Die Angst bezwingen by Astra
Summary: Nach einem traumatischen Erlebnis verhält sich O’Neill immer merkwürdiger. Doch als es darum geht, jemandem zu helfen, wächst er über sich selbst hinaus.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1), Janet Fraiser, Samantha Carter (SG-1), Teal’c (SG-1)
Genre: Angst, Friendship, General
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 11074 Read: 2233 Published: 11.01.12 Updated: 11.01.12

1. Kapitel 1 by Astra

Kapitel 1 by Astra
Author's Notes:

Anmerkungen: Die Geschichte mit Aron Ralston und seinem Arm hat mich zu dieser FF inspiriert.

Spoiler: „Im ewigen Eis“, „Geister“

Beta: Blue (vielen Dank für ein paar wirklich wertvolle Hinweise!)
Die Angst bezwingen


„Aaaah…!“ Unwillkürlich stieß O’Neill einen lauten Schrei aus, als er in die Tiefe stürzte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Doch dann ging ein schmerzhafter Ruck durch seinen Körper, als das Seil seinen Fall jäh stoppte. Instinktiv krümmte er sich zusammen und versuchte sich vor den Felsbrocken zu schützen, die er mit hinabgerissen hatte.

„Colonel?“ drang Carters Stimme aus seinem Funkgerät. Sie hing über ihm in der Felswand – weit über ihm, zusammen mit Teal’c. Er konnte ihr noch nicht antworten, musste sich erst einmal orientieren.

„Colonel? Melden Sie sich!“ Als er nicht reagierte, weiteten sich ihre Augen angstvoll. Doch ihre Stimme blieb ruhig, als sie fragte: „Was ist passiert? Colonel O’Neill, bitte melden!“

Endlich, nach einigen Minuten, die ihr jedoch wie Stunden schienen, kam seine Antwort: „Ich stecke in einer Felsspalte fest. Mein rechter Arm ist unter einem Felsbrocken eingeklemmt. Ich kann nicht genau sagen, ob er gebrochen ist. Sonst ist alles okay…“

Carter atmete erleichtert auf. Allerdings hatte sie keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. Für eine Rettungsaktion hatten sie einfach nicht die richtige Ausrüstung. Trotzdem fragte sie: „Sir, wie können wir Ihnen helfen?“

„Vergessen Sie’s, Carter.“ kam es prompt zurück. O’Neill hatte in Blitzesschnelle eine Entscheidung getroffen. „Gehen Sie zum Tor zurück. Holen Sie Verstärkung. Los, gehen Sie!“

Obwohl das bedeutete, ihn allein zu lassen, wusste sie, dass es die einzige Möglichkeit war. So gab sie nach einem „Verstanden, Sir!“ Teal’c das Zeichen, wieder nach oben zu klettern. Daniel, der oben die Wache über ihre Ausrüstung gehabt hatte, hatte alles mit angehört. Er schaute über den Rand des Abgrundes und fragte durchs Funkgerät: „Soll ich bei dir bleiben, Jack?“

Dieser überlegte kurz – das Angebot war wirklich verlockend – doch dann lehnte er entschieden ab. Es war besser, wenn Daniel bei den anderen blieb. So konnten sie gegenseitig auf sich aufpassen. Einer alleine, das war immer schlecht. Und er selbst kam schon klar, auch ohne Gesellschaft. Was sollte ihm hier unten auch passieren? Von oben war er schließlich völlig unsichtbar.

Bald darauf waren die drei anderen verschwunden, und es wurde unheimlich still um ihn. Er wusste, dass sie sich beeilen würden, aber er wusste auch, dass er sich auf eine lange Wartezeit einstellen musste. Seufzend ergab er sich in sein Schicksal.



*****



Allmählich wurde es wärmer. Die Sonne kam um den Bergkamm und heizte die Felswand auf. Anfangs hatte seine Felsspalte noch im Schatten gelegen, doch nun drangen die Sonnenstrahlen bis zu ihm vor. Mit der freien Hand hatte O’Neill den Helm abgenommen, der ihm bei dem Sturz wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Viel mehr aber konnte er nicht ausziehen, da er sich in der Enge kaum bewegen konnte.

Schon bald war sein Shirt völlig durchgeschwitzt. Ab und zu nahm er auch seine Kappe ab und fuhr sich durch die schweißnassen Haare. Sein Kopf glühte wie im Fieber. Auch wenn er immer vorgab, nicht auf Fraisers Hinweise zu hören – was ihn bei einem Sonnenstich erwartete, wusste er genau. Nein, auf Schwindel, Schüttelfrost und Übelkeit war er wirklich nicht scharf. Gut, dass er wenigstens seine Kappe dabei hatte. Und was hatte die Ärztin gleich noch zur Vorbeugung gegen Hitzschlag empfohlen? „Sich möglichst im Schatten aufhalten.“ Er schaute sich in seinem Gefängnis um. Schatten, ha – guter Witz.

Inzwischen war es unerträglich heiß geworden. So langsam fühlte O’Neill sich wie ein Bratapfel in der Röhre. Er fuhr sich mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen, doch in seinem Mund war schon lange keine Feuchtigkeit mehr. Er schaute zum hundertsten Male auf die Uhr. Zu jeder vollen Stunde gestattete er sich einen kleinen Schluck aus der Wasserflasche, welche er am Gürtel trug. Es konnte Stunden dauern, bis die anderen zurück waren, und diese eine Flasche war alles, was er hatte. In seiner Tasche steckte auch noch eine Notration Schokoriegel, doch Hunger verspürte er vorerst keinen. Das Wasser war zwar lauwarm, doch es half ihm dabei, nicht gänzlich auszutrocknen.

O’Neill schloss die Augen und sah ein Bier vor sich. Ein schönes, kühles Bier mit einer wundervollen Schaumkrone. Ein Bier in einem Glas, welches so sehr beschlagen war, dass Tropfen an ihm herunter rannen. Er glaubte den Hopfen schon auf der Zunge zu schmecken. Abrupt riss er die Augen wieder auf. Toll, jetzt begann er schon zu halluzinieren, und dabei war noch nicht einmal die Hälfte der Zeit um, die er bis zu seiner Rettung veranschlagt hatte.

Doch das Schlimmste war nicht die Bewegungslosigkeit, zu der er hier verdammt war. Obwohl er natürlich viel lieber aktiv dazu beigetragen hätte, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien. Hier einfach nur tatenlos herumzusitzen und auf seine Befreiung zu warten stellte seine Selbstbeherrschung wirklich auf eine harte Probe.

Das Schlimmste waren auch nicht die Schmerzen, die von seinem eingeklemmten Arm ausgingen. Er hatte anfangs versucht, ihn unter dem Felsbrocken hervorzuziehen oder diesen beiseite zu wuchten, doch ohne großen Erfolg. Er hing in einer Position fest, die alles andere als bequem war, doch es ließ sich aushalten. Und auch die Schmerzen waren halbwegs erträglich, nachdem er eine der Kapseln des schmerzlindernden Mittels heruntergewürgt hatte, das zur Notausrüstung gehörte.

Ja, das Schlimmste war noch nicht einmal die unerträgliche Hitze, dieser glühende Sonnenball, der erbarmungslos vom Himmel brannte und das Blut in seinen Adern zum Kochen zu bringen schien.

Das Schlimmste war, und O’Neill wollte es nicht einmal vor sich selbst eingestehen, das Schlimmste war der Blick in den Abgrund. Er hatte ihn die ganze Zeit unmittelbar vor sich, und seine Augen hingen wie gebannt an der Tiefe. Er konnte den Kopf nicht weit genug drehen, um etwas anderes anzusehen. Die einzige Alternative war, die Augen zu schließen, doch er konnte seinen Blick nicht davon losreißen.

Direkt vor ihm ging es noch einige hundert Meter weiter in die Tiefe. Und trotz der Höhe konnte er am Boden tausende von aufrecht stehenden Kristallen ausmachen, die ihre tödlichen Spitzen in den Himmel streckten. Wenn das Seil seinen Absturz nicht aufgefangen hätte und er von den Kristallen aufgespießt worden wäre, wäre jede Rettung zu spät gekommen. Bei diesem Gedanken konnte er es nicht verhindern, dass ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief.

Und trotzdem musste er den Abgrund unentwegt fixieren, als hoffte er, da unten etwas zu finden. Dieser Anblick brannte sich tief in sein Gedächtnis ein, er würde ihn für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen.



*****



Als die sieben Stunden verstrichen waren, die er bis zur Ankunft des Rettungsteams veranschlagt hatte, begann seine antrainierte Gelassenheit langsam zu zerbröckeln. Was, wenn sie nicht rechtzeitig zurückkehrten? Was, wenn sie nie mehr zurückkehrten? Niemand außer ihnen wusste, wo er war. Wenn ihnen irgendetwas zustoßen sollte, was sie davon abhielt, ihm zu Hilfe zu kommen oder ein Rettungsteam zu schicken, war er ganz allein. Niemand würde ihn hier finden. Wie er vorhin schon festgestellt hatte: Von oben war er völlig unsichtbar.

Nur jetzt kam ihm diese Tatsache sehr beunruhigend vor.

Er hatte das Funkgerät eingeschaltet, doch es blieb stumm, und niemand antwortete auf seine Kontaktversuche.

Nach einer weiteren Stunde fiel ihm plötzlich dieser Zeitungsartikel wieder ein, den er erst kürzlich gelesen hatte: Ein Mann, ein einsamer Bergsteiger, war in einer schmalen Steilschlucht in Utah ebenfalls von einem herabstürzenden, 500 kg schweren Gesteinsbrocken eingeklemmt worden. Fünf Tage hielt er in dieser Lage aus, bis er schließlich zum Taschenmesser griff, um sich selbst den Arm abzutrennen. Danach konnte er sich bis zur nächsten Straße schleppen und wurde so gerettet.

