Das Ende eines Weges by Katha
Summary: Niemand hatte das Glück gepachtet und das Schicksal war nicht gnädig gestimmt...
Categories: Stargate Atlantis Characters: John Sheppard, Multi-Chara
Genre: Character Death, Drama, Friendship, Tragik
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 1 Completed: Ja Word count: 4597 Read: 2563 Published: 19.12.10 Updated: 19.12.10
Story Notes:
Short-Cut: Niemand hatte das Glück gepachtet und das Schicksal war nicht gnädig gestimmt...
Spoiler: -
Charakter: Mulit-Charakter, Sheppard
Kategorie: Character-Death, Drama, Tragik, Frienship
Rating: PG-13
Author's Note: -
Widmung: -
Disclaimer: Stargate Atlantis und seine Charaktere gehören MGM Television.
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1. Kapitel 1 by Katha

Kapitel 1 by Katha
Das Ende eines Weges


Ronon lehnte an der Wand, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte auf einen fixen Punkt an der gegenüberliegenden Wand, so als gäbe es dort etwas unglaublich Interessantes zu sehen. Teyla saß auf einem Stuhl, hielt sich ihre rechte Hand vor den halbgeöffneten Mund. Die Andere lag über ihrem Knie, krallte sich in den Stoff der Hose. Rodney war der Einzige, der unentwegt den Gang auf und ab lief, dabei nicht für eine Sekunde die Tür zum Operationssaal aus dem Blick ließ.

Sie alle sahen mitgenommen und zerschrammt aus. Ihre Kleidung war schmutzig und an einigen Stellen gerissen. Kleine Kratzer, Schrammen und Hämatome zierten ihre Körper. Sie waren erschöpft, doch das alles zählte in diesem Moment nicht. Das Team wollte einfach nur wissen, wie es dem Soldaten ging. Mehr interessierte sie nicht.

Die Zeit hatte sich offensichtlich gegen die Atlanter verschworen. Sie schien unendlich langsam zu verstreichen. Die Zeiger der Uhr verharrten eisern auf ihren Plätzen, bewegten sich nur ab und zu ein winziges Stück weiter. Das Team hatte schon längst das Gefühl, als wären sie verdammt dazu, eine Galgenfrist abzusitzen, die keinen anderen Zweck diente, als sie zu verhöhnen.

Irgendwann, nach einer Ewigkeit des Wartens, öffnete sich endlich die Tür. Jennifer Keller trat mit langsamen Schritten heraus, wirkte unendlich müde und kraftlos. Sie zog die Operationshaube vom Kopf und warf sie achtlos auf den Boden. Die Haare der junge Ärztin fielen strähnig vor ihr blasses Gesicht, schienen für eine Sekunde zu versuchen, die dunklen Schatten unter ihren Augen zu verdecken - erfolglos.

Der Wissenschaftler wollte auf Jennifer zuhasten, sie mit Fragen überschütten, so wie er es normalerweise tun würde, doch stattdessen blieb er einfach nur stehen, unfähig auch nur den kleinen Finger zu bewegen. Aus irgendeinem Grund zog sich sein Magen zusammen. Instinktiv wusste er, dass etwas nicht stimmte. Auch die Anderen rührten sich nicht vom Platz, sondern bedachten Keller mit fragenden Blicken.

Die junge Ärztin steuerte einen Stuhl neben der Athosianerin an und ließ sich stumm darauf fallen. Sie schloss für eine Sekunde ihre Lider, gönnte sich einen Augenblick der Ruhe. Sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was sie sagen sollte, wie sie es sagen sollte. Die menschliche Sprache schien so einfach, Worte so simpel zu formulieren sein, doch hier und jetzt gab es für Jennifer nichts Schwereres als das.

Sie hob die Lider und sah sich drei Freunden gegenüber, denen sie nur zu gern eine gute Nachricht überbracht hätte, aber das Schicksal lief nun einmal seine eigenen Wege und handelte nicht nach ihren Wünschen.
Keller schluckte hart, begann unruhig ihre Finger zu kneten und suchte fieberhaft nach irgendetwas Passenden, was sie sagen konnte - aber egal, wie sehr sich ihre Gedanken auch drehten, sie war nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu finden, was nicht unsagbar dumm klang.

