Daniel Jacksons Erbe by Lenari
Summary: Ein riesiges Haus, viel zu viele Bücher und ein Mann, der innerlich zerbricht, wenn er nur an dieses Erbe denkt.
Categories: Stargate SG-1 Characters: Daniel Jackson (SG-1), Jack O’Neill (SG-1)
Genre: Angst, Drama, Hurt/Comfort, Slash, UST
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 2191 Read: 2877 Published: 03.01.12 Updated: 03.01.12
Story Notes:
Diese Geschichte wurde ursprünglich auf der (ehemaligen) Seite 'More-than-just-Friends' veröffentlicht!

1. Kapitel 1 by Lenari

Kapitel 1 by Lenari
Author's Notes:
Spoiler: sechste Staffel
Anmerkung: Jack und Daniel, es gibt nichts Besseres. Wem es allerdings schon zum Hals heraushängt, sollte lieber nicht weiterlesen.
Daniel Jacksons Erbe


Jacks Hand strich über die Rücken der Bücher, die in einer ordentlichen Reihe im Regal standen und dachte sich, dass er wohl alle angefasst hatte. Seine Finger hatten jede einzelne Seite dieser Werke berührt, seine Augen hatten jedes Wort wie gebannt in sich aufgesaugt und seine Lippen gaben sie irgendwann in Form einer Theorie oder Erkenntnis wieder. Das würde jetzt nicht mehr sein. Nie mehr würden seine Hände ein Buch berühren, nie mehr seine Augen Worte entziffern oder sein Mund diese aussprechen. Er würde Jack mit keinem seiner langen und uninteressanten Vorträge mehr nerven, er würde nicht mehr schroff unterbrochen werden und sich deswegen aufregen. Dafür hasste Jack ihn so sehr wie er ihn liebte. Er verabscheute sich selbst, weil er es nicht hatte verhindern können. Eine halbe Stunde, länger war er nicht weg gewesen. Jack hätte ahnen müssen, dass so etwas passierte, das geschah doch immer, wenn er nicht aufpasste. Er hätte ihn nicht aus den Augen lassen sollen, er hätte auf ihn aufpassen müssen, so wie er es seiner Frau versprochen hatte. Ich hätte ihn nicht im Stich lassen dürfen.