Wieder durchfuhr O’Neill ein kalter Schauer. Wie verzweifelt musste ein Mensch sein, bevor er sich mit dem Taschenmesser den Arm abtrennte? Sich erst die Knochen mit einem Stein zertrümmerte und dann unter größten Schmerzen mühselig anfing zu schneiden; durch die Haut, durch das Fleisch, durch die Sehnen? Und das alles mit einem Taschenmesser? Sein Überlebenswille hatte gesiegt. Nach Einschätzung eines Polizisten hätte der Mann nicht überlebt, wenn er geblieben wäre, wo er war.

Zynisch dachte er: Noch vier Tage Zeit, um sich über so etwas Gedanken zu machen.

Als er schon fast nicht mehr daran glaubte, knackte es plötzlich in seinem Funkgerät, und Carters Stimme erklang klar und deutlich: „Sir, wir sind wieder zurück. Wie geht es Ihnen?“

„Um Himmels Willen, Carter, wo haben Sie denn so lange gesteckt? Sie hätten sich ruhig ein bisschen beeilen können!“ Seine Stimme war nur ein heiseres Krächzen.

„Nun, wir hatten ein wenig Ärger, Sir… Ein kleiner Kampf mit ein paar Jaffa.“ Kleiner Kampf war stark untertrieben, aber das würde sie ihm jetzt nicht näher auseinandersetzen. Er hatte zwar ihre Frage nicht beantwortet, aber an seiner Reaktion merkte sie, dass es ihm noch verhältnismäßig gut ging, und sie atmete erleichtert auf.

Jetzt kam der unangenehme Teil. Sie holte tief Luft: „Sir, wir haben SG-6 mitgebracht, aber es wird bereits dunkel, es wäre zu gefährlich für eine Abseilaktion. Sie müssen noch die Nacht über da unten durchhalten, werden Sie das schaffen?“

„Muss ich ja wohl…“ knurrte er zurück. Nein, so hatte er sich diese Mission überhaupt nicht vorgestellt. Warum musste auch immer alles schief gehen? Konnte dieses blöde UAV nicht irgendwo anders landen? Verdammt, verdammt, verdammt!

Carter wartete, ob noch eine weitere Reaktion kam, und als dies nicht der Fall war, fuhr sie fort: „Wir lassen Ihnen ein paar Lebensmittel hinunter und eine Decke für die Nacht, es soll hier ziemlich kalt werden…“

Sie hatte einen fröhlichen Plauderton angeschlagen, doch ihr angespannter Gesichtsausdruck stand dazu in krassem Gegensatz. Gut, dass er sie nicht so sah. Er hätte sonst nur wieder einen seiner Sprüche losgelassen wie „Keine Angst, Unkraut vergeht nicht!“ Doch sie machte sich nun einmal Sorgen, nur den Grund dafür, den durfte er niemals erfahren…

„Danke, das ist zu freundlich…“ blaffte er. Sie nahm es nicht persönlich. Sie wusste, dass das nur die ihm eigene Art war, seine Enttäuschung zu überspielen. Sie kannte ihn nun schon seit Jahren. Vielleicht besser, als es ihm recht war. So gut, wie man eben jemanden kennenlernt, mit dem man gemeinsam dem Tod ins Auge geschaut hat, und das mehr als nur einmal.

O’Neill hatte wirklich gehofft, bald hier heraus zu sein, nachdem ihre Stimme erklungen war. Die Aussicht, auch noch die Nacht in dieser Felswand verbringen zu müssen, hob seine Stimmung nicht gerade. Auch wenn ihm sein Kopf sagte, dass es unvernünftig wäre, wenn sich weitere Menschen wegen eines einzelnen in Gefahr begäben.

Seine Reaktion tat ihm nun schon fast wieder leid. Er konnte nun mal nicht aus seiner Haut. Dabei überspielte er damit nur seine anderen Gefühle. Tief in seinem Innern wusste er das, trotzdem wollte er seine Ängste, die er natürlich auch hatte, lieber nicht an die Oberfläche lassen. Und dadurch wirkte er manchmal so aggressiv auf andere. Doch Wut war kontraproduktiv. Er atmete einige Male tief ein und versuchte sich zu beruhigen.

„Wir lassen jetzt das Gepäck herunter, sehen Sie es schon?“ – „Ja, ein wenig nach links… Stop! Höher, höher, höher! Stop, das war zu hoch, wieder runter! Ja, jetzt hab ich’s!“ Es dauerte eine Weile, und er musste seinen Arm bis zum Äußersten strecken, um einen Zipfel zu erhaschen. Vor Anstrengung und Schmerzen verzog er unwillkürlich das Gesicht, als er sich fast die Schulter dabei ausrenkte.

Doch der Inhalt des Paketes war es wert. Eine warme Decke, eine Notration Verpflegung und vor allem Wasser: frisches, herrlich kühles Wasser. Er setzte die Flasche an und nahm einige große Schlucke. Noch nie hatte ihm einfaches Wasser so gut geschmeckt. Doch er zwang sich, nicht gleich die ganze Flasche auszutrinken, darauf war sein ausgetrockneter Körper nicht vorbereitet. Ein wenig von dem kostbaren Nass schüttete er sich auch über den Kopf. Nicht ganz so erfrischend wie seine Dusche zu Hause, aber besser als gar nichts.

Nachdem er auch etwas zu sich genommen hatte, richtete er sich so gut es ging für die Nacht ein. Seine Freunde waren zwar weit über ihm, doch sie ließen ihn spüren, dass er nicht allein war. Sie ließen ihn an ihren Gesprächen teilnehmen, als würde er neben ihnen am Lagerfeuer sitzen. Das Funkgerät stellte die Verbindung her. Es war erstaunlich, wie so ein kleiner, unscheinbarer Kasten soviel Wärme ausstrahlen konnte. Er fühlte sich, soweit das möglich war, sicher und geborgen.

Es war früh am Abend, als alle schlafen gingen, und auch O’Neill versuchte etwas Ruhe zu finden. Sobald es morgen früh hell wurde, wollten sie mit der Rettungsaktion beginnen. Es war nicht klug, sich nach dem Zusammenstoß mit den Jaffa länger als nötig in der Gegend aufzuhalten.



*****



Kurz nachdem die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne ihr Licht spendeten, waren alle – nun ja, bis auf einen – auf den Beinen und sehr geschäftig. Sie hatten nur einen Versuch, und dabei durfte nichts schief gehen. Mit geübten Handgriffen bauten sie die Rettungstrage zusammen, und zwei der Mitglieder von SG-6, der „Search and Rescue“-Truppe, seilten sich mit ihr zusammen vorsichtig ab, während sie von den anderen gesichert wurden.

Nach einer Viertelstunde hatten sie Colonel O’Neill erreicht, welcher sie schon ungeduldig erwartete. Allerdings war er auch neugierig, wie sie ihn unter dem Stein hervorkriegen wollten. Darüber konnten die Jungs erst entscheiden, wenn sie die Situation mit eigenen Augen sahen.

Nun, soweit er in ihren Gesichtern lesen konnte, waren sie nicht gerade erfreut über das Ergebnis. Wahrscheinlich hatten sie wirklich gedacht, sie bräuchten dem Felsbrocken nur einen kleinen Stups geben, und dann würde dieser seinen Arm freigeben. Als ob er das nicht schon selbst unzählige Male versucht hätte.
Nun war die Rettung schon so nah und doch unerreichbar fern. Und er hatte immer noch diesen schrecklichen Abgrund vor Augen. Frank und Steven beratschlagten derweil, was zu tun wäre. Sie kamen schließlich zu dem Schluss, eine kleine kontrollierte Sprengung auszulösen.

Was? Das war doch wohl nicht ihr Ernst. Eine Explosion unmittelbar neben ihm? Das durfte doch alles nicht wahr sein…

Doch sie gingen unverzüglich ans Werk. Und er konnte sich nur fügen, denn in dieser Beziehung waren sie hier die Spezialisten. Er hoffte nur, sie wussten, was sie taten. Sie schützen ihn und sich selbst so gut es ging vor der Explosion. Gerade war er zu der Entscheidung „besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ gekommen, als es einen fürchterlichen Knall gab, der ihm so in den Ohren widerhallte, dass er überzeugt war, für den Rest seines Lebens taub zu sein.

Gleichzeitig fühlte er aber auch, dass das Gewicht auf seinem Arm verschwunden war, und das wog die anderen Unannehmlichkeiten bei weitem auf. Allerdings stellte er kurz darauf fest, dass er seinen Arm trotzdem immer noch nicht bewegen konnte, was wahrscheinlich wirklich bedeutete, dass er gebrochen war. Nicht, dass das eine neue Erfahrung für ihn wäre…

Mit der anderen Hand fegte er Staub und kleinere Gesteinsbrocken von sich, und dann konnten sie ihn endlich in die Rettungstrage hieven und verschnüren wie ein Weihnachtspaket. Langsam ging nun die Reise nach oben. Viel zu langsam für seinen Geschmack. Es blieb ihm viel zu viel Zeit, weiter in den Abgrund zu starren. Er konnte seinen Blick einfach nicht davon abwenden. Er würde es nie vergessen. Niemals, so lange er lebte.

Nachdem O’Neill endlich mitsamt seiner Trage wieder sicher auf der Erde stand, tauchten nacheinander die Gesichter seiner Freunde in seinem Gesichtsfeld auf. Sie brauchten nicht viel zu sagen, es war auch so klar, wie erleichtert sie waren, ihn mehr oder weniger unversehrt wieder bei sich zu haben. Carter untersuchte ihn mit geübten Handgriffen, stellte außer dem gebrochenen Arm nur die üblichen Quetschungen und Schürfwunden und einen leichten Sonnenbrand fest und verabreichte ihm ein leichtes Schmerzmittel.