McKay konnte Jennifer ansehen, wie unwohl sie sich fühlte. Er musste kein Hellseher sein, um zu ahnen, was gerade in ihrem Kopf vor sich ging - und je mehr ihm das bewusst wurde, desto größer wurde der Kloß in seinem Hals. Er war gerne klug, er war gerne ein Genie und er war gerne ein Besserwisser, doch jetzt wäre er nichts lieber, als wahnsinnig blöd. So müsste er sich nun wenigstens nicht mit dem unguten Gefühl abplagen, dass sich in ihm ausbreitete. Und, obwohl Rodney zum ersten Mal in seinem Leben eindeutig das Gefühl hatte, dass er nicht reden wollte, kam trotzdem eine Frage über seine Lippen. “Was ist mit ihm?”

Die Stimme des Wissenschaftler war leise, zögernd, ängstlich und doch hoffnungsvoll - und genau das versetzte der jungen Ärztin einen Stich, weil es doch eigentlich ihr Job war, Hoffnung zu schenken, doch stattdessen war es heute ihre Aufgabe, diese gleich im Keim zu ersticken. Das war nicht fair - so wie das Leben. Wie gern würde sie in dieser Sekunde einfach davon laufen, doch so lief das nun einmal nicht. Sie konnte nicht einfach den Kopf einziehen und hoffen, dass irgendjemand das übernahm, was ihr auferlegt worden ist. So atmete Keller tief durch, ließ ihren Blick über den Sateder, Rodney und die Athosianerin schweifen und begann stockend zu erklären: “Ich habe alles versucht, aber … ich meine … “ Jennifer verfluchte sich innerlich. Sie war noch nicht mal in der Lage, einen anständigen Satz zu formulieren. “ … seine Verletzungen waren zu schwer … “ Gott, wie sie das hasste. “ Er …”

“ … ist tot?”, beendete Teyla den Satz der jungen Ärztin fragend. Die Athosianerin hatte beide Hände in ihrem Schoß gefaltet, fuhr immer wieder mit dem Daumen der linken Hand über den Rücken der Rechten. Fast wirkte es so, als wolle sie sich selbst beruhigen - was es wohl auch war.

Keller schüttelte den Kopf, machte aber sofort mit einem traurigen Lächeln klar, dass ihre Geste nicht das zu bedeuten hatte, was sich ihre Gegenüber erhofften. “Nein …” Jennifer schluckte schwer. “ … noch nicht.” Sie betrachtete für einen Moment den Boden vor sich, so als glaubte sie, dort die Lösung für all ihre Probleme finden zu können. Sie presste die Lippen aufeinander, beschimpfte sich innerlich selbst. Was gab sie nur für eine Ärztin ab? Eine, die auf den Metallboden starrte, weil sie hoffte, ein paar Wunder herumliegen zu sehen, die sie nur einzusammeln brauchte? Sie musste sich jetzt zusammenreißen. “Seine inneren Organe sind schwer beschädigt. Er hat viel … zu viel … Blut verloren. Ich musste die Operation abbrechen. Er liegt im … er hat nicht mehr viel Zeit.” Die letzten Worte fielen Keller unwahrscheinlich schwer.

Sie zuckte zusammen, als Ronon unvermittelt mit der Hand gegen die Wand hinter sich schlug, die Zähne zusammenpresste, um nicht loszubrüllen.

McKay stand einfach nur da, hatte das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sein Verstand weigerte sich strickt, Jennifer auch nur einen Funken Glauben zu schenken. Ihm wurde nur noch schlecht. Das durfte doch nicht wahr sein. Sie hatten so viel überstanden, so vielen Gefahren getrotzt - es war nicht das erste Mal, dass sie auf einem Planeten von Wraith überraschend angegriffen worden sind und jedes Mal waren sie immer mit einem blauen Auge davon gekommen. Warum dieses Mal nicht? Warum hatte Sheppard auch den Helden spielen müssen? Warum schickte er immer zu erst sein Team durch das Gate? Warum musste er immer zu letzt nach Hause kommen? Warum zum Teufel war ihm das Leben Anderer immer wichtiger, als sein Eigenes? Warum? Warum? Warum? Dieser verdammte Idiot.