Jack überflog die Titel der Bücher, doch er konnte nicht wirklich etwas damit anfangen. Im Grunde mit nichts von alledem, was hier in dieser riesigen Wohnung herumstand. Ihn interessierte weder, wie es früher ausgesehen haben könnte, noch die Staubfänger, die hier überall herumstanden. Er begriff also nicht, wieso ausgerechnet er alles geerbt hatte. Manchmal war sein Freund wirklich schräg drauf gewesen, doch das übertraf alles bei Weitem. Wahrscheinlich hatte er bereits damit gerechnet, dass Jack nicht alles behalten würde, falls er überhaupt etwas als Andenken mitnahm. Als er weiterging, kam er an einem hunderte von Jahren alten Schachspiel vorbei, welches bereits angefangen wurde. Vor ihrem Aufbruch hatten sie diese Partie begonnen. Die Figuren standen noch so da, wie sie zurückgelassen wurden. Das war jetzt wie lange her gewesen, drei Wochen? So in etwa. Sein Blick haftete immer noch auf dem alten Schachbrett, als hätte es ihn magisch angezogen. Er betrachtete sich die Figuren genau und stellte fest, dass er selbst nur noch einen Zug davon entfernt gewesen war, seinen Freund zu schlagen. Das wäre das erste Mal gewesen. Sonst hatte er nie gewonnen. Mit dem Zeigefinger kickte er den weißen König um und murmelte ein „Sachmatt“ vor sich hin. Da war keine Freude, kein Gefühl, triumphiert zu haben, denn das hatte er nicht. Es bewies nur, dass er mehr Glück als Verstand hatte und das eigentlich nicht verdiente. Jack war froh, dass er nicht an Ohmen glaubte, denn das wäre ein Schlechtes gewesen. Wieso musste ich auch immer alle anderen überleben? Kaum einer war mir geblieben. Jacks Vater war gestorben, als er nicht älter als neunzehn Jahre alt gewesen war. Er hatte seinen Dad gehasst, da dieser nie da gewesen war und doch war er wie dieser geworden. Er hatte alles aufs Spiel gesetzt für etwas, dass er mal am Meisten gehasst hatte, das Militär. Er war der Mann geworden, der er nie sein wollte, ein verbitterter, störrischer und unantastbarer Vollidiot. Wäre Charlie nicht gestorben, bei Gott, er wäre sicher auch einfach abgehauen, wie sein Vater und hätte irgendwo eine neue Familie gegründet. Er hätte Sarah todunglücklich gemacht. Er wusste ja nicht einmal mehr genau, warum er zum Militär gegangen war. Hatte es etwas mit Stolz zu tun? Wohl eher kaum. Er wollte nur allen beweisen, besonders seinem Vater, dass er es schaffen konnte, dass er dazu in der Lage war, zu überleben, alles zu überwinden, was sich ihm in den Weg stellte. Er hatte wirklich hart an sich gearbeitet, wollte immer der Beste sein, was er meist auch schaffte, und nach der Ausbildung standen ihm alle Türen offen. Seitdem hatte er nie wieder aufgegeben. So aussichtslos auch die Lage schien, er hatte einen Weg gefunden, er musste einfach einen Weg finden. Sein Sturkopf hatte einfach nichts anderes zugelassen. Dann traf er Sarah und eine Nacht mit ihr veränderte sein ganzes Leben. Durch sie konnte er beweisen, dass er auch in dieser Beziehung über seinen Vater triumphieren würde, dass er ein besserer Dad wäre und immer in der Nähe, wenn seine Familie ihn brauchte. Doch ich hatte versagt. Es war noch ein viel größeres Dilemma gewesen. Er hatte seinen Sohn einfach sterben lassen. Wie konnte ich nur so versagen? Wie konnte ich den gleichen Fehler nur noch einmal machen? Es ist nicht fair.

Damals hatte er nicht aufgeben können und auch diesmal würde es ihm nicht gelingen. Er hatte einfach nicht den Mut dazu, sich selbst zu töten oder sich gar sinnlos im Kampf zu opfern. Er hatte es versucht, bei Gott, er hatte es versucht. An die hundert Mal und doch war er gescheitert. Und Daniel… er wollte ja nicht einmal draufgehen, er wollte seine Freundin retten, er wollte doch nur die Ungerechtigkeit beenden, die sich im Universum breit gemacht hatte. Ein gottverdammter Weltverbesserer war er gewesen, jemand, der immer das Positive in einem sah. Er war immer Jacks Auftrieb gewesen, derjenige, der das Leben nicht allzu schwer erscheinen ließ. Jack glaubte innerlich zu zerspringen. Innerlich schrie er den Namen seines besten Freundes, doch er bekam ihn nicht über die Lippen. Er wollte weinen, seinen Schmerz in die Welt hinausschreien, das Leben und alle verfluchen, sich einfach nur diesem betäubenden Gefühl ergeben, das Trauer hinterließ, wenn man  akzeptierte. Doch wie sollte ich diesen Schicksalsschlag hinnehmen? Er hatte das Gefühl die Hoffnung im selben Augenblick zu verlieren. Etwas tief in seinem Inneren sagte ihm zwar, dass Daniel nicht wirklich für immer fort war, dass er nur einen anderen Weg ging, dass er irgendwann wiederkommen würde und dass es ihm gut ging, wo immer er auch war, doch ein anderer Teil war bei ihrem Abschied zerborsten. Dieser Teil schrie sich nun die Seele aus dem Leib, stumme Schreie, die niemand hörte, hinter einer Mauer aus Sarkasmus und Härte. Eine Mauer, die er nicht vermochte, einzureißen, die ihn gefangen hielt, so wie sie die anderen von ihm fernhielt. Wut stieg in ihm auf, machte sich in seinem Herzen breit, fraß seine Seele immer weiter auf und versetzte seinem Verstand einen so heftigen Stromschlag, dass er einfach austickte. Die Luft fühlte sich auf einmal so stickig an, er glaubte nicht mehr atmen zu können, wollte hier raus, hatte das Gefühl schreien zu müssen, um diesem beklemmenden Gefühl in sich drinnen Platz zu machen. Jack begann zu zittern, starrte wie hypnotisiert auf das Schachspiel, das vor seinen Augen verschwamm. Tränen stiegen ihm in die Augen, doch er konnte nicht weinen, auch wenn er es noch so sehr wollte. Zornig schmiss er die Figuren samt Brett zu Boden. Einige von ihnen rollten über das Paket, andere zersprangen in zwei teile als sie aufkamen. Zorn überflutete seine Gedanken, er klinkte vollkommen aus.