Unverzüglich brachen sie auf und machten sich auf den langen Weg zum Tor zurück. Die Trage schaukelte hin und her und versetzte ihn in einen Dämmerschlaf. So brauchte er wenigstens nicht mehr darüber nachzudenken, wieso er eigentlich immer in solche Schwierigkeiten geriet. Dabei war Daniel viel prädestinierter dafür…



*****



Das Tor spuckte den kleinen Trupp im SG-Center wieder aus, und Dr. Janet Fraiser stand mit ihrem Team schon bereit, um sofort zu übernehmen. Nach einem kurzen Check eilten sie in die Krankenstation.

Einige Stunden später konnte sie müde den Wartenden mitteilen, dass alles gut verlaufen war und Colonel O’Neill bereits wieder ansprechbar sei. Sie hatte den Arm wieder gerichtet – etwas, das gar nicht so einfach gewesen war, da er genau an dieser Stelle vor Jahren schon einmal eine Fraktur erlitten hatte. Doch sie hatte ihr Bestes gegeben und war sicher, dass O’Neill nach einigen Wochen und der entsprechenden Physiotherapie wieder seine volle Leistungskraft erreichen würde.

Aber sie ließ niemanden zu ihm hinein. Nur durch eine Scheibe konnten sie ihn da liegen sehen. „Er schläft jetzt.“ sagte sie. „Geht. Ruht euch aus. Ihr könnt hier im Moment sowieso nichts für ihn tun. Ich sage sofort Bescheid, wenn er aufwacht, okay?“

Teal’c neigte leicht seinen Kopf zur Bestätigung und entfernte sich gemessenen Schrittes. Daniel zögerte kurz, warf noch einen unschlüssigen Blick zurück, seufzte schließlich und ging zögernd, sich dabei immer wieder umdrehend.

Carter jedoch schien gar nicht gehört zu haben, was die Ärztin gesagt hatte. Ihr Blick haftete an der reglosen Gestalt, welche zwischen all den Schläuchen erschreckend klein aussah.

„Sam!“ Janet berührte die Freundin am Arm. „Er kommt wieder in Ordnung. Es ist doch nur ein Armbruch.“

Die leichte Berührung weckte sie aus ihrer Erstarrung. Nur ein Armbruch, sicher. Er hatte schon ganz anderes überstanden. Doch instinktiv fühlte sie, dass da noch mehr war. Sie konnte es nicht greifen, aber es war wie eine dunkle Wolke, die über ihr schwebte und ihr das Herz abdrückte.

Sie versuchte sie abzuschütteln. Endlich kamen ihr Janets vorherige Worte zu Bewusstsein. Wortlos nickte sie. Eine heiße Dusche würde ihr sicher gut tun. Sie waren alle direkt vom Torraum zur Krankenstation geeilt, und jetzt erst fühlte sie, wie erschöpft sie doch war. Langsam machte sie sich auf den Weg zu den Waschräumen.

Janet sah ihr lange nach und seufzte innerlich.



*****



Nach einigen Stunden versammelten sich die drei Freunde wieder im Vorraum von Jacks Krankenzimmer. Janet kam heraus und bedeutete ihnen, dass sie jetzt hinein gehen könnten.

„Aber nur eine Viertelstunde!“ rief sie noch hinterher. Als erstes steckte Daniel seinen Kopf vorsichtig durch die Tür, dann folgten Teal’c und schließlich Sam. Jack schaute ihnen erwartungsvoll entgegen.

„Wie geht’s?“ versuchte Daniel die ersten gehemmten Minuten zu übergehen. Teal’c stand wie immer stumm und majestätisch hinter ihnen, und nur wer ihn gut genug kannte, konnte erkennen, wie erleichtert er war.

Sam hingegen war froh, dass Daniel die Unterhaltung weitgehend allein bestritt. Sie war nicht in der Lage, viel zu sagen. Sie starrte nur den Mann an, der da im Bett saß und mit den Krankenschwestern scherzte, die um ihn herumwuselten. Irgendetwas war anders, sie spürte es ganz deutlich.

Sein Lächeln mochte Daniel täuschen, Teal’c, vielleicht sogar Janet. Doch Sam sah, dass es wie eingefroren um die Mundwinkel lag. Es erreichte die Augen nicht.

Jack sprach über alles mögliche, nur nicht darüber, was passiert war. Nun, das kannten sie schon. Und in stummer Übereinkunft respektierten sie seine Zurückhaltung in dieser Beziehung. Sie würden nicht in ihn dringen. Es war das Beste, ihn in Ruhe zu lassen. Und vielleicht irgendwann einmal, wenn viel Zeit vergangen war und niemand mehr damit rechnete, würde er ein paar beiläufige Bemerkungen fallen lassen. Oder auch nicht.

Er schien zu spüren, dass er beobachtet wurde. Für einen kurzen Augenblick trafen sich ihre Augen, und Sam hielt unwillkürlich den Atem an. Dunkel und unergründlich, fast schwarz waren die seinen. Die tanzenden Lichtfünkchen, die sie so liebte, waren daraus verschwunden. Als hätten sie etwas Unvorstellbares gesehen. Der Augenkontakt währte nur wenige Sekunden, dann senkte er die Lider und wandte sich wieder den anderen zu.

Sie begann sich heftige Vorwürfe zu machen, dass sie ihn allein gelassen hatten. Es hätte jemand bei ihm bleiben müssen. Vielleicht nicht gerade Daniel, aber Teal’c, der hätte sich notfalls auch allein verteidigen können. Rasch schob sie den Gedanken beiseite, dass ohne ihn und die Hilfe seiner Stabwaffe ihr „kleiner“ Zusammenstoß mit den Jaffa längst nicht so glimpflich ausgegangen wäre. Es hätte auf jeden Fall jemand bei Jack bleiben müssen.

Was war nur in den Stunden ihrer Abwesenheit mit ihm geschehen?



*****



Nach einigen Wochen waren die Knochen mehr oder weniger zufriedenstellend zusammengewachsen. Ein paar Schrauben würde O’Neill allerdings als Andenken behalten. Nun trainierte er verbissen mit einem entsprechend ausgebildeten Physiotherapeuten, um so schnell wie möglich seinen Arm wieder benutzen zu können. Dr. Fraiser musste ihn manchmal regelrecht bremsen. Mehr als einmal sah sie sich gezwungen, an seine Vernunft zu appellieren. Ein Übermaß würde der Heilung eher schaden als nutzen. Sie wusste, wie sehr er es hasste, untätig zu sein, aber solche Dinge brauchten nun einmal ihre Zeit.

Außerdem – so grinste sie in sich hinein – durch die Zwangspause hatte er endlich einmal Gelegenheit, seinen Papierstapel abzuarbeiten, der sich über die Monate angesammelt hatte. Auf einige seiner Berichte warteten sie schon eine Ewigkeit. Es mochte zwar mühsam gehen, aber das Adlersuchsystem (kreisen und dann zustoßen) funktionierte auf der Computertastatur zur Not auch mit nur einem Finger.

Schließlich aber, einige Monate später, saß er ihr zur letzten Abschlussuntersuchung gegenüber. Ungeduldig wippte er mit den Füßen, während er mit seinem Arm all die Bewegungen ausführte, die sie zu sehen wünschte. Das wichtigste war für ihn, dass er seine Waffe wieder handhaben konnte. Janet hatte ihn wirklich gut wieder zusammengeflickt.

Nachdem sie ihre Zustimmung gegeben hatte, dass er in den aktiven Dienst zurückkehren konnte, bedankte er sich mit ein paar ungeschickten Worten bei ihr und machte dann, dass er zur Tür hinauskam. Bevor sie es sich eventuell wieder anders überlegte.

Ein leichtes Lächeln umspielte Fraisers Lippen, als sie ihm nachsah. Eigentlich hätte sie beleidigt sein müssen, weil er sie lieber von hinten als von vorn sah. Aber es war gut, dass sich manche Dinge nie änderten. Es herrschte wieder Normalität 28 Stockwerke unter der Erde.

Oder doch nicht? Ihr waren nicht die prüfenden Blicke entgangen, welche Sam manchmal auf ihren Vorgesetzten warf. Doch bisher hatte sie ihr gegenüber nicht erwähnt, was sie beschäftigte. Janet seufzte nun doch. Sie hoffte, dass O’Neills Art nicht zu sehr abgefärbt hatte und dass Sam rechtzeitig zu ihr käme, wenn es ein ernsthaftes Problem gäbe. Sie beide sollten doch eigentlich wissen, dass sie ihr Vertrauen niemals missbrauchen würde.

Sie seufzte noch einmal und ging dann, sich ihren anderen Patienten zu widmen.



*****



Auf P3X-577 trat ein unternehmungslustiger O’Neill als erster aus dem Tor. Er reckte sich, dann setzte er seine Sonnenbrille auf. Es tat gut, die frische Luft zu spüren, den Wind, die Sonne. Es tat gut, wieder etwas zu tun zu haben. Etwas, das ihn von seinen Grübeleien ablenkte. Er schob alles, was passiert war, weit von sich und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt.

Millionen Lichtjahre lagen zwischen diesem Planeten und dem anderen, eine Entfernung, die groß genug sein sollte, um erfolgreich vergessen zu können.