Teyla wirkte völlig ruhig, fast schon gelassen - nur der Ausdruck in ihren Augen verriet, dass sie schlicht fassungslos war. Sie presste die Lippen aufeinander, öffnete dann etwas den Mund und fragte stockend: “Wird er noch mal … kurz … aufwachen?” Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, gerade laut genug, um überhaupt noch etwas verstehen zu können.

Die junge Ärztin zuckte mit den Schultern, versuchte sich an einem Lächeln, dass mehr als nur verloren auf ihren Lippen wirkte. “Vielleicht - aber ich glaube nicht, dass es sehr wahrscheinlich ist.” Langsam, fast schon schwerfällig, erhob sie sich von ihrem Stuhl. “Sie sollten sich von ihm verabschieden.” Mit diesen Worten drehte sich Jennifer um, wollte gehen, wurde aber von Ronon am Handgelenk festgehalten. “Wie lange wird es dauern?”

Keller zuckte mit den Schultern. “Ein paar Stunden, vielleicht einen Tag.” Als der Sateder seinen Griff löste, machte sich Jennifer mit raschen Schritten auf den Weg in ihr Büro.



Die junge Ärztin setzte sich an ihren Schreibtisch, nahm sich den nächstbesten Kugelschreiber und fuhr mit ihm ein paar Mal über ein Schmierblatt, um zu sehen, ob er auch schrieb. Sie öffnete eine Schublade, fuhr über das Buchstabenregister, blieb bei “S” hängen und suchte sich die Krankenakte von Sheppard, John heraus.

Sie legte die Mappe vor sich auf die Unterlage und schlug es auf. Aus einer Ablage kramte sich ein neues Blatt hervor und begann damit, den Kopf des Dokumentes auszufüllen; Datum, Name, Geburtsdatum, Rang, Art der Verletzungen, eingeleitete Maßnahmen, Prognose … Jennifers Finger wollten plötzlich den Kugelschreiber nicht mehr halten, ließen ihn leise scheppernd auf den Schreibtisch fallen. Wie oft hatte sie den Colonel schon zusammengeflickt? Wie oft hatte sie das hier schon ausgefüllt? Und wie oft hatte sie schon die Möglichkeit gehabt, eine gute Prognose für die Genesung des Soldaten aufzustellen? Und jetzt? Jetzt musste sie zum ersten Mal folgendes Wort in diese Zeile schreiben: “infaust”.

Kellers Hand begann zu zittern. Tränen bildeten sich in ihren Augen und rannen in feinen Bahnen die Wangen hinunter. Sie war Ärztin - so etwas gehörte zu ihrem Beruf. Warum nahm sie sich das Ganze dann so zu Herzen? - Der militärische Leiter von Atlantis war nicht nur irgendein Patient, er war ihr Kollege, ihr Freund, der nicht nur ihr schon mehrmals das Leben gerettet hatte. Und sie? Sie war eine Medizinerin, die ihren Job gut gemacht, die nichts unversucht gelassen hatte und sich schließlich doch geschlagen geben musste. Eine Tatsache, die jeder Arzt kannte und die jeder Arzt akzeptierte. Aber sie war eben nicht nur Arzt, sondern auch ein Mensch, der gerade dabei war, einen Freund zu verlieren.



Ronon ging mit langsamen Schritten auf ein Krankenbett in der Intensivstation zu. Er war allein - Teyla hatte noch um einen Moment der Ruhe gebeten. Sie hatte sich auf einen Balkon zurückgezogen, brauchte kurz Zeit für sich. McKay saß auf einem Stuhl vor der Krankenstation, hatte nur den Kopf geschüttelt, als er ihn gefragt hatte, ob er mitkommen wolle.

Und so stand er nun hier - und fühlte sich so einsam, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er hatte schon viele Freunde sterben sehen, viel zu viele zu Grabe getragen, doch noch nie hatte er das Gefühl gehabt, so hilflos zu sein.