Voller Wut schrie er immer wieder: „Ich hasse dich, Daniel!“, während er nach und nach mit seinen kräftigen Armen die zum Teil alten Bücher mit einer einzigen schwungvollen Bewegung aus dem Regal räumte. Bücher flogen durch die Gegend, verstreuten sich in der ganzen Wohnung, rutschten unter die Möbel, zerfledderten in einige hundert Blätter, rissen in der Mitte durch, verknickten an den verschiedensten Stellen, verursachten dumpfe Geräusche, die in der ganzen Wohnung widerhallten und wurden letztendlich mit einem einzigen Gewaltakt von dem mannshohen Bücherregal begraben. Vollkommen in Rage schoss er die Bücher mit den Füßen zur Seite, setzte zielstrebig das Chaos fort, riss den Couchtisch um, ließ die alte Lampe, die darauf gestanden hatte, in tausend Teile zerspringen, zerrte auch noch das zweite Regal von der wand, holte mit seinem Arm zu weit aus, zerschlug eine große gläserne Vase mit seiner Hand und schnitt sich dabei seinen Handrücken und einige Stellen an seinem Arm auf. Mit klirrenden Geräuschen landeten zum Teil blutigen Scherben auf dem Paket. Jack taumelte vorwärts, unfähig zu weiterer blinder Zerstörung. Abwesend fand er irgendwie den Weg in die kleine Küche, besudelte sich selbst mit der dunkeln Flüssigkeit, die aus seinen Venen drang, hinterließ eine schmierige Spur. Sein Handgelenk pulsierte gleichmäßig zum Schlag seines gehetzten und geschundenen Herzens, die fleischigen Risse spuckten immer wieder neues Blut heraus, unablässig, stetig, fast hypnotisierend. Murmelnd stieß er Flüche hervor, während er sich ein helles Handtuch schnappte und es auf seine Verletzungen drückte. Mit seiner unverletzten, aber dennoch blutverschmierten Hand drehte er den Wasserhahn auf. Schmerz durchzuckte seinen ganzen Arm bis rauf zu seinem Gehirn, als er seine zerfetzte Hand unter den kalten Wasserstrahl hielt. Er glaubte es verdient zu haben, die Schmerzen sollten nicht aufhören, sollten solange andauern bis sein Herz nichts mehr verspürte. Das Wasser wurde langsam heiß, brannte in den offenen Wunden, regte den Blutfluss nur noch mehr an, begann allmählich zu dampfen, färbte seine Haut rot, ließ ihn sein Gesicht schmerzlich erziehen, doch er wagte nicht seine Hand unter dem Strahl hervorzuziehen. Es war so befreiend. Der Schmerz in seiner Hand legte ihn von den Qualen ab, die Daniels Tod mit sich gebracht hatte. Er hatte geglaubt, damit fertig zu werden, es zu akzeptieren, einfach weiter zu machen, als wäre nichts geschehen, doch es gelang ihm nicht. Er hatte seinen besten Freund verloren, einen kleinen Bruder, seinen Halt, denjenigen, der ihm wieder einen Sinn im Leben gegeben hatte, der ihn immer vor sich selbst beschützt und auf andere Gedanken gebracht hatte. Jack wusste nicht, wie er ohne ihn zurechtkommen, wie es ohne seinen Freund nur weitergehen sollte. Es war zum Verzweifeln. Erneut stiegen Jack Tränen in die Augen, verklärten ihm die Sicht. Wie apathisch starrte er ins Waschbecken, sah seinem eigenen Blut zu, wie es aus seinen Wunden suppte, sich mit dem klaren kochendheißen Wasser vermischte und in den Ausguss stürzte. So mussten Daniels Hände unter den Verbänden auch ausgesehen haben. Abermals begann er zittern, glaubte jeden Moment unmächtig zu werden. Die Wut in ihm erlosch nicht, loderte immer noch – fraß, zerrte, verwüstete. Alles in ihm schien in einem Inferno aus Schuldgefühlen, Trauer und Zorn unterzugehen. Klar zu denken war unmöglich geworden. Die erste Träne bahnte sich unermüdlich ihren Weg über seine Wange, andere folgten, trafen auf die blutroten Wassermassen und gingen gnadenlos in ihnen unter. Jack hatte genug von diesem Schauspiel, wollte nicht länger zusehen, wie sein eigenes Leben aus ihm wich, wie auch er langsam zugrunde ging, drehte den Wasserhahn ab, nahm erneut ein Handtuch zur Hand, wickelte es um die zerfetzte Hand, bedeckte notdürftig den Arm, taumelte nach hinten gegen den Kühlschrank und ließ sich verzweifelt erschöpft an ihm hinunter zu Boden sinken. Seine Knie an sich gewinkelt, den Blick immer noch starr auf seine Hand gerichtete blieb er sitzen. Schreie in ihm drangen hervor, noch immer nicht verstummtes Flehen nach Erlösung und doch kein Ende in Sicht. Sinnlos. Vollkommen sinnlos.