So wandte er sich seinem Team zu. „Wohin?“ fragte er kurz. Carter, welche den Kompass studierte, antwortete: „Richtung Osten, Sir!“ Gut, also Osten. Ihm war im Grunde jede Himmelsrichtung recht. Das hier war ihnen als „weitgehend leichter“ Planet beschrieben worden. Ohne Jaffa oder Goa’uld. Sie waren diesmal nicht auf der Suche nach Naquadah, stattdessen hatte das UAV Triniumvorkommen lokalisiert. Doch diese lagen in schwierigem Gelände, sie konnten aus der Luft nicht ausreichend erforscht werden. Deshalb waren sie jetzt zu Fuß dahin unterwegs.

Die einzigen, die bisher außer den Menschen Verwendung für Trinium gezeigt hatten, waren die Salish gewesen. Unglücklicherweise hatten sie sich allerdings mit diesem naturverbundenen Volk nicht über entsprechende Abbaumethoden einigen können. So hatten sie nur eine Art friedliche Koexistenz ausgehandelt.

Bevor es allerdings soweit war, hatte sein Arm – übrigens wieder derselbe, als würde irgendwo ‚hier’ da drauf stehen – als Zielscheibe für einen ihrer Pfeile dienen müssen. Und er konnte sagen, dass Trinium-Pfeile genauso schwer waren, wie sie aussahen. Zum Glück hatte die Panzerglasscheibe zuvor den größten Schwung abgefangen.

Jedenfalls, auf diesem Planeten hier sollte eigentlich kein Goa’uld auftauchen. Die hatten normalerweise keine Verwendung für Trinium. Andererseits, was war schon normal, wenn SG-1 in der Nähe war…

Er gab das Zeichen zum Aufbruch, und sie marschierten locker los. Teal’c vorneweg, immer wachsam, immer vorsichtig. Ihm folgte Carter, mit ihren Anzeigen beschäftigt. Danach kam Daniel, und O’Neill bildete das Schlusslicht, hatte ein Auge auf sie alle und darauf, dass ihnen von hinten keine unerwartete Gefahr drohte.

Es vergingen einige Stunden, in denen sie gut vorankamen. Das Gelände war überwiegend eben, stieg nur ganz leicht an. Jetzt allerdings erhob sich vor ihnen ein Berg. Sie blieben stehen, um ihren weiteren Weg zu besprechen.

„Es gibt zwei Möglichkeiten.“ sagte Carter. „Den längeren Weg um den Berg herum, er führt langsam ansteigend nach oben. Oder der direkte Weg, indem wir diesem Pfad hier folgen. Dürfte allerdings mit einiger Kraxelei verbunden sein.“

„Wir nehmen den längeren Weg.“ Carter schaute überrascht auf O’Neill. Seine Antwort war ein bisschen zu schnell gekommen.

„Sir, das bedeutet einen Zeitverlust von mehreren Stunden!“ Sonst war er immer derjenige, der sich nicht länger als nötig aufhalten wollte. Man wusste schließlich nie, was für Gefahren hier auf einen lauerten. Was mochte ihn zu seiner Meinungsänderung veranlasst haben?

„Ich habe meine Entscheidung getroffen. Gehen wir!“ sagte er kurz, aber bestimmt. Teal’c setzte sich wieder in Bewegung, und zögernd folgten ihm die anderen. Daniel gab Jack im Stillen allerdings recht, er fand diesen Weg auch weit angenehmer als den anderen.

So stiegen sie stumm bergan, ein jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Schon bald aber mussten sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Weg richten, welcher steiniger und steiniger wurde.

Plötzlich standen sie an einem Abgrund. Es wäre ein wunderbarer Platz für einen Aussichtspunkt gewesen. Das Panorama war einfach umwerfend. Weithin konnte der Blick schweifen, weit in die Ferne und weit in die Tiefe. Ein Berg nach dem anderen zeigte sich vor ihren staunenden Augen, bewachsen mit gesunden, grünen Bäumen, O’Neills Lieblingspflanzen im Universum. Irgendwo dahinten stürzte auch ein Wasserfall zu Tale.

„Jack, komm her, sieh dir das an!“ rief Daniel voller Begeisterung. Während sie alle in den Anblick versunken dastanden, hielt O’Neill sich merkwürdigerweise im Hintergrund. Er fummelte an seiner Ausrüstung herum, als sei da etwas nicht in Ordnung. Hatte er keinen Sinn für die Schönheiten der Natur? Nein, dachte Carter, das war eigentlich nicht der Fall. Mehr als einmal hatte er ihr schließlich von seinem Lieblingsplatz in Minnesota vorgeschwärmt und von der Hütte, die er dort besaß. Was also war es dann? Doch vielleicht war während einer Mission einfach nicht der richtige Platz für romantische Gefühle. Jedenfalls nicht während der Arbeitszeit.

„Können wir jetzt endlich bitte weitergehen?“ nörgelte es da auch schon hinter ihnen. Schuldbewusst machten sie sich wieder auf den Weg. Sie waren hier schließlich nicht auf einem Campingausflug. Der Pfad führte nah am Abgrund entlang. O’Neill war froh, dass er als letzter ging. So sah niemand, wie vorsichtig er seine Schritte setzte, soweit wie möglich nach rechts auswich. Er fand es selbst ein wenig lächerlich, aber er konnte nichts dagegen tun.

Durch seine zögernden Bewegungen war er etwas zurückgefallen. Da hörte er von vorn Daniels aufgeregtes Geschnatter und beeilte sich aufzuholen. Plötzlich blieb er wie erstarrt stehen. Der Pfad führte genau auf eine Hängebrücke zu, welche einen endlos tief scheinenden Abgrund überquerte. Links war das bedrohliche Rauschen eines Wasserfalles zu hören, die Tropfen spritzen bis zu ihm herüber.

Teal’c war schon drüben, Carter erreichte eben in diesem Moment die andere Seite. Nur Daniel war noch auf der Brücke und ließ sich begeistert darüber aus, dass sie ihn an die Hängebrücken in Südamerika erinnerte. Und dass hier offensichtlich einmal Menschen gelebt hatten. Oder vielleicht sogar noch lebten. Es war das erste Zeichen von Zivilisation, das sie hier vorfanden.

Dabei fuchtelte er aufgeregt mit den Händen in der Luft herum, und durch seine Bewegungen begann die Brücke gefährlich zu schwanken. O’Neill schloss die Augen und schluckte krampfhaft, weil ihm plötzlich schlecht wurde. Wie versteinert stand er da und war unfähig, sich zu rühren.

„Jack! Jack, das ist einfach unglaublich! Weißt du, was das bedeutet? Das bedeutet…“ Mitten im Satz brach Daniel ab. Er hatte sich zu Jack umgedreht, der ihn gar nicht wahrzunehmen schien. Daraufhin schaute er hilfesuchend zu Sam, die nun auch auf O’Neills ungewöhnliches Verhalten aufmerksam wurde. Sie begann wieder herüberzuklettern, aber bei der Länge der Brücke würde es noch einige Zeit dauern, bis sie hier ankam. Daniel war viel näher dran. Mit ein paar Sätzen brachte er die Distanz zwischen ihm und Jack hinter sich und stellte sich direkt vor ihn.

Flüchtig registrierte er dessen schweißnasses Gesicht. „Was ist los, Jack?“ fragte er vorsichtig. Der öffnete langsam die Augen, als wüsste er nicht, wo er war. „Komm, die anderen warten auf uns!“ Daniel drehte sich wieder um und schritt langsam voran, nichts anderes annehmend als dass Jack ihm nun folgen würde. Doch als sie sich am Beginn der Brücke befanden, spürte er, wie Jack zögerte.

Schlagartig erkannte Daniel, wo das Problem lag. Doch sie hatten nur diesen einen Weg, einen anderen gab es nicht. Wollten sie ihren Auftrag erfüllen, mussten sie da hinüber. Vorsichtig fasste er Jack am Arm. „Na komm schon. Es ist alles in Ordnung. Ich bin doch bei Dir.“ Leise auf ihn einredend, schaffte er es tatsächlich, Jack in Bewegung zu setzen. Langsam traten sie zusammen auf die Bretter, welche sich leicht bewegten. „So ist es gut. Immer ein Schritt nach dem anderen. Es kann überhaupt nichts passieren.“

Mechanisch setzte Jack einen Fuß vor den anderen. Daniels Stimme gab ihm Kraft. Doch als sie ein paar Meter auf der schwankenden Brücke zurückgelegt hatten, drehte sich plötzlich alles um ihn. Ein scharfer Schmerz fuhr durch seinen Kopf, und er wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Der Abgrund schien direkt auf ihn zuzurasen, dann wurde ihm schwarz vor Augen. Er versuchte krampfhaft, sich irgendwo festzuhalten, Halt zu finden in diesem Chaos, das um ihn herum herrschte.

Mit seinen unkontrollierten Bewegungen brachte er nun auch Daniel in Gefahr. Der war kaum mehr in der Lage, den größeren und schwereren Mann im Gleichgewicht zu halten und wurde gefährlich nah ans Geländer gedrückt. Doch da erreichte glücklicherweise Sam die beiden, und mit vereinter Hilfe, gutem Zureden und hin und wieder einem Schubs in die richtige Richtung schafften sie es schließlich, den Colonel auf die andere Seite zu bugsieren.

Auf dem letzen Drittel hatten sie auch noch Teal’c zur Unterstützung. Das war gut so, denn kurz vor Schluss drehte sich Jack plötzlich um und wollte wieder zurück. Dabei stammelte er unverständliche Wortfetzen vor sich hin. Er machte ihnen wirklich Angst. So außer sich hatten sie ihn noch nie gesehen.