Er schaffte es kaum, Sheppard überhaupt anzusehen, musste sich zwingen, den Blick zu heben. Ronon war noch nie vor etwas davon gelaufen, hatte sich noch jeder Gefahr gestellt, doch hier und jetzt hätte er nichts lieber getan, als sich irgendwo in einer mickrigen Kammer zu verstecken und zu hoffen, dass es schon irgendwann vorbei sein würde - doch so etwas hatte Sheppard nicht verdient.

Der Sateder war auf der Flucht gewesen, hatte Heimat und Familie durch die Wraith verloren, hatte niemanden, dem er vertrauen konnte, geschweige denn der ihm getraut hatte - dieser Mann hatte ihm ein neues zu Hause gegeben, ihn in seinem Team aufgenommen und sich für ihn eingesetzt, wie kaum jemand zuvor getan hatte. Also würde er jetzt nicht den Kopf einziehen, sondern sich gefälligst zusammenreißen und sich von einem Freund verabschieden, in Ehren, wie er es verdient hatte.

Ronon trat an das Bett heran, schluckte hart, legte vorsichtig seine Hand auf Johns Schulter, beugte sich an dessen Ohr und hauchte: “Es war mir eine Freude. Danke.”

Der Sateder erhob sich, drehte sich auf der Stelle herum und verließ das Zimmer, ohne auch nur noch einmal einen Blick zurückzuwerfen.



Teyla hatte Ronon mit raschem Schritt die Krankenstation verlassen sehen und Rodney machte noch immer keine Anstalten, auch nur aufzustehen - jetzt war sie also an der Reihe.

Die Athosianerin meinte, den schwersten Gang ihres Lebens vor sich zu haben. Sie stand in der Tür und hatte das Gefühl, diese fünf Meter bis zu Johns Krankenbett wären der Weg zur Hölle. Mit weichen Knien überquerte sie die kurze Distanz, schien eine kleine Ewigkeit dafür zu brauchen.

Sie wollte nicht weinen, sie wollte stark sein - doch weder das Eine, noch das Andere gelang ihr. Sheppards Anblick zerriss ihr fast das Herz. Er hatte schon einige Male mehr als Glück gehabt, aber trotzdem hatte es der Soldat immer wieder geschafft, irgendwie durchzukommen. Nun hatte das Schicksal anders entschieden, hatte für ihren Freund einen neuen Weg vorgesehen - vielleicht sogar einen Besseren, aber dieser Gedanke half der Athosianerin auch nicht viel. Sie hatte immer Trost in ihrem Glauben gefunden, aber dieses Mal wollte kein Gebet der Welt ihren Schmerz lindern.

Mit zittrigen Finger griff Teyla an ihren Hals, riss ihre Kette mit einem Ruck ab und legte sie in Johns Hand. Es war ein Schmuckstück ihrer Ahnen - alle waren Kämpfer, alle waren Anführer gewesen. Sie wusste nicht, ob es etwas brachte, aber ihr kam es schlicht richtig vor, dass Sheppard sie bekam. Er hatte gekämpft und er hatte geführt - es war nur passend.

Sie fuhr sanft mit der Hand über die Wangen des Soldaten, strich durch dessen Haar. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton über die Lippen. Warum auch? Kein Wort der Welt, keine noch so schöne Rede könnte auch nur ansatzweise das ausdrücken, was für John gerade noch so würdig genug gewesen wäre.

Die Athosianerin ließ noch einmal ihre Finger liebevoll über Sheppards Kinn gleiten, dann wandte sie sich langsam ab und verließ mit gesenktem Kopf das Zimmer. Viel länger hätte sie es nicht mehr in diesem Raum ausgehalten - viel zu tief saß der Schmerz.

Teyla durchschritt die Tür der Krankenstation, bemerkte traurig, dass der Wissenschaftler noch immer da saß und noch nicht einmal aufsah, als sie direkt vor ihm stand. Er schien völlig in Gedanken versunken zu sein.

“Rodney?”, fragte die Athosianerin vorsichtig, aber er zuckte dennoch erschrocken zusammen und fuhr augenblicklich von seinem Stuhl hoch. “Was? Ist er schon …”, stammelte er entsetzt, wurde aber von der Athosianerin sanft unterbrochen. “Nein …” Sie blickte McKay fürsorglich an. “ … aber sie sollten jetzt zu ihm.”

