtert. Erst jetzt, da die Arthrose begann nun auch ihre Knie heimzusuchen, verstand Sam, was O’Neill vor Ewigkeiten mit seinen gelegentlichen flapsigen Bemerkungen über seine Knie und den Rücken gemeint hatte. Solange man jung ist, will man über solche Dinge nicht nachdenken, man will nicht wahrhaben, dass einen sein eigener Körper eines Tages im Stich lassen könnte. Man fühlt sich jung und kraftvoll und unverwundbar.

Sie hatte als selbstverständlich angenommen, dass es für immer so bleiben würde. Eines Tages hatte Sam plötzlich und schmerzhaft realisiert, dass es nicht so war. Als sie an Landrys Bett saß und wusste, dass es nichts mehr gab, das sie für ihn tun konnte.

Sie alle würden hier irgendwann einfach sterben, einer nach dem anderen. Sie selbst glaubte nicht mehr dran, die Zeitmaschine noch mal zum Laufen zu bringen. Doch noch warteten sie weiter, und noch arbeitete sie weiter, denn Aufgeben gehörte nicht zu Sams Eigenschaften. Was blieb ihr auch anderes übrig.

Sam schaute zu dem Platz, der heute Abend leer blieb. General Landry war im vergangenen Jahr gestorben. Er fehlte ihnen allen unheimlich. Als Führer, aber auch als Mensch. Er hatte es verstanden, sein Team immer wieder aufzubauen. Erst als er nicht mehr da war, wurde ihnen klar, wieviel Stärke er ihnen durch seine ruhige Zuversicht gegeben hatte.

Normalerweise bedeutete Weihnachten die Geburt neuen Lebens, eines neuen Führers, der Hoffnung verbreitete. Es bedeutete auch Bilanz zu ziehen über das vergangene Jahr und sich auf das nächste zu freuen. Hier hatte nichts von all dem eine Bedeutung. Hier war Weihnachten nur noch eine leere Hülse ohne Leben. Eine schwache Erinnerung an das, was war, und an das, was hätte sein können.

Natürlich war Sam nicht die Veränderung in der Beziehung zwischen Daniel und Vala entgangen. Oftmals fragte sie sich, ob sie auch in ihrem vorherigen Leben zusammengefunden hätten. Sie würde es nie erfahren.

Wenn sie ganz ehrlich mit sich selbst war, beneidete sie die beiden wohl ein wenig um ihre gemeinsame Zeit. Sie selbst hatte nicht über ihren Schatten springen können, Teal’c oder Cam solcherart Avancen zu machen. „Freunde mit Extras“ hatte es mal jemand genannt. Sie wusste, es wäre nur aus der Not geboren, ohne echte Leidenschaft. So steckte sie jede freie Minute in ihre Arbeit, erlaubte sich nur Entspannung beim Cellospielen. Und als es nach und nach zu spät für diese Hoffnung wurde, war es auch zu spät für die Liebe. Sie alle drei waren längst eigenbrötlerische Einzelgänger geworden.

Doch es hatte ein paar seltene Momente gegeben, in denen sie Zuflucht in Teal’cs starken Armen gesucht hatte. Seine Freundschaft schätzte sie über alles, und eine Umarmung war manchmal bereits genug, um sie einen weiteren Tag überstehen lassen zu können.

Sie schaute Teal’c an, der ihr am Tisch gegenüber saß. Er war der einzige, der immer noch eine glatte Haut hatte, doch auch an ihm waren die Haare nicht spurlos vorbeigegangen. Eine weiße Strähne zierte nun seine Haare. Sie versuchte, in seinen Augen zu lesen. Was dachte, was fühlte er wohl gerade in diesem Moment? Dachte er an Rya’c, den er wohl nie mehr wiedersehen würde? Bereute er, weiter bei SG-1 geblieben zu sein, anstatt bei der Errichtung einer neuen Jaffawelt zu helfen?

Was tat er eigentlich den ganzen Tag? Sam realisierte, dass sie nicht wusste, womit Teal’c seine Zeit totschlug. Sie war regelmäßig Cam begegnet, der durch die Gänge joggte, sie hatte Vala in Daniels Raum verschwinden sehen und vorgegeben, es nicht zu bemerken, sie hatte Landrys Pflanzen gegossen, als dieser zu schwach dafür geworden war, aber niemals hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, wie es wohl in Teal’c aussah. Sie hatte sich von seiner ruhigen, besonnenen Wesensart täuschen lassen. Dabei wusste doch jeder, dass in einem See mit spiegelglatter Oberfläche unergründliche Tiefen lauerten.

Sie blickte sich weiter am Tisch um. Das waren die Mitglieder ihres Teams. Die einzige Familie, die ihr geblieben war. Aus diesem Grunde hatte Sam darauf bestanden, Weihnachten zu feiern. Sie hatte all die Dinge hergestellt und gehofft, wenigstens für einen Abend die Fremdheit zwischen ihnen zu vertreiben.

Ja, sie waren sich fremd geworden. Stumm saßen sie sich am Tisch gegenüber, starrten blicklos in die Ferne. Und kein Truthahn und kein leuchtender Weihnachtsbaum konnte das ändern. Das wurde ihr plötzlich klar. Denn es fehlte das Wichtigste, das zum Weihnachtsfest dazugehörte: Wärme, Herzlichkeit, Lachen. Menschen, die zusammenkamen, weil sie beieinander sein wollten, und nicht weil eine höhere Macht sie dazu zwang.

Die Schäfer damals vor 2027 Jahren hatten einen Stern am Himmel gesehen, dem sie zur Krippe gefolgt waren. Sam hatte auch einen solchen Stern vor sich, sie brauchte nur aus dem Fenster zu schauen. Da stand der Energiestrahl, der vom Ori-Schiff herüberwuchs. Man könnte denken, er bewegte sich überhaupt nicht, doch er war im Laufe der Zeit ein ganzes Stück näher an die „Odyssey“ herangerückt.

Das einzige, was dieser Stern verkündete, war Bedrohung, Tod. Da war keinerlei Hoffnung.

Trotzdem würde sie jetzt diesen Truthahn anschneiden und ihn mit ihren Freunden teilen. Es war das einzige, das sie heute für sie tun konnte. Morgen würde sie sich wieder dem Problem zuwenden.

Doch auf jeden Fall würde dieses Weihnachtsfest den Titel „Das traurigste Weihnachtsfest aller Zeiten“ bekommen.

Und vermutlich würde sie wieder ein Jahr lang denken, dass es schlimmer nicht mehr kommen können würde.

Bis zum nächsten Jahr.

Ende


End Notes:
(diese FF hat im Dezember-08-Voting den 18. Platz belegt bei 35 Storys)
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