Als alle vier wieder festen Boden unter den Füßen hatten, ließen sie sich erschöpft ins weiche Gras fallen, um zu verschnaufen. Jack lag da, die Augen geschlossen, und atmete schwer. Sein Gesicht war auffallend bleich und von Schweiß bedeckt. Daniel und Sam tauschten einen stummen Blick. Wie sollten sie mit ihm in dieser Verfassung nur den Rückweg bewältigen? Und sogar Teal’c war unter seiner dunklen Haut blass geworden.

Nach einer Weile setzte sich Jack mühsam auf, ihre helfenden Arme unwirsch abwehrend, und lehnte sich gegen einen Baumstamm. Er holte ein paar Mal tief Luft und versuchte sichtlich, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Sir?“ fragte Carter vorsichtig. „Ist alles in Ordnung?“

„Mir geht’s gut.“ kam sein Standardspruch. Das machte er schon automatisch auf solche Fragen, ohne nachzudenken.

„Das sah aber eben noch ganz anders aus – “ versuchte Daniel einen Widerspruch, doch O’Neill schnitt ihm das Wort ab. „Wir sollten weitermarschieren. Es wird nicht mehr sehr lange hell sein.“

Daniel öffnete noch einmal seinen Mund, aber nach einem kurzen Blick von O’Neill klappte er ihn wieder zu. Dieser Blick bedeutete: Rühr nicht an einen schlafenden Vulkan. Lass mich in Ruhe, oder ich werde sehr ungemütlich. Oh ja, er hatte Jacks Blicke lesen gelernt. Es war vielleicht besser, wenn er einen günstigeren Zeitpunkt abpassen würde.



*****



Dieser schien ihm gekommen, als sie bereits wieder eine Stunde unterwegs waren. Daniel ließ sich langsam zu Jack zurückfallen. Dem ging es anscheinend wieder besser, er begrüßte ihn sogar mit einem Scherz: „Na, wird unser Space-Monkey langsam müde?“

Doch Daniel blieb ernst. „Was war da vorhin los, Jack? Sag es mir!“

Sofort verschloss sich das Gesicht seines Freundes. „Lass mich in Ruhe!“ knurrte er abwehrend und machte größere Schritte, um den bohrenden Fragen zu entkommen. Doch Daniel blieb an seiner Seite. Wie eine lästige Fliege umkreiste er ihn.

„Jack! Wir sind doch Freunde, oder? Das bedeutet, dass man über alles reden kann. Also erzähl mir, was los ist. Du wirst dich danach besser fühlen, glaube mir. Jack. Jack? Jack!“

Schließlich blieb er atemlos stehen, unfähig, dem gesteigerten Tempo weiter zu folgen. Hilflos hob er die Arme und ließ sie wieder sinken. Da stoppte auch Jack und drehte sich mit einem Ruck zu ihm um.

„Was los ist?“ brüllte er. „Was los ist? Was willst Du denn hören?“ War das nicht offensichtlich genug? Musste man denn immer und über alles reden? Was sollte dadurch anders werden? „Was, sag es mir!“ Hatten sie denn nicht alle gesehen, was los war?

Dabei wüsste er es ja selbst gern. Diese Frage stellte er sich schon selbst unaufhörlich, da musste ihn nicht auch noch Daniel damit nerven. Das Schlimmste wäre, wenn sie ihm nicht mehr vertrauten. Wenn sie nicht mehr glaubten, dass er in der Lage wäre, das Team zu führen.

Himmel, so wie ihn Carter angesehen hatte… Er fühlte sich wie ein Versager. Und das war er ja letztendlich auch. Doch Daniel wollte immer nur reden, reden. Als ob sich dadurch irgendetwas ändern würde. „Es ändert überhaupt nichts! Lass mich einfach nur in Ruhe, okay!“

Damit drehte er sich wieder um und stürmte davon. Toll, jetzt waren auch noch Carter und Teal’c aufmerksam geworden und stehengeblieben. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Mit seinem Wutausbruch würde er ihr Vertrauen nicht zurückgewinnen, das war ihm klar. Aber er konnte nun mal nicht aus seiner Haut.

Daniel setzte sich wieder langsam in Bewegung, erschüttert darüber, wie Jack ihn angefahren hatte. Sie hatten sich schon oft gekabbelt, aber so angeschrieen hatte er ihn noch nie zuvor. Er musste mehr durcheinander sein, als er gedacht hatte. Wo sollte das noch hinführen?

Er kam an Teal’c vorbei und lächelte ihm schief zu. Der setzte sich jetzt schweigend an das Ende ihrer Gruppe, während O’Neill nun die Vorhut bildete. Er lief in einiger Entfernung vor den anderen und tat das, was er am besten konnte: Er sicherte nach allen Seiten, war aufmerksam, konzentriert, lauschte auf das kleinste Geräusch.

Er hatte sich wieder völlig unter Kontrolle. Sie sollten nicht wegen seiner Unfähigkeit in eine unerwartete Falle geraten. Das würde er sich nie verzeihen. Außerdem half es ihm, seinen Gedanken davonzulaufen. Wer sich auf die Umgebung konzentrieren musste, hatte keine Zeit zum Grübeln. Er war jetzt ganz Soldat, alle Emotionen waren ausgeschaltet.

Doch er wusste, dass sie nur schliefen, dass er sich früher oder später ihnen würde stellen müssen. Je später, desto besser.



*****



Schließlich erreichten sie ihr Ziel. Carter schloss zu ihm auf und bedeutete ihm, dass sie in unmittelbarer Nähe des Gebietes waren, welches das UAV gekennzeichnet hatte. Allerdings war es zu spät, um es heute abend noch zu erforschen. Die Dämmerung hatte schon eingesetzt. Durch den Umweg am Berg und den Zwischenfall auf der Brücke hatten sie viel Zeit verloren.

So bereiteten sie einen geeigneten Platz für die Nacht vor, bauten ihre Zelte auf, machten ein Feuer, wärmten die unvermeidlichen MREs.

Schweigend aßen sie. Carter und Daniel tauschten hin und wieder ein paar Worte, aber ein richtiges Gespräch wollte nicht aufkommen. O’Neill verlor keine Silbe. Er hatte den gleichgültigsten Gesichtsausdruck aufgesetzt, den er finden konnte. Niemand war in der Lage, hinter seine Maske zu schauen, herauszufinden, was wirklich in ihm vorging.

Die gedrückte Stimmung sorgte dafür, dass schon frühzeitig einer nach dem anderen „Gute Nacht!“ murmelte und in seinem Zelt verschwand. Nur Teal’c blieb am Feuer sitzen, um die ersten zwei Stunden der Wache zu übernehmen.

Nachdem sich O’Neill eine Stunde lang in seinem Schlafsack hin- und hergeworfen hatte, ohne Ruhe zu finden, gab er es schließlich auf. Er öffnete den Reißverschluss seines Zeltes und richtete sich auf. Sich reckend atmete er die kühle Nachtluft in tiefen Zügen ein. Anschließend schlenderte er langsam zum Feuer hinüber. In einer Stunde würde er Teal’c sowieso ablösen, dann konnte er ihm auch jetzt schon ein wenig Gesellschaft leisten.

Wenn Teal’c überrascht war, ihn zu sehen, so zeigte er es jedenfalls nicht. Nur ein leichtes Nicken zur Begrüßung, dann wandte er sich wieder dem Feuer zu. O’Neill griff nach seiner Tasse und schenkte sich etwas Kaffee ein. Den Kaffee langsam schlürfend setzte er sich neben Teal’c auf einen umgestürzten Baumstamm.

Einige Minuten vergingen im Schweigen, ein jeder hing seinen Gedanken nach. Nur das Feuer machte knisternde Geräusche, ansonsten war es absolut still.

Als Teal’c, der sonst immer schweigsame Teal’c plötzlich zu sprechen anfing, zuckte Jack regelrecht zusammen. Mit wachsendem Erstaunen hörte er die Worte aus dem Mund seines Jaffa-Freundes. Der setzte sie langsam, vorsichtig. Es war offensichtlich, dass ihn die Sache sehr beschäftigte.

„Als ich noch Primus von Apophis war, brach in seinem Palast eines Tages ein Feuer aus. Er selbst rettete sich mit dem Ringtransporter, doch für seine vielen Diener blieben nur wenige Fluchtwege. Die Zeit drängte, das Feuer griff schnell um sich. An einem der Fenster hatte sich eine lange Schlange gebildet. Es war so schmal, dass immer nur ein Mann zur selben Zeit hindurch konnte. Mein Freund Rac’l war unmittelbar vor mir. Plötzlich geriet die Schlange ins Stocken. Er war der Grund dafür. Er stand im Fenster und versperrte den anderen den Weg. Er konnte sich nicht überwinden, in die Tiefe zu springen. Ich versuchte ihn zu überzeugen, dass es der einzige Weg wäre. Doch plötzlich drehte er sich um und verschwand in die entgegengesetzte Richtung. Er wollte nach einem anderen Ausweg suchen. Erst am nächsten Tag fanden wir ihn. Sein Körper war bis zur Unkenntlichkeit verkohlt.“

Teal’c machte eine Pause. Jack wagte fast nicht zu atmen. Nie zuvor hatte der Krieger eine so lange zusammenhängende Rede gehalten.

Nach einer ganzen Weile fuhr dieser fort: „Es ist meine Schuld. Ich hätte ihn davon abhalten müssen. Ich hätte ihn notfalls mit Gewalt hinunterstoßen sollen. Vielleicht hätte er ein gebrochenes Bein gehabt, aber er wäre am Leben geblieben.“

Wieder schwieg er. Im Schein des Feuers konnte Jack sehen, wie seine Wangenmuskeln zuckten.

„Du hättest nichts dagegen tun können.“ sagte er schließlich leise, als Teal’c geendet hatte.