Rodney öffnete kurz seinen Mund, um etwas zu sagen, entschied sich dann aber doch dagegen und nickte nur stumm. “Dann gehen Sie.” Teyla lächelte kurz, bevor sie dem Wissenschaftler einen leichten Schubs in Richtung Krankenstation gab.



Es war nicht das erste Mal, dass McKay an Sheppards Krankenbett stand und es war auch nicht das erste Mal, dass er Angst um das Leben seines Freundes hatte - aber es war das erste Mal, dass er die Gewissheit hatte, den Soldaten das letzte Mal hier besuchen zu können. Er konnte nicht anders, als John anzustarren. Er lag einfach nur da, während sich sein Brustkorb regelmäßig hob und senkte. Über Sheppard Mund befand sich eine Sauerstoffmaske, die bei jedem von seinem Atemzüge etwas beschlug. Auf seiner Brust waren Elektroden befestigt, die zu einer Maschine führten - immer und immer wieder gab das Gerät ein Piepsen von sich. In seinem Arm steckte eine Nadel, an der eine Infusion hing.

Rodney musste sich fast zwingen, etwas zur Seite zu gehen, sich einen Stuhl an Bett zu ziehen und sich darauf zu setzen. Alles schien ihm unendlich viel Mühe zu bereiten.

Der Wissenschaftler hob den Arm, zögerte noch eine Sekunde, dann legte er seine Hand auf die des Soldaten. Um ein Haar hätte er sie sofort wieder zurückgezogen - Sheppards Haut war kühl und klebrig.

McKay wusste nicht so recht, wie er sich jetzt verhalten sollte. Wenn es nach ihm ginge, würde am liebsten die Beine in die Hand nehmen und zu sehen, schnellst möglich Land zu gewinnen - aber es ging nun einmal nicht nach ihm. Es drehte sich in diesem Augenblick alles um seinen Freund.

Rodney war nicht besonders gut, was soziale Interaktionen anging - er war im Prinzip mit allem überfordert, was mit Gefühlen zu tun hatte - und so war es auch nicht weit hergeholt, dass er sich mit dieser Situation hoffnungslos überfordert fühlte. Gab man ihm ein paar Zahlen, wusste er, was er damit anzufangen hatte, aber das hier … was sollte er nur machen?

Der Wissenschaftler beschloss das Einzige zu tun, was er aus dem FF konnte - reden. “Ich dachte mir, ich nutze diese Gelegenheit einfach mal, um gewisse Dinge anzusprechen, die … wissen Sie eigentlich, wie dämlich Ihre Frisur ist? Ich meine, sind Sie nicht in der Lage einen Kamm zu benutzen? Die stehen in sämtliche Richtungen ab und sind … naja … völlig außer Kontrolle. Und trotz des katastrophalen Zustands Ihrer Haare kriegen Sie immer die sexy Alien-Frauen ab. Normal ist das jedenfalls nicht. Übrigens genauso wenig, wie Ihre Lesegewohnheiten. Ich habe mich schon immer gefragt, warum Sie “Krieg und Frieden” auf Atlantis mitgenommen haben, wenn Sie es in den letzten Jahren noch nicht mal über die ersten fünfzig Seiten hinaus geschafft haben. Oder haben Sie das nur gemacht, um intellektuell zu wirken? Wenn ja, muss ich Sie leider enttäuschen. Das wirkt nicht intellektuell, sondern bescheuert und erweckt den Eindruck, als wären Sie ein Analphabet oder hätten zumindest eine Leseschwäche. Und jetzt, wo ich schon mal dabei bin, sollte ich Sie vielleicht auch darauf hinweisen, dass Ihr Humor unterste Kanone ist. Was sollen denn bitte immer diese Macho-Sprüche? Die sind doch von vorgestern. Was mir auch gerade einfällt, Sie haben sich doch mal gewundert, warum ihr Golfschläger so verbogen war - das war ich. Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht allzu krumm. …”

McKay hatte keine Ahnung, wie lange er schon so vor sich hin brabbelte, aber allmählich wusste selbst er nicht mehr wirklich, was er sagen sollte. “Jedenfalls kann man im Großen und Ganzen festhalten, dass Sie mir während der letzten Jahre den letzten Nerv geraubt haben und …”

“So schlimm war ich nun auch wieder nicht.” Die Worte waren nur gemurmelt und kaum mehr als ein heiseres Krächzen, aber sie reichten vollkommen aus, um Rodney aus der Fassung zu bringen.