„Ich kann nicht mehr.“, gestand er sich mit bebender Stimme selbst ein – hoffte, betete, dass jemand ihm vom Gegenteil überzeugen würde – vergeblich. Schmerzlich wurde Jack bewusst, dass Daniel nicht mehr da war, dass dessen Stimme ihm nie wieder Mut zusprechen würde, ihn nie wieder aus dem Strudel seiner Selbstzweifel und Schuldgefühle reißen würde, dass niemand mehr da war. Alleine. Unendlich einsam. Er schloss die Augen, lauschte seinen eigenen unterdrückten Schreien, seinem herzzerreißenden wimmern, ab und zu unterbrochen von einem leisen schluchzen oder schniefen oder tränenerstickendem Atemzug. Stetig hatte er sich in sich selbst zurückgezogen, dahin, wo die Realität nicht wagte, vorzudringen, wo es noch keinen Schmerz, kein Leid, keine Qualen gab – nur Stille. Ohrenbetäubende Stille, gleißende Dunkelheit, atmendes Nichts. Tief in sich, wo niemand ihn fand, wo ihm niemand mehr wehtun konnte, wo er auf niemanden Rücksicht nehmen musste, weil sich dort keine Menschenseele hin verirrte. Dort würde er bleiben, lange, ewig, wenn es sein musste – bis Daniel zurückkam oder Jack ihm folgte. Ja, sterben. Das wäre jetzt schön. Jack wurde ruhiger, seine tränen versiegten, das Zittern verebbte, der hypnotische Blick auf seinem Arm verschwand – bald darauf schlossen sich seine braunen, leeren Augen. Er verfiel in einen traumlosen Schlaf, zu schwach, sich noch wach zu halten, nicht willens länger zu kämpfen. Tief in ihm hallte eine Stimme wieder: ZU SPÄT – ES IST ZU SPÄT. Es gab kein Zurück mehr, nicht für Jack, nicht für Daniel. Morgen würde er aufwachen - wenn er aufwachte – alles würde wieder sein, wie zuvor. Niemand würde sich daran erinnern. Nur die Wunden – die späteren Narben auf Hand und Herz – würden von dem zeugen, was heute hier geschehen war...

ENDE

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