„Nein. Damals nicht. Ich war noch jung und unerfahren in solchen Dingen. Doch ich will wenigstens jetzt versuchen, etwas zu tun.“ Jack blinzelte überrascht. Er konnte dem schnellen Themenwechsel nicht ganz folgen.

„Lass nicht zu, dass deine Furcht dich beherrscht. Kämpfe dagegen an. Du bist stark, du kannst es schaffen, O’Neill. Wenn es etwas gibt, das ich tun kann, um dir zu helfen, so sag es. Doch schweige nicht aus falschem Stolz.“

Jack starrte geradeaus in die Flammen, doch er sah sie nicht. In seinem Hirn arbeitete es. Nach einer ganzen Weile sagte er leise: „Es war keine Furcht. Mit Furcht kann ich umgehen. Das habe ich als Soldat lernen müssen. Es ist viel mehr als das.“

Er holte tief Atem, dann sprach er wie zu sich selbst. „Ich hatte eine Scheiß-Angst. Und es gibt nichts, was sonst noch darüber zu sagen wäre.“

Das Ende von Teal’cs Wache war gekommen. So stand er auf und verschwand nach einem langen Blick auf Jack in seinem Zelt. Er konnte nicht wissen, dass noch jemand in dieser Nacht keinen Schlaf fand. Sam hatte den Eingang ihres Zeltes ein wenig offen stehen lassen, um etwas frische Luft hereinzulassen. So kam es, dass sie von der leise geführten Unterhaltung ein paar Bruchstücke aufschnappte, ohne dass es ihre Absicht gewesen wäre, zu lauschen.

Und nun schwirrte das Wort ‚Scheiß-Angst’ in ihrem Kopf herum und als sie endlich doch für wenige Stunden in Schlaf fiel, war er unruhig und wenig erholsam.



*****



Am nächsten Morgen begannen sie mit ihrer Feldroutine. Daniel hatte darum gebeten, in der Umgebung nach weiteren Anzeichen von Zivilisation suchen zu dürfen, und Teal’c war als Begleitschutz mitgegangen.

Carter packte ihre Instrumente aus, um an verschiedenen Stellen Bodenproben zu nehmen. O’Neill blieb bei ihr.

Die Stunden vergingen, und langsam bewegten sie sich weiter in den Kessel hinein, der von Felswänden umgeben war. Je weiter sie vordrangen, umso ergiebiger schienen die Triniumproben zu werden. Das versprach wirklich ein Vorkommen zu sein, das einen Abbau in einer Mine lohnte.

Allerdings würde es nicht ganz einfach werden, die ganze Technik den weiten Weg herzubringen und in diesem unwegsamen Gelände zu installieren. Ganz zu schweigen von der Frage, wie man das abgebaute Trinium zum Sternentor schaffen sollte. Im Endeffekt schien es wahrscheinlich einfacher, das Stargate abzubauen und in der Nähe der Mine wieder aufzubauen.

Wie lautete der alte Spruch? Wenn der Prophet nicht zum Berg kam, musste eben der Berg zum Propheten kommen. – Oder, wenn das Trinium nicht zum Stargate kam, musste das Stargate eben zum Trinium kommen. Doch über diese Dinge sollten sich andere den Kopf zerbrechen.

Gerade als Carter zu O’Neill hinübergehen und ihm mitteilen wollte, dass ihre Arbeit beendet wäre, wurde sie plötzlich von den Füßen gerissen. Im Fallen konnte sie sehen, dass es O’Neill nicht anders erging. Die Erde erzitterte, und zwischen ihnen tat sich ein Spalt auf, der rasch größer wurde. Carter kroch auf allen vieren in die entgegengesetzte Richtung, so schnell sie konnte. Durch die Erderschütterung barsten auch die Felswände, und einzelne Brocken regneten auf sie nieder. Verzweifelt versuchte sie, ihren Kopf mit den Armen zu schützen.

O’Neill hatte sich unter dem Steinhagel ebenfalls zu einer Kugel zusammengerollt. Endlich, nach endlos scheinenden Minuten, kam die Erde zum Stillstand. Er führte einen schnellen Check durch und stellte fest, dass noch alles an ihm dran war und da, wo es hingehörte.

Schnell richtete er sich auf und schaute zu seinem Major hinüber. „Carter. Carter!“ Keine Antwort. Sie schien bewusstlos zu sein. Wahrscheinlich hatte sie einer der Steine am Kopf getroffen. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt.

Gehetzt sah er sich um. Der Spalt lief von einer Felswand zur anderen. Viel zu breit, um einfach hinüberzuspringen. Keine Möglichkeit, zu ihr hinüberzukommen. Und zu allem Unglück hatten die herunterstürzenden Felsbrocken auch noch den einzigen Ausgang verschüttet, der aus diesem Kessel führte.

Er griff nach seinem Funkgerät. „Teal’c, Daniel! Meldet euch!“ Keine Antwort, nur statisches Rauschen. Die Felsen schirmten jegliche Funkwellen ab. Keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Fest stand, er war allein. Und er musste Carter helfen.

Vorsichtig trat er an den Rand des Abgrundes. Er holte tief Luft und schaute dann hinunter. Es war, als würde er in die Hölle schauen. Tief unter ihm brodelte es rot und unheimlich, das örtliche Äquivalent zum Magma auf der Erde. Er hatte gehofft, einen Baumstamm oder etwas ähnliches als Brücke benutzen zu können, doch bei diesem Anblick verließ ihn der Mut. Ein falscher Schritt, und das war’s. Für alle Zeiten.

Verzweifelt ließ O’Neill seine Blicke noch ein letztes Mal über die Felswände schweifen. Da sah er es. Linkerhand zog sich eine Art Gesims in zwei Metern Höhe die Wand entlang. Ein schmaler Vorsprung, gerade so breit, um darauf stehen zu können. Er reichte bis hinüber auf die andere Seite. Wo die aufgerissene Erde auf den Fels traf, klaffte auch hier ein Spalt, doch er schien nur anderthalb Meter breit zu sein. Das sollte zu schaffen sein.

Mit einem Klimmzug zog er sich hoch, half geschmeidig mit den Beinen nach und stand schließlich auf dem Gesims. Das Gesicht hatte er der Felswand zugewandt, die Hände krallten sich ein auf der Suche nach ein bisschen Halt. Seine Instinkte hatten übernommen und bestimmten sein Handeln. Er musste Carter helfen, das war alles, was zählte. Alles andere schaltete er aus.

Vorsichtig begann er sich an der Wand entlangzutasten. Bei jedem Schritt prüfte er erst, ob der Untergrund auch fest war. Trotzdem rutschte er einige Male ab, doch jedes Mal konnte er seinen Fuß wieder rechtzeitig aufsetzen. Sein Blick war vorwärts gerichtet, immer vorwärts.

Doch als er an den Spalt kam, zögerte er plötzlich. Aus der Nähe betrachtet schien er viel breiter zu sein als es von unten ausgesehen hatte. Sein Herz begann schneller zu klopfen, und der Schweiß brach ihm aus. Einige Minuten stand er so da, unfähig weiterzugehen.

Mit einem leisen Stöhnen kam Carter wieder zu sich. Benommen schaute sie sich um, als sie O’Neill in der Felswand entdeckte, unmittelbar vor dem Abgrund. Sie legte die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und bewegte sich nicht. Sie traute sich nicht, nach ihm zu rufen aus Furcht, er könnte die Balance verlieren und abstürzen. Erstarrt saß sie da und konnte nur hilflos mit ansehen, was er weiter tun würde.

Die Schwärze vor O’Neills Augen verschwand schließlich wieder, und er atmete einige Male tief ein. Carter war dort drüben. Sie war verletzt, sie brauchte ihn. Es war sonst niemand da, um zu helfen. Niemand außer ihm. Wenn ihr etwas geschehen würde, das würde er sich nie verzeihen.

Mit dem Mut der Verzweiflung machte er schließlich einen großen Schritt, landete mit Schwung auf der anderen Seite. Schnell griffen seine Finger nach ein paar Vorsprüngen, damit er nicht hintenüber kippte. Als er wieder sicheren Stand hatte, holte er tief Luft, dann tastete er sich vorsichtig weiter. Endlich war er weit genug vom Abgrund entfernt, um sich zur Erde hinunterzulassen.

Kaum berührten seine Füße den Boden, da rannte er auch schon zu ihr hin. Erstaunt bemerkte er, dass sie sich aufgesetzt hatte und ihm entgegensah. Mit wenigen großen Schritten war er bei ihr und kniete nieder.

„Um Gottes Willen, Carter, was ist passiert?“ Sie hatte sich so auf ihn konzentriert, dass sie noch gar keine Zeit gefunden hatte, ihren eigenen Zustand zu untersuchen. Doch auf seine Frage hin merkte sie plötzlich, wie ihr Kopf schmerzte und griff mit verzogenem Gesicht nach oben. Als sie ihre Hand zurückzog, war sie erstaunt, kein Blut zu sehen.

„Lassen Sie mal sehen.“ Vorsichtig schob er ihre blonden Haare beiseite, um sich die Stelle genauer anzusehen, an die sie automatisch gegriffen hatte.

„Keine Platzwunde zum Glück. Aber es ist ziemlich geschwollen. Das wird eine schöne Beule werden, wenn wir keine Möglichkeit zum kühlen finden. Hoffentlich sind da keine inneren Blutungen. Sie könnten auch eine Gehirnerschütterung haben. Ist Ihnen vielleicht schlecht?“

Sie lauschte in sich hinein. „Ein wenig.“ gab sie schließlich zu.