Der Wissenschaftler hob überrascht den Blick und starrte ungläubig in Sheppards halb geöffnete Augen. Der Soldat schaffte es sogar ein kümmerliches Lächeln zustande zu bringen.

“John?”, brachte McKay gerade so über die Lippen, zwickte sich selbst ins Bein, um auch sicher zu gehen, dass er nicht träumte - nein, das tat er nicht. Sheppard war wach und schaute ihn aus glasigen Augen an. Himmel, er sollte sich freuen, doch das tat er nicht. Die Situation war so schon schlimm genug, aber … oh Gott … er musste ihm sagen, dass er … nein … das schaffte er nicht. Rodneys Finger griffen hastig nach der Rufanlage und wollten gerade den Knopf drücken, als der Soldat wisperte: “Nicht.”

Der Wissenschaftler verharrte mitten in der Bewegung, wollte etwas erwidern, aber seine Stimmbänder versagtem ihm.

“Tun Sie mir das nicht an, bitte.” Das Sprechen strengte John an, es kostete ihm viel Kraft überhaupt seine Zunge dazu zu bewegen, Wörter zu bilden.

McKay legte die Rufanlage wieder zurück auf das Bett, war aber noch immer nicht imstande, irgendetwas sinnvolles von sich zu geben. Er wusste ja noch nicht mal, was in dieser Situation überhaupt sinnvoll war.

“Alles in Ordnung?”, krächzte Sheppard und musterte Rodney besorgt.

Das durfte doch nicht wahr sein? Wurde er gerade von einem sterbenden Mann gefragt, ob alles in Ordnung war? Das war doch Verarsche. “Das ist doch nicht Ihr Ernst”, erwiderte Rodney verwirrt.

Der Soldat schluckte hart, befeuchtete mit der Zungenspitze seine Lippen. “Nur weil ich … sterbe … werde ich mich ja wohl noch informieren dürfen, wie es Ihnen geht. Sonst beschweren Sie sich doch auch nicht, wenn sich jemand nach Ihrem Wohlbefinden erkundigt.” John setzte ein schiefes Grinsen auf und zwinkerte seinen Gegenüber zu.

Der Wissenschaftler reagierte auf die einzige Weise, die ihm gerade einfiel. Er sprang von seinem Stuhl auf, lief ans Bettende, machte wieder einen Satz noch vorne, deute mit dem Zeigefinger auf Sheppard, nur um sofort die Hände über den Kopf zusammenzuschlagen und dann wie angewurzelt stehen zu bleiben. “Wissen … haben Sie überhaupt eine Ahnung … Sie können doch nicht … ich sollte … ich hole Dr. Keller … die Anderen auch … und …”

“… setzen sich wieder hin”, beendete der Soldat McKays Gestammel.

Rodney wusste selbst nicht warum, aber er ließ sich tatsächlich wieder auf den Stuhl fallen. Dass er überfordert war, war ja bereits geklärt, aber im Moment fühlte er sich wie ein fünfjähriges Kind, dass ein Flugzeug landen sollte.
Der Wissenschaftler brachte es noch nicht einmal fertig, Sheppard in die Augen zu sehen. Überhaupt hatte er keinen Schimmer, was er wie machen sollte. Er knetete nervös seine Finger und wackelte mit den Beinen auf und ab. Er fühlte sich verloren und hilflos. McKay wünschte sich gerade nichts sehnlicher, als ein Loch im Boden, durch das er schleunigst verschwinden konnte, aber leider tat ihm die antiker Stadt nicht den Gefallen.

Rodney schaffte es dann doch mit einiger Überwindung, Sheppard anzusehen. John bedachte ihn mit einem abwartenden Blick - wahrscheinlich wollte er, dass er irgendetwas zu ihm sagte. Aber was?

Der Wissenschaftler verfluchte sich selbst. Er führte sich hier auf wie ein Kleinkind. Er musste sich verdammt noch mal zusammenreißen. Er war es seinem Freund schließlich schuldig.

McKay schluckte ein paar Mal und versuchte sich dann an einem einigermaßen verständlichen Satz. “Sie … “ Rodney seufzte verzweifelt auf. “Ich weiß nicht, was ich sagen soll.”

Der Soldat lächelte schwach. “Ist okay.”

Rodney gab einen überraschten Laut von sich. Ist okay? War es okay, dass er zu dämlich dafür war, seinem sterbenden Freund etwas Anständiges zu sagen? Nein, das war mit Sicherheit nicht okay, überhaupt nicht okay. “Ist es nicht”, meinte der Wissenschaftler. “Aber ich kann einfach nicht … ich kann mich doch nicht …” Warum fiel es ihm nur so schwer, auszusprechen, was er dachte? “ … es ist …” Resigniert brach McKay mitten im Satz ab. Er war wirklich zu blöd, zum Sprechen, zu doof, um das in Worte zu kleiden, was er fühlte.

Sheppard hingegen schien die volle Bandbreite des Subtextes verstanden zu haben, denn er flüsterte: “Ist scheiße, sich verabschieden zu müssen, was?”

Rodney erstarrte für einen Wimpernschlag, dann nickte er schwach. “Ja.”

“Dann tun Sie`s nicht”, erwiderte der Soldat trocken, verzog aber mitten im Satz das Gesicht und stöhnte unterdrückt auf. “Haben Sie Schmerzen?”, fragte der Wissenschaftler sofort, wusste aber schon jetzt, dass er keine ehrlich Antwort bekommen würde.

John presste die Lippen aufeinander, kniff die Lider zusammen und schüttelte den Kopf. Es dauerte eine Weile, bis er wieder seinen Blick auf McKay richtete. “Erzählen Sie mir was”, keuchte er leise.

“Was?” Rodney verstand nicht wirklich, was der Soldat von ihm wollte.

“Irgendwas”, antwortete Sheppard schlicht. “Bitte.”

Der Wissenschaftler zögerte kurz, holte tief Luft und begann schließlich zu berichten - von seinen neuesten Entdeckung, wie inkompetent sein Team war, welche Krankheiten ihn zuletzt heimgesucht hatten. Er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, ob er das Richtige tat, aber der Soldat lauschte seinen Worten aufmerksam. Sogar ein sachtes Schmunzeln huschte gelegentlich über Johns Gesicht. So falsch war es dann wohl auf alle Fälle nicht.



Es waren zwei Stunden vergangen, in denen sich McKay den Mund fusslig geredet hatte - was ihm aber überhaupt nichts ausmachte. Warum auch? Reden konnte er hervorragend - gerade, wenn es sich um seine Wenigkeit drehte.

Rodney hatte gerade eine kleine Pause eingelegt, um einen Schluck zu trinken, als der Soldat gequält aufröchelte. Erschrocken ließ der Wissenschaftler sein Glas scheppernd zu Boden fallen, erhob sich und beugte sich über Sheppard.

John hatte sich von einer Sekunde auf die andere völlig verändert. Sein Gesicht war aschfahl, die Augen tief in die Höhlen gesunken. Sein Mund stand einen Spalt breit offen, die Lippen war blass, fast schon bläulich. Ein Schweißfilm hatte sich auf der Stirn des Soldaten gebildet, ließ ihn noch elendiger wirken. Sheppards Brust hob und senkte sich nur noch schwach, die Atmung war langsam und oberflächlich.