„Noch irgendwelche anderen Beschwerden?“

„Ich glaube nicht.“ Reichte das denn nicht? In ihrem Kopf summte und brummte es, und sie hatte Mühe, ihn zu verstehen. Er zog sein Messer aus der Tasche und legte die breite Klinge auf die beginnende Beule. „Hier, halten Sie das fest. Ein Eisbeutel wäre auf jeden Fall besser, aber ich habe grade keinen da. Die Klinge wird jedoch auch ein wenig kühlen. Bleiben Sie hier. Ich suche mal, ob ich einen Ausweg finde.“

Er drückte ihr noch seine Wasserflasche in die andere Hand. Dann erhob er sich und lief auf den verschütteten Ausgang zu. Himmel, das würde ein schönes Stück Arbeit werden, all die Felsbrocken beiseite zu wuchten. Doch es war der einzige Weg. Mit Carter in ihrem Zustand konnte er auf keinen Fall die Felswände emporklettern.

Ganz abgesehen davon, dass er sich das nicht einmal selbst zutraute. Nicht nach den Ereignissen des gestrigen Tages. Er war noch lange nicht soweit, das spürte er. Er hatte vorhin nur einen Etappensieg errungen, aber die Zielgerade lag noch vor ihm.

Ohne sich lange aufzuhalten, begann O’Neill mit der Arbeit. Es war wie ein riesiges Puzzle. Oder eher wie Mikado. Eine falsche Bewegung, und es würde alles zusammenbrechen. Er plante seine Vorgehensweise strategisch wie bei einem seiner Schachspiele. Ein Schritt nach dem anderen. Um die größeren Brocken bewegen zu können, benutzte er als Hebel einen Ast von einem der wenigen Bäume, die sich hier auf dem kargen Felsgestein angesiedelt hatten.

Schließlich hatte er einen schmalen Spalt freigelegt. Mühsam zwängte er sich hindurch. Auf der anderen Seite griff er zum Funkgerät. „Daniel, Teal’c, meldet euch!“

„Jack! Jack, es ist unglaublich! Weißt du, wen wir hier getroffen haben? Es leben…“

„Daniel, halt die Klappe und hör zu. Keine Zeit für lange Erklärungen. Kommt sofort zurück. Carter ist leicht verletzt und ich brauche eure Hilfe.“

„Wir werden unverzüglich kommen, O’Neill.“ Das war Teal’c, der da antwortete.

„Gut. Beeilt euch. O’Neill Ende.“

Er wollte Carter nicht so lange allein lassen und kletterte durch den Spalt zurück. Sie hatte sich hingelegt, das Messer war ihrer Hand entglitten. Sie hatte die Augen geschlossen, doch als er zu ihr kam, öffnete sie sie mühsam. „Wo sind Daniel und Teal’c?“ fragte sie leise.

„Sie sind auf dem Weg hierher. Sie werden bald hier sein. Dann helfen sie mir mit den Felsbrocken, und wir schaffen Sie hier raus. Halten Sie solange durch, okay?“ Sie nickte, dann schloss sie die Augen wieder. O’Neill nahm ein paar Schlucke aus der Feldflasche, dann setzte er sich neben sie und bewachte ihren Schlaf.



*****



Es dauerte eine knappe Stunde, bis er plötzlich Daniel rufen hörte. Schnell rannte er zum Felsspalt, um zu antworten. „Wir sind hier drin. Aber wir müssen den Spalt noch vergrößern, sonst bekommen wir Carter nicht hindurch!“

Er konnte hören, wie Teal’c auf der Außenseite mit der Arbeit begann. Mit frischen Kräften arbeitete O’Neill sich von seiner Seite her zur Mitte. Schließlich stand er seinen Freunden gegenüber. Schwer atmend warf er den letzten Felsbrocken zur Seite.

„Jack! Endlich! Wo ist Sam?“ Der Angesprochene zeigte nur wortlos hinter sich. Daniel rannte schnell zu ihr hin, und Jack und Teal’c folgten ihm. Nachdem sich Daniel überzeugt hatte, dass ihr keine Lebensgefahr drohte, richtete er sich auf.

„Jack, ich muss dir etwas mitteilen. Wir sind auf einige Bewohner dieses Planeten getroffen. Sie müssten eigentlich auch bald hier eintreffen. Sie ähneln… sie ähneln den südamerikanischen Ureinwohnern. Es ist unglaublich!“

Er fing wieder an, mit den Händen in der Luft herumzufuchteln, doch als er auf Jacks Gesicht nicht die Hälfte der Begeisterung entdeckte, welche er selbst empfand, hörte er schlagartig damit auf.

„Jack.“ sagte er ruhiger. „Was ich damit sagen will: Sie wollen uns helfen. Sie haben eine Möglichkeit, uns schneller von diesem Berg herunterzubringen als du es dir vorstellen kannst.“

Jetzt wurde O’Neill doch aufmerksam. Schnell war immer gut. Denn darüber hatte er sich schon die ganze Zeit den Kopf zerbrochen. Durch den Felsspalt würden sie Carter ohne Probleme bekommen, aber dann? Den ganzen langen Weg den Berg hinunter, bis zum Tor zurück? Das konnte sie unmöglich auf eigenen Füßen schaffen. Und selbst wenn sie eine Möglichkeit fanden, eine Art Trage zu bauen, so war es nahezu unmöglich, mit dieser zusätzlichen Last den Abstieg zu wagen. Viel zu gefährlich.

„Also, was ist es? Ein Fahrstuhl, ein Fallschirm, ein Drachen, ein Flugzeug? Spuck’s schon aus!“ Daniel öffnete gerade den Mund, um zu antworten, als O’Neills Aufmerksamkeit abgelenkt wurde. Drei Männer hatten den Kessel betreten und waren in einiger Entfernung abwartend stehengeblieben. Er senkte den Lauf seiner Waffe nach unten, damit sie sich nicht bedroht fühlten, dann ging er langsam auf die kleine Gruppe zu. Daniel folgte ihm auf dem Fuß, während Teal’c bei Carter blieb.

Als sie sich gegenüberstanden, ergriff der mittlere der Neuankömmlinge das Wort. „Sie gegrüßt. Mein Name ist Ran’ul. Unser Dorf ist einen Tagesmarsch von hier entfernt. Wir waren auf der Jagd, als wir auf Dan’el und Te’alc trafen. Wir haben uns erst verborgen, weil wir Angst hatten. Doch jetzt sind wir überzeugt, dass uns von euch keine Gefahr droht. Wie können wir euch helfen? Ich hörte, jemand sei verletzt?“

„Mein Name ist Colonel O’Neill, und die Frau da drüben ist Major Carter.“ antwortete O’Neill. „Sie ist es, die verletzt ist. Ich weiß ja nicht, was euch Daniel als Gegenleistung versprochen hat, aber wir könnten eure Hilfe wirklich verdammt gut gebrauchen. Wir müssen so schnell wie möglich nach Hause.“

Während sie sprachen, hatten sie sich in Bewegung gesetzt und waren langsam zu den anderen hinübergegangen.

„Ich will ja nicht neugierig sein“, fing O’Neill wieder an, „aber wie genau wollt ihr uns von diesem Berg herunterbekommen?“

Ran’ul lächelte geheimnisvoll. „Lass dich überraschen, Col’on-el. Es wird dir bestimmt Spaß machen.“



*****



O’Neill half Carter vorsichtig, aufzustehen. Langsam gingen sie gemeinsam auf den neu geschaffenen Ausgang zu, die anderen folgten in kurzem Abstand. Wenn O’Neill nicht so sehr auf Carter konzentriert gewesen wäre, hätte er vielleicht bemerkt, wie blass Daniel plötzlich geworden war. Der schlug sich innerlich die Hand vor den Kopf.

Oh nein. Über all der Aufregung hatte er vollkommen die Ereignisse des letzten Tages vergessen. Nein. Spaß würde es Jack ganz bestimmt nicht machen. Doch er sah keine Möglichkeit mehr, in das Geschehen einzugreifen. Er konnte nur noch hoffen.

Als sie die andere Seite erreicht hatten, übernahm Ran’ul die Führung. Zu ihrem Erstaunen führte er sie noch weiter auf den Berg hinauf statt hinunter. Doch da sie nicht viele andere Optionen hatten, blieb ihnen nur, ihm zu vertrauen und zu folgen.

Nach einem kurzen Marsch hielt er schließlich an. Sie waren am höchsten Punkt angelangt. Weiter ging es nicht mehr. O’Neill stoppte ebenfalls und half Carter, sich hinzusetzen. Dann schaute er sich nach allen Seiten um.

Er konnte nicht sehen, was so besonders an diesem Platz war. Einen Ringtransporter hatte er ja gar nicht erwartet. Aber hier war auch kein Fahrstuhl. Kein Fallschirm. Kein Drachen. Und schon gar kein Flugzeug. Nur ein Seil, das sich von hier oben bis nach ganz unten zu spannen schien. Die Höhe war schwer abzuschätzen, aber mehrere hundert Meter dürften es locker sein.

Fragend drehte er sich zu Ran’ul um. Der schaute sehr zufrieden aus. Daniel klinkte sich zögernd ein. „Ahm, Jack? Siehst du das Seil? Das ist eine Art, nun ja, Seilbahn.“

Das Fragezeichen in O’Neills Gesicht wurde noch größer, als er sich jetzt Daniel zuwandte. Der fuhr schnell fort: „In Südamerika gibt es viele solcher Vorrichtungen. Die Kinder aus den entlegenen Bergdörfern benutzen sie für ihren täglichen Schulweg über tiefe Schluchten. Sie müssten sonst kilometerlange Umwege zurücklegen. Man klinkt sich einfach in das Seil ein und rutscht zu Tale. Gebremst wird mit einem simplen Stock. Es ist eigentlich ganz leicht.“

Die letzten Worte murmelte er nur noch und senkte den Blick. Er wagte nicht, Jack anzusehen. Der stand einen Moment sprachlos da. Das war nicht Daniels Ernst, oder? Doch die drei Einheimischen nickten, und so begriff er, es war vollkommen richtig, was sein Spezialist für fremde Kulturen ihm gerade erklärt hatte.