Er stirbt. Dieser Gedanke traf den Wissenschaftler wie ein Vorschlaghammer mitten ins Gesicht, durchfuhr ihn wie ein Blitz. Panisch suchte McKay nach der Rufanlage. Er musste Hilfe holen, sofort. Endlich hatte er den Schalter gefunden, wollte ihn gerade nehmen, als sich plötzlich die kühlen Finger des Soldaten um sein Handgelenk schlossen. “Nein”, hauchte Sheppard kaum hörbar. Seine glasigen Augen sahen Rodney so durchdringend an, als ob er den Wissenschaftler durch seinen bloßen Blick zum Gehorchen zwingen konnte. “Aber ich kann doch nicht …”, begann McKay stockend, noch immer helle Panik, pure Angst, in sich spürend, wurde aber von John unterbrochen. “Doch”, flüsterte dieser. Obwohl seine Stimme schwach war, sprach er mit einer Selbstbestimmtheit, die dem Wissenschaftler klar machte, dass er jetzt in Gottes Namen überhaupt nichts tun musste - tun durfte.

Rodney nickte knapp. Er hatte das Gefühl, kaum noch auf den Beinen stehen zu können. Ein riesiger Kloß bildete sich in seinem Hals, der jeden Moment zu platzen drohte. Seine Knie begannen weich zu werden, als der Soldat ihn dankend ansah, dann langsam die Augen schloss.

Das Piepsen der medizinischen Geräte wurde langsamer, unregelmäßiger.

McKay wurde schlagartig klar, dass das Johns letzte Momente waren, dass es nur noch die eine Gelegenheit gab, ihm etwas zu sagen.

Die Finger des Wissenschaftler zitterten fast schon unkontrolliert, als er seine Hand um die Sheppards schloss. Vorsichtig beugte er sich zu ihm hinunter, legte seine Stirn auf die des Soldaten. Mit bebender Stimme flüsterte er: “Gott, ich hab` solche Angst.”

Er konnte spüren, wie John seine Hand kaum merklich drückte. “Auch”, hauchte Sheppard, gerade so laut, dass Rodney ihn verstand.

Tränen schossen McKay in die Augen, liefen über seinen Nasenrücken und tropften auf die Wangen des Soldaten. “Ich … es gibt so vieles, was … verdammte Scheiße … Sie sind der beste Freund, den ich je hatte … und … danke, einfach danke für alles …” Rodney konnte nicht mehr - mitten im Satz brach er ab, glaubte … glaubte … überhaupt nichts. Sein Kopf war wie leer gefegt.

“Ebenso”, raunte Sheppard. “Teyla … Ronon …”

Der Wissenschaftler wusste, was ihm sein Freund sagen wollte. “Ich werd`s ihnen sagen. Ich werd`s Ihnen sagen, versprochen” Gequält schloss McKay die Augen. Er hatte das Gefühl, gefoltert zu, vom Schicksal ausgelacht zu werden. Sein Herz stach, schmerzte unglaublich. Die Grenze des Ertragbaren hatte Rodney gerade weit überschritten.

Ein fast schon sanftes Zittern durchfuhr den Soldaten. Er atmete noch einmal tief ein, dann … dann war alles vorbei.



Ein beständiges Piepsen drang aus dem medizinischen Gerät, schien die Stille nur noch grausamer zu machen.

Es dauerte keine zehn Sekunden, bis Jennifer Keller in das Zimmer gerannt kam und mitten im Raum wie angewurzelt stehen blieb. Krankenschwester hastete herbei, hatten den Defibrillator schon bereit, doch die junge Ärztin schüttelte lediglich den Kopf. Sie hatte nicht vor, eine Wiederbelebung zu starten. “Nein”, drang es schwach über ihre Lippen. “Das werde ich ihm nicht antun.”



Der Wissenschaftler hatte sich noch keinen Zentimeter bewegt, als die Krankenschwester schon längst das Zimmer verlassen hatten.

Teyla und Ronon traten gerade über die Türschwelle, als sich Rodneys Starre endlich zu lösen schien. Langsam richtete er sich auf, stand einen Wimpernschlag lang einfach nur da und machte den Eindruck, als ob er auf der Stelle einfach umkippen würde, drehte sich dann unglaublich mühselig zu den Anderen herum und meinte mit tonloser Stimme: “Er ist … er meinte … seine letzten Worte waren eure Namen.”

McKay wandte sich zum Gehen - Sheppards Weg war zu Ende, seiner noch nicht.

- Fin -
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