„Ganz leicht? Hast du es denn schon einmal gemacht?“ fragte O’Neill schärfer, als er eigentlich beabsichtigt hatte.

„Nein“, musste Daniel zugeben. „Ich habe einen Bericht im Fernsehen über ein Mädchen aus Kolumbien gesehen…“ Verzweifelt starrte er immer noch auf den Boden. Er hatte wieder mal alles vermasselt.

„Im Fernsehen gesehen! Na wenn das uns nicht weiterhilft!“

O’Neills Gedanken rasten. Sie sollten also wirklich ohne jede Sicherung da runter rutschen. Ihr Leben einem simplen Seil anvertrauen. Ohne Kenntnis von der Geschwindigkeit, die sie entwickeln würden. Ohne zu wissen, was sie unten erwartete oder wo sie landen würden. Nein, das kam ja überhaupt nicht in Frage.

Doch als er sich umdrehte, fiel sein Blick auf Carter, die erschöpft dasaß. Keine Chance, dass sie es zu Fuß schaffte. Selbst mit ihrer aller Hilfe würde es viel zu lange dauern. Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Konnte er das Risiko eingehen? Was sprach dafür, was dagegen? Er dachte darüber nach.

Still gab ihm sein Team die Zeit, die er brauchte, um zu einer Entscheidung zu kommen. Daniel angstvoll und unruhig, Teal’c abwartend, Carter vertrauensvoll. Sie hatte gesehen, was die anderen beiden nicht gesehen hatten. Sie war sich sicher, dass er die richtige Entscheidung treffen würde. Es war die einzige Möglichkeit. Sie wusste es, und er wusste es auch.

Die drei Außerirdischen erkannten zwar nicht, wo eigentlich genau das Problem lag, aber sie respektierten und akzeptierten, dass hier unausgesprochene Dinge vor sich gingen. Und sie waren höflich genug, um ebenfalls stumm zu warten.

Endlich gab O’Neill seine Entscheidung bekannt. „Gut. Ich gehe als erster, zusammen mit Carter. Hält euer Seil auch zwei Erwachsene aus?“ Ran’ul nickte.

„Okay. Sobald wir unten sind, kommen erst Daniel und dann Teal’c nach.“

Daniel schaute ihn ziemlich überrascht an. Ran’ul aber sagte: „Ich helfe euch beim Einklinken und werde dann folgen. Ich will euch den Weg zum Sternentor zeigen.“

„Danke, aber wir kennen den Weg zum Sternentor.“

„Ich meine nicht dieses Tor, sondern das andere. Es liegt direkt am Fuße des Berges.“

Jetzt rührte sich Carter, die die ganze Zeit still dagesessen hatte. „Was sagst du da? Aber das ist unmöglich!“

„Wieso sollte das unmöglich sein? Gibt es bei euch nicht mehr als ein Tor?“

„Doch, aber die Benutzung ist sehr schwierig. Es lässt sich nicht mit Sicherheit im Voraus sagen, aus welchem Tor man genau herauskommt.“

„Dafür haben wir eine Lösung gefunden. Wir können die Tore je nach Bedarf ein- und ausschalten. Wenn du willst, zeige ich es dir.“

Carter nickte ihr Einverständnis, dann stand sie langsam auf. O’Neill hatte es die Sprache verschlagen, was nicht oft vorkam. Er hatte die Bewohner dieses Planeten wieder mal unterschätzt. Er hatte geglaubt, dass sie genauso naturverbunden lebten wie Tonanes Volk, und vielleicht sogar auch an Geister glaubten. Stattdessen hatte er hier Ingenieure für Sternentore vor sich. Man sollte sich wirklich nicht immer vom äußeren Anschein täuschen lassen.

Er versuchte sein Erstaunen zu verbergen und ging entschlossen mit Carter auf das Seil zu. Ran’ul half ihnen sich einzuklinken und zeigte, wie der Bremsstock zu benutzen war. Als alles gesagt und getan war, trat er zurück.

O’Neill schaute hinunter. Doch er sah nicht das satte Grün der Bäume unter ihm, deren Wipfel sich langsam im Wind wiegten. Was er sah, waren scharfe Kristallspitzen. Sie schienen ihre Arme nach ihm auszustrecken und ihn verschlingen zu wollen. In seinen Ohren rauschte es, und so hörte er nur den letzten Teil von dem, was Carter murmelte: „… muss Ihnen etwas sagen, Sir.“

Endlich wandte er ihr seine Aufmerksamkeit zu. Sie holte tief Luft. Sie spürte, dass sie es jetzt loswerden musste, jetzt oder nie. Sie hatte sein Zögern genau registriert und glaubte zu wissen, was in ihm vorging.

Sie sah ihm geradewegs in die Augen und sagte leise: „Es tut mir sehr leid, Sir.“

Er blickte sie ein wenig verständnislos an. Er schien keine Ahnung zu haben, wovon sie hier redete und wartete offensichtlich, dass sie es genauer erklärte.

„Es tut mir leid, dass ich Sie allein gelassen habe, Sir. Wir alle haben Sie im Stich gelassen. Wir hätten einen anderen Weg finden müssen.“

Ach, das meinte sie. „Ich hatte es Ihnen befohlen, schon vergessen?“

„Trotzdem. Was ist mit der Regel ‚Wir lassen niemanden zurück’?“ Darauf wusste er nichts zu sagen.

Sie fuhr leise fort: „Dieses Mal ist es anders. Ich bin bei Ihnen. Wir werden das zusammen durchstehen. Ich möchte Ihnen helfen. Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?“

O’Neill schloss kurz die Augen, als ihn seine Gefühle zu übermannen drohten. Gott, womit hatte er es nur verdient, eine Frau wie sie im Team zu haben. Eigentlich hätte er hier derjenige sein müssen, der ihr Mut zusprach, sie aufbaute. Der sagte, dass alles gut werden würde. O’Neill, der große Beschützer. Dabei war sie soviel stärker als er. Sie war wirklich die großartigste Frau im ganzen Universum. Und sie wollte ihm helfen.

Er schluckte, dann sagte er: „Sie helfen mir am besten, wenn Sie sich gut festhalten. Wir beide werden jetzt einen coolen Ritt machen, okay?“ - „Okay!“

Damit stieß er sich schwungvoll ab, und in rasanter Fahrt ging es in die Tiefe. Mit der einen Hand hielt er Carter fest umklammert, mit der anderen benutzte er den Bremsstock, wenn es nötig war. Nach wenigen Minuten kamen sie zu ihrer beider Überraschung heil und in einem Stück unten an.

„Das war wirklich cool, Sir!“ Er schaute sie mit gespieltem Entsetzen an. „Jetzt sagen Sie aber nicht, dass Sie gleich noch mal wollen, das hält mein Magen beim besten Willen nicht aus!“

Da lachte sie, und er lachte auch. Zum ersten Mal, seit dieser ganze Mist angefangen hatte. Kein sarkastisches Mundwinkelverziehen, kein zynisches Grinsen, einfach nur ein befreiendes Lachen, das aus tiefstem Herzen kam. Es war, als würden alle negativen Gefühle hinweggespült.

So standen sie eine Zeitlang und hielten sich eng umschlungen. Doch dann kam Daniel angerauscht und sie mussten beiseite springen. Der Anthropologe schien ein wenig blass um die Nase zu sein. Doch O’Neill wusste, dass ihn das auch in Zukunft nicht davon abhalten würde, alles Fremde auszuprobieren, was ihm unter die Finger kam. So war Daniel nun einmal, und es war genau richtig so, wie er war.

Jack wurde klar, dass er ihm noch etwas schuldig war. Eine Erklärung, aber vor allem eine Entschuldigung.

Weshalb lud er ihn nicht einfach zu sich nach Hause ein, wenn das alles hier vorbei war? Nur sie beide und ein Sixpack Bier. Oder vielleicht besorgte er noch einen guten Wein und lud auch Carter und Teal’c dazu ein. Ja, genauso würde er es machen. Sie waren seine Familie, die einzige, die er hatte.

Sie brauchten ihn, und er brauchte sie. Wie in jeder Familie flogen auch mal die Fetzen, aber wenn es drauf ankam und jemand Hilfe brauchte, war man füreinander da. Niemand schaffte es auf Dauer allein.

Als Teal’c auf dem Weg nach unten war, bog sich das Seil gefährlich unter seiner Last, aber es hielt. Bald darauf stieß auch Ran’ul zu ihnen und sie machten sich auf den Weg zum Tor.

Auf den letzten Metern versuchte Daniel noch, mit ihm ins Geschäft zu kommen. „Ran’ul, dürfen wir wiederkommen?“

„Ihr seid jederzeit gern unsere Gäste.“

„Vielen Dank. Äh, ja, wir würden auch gern etwas aus eurer Erde ausgraben und mitnehmen, das wir gut gebrauchen können. Glaubst du, dass man uns das gestattet?“

„Ich bin zuversichtlich, Dan’el. Wir werden etwas finden, das ihr uns zum Austausch geben könnt. Für jetzt kommt erst einmal gut nach Hause.“

Als er diese Worte sprach, waren sie auch schon am Stargate angelangt. Nach einer kurzen Verabschiedung wählte Daniel die Erde an, und bald darauf waren sie auf ihrem Weg nach Hause.

Nach Hause. Wie gut das doch klang, dachte O’Neill. Dann riss ihn der Strudel mit sich fort.

E N D E


End Notes:
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